T H E M E N D E R Z E I T Tropenkrankheiten Guineawurm stirbt aus Ein erfolgreiches Eradikationsprogramm verhindert in Afrika und Asien die Infektion mit Dracunculiasis. D A 1664 zierte Menschen erkranken vor allem aufgrund der Sekundärinfektionen, die sich an den Öffnungen bilden, aus denen der Wurm den Körper verlässt. Traditionell entfernt man den Wurm, indem man ihn langsam auf ein Stückchen Holz aufrollt und ihn so Zentimeter für Zentimeter herauszieht. Diese Extraktion kann Monate dauern. Das erfolgreiche Eradikationsprogramm „Guineaworm Disease Eradication Program“, geleitet vom Amerikanischen Carter Center, gibt Anlass zu der Hoffnung, dass der Wurm aussterben wird. Zwar gibt es weder eine Impfung Fotos: Marcus Hansson er Guineawurm verursacht eine Infektionskrankheit, von der in den 80er-Jahren mehrere Millionen Menschen in Afrika und Asien betroffen waren. Nach den Pocken wird sie als zweite Krankheit in der Geschichte der Menschheit vollständig ausgerottet werden, und sie wird die erste sein, bei der dies ohne Impfung geschieht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte sich Ende der 80er-Jahre das Ziel gesetzt, den Guineawurm zu besiegen, und mittlerweile ist dieses Ziel fast erreicht. Die meisten infizierten Menschen leben heute im westafrikanischen Ghana. „Unser Leben im Dorf hat sich positiv verändert. Weil die Menschen nun vom Guineawurm befreit sind, können sie ihre Alltagstätigkeiten ohne Probleme verrichten“, sagt Sumayafi Chipura aus Ganbuga im Norden von Ghana. Sie bemüht sich als eine von vielen Freiwilligen um die Ausrottung des Guineawurms. Obwohl sie weder lesen noch schreiben kann, reist sie durch die Dörfer und sammelt Informationen über angebliche Neuinfektionen. Außerdem klärt sie die Menschen darüber auf, wie sie sich vor einer Infektion schützen können. Dracunculiasis, die Guineawurminfektion, ist ein besonders unangenehmes Leiden. Der im menschlichen Körper lebende Wurm wird circa einen Meter lang, bevor er die Haut durchbricht, um seine Larven abzulegen. Ohne tödlich zu sein, ist die Infektion sehr schmerzhaft und hat früher das Leben ganzer Gemeinden in Afrika und Asien zum Stillstand gebracht. Infi- Wirksame und einfache Infektionsprophylaxe ist das konsequente Filtern des Trinkwassers. Der Lebenszyklus des Guineawurms 1. Menschen infizieren sich über Trinkwasser, das einen Wasserfloh der Gattung Cyclops enthält, der selbst die Larven des Guineawurms in sich aufgenommen hat. 2. Der Wasserfloh wird im Magen verdaut und gibt dort die Larven frei, die während der Zeit im Floh zwei Verpuppungsstadien durchlaufen haben. Jetzt sind sie geschlechtsreife Würmer und bewegen sich im Gewebe um den Magen, wo sie sich paaren. 3. Der männliche Wurm stirbt kurz danach, während sich der befruchtete weibliche Wurm zu unterschiedlichen Teilen des Körpers bewegt, in denen er innerhalb eines Jahres seine ausgewachsene Größe erreicht. 4. Danach versucht der Wurm, seinen Wirt, den menschlichen Körper, zu verlassen. Am häufigsten tut er das an den Beinen, theoretisch kann er jedoch überall aus dem Körper treten. Sobald der Wurm dicht unter der Haut liegt, bildet sich eine Eiterbeule.Wenn diese platzt, kommt der Wurm heraus. Um den Schmerz zu lindern, versucht der Infizierte den betroffenen Körperteil ins Wasser tauchen. Auf diese Weise kann der Wurm jedoch seine Larven ablegen. 5. Im Wasser werden die nun frei gewordenen Larven vom Wasserfloh gefressen, und somit ist der Kreis geschlossen. noch Medikamente gegen die Wurminfektion. Wirksame Gegenmaßnahmen sind jedoch vor allem massive Informationskampagnen und die Verteilung einfacher Wasserfilter. In Asien gilt der Wurm inzwischen als ausgerottet. In Afrika wurden im Jahr 2005 nur noch 12 000 Fälle gezählt, die Mehrzahl davon in Ghana und im Sudan. Bei Einführung des Programms Ende der 80er-Jahre waren es noch schätzungsweise 3,5 Millionen Fälle. Diese Zahlen zeigen einen Rückgang der Erkrankungen um 99,5 Prozent. Es besteht die Hoffnung, dass der Wurm bis zum Jahr 2009 vollständig ausgerottet sein wird. „Der Erfolg des Programms beruht zum einen darauf, dass wir jeden neuen Fall schnell entdecken. Dies ist hauptsächlich ein Verdienst der Freiwilligen in den Dör- ⏐ Jg. 103⏐ ⏐ Heft 24⏐ ⏐ 16. Juni 2006 Deutsches Ärzteblatt⏐ T H E M E N fern. Sobald diese eine Neuinfektion bemerken, kümmern sie sich um den Erkrankten und erklären ihm, dass er die Wasserstellen nicht betreten und dort nicht das Wasser verunreinigen darf“, sagt Dr. Andrew Seidu Korkor, der Ghanas nationales Eradikationsprogramm leitet. „Zum anderen geht es darum, in jedem Dorf Wasserfilter zu verteilen und der Bevölkerung zu erklären, wie diese richtig anzuwenden sind.“ Die Filter funktionieren ganz einfach: Sie filtern den Wasserfloh aus dem Wasser, der die Larven des Wurms in sich trägt. Kleine Wasserfilter kann man an einer Schnur um den Hals befestigen, um sie immer bei sich zu tragen, D E R Z E I T anderen Gesundheitsfragen hilfreich sein kann“, sagt Philip Downs, der als technischer Berater für das Carter Center in Ghana arbeitet. „Hoffentlich führt das in Zukunft dazu, dass wir auf diese Weise auch andere Krankheiten kontrollieren und besiegen können.“ Auch Sumayafi Chipura blickt positiv in die Zukunft: „Ich glaube, dass die Ausbildung in Hygienefragen künftig noch intensiviert werden wird, da die Menschen verstehen lernen, dass sie es für ihr eigenes Wohlergehen tun und nicht für jeMarcus Hansson mand anderen.“ H eilen und Helfen – so heißen die beiden Neurotransmitter, die nicht nur uns Ärzte zu ständigen Höchstleistungen anspornen. Aber satt wird keiner davon, auch unsere Arzthelferinnen müssen sich ernähren, ein Dach über dem Kopf haben und für die Rente sorgen. Für sie bedeutet ihr Gehalt auch Schmerzensgeld für die besonderen Anforderungen ihrer Tätigkeit. Immer schön freundlich bleiben, auch wenn sie unseren Schutzbefohlenen Dinge vermitteln müssen, die so angenehm sind wie Stacheldraht in der Speiseröhre: Praxisgebühr, Zuzahlungen, Wartelisten und so weiter. Eine gewisse Leidensbereitschaft scheint Grundvoraussetzung für diesen Job zu sein, auch was die absolute Höhe des tariflich festgelegten Einkommens anbelangt. Der Grund, warum jetzt meine Helferin sichtlich erbost vor mir sitzt, ist allerdings ein anderer: „Von meinen 1 500 Euro, die ich im Monat bekomme, bleiben mir noch nicht mal 900 Euro, da kann ich mich ja gleich arbeitslos melden! 150 Euro allein für die Gehaltsabrechnung Abedail Jakubus Wunde, aus der der Wurm dringt, ist neu versorgt worden. wenn man auf den Feldern arbeitet. Um größere Mengen Wasser zu filtern, werden Stofffilter benutzt. In begrenztem Ausmaß ist im Rahmen der Eradikationskampagne auch das Mittel Abate verwendet worden. Es wurde dem Wasser zugesetzt, um den Wasserfloh zu töten. Das Präparat ist jedoch sehr teuer, sodass es nicht in größerem Umfang benutzt werden konnte. Stattdessen haben das dichte Netzwerk von Freiwilligen und andere kreative Methoden der Information und Aufklärung die Krankheit eingedämmt. Zum Beispiel reiste eine in Ghana sehr bekannte Theatergruppe durch die Dörfer und zeigte ein Stück über den Guineawurm. Ein weiteres Informationsmedium ist das Radio. „Ein weiterer Vorteil des Eradikationsprogramms ist, dass wir gleichzeitig eine Infrastruktur aufbauen, die auch in A 1666 Lohnsteuer!“ Ich versuche sie damit zu trösten, dass ich mit einer ganz anderen Progression verhaftet sei und ein Drittel meines Einkommens der Extinktion durch den Fiskus . . . – „Hier, schauen Sie mal! 110 Euro Krankenversicherung!“ Aber sie ist wenigstens nicht in einer privaten Krankenversicherung, die mir mal eben 500 Euro absaugen würde . . . – „Und die Rentenversicherung macht mich noch mal 150 Euro ärmer! Wo doch jeder weiß, dass man davon, wenn man alt ist, nichts wieder bekommt!“ Dieses Argument ist differenzialdiagnostisch schwer zu kontern, man könnte die Rentenzahlungen als milde Gabe verstehen; schließlich fordert das Berufsethos . . . – „. . . und der Soli kostet acht Euro, die Kirche grapscht sich 13 Euro, wo bleibt denn die Solidarität mit mir, wer macht für mich eine Fürsprache?!“ Ich entgegne, dass so hohe Güter wie der Aufbau Ost ihren Preis fordern würden, die Kirche sei nun mal für die wirklich Bedürftigen . . . – Der Zorn meiner Arzthelferin dämpft sich allmählich. „Sagen Sie doch mal, Herr Doktor, was bleibt Ihnen denn übrig, so nach Abzug aller Unkosten und Steuern?“ Ach, als Selbstständiger weiß man das nie so genau. Wenn ich die Rücklagen für Regressforderungen mit einbeziehe, bleiben mir zwei- bis dreitausend Euro im Monat . . . – „Ach nee, Herr Doktor, einen Moment wollte ich mich schon arbeitslos melden und nebenher schwarzarbeiten. Aber wenn das so ist, dass Sie auch nicht viel mehr verdienen, bleib’ ich doch bei Ihnen.“ Da habe ich ja noch mal Glück gehabt. Ohne Arzthelferinnen könnte ich die Praxis dichtmachen, und was wird dann aus meinem Dr. med. Thomas Böhmeke Helfersyndrom? ⏐ Jg. 103⏐ ⏐ Heft 24⏐ ⏐ 16. Juni 2006 Deutsches Ärzteblatt⏐