Fettstoffwechselstörung und Ernährung B. Bahadori 2. Med. Abt. LK St. Pölten Fettstoffwechselstörungen • Familiäre Hypercholesterinämie • Kombinierte Hyperlipidämie • Fettstoffwechselstörungen i. R. eines metabolischen Syndroms – Triglyceride – HDL – LDL Jahrzehntelanges Dogma in der Ernährungsmedizin • Je weniger Fett, umso besser • Cholesterin in der Ernährung senken, wo man kann • Es darf nur max. 30% der Kalorien unserer Nahrung von Fett stammen 1. Inwieweit kann Ernährung den Cholesterin-Spiegel beeinflussen? 2. Inwieweit kann die cholesterin- oder fettarme Ernährung die cardiovasculäre Mortalität senken? 3. Inwieweit ist eine fettarme Ernährung (Fettanteil <30%) durchführbar? • Eine Reviewarbeit, die 16 randomisierte Studien mit fettarmen Diäten (<30% der Nahrungskalorien von Fett) analysierte, zeigte eine Änderung des Cholesterinspiegels zwischen 2.1 - 1.0 % in 4 bis 10 Jahren Romsay LE et al. Dietary reduction of serum cholesterol concentration: time to think again. BMJ 1991;303:953 • Die „Women‘s Health Initiative Study“ mit über 48.000 Teilnehmerinnen und einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 8 Jahren konnte keinen Benefit einer fettarmen Ernährung zeigen. Anderson CA et al. Dietary modification and CVD prevention: a matter of fat. JAMA 2006; 295:693. Paradigmenwechsel bei den Ernährungsempfehlungen • Fettmodifikation statt Fettreduktion • Einbeziehung der Kohlenhydrate in alle Erwägungen bzgl. Fettstoffwechselstörungen • Eiweiß? Einteilung der freien Fettsäuren • Man unterscheidet FS nach ihrer Länge – kurzkettige Fettsäuren (4 bis 6 C-Atome) – mittelkettige Fettsäuren (8 bis 12 C-Atome) – langkettige Fettsäuren (ab 24 C-Atomen) Die Kettenlänge der Fettsäuren kann zwischen 4 und 22 C-Atomen variieren und ist immer gradzahlig. Die häufig vorkommenden Fettsäuren haben 16 oder 18 Kohlenstoffatome. Einteilung der freien Fettsäuren • Man unterscheidet FS nach dem Grad der Sättigung – gesättigte Fettsäuren – einfach ungesättigte Fettsäuren – mehrfach ungesättigte Fettsäuren Fettmodifikation? • Gesättigte Fettsäuren Gesättigte Fettsäuren haben bei Zimmertemperatur eine eher feste Konsistenz und kommen vor allem in tierischen Fetten (Butter, Schmalz, Rindertalg) und in tropischen pflanzlichen Fetten (Kokosfett, Palmfett, Kakaobutter) vor. Sie sind relativ unempfindlich gegen Licht, Sauerstoff und Wärme, lange haltbar und hoch erhitzbar. Gesättigte Fettsäuren müssen wir nicht unbedingt mit der Nahrung aufnehmen - unser Körper kann sie selbst herstellen. Fettmodifikation? • Ungesättigte Fettsäuren Sind bei Zimmertemperatur flüssig und somit die hauptsächlichen Bausteine der Öle. 1. Einfach ungesättigte Fettsäuren 2. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren Fettmodifikation? 1. Einfach ungesättigte Fettsäuren Hauptvertreter: Ölsäure (Olivenöl, Haselnussöl, Rapsöl, Mandelöl und Erdnussöl). Im Vergleich zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind sie stabiler, was die Empfindlichkeit gegen Licht, Sauerstoff und Wärme angeht. Unser Körper kann die einfach ungesättigten Fettsäuren bei Bedarf aus gesättigten Fettsäuren selbst herstellen. Fettmodifikation? 2. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren Diese Gruppe der FS, die unser Körper nicht selbst herstellen kann. Das bedeutet, dass wir sie mit unserer Nahrung aufnehmen müssen. • Linolsäure, eine 2-fach ungesättigte FS, ist in fast allen pflanzlichen Ölen vorhanden, besonders reich im Nachtkerzenöl, Traubenkernöl, Sonnenblumenöl, Walnussöl, Weizenkeimöl und Kürbiskernöl. • Linolensäure, 3-fach ungesättigt, kommt relativ selten vor, besonders aber im Leinöl, Rapsöl, Wildrosenöl und im Fett von Kaltwasserfischen. • Omega Fettsäuren Fettmodifikation? • Omega Fettsäuren Die Position der 1. Doppelbindung im Fettsäuremolekül wird mit dem griechischen Buchstaben Omega gekennzeichnet. Zu den bekanntesten gehören: - Omega-3-Fettsäuren - Linolensäure, EPA, DHA - Omega-6-Fettsäuren - zB: Linolsäure - Omega-9-Fettsäuren - zB: Ölsäure Fettmodifikation? • Omega-3 Fettsäuren – Linolensäure – Eicosapentaensäure (EPA) – Docosahexaensäure (DHA) Fettmodifikation? • Cis-Fettsäuren Ungesättigte FS kommen in der Natur in der sog. "Cis-Form" vor. Cis-FS sind also die ursprüngliche Molekülstruktur der ungesättigten FS. • Trans-Fettsäuren Ungesättigte FS werden durch Hitzeeinwirkung (ab ca. 150° C) von der ursprünglichen Cis-Form in die unnatürliche TransForm umgewandelt. Das passiert z.B. bei der industriellen Herstellung von Pflanzenölen, bei der Raffination, bei der Härtung von Pflanzenfetten oder beim zu starken Erhitzen (z.B. beim Braten und Frittieren) von mechanisch gepressten Ölen. Trans-FS stehen im Verdacht, gesundheitsschädliche Auswirkungen auf den Körper zu haben. Fettmodifikation? • Fettfreies Fett Olestra is a mixture of sucrose esters of long chain fatty acids isolated from edible oils that has properties similar to traditional triglycerides but is not hydrolyzed by pancreatic lipases. It serves as a noncaloric replacement for dietary fat. The United States Food and Drug Administration has approved olestra for use in snack foods such as chips and crackers. Was ist in der Therapie gesichert? • Es gibt starke Evidenz dafür, dass das KHK-Risiko – Um 42% reduziert wird, wenn 5% Energie von gesättigten FS durch Energie von ungesättigten FS ersetzt wird – Um 53% reduziert wird, wenn nur 2% Energie von Trans-FS durch ungesättigte FS ersetzt wird – Um 25 – 50% reduziert wird durch reichliche Zufuhr von Omega-3 FS – Hoher Benefit durch Zufuhr von Kohlenhydraten mit hohem glykämischen Index Hu FB et al. Dietary fat intake and the risk of coronary heart disease in women. N Engl J Med 1997 Nov 20;337(21):1491-9 Was bedeutet das in der Praxis? • Vermeidung von Trans-Fettsäuren Vorkommen: Margarine, Fertigmehlspeisen (Kekse, Donuts, Muffins), Chips, Mikrowellenpopkorn, frittierte Speisen wie Tiefkühl-Pommes, Tiefkühl-Fertiggerichte) • Reduktion von gesättigten Fettsäuren durch Auswahl von fettarmer Milch und Milchprodukten, magerem Fleisch, Reduktion von Wurst und Wurstwaren • 2 x in der Woche Meeresfisch oder 1 x täglich Fischölkapseln mit mind. 500 mg EPA + DHA http://www.glycemicindex.com 22 Omega-3-Fettsäuren und kardiovaskuläre Ereignisse bei Eskimos auf Grönland Beobachtungszeitraum: 1950 - 74 Ort: Upernavik-Distrikt / Grönland 60 Myokardinfarkt Kanada Grönland 50 Upernavik Inzidenz 40 30 20 10 0 Upernavik Westeuropa Retrospektive Studien Zurzeit verfügen wir über 15 große Kohortenstudien, die den Zusammenhang zwischen diätetischem Fischkonsum oder Einnahme von Omega-3-Fettsäuren-Supplementen untersuchten. Trotz der Unterschiede in Ausgangsposition, geographischen bzw. kulturellen Hintergründen und Risikofaktoren war das Outcome aller dieser Studien ziemlich konsistent: Im Vergleich mit Individuen, die gar keinen oder kaum Fisch konsumierten, zeigten jene mit einen moderaten Konsum(ein- bis zweimal fettreichen Meeresfisch pro Woche oder 500 mg EPA + DHA täglich) ein 25-50% niedrigeres Risiko für kardiovaskuläre Mortalität. Mozaffarian D, Rimm EB. Fishintake, contaminants, and human health: evaluating the risks and the benefits. JAMA. 2006 Oct 18;296(15):1885-99. Review. Erratum in: JAMA. 2007 Feb 14;297(6):590. Interventionsstudien 1. GISSI-P Studie: 11.323 Patienten 2. JELIS-Studie: 18.645 Patienten 3. GISSI-HF: 7.000 Patienten GISSI-P Studie • 11.323 Postinfarkt-Patienten wurde durch regelmäßige Einnahme einer EPA/DHA Sterblichkeit signifikant gesenkt. • Früher Effekt dieser Behandlung auf die Sterblichkeit, die trotz fehlender Cholesterinsenkung schon nach drei Monaten signifikant reduziert wurde. • Eine hochsignifikante Verringerung plötzlicher Herztode um 45% GISSI-P – die wichtigsten Ergebnisse Gesamtmortalität - 20% Kardiovaskuläre Mortalität - 30% Plötzlicher Herztod - 45% 0 10 20 30 Reduktion (%) GISSI-P Investigators, Lancet 1999 40 50 JELIS-Studie (Japan EPA Lipid Intervention Study) 18.645 Patienten mit erhöhtem Cholesterin (>250 mg) und LDL (im Schnitt 182 mg) wurden mit einem Statin in niedriger Dosierung behandelt. ca. 50% Patienten erhielten zusätzlich 1.800 mg hochgereinigte EPA in Kapseln. Nach im Mittel 4.6jähriger Behandlungsdauer betrug die Rate entsprechender Ereignisse in der EPA-Gruppe im Vergleich signifikant um 19% niedriger. Entscheidend für diese Reduktion war das signifikant seltenere Auftreten von instabiler Angina pectoris (Inzidenz: 1.6 versus 2.1%). JELIS-Studie (Japan EPA Lipid Intervention Study) Die „Japan EPA Lipid Intervention Study“(JELIS)-Studie [11] wurde an 18.645 Patienten mit einer behandelten Hyperlipidämie (Baseline-LDL 183mg/dl), von denen 20%eine bekannte KHK hatten, durchgeführt. Die Interventionsgruppe bekamzur ohnehinOmega-3Fettsäure-reichen japanischen Ernährung eine Supplementation mit 1,8 g EPA täglich. Die primären Endpunkte waren plötzlicherHerztod, fataler und nichtfataler Myokardinfarkt, instabile Angina pectoris und ACBG/PTCA. JELIS-Studie (Japan EPA Lipid Intervention Study) Dieser kombinierte Endpunkt passierte in Japan in kaum 1% der Studienpopulation im Jahr und war trotzdem um 19% in der Interventionsgruppe reduziert (p = 0,011). JELIS zeigt, dass sogar in einer Bevölkerungsgruppe mit hohemKonsuman EPA und DHA und einer sehr niedrigen Rate an kardiovaskulärer Morbidität/ Mortalität die Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren einen Benefit bringen kann. GISSI-HF-Studie Statine enttäuschen, Fischöl mit moderatem Nutzen. MMW, 04.09.2008 „Effektiv, sicher, einfach und billig“ Und in der Anschlussstudie mit der täglichen Supplementierung von 1 g Omega-3-Fettsäuren ergab sich eine relative Reduktion der Gesamtmortalität von 9%. Nach Meinung der Studienleiter zwar ein bescheidenerer Erfolg als erhofft. Er wurde aber bei Patienten erzielt, die bereits die leitliniengerechte Standardmedikation erhielten. Außerdem war der Effekt der Fischölkapseln in allen Subgruppen und Analysen konsistent nachweisbar. Wie Dr. Luigi Tavazzi, Pavia, resümierte: "Eine effektive, sichere, einfache und billige Option für Patienten mit Herzinsuffizienz.„ MMW, 04.09.2008 „Effektiv, sicher, einfach und billig“ Auch wenn noch Fragen über den Wirkmechanismus bestehen, kann die Therapie mit Omega-3-Fettsäuren künftig zu der kurzen Liste mit evidenz-basierten Medikationen für Patienten mit Herzinsuffizienz hinzugefügt werden, ergänzte Dr. Gregg Fonarow, Los Angeles, in seinem Editorial, das die Originalveröffentlichung im "Lancet" begleitete. MMW, 04.09.2008 The European Society of Cardiology (ESC) gibt eine Klasse-I Empfehlung für FischölSupplementierung in der Sekundärprevention. Smith SC, Allen J, Blair SN,et al. AHA/ACC Guidelines for secondary prevention for patients with coronary and other atherosclerotic vascular disease: 2006 update. Circulation 2006; 113:2363–2372. Van der Werf F, Ardissino D, Betriu A, et al. Task Force on the Management of Acute Myocardial Infarction of the European Society of Cardiology. Management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. Eur Heart J 2003; 24:28–66. AHA Guidelines (21.01.2009) • Fish and Omega-3 Fatty Acids 1. für Pat., die keine dokumentierte KHK haben (Prophylaxe): 2 x Fisch in der Woche 2. für Pat. mit einer dokumentierten KHK: 1 g EPA + DHA tägl. (in Form von Fischölkapseln) 3. für Pat. mit Hypertriglyceridämie: 2 bis 4 g EPA + DHA tägl. Fischöl und Triglyceride COMBOS-Studie 60jähriger Patient mit therapieresistenter kombinierter Hyperlipidämie • 2-mal Herzinfarkt • 6 coronare Stents • Fettwerte unter Lipcor und Inegy 10/20 – Triglyceride 1100 – Cholesterin 330 – HDL nicht messbar 60jähriger Patient mit therapieresistenter kombinierter Hyperlipidämie • Therapiebeginn mit 4 Kps. Arteriomed tägl. – Tgriglyceride 220 – Cholesterin 180 – HDL 70 • Befund nach 2 Kontrollen: in etwa gleich Fischöl und Neurodermitis 42 Fischöl und Neurodermitis Informationen: Mag. Michael Hlatky (Chefredakteur Verlaghaus der Ärzte) Tel. 0664 322 4369 www.die7stufen.com