Schriftliche Abiturprüfung 2007 – Sachsen-Anhalt Physik 13 n (Leistungskursniveau) G1: Untersuchungen zur relativistischen Massenzunahme 1 Dynamische Masse m 1.1 Die Grundlage der speziellen Relativitätstheorie (SRT) Einsteins bilden zwei Postulate. Formulieren Sie diese Postulate. 1.2 Ein wichtiges Ergebnis der speziellen Relativitätstheorie Einsteins ist die relativistische Massenzunahme bewegter Körper. m Stellen Sie in einem Diagramm die Abhängigkeit von vom Verhältnis der Geschwindigm0 v v keiten im Intervall 0 0,9 dar. c c 2 Experiment von Bucherer 2.1 Im Jahr 1908 entwickelte Bucherer eine Versuchsanordnung mit dem Ziel, die von Einstein in der SRT abgeleitete relativistische MassenSchirm zunahme experimentell zu bestätigen. Blende Im Bild 1 ist der Aufbau der von Bucherer verwendeten Anordnung schematisch dargestellt. Zwischen die Platten eines Plattenkon P d densators mit der elektrischen Feldstärke E wird ein radioaktives Präparat P eingebracht, das Elektronen mit einer Geschwindigkeit auss sendet, die wesentlich größer als 0,1c ist. Bild Der gesamte Aufbau, der sich im Vakuum befindet, ist in ein homogenes magnetisches Feld der Flussdichte B eingebettet, so dass E B gilt. Die Versuchsanordnung garantiert, dass nur solche Elektronen aus dem Kondensator austreten, die sich parallel zu dessen Platten bewegen. Die Elektronen, die die Blende passiert haben, werden im homogenen Magnetfeld abgelenkt und auf dem Schirm registriert. Durch Wechsel der Feldrichtungen des elektrischen und magnetischen Feldes entstehen außerhalb des Kondensators spiegelbildliche Bahnen. 2.1 Begründen Sie, dass nur Elektronen einer bestimmten Geschwindigkeit den Kondensator parallel zu dessen Platten verlassen können. Erklären Sie den Verlauf der jeweiligen Bahn außerhalb des Kondensators. 2.2 Für die beschriebene Versuchsanordnung ergibt sich für die Bestimmung der spezifischen e 2Ed Ladung folgende Gleichung: = 2 2 . m B (s d 2 ) Berechnen Sie die spezifische Ladung der Elektronen für folgende Messbedingungen: E = 7,2 . 105 V.m-1; B = 3,0 mT; s = 8,25 cm; d = 4,5 mm. Ermitteln Sie die Geschwindigkeit der Elektronen und zeigen Sie, dass diese Messung die Massenzunahme nach der speziellen Relativitätstheorie bestätigt. 2.3 Die Untersuchung der Abhängigkeit der spezifischen Ladung von der Geschwindigkeit der Elektronen liefert folgende Ergebnisse: v 0,23 0,46 0,60 0,73 0,81 0,88 c e As in 1011 1,7 1,6 1,4 1,2 1,1 0,8 m kg G1-Lk-2007-13-N.doc 1/9 www.phyma-gae.de Bestimmen Sie aus den Messergebnissen das jeweilige Verhältnis m in Abhängigkeit von m0 v und tragen Sie die Werte in das in Aufgabe 1.2 angefertigte Diagramm ein. c Vergleichen Sie die Werte mit der theoretischen Kurve und bewerten Sie das Ergebnis hinsichtlich des Zieles des Experimentes. 3. 3.1 3.2 Ein Präzisionsexperiment 1963 führte eine Schweizer Forschergruppe ein Präzisionsexperiment zur Messung der relativistischen Massenzunahme durch. Der prinzipielle Aufbau dieses Experiments ist in Bild 2 dargestellt. Nach dem Durchlaufen der Beschleunigungsspannung durchfliegen die Elektronen im Bereich I ein homogenes magnetisches Feld, das die Elektronen auf einen Halbkreis mit dem Radius rB ablenkt. Im Bereich II des zylindersymmetrischen elektrischen Feldes wirkt die auf der Kreisbahn konstante Coulombkraft als Radialkraft und die Elektronen werden auf einen Viertelkreis mit dem Radius rE abgelenkt. In den anderen, nicht gekennzeichneten Bereichen der evakuierten Röhre erfolgt keine Ablenkung, da die Gravitationswirkung als vernachlässigbar anzusehen ist. Zeigen Sie, dass für die spezifische Ladung der Elektronen, die den Detektor erreichen, fole Er gende Gleichung gelten muss: 2 E2 . m B rB Bei einer Beschleunigungsspannung U durchfliegen die Elektronen den angegebenen Bahnverlauf, wenn im Bereich I ein Magnetfeld mit der Flussdichte B und im Bereich II ein elektrisches Feld mit der Feldstärke E anliegen. Daten: rB = 0,50000 m rE = 1,00000 m 6 U = 2,53000 10 V B = 2,00000 10 -2 T E = 2,95529 10 6 V m -1 Berechnen Sie für diese Bedingungen die relativistische Masse der Elektronen und die von ihnen erreichte Geschwindigkeit. Berechnen Sie die Ruhenergie und die relativistische kinetische Energie der Elektronen und begründen Sie unter Einbeziehung einer Rechnung, dass diese Messung die Einstein’sche Gleichung E = m . c2 mit sehr guter Genauigkeit bestätigt. Hinweis: Nutzen Sie bei der Berechnung die volle Genauigkeit der Naturkonstanten Ihres Tafelwerkes und runden Sie in diesem Fall die Taschenrechnerwerte nicht. G1-Lk-2007-13-N.doc 2/9 www.phyma-gae.de 1. 1.1 Dynamische Masse m 1. Postulat: Alle Inertialsysteme sind bezüglich physikalischer Gesetze gleichberechtigt. Die fundamentalen Naturgesetze gelten in jedem Inertialsystem in gleicher Weise. 2. Postulat: Die Lichtgeschwindigkeit im leeren Raum hat in allen Bezugssystemen (Inertialsystemen) den gleichen Wert und ist unabhängig von der Bewegung des emittierenden Körpers. 1.2 m v - Diagramm: m0 c 0 0,1 0,2 0,3 v c 1 1,005 1,023 1,048 m m0 Beispielrechnung: m0 m 1 m 2 m0 v v2 1 2 1 2 c c m 1 1 1, 021 2 2 m 0 0,2c 0, 2 c 1 0, 22 1 c2 2.500 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,091 1,155 1,25 1,40 1,667 2,294 m m0 2.250 2.000 1.750 1.500 1.250 1.000 0.750 0.500 v c 0.250 Experiment von Bucherer Begründung für Geschwindigkeit: Elektronen werden durch das elektrische Feld (elektrische Feldkraft) nach oben abgelenkt o Fel E e Elektronen werden durch das magnetische Feld (Lorenzkraft) e nach unten abgelenkt (Drei – Finger – Regel der linken G1-Lk-2007-13-N.doc 3/9 1.05 1.00 0.95 0.90 0.85 0.80 0.75 0.70 0.65 0.60 0.55 0.50 0.45 0.40 0.35 0.30 0.25 0.20 0.15 0.10 0 2. 2.1 0.05 0 + v FE B FL www.phyma-gae.de E Hand) o FL e v B o Lorenzkraft ist abhängig von der Geschwindigkeit Wenn Fel FL kann die Bedingung nur für eine Geschwindigkeit gelten nur für den Fall bewegen sich die Elektronen geradlinig durch den Kondensator; werden nicht abgelenkt geradlinige Flugbahn bei Fel FL außerhalb des Plattenkondensators: nur Lorenzkraft wirkt entsprechend der Drei – Finger – Regel der linken Hand als Zentripetalkraft FL FZ Kreisbahn Elektronen werden nach unten abgelenkt Erklärung der Bahn bei Wechsel der Feldrichtungen: Werden E-Feld und B-Feld genau entgegengesetzt orientiert, so bewegen sich die Elektronen der gleichen GeschwindigB E FL keit geradlinig. v nur die Richtungen von Fel und FL werden vertauscht, die BeFE träge ändern sich nicht außerhalb des Plattenkondensators: + o nur Lorenzkraft wirkt entsprechend der Drei – Finger – Regel der linken Hand o Elektronen werden nach oben abgelenkt 2.2 Berechnung: e 2Ed 2 2 m B s d2 e 2 7, 2 105 V m 1 4,5 103 m 1, 055 1011 C kg 1 2 2 2 m 3 103 T 2 8, 25 102 m 4,5 10 3 m 1 V m2 A s C m2 e Vm m C kg 1 2 2 2 2 4 2 2 2 2 2 m T m V s m m V s A s kg m s s Geschwindigkeit: FL Fel e v B E e E B 7, 2 105 V m 1 v 2, 4 108 m s 1 0,8c 3, 0 V s m 2 v Nachweis, dass die Messung die Massenzunahme nach der speziellen Relativitätstheorie bestätigt: 1. Möglichkeit: Massenbestimmung aus Experiment: e 1, 055C kg 1 m e 1, 602 1019 A s m 1,518 1030 kg 11 1 11 1 1, 055 10 C kg 1, 055 10 C kg G1-Lk-2007-13-N.doc 4/9 www.phyma-gae.de Massenbestimmung – relativistisch: m0 m v2 1 2 c 9,109 1031 kg m 1,518 10 30 kg 2 2, 4 108 m 2 s 2 1 2 3 108 m 2 s2 2. Möglichkeit: Bestimmung der spezifischen Ladung – relativistisch: e 1, 602 1019 A s 1, 055 1011 C kg 1 30 m 1,518 10 kg Da die Ladung des Elektrons sich nicht verändert, muss die Massenzunahme die Verringerung der spezifischen Ladung bewirken, wie es das Experiment nachgewiesen hat. Damit braucht man die Masse aus dem experimentellen Daten zum Vergleich nicht berechnen! 3. Möglichkeit: Berechnen der Radien der Kreise im B-Feld (nach Durchgang durch Kondensator) und des Auftreffortes r1 – Radius ohne Berücksichtigung der Massenzunahme r2 - Radius mit Berücksichtigung der Massenzunahme FZ FL m v2 evB r mv r eB klassisch: m v r1 0 eB 9,109 1031 kg 2, 4 108 m s 1 r1 0, 455 m 1, 602 1019 A s 3 103 V s m 2 kg m s 1 kg m 2 s 2 V A s m 2 1 AsVsm V A s m V A s m 1 relativistisch: r G1-Lk-2007-13-N.doc 5/9 www.phyma-gae.de r1 mR v eB mR r1 m0 v 1 c 2 m0 1 0,8 m0 2 0, 36 m0 0, 6 m0 v 0, 6 e B 9,109 10 31 kg 2, 4 108 m s 1 r1 0, 758 m 0, 6 1, 602 1019 A s 3 103 V s m 2 Berechnung des zu den Radien gehörenden Abstandes: r 2 s2 r d Schirm s Pythagoras: 2 d r 2 s2 r 2 2 r d d2 0 d 2 2 r d s2 d1,2 r r 2 s 2 s da d r d r r 2 s2 r-d r r klassisch: d1 r1 r12 s 2 d1 0, 455 m 0, 4552 m 2 8, 25 102 m 2 0, 00754 m 7,54 mm 2 Entfernung größer als Anlagenparameter. relativistisch: d 2 r2 r2 2 s 2 d 2 0, 758 m 0, 7582 m 2 8, 25 102 m 2 0, 0045 m 4, 5 mm 2 Abstand d2 entspricht den experimentellen Ergebnissen; also ist damit die relativistische Massenzunahme bestätigt. Vergleich: Massenbestimmung im Experiment entspricht der relativistischen Masse 2.3 e m m m e 0 m e m0 0 m e m 1, 758 1011 C kg 1 1, 035 m 0 0,23 v 1, 7 1011 C kg 1 c G1-Lk-2007-13-N.doc 6/9 www.phyma-gae.de v c m m0 0,23 0,46 0,60 0,73 0,81 0,88 1,035 1,10 1,256 1,47 1,60 2,20 Eintragen der Punkte in das 2.500 m v - Diagramm: (Punkte müssen nicht verbunden werden) m0 c m m0 2.250 2.000 1.750 1.500 1.250 1.000 0.750 0.500 v c 0.250 1.05 1.00 0.95 0.90 0.85 0.80 0.75 0.70 0.65 0.60 0.55 0.50 0.45 0.40 0.35 0.30 0.25 0.20 0.15 0.10 0.05 0 0 Vergleich: bei kleineren Geschwindigkeiten sind die Werte beider Kurven fast identisch erst bei höheren Geschwindigkeiten treten Abweichungen auf Bewertung: Experimentell Ergebnis bestätigen die Theorie Experiment hat sein Ziel erfüllt. 3. 3.1 Ein Präzisionsexperiment Herleitung: FZ FL v2 m evB rB e v 2 2 m rB B Fel FZ v2 eE m rE v2 e E rE m e2 eEr 2 2E 2 m rB B m Er e 2 E2 m rB B G1-Lk-2007-13-N.doc 7/9 www.phyma-gae.de 3.2 Massenberechnung: Er e 2 E2 m rB B e rB 2 B2 m E rE 1, 60217646 1019 A s 0,5 m 2, 0 102 T 2 m 2 5, 42139 1030 kg 1 2,95529 10 V m 1, 0 m 6 m A s m 2 T 2 A s m 2 V 2 s 2 m 4 A s V s 2 m 2 kg m 2 s 2 s 2 m 2 kg 1 Vm m V Geschwindigkeit: 1. Möglichkeit: mit 3.1 e E rE v m 1, 60217646 1019 A s 2,95529 106 V m 1 1, 0 m v 2,95529 10 8 m s 1 0,9851c 30 5, 42139 10 kg A s V m 1 m kg m 2 s 2 m s 1 v kg kg 2. Möglichkeit: m 1 m0 v2 1 2 c v2 m0 1 2 c m 2 v2 m 1 0 2 c m 2 m v c 1 0 m 2 2 9,10938288 1031 kg 8 1 v 3 10 m s 1 2,95528 10 m s 0,9851c 30 5, 42139 10 kg 8 1 Ruheenergie: E 0 m0 c2 E 0 9,10938288 1031 kg 3 108 m s 1 8,1984 10 14 J 2 relativistische kinetische Energie: E kin e U E kin 1, 60217646 1019 A s 2,53 106 V 4, 0535 1013 J Energie nach Einstein: G1-Lk-2007-13-N.doc 8/9 www.phyma-gae.de E m c2 E 5, 42139 1030 kg 3 108 m s 1 4,8793 10 13 J 2 Bestätigung: E E kin E 0 4,8793 10 13 J 4, 0535 1013 J 8,1984 10 14 J 4,8793 1013 J 4,8733 10 13 J G1-Lk-2007-13-N.doc 9/9 www.phyma-gae.de