Das Regierungs system der USA

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Das Regierungssystem der USA ist durch ein besonderes
Verhältnis von „checks and balances“ bestimmt.
Die Autoren erläutern das Zusammenspiel im zentralen
politischen Entscheidungssystem – Präsident, Kongress
und Supreme Court – und zeichnen u.a. die Radikalisie­
rung und Polarisierung des politischen Prozesses
während der Präsidentschaft Barack Obamas nach.
Gellner / Kleiber
Das Regierungssystem der USA
Politikwissenschaft
Winand Gellner
Martin Kleiber
Das Regierungs­
system der USA
Eine Einführung
3769
2. Auflage
www.utb.de
ISBN 978-3-8252-3769-1
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Winand Gellner | Martin Kleiber
Das Regierungssystem
der USA
Eine Einführung
2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
Nomos
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-8252-3769-1 (UTB)
2. Auflage 2012
© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2012. Printed in Germany. Alle Rechte,
auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der
Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
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Vorwort
Wenn man nach einigen wenigen Stunden Flug den Boden der USA betritt, stellt sich
ein merkwürdiges, gleichzeitiges Gefühl der Vertrautheit und Fremdheit ein. Zum einen drängt sich die Verwandtschaft zu den westeuropäischen Staaten auf, die sich in
kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Dingen mit Händen greifen lässt. Zum
anderen bleibt ein Gefühl von Fremdheit und Unsicherheit darüber, wie sich die europäischen Traditionen im Kontext eines so verschiedenen Kontinents spiegeln. Schon
für Alexis de Tocqueville (1805-1895) war die Reise nach Amerika so aufschlussreich,
dass er uns bis heute nicht nur einen Klassiker der Reiseliteratur, sondern auch die
erste empirische politische Analyse eines außereuropäischen politischen Systems hinterlassen hat.
Es wäre verwegen, den Anspruch zu erheben, hier etwas auch nur entfernt Vergleichbares vorzulegen. Wir haben uns aber in der Tat darum bemüht, das amerikanische
politische Regierungssystem zu verstehen, wie es sich die Verfassungsväter gedacht
hatten, und es darauf hin zu befragen, wie diese Ordnung im 21. Jahrhundert aussieht,
zu einer Zeit also, in der trotz allen anderen aufstrebenden Mächten die Weltpolitik
durch die amerikanische Hegemonialstellung dominiert wird. Dabei ist es unmöglich,
allen nötigen Aspekten nachzugehen und jede Dimension der politischen Gesamtkonstellation zu erfassen. Dennoch glauben wir, dass sich ein gemeinsamer Nenner formulieren lässt, der so bislang in der durchweg verdienstvollen deutschen AmerikaLiteratur noch nicht genügend herausgearbeitet wurde. Es handelt sich dabei um das
Phänomen des gridlock, des sogenannten Politikstaus, den wir für die amerikanische
Politik als prägend ansehen. Obwohl sich dies der Natur der Sache entsprechend eher
im innenpolitischen Prozess nachweisen lässt, haben wir auch außenpolitische Aspekte
mitberücksichtigt. Nach den schrecklichen Ereignissen des 11. September 2001 und
der von George W. Bush in der Folge bei der Exekutive akkumulierten Macht konnte
der Eindruck entstehen, dass amerikanische Politik keineswegs langsam oder schleppend, sondern viel eher zu schnell und unüberlegt gehandelt habe. Wir halten dies aber
für keinen grundsätzlichen Widerspruch zu unserer gridlock-These. Denn jeder Präsident ist trotz der damaligen Exekutivdominanz an die innenpolitische Konstellation
zurückgebunden und muss zusehen, wie er und seine Partei mittel- und langfristig mit
dem innenpolitischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zurechtkommen. Die
zweite Amtsperiode von George W. Bush stand dann auch wieder ganz im Zeichen
von gridlock, und die erste Amtszeit Barak Obamas darf spätestens nach den für ihn
und seine Partei verheerenden Kongresswahlen 2010 als Phase extremen gridlocks bezeichnet werden. Entscheidend ist für uns insoweit, dass wir trotz aller gegenläufigen
Momentaufnahmen in der amerikanischen Innen- und Außenpolitik kein wirklich
dauerhaftes Ungleichgewicht und daher auch keinen wirklichen Fortschritt zu mehr
gleichförmiger und zielgerichteter Politik zu erkennen vermögen. Es handelt sich bei
den USA vielmehr um ein politisches Gemeinwesen, das zwischen Markt und Staat,
7
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Vorwort
Privatheit und Öffentlichkeit sowie in der Außenpolitik zwischen Interventionismus
und Isolationismus schwankt und dabei keine dauerhafte Richtungsentscheidung gefällt hat. Genauso wenig wie es einen typischen US-Amerikaner gibt, gibt es typisch
US-amerikanische Politik, es sei denn, man einigte sich auf unseren Vorschlag, dass
das Idealziel amerikanischer Politik darin besteht, dass sich auf Dauer keine der Kräfte
im Machtparallelogramm der Vereinigten Staaten durchzusetzen vermag. Insoweit
kann man gridlock durchaus als prozedurale Voraussetzung und gleichzeitig als Beschreibung des Pluralismus‘ ansehen, der wohl in keiner anderen politischen Nation
so stark ausgeprägt ist. Gleichwohl lässt sich auch der Pluralismus übertreiben. Die
ideologische Polarisierung der Nation, die bereits seit der Amtszeit Bill Clintons erkennbar ist, die sich unter George W. Bush – abgesehen von einer kurzen Phase nationaler Einheit in der Folge des 11. September – vertiefte und spätestens im Sommer
2011 zu einer vollständigen Lähmung und Blockade des politischen Lebens führte, ist
Anlass genug, neu über gridlock nachzudenken. Könnte es sein, dass wir gegenwärtig
Zeugen eines Verschwindens des nicht-kontroversen Sektors (Fraenkel 1991) in der
amerikanischen Politik sind, geprägt durch Hass und Verachtung des politischen Gegners? Nicht zuletzt daher haben wir uns entschlossen, eine völlig überarbeitete Fassung
unseres Buches zu erstellen. Neben vielen Aktualisierungen und Korrekturen finden
sich mehrere neue Kapitel zur Präsidentschaft Obamas und seiner Innen- und Außenpolitik, zu filibuster und super-majority im Senat, zur Gesundheitsreform, zu den neuen SuperPACs, zur Tea-Party und zu Veränderungen im Bereich der Medien.
Ein einführendes Lehrbuch, das sich neben der interessierten Öffentlichkeit im Besonderen an Studierende der Politikwissenschaft und der Amerikanistik wendet, stellt immer einen Kompromiss zwischen Wissenschaftlichkeit und Verständlichkeit dar. Wir
haben versucht, beiden Anforderungen nach Möglichkeit gerecht zu werden. Im Zweifelsfall haben wir uns für eine größere Aktualität und bessere Lesbarkeit entschieden.
Die Auswahl der Einzelthemen entspricht im Wesentlichen den gängigen Einführungswerken und daneben unseren eigenen Forschungsschwerpunkten. Im Zweifelsfall haben wir den Mut zur Lücke gehabt, im Ganzen aber denken wir, das Regierungssystem
der USA durchaus adäquat erfasst zu haben.
Wir danken Thomas Eibl und Lukas Zech für die redaktionelle Mitarbeit und für ihre
kreative Mithilfe bei der Erstellung der Abbildungen. Christian Dölle hat dankenswerterweise den Text Korrektur gelesen. Sybille Maier hat mit großer Zuverlässigkeit
einen Teil der Texte geschrieben. Für alle verbleibenden Fehler sind selbstverständlich
allein die Autoren verantwortlich.
Passau, Washington D.C. 2012
Prof. Dr. Winand Gellner
Martin Kleiber, M.A.
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Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
13
Einleitung .........................................................................................
15
1.
Staatswerdung und -konsolidierung ..................................................
17
2.
Grundlagen der Verfassungsorgane ...................................................
25
2.1
2.2
2.3
2.4
Entstehungsgeschichte der Verfassung ..............................................
Limited Government und unveräußerliche Naturrechte ........................
Horizontale Gewaltenteilung ..........................................................
Vertikale Gewaltenteilung .............................................................
25
32
34
36
3.
Der Kongress im politischen System der USA ......................................
37
3.1 Organisation ..............................................................................
3.1.1 Das Repräsentantenhaus .......................................................
3.1.2 Der Senat ..........................................................................
3.2 Aufgaben ...................................................................................
3.3 Politische Führung und Arbeitsweise ................................................
3.3.1 Führungsämter ...................................................................
3.3.2 Die Ausschüsse im Kongress ..................................................
3.4 Der Gesetzgebungsprozess .............................................................
3.4.1 Grundlagen .......................................................................
3.4.2 Der Gesetzgebungsprozess im Einzelnen ...................................
3.5 Die Haushaltsverhandlungen ..........................................................
3.6 Haushalt und Außenpolitik ............................................................
3.7 Kontrolle der Exekutive ................................................................
3.8 Der Kongress in der Außenpolitik ...................................................
37
37
39
40
42
42
44
49
49
50
56
60
61
63
4.
Die Präsidentschaft ........................................................................
69
4.1 Die Präsidentschaft seit 1945 .........................................................
4.2 Formale Machtmittel ....................................................................
4.2.1 Institutionelle Machtmittel ....................................................
4.2.2 Informelle Machtmittel ........................................................
4.3 Entscheiden im präsidentiellen System der USA ..................................
4.3.1 Organisationsstile der politischen Entscheidungsgewalten .............
4.3.2 Präsidentielle Politikstile in Außen- und Innenpolitik ...................
4.4 Präsidialverwaltung .....................................................................
4.5 Der Präsident in der Außenpolitik ...................................................
4.5.1 Oberbefehlshaber der Streitkräfte ...........................................
4.5.2 Internationale Verträge ........................................................
69
76
77
83
86
88
89
92
94
96
97
9
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Inhaltsverzeichnis
4.5.3
4.5.4
4.5.5
4.5.6
4.5.7
5.
5.1
5.2
5.3
5.4
6.
Der Präsident und die weitere Exekutive in der Außenpolitik ........ 99
Das Außenministerium ......................................................... 99
Das Verteidigungsministerium ............................................... 101
Die Intelligence Community ................................................. 102
Die Außenpolitik Präsident Obamas ........................................ 104
Die Judikative .............................................................................. 109
Organisation des Gerichtswesens ....................................................
Das oberste Bundesgericht der USA – der Supreme Court .....................
Richterliche Kontrolle ..................................................................
Politisierung der Judikative ............................................................
5.4.1 Judicial activism und judicial restraint .....................................
5.4.2 Nominierung von Richtern ....................................................
Vertikale Gewaltenteilung – Föderalismus in den USA ........................... 127
6.1 Kulturelle und staatsrechtliche Grundlagen ........................................
6.2 Entwicklung des Föderalismus in den USA ........................................
6.3 Policy-making und Föderalimus – Die Krankenversicherungsreform von
2009/2010 .................................................................................
6.4 Kommunalregierungen .................................................................
6.5 Sonderfall amerikanische Ureinwohner .............................................
6.6 Föderalismus im politischen Diskurs ................................................
7.
127
131
133
135
137
138
Politische Parteien ......................................................................... 141
7.1 Parteien und Gewaltenteilung .........................................................
7.2 Geschichte der amerikanischen Parteien ............................................
7.2.1 Die Anfangszeit der Vereinigten Staaten ...................................
7.2.2 Parteien während der Jacksonian Democracy ...........................
7.2.3 Bürgerkrieg .......................................................................
7.2.4 Die Ära der machines ..........................................................
7.2.5 Moderne nach 1945 ............................................................
7.2.6 Amerikanische Parteien in der Gegenwart .................................
7.2.7 Aufstieg (und Fall?) des Tea Party-Movements ..........................
7.3 Parteienorganisation ....................................................................
7.3.1 Party-in-government ...........................................................
7.3.2 Party-as-organization ..........................................................
7.3.3 Party-in-the-electorate .........................................................
7.4 Bewertung .................................................................................
8.
109
112
115
118
118
122
141
143
144
145
146
147
150
153
155
158
158
163
169
171
Wahlen ....................................................................................... 173
8.1 Kongresswahlen .......................................................................... 174
10
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Inhaltsverzeichnis
8.2 Präsidentschaftswahlen .................................................................
8.2.1 Von der Idee auf den Wahlzettel – die Vorwahlen in den USA .......
8.2.2 Die Wahlkampfphase nach den Vorwahlen ...............................
8.2.3 National convention ...........................................................
8.2.4 Bundesweite Wahlen ............................................................
8.3 Wahlen und Wahlergebnisse seit 2000 ..............................................
8.4 Die Wahlen 2008 und 2010 ...........................................................
8.5 Wahlverhalten ............................................................................
8.5.1 Ethnizität ..........................................................................
8.5.2 Einkommen und Bildung ......................................................
8.5.3 Religion ............................................................................
8.5.4 Alter und Geschlecht ...........................................................
8.5.5 Regionalspezifische Konflikte ................................................
8.6 Wahlbeteiligung ..........................................................................
8.7 Wahlkampffinanzierung ................................................................
8.7.1 Öffentliche Wahlkampffinanzierung ........................................
8.7.2 Wahlkampffinanzierung aus privaten Mitteln ............................
8.7.3 Kritik ...............................................................................
9.
179
179
182
183
184
185
187
197
199
199
200
200
201
203
204
207
208
210
Interessengruppen im politischen Prozess ............................................ 211
9.1 Ein-Themen-Interessengruppen und Verbände .................................... 213
9.2 Stiftungs- und Spendenwesen ......................................................... 216
9.3 Interessengruppen in der Außenpolitik ............................................. 217
10. Medien in den USA ....................................................................... 223
10.1 Strukturen der Medienlandschaft .................................................... 223
10.2 Medien und Demoskopie im Meinungs- und Willensbildungsprozess ....... 225
10.3 Medien und die Außenpolitik ......................................................... 233
11. Politikberatung in den USA: Think Tanks als Ideenagenturen ................. 237
11.1
11.2
11.3
11.4
11.5
Dominanz der Universitäten ohne Studenten ......................................
Eine neue Generation: interessenorientierte Think Tanks .....................
Ein neuer Trend: interessenabhängige Think Tanks ............................
Ideenagenturen heute ...................................................................
Ideenagenturen als Vorbild und Notwendigkeit ..................................
240
243
245
246
251
12. Bürgerrechte und Zivilgesellschaft .................................................... 255
12.1
12.2
12.3
12.4
Individuelle Freiheitsrechte ............................................................
Bürgerrechte ...............................................................................
Staat und Religion .......................................................................
Einschränkung der Bürgerrechte – Das Beispiel USA Patriot Act ............
255
256
259
262
11
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Inhaltsverzeichnis
12.5 Zivilgesellschaft in den USA ........................................................... 264
Nachwort ......................................................................................... 267
Anhang ............................................................................................ 269
1.
2.
Die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika ........................... 269
Die Federalist Papers Nr. 10 und Nr. 51 ........................................... 281
Bibliographie ..................................................................................... 291
Stichwortverzeichnis ............................................................................ 303
12
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1:
Vom ersten Kontinentalkongress zur Annahme der Verfassung
25
Abb. 2.2:
Die Bill of Rights – die ersten 10 Verfassungszusätze
31
Abb. 2.3:
Präsidentielle Vetos, 1969-2012
35
Abb. 3.1:
Ausschüsse im 112. Kongress
47
Abb. 3.2:
Das Supercommittee
48
Abb. 3.3:
Filibustering, 1969-2012
53
Abb. 3.4:
Die regular appropriation bills bzw. subcommittees
58
Abb. 3.5:
Discretionary spending im Haushaltsjahr 2011 (in Mrd USD)
58
Abb. 4.1:
Die bisherigen Präsidenten der USA
74
Abb. 4.2:
Organigramm des Executive Office of the President (EOP)
79
Abb. 4.3:
Die Bundesministerien der USA
80
Abb. 4.4:
Amerikanische Präsidenten des 20. Jahrhunderts und ihr Karrierehintergrund
81
Abb. 4.5:
Historische Bewertung der Präsidenten der USA
84
Abb. 4.6:
Bundesbehörden und behördenähnliche, öffentliche Körperschaften
93
Abb. 5.1:
Die Organisation des Gerichtswesens in den USA
110
Abb. 5.2:
Öffentliche Zustimmung für den Supreme Court
122
Abb. 5.3:
Abstimmungsverhalten und Parteizugehörigkeit von Richtern
am Supreme Court 2000 und 2001
124
Abb. 6.1:
Föderale Verwaltungsstruktur in den USA
136
Abb. 7.1:
Stammbaum der Demokratischen und Republikanischen Partei
143
Abb. 7.2:
Zunahme von divided government nach 1945
151
Abb. 7.3:
Spendeneinnahmen der Parteien in den Wahljahren 2000-2012
169
Abb. 7.4:
Parteienidentifikation in den USA
171
Abb. 8.1:
The Gerry-Mander
175
Abb. 8.2:
Die incumbancy rate von 1964 bis 2010
177
Abb. 8.3:
Regionale Verteilung der Mandate im Repräsentantenhaus,
1910 und 2010
178
Abb. 8.4:
Meistbesuchte Staaten im Präsidentschaftswahlkampf 2008
183
Abb. 8.5:
Die Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahlen 2008
189
Abb. 8.6:
Wahlsoziologische Analyse der Präsidentschaftswahlergebnisse
2008
192
Abb. 8.7:
Parteienidentifikation sozialer Gruppen in den USA, 2008
202
Abb. 8.8:
Wahlbeteiligung bei Präsidentschaftswahlen, 1924-2008
204
13
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 8.9:
Zentrale Begriffe der Wahlkampffinanzierung
206
Abb. 8.10: Wahlkampfspenden bei Präsidentschaftswahlen (in Mio USD)
209
Abb. 9.1:
Die einflussreichsten Interessengruppen in den USA
213
Abb. 9.2:
Interessengruppen nach Themenorientierung, 2011
215
Abb. 9.3:
Interessengruppen mit den größten Geldspenden bei Wahlkämpfen, 2011
217
Abb. 9.4:
Das Fallbeispiel AIPAC
219
Abb. 10.1: Amerikanische Tageszeitungen mit der größten Verbreitung,
2011
223
Abb. 10.2: Herkunft von politischen Informationen nach Medien
227
Abb. 10.3: Das Verhältnis zwischen good news und bad news in der Medienberichterstattung (nach Wahljahr, in Prozent)
228
Abb. 10.4: Öffentliche Wahrnehmung der Medien
229
Abb. 10.5: Bildung und öffentliche Meinung
232
Abb. 10.6: Sollte die gleichgeschlichtliche Ehe legalisiert werden?
233
Abb. 11.1: Think Tanks und intermediäre Akteure im politischen Prozess
239
Abb. 11.2: Think Tanks nach Ausgaben
248
Abb. 11.3: Verweise auf Think Tanks in den Medien
250
Abb. 12.1: Policy-making im Politikfeld Bürgerrechte – das Beispiel affirmative action
259
Abb. 12.2: Zugehörigkeit zu Glaubensgemeinschaften in den USA 2008
und 1990 in Mio. (über 18-jährige Bevölkerung)
260
14
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Einleitung
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nach einem Klassiker der politikwissenschaftlichen Literatur die erste neue Nation (Lipset 1979). Auch Alexis de Tocqueville
sprach von den USA als der ersten modernen Massendemokratie. Insoweit ist es nicht
lange zu rechtfertigen, warum man sich mit den USA beschäftigen muss, umso mehr,
weil die Rolle der heute und bis auf weiteres einzigen Supermacht in der Weltpolitik
nach wie vor umstritten und unklar ist. Genauso, wie die USA der erste moderne Staat
und damit ein Modernisierungspionier waren, sind sie spätestens nach dem Ende des
Kalten Krieges auch die letzte politische Macht der Moderne. Francis Fukuyama
sprach seinerzeit vom Ende der Geschichte und hatte damit den endgültigen Triumph
des Liberalismus’ amerikanischer Prägung vor Augen (Fukuyama 2006). Wenngleich
diese Einschätzung sicherlich genau so voreilig und falsch wie diejenige von Friedrich
Hegel war, der im preußischen Staat den Gipfel und die Vollendung staatlicher Herrschaft sah, bleibt doch zu fragen, ob die mit den USA begonnene moderne Staatlichkeit
auch mit den USA zu ihrem Ende gekommen ist? Denn alles das, was unter den Stichwörtern Individualisierung und Globalisierung diskutiert wird, und in der Konsequenz
nichts anderes darstellt als eine faktische Amerikanisierung, prägt das Weltgeschehen
auf eine fast imperiale Weise, deren Ende trotz entsprechender Vorhersagen nicht absehbar ist. Ungeachtet allen vermeintlichen Wissens über diese erste und letzte moderne
Nation herrscht immer noch vergleichsweise wenig Verständnis für diesen Staat und
seine politisch-kulturellen Grundlagen. Die angebliche ökonomische, kulturelle und
auch ideologische Nähe zu anderen Staaten der westlichen Welt erweist sich bei genauerem Hinschauen nämlich als trügerisch. Die USA sind mehr als nur eine moderne
Ausgabe westlicher Demokratien, sie sind tatsächlich ein Land, das sowohl von Europa, als auch von Asien gleich weit entfernt ist. Nicht zuletzt ist dieser american exceptionalism in der Selbstwahrnehmung der Amerikaner stets präsent.
Amerikanische Vorstellungen von der Gewaltenteilung und -verschränkung, der Rolle
der Medien, Parteien und Interessengruppen im politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess sind im Vergleich zum europäischen parlamentarischen Politikverständnis so unterschiedlich, dass Missverständnisse im transatlantischen und transpazifischen Diskurs oft die zwangsläufige Folge sind. Dabei ist die Frage danach, wie die
komplizierte Binnenkonstellation des gewaltenteilenden Systems der USA mit den politisch-kulturellen Befindlichkeiten zusammenhängt, entscheidend für das Verständnis
der weltpolitischen Rolle der sogenannten hyperpuissance (Hubert Védrine). Die USA
stellen das Laboratorium der politischen Moderne dar und sind insoweit gezwungen,
den Herausforderungen der modernen Massendemokratie gerecht zu werden, die üblicherweise in den anderen Staaten erst mit Verzögerungen rezipiert werden. Auch
wenn sich der für kulturelle Phänomene festgestellte Verzögerungseffekt von etwa zehn
Jahren verkürzt haben mag und auf eine fast schon ungefähre Gleichzeitigkeit geschrumpft ist, hat die politische Amerikanisierung in den restlichen Demokratien erst
15
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Einleitung
ansatzweise ihren Niederschlag gefunden. Von der Regierungstätigkeit über den parlamentarischen Entscheidungsprozess, von den Problemen der vertikalen Gewaltenteilung bis hin zur Rolle von Interessengruppen, Parteien und Medien haben die USA
Institutionen entwickelt, die für moderne politische Prozesse prägend, wenn nicht vorbildhaft sind. Dies mag man aus demokratietheoretisch normativer Perspektive bedauern. Gleichwohl ist gut beraten, wer sich in die USA begibt, um zu studieren, wie
politische Prozesse im modernen Staat ablaufen. Man muss und kann nicht alles übernehmen, und man wird vieles durch den Schleier der eigenen nationalen, politischkulturellen und traditionalen Gepflogenheiten wahrnehmen. Wer die politische Zukunft der westlichen Welt verstehen will, muss sich dennoch zwingend mit der Gestalt
amerikanischer politischer Institutionen auseinandersetzen.
16
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Nachwort
Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen vor der Wahl. Damit sind nicht nur die
Kongress- und Präsidentschaftswahlen im November 2012 gemeint, sondern auch eine
ganz grundsätzliche Problemkonstellation. Sollte es den Republikanern gelingen,
Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses zu gewinnen, dürfte die Nation schweren Turbulenzen entgegensehen. Obwohl beide Präsidentschaftskandidaten im Sommer 2012 gleichauf zu liegen scheinen, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass Mitt
Romney zum Präsidenten gewählt werden wird. Da ist zum einen der Amtsbonus des
Präsidenten, der von dem wenig charismatischen Herausforderer kaum auszugleichen
sein dürfte. Sein bisheriger Wahlkampf hat darüber hinaus erkennen lassen, dass die
radikaleren Gruppierungen innerhalb der Republikanischen Partei von ihm nur schwer
mobilisiert werden können. Es ist noch nicht recht absehbar, ob die Wahl von Paul
Ryan zu seinem Running Mate dies grundsätzlich ändern wird. Es ist zwar sicherlich
so, dass der fiskal- und sozialkonservative Ryan, der ein Liebling der Tea Party-Bewegung ist, den Fokus von Romneys Wahlkampf verschärft hat und damit der radikale
Teil der Republikanischen Partei stark mobilisiert werden dürfte. Andererseits ist aber
doch stark zu bezweifeln, ob mit einem derart polarisierenden Kandidaten nicht in
zumindest gleichen Teilen ungebundene Wähler der Mitte verschreckt werden.
Der begnadete Wahlkämpfer Obama muss zwar ebenfalls damit rechnen, dass die im
Jahre 2008 so hervorragend gelungene Mobilisierung der Demokratischen Partei und
dabei im Besonderen der Erstwähler im Jahre 2012 nicht zu wiederholen sein wird.
Dennoch spricht viel dafür, dass der Präsident wiedergewählt wird, obwohl viele seiner
Wähler aus 2008 mit seiner Politik unzufrieden sind. Er hat viele seiner Wahlkampfversprechen (Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo, Beendigung des Afghanistan-Krieges und v.a. der Abbau der hohen Arbeitslosigkeit) nicht einlösen können
und die Wirtschaft des Landes hat sich bislang nur sehr zaghaft von der Krise erholt.
Ein großer politischer Erfolg ist allerdings die Gesundheitsreform, die zum ersten Mal
in der US-amerikanischen Geschichte eine bezahlbare Krankenversicherung für die
gesamte Bevölkerung geschaffen hat. Die entsprechenden politischen Antworten des
Herausforderers sind dagegen nach wie vor recht unklar. Hier hat die Nominierung
von Paul Ryan sicherlich mehr Klarheit geschaffen, da die Romney-Campaign bislang
sehr darauf bedacht war, sich in vielen inhaltlichen Fragen nicht wirklich festzulegen.
Die Tatsache, dass die von dem damaligen Gouverneur Romney in Massachusetts
durchgesetzte Gesundheitsreform in weiten Teilen das Vorbild für Obamas Reform
war, wurde bislang möglichst heruntergespielt. Romney dürfte daher auch weiterhin
versuchen, eine inhaltliche Radikalisierung seines Wahlkampfs zu verhindern. Ein gewichtiger Ballast ist dagegen seine recht sparsame Informationspolitik zu seinen Geschäften bei Bain Capital bzw. beim Umgang mit seinen persönlichen Vermögensverhältnissen. Für den Sieg eines Kandidaten Romneys spricht dagegen seine prall gefüllte
Wahlkampfkasse, die nicht zuletzt durch enorme zusätzliche Mittel der vermeintlich
267
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Nachwort
unabhängigen SuperPACs vermehrt wird. Der amtierende Präsident hat erkennen
müssen, dass er hier nur begrenzt mithalten kann und er setzt daher verstärkt auf die
erneute Mobilisierung seiner Anhänger aus dem Jahre 2008. Bei einer Abwägung der
Chancen beider Kandidaten ist aber insgesamt davon auszugehen, dass Obama erneut
zum Präsidenten gewählt werden dürfte. Im Gegensatz zu seinem Herausforderer ist
es ihm bislang gelungen, die gesamte demokratische Partei hinter sich zu versammeln,
während Willbur (Spitzname ‚Mitt‘) Romney nicht zuletzt nach der Wahl seines Vizepräsidentschaftskandidaten damit leben muss, dass gemäßigte Teile des Republikanischen Establishments seiner Kandidatur mit einer gewissen Zurückhaltung begegnen; groß ist die Angst, dass eine nach dem Muster der Zwischenwahlen von 2010
radikalisierte Schar Republikanischer Repräsentanten und Senatoren die Partei dauerhaft ins ideologische Abseits schicken könnte.
Kommt es also in der Tat zu einem divided government, dürfte sich die Blockade der
politischen Gewalten, die seit den Kongresswahlen 2010 zu beobachten ist, noch verschärfen. Wie will ein Präsident regieren, wenn der Kongress von einer radikalisierten
Republikanischen Partei beherrscht wird, deren führendes Personal sich dem Kampf
gegen den Demokratischen Präsidenten Obama verschrieben hat? Dazu kommt ein
hochgradig politisierter Supreme Court, der durch seine Behandlung der Gesundheitsreform gezeigt hat, dass inhaltliche Auseinandersetzungen auch in diesem mittlerweile
extrem politisierten Verfassungsorgan nicht mehr rational geführt werden, sondern
von ideologischen Überzeugungen durchsetzt sind.
Insoweit hat sich also die durchaus sinnvolle Verlangsamung der Politik in einem gewaltenteilenden und gewaltenbeschränkenden System möglicherweise überlebt. Die
Radikalisierung der Republikaner wird von den Demokraten zwar durchaus beantwortet; insgesamt aber sind ihre Positionen doch erheblich gemäßigter und werden v.a.
weniger hysterisch vorgebracht als in den Medien der Republikaner. FOXNews ist
und bleibt im Vergleich zu den liberalen Medien ein Krawallsender.
Man muss insoweit hoffen, dass die gemäßigten Kräfte innerhalb der Republikanischen Partei, die die Radikalisierung und zunehmende Polarisierung vor allem im
Kongress mit erkennbarer Sorge sehen, mittelfristig wieder die Partei zurückerobern
können. Davon wird es abhängen, ob die Vereinigten Staaten von Amerika auch weiterhin als Vorbild einer funktionierenden Demokratie dienen können.
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