Das Regierungssystem der USA ist durch ein besonderes Verhältnis von „checks and balances“ bestimmt. Die Autoren erläutern das Zusammenspiel im zentralen politischen Entscheidungssystem – Präsident, Kongress und Supreme Court – und zeichnen u.a. die Radikalisie­ rung und Polarisierung des politischen Prozesses während der Präsidentschaft Barack Obamas nach. Gellner / Kleiber Das Regierungssystem der USA Politikwissenschaft Winand Gellner Martin Kleiber Das Regierungs­ system der USA Eine Einführung 3769 2. Auflage www.utb.de ISBN 978-3-8252-3769-1 ,!7ID8C5-cdhgjb! Nomos http://www.nomos-shop.de/15258 3769 Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern · Stuttgart · Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich BUT_Gellner_3769-1_UTB.indd 1 UTB (M) Impressum_12.indd 1 10.09.12 09:19 02.02.12 16:15 http://www.nomos-shop.de/15258 Winand Gellner | Martin Kleiber Das Regierungssystem der USA Eine Einführung 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage Nomos BUT_Gellner_3769-1_UTB.indd 3 10.09.12 09:19 http://www.nomos-shop.de/15258 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8252-3769-1 (UTB) 2. Auflage 2012 © Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2012. Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. BUT_Gellner_3769-1_UTB.indd 4 10.09.12 09:19 http://www.nomos-shop.de/15258 Vorwort Wenn man nach einigen wenigen Stunden Flug den Boden der USA betritt, stellt sich ein merkwürdiges, gleichzeitiges Gefühl der Vertrautheit und Fremdheit ein. Zum einen drängt sich die Verwandtschaft zu den westeuropäischen Staaten auf, die sich in kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Dingen mit Händen greifen lässt. Zum anderen bleibt ein Gefühl von Fremdheit und Unsicherheit darüber, wie sich die europäischen Traditionen im Kontext eines so verschiedenen Kontinents spiegeln. Schon für Alexis de Tocqueville (1805-1895) war die Reise nach Amerika so aufschlussreich, dass er uns bis heute nicht nur einen Klassiker der Reiseliteratur, sondern auch die erste empirische politische Analyse eines außereuropäischen politischen Systems hinterlassen hat. Es wäre verwegen, den Anspruch zu erheben, hier etwas auch nur entfernt Vergleichbares vorzulegen. Wir haben uns aber in der Tat darum bemüht, das amerikanische politische Regierungssystem zu verstehen, wie es sich die Verfassungsväter gedacht hatten, und es darauf hin zu befragen, wie diese Ordnung im 21. Jahrhundert aussieht, zu einer Zeit also, in der trotz allen anderen aufstrebenden Mächten die Weltpolitik durch die amerikanische Hegemonialstellung dominiert wird. Dabei ist es unmöglich, allen nötigen Aspekten nachzugehen und jede Dimension der politischen Gesamtkonstellation zu erfassen. Dennoch glauben wir, dass sich ein gemeinsamer Nenner formulieren lässt, der so bislang in der durchweg verdienstvollen deutschen AmerikaLiteratur noch nicht genügend herausgearbeitet wurde. Es handelt sich dabei um das Phänomen des gridlock, des sogenannten Politikstaus, den wir für die amerikanische Politik als prägend ansehen. Obwohl sich dies der Natur der Sache entsprechend eher im innenpolitischen Prozess nachweisen lässt, haben wir auch außenpolitische Aspekte mitberücksichtigt. Nach den schrecklichen Ereignissen des 11. September 2001 und der von George W. Bush in der Folge bei der Exekutive akkumulierten Macht konnte der Eindruck entstehen, dass amerikanische Politik keineswegs langsam oder schleppend, sondern viel eher zu schnell und unüberlegt gehandelt habe. Wir halten dies aber für keinen grundsätzlichen Widerspruch zu unserer gridlock-These. Denn jeder Präsident ist trotz der damaligen Exekutivdominanz an die innenpolitische Konstellation zurückgebunden und muss zusehen, wie er und seine Partei mittel- und langfristig mit dem innenpolitischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zurechtkommen. Die zweite Amtsperiode von George W. Bush stand dann auch wieder ganz im Zeichen von gridlock, und die erste Amtszeit Barak Obamas darf spätestens nach den für ihn und seine Partei verheerenden Kongresswahlen 2010 als Phase extremen gridlocks bezeichnet werden. Entscheidend ist für uns insoweit, dass wir trotz aller gegenläufigen Momentaufnahmen in der amerikanischen Innen- und Außenpolitik kein wirklich dauerhaftes Ungleichgewicht und daher auch keinen wirklichen Fortschritt zu mehr gleichförmiger und zielgerichteter Politik zu erkennen vermögen. Es handelt sich bei den USA vielmehr um ein politisches Gemeinwesen, das zwischen Markt und Staat, 7 http://www.nomos-shop.de/15258 Vorwort Privatheit und Öffentlichkeit sowie in der Außenpolitik zwischen Interventionismus und Isolationismus schwankt und dabei keine dauerhafte Richtungsentscheidung gefällt hat. Genauso wenig wie es einen typischen US-Amerikaner gibt, gibt es typisch US-amerikanische Politik, es sei denn, man einigte sich auf unseren Vorschlag, dass das Idealziel amerikanischer Politik darin besteht, dass sich auf Dauer keine der Kräfte im Machtparallelogramm der Vereinigten Staaten durchzusetzen vermag. Insoweit kann man gridlock durchaus als prozedurale Voraussetzung und gleichzeitig als Beschreibung des Pluralismus‘ ansehen, der wohl in keiner anderen politischen Nation so stark ausgeprägt ist. Gleichwohl lässt sich auch der Pluralismus übertreiben. Die ideologische Polarisierung der Nation, die bereits seit der Amtszeit Bill Clintons erkennbar ist, die sich unter George W. Bush – abgesehen von einer kurzen Phase nationaler Einheit in der Folge des 11. September – vertiefte und spätestens im Sommer 2011 zu einer vollständigen Lähmung und Blockade des politischen Lebens führte, ist Anlass genug, neu über gridlock nachzudenken. Könnte es sein, dass wir gegenwärtig Zeugen eines Verschwindens des nicht-kontroversen Sektors (Fraenkel 1991) in der amerikanischen Politik sind, geprägt durch Hass und Verachtung des politischen Gegners? Nicht zuletzt daher haben wir uns entschlossen, eine völlig überarbeitete Fassung unseres Buches zu erstellen. Neben vielen Aktualisierungen und Korrekturen finden sich mehrere neue Kapitel zur Präsidentschaft Obamas und seiner Innen- und Außenpolitik, zu filibuster und super-majority im Senat, zur Gesundheitsreform, zu den neuen SuperPACs, zur Tea-Party und zu Veränderungen im Bereich der Medien. Ein einführendes Lehrbuch, das sich neben der interessierten Öffentlichkeit im Besonderen an Studierende der Politikwissenschaft und der Amerikanistik wendet, stellt immer einen Kompromiss zwischen Wissenschaftlichkeit und Verständlichkeit dar. Wir haben versucht, beiden Anforderungen nach Möglichkeit gerecht zu werden. Im Zweifelsfall haben wir uns für eine größere Aktualität und bessere Lesbarkeit entschieden. Die Auswahl der Einzelthemen entspricht im Wesentlichen den gängigen Einführungswerken und daneben unseren eigenen Forschungsschwerpunkten. Im Zweifelsfall haben wir den Mut zur Lücke gehabt, im Ganzen aber denken wir, das Regierungssystem der USA durchaus adäquat erfasst zu haben. Wir danken Thomas Eibl und Lukas Zech für die redaktionelle Mitarbeit und für ihre kreative Mithilfe bei der Erstellung der Abbildungen. Christian Dölle hat dankenswerterweise den Text Korrektur gelesen. Sybille Maier hat mit großer Zuverlässigkeit einen Teil der Texte geschrieben. Für alle verbleibenden Fehler sind selbstverständlich allein die Autoren verantwortlich. Passau, Washington D.C. 2012 Prof. Dr. Winand Gellner Martin Kleiber, M.A. 8 http://www.nomos-shop.de/15258 Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 13 Einleitung ......................................................................................... 15 1. Staatswerdung und -konsolidierung .................................................. 17 2. Grundlagen der Verfassungsorgane ................................................... 25 2.1 2.2 2.3 2.4 Entstehungsgeschichte der Verfassung .............................................. Limited Government und unveräußerliche Naturrechte ........................ Horizontale Gewaltenteilung .......................................................... Vertikale Gewaltenteilung ............................................................. 25 32 34 36 3. Der Kongress im politischen System der USA ...................................... 37 3.1 Organisation .............................................................................. 3.1.1 Das Repräsentantenhaus ....................................................... 3.1.2 Der Senat .......................................................................... 3.2 Aufgaben ................................................................................... 3.3 Politische Führung und Arbeitsweise ................................................ 3.3.1 Führungsämter ................................................................... 3.3.2 Die Ausschüsse im Kongress .................................................. 3.4 Der Gesetzgebungsprozess ............................................................. 3.4.1 Grundlagen ....................................................................... 3.4.2 Der Gesetzgebungsprozess im Einzelnen ................................... 3.5 Die Haushaltsverhandlungen .......................................................... 3.6 Haushalt und Außenpolitik ............................................................ 3.7 Kontrolle der Exekutive ................................................................ 3.8 Der Kongress in der Außenpolitik ................................................... 37 37 39 40 42 42 44 49 49 50 56 60 61 63 4. Die Präsidentschaft ........................................................................ 69 4.1 Die Präsidentschaft seit 1945 ......................................................... 4.2 Formale Machtmittel .................................................................... 4.2.1 Institutionelle Machtmittel .................................................... 4.2.2 Informelle Machtmittel ........................................................ 4.3 Entscheiden im präsidentiellen System der USA .................................. 4.3.1 Organisationsstile der politischen Entscheidungsgewalten ............. 4.3.2 Präsidentielle Politikstile in Außen- und Innenpolitik ................... 4.4 Präsidialverwaltung ..................................................................... 4.5 Der Präsident in der Außenpolitik ................................................... 4.5.1 Oberbefehlshaber der Streitkräfte ........................................... 4.5.2 Internationale Verträge ........................................................ 69 76 77 83 86 88 89 92 94 96 97 9 http://www.nomos-shop.de/15258 Inhaltsverzeichnis 4.5.3 4.5.4 4.5.5 4.5.6 4.5.7 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 6. Der Präsident und die weitere Exekutive in der Außenpolitik ........ 99 Das Außenministerium ......................................................... 99 Das Verteidigungsministerium ............................................... 101 Die Intelligence Community ................................................. 102 Die Außenpolitik Präsident Obamas ........................................ 104 Die Judikative .............................................................................. 109 Organisation des Gerichtswesens .................................................... Das oberste Bundesgericht der USA – der Supreme Court ..................... Richterliche Kontrolle .................................................................. Politisierung der Judikative ............................................................ 5.4.1 Judicial activism und judicial restraint ..................................... 5.4.2 Nominierung von Richtern .................................................... Vertikale Gewaltenteilung – Föderalismus in den USA ........................... 127 6.1 Kulturelle und staatsrechtliche Grundlagen ........................................ 6.2 Entwicklung des Föderalismus in den USA ........................................ 6.3 Policy-making und Föderalimus – Die Krankenversicherungsreform von 2009/2010 ................................................................................. 6.4 Kommunalregierungen ................................................................. 6.5 Sonderfall amerikanische Ureinwohner ............................................. 6.6 Föderalismus im politischen Diskurs ................................................ 7. 127 131 133 135 137 138 Politische Parteien ......................................................................... 141 7.1 Parteien und Gewaltenteilung ......................................................... 7.2 Geschichte der amerikanischen Parteien ............................................ 7.2.1 Die Anfangszeit der Vereinigten Staaten ................................... 7.2.2 Parteien während der Jacksonian Democracy ........................... 7.2.3 Bürgerkrieg ....................................................................... 7.2.4 Die Ära der machines .......................................................... 7.2.5 Moderne nach 1945 ............................................................ 7.2.6 Amerikanische Parteien in der Gegenwart ................................. 7.2.7 Aufstieg (und Fall?) des Tea Party-Movements .......................... 7.3 Parteienorganisation .................................................................... 7.3.1 Party-in-government ........................................................... 7.3.2 Party-as-organization .......................................................... 7.3.3 Party-in-the-electorate ......................................................... 7.4 Bewertung ................................................................................. 8. 109 112 115 118 118 122 141 143 144 145 146 147 150 153 155 158 158 163 169 171 Wahlen ....................................................................................... 173 8.1 Kongresswahlen .......................................................................... 174 10 http://www.nomos-shop.de/15258 Inhaltsverzeichnis 8.2 Präsidentschaftswahlen ................................................................. 8.2.1 Von der Idee auf den Wahlzettel – die Vorwahlen in den USA ....... 8.2.2 Die Wahlkampfphase nach den Vorwahlen ............................... 8.2.3 National convention ........................................................... 8.2.4 Bundesweite Wahlen ............................................................ 8.3 Wahlen und Wahlergebnisse seit 2000 .............................................. 8.4 Die Wahlen 2008 und 2010 ........................................................... 8.5 Wahlverhalten ............................................................................ 8.5.1 Ethnizität .......................................................................... 8.5.2 Einkommen und Bildung ...................................................... 8.5.3 Religion ............................................................................ 8.5.4 Alter und Geschlecht ........................................................... 8.5.5 Regionalspezifische Konflikte ................................................ 8.6 Wahlbeteiligung .......................................................................... 8.7 Wahlkampffinanzierung ................................................................ 8.7.1 Öffentliche Wahlkampffinanzierung ........................................ 8.7.2 Wahlkampffinanzierung aus privaten Mitteln ............................ 8.7.3 Kritik ............................................................................... 9. 179 179 182 183 184 185 187 197 199 199 200 200 201 203 204 207 208 210 Interessengruppen im politischen Prozess ............................................ 211 9.1 Ein-Themen-Interessengruppen und Verbände .................................... 213 9.2 Stiftungs- und Spendenwesen ......................................................... 216 9.3 Interessengruppen in der Außenpolitik ............................................. 217 10. Medien in den USA ....................................................................... 223 10.1 Strukturen der Medienlandschaft .................................................... 223 10.2 Medien und Demoskopie im Meinungs- und Willensbildungsprozess ....... 225 10.3 Medien und die Außenpolitik ......................................................... 233 11. Politikberatung in den USA: Think Tanks als Ideenagenturen ................. 237 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 Dominanz der Universitäten ohne Studenten ...................................... Eine neue Generation: interessenorientierte Think Tanks ..................... Ein neuer Trend: interessenabhängige Think Tanks ............................ Ideenagenturen heute ................................................................... Ideenagenturen als Vorbild und Notwendigkeit .................................. 240 243 245 246 251 12. Bürgerrechte und Zivilgesellschaft .................................................... 255 12.1 12.2 12.3 12.4 Individuelle Freiheitsrechte ............................................................ Bürgerrechte ............................................................................... Staat und Religion ....................................................................... Einschränkung der Bürgerrechte – Das Beispiel USA Patriot Act ............ 255 256 259 262 11 http://www.nomos-shop.de/15258 Inhaltsverzeichnis 12.5 Zivilgesellschaft in den USA ........................................................... 264 Nachwort ......................................................................................... 267 Anhang ............................................................................................ 269 1. 2. Die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika ........................... 269 Die Federalist Papers Nr. 10 und Nr. 51 ........................................... 281 Bibliographie ..................................................................................... 291 Stichwortverzeichnis ............................................................................ 303 12 http://www.nomos-shop.de/15258 Abbildungsverzeichnis Abb. 2.1: Vom ersten Kontinentalkongress zur Annahme der Verfassung 25 Abb. 2.2: Die Bill of Rights – die ersten 10 Verfassungszusätze 31 Abb. 2.3: Präsidentielle Vetos, 1969-2012 35 Abb. 3.1: Ausschüsse im 112. Kongress 47 Abb. 3.2: Das Supercommittee 48 Abb. 3.3: Filibustering, 1969-2012 53 Abb. 3.4: Die regular appropriation bills bzw. subcommittees 58 Abb. 3.5: Discretionary spending im Haushaltsjahr 2011 (in Mrd USD) 58 Abb. 4.1: Die bisherigen Präsidenten der USA 74 Abb. 4.2: Organigramm des Executive Office of the President (EOP) 79 Abb. 4.3: Die Bundesministerien der USA 80 Abb. 4.4: Amerikanische Präsidenten des 20. Jahrhunderts und ihr Karrierehintergrund 81 Abb. 4.5: Historische Bewertung der Präsidenten der USA 84 Abb. 4.6: Bundesbehörden und behördenähnliche, öffentliche Körperschaften 93 Abb. 5.1: Die Organisation des Gerichtswesens in den USA 110 Abb. 5.2: Öffentliche Zustimmung für den Supreme Court 122 Abb. 5.3: Abstimmungsverhalten und Parteizugehörigkeit von Richtern am Supreme Court 2000 und 2001 124 Abb. 6.1: Föderale Verwaltungsstruktur in den USA 136 Abb. 7.1: Stammbaum der Demokratischen und Republikanischen Partei 143 Abb. 7.2: Zunahme von divided government nach 1945 151 Abb. 7.3: Spendeneinnahmen der Parteien in den Wahljahren 2000-2012 169 Abb. 7.4: Parteienidentifikation in den USA 171 Abb. 8.1: The Gerry-Mander 175 Abb. 8.2: Die incumbancy rate von 1964 bis 2010 177 Abb. 8.3: Regionale Verteilung der Mandate im Repräsentantenhaus, 1910 und 2010 178 Abb. 8.4: Meistbesuchte Staaten im Präsidentschaftswahlkampf 2008 183 Abb. 8.5: Die Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahlen 2008 189 Abb. 8.6: Wahlsoziologische Analyse der Präsidentschaftswahlergebnisse 2008 192 Abb. 8.7: Parteienidentifikation sozialer Gruppen in den USA, 2008 202 Abb. 8.8: Wahlbeteiligung bei Präsidentschaftswahlen, 1924-2008 204 13 http://www.nomos-shop.de/15258 Abbildungsverzeichnis Abb. 8.9: Zentrale Begriffe der Wahlkampffinanzierung 206 Abb. 8.10: Wahlkampfspenden bei Präsidentschaftswahlen (in Mio USD) 209 Abb. 9.1: Die einflussreichsten Interessengruppen in den USA 213 Abb. 9.2: Interessengruppen nach Themenorientierung, 2011 215 Abb. 9.3: Interessengruppen mit den größten Geldspenden bei Wahlkämpfen, 2011 217 Abb. 9.4: Das Fallbeispiel AIPAC 219 Abb. 10.1: Amerikanische Tageszeitungen mit der größten Verbreitung, 2011 223 Abb. 10.2: Herkunft von politischen Informationen nach Medien 227 Abb. 10.3: Das Verhältnis zwischen good news und bad news in der Medienberichterstattung (nach Wahljahr, in Prozent) 228 Abb. 10.4: Öffentliche Wahrnehmung der Medien 229 Abb. 10.5: Bildung und öffentliche Meinung 232 Abb. 10.6: Sollte die gleichgeschlichtliche Ehe legalisiert werden? 233 Abb. 11.1: Think Tanks und intermediäre Akteure im politischen Prozess 239 Abb. 11.2: Think Tanks nach Ausgaben 248 Abb. 11.3: Verweise auf Think Tanks in den Medien 250 Abb. 12.1: Policy-making im Politikfeld Bürgerrechte – das Beispiel affirmative action 259 Abb. 12.2: Zugehörigkeit zu Glaubensgemeinschaften in den USA 2008 und 1990 in Mio. (über 18-jährige Bevölkerung) 260 14 http://www.nomos-shop.de/15258 Einleitung Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nach einem Klassiker der politikwissenschaftlichen Literatur die erste neue Nation (Lipset 1979). Auch Alexis de Tocqueville sprach von den USA als der ersten modernen Massendemokratie. Insoweit ist es nicht lange zu rechtfertigen, warum man sich mit den USA beschäftigen muss, umso mehr, weil die Rolle der heute und bis auf weiteres einzigen Supermacht in der Weltpolitik nach wie vor umstritten und unklar ist. Genauso, wie die USA der erste moderne Staat und damit ein Modernisierungspionier waren, sind sie spätestens nach dem Ende des Kalten Krieges auch die letzte politische Macht der Moderne. Francis Fukuyama sprach seinerzeit vom Ende der Geschichte und hatte damit den endgültigen Triumph des Liberalismus’ amerikanischer Prägung vor Augen (Fukuyama 2006). Wenngleich diese Einschätzung sicherlich genau so voreilig und falsch wie diejenige von Friedrich Hegel war, der im preußischen Staat den Gipfel und die Vollendung staatlicher Herrschaft sah, bleibt doch zu fragen, ob die mit den USA begonnene moderne Staatlichkeit auch mit den USA zu ihrem Ende gekommen ist? Denn alles das, was unter den Stichwörtern Individualisierung und Globalisierung diskutiert wird, und in der Konsequenz nichts anderes darstellt als eine faktische Amerikanisierung, prägt das Weltgeschehen auf eine fast imperiale Weise, deren Ende trotz entsprechender Vorhersagen nicht absehbar ist. Ungeachtet allen vermeintlichen Wissens über diese erste und letzte moderne Nation herrscht immer noch vergleichsweise wenig Verständnis für diesen Staat und seine politisch-kulturellen Grundlagen. Die angebliche ökonomische, kulturelle und auch ideologische Nähe zu anderen Staaten der westlichen Welt erweist sich bei genauerem Hinschauen nämlich als trügerisch. Die USA sind mehr als nur eine moderne Ausgabe westlicher Demokratien, sie sind tatsächlich ein Land, das sowohl von Europa, als auch von Asien gleich weit entfernt ist. Nicht zuletzt ist dieser american exceptionalism in der Selbstwahrnehmung der Amerikaner stets präsent. Amerikanische Vorstellungen von der Gewaltenteilung und -verschränkung, der Rolle der Medien, Parteien und Interessengruppen im politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess sind im Vergleich zum europäischen parlamentarischen Politikverständnis so unterschiedlich, dass Missverständnisse im transatlantischen und transpazifischen Diskurs oft die zwangsläufige Folge sind. Dabei ist die Frage danach, wie die komplizierte Binnenkonstellation des gewaltenteilenden Systems der USA mit den politisch-kulturellen Befindlichkeiten zusammenhängt, entscheidend für das Verständnis der weltpolitischen Rolle der sogenannten hyperpuissance (Hubert Védrine). Die USA stellen das Laboratorium der politischen Moderne dar und sind insoweit gezwungen, den Herausforderungen der modernen Massendemokratie gerecht zu werden, die üblicherweise in den anderen Staaten erst mit Verzögerungen rezipiert werden. Auch wenn sich der für kulturelle Phänomene festgestellte Verzögerungseffekt von etwa zehn Jahren verkürzt haben mag und auf eine fast schon ungefähre Gleichzeitigkeit geschrumpft ist, hat die politische Amerikanisierung in den restlichen Demokratien erst 15 http://www.nomos-shop.de/15258 Einleitung ansatzweise ihren Niederschlag gefunden. Von der Regierungstätigkeit über den parlamentarischen Entscheidungsprozess, von den Problemen der vertikalen Gewaltenteilung bis hin zur Rolle von Interessengruppen, Parteien und Medien haben die USA Institutionen entwickelt, die für moderne politische Prozesse prägend, wenn nicht vorbildhaft sind. Dies mag man aus demokratietheoretisch normativer Perspektive bedauern. Gleichwohl ist gut beraten, wer sich in die USA begibt, um zu studieren, wie politische Prozesse im modernen Staat ablaufen. Man muss und kann nicht alles übernehmen, und man wird vieles durch den Schleier der eigenen nationalen, politischkulturellen und traditionalen Gepflogenheiten wahrnehmen. Wer die politische Zukunft der westlichen Welt verstehen will, muss sich dennoch zwingend mit der Gestalt amerikanischer politischer Institutionen auseinandersetzen. 16 http://www.nomos-shop.de/15258 Nachwort Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen vor der Wahl. Damit sind nicht nur die Kongress- und Präsidentschaftswahlen im November 2012 gemeint, sondern auch eine ganz grundsätzliche Problemkonstellation. Sollte es den Republikanern gelingen, Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses zu gewinnen, dürfte die Nation schweren Turbulenzen entgegensehen. Obwohl beide Präsidentschaftskandidaten im Sommer 2012 gleichauf zu liegen scheinen, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass Mitt Romney zum Präsidenten gewählt werden wird. Da ist zum einen der Amtsbonus des Präsidenten, der von dem wenig charismatischen Herausforderer kaum auszugleichen sein dürfte. Sein bisheriger Wahlkampf hat darüber hinaus erkennen lassen, dass die radikaleren Gruppierungen innerhalb der Republikanischen Partei von ihm nur schwer mobilisiert werden können. Es ist noch nicht recht absehbar, ob die Wahl von Paul Ryan zu seinem Running Mate dies grundsätzlich ändern wird. Es ist zwar sicherlich so, dass der fiskal- und sozialkonservative Ryan, der ein Liebling der Tea Party-Bewegung ist, den Fokus von Romneys Wahlkampf verschärft hat und damit der radikale Teil der Republikanischen Partei stark mobilisiert werden dürfte. Andererseits ist aber doch stark zu bezweifeln, ob mit einem derart polarisierenden Kandidaten nicht in zumindest gleichen Teilen ungebundene Wähler der Mitte verschreckt werden. Der begnadete Wahlkämpfer Obama muss zwar ebenfalls damit rechnen, dass die im Jahre 2008 so hervorragend gelungene Mobilisierung der Demokratischen Partei und dabei im Besonderen der Erstwähler im Jahre 2012 nicht zu wiederholen sein wird. Dennoch spricht viel dafür, dass der Präsident wiedergewählt wird, obwohl viele seiner Wähler aus 2008 mit seiner Politik unzufrieden sind. Er hat viele seiner Wahlkampfversprechen (Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo, Beendigung des Afghanistan-Krieges und v.a. der Abbau der hohen Arbeitslosigkeit) nicht einlösen können und die Wirtschaft des Landes hat sich bislang nur sehr zaghaft von der Krise erholt. Ein großer politischer Erfolg ist allerdings die Gesundheitsreform, die zum ersten Mal in der US-amerikanischen Geschichte eine bezahlbare Krankenversicherung für die gesamte Bevölkerung geschaffen hat. Die entsprechenden politischen Antworten des Herausforderers sind dagegen nach wie vor recht unklar. Hier hat die Nominierung von Paul Ryan sicherlich mehr Klarheit geschaffen, da die Romney-Campaign bislang sehr darauf bedacht war, sich in vielen inhaltlichen Fragen nicht wirklich festzulegen. Die Tatsache, dass die von dem damaligen Gouverneur Romney in Massachusetts durchgesetzte Gesundheitsreform in weiten Teilen das Vorbild für Obamas Reform war, wurde bislang möglichst heruntergespielt. Romney dürfte daher auch weiterhin versuchen, eine inhaltliche Radikalisierung seines Wahlkampfs zu verhindern. Ein gewichtiger Ballast ist dagegen seine recht sparsame Informationspolitik zu seinen Geschäften bei Bain Capital bzw. beim Umgang mit seinen persönlichen Vermögensverhältnissen. Für den Sieg eines Kandidaten Romneys spricht dagegen seine prall gefüllte Wahlkampfkasse, die nicht zuletzt durch enorme zusätzliche Mittel der vermeintlich 267 http://www.nomos-shop.de/15258 Nachwort unabhängigen SuperPACs vermehrt wird. Der amtierende Präsident hat erkennen müssen, dass er hier nur begrenzt mithalten kann und er setzt daher verstärkt auf die erneute Mobilisierung seiner Anhänger aus dem Jahre 2008. Bei einer Abwägung der Chancen beider Kandidaten ist aber insgesamt davon auszugehen, dass Obama erneut zum Präsidenten gewählt werden dürfte. Im Gegensatz zu seinem Herausforderer ist es ihm bislang gelungen, die gesamte demokratische Partei hinter sich zu versammeln, während Willbur (Spitzname ‚Mitt‘) Romney nicht zuletzt nach der Wahl seines Vizepräsidentschaftskandidaten damit leben muss, dass gemäßigte Teile des Republikanischen Establishments seiner Kandidatur mit einer gewissen Zurückhaltung begegnen; groß ist die Angst, dass eine nach dem Muster der Zwischenwahlen von 2010 radikalisierte Schar Republikanischer Repräsentanten und Senatoren die Partei dauerhaft ins ideologische Abseits schicken könnte. Kommt es also in der Tat zu einem divided government, dürfte sich die Blockade der politischen Gewalten, die seit den Kongresswahlen 2010 zu beobachten ist, noch verschärfen. Wie will ein Präsident regieren, wenn der Kongress von einer radikalisierten Republikanischen Partei beherrscht wird, deren führendes Personal sich dem Kampf gegen den Demokratischen Präsidenten Obama verschrieben hat? Dazu kommt ein hochgradig politisierter Supreme Court, der durch seine Behandlung der Gesundheitsreform gezeigt hat, dass inhaltliche Auseinandersetzungen auch in diesem mittlerweile extrem politisierten Verfassungsorgan nicht mehr rational geführt werden, sondern von ideologischen Überzeugungen durchsetzt sind. Insoweit hat sich also die durchaus sinnvolle Verlangsamung der Politik in einem gewaltenteilenden und gewaltenbeschränkenden System möglicherweise überlebt. Die Radikalisierung der Republikaner wird von den Demokraten zwar durchaus beantwortet; insgesamt aber sind ihre Positionen doch erheblich gemäßigter und werden v.a. weniger hysterisch vorgebracht als in den Medien der Republikaner. FOXNews ist und bleibt im Vergleich zu den liberalen Medien ein Krawallsender. Man muss insoweit hoffen, dass die gemäßigten Kräfte innerhalb der Republikanischen Partei, die die Radikalisierung und zunehmende Polarisierung vor allem im Kongress mit erkennbarer Sorge sehen, mittelfristig wieder die Partei zurückerobern können. Davon wird es abhängen, ob die Vereinigten Staaten von Amerika auch weiterhin als Vorbild einer funktionierenden Demokratie dienen können. 268