NATURSCHUTZ IN DEUTSCHLAND Ziele und Handlungsansätze zum Schutz der biologischen Vielfalt INHALT Einführung A. Spezieller Schutz von einheimischen Arten und Lebensräumen 1. 2. 3. 4. Einheimische Tier- und Pflanzenarten Natürliche und naturnahe Ökosysteme Kulturlandschaften Bundesweites Biotopverbundsystem B. Ökologisierung der Landnutzung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Naturverträgliche Landwirtschaft Naturverträgliche Nutzung der Wälder Naturverträgliche Gewässernutzung Naturverträgliche Jagd und Fischerei Naturverträgliche Freizeitnutzung und Tourismus Nachhaltige Siedlungsentwicklung Zerschneidung der Landschaft durch Straßen C. Ausgewählte Instrumente des Naturschutzes 1. Naturschutz braucht Akzeptanz 2. Ordnungsrecht und Vertragsnaturschutz als Bestandteile einer Naturschutzstrategie 3. Flächenkauf als Instrument des Naturschutzes 4. Die Neuanlage von Lebensräumen 5. Die Wiederansiedlung gefährdeter Tier- und Pflanzenarten 6. Ökologische Flurneuordnung 7. Öko-Bilanzen 8. Öko-TÜV 9. Umweltbeobachtung und Monitoring der biologischen Vielfalt 10. Erfolgskontrolle IMPRESSUM (c) NABU Bundesverband NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V. Herbert-Rabius-Str. 26 53225 Bonn Telefon: 02 28.40 36-0 Telefax: 02 28.40 36-200 E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU.de Redaktion: Helmut Opitz, Christoph Heinrich Schlussredaktion: Jochen Heimberg Unter Mitwirkung von: Monika Anton, Rocco Harthun, Torsten Hauschild, Ulrich Kriese, Claus Mayr, Dr. Johannes Naacke, Dr. Markus Florian Schöne, Siegfried Schuster, Christof Buchta, Dr. Dieter Haas, Mark Andreas Krone, Klaus Kußmaul, Peintinger, Dr. Markus Rösler, Weins Gestaltung: Petra Nyenhuis, Bonn Druck: AS-Druck, Bonn (5/2001, Auflage: 4.000) Bezug: Einzelexemplare können gegen 4,- Euro in Briefmarken beim NABUInfoservice, Herbert-Rabius-Str. 26, 53225 Bonn, bestellt werden. Darüber hinaus gehende Bestellungen erhalten Sie über den NABU-Naturshop, Calenberger Str. 24, 30169 Hannover, Telefon: 05 11.1 23 83-13, Telefax: 05 11.1 23 83-14, E-Mail: [email protected] für 2,50 Euro zzgl. Porto und Verpackung. Bestell-Nr. 5020. Bildnachweis: Bildnachweis O. Stadler/Silvestris (Titelhinterlegung), B. Brosette/Silvestris (Siebenschläfer), B. Kunz/NABU-Archiv (Besuchergruppe), D. Nill/Silvestris (Wasser). Einführung Der größte Reichtum der Erde ist die unüberschaubare Fülle der Lebensformen von Tieren und Pflanzen in den vielfältigen Ökosystemen, Klimazonen und Landschaftsformen unseres Planeten. Ihr verdanken wir funktionierende Naturhaushalte, unsere Nahrungsgrundlage, die sauerstoffhaltige Luft zum Atmen und die Schönheit unseres Lebensumfeldes. Die Zahl der auf der Erde lebenden Arten wird auf zehn bis 30 Millionen geschätzt, von denen nur ein kleiner Teil, etwa 1,7 Millionen Arten, zur Zeit wissenschaftlich beschrieben sind. Stärker als je zuvor in der Erdgeschichte ist diese biologische Vielfalt heute durch den Menschen gefährdet. Während die natürliche Hintergrundrate des Aussterbens in den vergangenen 600 Millionen Jahren auf eine Art pro Tag geschätzt wird, liegen die Schätzungen für den aktuellen Artenschwund um mehr als ein Hundertfaches höher. Die Langzeitfolgen des Verlustes an biologischer Vielfalt sind unabsehbar. Zum einen werden die Funktionen der Ökosysteme in globalem Umfang gestört. Arten, die auch dem Menschen als biogenetische Ressource, etwa zur pharmazeutischen und biotechnischen Nutzung sowie als potenzielle Nahrungsmittel zur Verfügung stünden, fallen aus. Noch ernster zu nehmen ist jedoch die nachhaltige Störung evolutiver Prozesse. Artbildung kann schon heute nur noch von einem stark verringerten Artenreservoir ausgehen. Der Umfang, in dem der Mensch in einem kurzen Zeitabschnitt der Erdgeschichte ganze Ökosystemtypen auslöscht, lässt befürchten, dass breite Wege der Evolution irreparabel zum Erliegen kommen. Der Reichtum an biologischer Vielfalt hat sich in einer Milliarden Jahren währenden Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten ausgebildet. Ihn zu bewahren gehört zu den größten Herausforderungen der Menschheit. Mit dem Ziel, sich dieser Herausforderung zu stellen, legt der NABU das Programm „Naturschutz in Deutschland“ zum Schutz der biologischen Vielfalt vor. Prinzipien des NABU zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Deutschland Das Prinzip Verantwortung Die Regionen der Erde mit der höchsten Artenvielfalt liegen vorwiegend in den Tropen. Gerade diese Diversitätszentren sind besonders stark von menschlichen Eingriffen betroffen. Aus gutem Grund erinnern die Menschen der nördlichen Industriestaaten die Tropenländer an ihre Verantwortung für die biologische Vielfalt, übersehen dabei jedoch, dass sie bei der Wahrnehmung ihrer eigenen Verant wortlichkeit oft versagen. Die Rahmenbedingungen, die die Naturzerstörungen in armen Ländern mit verursachen, werden zu einem bedeutenden Teil in den Industriestaaten des Nordens gesetzt. Der Norden muss noch lernen, seine wirtschaftliche Macht für den Erhalt der biologischen Vielfalt und eine nachhaltige Entwicklung auch im eigenen Land einzusetzen. Mitteleuropa mit seinen temperierten Klimaten wird im internationalen Vergleich von relativ wenigen Tier- und Pflanzenarten bevölkert. Ein großer Teil der Arten und Ökosysteme, die in Mitteleuropa von Natur aus vorkommen, ist jedoch sehr speziell an die hiesigen Umweltbedingungen angepasst und hat daher hier seinen weltweiten Verbreitungsschwerpunkt. Für den Schutz dieser Arten und Ökosystemtypen haben die Staaten, Organisationen und Bürger Mitteleuropas eine besonders hohe Verantwortung. Als Träger der charakteristischen mitteleuropäischen Biodiversität sind die hiesigen naturnahen Ökosysteme genauso unersetzlich wie tropische Lebensräume. Das Prinzip Natürlichkeit Zur biologischen Vielfalt in Mitteleuropa tragen einerseits Ökosysteme und Arten der ursprünglichen europäischen Naturlandschaft bei, andererseits wird sie durch Arten und Lebensräume bereichert, die aus benachbarten Regionen der Erde in die vom Menschen gestalteten Kultur- und Siedlungslandschaften eingewandert sind. Der Mensch hat insofern jahrhundertelang zur Anreicherung der biologischen Vielfalt in Europa beigetragen. Zugleich wurde aber der ursprüngliche Lebensraum der einheimischen mitteleuropäischen Arten schon in historischer Zeit durch Waldrodungen, Moorentwässerungen und Flussregulierungen stark beschnitten. Naturökosysteme mit einer vom Menschen nicht beeinflussten Struktur und Dynamik existieren so gut wie nicht mehr. Zu den wichtigsten Strategien des Naturschutzes muss es daher gehören, auf hinreichend großer Fläche natürliche Ökosysteme frei von menschlicher Nutzung zu schützen und ihrer natürlichen Eigendynamik zu überlassen. Allen Vorbehalten zum Trotz, die auch in den Reihen des Naturschutzes immer wieder gegen eine freie Eigenentwicklung der Natur geäußert werden: Ohne den Mut zur Wildnis kann Naturschutz nicht wirklich der Schutz von Natur sein. Das Prinzip der naturverträglichen Flächennutzung Unter dem Eindruck der dramatischen Struktur- und Artenverarmung, die mit der Intensivierung der Landwirtschaft einher geht, konzentrierten sich die Aktivitäten des Naturschutzes auf den Erhalt der Artenvielfalt in der Kulturlandschaft. Mit der Ausweisung von Schutzgebieten, durch staatliche Förderprogramme und unzählige Einzelmaßnahmen wie das Anpflanzen von Hecken und Hochstammobstbäumen, wurden durchaus Erfolge erzielt. Diese Maßnahmen bleiben daher unverzichtbare Instrumente des Naturschutzes. Den Trend des Artenrückgangs in der Agrarlandschaft konnten sie dennoch nicht anhalten. Dies wird nur gelingen, wenn die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen, Wäldern und Gewässern in Zukunft naturverträglicher ausgestaltet wird. Hierzu bedarf es auch der Bewahrung und Entwicklung von besonderen Habitatstrukturen im Umfang auf mindestens fünf Prozent der Nutzfläche als integrierter Bestandteil jeder naturverträglichen Flächennutzung. Das Prinzip des sparsamen Umgangs mit Flächen Zur naturverträglichen Flächennutzung gehört auch ein sparsamer Umgang mit den begrenzten Flächenressourcen. Noch immer werden in Deutschland jeden Tag etwa 1,2 Quadratkilometer (=120 Hektar) freie Landschaft durch Siedlungen und Verkehrsflächen überbaut. Damit geht auch eine Ze rschneidung der Landschaft und Fragmentierung von Lebensräumen einher. Der Umfang und die Geschwindigkeit dieses Flächenverbrauchs macht deutlich, dass diese Entwicklung mittelfristig reduziert und langfristig gestoppt werden muss. Das Prinzip Akzeptanz Der Schutz und die Entwicklung der natürlichen Vielfalt an Arten und Lebensräumen in Deutschland ist eine ehrgeizige Aufgabe, die nur gelingen kann, wenn ein Großteil der Bevölkerung sie mitträgt. Der Weg zu einer breiteren Akzeptanz und Unterstützung kann jedoch nicht über einen „weichen“ Naturschutz verlaufen, sondern nur über einen erfolgreichen, der seine Erfolge verstehbar und erlebbar macht und einen fairen Interessenausgleich mit betroffenen Nutzern und Grundeigentümern sucht. A. Spezieller Schutz der einheimischen biologischen Vielfalt In Deutschland sind rund 45. 000 Tierarten und über 30.000 Arten der höheren Pflanzen, Moose, Pilze, Flechten und Algen heimisch. Zur Beschreibung der biologischen Vielfalt reichen diese Zahlen jedoch nicht aus. Viele Arten werden weiter in Unterarten und regionale Varietäten unterschieden und teilen sich in genetisch zu unterscheidende Populationen auf. Das Ziel, eine Art zu schützen, muss hiernach auch den Schutz der innerartlichen genetischen Vielfalt beinhalten. Zur natürlichen biologischen Vielfalt gehören die einheimischen (indigenen) Tier- und Pflanzenarten mit ihrer innerartlichen genetischen Vielfalt, sowie Ökosysteme, die ohne das Zutun des Menschen in Mitteleuropa vorkommen. Darüber hinaus gibt es Tausende von Pflanzensorten und Tierrassen, zu deren Erhalt sich Deutschland mit der Unterzeichnung der Rio-Konvention 1992 verpflichtet hat. Die Zahl der in Deutschland einheimischen Tier- und Pflanzenarten nimmt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkt ab. Seitdem gelten drei Prozent der Tierarten und 1,4% der Farn- und Blütenpflanzen in Deutschland als ausgestorben, weit mehr als bei einer natürlichen Aussterberate zu erwarten wäre. Dennoch könnten die relativ niedrigen Anteile ausgestorbener Arten über die tatsächliche Gefährdungssituation der Tiere und Pflanzen in Deutschland hinwegtäuschen. Auf breiter Front vollzieht sich ein schleichender Prozess der Verinselung und anhaltenden Ausdünnung von einst individuenstarken Populationen, mit der Folge, dass sich viele lokale Aussterbeprozesse von Arten zu einem großräumigen Arealverlust summieren. Deutschland erreicht mit einer Gefährdungsrate von 40% aller Tierarten und 24% der Pflanzenarten einen der höchsten Werte in Europa. Die Gründe für die Gefährdung und das Aussterben von Arten in Deutschland sind hinreichend untersucht und in der Literatur ausführlich beschrieben: • Unmittelbare Zerstörung und Zerschneidung von Lebensräumen Siedlungsbau, Verkehrslinien, Abgrabungen, Flurbereinigungen, Trockenlegungen, Verfüllen von Gewässern, Aufforstung von Grünland und Brachen. • Intensivierung der Landwirtschaft Anwendung von Pestiziden, Düngung, mehrfache jährliche Mahd, Einsatz von kleintiergefährdenden Mähgeräten, Entwässerung von Feuchtwiesen und Niedermooren, Umwandlung von Grünland in Äcker. • Intensivierung der Forstwirtschaft Verdrängung der Laubmischwälder durch Nadelforsten, zu geringe Anteile von alten und toten Bäumen, Strukturverarmung und Ausdunkelung durch Altersklassenwirtschaft, Entwässerung von Feuchtwäldern, Waldwegebau. • Wasserbau Begradigung von Fließgewässern, Wasserstandsregulierungen und Stauhaltung von Fließgewässern und Wasserstraßen, Nivellierung von Flussbettstrukturen durch Ausbau und Aushub. • Eintrag von Schad- und Nährstoffen Vorwiegend der Eintrag von Stickstoff aus der Landwirtschaft und dem Kraftfahrzeugverkehr führt zu einer flächendeckenden Überdüngung und zu Artenverschiebungen in Lebensgemeinschaften auf nährstoffarmen Standorten. • Jagd und Fischerei Zahlreiche Säugetiere und Vögel wurden durch direkte Verfolgung ausgerottet oder stark dezimiert; die Fischerei hat durch künstliche Besatzmaßnahmen einen gravierenden Einfluss auf die Zusammensetzung von Fischlebensgemeinschaften und die Erbeigenschaften in autochthonen Fischpopulationen. • Naturbelastende Freizeitnutzung Störungen durch menschliche Anwesenheit, Lärm und mechanische Beeinträchtigungen (Vertritt, Wellenschlag), Bau touristischer Infrastruktur. 1. Einheimische Tier- und Pflanzenarten Das Überleben der in Deutschland einheimischen Tier- und Pflanzenarten muss in ausreichend großen Populationen im natürlichen Verbreitungsgebiet gesichert werden. Grundsätzlich genießt die biologische Vielfalt der Erde in ihrer Gesamtheit einen uneingeschränkten Anspruch auf dauerhafte Bewahrung. Dieses Prinzip lässt sich jedoch nicht beliebig auf die regionale Betrachtungsebene übertragen. An vielen Orten der Erde sind vom Menschen bewusst oder unbeabsichtigt eingebrachte Arten durch ihre Konkurrenzkraft zu einer Gefährdung der indigenen Fauna und Flora geworden. Aus diesem Grund und unter Bezug auf das Prinzip der Verantwortlichkeit für die ursprüngliche mitteleuropäische Tier- und Pflanzenwelt empfiehlt der NABU eine Begrenzung der Naturschutzaktivitäten auf den Erhalt der einheimischen Arten, die ohne menschliches Zutun in Mitteleuropa heimisch (indigen) sind oder bereits vor dem 16. Jahrhundert in Folge der menschlichen Landnutzung eingeführt wurden (Archäophyten, Archäozoen). Liegen keine sehr speziellen Gefährdungsursachen vor, dann ist ihr Schutz durch die Summe der in den nachfolgenden Kapiteln beschriebenen Ziele und Maßnahmen in der Regel gewährleistet. Einer zusätzlichen Aufmerksamkeit sowie spezifischer Artenschutzprogramme und –maßnahmen bedürfen jedoch solche gefährdete Arten, für deren weltweiten Erhalt Deutschland eine besondere Verantwortung trägt sowie Arten, die in Deutschland und angrenzenden Gebieten stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht sind. Ziel 1: Der Erhalt von Arten mit vorrangigem nationalen Schutzbedürfnis wird durch gezielte Schutzmaßnahmen in dauerhaft überlebensfähigen Populationen gesichert. Ein vorrangiges nationales Schutzbedürfnis haben, • Arten, die in Deutschland oder Mitteleuropa endemisch sind, • in Deutschland und angrenzenden Gebieten stark gefährdete oder vom Aussterben bedrohte einheimische Arten, • gefährdete Arten, die in Mitteleuropa ihren weltweiten Verbreitungsschwerpunkt haben, • wandernde Arten, von denen bedeutende Teile der Weltpopulation in Deutschland rasten oder überwintern. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Nationales Artenschutzprogramm Zum Schutz von Tier und Pflanzenarten mit vorrangigem nationalen Schutzbedürfnis sind bundesweite Artenschutzprogramme unter Mitwirkung der Bundesländer und der Naturschutzverbände aufzulegen. Bestandteile des Programms sollten Listen der vorrangig zu schützenden Arten und spezifisch auf den Schutz dieser Arten ausgerichtete Aktionspläne sein. Die Bestandsentwicklung aller Arten mit vorrangigem nationalen Schutzbedürfnis sollte weiterhin durch Monitoring beobachtet werden. Die Ergebnisse des Monitorings und der Stand der Umsetzung der Artenschutz-Aktionspläne werden in regelmäßigen Abständen von höchstens zwei Jahren in Artenschutzberichten veröffentlicht. (b) Nationales Schutzgebietskonzept Auf der Basis der Erkenntnisse des Artenschutzprogramms werden die Bundesländer gesetzlich dazu verpflichtet, Schutzgebiete für Arten von nationalem und europäischem (FFH-Richtlinie, EG- Vogelschutzrichtlinie) Interesse in einem Umfang einzurichten, der ein dauerhaftes Überleben der Arten an den gegebenen Standorten gewährleistet. (c) Schutz wandernder Tierarten Zum Schutz von Tierarten, die Deutschland durchwandern oder hier überwintern, müssen die traditionellen Rastplätze, Überwinterungsgebiete und Wanderkorridore von überregionaler Bedeutung durch geeignete Maßnahmen gesichert werden. Die erheblichen Defizite der Deutschlands bei der Umsetzung zahlreicher internationaler Abkommen zum Schutz wandernder Arten, wie z.B. der Ramsar-Konvention, der Helsinki-Konvention sowie der Regionalabkommen im Rahmen der Bonner Konvention müssen insbesondere durch die Ausweisung geeigneter Schutzgebiete aufgearbeitet werden. (d) Gesetzlicher Schutz Die Arten mit vorrangigem nationalen Schutzbedürfnis müssen im Bundesnaturschutzgesetz und in der Bundesartenschutzverordnung als streng geschützte Arten festgeschrieben werden. Im Gesetz sollte weiterhin ein Verbot zur nachteiligen Veränderung ihres Lebensraums festgeschrieben werden. (e) Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten Der illegale Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten muss durch eine starke Aufstockung des Personals der Vollzugsbehörden (Naturschutzbehörden, Zoll, Polizei, Staatsanwaltschaften) sowie die Einführung von übersichtlichen Positivlisten der legal zu handelnden Arten eingeschränkt werden. Nur so sind die gravierenden Defizite beim Vollzug der nationalen, europäischen und weiterer internationaler Artenschutzbestimmungen (Washingtoner Artenschutzabkommen, EG-Artenschutzverordnung) abzubauen. Ziel 2: Das Einbringen gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten (Neozoen/Neophyten), die das Potenzial besitzen, sich in Mitteleuropa als wildlebende Arten zu etablieren, muss vermieden werden. Neozoen und Neophyten werden definiert als Tier- und Pflanzenarten, die erst ab dem 16. Jahrhundert unter Mithilfe des Menschen in ein bestimmtes Gebiet gebracht worden sind und sich dort als wild lebende Arten etabliert haben. Dieses Phänomen der anthropogenen Verbreitung von Arten hat welt weit enorme Ausmaße angenommen und führt in vielen Teilen der Erde zur Verdrängung indigener Arten durch konkurrenzstarke Neusiedler. Besonders gravierend wirken sich Verdrängungsprozesse auf Meeresinseln mit ihren oft hohen Anteilen an endemischen Arten aus. In Mitteleuropa sind die Beeinträchtigungen der einheimischen Arten vergleichsweise gering. Die erfolgreiche Ansiedlung von Neophyten ist zudem häufig Ausdruck einer stark veränderten Umwelt infolge von Entwässerung, Nährstoffanreicherung oder wegfallender Nutzung (also Symptom und nicht Ursache). Besonders in stark anthropogen beeinflussten Pflanzengesellschaften konnten sich einige Neophyten sehr erfolgreich etablieren und Verschiebungen in den Artenzusammensetzungen bewirken. Verhindern lässt sich dies nur in begrenztem Umfang. Die meisten der erfolgreich etablierten Neophyten und Neozoen ließen sich auch unter äußersten Anstrengungen nicht wieder zurückdrängen. Sie müssen als neue Mitglieder unsere Fauna und Flora akzeptiert werden. Eine großräumige Gefährdung einheimischer Tier- und Pflanzenarten durch Neophyten oder Neozoen kann in Deutschland ohnehin bislang nicht festgestellt werden. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Das Aussetzen gebietsfremder Arten sowie von Hybriden einheimischer Arten in die freie Wildbahn muss gesetzlich untersagt werden. (b) Der Handel mit lebenden Tieren und Pflanzen, die das Potenzial besitzen, sich in Mitteleuropa als wildlebende Arten zu etablieren, muss über die EU-Artenschutzverordnung geregelt werden, d.h. die Einfuhr in die EU darf nur unter strenger Kontrolle erfolgen. (c) Die Auswirkungen von Neophyten und Neozoen auf heimische Lebensgemeinschaften müssen besser erforscht und ihre Ausbreitung durch Monitoring beobachtet werden. (d) Eine gezielte örtliche Bekämpfung von Neophyten oder Neozoen kann angeraten sein, wenn negative Einflüsse auf die Populationen stark gefährdeter heimischer Tiere und Pflanzen zu befürchten sind. 2. Natürliche und naturnahe Ökosysteme Die natürlichen und naturnahen Ökosysteme müssen durch den vollständigen Erhalt der verbliebenen Vorkommen und Renaturierung entwicklungsfähiger Vorkommen geschützt werden. Die natürlichen und naturnahen Ökosystemtypen bedürfen, im Unterschied zu den Ökosystemen der Kulturlandschaft und des Siedlungsraumes, nicht des pflegenden Eingriffs durch den Menschen. Als Lebensgemeinschaften, die sich evolutiv an die natürlichen Bedingungen ihrer Umwelt angepasst haben, behaupteten sie ihre spezifischen Standorte, bevor der Mensch in historischer Zeit begann, die Ökosysteme zu seinem Nutzen zu verändern. Stellte der Mensch seine Einflussnahme ein, käme es langfristig zu einer Wiederbesiedelung durch die ursprünglichen Lebensgemeinschaften. Zu den flächenmäßig bedeutendsten natürlichen Ökosystemtypen gehören in Deutschland die Hochsee- und Küstenökosysteme, die temperierten Laubmischwälder, hochmontane bis subalpine Nadelwälder, die natürlichen Binnenseen, Moore und Sümpfe, Fließgewässer mit ihren angrenzenden Auen sowie die Hochgebirgsökosysteme der Alpen. Sie alle gedeihen am besten, wenn ihnen der Mensch auf einer ausreichenden Fläche das Recht einräumt, sich nach den Regeln ihrer eigenen Dynamik zu entfalten und sie ansonsten schonend nutzt. Die Gefährdung der natürlichen und naturnahen Ökosysteme Der gegenwärtige Erhaltungszustand der natürlichen und naturnahen Ökosystemtypen ist verheerend. Ohne Ausnahme stehen sie auf der Roten Liste der Biotoptypen, weil sie entweder durch Flächenverlust oder durch qualitative Veränderungen gefährdet sind. Fast alle natürlichen Ökosysteme müssen als stark gefährdet oder von vollständiger Vernichtung bedroht angesehen werden, der menschliche Einfluss ist allgegenwärtig. Aus dem Status der natürlichen Lebensraumtypen in der Roten Liste leitet sich das Fazit der Naturschutzstrategie des NABU ab: Der Schutz und die Entwicklung natürlicher Ökosysteme ist eine zentrale Aufgabe des Naturschutzes in Deutschland. Dies gilt um so mehr, als viele der natürlichen Ökosysteme Mitteleuropas ihren Verbreitungsschwerpunkt auf dem Gebiet Deutschlands haben. Dies gilt vor allem für die Buchenwaldökosysteme und das weltweit einzigartige Wattenmeer der Nordseeküste. Die entwickelten Industriestaaten sind in besonderer Weise dazu ve rpflichtet, die verbliebenen Reste dieser Naturökosysteme nachhaltig zu bewirtschaften und Teile davon als großflächige Schutzgebiete für die Nachwelt zu sichern. Natürliche Ökosysteme, die nach der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen als „von vollständiger Vernichtung bedroht“ angesehen werden: • • • • • • alle Tiefenwasser- und Flachwasserbereiche der Ostsee, einschließlich der Boddengewässer; die Küstenmoore, Salzwiesen und verschiedene Wattformen der Nordsee. alle Formen natürlicher Dünen und Strände. alle Formen natürlicher Quellen und nahezu alle natürlichen Fliessgewässertypen. alle Formen nährstoffarmer Seen. alle Formen von natürlichen Nieder-, Zwischen- und Hochmooren, Moorwäldern, Bruchwäldern. Auewäldern mit ungestörter Überflutungsdynamik. Mindestens „stark gefährdet“ sind im „Waldland“ Deutschland auch viele der von Natur aus weit verbreiteten Waldgesellschaften: • • • • • • Eichenwälder feuchter Standorte. Bodensaure Buchenwälder des Flachlandes und der montanen bis hochmontanen Stufe. Bergahorn-Buchenwälder. alle Formen natürlicher oder naturnaher Buchen-Tannenwälder. Buchen- und Eichenwälder trockenwarmer Standorte. alle Formen natürlicher oder naturnaher Kiefernwälder, Fichten- und TannenFichtenwälder. Schutz natürlicher Strukturen und Prozesse in naturbelassenen Ökosystemen Natürliche Ökosysteme sind einer steten Dynamik im Wirkungsgefüge der Lebensgemeinschaften unterworfen: Sukzessionen, Räuber-Beute-Beziehungen, Migrationen und Fluktuationen von Arten, Selektion, Mutation und Gendrift, Prozesse der Erneuerung und des Sterbens, Konkurrenzkämpfe, Prozesse der Bodenbildung, Insektenkalamitäten und der Wechsel der Jahres- und Tageszeiten verändern fortwährend die Lebensbedingungen in naturbelassenen Ökosystemen. Darüber hinaus wirken natürliche Zufallsereignisse wie Windwurf, Feuer, Hochwasser oder Erdrutschungen auf die Ökosysteme ein. Diese Veränderungen sind Teil der natürlichen Dynamik und reichern die Landschaft mit Sonderstandorten und besonderen Strukturelementen an. Viele Arten, die heute durch Abgrabungen (Kiesgruben, Braunkohletagebaue, Steinbrüche) oder Kahlschläge einen Ersatzlebensraum finden, haben hier ihre ursprünglichen Vorkommen. Ein Ökosystem in seiner natürlichen Ausprägung zu schützen, heißt deshalb nicht, es in einem definierten Zustand einzufrieren. Es geht vielmehr darum, seiner natürlichen Entwicklung einen möglichst freien Lauf zu sichern. Prioritäre Ziele • • • • Die Restvorkommen der natürlichen und naturnahen Ökosystemtypen Deutschlands müssen in ihrem Bestand vollständig erhalten werden. Die national und regional bedeutsamen Vorkommen von natürlichen und naturnahen Ökosystemen sollten in Schutzgebieten mit strengen Schutzauflagen gesichert werden. Ausreichend große Kernbereiche sind von jeglicher menschlicher Nutzung frei zu stellen. Die forstwirtschaftliche Nutzung von Wäldern und die Nutzung von natürlichen Gewässern durch Fischerei und als Wasserstraße muss naturverträglich erfolgen, d.h. sie darf naturnahe Ökosysteme nicht negativ beeinflussen und sollte durch naturverträgliche Bewirtschaftung einen Beitrag zur Renaturierung naturferner Wälder und Gewässer leisten. Die Fläche der natürlichen Ökosysteme muss durch Renaturierungsmaßnahmen oder natürliche Dynamik auf Flächen mit günstigem Entwicklungspotenzial wieder erheblich ausgeweitet werden, z.B. durch Gewährung natürlicher Sukzessionen auf ehemaligen Truppenübungsplätzen und Tagebauflächen, durch Wiedervernässung von Moorböden, Aufforstung (Waldsukzession) geeigneter landwirtschaftlicher Flächen. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Gesetzlicher Schutz von natürlichen und naturnahen Ökosystemen In den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über den Schutz besonderer Biotope müssen die natürlichen Ökosysteme eine angemessenere Berücksichtigung finden. Für sie ist mindestens ein Schutz des aktuellen Erhaltungszustandes und ein Verschlechterungsverbot verbindlich festzuschreiben. Die Länder sollten sich in den Landeswaldgesetzen und Waldbauerlassen zur Renaturierung von entwässerten Standorten und Waldorten mit naturferner Baumbestockung verpflichten. Die Prinzipien einer naturnahen Waldwirtschaft müssen im Bundeswaldgesetz und den Waldgesetzen der Länder als Betreiberpflichten bzw. als verbindliche Grundsätze einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft verankert werden. Im Bundeswasserstraßengesetz sowie in den Wassergesetzen von Bund und Ländern müssen Vorschriften über die Renaturierung und naturnahe Unterhaltung der natürlichen Fließgewässer, auch der als Wasserstraßen gewidmeten Flüsse, festgeschrieben werden. (b) Vorrangflächen zum Schutz natürlicher und naturnaher Ökosysteme • Vom Aussterben bedrohte Ökosystemtypen sichern Die Restvorkommen der vom Aussterben bedrohten natürlichen und naturnahen Ökosystemtypen (z.B. Klarwasserseen, Hochmoore) sind vollständig in Schutzgebieten zu sichern. Diese Maßnahme muss in den Naturschutzplanungen von Bund und Ländern allerhöchste Priorität genießen. • Ausweisung weiterer Nationalparke Die bundesweit bedeutsamen Vorkommen von natürlichen und naturnahen Ökosystemen sind in einem repräsentativen System möglichst großflächiger Schutzgebiete zu sichern. Als wichtigsten Schritt sieht der NABU die Ausweisung folgender Nationalparke an: - - - • Stechlinseegebiet (Brandenburg): repräsentativ für oligotrophe (nährstoffarme) Klarwasserseen mit nährstoffarmen Verlandungsmooren und Buchenwäldern des Norddeutschen Tieflandes. Senne (Nordrhein-Westfalen): repräsentativ für nordwestdeutsche Eichenmischwälder der Tiefebene auf Sandböden. Bode- und Selketal (Sachsen-Anhalt): repräsentativ für bodensaure Eichen- und Buchenmischwälder, wärmeliebende Eichenwälder, Felsgebüsche, Felsspalten- und Blockschuttgesellschaften und Fließgewässer mit bachbegleitenden Erlen-Eschenwäldern der westlichen Mittelgebirge. Kellerwald (Hessen): repräsentativ für Buchenwaldgesellschaften auf sauren, nährstoffarmen Ausgangsgesteinen der westlichen Mittelgebirge. Nördlicher Schwarzwald (Baden-Württemberg): repräsentativ für die Buchenwälder und Bergmischwälder des Schwarzwaldes. Ammergebirge (Bayern): repräsentativ für die tiefer gelegenen ausgedehnten Bergmischwälder der nördlichen Kalkalpen sowie der Alpen-Hochmoore Ausweisung großflächiger Naturschutzgebiete Ein repräsentatives System großflächiger Naturschutzgebiete (mehrere Hundert bis Tausend Hektar) muss die national bedeutenden Vorkommen der natürlichen und naturnahen Ökosysteme in Ergänzung zu den bestehenden und vom NABU geforderten Nationalparken sichern. Bestandteil dieses Systems müssen vor allem großflächige Waldschutzgebiete (ca. 200 bis 2000 ha) ohne forstliche Nutzung sein. Durch sie soll sich auf mindestens fünf Prozent der deutschen Waldfläche die natürliche Dynamik und Strukturentwicklung von naturbelassenen Waldökosystemen entfalten können. • Marine Ökosysteme als Vorrangflächen für den Naturschutz Erhebliche Teile der marinen Ökosysteme der Nord- und Ostsee auf deutschem Territorium sind als Naturschutzvorrangflächen auszuweisen; hierzu liegen in Form der Important Bird Areas (IBA) und der Schutzgebiete im Rahmen der Helsinki-Konvention Vorschläge vor, die umzusetzen sind. • Flächen ohne menschlichen Einfluss (Prozessschutz) Insgesamt sind durch die Ausweisung von Nationalparken und großflächigen Naturschutzgebieten mindestens fünf Prozent des Territoriums Deutschlands als strenge Naturschutzflächen ohne menschliche Einflussnahme zu schützen. Diese Flächen sollen vorrangig dem Schutz einer naturbelassenen Dynamik und Strukturentwicklung der o.g. natürlichen und naturnahen Ökosystemtypen Deutschlands dienen. Auch großflächige Sukzessionsflächen in ehemaligen Truppenübungsplätzen und Tagebaufolgelandschaften (Braunkohlerestlöcher) bieten sich als Vorrangfl ächen für den Prozessschutz an. (c) Nationales Schutzprogramm für vorrangige Naturökosysteme Der Bund legt ein nationales Schutzprogramm für vorrangige Naturökosysteme auf. Es soll auch dazu dienen, die oben genannte Kulisse der Naturschutzvorrangflächen auf mindestens 15% der Landes fläche umzusetzen. Das Programm sollte die vorrangig zu schützenden Ökosysteme ermitteln und spezifisch auf den Schutz dieser Ökosysteme ausgerichtete Aktionspläne erstellen. Die Aktionspläne sollten konkrete Flächenvorschläge und wenigstens Eckpunkte für die zielgerichtete Entwicklung der Gebiete enthalten. Auf die Kulisse dieser nationalen Vorrangflächen für den Naturschutz sollten sich die staatlichen Schutzanstrengungen konzentrieren. Zur Sicherung dieser Flächen sind von Bund und Ländern Flächenkaufprogramme einzurichten, an denen sich auch private Naturschutzverbände beteiligen können. Über ein arbeitsteiliges Vorgehen werden zwischen den zuständigen Bundes- und Landesministerien nähere Vereinbarungen mit den anerkannten Naturschutzverbänden getroffen. Die Entwicklung repräsentativ ausgewählter Flächen mit vorrangigem nationalen Schutzbedürfnis sollte weiterhin durch Monitoring beobachtet werden. Die Ergebnisse des Monitorings und der Stand der Umsetzung der Aktionspläne wird in regelmäßigen Abständen von höchstens zwei Jahren in Naturschutzberichten veröffentlicht. Das nationale Naturschutzprogramm muss zugleich eine Strategie zur Umsetzung der Konvention über die biologische Vielfalt (Biodiversitätskonvention) sein. An der Erstellung des Programms werden die Länder und Naturschutzverbände beteiligt. (d) Aktionspläne zum Schutz der wichtigsten natürlichen Ökosystemtypen • • • Marine Ökosysteme von Nord- und Ostsee: Ausweisung von Meeresschutzgebieten ohne Fischerei und Abbau von Bodenschätzen, Einrichtung von Walschutzgebieten in Nord- und Ostsee. Das Wattenmeer an der Nordseeküste einschließlich Inseln, Sandbänken und Halligen: Weiterentwicklung der bestehenden Wattenmeer-Nationalparke. Boddenküste der Ostsee: Ausweisung weiterer Küstenschutzgebiete mit Betretungsverbot, vo rrangig zum Schutz von Brutvogelkolonien, planerische Begrenzung von touristischen Bauvorhaben. • • • • • Temperierte Laubmischwälder: Flächendeckende Einführung der naturnahen Waldwirtschaft; Integrierte Strategien zum Schutz von Alt- und Totholz, Ausweisung großflächiger Waldschutzgebiete und Wald-Nationalparke ohne forstliche Nutzung auf mindestens fünf Prozent der Waldfläche. Binnenseen mit ihren anschließenden Verlandungsstadien: Unterschutzstellung der als relativ naturnah einzustufenden Seen, vorrangig der nährstoffarmen Klarwasserseen, Einstellung bzw. Extensivierung der Fischerei, kein Einbringen von Wirtschaftsfischarten, keine Zufütterung der Fische, Einstellung oder Begrenzung der touristischen Nutzung, Ausweisung von Uferschutzstreifen mit breiten Pufferzonen. Moore: Unterschutzstellung aller naturnahen Moore, Einstellung des Torfabbaus, Wiedervernässung von trockengelegten Moorstandorten, Förderprogramme zur Überführung der ackerbaulichen Nutzung (CO2-Freisetzung) und intensiven Grünlandnutzung auf Moorböden in eine extensive Grünlandnutzung. Fließgewässer mit ihren angrenzenden Auen: Renaturierung von Fließgewässern und Zulassen der natürlichen Strukturen-, Abfluss- und Geschiebedynamik, wo immer dies möglich ist, Freigabe von Überschwemmungsflächen außerhalb von Siedlungen mit Hilfe einer ökologischen Flurneuordnung, Durchgängigkeit von ganzen Flusssystemen für wandernde Arten, gesetzliches Verbot des Grünlandumbruchs im Überschwemmungsbereich, Förderprogramme zur Umwandlung von Äckern in Grünland und Neuanlage von Auewäldern. Die Unterhaltung der als Bundeswasserstraßen gewidmeten Flüsse ist unter Zulassung von mehr natürlicher Dynamik naturverträglich zu gestalten; der weitere Ausbau der Wasserstraßen auf den natürlichen Flüssen ist zu stoppen und auf die Kanäle zu begrenzen. Hochgebirgsökosysteme der Alpen: Entwicklung eines naturverträglichen Tourismus, keine weitere touristische Erschließung der Alpen, Ausweisung eines Nationalparks im Ammergebirge Mehr Mut zur Wildnis – eine kritische Nachbemerkung Gepflegte Wirtschaftswäldern und strukturreichen Kulturlandschaften werden in Deutschland oft fälschlich als „Naturlandschaft“ empfunden. Zwangsläufig können diese Vorstellungen von der „Intaktheit“ der Natur mit der wild-dynamischen Entwicklung in Naturökosystemen kollidieren; etwa dann, wenn durch einen vom Sturm umgeknickte Bäume liegen bleiben oder Insekten ein Waldgebiet kahl fressen. Gerade diese Aspekte der vermeintlichen Unordnung und des nicht beherrschbaren Wandels unterscheiden die Wildnis eines Naturökosystems von der gestalteten und „beherrschbaren“ Kulturlandschaft. Für die biologische Vielfalt sind echte Naturlandschaften aber unverzichtbar, da sie eigene, angepasste Lebensgemeinschaften beherbergen. Der Zivilisationsbewohner steht der Wildnis in kleinräumigen Naturschutzgebieten und Nationalparken jedoch auch aufgrund mangelnder Kenntnisse mit Skepsis gegenüber. Eine zentrale Aufgabe der Umweltbildung ist daher zu vermitteln, dass Natur dann am großartigsten und vielfältigsten ist, wenn sie auch wild und ungezügelt sein darf. Doch auch bei vielen Naturschützern besteht hier noch Aufklärungsbedarf, wie die Naturschutzpraxis beweist. Die beliebtesten Schutzobjekte des deutschen Naturschutzes sind traditionell die Arten und Lebensräume der extensiv genutzten Kulturlandschaft. Zu einem nicht geringen Teil liegen deren natürliche Herkunftsgebiete und Verbreitungsschwerpunkte außerhalb der Grenzen unseres Landes oder an dessen äußerstem Rand. Die mitteleuropäischen Vorkommen spielen für deren Erhalt nur eine geringe Rolle. Dennoch ist es ein legitimes und wichtiges Anliegen des Naturschutzes, diese Arten und Lebensräume als Teile der kulturell geprägten biologischen Vielfalt zu bewahren. Auch gibt es Arten, die in ihren natürlichen Herkunftsländern gefährdet sind, und deren Fortbestand in den mitteleuropäischen Sekundärlebensräumen besser gewährleistet werden kann. Allerdings irritiert die Fixierung auf dieser Kulturlandschaftsrelikte, deren Schutz seit Jahrzehnten Vorrang vor der Erhaltung natürlicher Öko- systeme eingeräumt wird. Mehr Mut zur Wildnis ist notwendig und setzt sich auch langsam durch: Die Ausweisung von 13 Nationalparken in Deutschland, die ganz überwiegend dem Schutz natürlicher Ökosysteme dienen, und die zunehmenden Anstrengungen zum Schutz der natürlichen Dynamik von Naturökosystemen sind gute Zeichen dafür. 3. Kulturlandschaften Eine zukunftsorientierte Naturschutzpolitik setzt sich für den Erhalt von Kulturlandschaften mit besonderer Bedeutung für die biologische Vielfalt ein und setzt Rahmenbedingungen, unter denen sich Kulturlandschaften weiter entwickeln können, ohne ihre charakteristischen Merkmale einzubüßen. Mitteleuropas Landschaften unterliegen einer Jahrtausende währenden Beeinflussung durch den Menschen, in deren Laufe sich eine Vielzahl von Kulturlandschaften entwickelt haben. Eine entscheidende Prägung erfolgte durch die frühmittelalterliche Siedlungs- und Rodungsphase des 7. Jahrhunderts. Auf den Kahlschlägen des einst ausgedehnten europäischen Urwaldes entstanden offene, vom Menschen kultivierte Landschaften. Bis in die Neuzeit wuchs die Bevölkerung und damit der Nutzungsdruck auf Weiden, Felder und Wald stetig an. Die immer intensivere Nutzung des Landes entzog den Böden fortwährend Biomasse, ohne dass dieser Substanzverlust durch Zufuhr von Nährstoffen kompensiert wurde. Dadurch wuchs die Fläche sehr nährstoffarmer Standorte, auf denen sich artenreichen Magerrasen, Zwergstrauchheiden, Binnendünen, Kleinseggenriede und Streuwiesen ansiedelten, die heute als seltene Kulturlandschaftsrelikte geschützt werden. Kleinparzellierte Felder, ein dichtes Netz aus Hecken und Rainen und regionaltypische Muster verschiedener Feldfrüchte und Sonderkulturen ließen ein vielgestaltiges Bild regionaler Kulturlandschaften in Europa entstehen. Kennzeichen dieser Kulturlandschaften, die zur Mitte des 19. Jahrhunderts einen schier unvorstellbaren Reichtum an Landschaftsstrukturen und Arten beheimateten, war, dass sie unter harten wirtschaftlichen, sozialen und standörtlichen Mangelbedingungen entstanden sind. Mit der Einführung von Kunstdüngern, Pestiziden und Maschinen in der Landwirtschaft hat sich die Situation drastisch geändert. Der allgegenwärtige Nährstoffmangel im 19. Jahrhundert wurde in einen geradezu landschaftsprägenden Nährstoffüberschuss umgekehrt. Um den Einsatz moderner Landmaschinen zu erleichtern, wurden Hecken, Rainen und Söllen beseitigt, Feuchtwiesen und Moore entwässert und Fließgewässer begradigt. Nahezu alle Lebensraumtypen, die auf traditionelle Formen extensiver Landnutzung zurückgehen, sind heute durch die Veränderungen in der Landnutzung stark gefährdet oder sogar von vollständiger Vernichtung bedroht. Dennoch blieben in der Kulturlandschaft bedeutende Reste der einstigen Vielfalt erhalten. So lassen sich beispielsweise in Streuobstwiesen heute noch ca. 3000 Obstsorten und mehr als 5000 Tier- und Pflanzenarten nachweisen. Die nachhaltige Sicherung vielfältiger Kulturlandschaften oder Kulturlandschaftsteile, die einen der Schwerpunkte des Naturschutzes in Deutschland darstellt, kann heute in immer weniger Fällen durch eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung sichergestellt werden. Die Kulturlandschaftspflege wird dadurch zunehmend von Zuschüssen abhängig und gerät in die Kritik, ein teurer „Museumsbetrieb“ zu sein. Diese Kritik ist jedoch nicht gerechtfertigt. Argumente für den Erhalt einer vielfältigen Kulturlandschaft • • • • • Vielfältige Kulturlandschaften beinhalten eine große biologische Vielfalt. Kulturlandschaften prägen Regionen und Länder und tragen zur Identifikation von Menschen mit ihrem Lebensort bei. Vielfältige Kulturlandschaften sind die bevorzugten Naherholungs- und Urlaubsorte und damit für viele Regionen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Kulturlandschaften tragen die Merkmale lang anhaltender menschlicher Kulturtätigkeit in sich und sind als Zeugen und Dokumente der menschlichen Geschichte erhaltenswert. Kulturlandschaften sind durch ihre Vielfältigkeit und den Artenreichtum gegenüber uniformen industriellen Agrarlandschaften krisenresistenter. Dabei wird es nicht darum gehen, überkommene Kulturlandschaften mit traditionellen Nutzungsformen zu konservieren, sondern Rahmenbedingungen zu setzen, unter denen sich Kulturlandschaften vielfältig weiter entwickeln können, ohne ihre Eigenart einzubüßen. Die Basis für den Fortbestand vielfältiger Kulturlandschaften ist eine naturverträgliche Landnutzung auf der gesamten land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche. Darüber hinaus bedarf es weiterer Instrumente, um die typischen Strukturen und Muster von vielfältigen Kulturlandschaften zu schützen und zu entwickeln. Ziel 1: Die landwirtschaftlichen Nutzflächen müssen wieder mit landschaftstypischen belebenden Strukturelementen angereichert werden. Handlungsbedarf und Forderungen (a) (b) (c) (d) (e) Landwirtschaftliche Betriebe sollen mindestens fünf Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche als ökologische Ausgleichsfläche für besondere Lebensraumstrukturen (z.B. Hecken, Brachen, Offengewässer, Streuobstwiesen, Feldgehölze, Einzelbäume etc) zur Verfügung stellen. Dies muss in den Grundsätzen einer guten fachlichen Praxis festgeschrieben werden und zudem eine Grundvoraussetzung dafür sein, dass landwirtschaftliche Betriebe staatliche Fördergelder erhalten. Die Richtlinien des ökologischen Landbaus müssen um verbindliche Regeln zur Förderung des Arten- und Biotopschutzes ergänzt werden. Diese betreffen z.B. den Anteil an ökologischen Ausgleichsflächen, maximale Schlaggrößen, den Einsatz von Balkenmähern statt Kreiselmähern und anderen naturschonenden Techniken. Mittelfristig müssen mindestens 50 % der Agrarhaushalte von EU, Bund und Ländern zur Durc hführung von Agrarumweltprogrammen und zur Honorierung ökologischer Leistungen bereitgestellt werden. Extensive Formen der Landnutzung müssen durch Stärkung und inhaltliche Erweiterung der bestehenden Agrarumweltprogramme gefördert werden. Die negativen Folgen bereits durchgeführter Flurbereinigungsverfahren sind durch eine ökologische Flurneuordnung teilweise wieder rückgängig zu machen. Ziel 2: Stark gefährdete Biotoptypen, die durch extensive Nutzung von Extremstandorten entstanden sind, sollten mindestens an den Orten ihrer überregional bedeutsamen Vorkommen vollständig als Naturschutzgebiete gesichert werden. Handlungsbedarf und Forderungen Trockenrasen, Zwergstrauchheiden, Kleinseggenriede, Streuwiesen und andere Biotoptypen, die durch besonders extensive Nutzung von Extremstandorten entstanden sind, nehmen heute weniger als ein Prozent der Landesfläche ein, tragen aber ganz erheblich zur Schönheit und biologischen Vielfalt der Kulturlandschaft bei. Sie sollten daher zumindest an den Orten Ihrer überregional bedeutsamen Vorkommen vollständig als Naturschutzgebiete gesichert werden. Ihre fachgerechte Pflege sollte bevorzugt durch eine - ggf. geförderte - Integration in landwirtschaftliche Betriebe sichergestellt werden. Die hohe biologische Vielfalt sowie ihre Bedeutung für Eigenart und Schönheit der Landschaft rechtfertigen jedoch auch eine „museale“ Erhaltung um ihrer selbst willen. Extensive Formen der Landnutzung müssen durch Stärkung und inhaltliche Erweiterung der bestehenden Agrarumweltprogramme (z.B. für Wiesenvogelschutz, Feuchtgrünland, Trockenrasen, Streuobstwiesen) gefördert werden. Ziel 3: Herausragende Beispiele der historisch gewachsenen Kulturlandschaften mit besonderer Bedeutung für die biologische Vielfalt Deutschlands sollten als Biosphärenreservate oder als Naturparke neuer Prägung ausgewiesen werden. Handlungsbedarf und Forderungen Herausragende Beispiele der historisch gewachsenen Kulturlandschaften Deutschlands sind als Biosphärenreservate oder als Naturparke neuer Prägung (mit Kern- und Schutzzonenausweisung, Schutzgebietsverordnung und eigener staatlicher Verwaltung) auszuweisen. Der NABU hat hierzu eine Vorschlagsliste von 70 Landschaften und Regionen in Deutschland erarbeitet, die er zur Ausweisung als Biosphärenreservate vorschlägt. Sie sollen als Modelllandschaften entwickelt werden und zugleich Vorrangräume für das Naturerlebnis, die Erholung und den Naturschutz sein. In ihnen kommt es darauf an, durch Zusammenarbeit mit der örtlichen Bevölkerung, besonders den Land- und Forstwirten, eine nachhaltige Landnutzung zu entwickeln. „Reservate“ im engeren Sinn sind diese Schutzgebietskategorien deshalb allenfalls in den Zonen mit strenger Schutzzielbestimmung (Kern- und Schutzzonen). 4. Bundesweites Biotopverbundsystem Bund und Ländern errichten ein System von bundesweit bedeutsamen Vorrangflächen für den Naturschutz auf mindestens 15% der Landesfläche und vernetzen diese durch geeignete Ma ßnahmen des Biotopverbundes. Das bestehende System an Schutzgebieten in Deutschland reicht nicht aus, um den Bestand an einheimischen Arten mit ihren Lebensräumen dauerhaft zu sichern. Es muss im Sinne eines bundesweiten Biotopverbundsystems systematisch auf einen Umfang von mindestens 15 % der Landesfläche Deutschlands ausgeweitet und miteinander vernetzt werden. Das Biotopverbundsystem soll dazu betragen, dass funktionelle ökologische Beziehungen sowohl zwischen Lebensräumen gleichen Typs als auch zwischen verschiedenen Lebensraumtypen, zwischen Lebensgemeinschaften und räumlich getrennten Populationen einer Art erhalten, regeneriert oder wiederhergestellt werden. Komponenten des Biotopverbundsystems sind Kernbereiche, die auf möglichst großer Fläche schützenswerte oder zu entwickelnde Ökosysteme bzw. Lebensgemeinschaften beherbergen und Verbundelemente, die eine räumliche und funktionelle Vernetzung der Kernbereiche untereinander bzw. mit der umgebenden Landschaft herstellen. Für die Funktion des Biotopverbundsystems ist eine naturverträgliche Nutzung der übrigen Flächen unabdingbar. Ziel 1: Auf mindestens 15% der Landesfläche sind national bedeutende Ökosysteme als Kernbereiche des Biotopverbundsystems langfristig sicher zu stellen. Als Kernbereiche des Biotopverbundsystems sind mindestens 15% der Landesfläche einschließlich der Binnengewässer dauerhaft rechtlich als Naturschutzvorrangflächen zu sichern. Dies entspricht den seit Jahren erhobenen Forderungen der fachlichen Diskussion und den bereits realisierten Flächenanteilen von NATURA 2000-Gebieten (Fauna-Flora-Habitat-Gebiete sowie Schutzgebiete gemäß EG-Vogelschutzrichtlinie) in mehreren EU-Mitgliedsländern. Die Begrenzung des Biotopverbundsystems auf lediglich 15 % der Landesfläche bedeutet folgerichtig eine Konzentration auf die national bedeutsamsten Ökosysteme mit höchster Schutzwürdigkeit. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Anforderungen an die Auswahl der geeigneten Kernbereiche des Biotopverbundsystems Der Bund sollte eine koordinierende und aktiv planende Rolle bei der Konzeption des bundesweiten Biotopverbundsystems einnehmen, insbesondere zur • • • Festlegung bundesweit gültiger fachlicher Kriterien über die Eignung von Flächen für ein Biotopverbundsystem. Koordination der Biotopverbundplanungen der Länder, um eine bundesweite Kohärenz der Länderplanungen zu gewährleisten. Wahrnehmung der Schnittstellenfunktion zu den internationalen Verbundkonzepten (NATURA 2000, Emerald-Netz). Deutschland würde mit der Realisierung des Biotopverbundsystems einen wichtigen Schritt zur Umsetzung der Konvention über die biologische Vielfalt (Biodiversitätskonvention, Rio 1992) und der europäischen Biodiversitäts-Strategien (EU-Strategie vom Februar 1998, “Paneuropäische Strategie für die biologische und landschaftliche Vielfalt”) unternehmen. Als Kernbereiche eines bundesweiten Biotopverbundsystems sind Flächen nach folgenden Kriterien auszuwählen: • NATURA 2000-Gebiete, Naturschutzgebiete und Nationalparke, soweit ihr tatsächlicher aktueller Zustand oder ihr Entwicklungspotenzial eine Zuordnung zum bundesweiten Biotopverbundsystem rechtfertigen. • Lebensräume, die dauerhaft überlebensfähige Populationen von wildlebenden Tier- und Pflanzenarten mit vorrangigem nationalen Schutzbedürfnis beherbergen. Ein vorrangiges nationales Schutzbedürfnis besitzen Tier- und Pflanzenarten, die in Deutschland stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht sind oder deren Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland liegt. • Die bundesweit bedeutenden Vorkommen von natürlichen und naturnahen Ökosystemen sind entsprechend der in Abschnitt 2 (Natürliche und naturnahe Ökosysteme) empfohlenen Schutzgebietskulisse in das Biotopverbundsystem einzubringen: Komplettierung des Nationalparksystems, großflächige Schutzgebiete für naturnahe Ökosysteme (Wälder, Flüsse, Seen, Meeresgebiete, Küsten, Hochgebirge), vollständige rechtliche Sicherung aller Vorkommen stark gefährdeter und von vollständiger Zerstörung bedrohter naturnaher Lebensraumtypen. • Die bundesweit bedeutenden Vorkommen stark gefährdeter halbnatürlicher Lebensraumtypen, die durch extensive Nutzung von Extremstandorten entstanden sind, entsprechend der Empfehlung in Abschnitt 3 (Kulturlandschaften). • Großflächige Entwicklungsgebiete, die sich nach rechtlicher Sicherung durch natürliche Sukzession oder durch steuernde Eingriffe in einen schützenswerten Zustand entwickeln bzw. ent wickelt werden: ehemalige Truppenübungsplätze, aufgegebene Tagebauflächen, Renaturierungsflächen zur Wiedervernässung ehemaliger Moore, sonstige Flächen, die für Naturschutzzwecke erworben werden können. (b) Rechtlicher Schutz der Kernbereiche • • • Ein langfristiger Schutz der Kernbereiche des Biotopverbundsystems kann nur durch strenge ordnungsrechtliche Instrumentarien langfristig gewährleistet sein, d.h. insbesondere durch die Schutzgebietskategorien Naturschutzgebiet, Nationalpark und NATURA-2000-Gebiet. Kernbereiche und Verbundelemente sind durch die Raumordnung der Länder (Landes- und Regionalplanung) als Vorrangflächen des Naturschutzes im Sinne von § 7 Raumordnungsgesetz auszuweisen und in den entsprechenden Planwerken darzustellen. Die NATURA 2000-Gebiete auf Grundlage der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU und der EG-Vogelschutzrichtlinie bilden zentrale Grundlagen des Gebietsschutzes für die nächsten Jahrzehnte und sind wichtige Bestandteile des deutschen Biotopverbundsystems. Die nach den EU-Richtlinien vorgesehenen Schutzgebiete des Netzwerkes “NATURA 2000” müssen daher unverzüglich anhand der in den Richtlinien vorgegebenen fachlichen Kriterien ausgewiesen werden. Die Vorschlagslisten der Naturschutzverbände sind dabei umfassend zu berücksichtigen. Eine politisch motivierte Nicht-Meldung fachlich geeigneter Gebiete, wie in mehreren Bundesländern erfolgt, verstößt gegen EU-Recht. (c) Naturschutz auf Flächen der öffentlichen Hand Durch das Naturschutzrecht des Bundes und der Länder ist die öffentliche Hand zu verpflichten, geeignete Flächen für ein bundesweites Biotopverbundsystem, vorrangig zur Schaffung national bedeutsamer Kernbereiche, zur Verfügung zu stellen. Sofern Flächen der öffentlichen Hand den Kriterien eines Kernbereichs des Biotopverbundsystems erfüllen, sind sie für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen. Besonders geeignet sind hierfür Staatswälder sowie Truppenübungsplätze und Tagebauflächen. (d) Flächenkaufprogramme Bund und Länder müssen ihre Programme zum Ankauf von Naturschutzflächen erheblich ausweiten bzw. solche Programme einrichten. Der Flächenkauf ist ebenso wie Förderungen im Rahmen von Agrarumweltprogrammen und Vertragsnaturschutz vorrangig auf die Flächen zur Schaffung des bundesweiten Biotopverbundes zu konzentrieren. Der Bund kann zur Sicherung von natürlichen und naturnahen Ökosystemen entscheidend beitragen, wenn er sein Programm der gesamtstaatlich repräsentativen Naturschutzgroßprojekte finanziell ausweitet und einen entsprechenden inhaltlichen Schwerpunkt bei der Auswahl geeigneter Projekte setzt. Der NABU trägt mit seiner NABU-Stiftung Nationales Naturerbe gleichfalls zur Sicherung von Naturökosystemen durch Flächenkauf bei. Ziel 2: Die Kernbereiche des bundesweiten Biotopverbundsystems werden durch Verbundelemente und die Minderung der zerschneidenden Wirkung von technischen Barrieren mit einander vernetzt. Funktionsfähige ökologische Beziehungen in der Landschaft können sich am besten entfalten, wenn die Landschaft auf ganzer Fläche eine hohe Lebensraumqualität besitzt, von einem dichten Muster an besonderen Habitatstrukturen durchwoben ist und auf ganzer Fläche eine biotopspezifisch hohe Durchgängigkeit für wandernde Arten bzw. den Austausch zwischen Populationen aufweist. Vernetzung ist damit nicht alleine eine Frage der Vorrangflächenplanung, sondern eine Querschnittsaufgabe des Naturschutzes, der Landnutzung und Raumordnung, die nur durch ein Zusammenwirken verschiedener Instrumente zu erreichen ist. Sie sollte sowohl durch naturverträgliche Formen der Landnutzung mit integrierten Naturschutzelementen als auch durch geplante, räumlich verbindende Elemente (Verbundelemente) in der Landschaft sowie durch die Herabsetzung der Barriere-Wirkung von Verkehrstrassen gewährleistet werden. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Verbundelemente Verbundelemente sind Landschaftsstrukturen, die in besonderer Weise dazu geeignet sind, die Vernetzung von Lebensräumen, Lebensgemeinschaften und Populationen zu bewahren, zu regenerieren oder wieder herzustellen. Hierzu zählen insbesondere: • Die Auen als natürliche Korridore für den passiven (Trift) oder aktiven Ortswechsel von Individuen und Populationen: Wanderungen, natürliche Arealerweiterungen, Wechsel zwischen Teillebensräumen u.a. • Großräumige Zusammenhänge von Wäldern oder Grünland sowie von strukturreichen Landschafts- und Biotopkomplexen, sofern diese Flächen nicht ohnehin als Kernbereiche angesehen werden. • Unverbaute und nicht bzw. wenig zerschnittene Teile der Landschaft, die als Korridore für den Ortswechsel von Individuen und Populationen offen gehalten werden müssen. • Trittsteine: Auch kleine Vorkommen naturnaher und halbnatürlicher Lebensraumtypen, die von Natur aus nur relativ kleinflächig und oft ohne unmittelbare räumliche Vernetzung bestehen, (z.B. Kuppen, Kleingewässer, Trockenrasen, Binnendünen, Moore) können als Trittsteine eine • • wichtige vernetzende Funktion zwischen größeren Vorkommen des gleichen Lebensraumtyps besitzen. Gehölzstrukturen, Säume und andere Strukturelemente der Kulturlandschaft. Wander- und Zugrouten von Wildtieren und Haustierherden. Bei der Sicherung der Verbundelemente kommt neben der dauerhaften rechtlichen Sicherung als Schutzgebiet auch der mittelfristigen Sicherung z.B. durch Vertragsnaturschutz eine ergänzende Rolle zu. Sofern sich größere schutzwürdige Komplexe und Zusammenhänge von verbindenden Flächen ergeben, sollten diese als Kernbereiche des Biotopverbundes betrachtet und dauerhaft gesichert werden. (b) Entschneidungsprogramm Bestandteil des bundesweiten Biotopverbundkonzepts muss auch ein Programm zur Minderung bzw. Aufhebung von Zerschneidungswirkungen an Verkehrstrassen Siedlungsbändern und anderen linienhaften Barrieren in der Landschaft sein (siehe Kapitel B, Abschnitt 7). Die Errichtung von Wildtierpassagen (Wildbrücken, Tunnel) über technische Barrieren sollte planerisch mit der raumordnerischen Sicherung von unverbauten Räumen und Korridoren abgestimmt werden, um einen großräumigen Verbund für die Fernwanderungen von Arten zu ermöglichen. B. Ökologisierung der Landnutzung Die biologische Vielfalt Deutschlands kann in Schutzgebieten alleine nicht bewahrt werden. Für ihren Fortbestand bedarf es einer Flächengröße und Vielfalt an Umweltbedingungen, die in Reservaten alleine nicht angeboten werden kann. Ein Kennzeichen der im Spätmittelalter und der Neuzeit entstandenen Kulturlandschaften war es, dass sie trotz intensiver Beanspruchung des Bodens bis zur Ausbeutung einen heute fast unvorstellbaren Reichtum an biologischer Vielfalt trugen. Auch wenn es keineswegs wünschenswert ist, die sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen früherer Jahre zu rekonstruieren, so können aus den Kulturlandschaften des vorindustriellen Europas doch wichtige Rückschlüsse auf die Wiederbelebung der biologisch stark verarmten Agrarlandschaften der Gegenwart gezogen werden. Die wichtigste lautet: Die vom Menschen agrarisch genutzte und besiedelte Fläche muss wieder auf ganzer Fläche ein Lebensraum mit eigener hoher Umweltqualität werden. Nur wenn die vom Menschen genutzten Räume naturnäher gestaltet werden und obendrein flächendeckend mit speziellen Lebensräumen und Habitatstrukturen durchwoben und funktional vernetzt sind, kann es gelingen, den Niedergang der Artenvielfalt in Deutschland auf zu halten. Die Bewahrung und Entwicklung von Sonderstandorten und Strukturen mit besonderer Bedeutung für die biologische Vielfalt im Umfang von mindestens fünf Prozent der Nutzfläche sollte daher ein integrierter Bestandteil jeder naturverträglichen Flächennutzung sein. Ein umfassendes Naturschutzkonzept betrachtet die Gesamtheit eines Raumes und entwirft eine wirkungsvolle Funktionenteilung zwischen bewirtschafteten Flächen und Schutzgebieten als unverzichtbare Ergänzung für besonders anspruchsvolle Arten. Die Basis eines Naturschutzkonzepts bildet jedoch schon aus Gründen der Flächenwirksamkeit eine ökologische Landnutzung mit integrierten Naturschutzelementen. 1. Naturverträgliche Landwirtschaft Die Landwirtschaft setzt auf ganzer Fläche naturverträglichere Wirtschaftsweisen ein, zur Wiederbelebung der biologischen Vielfalt und zur Verschönerung des Landschaftsbildes in der Kulturlandschaft. Durch die EU-Agrarpolitik lastet ein anhaltender Zwang zur Betriebsvergrößerung und Massenproduktion auf der Landwirtschaft. Diese Intensivierung der Nahrungs- und Futtermittelmittelproduktion hat in den Kulturlandschaften Europas einen verheerenden Kahlschlag hinterlassen. Mit der Beseitigung von Landschaftsstrukturen wie Hecken, Rainen, Feldgehölzen und Kleingewässern gingen wichtige Lebensräume für Pflanzen und Tiere verloren. Heute müssen z.B. 75% aller Vögel der Agrarlandschaft in den “Roten Listen” geführt werden, darunter auch ehemals häufige Vogelarten wie Kiebitz und Feldlerche. Die Entwässerung sowie der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden haben gravierende Veränderungen im Naturhaushalt zur Folge. Infolge der Trockenlegung von Moorböden werden fünf bis zehn Prozent des jährlich in Deutschland emittierten Kohlendioxids allein durch Zersetzung der organischen Torfmassen freigesetzt. Durchschnittliche Stickstoffbilanzüberschüsse von ca. 110 kg/ha führen zur Eutrophierung ursprünglich nährstoffarmer Lebensräume und zur Belastung des Grundwassers. In jeder zehnten Trinkwasserprobe wird der Grenzwert für Nitrat von 50 mg je Liter überschritten, Pestizidrückstände lassen sich in etwa 30 Prozent aller Wasserproben nachweisen. Die Politik hat auf die ökologischen und sozialen Probleme der Landwirtschaft bisher keine zufrieden stellenden Antworten gefunden. Am Geld kann es dabei nicht gemangelt haben: 1999 standen für die europäische Agrarpolitik über 80 Milliarden DM und damit mehr als die Hälfte des gesamten EUHaushaltes zur Verfügung. Trotzdem werden die Landwirte selbst zum Opfer der Agrarpolitik. So nahm seit 1950 die Zahl der landwirtschaftlichen Arbeitsplätze um 85% ab. Von den Agrarsubventio- nen profitieren im Wesentlichen die flächen- und viehstarken Betriebe. 80% der Mittel kommen nur 20% der Betriebe zugute. Entgegen der ursprünglichen Zielsetzung der Agenda 2000, die mehr Markt für die Landwirtschaft, eine stärkere Einbeziehung ökologischer Gesichtspunkte und eine Versöhnung von Verbrauchern und Steuerzahlern mit der Agrarpolitik vorsah, haben die Regierungschefs der EUMitgliedstaaten auf ihrem Gipfel in Berlin im März 1999 beschlossen, die Agrarpolitik mehr oder weniger wie bisher weiterzuführen. Dies und die Herausforderungen durch die WTO-Verhandlungen sowie die anstehende Osterweiterung der EU werden schon bald neue Reformen im Bereich der Agrarpolitik notwendig machen. Der NABU sieht daher die Notwendigkeit für eine Landwirtschaft, die NaturBewahrung und Marktwirtschaft miteinander verbindet: die Naturwirtschaft. Mit dem Leitbild der Naturwirtschaft verbindet der NABU mit der Landwirtschaft vier Ziele: • • • • Biologische Vielfalt Die Landwirtschaft trägt durch naturverträgliche Wirtschaftsweisen, den Erhalt und die Neueinrichtung von Lebensräumen und Strukturelementen zur Ausbildung von landschaftlich reizvollen und biologisch vielfältigen Kulturlandschaften bei. Ressourcen-Nachhaltigkeit Die Landwirtschaft produziert Lebensmittel und nachwachsende Rohstoffe unter effektivem Energie- und minimalem Chemikalieneinsatz, vermeidet bestmöglich Stoffeinträge in die Luft und die Gewässer und ist in der Lage, ihre organischen Produktionsabfälle umweltverträglich in den eigenen Stoffkreislauf zurückzuführen. Agrarkultur Die Landwirtschaft wird durch eine lebendige „Agrarpolitik von unten“ belebt und trägt mit regionalen und privaten Verarbeitungs- und Vermarktungsinitiativen zur Entwicklung der ländlichen Räume bei. Ernährungskultur Verbraucher verhelfen durch ein ökologisch bewusstes Einkaufsverhalten dem Ökolandbau zum Durchbruch. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Dem Ökolandbau zum Durchbruch verhelfen Der ökologische Landbau erfüllt durch strenge Anbaurichtlinien und ein schlüssiges Kontrollsystem die Kriterien und Ziele der Naturwirtschaft weitaus besser als andere Formen der Landwirtschaft (z.B. integrierter Anbau). Er fördert durch Humuswirtschaft und den Verzicht auf chemischsynthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel das Bodenleben, gewährt einen umfassenden Gewässerschutz und wirtschaftet energieeffizient. Nicht artgerechte Massentierhaltung ist hier ebenso tabu wie jegliche Form der Gentechnik. Darüber hinaus bieten ökologisch bewirtschaftete Äcker durchschnittlich zwei- bis dreimal so vielen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum wie konventionell bewirtschaftete Felder. Und schließlich: Der ökologische Landbau schafft deutlich mehr Arbeitsplätze im ländlichen Raum als konventionelle Betriebeund ist damit wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Regionalentwicklung. Werbemaßnahmen, Vermarktungshilfen, Förderprämien, klare politische Zielvorgaben und die Vermittlung von Ökolandwirten mit Handel und Verbrauchern durch die Agrarpolitik hat in zahlreichen europäischen Ländern zu einer erheblichen Ausweitung des Ökolandbaus geführt. Um dem Ökolandbau bei uns zum Durchbruch zu verhelfen, brauchen wir neben politischen Zielvorgaben (“10% Öko-Anbau in 5 Jahren”) eine Umstellung der Förderprämien zu Gunsten des Ökolandbaus genauso wie eine Aufklärungs- und Imagekampagne sowie eine offensive Unterstützung und Förderung des Öko-Prüfzeichens (ÖPZ). Auch der Ökolandbau erfüllt noch nicht alle Kriterien einer naturverträglichen Landnutzung. Erforderlich ist zum Beispiel die Einführung von Vorschriften über die Integration von Lebensraumstrukturen auf mindestens fünf Prozent der Betriebsfläche oder Anforderungen an naturverträglichere Bewirtschaftsweisen und –techniken, wie der Einsatz von Balkenmähern anstelle von Kreiselmähern, der Rückbau von Entwässerungsgräben auf Moorböden, die Verwendung von hochstämmigen Obstbäumen anstelle niederstämmiger Bäume, die Hütehaltung oder Wanderschäferei anstelle der Koppelschafhaltung. (b) Förderung naturverträglicher Sonderformen der Landwirtschaft Zu den naturverträglichen Sonderformen der Landwirtschaft gehören z.B. der Streuobstanbau, die angepasste extensive Beweidung von Grünland, die Wanderschäferei und der kleinparzellierte Steillagen-Weinbau. Alle diese Formen tragen zum Erhalt der biologischen Vielfalt in zweifacher Hinsicht bei: Zum einen setzen sie vorwiegend auf standörtlich angepasste Pflanzensorten und Haustierrassen. Andererseits tragen sie mit dazu bei, dass die Artenvielfalt durch traditionelle Pflege der Kulturlandschaften erhalten bleibt. Die naturverträglichen Sonderformen der Landwirtschaft können nur fortbestehen, wenn es gelingt, die Nutzung ökonomischer zu gestalten. Zahlreiche Aufpreisvermarkter-Initiativen haben im Streuobstbau gezeigt, dass die Kooperation von Landwirten, Naturschützern, Handel und Gastronomie ungeahnte Chancen eröffnet. Die dort gewonnenen Erfahrungen müssen in den kommenden Jahren auf andere Produkte, z.B. Rindfleisch aus extensiver Weidewirtschaft übertragen werden. Für Chancengleichheit muss allerdings die Agrarpolitik sorgen. Die Einführung einer Grünlandprämie anstelle zahlloser Tierprämien wäre hierfür ein wichtiger Beitrag. (c) Erhalt der genetischen Vielfalt von Kulturpflanzensorten und Haustierrassen Teil der biologischen Vielfalt sind auch alte, regional bewährte und neu gezüchteten Pflanzensorten und Nutztierrassen. Besonders die zahlreichen alten und regional bewährten Sorten und Rassen zeichnen sich oft durch Robustheit gegenüber Witterung und Krankheiten sowie durch Genügsamkeit bezüglich des Futters oder der Bodenansprüche aus. Dadurch sind sie für naturverträgliche Bewirtschaftung und für die Landschaftspflege geeignet. Die Sicherung des genetischen Potenzials von Kulturrassen und -sorten geschieht am besten durch praktizierte Nutzung im landwirtschaftlichen, bäuerlichen Umfeld (in situ) oder in regionalen Zuchtstationen bzw. –gärten (ex situ). Flankierend hierzu müssen die EU- und Landesprogramme zur Erhaltung seltener Rassen und Sorten ausgebaut werden. Die Konservierung der Artenvielfalt in den Kühlräumen von Genbanken darf nur als ergänzende Schutzmaßnahme angesehen werden. Die Diskriminierung der Vielfalt von regionalen, alten und neu gezüchteten Sorten beim Handel muss durch Aufhebung oder entsprechende Überarbeitung der EU-Handelsklassenverordnung und des Saatgutverkehrsgesetzes beseitigt werden. (d) Rahmenbedingungen für eine naturverträgliche Landwirtschaft verbessern • Abbau von Markt- und Preisstützungsmaßnahmen: Der NABU tritt für eine Landwirtschaft ein, die für den Markt und nicht an ihm vorbei produziert. Die bestehenden Marktordnungen und Quotensysteme sollten in den nächsten zehn Jahren abgebaut werden. Als Ausgleich hierfür erhalten Betriebe, die ökologische Mindeststandards einhalten, eine zeitlich befristete So- ckelförderung, die sich an der ökologisch bewirtschafteten Nutzfläche ausrichtet und nicht an der Menge der Erzeugnisse. • - - - • Förderpolitik zugunsten der biologischen Vielfalt und der ländlichen Räume - Bei der Umsetzung der EU-Verordnung über den ländlichen Raum (VO 1257/99) sind vorrangig solche Maßnahmen zu fördern, die zu einer naturverträglichen Entwicklung der ländlichen Räume beitragen wie freiwillig erbrachte ökologische Leistungen im Rahmen von Agrarumweltprogrammen, Vertragsnaturschutz, Kompensation von Natur- und Umweltschutzauflagen in Schutzgebieten sowie die Förderung einer regionalen Verarbeitung und Vermarktung von naturverträglich erzeugten Produkten. Um dies zu gewährleisten, sind sowohl die Länderprogramme als auch die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) weiter zu entwickeln und vorrangig finanziell zu stärken. Wenigstens 25% der Agrarhaushalte sollten explizit für die Unterstützung umwelt verträglicher Produktionsmethoden, wie z.B. den ökologischen Landbau, reserviert werden. Um die extensive und damit artgerechte Haltung von Tieren, insbesondere Rindern, in Europa zu erleichtern, sollten sämtliche tierbezogenen Prämien (Förderung von Rindermastbetrieben) durch eine flächenbezogene Grünlandprämie ersetzt werden. Weitergehende Verknüpfungen der Agrarförderung mit den Zielen des Umwelt- und Naturschutzes (Cross-Compliance) müssen ein zentrales Element der nächsten Agrarreform 2006/2007 sein. Ein Förderprogramm muss Landwirte bei der Umrüstung von kleintierschädlichen Kreiselmähern auf moderne tiergerechtere Mähbalken unterstützen. Agrar-Umweltprogramme sollten ihren handlungsorientierten Ansatz (Honorierung von Handlungen) modifizieren und ihre Förderung stärker an der Erreichung konkreter Umweltund Naturschutzziele ausrichten (z.B. Vorkommen von Indikatorarten). Ökologische Mindeststandards für eine umweltschonende Landnutzung müssen als Grundsätze einer „guten fachlichen Praxis“ in die Fachgesetze oder –verordnungen aus den Bereichen Landwirtschaft, Naturschutz und Bodenschutz Eingang finden. Sie müssen im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums Eigentümer und Besitzer dazu verpflichten, schonend mit abiotischen und biotischen Ressourcen umzugehen. Die EU-Verordnung Nr. 1259/99 bietet die Möglichkeit, die Zahlung von Zuwendungen aus den Agrarhaushalten an die Einhaltung der ökologischen Mindeststandards zu koppeln. Leider wird von dieser Möglichkeit in Deutschland zur Zeit kein Gebrauch gemacht. Mindest-Inhalte der guten fachlichen Praxis sollten sein: - Grundsätze einer naturverträglichen Bodenbearbeitung. - Grundsätze über den Umgang mit chemisch-synthetischen Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln nach dem Stand der Technik, einschließlich einer Dokumentationspflicht (Ackerschlagkartei) über den Einsatz von Agrochemikalien. - Bereitstellung von wenigstens fünf Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Form von Strukturelementen (z.B. Hecken, Raine) oder ungenutzten ökologischen Ausgleichsflächen. - Verbot des Grünlandumbruchs in sensiblen Bereichen sowie Verbot von ackerbaulicher Nutzung in Mooren und Auen. - Die Flächenbindung der Tierhaltung entsprechend 2,0 Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche. - Grundsätze einer artgerechten Tierhaltung, einschließlich Vorschriften über die Fütterung und Zugabe von Medikamenten; Verbot von Antibiotika und hormonell wirksamer Wachstumsförderer. - Der Verzicht auf den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen. • • Die Verpflichtung zur Flächenstillegung, die eingeführt wurde, um die Produktionsüberschüsse abzubauen, muss aufgehoben werden. Statt dessen sollte die Nutzungsintensität auf der gesamten landwirtschaftlichen Fläche durch ökologischen Landbau, extensive Nutzungsverfahren und Naturschutzmaßnahmen gesenkt werden. Solange die Flächenstillegungsregelung nicht aufgehoben wird, ist sie so zu gestalten, dass sie den Zielen des Naturschutzes und der Erhaltung der biologischen Vielfalt dient. So sollten Stilllegungsflächen nicht mehr mit nachwachsenden Rohstoffen bebaut werden, sondern als Dauerbrachen sich selbst überlassen bleiben. Der Einsatz synthetischer Stickstoffdünger und Pestizide sollte durch die EU-weite Einführung einer Abgabe verteuert und damit reduziert werden. Die Einnahmen aus der Abgabe sollten gezielt zur Stärkung naturverträglich wirtschaftender Betriebe (vorrangig Ökolandbau) eingesetzt werden. (e) Verzicht auf gentechnische Anwendungen Der Nutzen gentechnischer Anwendungen für die Landwirtschaft ist fragwürdig und die Risiken sind erheblich. Die Landwirtschaft muss deshalb solange gentechnikfrei betrieben werden, solange nicht der Nachweis einer langfristigen Umwelt- und Sozialverträglichkeit erbracht wird. Weiterhin ist die Förderfähigkeit der landwirtschaftlichen Erzeugung an den Ausschluss gentechnischer Anwendungen zu knüpfen und eine umfassende Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel einzuführen. Insbesondere die Aussaat oder Anpflanzung von gentechnisch veränderten, herbizidresistenten Pflanzen kann die biologische Vielfalt von Kulturflächen gefährden, weil unspezifische stark wirkende Herbizide zur Anwendung kommen können, die zu einer Abtötung der gesamten AckerBegleitflora führen. 2. Naturverträgliche Nutzung der Wälder Die Fläche der Wälder mit naturnaher Baumartenzusammensetzung und Struktur muss erheblich vergrößert werden. Wälder gelten vielen Menschen als der Inbegriff von Natur. Zurecht, denn von Natur aus wäre Deutschland nahezu vollständig von Wald bewachsen. Auch leben in naturnahen Wäldern mehr Tierund Pflanzenarten als in irgendeinem anderen Lebensraumtyp Mitteleuropas, darunter ein Großteil der von Natur aus einheimischen Arten Europas, von denen viele in ihrer Weltverbreitung auf Europa beschränkt sind. Deutschland fällt bei der Bewahrung der Rotbuchenwälder und anderer natürlicher Laubwaldgesellschaften eine besondere Verantwortung zu, da durch mittelalterliche Rodungen und die Umwandlung in Nadelforste seit Einführung der Forstwirtschaft vor 200 Jahren die Laubmischwälder in Deutschland auf 15% ihrer ursprünglichen Flächenausdehnung zurückgegangen sind. Von der massiven Ausweitung des Fichten- und Kiefernanbaus profitierten zwar einerseits Tier- und Pflanzenarten, die aus den Nadelwäldern Nord- und Osteuropas sowie dem Alpenraum in das Laubwaldareal Mitteleuropas einwanderten. Die Verlierer dieser Entwicklung sind aber andererseits die mitteleuropäischen Arten der Laubwälder. Von den verbliebenen Laub- und Laubmischwäldern Deutschlands weisen heute weniger als zehn Prozent ein Bestandsalter von mehr als 140 Jahren auf (Bundeswaldinventur 1990). Waldökosysteme mit natürlicher oder gering verfremdeter Baumartenzusammensetzung und Altersstruktur haben danach einen Flächenverlust von mehr als 95% gegenüber ihrer ursprüngli- chen Ausdehnung erlitten. Der Erhalt und die Rückgewinnung des für Deutschland so charakteristischen Ökosystems gehört daher zu den wichtigsten Aufgaben des Naturschutzes. Ziel 1: In waldarmen Naturräumen wird die Waldfläche deutlich vergrößert, vorrangig durch natürliche Sukzession. Mangels ausreichender Lenkungsinstrumente wächst die Waldfläche in Deutschland vorwiegend auf bislang extensiv genutzten Standorten in den ohnehin waldreichen Mittelgebirgen zu und verdrängt dadurch schützenswerte Offenlandbiotope. Dabei wird das Ziel verfehlt, Wald auf den Standorten und in den Naturräumen zu begründen, wo er selten ist, zum Beispiel in der norddeutsche Tiefebene, den Börden und in den Ebenen der großen Flüsse. Vorrangig sollte dabei die Wiederherstellung von Laubmischwäldern der norddeutschen Tiefebene und von Auewäldern sein. Die Neuanlage von Wald ist zudem zur Entwicklung seltener Waldgesellschaften an geeigneten potenziellen Standorten und von Erholungswäldern in Ballungsräumen wünschenswert. An Standorten, wo sie zur Aufforstung von Wiesentälern, Streuobstwiesen, Trockenrasen und anderen wertvollen Offenland-Biotopen führt, ist die Neuanlage von Wäldern abzulehnen. Bei der Neuanlage von Wald sollte Pflanzung nur eine ergänzende Funktion einnehmen, sofern eine qualitativ befriedigende Waldanlage durch Sukzession alleine nicht zu erwarten ist. Ist eine Pflanzung erforderlich, dann wird die Baumartenwahl so getroffen, dass der langfristige Bestockungsanteil standortheimischer Baumarten mindestens 70% beträgt. Wo immer möglich, sollte die Waldneuanlage vorrangig im Anschluss oder in räumlicher Nähe zu bestehenden Altwäldern erfolgen, um eine Zuwanderung von waldbewohnenden Tier- und Pflanzenarten zu erleichtern und die bestehenden Wälder durch Flächenvergrößerung aufzuwerten. Handlungsbedarf und Forderungen (a) In der Regionalplanung sind verstärkt geeignete Standorte für die Neuanlage bzw. -entwicklung von Wald vorzusehen. (b) Privates Engagement sowie Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur- und Landschaft sollten durch Flurneuordnungsverfahren an geeigneten Standorten zusammengefasst werden, um die Entstehung möglichst großer Wälder zu begünstigen. In waldarmen Naturräumen und auf potenziellen Standorten seltener Waldgesellschaften ist die Neuanlage von Wald zusätzlich durch staatliche Flächenkaufprogramme zu fördern. (c) Der Zuschuss für die Erstaufforstung von landwirtschaftlichen Flächen sollte auf Pflanzungen mit naturnaher Baumartenzusammensetzung begrenzt werden und reine Nadelbaumaufforstungen ausschließen. Sukzessionen oder die Kombination von Sukzession mit Anreicherungspflanzung sind grundsätzlich in gleicher Höhe zu bezuschussen wie Pflanzungen. Der einmalige Zuschuss für die Begründung von Wald sollte von derzeit max. 85% der Kulturkosten auf 70% abgesenkt werden, um einen Anreiz für die Ausnutzung von Sukzessionen zu geben. Durch eine Anhebung der jährlichen Erstaufforstungsprämie würde ein stärkerer Anreiz für die Neuanlage von Wald auch auf produktiven landwirtschaftlichen Flächen gesetzt. Ziel 2: Die naturnahe Waldwirtschaft mit integrierten Naturschutzmaßnahmen kommt auf der gesamten Wirtschaftswaldfläche Deutschlands zur Anwendung. Zwei Jahrhunderte lang galten naturferne Altersklassenwälder aus Fichten und Kiefern als die einzig rentable Form der Waldbewirtschaftung. Heute setzt sich die Erkenntnis durch, dass das ein Irrtum war. Naturnahe Mischwälder ohne Kahlschlag müssen keinen Rentabilitätsvergleich scheuen. Im Ge- genteil: Zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Forstunternehmen gehören in Deutschland viele der naturgemäß arbeitenden Betriebe. Naturschutz im Wald setzt also keinen Wohlstandsverzicht voraus, wohl aber einen verständnisvollen und klugen Umgang mit dem Ökosystem. Die Struktur- und Artenfülle des verloren gegangenen Urwaldes kann auch der naturnahe Wirtschaftswald nicht erreichen. Bei einfühlsamer Anwendung kann er jedoch ein hohes Maß an Natürlichkeit entfalten und besser als alle anderen Formen der Landnutzung den Schutz der biologischen Vielfalt mit den wirtschaftlichen Bedürfnissen seines Besitzers vereinbaren. Die Prinzipien des NABU-Leitbildes einer naturverträglichen Waldwirtschaft Das Dauerwaldprinzip Die natürlichen Wälder Mitteleuropas werden durch die stetige Präsenz eines Altbaumschirmes geprägt. Lücken im Kronendach treten durch das Absterben einzelner Bäume oder von Baumgruppen nur sehr kleinflächig auf. Dauer und Stetigkeit seiner Struktur erlangt ein Wald nur durch ein ungleichaltriges und mehrstufiges Waldgefüge mit einer Vielzahl an ökologischen Nischen. Die natürliche Waldstruktur auf den Wirtschaftswald zu übertragen, heißt: Die Bäume werden nicht mehr zum gleichen Zeitpunkt auf großer Fläche entnommen, sondern einzelstammweise, nach und nach zu vielen Zeitpunkten. Aus einem biologisch vielfältigen Altwald wird nicht "über Nacht" eine Kahlschlagfläche. Das Naturnäheprinzip Die waldbaulich geförderte Baumartenmischung sollte sich nicht an einer maximalen Baumartenvielfalt orientierten, sondern vor allem am Grundsatz der Naturnähe. Das setzt voraus, dass die Bewirtschaftung des Waldes auf allen Waldorten eine Entwicklung zu mehr Naturnähe anstrebt und Wälder mit naturnaher Baumartenzusammensetzung nicht durch Einbringung von standortfremden Baumarten verfälscht. Standortfremde Baumarten werden in der langfristigen Planung nur noch als Mischbaumarten mit einem Bestockungsanteil von höchstens 30 % auf für sie geeigneten Standorten toleriert. Das Prinzip der Naturverjüngung Natürliche Wälder müssen nicht gepflanzt werden. Sie produzieren Samen, die hunderttausendfach für Nachwuchs sorgen. Für die Naturverjüngung spricht nicht nur, dass sie kostenlos ist. Durch die natürliche Absaat wird die genetische Vielfalt der standörtlich angepassten Baumpopulationen in die nächste Generation übertragen, und natürliche Selektionsprozesse werden genutzt. Wo die Überführung in natürlich gemischte Bestände nicht durch Naturverjüngung gelingt, kann die gewünschte Entwicklung durch Pflanzung eingeleitet werden. Das Prinzip der Chemiefreiheit Auf den Einsatz synthetisch-chemischer Stoffe, seien es Pestizide oder Düngemittel, kann in einem naturnahen Wald verzichtet werden. Waldkalkungen können schwerwiegende Auswirkungen auf die Lebewelt der oberen Bodenschichten haben. Sie sind nur nach vorangegangener Bodenuntersuchung auf Fälle zu begrenzen, in denen ein Fortbestand des Waldökosystems durch anhaltenden Säureeintrag akut gefährdet ist. Integrierte Naturschutzmaßnahmen im Wirtschaftswald Ein naturnaher Dauerwald mit einer natürlich regenerierenden Mischung von heimischen Baumarten kann viel zur ökologischen Gesundung des Waldes beitragen. Die Entfaltung der natürlichen Vielfalt der Wälder setzt aber auch die Entwicklung von Habitatstrukturen voraus, die durch eine naturnahe Waldbewirtschaftung nicht automatisch bereitgestellt werden. Von besonderer Bedeutung sind zum Beispiel die Erhaltung von Totholz, Altbäumen, Horst- und Höhlenbäumen, das Gewähren von Sukzessionen auf Windwurfflächen sowie die Bewahrung und Renaturierung von Sonderstandorten im Wald. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Mit der Zertifizierung von naturnahen Forstbetrieben besteht ein Kontroll- und Marketinginstrument, das Holz und Holzprodukten aus naturnaher Waldwirtschaft einen Marktvorteil verschaffen kann und damit Anreize für eine besonders naturnahe Bewirtschaftung von Wäldern setzt. Der NABU unterstützt den Forest Stewardship Council (FSC) als einziges weltweites Zertifizierungssystem, das glaubwürdige Umweltstandards festschreibt, Umweltverbände in seinen Gremien einbindet und Einzelbetriebe bzw. Gruppen kleiner Einzelbetriebe durch unabhängige Gutachter kontrolliert und zertifiziert. (b) Die Prinzipien einer naturnahen Waldwirtschaft müssen im Bundeswaldgesetz und den Waldgesetzen der Länder als Betreiberpflichten bzw. als verbindliche Grundsätze einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft verankert werden. Insbesondere ist ein Verbot von Kahlschlägen und der dauerhafte Schutz von Höhlen- und Horstbäumen gesetzlich fest zu schreiben. (c) Vertragsnaturschutz: Zur Honorierung und Förderung von Anstrengungen zugunsten des Naturschutzes, die über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen, sollten die Länder finanzielle Beihilfen im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen gewähren. 3. Naturverträgliche Gewässernutzung 3.1 Natürliche Gewässer Die natürlichen Gewässer (u.a. Flüsse, Bäche, Quellen, Höhlengewässer und Seen) müssen als Naturökosysteme mit einem besonderen Vorrang für den Schutz der natürlichen biologischen Vielfalt betrachtet werden. Anders als die meisten künstlichen Gewässer tragen sie, sofern sie sich noch in einem naturnahen Zustand befinden, meist sehr gefährdete Lebensgemeinschaften mit einem hohen Anteil an anspruchsvollen Spezialisten. Sie sind überwiegend während der letzten Eiszeit entstanden und haben daher eine mehrere tausend Jahre dauernde Entwicklungsgeschichte durchlaufen, die zur Ausdifferenzierung ihrer Lebensgemeinschaften geführt hat. Im Unterschied zu den Fließgewässern, in denen Wandel und ständige Verjüngung zum Kennzeichen des Ökosystems gehören, sind Seen alte Ökosysteme mit relativer Langsamkeit und Konstanz in ihrer Sukzession. Seen sind besonders empfindlich und können stärkere Eingriffe in ihre Lebensgemeinschaften nicht kurzfristig regenerieren. Die Flusslandschaften Deutschlands sind vom Menschen fast vollständig umgeformt und ihrer natürlichen Dynamik beraubt worden. Alle natürlichen Gewässer sollten daher unter Schutz gestellt werden und unter Bewahrung ihrer natürlichen Dynamik möglichst wenig menschlichen Einflüssen ausgesetzt werden. Sofern sie in Nutzung verbleiben, muss diese nachhaltig sein, das heißt sie muss die natürlichen Lebensgemeinschaften und Lebensbedingungen erhalten und entwickeln und ein hohes Maß an Dynamik zulassen. Ziel 1: Die Seen müssen als Naturökosysteme mit einem Höchstmaß an Natürlichkeit erhalten bleiben. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Durch ein repräsentatives Schutzgebietssystem muss die Vielfalt der natürlichen Seentypen Deutschlands, deren Lebensgemeinschaften sich vorwiegend nach dem Nährstoffgehalt des Wassers ausrichten, frei von menschlichen Einflüssen gesichert werden. Wo immer möglich, sind hierbei vollständige Seen einschließlich ihrer Verlandungszonen und einer Uferrandzone unter Schutz zu stellen. An größeren Seen mit menschlicher Nutzung sollten möglichst große zusammenhängende Teile des Sees gesichert werden, die Schutzgebietsgrenzen sind auf dem Wasser durch Schwimmbojen zu markieren. (b) An jedem größeren See sind wertvolle Ufer- und Wasserpartien zum Schutz der hier lebenden Arten der Verlandungs-, Schwimmblatt- und Unterwasserpflanzengesellschaft einschließlich ihrer charakteristischen Tierwelt für den menschlichen Zugang von der Land- wie von der Seeseite her zu sperren. (c) Durch die Nutzung von Seen darf die Wasserqualität (Nährstoffeintrag) und die Vegetation (Wellenschlag durch Motorboote, Ufervertritt u.a.) nicht beeinträchtigt werden. Die berufliche und Freizeitfischerei sollte in natürlichen Seen auf den künstlichen Besatz und das Zufüttern von Fischen verzichten. (d) Die Ursachen für anthropogen verursachte Nähr- und Schadstoffeinträge sind an jedem See zu analysieren und abzustellen. Ziel 2: Die Bewirtschaftung von Bächen und Flüssen muss auf die Herstellung der natürlichen Gewässerstruktur, -dynamik und -qualität zum Schutz natürlicher Lebensgemeinschaften im gesamten Gewässernetz abzielen; insbesondere auf die Renaturierung der naturfernen Abschnitte. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Der Ausbau von natürlichen Fließgewässern darf in Zukunft nur noch der Renaturierung von Gewässern dienen, mit dem Ziel, eine naturnahe Struktur des Gewässers und seiner Ufer zu entwickeln, die natürliche Dynamik der strukturbildenden Prozesse und des Stofftransports zuzulassen, die Durchgängigkeit des Gewässers für wandernde Arten gewährleisten und einen naturnahen Wasserhaushalt in der Aue herzustellen. (b) Die Unterhaltung der Fließgewässer, insbesondere der als Bundeswasserstraßen gewidmeten Flüsse muss naturverträglich erfolgen, das heißt sie muss auf bauliche Fixierungen des Flussbettes und auf Uferbefestigungen verzichten, Tiefen- und Strömungsvarianzen zulassen und zur Entwicklung naturnaher Ufer beitragen. (c) Natürliche und naturnahe Abschnitte von Fließgewässern sind als besonders geschützte Lebensräume gesetzlich zu sichern und ggf. streckenweise als Naturschutzgebiete auszuweisen. (d) Die Bundesländer sollten Renaturierungsprogramme mit dem Ziel auflegen, alle Fließgewässer wieder in einen natürlichen oder naturnahen Zustand zu versetzen. Analog zur Gewässergütekartierung sollte auch in allen Bundesländern die Gewässerstrukturgüte erfasst werden, als Grundlage zur Festlegung von Prioritäten für Renaturierungsmaßnahmen. (e) Auf einer Breite von mindestens je 10 Metern beiderseits der Fließgewässer sollte die landwirtschaftliche Nutzung untersagt werden. Die staatliche Pflicht, im Rahmen der Gewässerunterhaltung alle natürlichen Uferabbrüche zu verbauen muss aufgehoben werden, stattdessen sind Entschädigungsregelungen für den Fall einzuführen, dass ein Gewässer Flächenverluste an angrenzenden Grundstücken verursacht. (f) Gewässerrandstreifenprogramme sollten für alle naturnahen Fließgewässerabschnitte aufgelegt werden mit dem Ziel, den Gewässern auf angrenzenden Grundstücken Raum für Überflutungen, Sedimentanlandungen und Uferabbrüche zu geben. Angrenzende Grundstücke sollten im Rahmen des Programms von der öffentlichen Hand oder Naturschutzverbänden gekauft werden, ggf. gestützt durch ökologische Flurneuordnungen. (g) Verzicht auf weitere Rückhaltebecken und Stauseen. (h) Verzicht auf einen Ausbau der Wasserkraftnutzung. Vorhandene Anlagen dürfen nur dann weiter betrieben werden, wenn dem natürlichen Bachbett eine ausreichende Restwassermenge und die Möglichkeit der Geschiebeverlagerung durch Hochwasserereignisse verbleibt. (i) Alle natürlichen Fließgewässer müssen auf ihrem gesamten Verlauf für wandernde Tierarten durchgängig sein. Stauwehre und -anlagen und sonstige Mobilitätshindernisse für wandernde Tierarten müssen deshalb auf die Notwendigkeit ihres Verbleibs untersucht werden. Sofern sie nicht beseitigt werden können, müssen sie mit Tierpassagen versehen werden. (j) Die Fließgewässer dürfen nur noch in Teilabschnitten für den Angelsport verpachtet werden. Das Aussetzen von Tierarten zu Zwecken des Angelsports muss unterbleiben. (k) In sensiblen Bereichen, vor allem in der Nähe von Lebensstätten störungsanfälliger Tierarten, muss Badebetrieb und das Befahren mit Wasserfahrzeugen aller Art untersagt werden. Ziel 3: Die Auen sind wieder an die Überflutungsdynamik der Flüsse anzubinden, als Beitrag zur Wiederbelebung der Aue und zur Schaffung von Retentionsräumen als Kernbestandteil eines vorsorgenden Hochwasserschutzes. Mit der Abtrennung großer Flüsse von ihren Auen durch Deiche gingen die natürlichen Rückhalteräume für Hochwasser zum größten Teil verloren. Hochwasser, das sich von Natur aus über ausgedehnte Niederungsflächen verteilte, fließt so immer schneller und gebündelter zu Tal. Die Strombegradigungen und Bündelungen der ehemals zahlreich verästelten Flussrinnen in einem Hauptstrom führt zudem zur erheblichen Verkürzung der Wasserläufe. Brauchte eine Hochwasserwelle des Rheins vor 1955, das heißt vor dem modernen Rheinausbau, noch 68 Stunden, um von Basel bis Karlsruhe zu gelangen, benötigt sie heute nur rund 25 Stunden. Damit steigt allgemein die Gefahr, dass die Hochwasserwellen der Nebenflüsse mit der Welle des Hauptstroms zusammentreffen und sich so ein "Jahrhunderthochwasser" im Unterlauf des Flusses aufschaukelt. Die Wiederanbindung von Auen an die Überflutungsdynamik der großen Flüsse ist eine Notwendigkeit auf dem Weg zu einem lebendigen Fluss und zugleich ein geeigneter Weg zur Wiederherstellung von Retentionsräumen als Kernbestandteil eines vorsorgenden Hochwasserschutzes. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Die noch verbliebenen intakten Überflutungsauen sind zu erhalten. Sie dürfen nicht für Zwecke des technischen Hochwasserschutzes eingedeicht werden. Die Fläche des natürlichen Überflutungsraumes muss durch Deichrückverlagerungen an geeigneten Stellen wieder erheblich ausgeweitet werden. Die Erhaltung und Neuschaffung von natürlichen Überflutungsräumen muss durch ein „Aktionsprogramm Hochwasser“ von Bund und Ländern, das Flächenkauf, Flurneuordnungen und Förderprogramme für Auen-angepasste Landnutzung beinhaltet, ermöglicht werden. (b) Natürliche Überschwemmungsgebiete haben Vorrang vor "gesteuerten Poldern". Nur durch die Rückverlegung der bestehenden Hochwasserdämme und die offene Anbindung dieser Überflutungsräume sind die Voraussetzungen für die Entwicklung naturnaher Auen mit allen Charakteristika des Wasserhaushalts und der Lebensgemeinschaften gegeben. (c) Gesteuerte Polder sind allenfalls in Verbindung mit "ökologischen Flutungen", die die Etablierung auentypischer Tier- und Pflanzengemeinschaften ermöglichen, genehmigungsfähig. Die hydrolo- gischen Verhältnisse im Polder sind möglichst naturnah zu gestalten. Hierzu zählt, dass das Wasser grundsätzlich fließt und ein Organismenaustausch zwischen dem Hauptstrom und den Nebengewässern im Polder stattfindet. Erosion und Sedimentation sind als natürliche morphodynamische Prozesse zuzulassen. (d) Extensive Bewirtschaftung und Naturschutzvorrangflächen: Die Waldwirtschaft muss sich auf die naturnahe Nutzung des regelmäßig überfluteten Auenwaldes einstellen; die landwirtschaftliche Nutzung muss auf extensive und standortangepasste Grünlandnutzung beschränkt werden, Ackerbau darf nicht (mehr) stattfinden; wesentliche Teile der Auen sollten ungenutzt bleiben. (e) Die Erhaltung und wo möglich Renaturierung der Auen muss alle Nebenflüsse und Bachauen bis in die Quellbereiche umfassen. (f) Um Nutzungskonflikte zu minimieren und dauerhafte Ausgleichszahlungen zu vermeiden, sollten betroffene Flächen vorrangig in die öffentliche Hand überführt werden. Zur Umstellung oder Auslagerung gezwungene Landwirte müssen nach bundesweit einheitlichen Kriterien vollständig entschädigt werden. Ziel 4: Flüsse und Ströme müssen auch dort, wo sie Bundeswasserstraßen sind, als frei fließende Systeme mit einer naturnahen Struktur, Dynamik und Artenzusammensetzung erhalten und entwickelt werden. Die Binnenschifffahrt sollte, wo immer möglich, von den natürlichen Flüssen auf Kanäle verlagert werden. Die Anpassung der Flüsse an die Bedürfnisse der Binnenschifffahrt hat zu einem Totalverlust an natürlichen Flussläufen geführt. Die Rote Liste der gefährdeten Biotoptypen Deutschlands weist daher fast alle Typen von Tieflandflüssen in der höchsten Gefährdungskategorie als „von vollständiger Vernichtung bedroht“ aus. Das Bundeswasserstraßengesetz weist der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die Aufrechterhaltung der Verkehrsfunktion als einzige Aufgabe zu. Die Nutzung als „Bundeswasserstraße“ prägt daher das Bild der deutschen Flusslandschaften. Unter diesen Gesichtspunkten stellt sich die Frage nach der Umweltverträglichkeit der Binnenschifffahrt neu. Natürlich hat die Binnenschifffahrt eine günstige Energiebilanz, etwa wenn sie eine Gütertonne mit gleichem Energieaufwand fast viermal so weit transportieren kann wie ein LKW. Gäbe es Statistiken über den Verlust an biologischer Vielfalt, vergleichbar denen über Energieaufwand und Transportleistung, dann würde die Wasserstraße unter allen Verkehrsträgern mit Sicherheit am schlechtesten abschneiden. Abgesehen vom Rhein erreicht keine Wasserstraße in Deutschland ein Verkehrsaufkommen, das eine spürbare Entlastung des Straßenverkehrs bewirken könnte. Der Anteil der Binnenschifffahrt von 16% am Gesamtverkehrsaufkommen konzentriert sich zu 80% auf den Rhein. Auch die Prognosen des Bundesverkehrsministeriums lassen einen - übrigens überraschend geringen - Zuwachs des Binnenschiffverkehrs nur an der Ost-West-Kanal-Achse vom Rhein nach Berlin erhoffen. In den Verkehrsprognosen des Bundesverkehrsministerium spielen die natürlichen Flüsse Elbe, Saale, Untere Havel und Oder praktisch keine Rolle. Die Binnenschifffahrt muss sich mit Rücksicht auf die zunehmende Bedeutung der biologischen Vielfalt von natürlichen Flüssen in Zukunft auf das Kanalsystem und den heutigen Stand des Flussausbaus beschränken. Alle Planungen zum Ausbau der Reststrecke an der Elbe, zum Ausbau von Saale, mittlerer Havel und Oder gehören ein für alle mal zu den Akten. Das Ziel einer naturverträglichen Nutzung der Bundeswasserstraßen muss sein, dass diese wieder eine naturnahe Struktur, Dynamik und Artenzusammensetzung erhalten. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Der Ausbau der natürlichen Flüsse zu Bundeswasserstraßen muss als abgeschlossen gelten. Die Planungen zum Ausbau von Donau, Elbe (Reststrecke), Saale, mittlere Havel und Oder dürfen nicht durchgeführt werden, insbesondere dürfen keine weiteren Staustufen mehr gebaut werden. (b) Weitere Investitionen in des Netz der Bundeswasserstraßen sollten vorrangig dem Ausbau der bestehende Kanäle dienen, mit dem Ziel, die natürlichen Flüsse von der Binnenschifffahrt zu entlasten. (c) Für alle als Wasserstraßen gewidmeten Flüsse sind Renaturierungsprogramme von Bund und Ländern aufzulegen. In das Bundeswasserstraßengesetz wird die Pflicht zur Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes bei der Unterhaltung, dem Aus- und Neubau von Bundeswasserstraßen aufgenommen. (d) Die Unterhaltung der Flüsse als Wasserstraße sollte sich an den Kriterien naturnaher Flüsse orientieren, wie sie NABU, BUND und WWF für die Unterhaltung der Elbe formuliert haben: Umlagerung des Baggerguts auf Gleithänge und Untiefen, Belassen von Totbäumen außerhalb der Fahrrinne, Zulassen von Ufererosion durch Flächenerwerb mit Fahrrinnensicherung, Begrenzung der Strombaumaßnahmen auf unbedingte verkehrliche Notwendigkeiten, Umgestaltung der Buhnen und Leitwerke in einer Weise, die eine Hinterströmung der Bereiche zwischen den Buhnen zulässt. (e) Die Bauweise der Binnenschiffe muss sich an den natürlichen Bedingungen der Flüsse mit ihren niedrigen Wasserständen ausrichten, und nicht die Flüsse an den Abmessungen und Zuladungen der Schiffe. 3.2 Künstliche Gewässer Zu den künstlichen Gewässern gehören vor allem Fischteiche, Löschteiche, Kiesgruben, Braunkohlerestlöcher, Stauseen, Hochwasserrückhaltebecken und Kanäle. Künstliche Gewässer sind verhältnismäßig jung, unterliegen einer intensiven menschlichen Nutzung und zeichnen sich durch Lebensgemeinschaften mit geringeren Anteilen von stark spezialisierten Arten und höheren Anteilen nicht einheimischer Arten (Neozoen) aus. Sie können dennoch wertvolle Ersatzlebensräume sein, und einige gefährdete Lebensgemeinschaften und Arten haben heute ihren Verbreitungsschwerpunkt in künstlichen Gewässern. So kommt naturverträglich genutzten Fischteichen eine wichtige Rolle als Lebensraum der vom Aussterben bedrohten Moorente und Schlammbodenfluren zu. Sofern die Nutzung von künstlichen Gewässern noch anhält, sollte sie einen möglichst großen Beitrag zur Erhaltung einheimischer Arten leisten, in dem sie Strukturvielfalt zulässt, die Gewässer nicht übermäßig mit Nährstoffen belastet und die Zusammensetzung der Gewässer bewohnenden Arten nur soweit direkt beeinflusst, als dadurch Nutzarten gefördert werden. Auf die beiden wichtigsten Gattungen von künstlichen Gewässern wird hier näher eingegangen: Teiche und Abbaugewässer. 3.2.1 Teiche Fischteiche gehören zu den verbreiteten Biotoptypen der mitteleuropäischen Kulturlandschaft. In einigen Regionen Deutschlands entstanden ausgedehnte Teichgebiete, die sich trotz intensiver Nutzung als Fischzuchtgewässer zu hochwertigen Lebensraumkomplexen entwickelt hatten. In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Lebensräume der Teich-Kulturen jedoch durch zwei gegenläufige Entwicklungen gefährdet: Der Aufgabe der Teichwirtschaft bzw. deren Weiterführung unter wesentlich intensivierten Bedingungen. Im Verhältnis zur früheren artenreichen Teichwirtschaft werden die Anlagen heute sehr viel dichter mit Fischen besetzt, mit der Folge, dass die Wasserqualität stark absinkt (Nährstoffanreicherung, Sauerstoffschwund). Die Teiche werden häufiger abgelassen, gründlicher geräumt und anschließend gekalkt. Sonderstrukturen und naturnahe Habitate wie Röhrichte, Gebüsche, flache Uferbereiche, Uferabbruchkanten, Schwimmblattpflanzen und Unterwasservegetation werden beseitigt. Ziel 5: Teichwirtschaft trägt durch Einrichtung und Erhaltung naturnaher Habitate und Uferstrukturen, sowie durch eine angepasste Bewirtschaftungsintensität zur Ausbildung artenreicher Gewässer bei. Handlungsbedarf und Forderungen (a) (b) (c) (d) Die Teichwirtschaft, sofern sie ökologische Mindeststandards erfüllt, verdient grundsätzlich eine Unterstützung und Förderung als Form der nachhaltigen Nutzung einer artenreichen Kulturlandschaft. Auch bei intensiver Teich-Bewirtschaftung sollten naturnahe Habitate und Uferstrukturen erhalten bleiben, soweit sie die Bewirtschaftung nicht wesentlich behindern. Ein bestimmter Höchstbesatz mit Fischen sollte wegen der Wasserqualität und des Einflusses auf die Lebensgemeinschaften nicht überschritten werden. In größeren Teichgebieten sollte, gestützt durch Förderprogramme oder Vertragsnaturschutz, ein Teil der Teiche nur sehr extensiv oder gar nicht bewirtschaftet werden. Voraussetzung für eine Neuanlage von Wirtschaftsteichen muss sein: eine ausreichende Wasserführung im begleitenden Fliessgewässer (z.B. Forellenteiche), eine reichhaltige Uferstruktur, Höchstgrenzen für den Fischbesatz, Anforderungen an die Wasserqualität, Einrichtung von Flachwasserzonen ohne Bewirtschaftung. An den Genehmigungsverfahren sind Naturschutzverbände zu beteiligen. 3.2.2 Abbaugewässer Zu den Abbaugewässern gehören vorwiegend Kies-, Sand- und Tongruben, Steinbruchgewässer sowie Restlöcher aus dem Braunkohletagebau. Sie sind ganz überwiegend sehr junge Gewässer in sehr frühen Sukzessionsstadien auf Rohböden. Ihr spezifischer Wert liegt damit in ihrer Funktion als Lebensräume für artenreiche Sukzessionsgesellschaften, oft in verschiedenen Entwicklungsstadien auf engem Raum verzahnt. Die Rohböden erwärmen sich unter Sonneneinstrahlung schneller als von Vegetation bedeckte Flächen und bieten daher ein günstiges Kleinklima für wärmeliebende Arten, sowohl im terrestrischen Bereich als auch in den meist zahlreichen temporären Flachgewässern. Für den Naturschutz sind Abbaugewässer neben ihren ökologischen Eigenarten auch deshalb interessant, weil Naturschutzvorrang eine der denkbaren Optionen für die Folgenutzung nach Einstellung des Abbaubetriebs ist. Ziel 6: Mindestens ein Fünftel aller Abbaugewässer ist als Naturschutzvorrangfläche zu sichern und von menschlicher Nutzung freizustellen. Handlungsbedarf und Forderungen (a) (b) (c) Mindestens ein Fünftel aller Abbaugewässer sollte als Naturschutzvorrangfläche ohne konkurrierende Nutzungen gesichert werden. Diese Vorgabe ist auch in den Naturschutzgesetzen der Länder zu verankern. Um dieses Ziel mittelfristig zu erreichen, muss die Mehrzahl der aktuell aus der Nutzung ausscheidenden Abbaugewässer für den Naturschutz vorgesehen werden. Als verbindliche Auflage für die Genehmigung von zukünftigen Abbaugewässern muss die Folgenutzung Naturschutz festgeschrieben werden. In ökologisch sensiblen Gebieten oder Standorten darf dies jedoch nicht als Rechtfertigung für die Genehmigung zur Neuanlage herangezogen werden, sondern muss die Genehmigung versagt werden. Schon während des Abbaubetriebs sind Flachwasserzonen, Inseln und andere wichtige Habitatstrukturen für den Zustand nach Aufgabe der Nutzung einzuplanen. Die maximale Wassertiefe von 12 m sollte nicht überschritten werden, weil dies in vielen Fällen die kritische Tiefe für weit- (d) gehenden Sauerstoffschwund ist. Klein- und Großstrukturen, wie Uferabbrüche, unregelmäßiger Uferverlauf, Abbaurippen, Flachgewässer sollten erhalten bleiben. Steile Böschungskanten sollten nur in dem Maße stabilisiert werden, wie dies die Verkehrssicherung unbedingt erfordert. An Abbaugewässern, die dem Angeln oder anderen Freizeitnutzungen gewidmet sind, sollten erhebliche Teilbereiche als Schonbezirk für Fische und Ruhezonen für Wasser- und Röhrichtvögel von menschlichen Aktivitäten freigehalten werden. Grundsätzlich kommt nur eine ökologisch orientierte fischereiliche Nutzung in Frage, also nach einem initiierten Erstbesatz ohne weitere Besatzmaßnahmen (bei ermäßigtem Pachtzins). 4. Naturverträgliche Jagd und Fischerei Hauptziel: Die Jagd und Fischerei nutzen nachhaltig die Bestände nicht gefährdeter Arten und vermeiden dabei so weit wie möglich Beeinträchtigungen auf Lebensräume und Arten, die nicht bejagt oder befischt werden. Jagd und Fischerei trugen, bevor der Mensch die landwirtschaftliche Nutzung des Bodens und die Nutztierhaltung einführte, ganz wesentlich zum Nahrungserwerb des Menschen bei. Dies hat sich in den vergangenen Jahrhunderten grundlegend gewandelt. Insbesondere Jagd und Angelsport tragen zur Ernährung der Bevölkerung nur noch geringste Anteile bei und werden von der weit überwiegenden Zahl der aktiven Jäger und Sportangler als Freizeitbetätigung und nicht zum Zweck der Erwerbstätigkeit ausgeübt. Die Ansprüche an eine nachhaltige und naturverträgliche Nutzung natürlicher Ressourcen müssen für Jagd und Fischerei deshalb in besonders hohem Maße gelten. Ziel 1: Jagd und Fischerei können in Schutzgebieten nur zulässig sein, sofern sie dem Schutzzweck nicht zuwider laufen: Handlungsbedarf und Forderungen In Nationalparken, Naturschutzgebieten und Schutzgebieten nach Ramsar-Konvention und dem Afrikanisch-Eurasischen Wasservogelabkommen (AEWA) im Rahmen der Bonner Konvention dürfen Jagd und Fischerei nur dann stattfinden, wenn sie dem Schutzzweck dienen. In den Kernzonen (Schutzzone I) von Nationalparken und Biosphärenreservaten soll grundsätzlich keine Jagd und fischereiwirtschaftliche Nutzung ausgeübt werden. Weiterhin ist auf der Fläche der Bundesrepublik Deutschland ein alle typischen Landschaftsräume umfassendes Netz großflächiger Areale zu schaffen, in denen sich die Lebensräume sowie Tier- und Pflanzenpopulationen ohne jeglichen jagdlichen oder fischereiwirtschaftlichen Eingriff entwickeln können. Zu den jagdfreien Räumen müssen auch Rast- und Überwinterungsgebiete von wandernden Wasser- und Watvogelarten gehören, für deren Populationen Deutschland als Teil des Jahreslebensraums eine besondere Verantwortung hat. 4.1 Jagd Der NABU fordert, dass die Jagd als nachhaltige Nutzung wildlebender, in ihrem Bestand nicht gefährdeter Tiere ausgeübt wird. Hierbei hat sich Jagd an der natürlichen Nutzbarkeit des Ökosystems auszurichten. Jagdpraxis und Jagdrecht lassen bis heute eine Orientierung an den Nachhaltigkeitsprinzipien vermissen. Mit Hinweis auf die unbestimmten Rechtsbegriffe "Hegeverpflichtung" und "Beachtung deutscher Weidgerechtigkeit" werden z. B. Trophäenjagd, trophäenorientierte Hege, Schonund Jagdzeiten, Wildfütterung und die Verfolgung von Beutegreifern gerechtfertigt. Die Beeinträchti- gung der Lebensräume, z. B. die Verbissbelastung an Waldbäumen durch hohe Schalenwildbestände und Nährstoffeinträge durch Wildfütterung, werden dabei billigend in Kauf genommen. Mit biologischen und ökologischen Erkenntnissen, den Grundprinzipien des Natur- und Tierschutzes und dem Nachhaltigkeitsprinzip lässt sich dies nicht vereinbaren. Nach Auffassung des NABU erfüllt ein jagdlicher Eingriff nur dann die Kriterien der biologischen Nachhaltigkeit, wenn • das Tier sinnvoll verwertet wird (Nutzungsgebot) und • die Population, auch lokal, weder durch die Nutzung selbst noch durch andere Faktoren gefährdet ist und • andere Arten oder ihre Lebensräume nicht beeinträchtigt werden, sowie • Störungen von Natur und Landschaft im Hinblick auf die jagdliche Tätigkeit minimiert werden. Ziel 2: Die Jagd muss sich auf Arten beschränken, deren Nutzung den Kriterien der biologischen Nachhaltigkeit gerecht wird; insbesondere dürfen durch die Jagd Populationen wildlebender Tiere nicht gefährdet werden Handlungsbedarf und Forderungen (a) (b) (c) (d) (e) In den Katalog nach § 2 BJagdG (Wild) sollten nur jene Arten Eingang finden, die sinnvoll genutzt werden und deren biologisch nachhaltige Nutzung als gesichert anzusehen ist: Rothirsch, Damhirsch, Sikahirsch, Reh, Gämse, Mufflon, Wildschwein, Wildkaninchen, Fuchs, Fasan und Stockente. Alle anderen Arten, unter Anderem alle Greifvogelarten, sind aus dem Jagdgesetz zu streichen und in das Naturschutzrecht zu überführen. Eine starke Eingrenzung der jagdbaren Arten unter Herausnahme der Greifvogelarten und von Zugvögeln sowie die Verkürzung der Jagdzeiten (siehe unten) wären zudem wichtige Voraussetzungen für die überfällige Anpassung des deutschen Artenschutz- und Jagdrechts an die EG-Vogelschutzrichtlinie, die FFH-Richtlinie und die Berner Konvention. Gefährdete Arten, die in den Roten Listen der Bundesländer als mindestens „gefährdet“ geführt werden, sind in diesen Ländern ganzjährig zu schonen. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt schließt auch den Schutz der Beutegreifer ein. Die Qualität des Lebensraumes und des Nahrungsangebots bestimmen in erster Linie die Populationsgröße einer Art. Der NABU lehnt daher sowohl die Bejagung der Beutegreifer als auch deren Fang mit der Falle unter dem Vorwand der Regulation ab. Die Beizjagd ist aus Gründen des Natur- und Tierschutzes abzulehnen, weil die Beschaffung von Beizvögeln nach wie vor häufig durch illegale Entnahme von Eiern und Wildtieren geschieht, das Abrichten und die Jagd mit Greifvögeln nur aufgrund eines gezielt herbeigeführten Hungerzustandes möglich ist und auch die Anbindehaltung nicht den Anforderungen des Tierschutzes entspricht. Ziel 3: Die Störungen und Belastungen für Wild und Lebensraum müssen durch kurze Jagdzeiten und effektive Jagdmethoden minimiert werden. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Um den Stress, dem das Wild durch die Jagdausübung ausgesetzt wird, zeitlich so weit wie möglich zu verkürzen, sollte die Jagd vom 1. Februar bis zum 31. August ruhen. (b) (c) (d) (e) (f) Für die im Jagdrecht verbleibenden Vogelarten sind die Jagdzeiten gemäß den Regelungen der EG-Vogelschutzrichtlinie anzupassen, d.h. dass die Jagd mindestens in der Zeit vom 1. Februar bis zum 15. Oktober zu ruhen hat. Bei der Jagd auf Schalenwild können effektive Jagdmethoden gleichfalls den Jagdstress minimieren, z.B. durch Intervalljagden, Ansitz-Drückjagden und Bewegungsjagden. Während der Herbstjagdzeit ist bei Bewegungsjagden der Schrotschuss auf Rehwild wieder zuzulassen. An die Stelle der starren Abschussplanung für Schalenwild muss ein nach oben offener Mindestabschuss treten, der sich an der Verbissbelastung der Vegetation orientiert. Um durch Jagd nicht zur Domestikation von Wildtieren und überhöhten Wildbeständen beizutragen, ist die Medikamentenabgabe an Wildtiere, das Aussetzen jagdbarer, auch nicht einheimischer Arten und die Wildfütterung gesetzlich zu verbieten. Die vergiftende Wirkung von Blei auf angeschossene Wildtiere, auf Lebensräume sowie die Belastung des Wildbrets verlangen ein Verbot von bleihaltiger Munition, also neben Schrot auch des Bleis in Teil- oder Vollmantelgeschossen. 4.2 Binnenfischerei Die Binnenfischerei wird ganz überwiegend von den mehreren Hunderttausend Freizeitfischern geprägt, denen nur noch wenige Tausend Berufsfischer im Binnenland, vorwiegend an Teichwirtschaften, gegenüber stehen. Nachfolgende Ausführungen beziehen sich nur auf die Freizeitfischerei, zur Teichwirtschaft erfolgen Aussagen im Kapitel über naturverträgliche Gewässernutzung. Der Angelsport hat sich bereits eine Reihe von Restriktionen auferlegt, die dem Ziel der Erhaltung von Fischbeständen und Fischarten dienen sollen: beschränkte Fanggenehmigungen, Fangverbote, Festsetzung von Schonzeiten, Schonmaßnahmen und Maschenweiten von Netzen. Dagegen führt der künstliche Fischbesatz, der als reguläres Instrument der fischereilichen Hege flächendeckend praktiziert wird, zu schwerwiegenden ökologischen Problemen. Er führt dazu, dass in nahezu alle Angelgewässer und damit praktisch in das gesamte Gewässernetz Deutschlands ortsfremde Individuen von einheimischen und nicht einheimischen Arten eingetragen werden. Neben den Gefahren der Faunenverfälschung, der Verdrängung einheimischer Arten durch konkurrenzstarke nicht einheimische Arten, dem Eintrag von Parasiten und Krankheiten besteht die Gefahr der genetischen Verfälschung von autochthonen Fisch- und Krebspopulationen. Eine weitere Belastung der Gewässerlebensgemeinschaften besteht in der Störung von empfindlichen Arten durch auffälliges Verhalten von Anglern. Oft stört schon die bloße Anwesenheit von Anglern und anderen Freizeitnutzern, auch wenn sie sich ruhig verhalten. Insofern entsprechen die Probleme denen der allgemeinen Freizeitnutzung in der Natur. Ziel 4: Analog zur Jagd muss sich auch der Angelsport zu einer nachhaltigen Form der Nutzung von wildlebenden Tierpopulationen wandeln. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Der Angelsport sollte grundsätzlich nur als nachhaltige Nutzung von Teilen der natürlichen Reproduktion der Gewässerorganismen ausgeübt werden, d.h. ohne dass ein Fischbesatz zur Erhöhung des fischereilichen Ertrags erfolgt. (b) Das Ziel der fischereilichen Hegepflicht sollte künftig darin bestehen, die eigenständige Reproduktion der Fische, Krebse und Muscheln in natürlichen Gewässern zu ermöglichen und dauerhaft zu sichern. (c) Der Besatz mit gebietsfremden Arten und gebietsfremden Individuen einheimischer Arten muss gesetzlich durch entsprechende Vorschriften im Bundesnaturschutzgesetz und den Fischereigesetzen der Länder untersagt werden. (d) Gleichfalls hat die Förderung nutzbarer Arten zulasten nicht genutzter Arten aus Gründen des Erhalts der biologischen Vielfalt zu unterbleiben. (e) Aussetzungen sollten nur nach den allgemeinen Kriterien der Auswilderung von Tier- und Pflanzenarten (siehe Kapitel C, Abschnitt 5) erfolgen. (f) Störeffekte durch fischereiliche Nutzung auf Tiere, Pflanzen und die Gewässerufer sind so weit wie möglich zu verringern. Durch die fischereiliche Nutzung dürfen die Gewässer durch Zufüttern und andere Tätigkeiten nicht stofflich belastet werden. 4.3 Meeresfischerei Meeresfischerei wird im Unterschied zur Binnenfischerei noch ganz überwiegend gewerblich und mit modernsten Methoden und Geräten durchgeführt. Mit Hilfe von Satelliten, Helikoptern, Echolot und Sonartechnik, mit riesigen Stell- und Schleppnetzen wird eine maximale Ernte angestrebt und dabei das Maß einer nachhaltigen Nutzung von Wildtierpopulationen weit überschritten. Meeresfischerei muss als relevante Gefährdungsursache für zahlreiche Nutzfischarten und andere Organismen des Meeres und des Meeresbodens angesehen werden. Auch Schweinswale der kleinen deutschen Ostund Nordseepopulationen verfangen sich immer wieder in Stellnetzen und verenden hier. Besonders kritisch ist die Miesmuschelfischerei auf Bodenkulturen in den Wattenmeer-Nationalparken anzus ehen, weil sowohl durch die Vorbereitung des Bodens für den Besatz als auch bei der Ernte erhebliche Beschädigungen des Wattbodens und der hier lebenden Organismen erfolgen. Der Abtrag von Wattenboden durch die Miesmuschelfischerei verletzt zudem die Belange des Küstenschutzes. Ziel 5: Durch die Meeresfischerei darf die biologische Vielfalt der Meere nicht gefährdet werden. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Die rücksichtslose Ausbeutung von Fischbeständen muss auf der Basis wissenschaftlich erhobener (und nicht politisch bestimmter) Fangquoten eingeschränkt werden. (b) Der Fang von nutzbaren Meerestieren und der gesamte Beifang müssen durch zuverlässige Methoden vollständig erfasst werden, der Beifang ist vollständig anzulanden. (c) Der Umfang des nicht nutzbaren Beifangs muss durch Mindestmaschenweiten und andere geeignete Methoden stark reduziert werden, z.B. der Entwicklung und dem Einsatz von Grundschleppnetzen, die die Lebensgemeinschaften des Meeresbodens weniger stark schädigen. (d) Einstellung der Gammelfischerei, die zur industriellen Tiermehlproduktion zielgerichtet den gesamten Fang ausschöpft. (e) Die Miesmuschelfischerei in den Wattenmeernationalparken stellt grundsätzlich eine Art der fischereilichen Nutzung dar, die mit den Zielen des Nationalparks nicht vereinbar ist. Sie ist daher langfristig einzustellen und vorläufig auf schonende Methoden und Standorte zu begrenzen, die nicht bei Ebbe trockenfallen (Sublitoral) und keine stark gefährdeten Lebensgemeinschaften verdrängen. Die Erkenntnisse der laufenden Untersuchungen (Monitoring) über die ökologischen Auswirkungen sind um zu setzen. 5. Naturverträgliche Freizeitnutzung und Tourismus Hauptziel: Tourismus und Freizeitnutzung können dazu beitragen, biologisch vielfältige Landschaften zu erhalten Tourismus und Freizeitnutzung boomen. In den vergangenen Jahren wuchs der zwischenstaatliche Reiseverkehr beständig um fünf Prozent und mehr. Dabei hielt der Trend zu immer ferneren Reisezielen ebenso an, wie die Wiederentdeckung des eigenen Landes als Urlaubsziel. Schätzte man die Zahl der Auslandstouristen 1970 weltweit noch auf 150 Millionen, so liegen die Schätzungen für das Jahr 2000 bereits bei 600 Millionen. Deutschland ist einer der Spitzenreiter im Tourismus. In kaum einem anderen Land der Erde verfügen die Arbeitnehmer über so viele arbeitsfreie Tage. (In den USA und Japan 12 Tage, in Großbritannien und Frankreich 25 Tage, in Deutschland 30 Tage) Tourismus und Freizeitnutzung sind auf eine gesunde Umwelt, erlebnisreiche Landschaften und eine vielfältige Natur angewiesen. Zugleich tragen sie vielerorts in hohem Maße zur Zerstörung der natürlichen Grundlagen ihres Gewerbes bei: Für touristische Infrastrukturen wurden und werden große Flächen, meist in attraktiver und damit oft ökologisch sensibler Lage, beansprucht; Touristen und Freizeitnutzer suchen aus Entdeckungslust oder als Flucht vor dem Massentourismus immer entlegenere Winkel der Erde auf und stören hier die Ruhe; hohe Besucherzahlen ziehen einen erheblich gestiegenen Wasserbedarf, eine größere Belastung durch Abwässer, eine Erhöhung des Verkehrsaufkommens mit der Folge von ansteigender Luftverschmutzung, Straßenausbau und Ortsbildverschandelung nach sich. Natursportarten werden besonders dann zu einer Gefährdung für die biologische Vielfalt, wenn sie auf ökologisch sensible Austragungsorte angewiesen sind: Kanu- und Kajakfahrten auf Flüssen, jede Art von Wassersport auf Seen, Klettern und Gleitschirmfliegen an Felsen. In sehr sensiblen Bereichen von gefährdeten Ökosystemen oder Lebensstätten gefährdeter, störungsempfindlicher Tier- und Pflanzenarten wird der Interessenkonflikt zwischen Naturschutz und Erholungsnutzung sowie Sport nicht ohne klare räumliche Trennung der Nutzungsarten zu lösen sein. Allgemein müssen die Strategien des Naturschutzes jedoch verstärkt auf eine Kooperation mit dem Tourismus- und Freizeitgewerbe hinauslaufen, weil das Interesse an einer intakten Umwelt auf beiden Seiten stark ist. Ziel 1: Freizeitnutzung und Sportausübung in der Natur müssen auf sensible Lebensräume und Arten Rücksicht nehmen. Grundsätzlich gilt: Die Natur hat Vorrang. Handlungsbedarf und Forderungen (a) (b) (c) An den Lebensstätten gefährdeter, störungsempfindlicher Arten können sich sportliche Aktivitäten und selbst die kurzfristige Anwesenheit von Menschen sehr störend auswirken, vor allem zur Zeit der Fortpflanzung und Jungenaufzucht. Relevante Konfliktbereiche sind z.B.: Die Störung von Brutplätzen des Uhus, Wanderfalken und anderer gefährdeter Arten an Felsen durch Kletterer und Gleitschirmflieger; die Beunruhigung von naturnahen Gewässerufern durch Bootsfahrten aller Art, Angler, Badebetrieb, Spaziergänger; die Nutzung von Kiesgruben für Motocross, Mountainbiking und andere Querfeldein-Sportarten, die Störung von Fledermausquartieren durch Höhlengänger. An solchen Orten müssen die Interessen des Artenerhalts unbedingten Vorrang vor der menschlichen Freizeitnutzung erhalten. Der Naturschutzvorrang ist in der Regel ordnungsrechtlich oder durch Vertragsnaturschutz abzusichern. Eine flankierende Kooperation mit Organisationen aus dem Bereich der Freizeitnutzung und des Sports kann die Erfolgsaussichten zusätzlich erheblich steigern. Der Naturschutz sollte sich bei der Suche nach geeigneten Ausweichorten oder anderen Kompromisslösungen für diese Sportarten aktiver als bisher beteiligen. Natursportarten und Arten der Freizeitnutzung in der Natur, die nicht an bestimmte Ortstypen gebunden sind, sondern auf großer Fläche in der Landschaft praktiziert werden, sollten auf geeignete Linienführungen oder Örtlichkeiten gelenkt werden. Hierzu gehören beispielsweise Reiten, Mountainbikefahren, Skilanglauf, Modellflugsport, Ultraleichtflugzeuge, Wassersport. Die Lenkung von Reitern und Skilangläufern auf bestimmte Wege kann hierbei als Vorbild dienen. Naturschutzgebiete, Nationalparke und andere qualifizierte Schutzgebiete müssen Orte konsequenten Naturschutzvorrangs sein. Freizeitbetätigungen können hier nur außerhalb der Kernzo- nen und nur dann akzeptiert werden, sofern sie keine negativen Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaften haben. Zugleich sollten Schutzgebiete aber auch ein Angebot zum Naturerleben für interessierte Besucher bieten, sofern Kernbereiche von Störungen frei gehalten werden. Ziel 2: Naturschutz und naturverträgliche Freizeitnutzung müssen Allianzen eingehen, mit dem Ziel, vielfältige Landschaften zu erhalten und zu entwickeln. Handlungsbedarf und Forderungen Freizeitnutzung, sanfter Tourismus und Naturschutz gehen vor allem in einigen Nationalparken und Biosphärenreservaten längst nützliche Symbiosen ein. Die Kostbarkeiten besonderer Schutzgebiete ziehen Naturfreunde und Erholungssuchende an und tragen nicht unerheblich zur wirtschaftlichen Wertschöpfung bei. Das Vorhandensein großer Schutzgebiete wird von Seiten des Fremdenverkehrs in der Werbung offensiv als Qualitätsmerkmal von hochwertigen Erholungslandschaften eingesetzt. Der Naturschutz kann seinerseits den Hinweis auf die wirtschaftlichen Wohlfahrtswirkungen für die Akzeptanzgewinnung nutzen. Die Besucher von naturreichen Landschaften im Inland sind zudem für Bildungs- und Erlebnisangebote in der Natur dankbar. Nationalparke und private Naturschutzorganisationen in europäischen Nachbarländern machen dies in Form von Infozentren, Tierfreigehegen, geführten Wanderungen und professioneller Betreuung von Schutzgebieten beispielhaft vor. Für die Umweltbildung in Deutschland liegen hier noch erhebliche Potentiale brach. 6. Nachhaltige Siedlungsentwicklung Hauptziel: Städte und Dörfer entwickeln sich nachhaltig, das heißt, sie steigern die biologische Vielfalt und Lebensqualität für Menschen in der Siedlung und in ihrem Umland. Betrachtet man von der City bis in die Villenviertel die gesamte Siedlungsfläche, dann herrscht auch in großen Städten eine auffallend hohe Artenvielfalt, die diejenige des unbebauten Umlandes oft übersteigt. Ein Grund hierfür liegt in der Heterogenität des Lebensraumes Stadt mit seinen verschiedenen Siedlungsstrukturen, eigenen Kleinklimaten und einer Vielzahl von Flächennutzungen und Kleinstandorten. Der Vergleich der Artenvielfalt mit dem Umland darf aber nicht zu falschen Rückschlüssen in der Naturschutzstrategie führen. Eine differenzierte Betrachtung relativiert die Bedeutung von Städten und Dörfern für die einheimische Tier- und Pflanzenwelt ganz erheblich. Am artenreichsten sind Städte an ihren Rändern, weil sie sich hier räumlich mit nicht städtischen Lebensraumtypen des Umlandes verzahnen. Die Artenvielfalt der Stadt profitiert somit vom Umland. Weiterhin sind es unter der einheimischen Fauna und Flora nebst einigen Siedlungsspezialisten vor allem die sehr anpassungsfähigen „Allerweltsarten“, die sich im Verbund mit nicht einheimischen Arten zur städtischen Vielfalt addieren. Neophyten und Zierpflanzen stellen in größeren Städten, vor allem in deren Innenbereich, oft mehr als die Hälfte der höheren Pflanzenarten. Als Lebensraum für die Mehrzahl der sehr spezialisierten Bewohner von natürlichen und naturnahen Ökosystemen spielen Städte und Dörfer nur eine geringe Rolle. Die enorme Ausdehnung der Siedlungsflächen, besonders im Umland großer Städte, ist sogar zu einem der wichtigsten Gefährdungsfaktoren für einheimische Lebensraumtypen und Arten geworden. Neben der naturnäheren Gestaltung von Plätzen, Gärten und Gebäuden muss vor allem eine äußerst konsequente Begrenzung des Flächenverbrauchs zu den Zielen einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung gehören. Das Leitbild einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung umfasst: • Die integrierte Innenentwicklung der Städte und Dörfer, Bestandspflege und -management werden zum Regelfall der Siedlungsplanung. Die Außenentwicklung wird zum Ausnahmefall. • Bei Sanierung und Umbau von Altbauten, sowie an Neubauten werden recyclebare, umweltfreundliche Baumaterialien sowie wasser- und energiesparende Techniken eingesetzt; Bei allen Baumaßnahmen an Gebäuden müssen die Vorkommen von gebäudebewohnenden Arten berücksichtigt werden und nach Möglichkeit Lebensstätten für Tiere und Pflanzen am Gebäude eingerichtet werden. • Die heute oft getrennten Lebensfunktionen Wohnen, Arbeiten, Versorgung und Freizeit werden unter Beachtung sozialökologischer Kriterien für mehr Lebensqualität räumlich zusammengeführt. • In baulich bereits stärker verdichteten Dorf- und Stadtteilen bzw. –zentren hat aus ökologischen und stadtklimatischen Gründen und zugunsten von mehr Lebensqualität die Erhaltung und Schaffung von Natur höhere Priorität als die Bebauung der letzten und vorletzten Baulücke. • Große Natur- und sonstige Freiräume in und um die Siedlungen werden erhalten und eine weitergehende Zersiedelung der Landschaft verhindert. Klare Grenzen zwischen Siedlung und unbebauter Landschaft sind dafür eine Voraussetzung. Eine Siedlungspolitik dieser Prägung, in der der Grundsatz der Stadt- und Dorferneuerung vor der Stadt- und Dorferweiterung gilt, wird begleitet von einer wirtschaftlichen Stärkung und Belebung städtischer und dörflicher Strukturen und Eigenarten anstelle Zersiedelung, Suburbanisierung und Konturenlosigkeit; von Verbesserungen der Naherholungsmöglichkeiten in und um Städte; sowie vom Ausbau und der Förderung des verkehrlichen Umweltverbundes bei gleichzeitigen Beschränkungen für den Straßenverkehr. Ziel 1: Der Flächenverbrauch durch Siedlungsbau muss durch eine Konzentration auf die Innenbebauung sowie durch Wiederverwertung von Industriebrachen mittelfristig stark vermindert und langfristig ganz gestoppt werden. Obwohl beachtliche Bebauungs- und Nutzungspotenziale innerhalb der Städte und Gemeinden existieren, werden nach wie vor Freiflächen im Außenbereich bebaut. Der Flächenverbrauch, definiert durch die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche, beträgt in Deutschland rund 120 ha pro Tag. Der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche (11,8%) an der Gesamtfläche verteilt sich relativ ungleich auf die neuen (8,4%) und alten Bundesländer (13,3%). Der Flächenverbrauch hat besonders in den Ballungsräumen der alten Bundesländer zu einer großräumigen Verschmelzung von ehemals getrennten Gemeindeflächen geführt. Grüngürtel mit artenreichen Kulturlandschaftsanteilen (z.B. Streuobstwiesen) landwirtschaftliche Flächen und Gartenflächen sind in der Peripherie vieler Städte und Gemeinden weitgehend verschwunden. Auch kleine Kommunen im ländlichen Raum haben ihre Siedlungsflächen durch Wohnungsbau und Gewerbeflächen erheblich erweitert, oft in den Auen von Fließgewässern. Der Verlust von offener Landschaft außerhalb menschlicher Siedlungen war damit in den vergangenen 50 Jahren so groß wie nie zuvor in der Siedlungsgeschichte Deutschlands. Handlungsbedarf und Forderungen (a) (b) (c) Problembewusstsein schaffen: Die planungsrechtlichen Instrumentarien, den Flächenverbrauch einzuschränken, sind gegeben. Es fehlt jedoch am Problembewusstsein und Willen von kommunalpolitischen Entscheidungsträgern, flächensparend zu planen. Flächenrecycling: Als problematisch für die Baulanderschließung erweist sich die oft ungeklärte Altlastensituation auf innerörtlichen Grundstücken. Staatlich geförderte Bodenuntersuchungen und -sanierungen können die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Industriebrachen in erheblichem Umfang für die Wiederbebauung (Flächenrecycling) gewonnen werden. Die Neubebauung und Versiegelung von Flächen sollte mit einer Abgabe belastet werden. (d) (e) (f) (g) (h) (i) (j) (k) Die staatliche Eigenheimzulage fördert den Neubau und damit in der Regel den Flächenverbrauch doppelt so hoch wie den Ankauf von Altbauten. Diese Ungleichbehandlung sollte aufgehoben und die Fördermöglichkeiten für die Sanierung von Altbauten erweitert werden. Die Kilometerpauschale für PKW sollte ersatzlos gestrichen werden. Sie begünstigt die Stadtflucht und somit das flächenintensive Bauen im ländlichen Raum, verursacht dadurch Verkehrs flächenzuwachs für Pendlerverkehr und PKW-Stellplätze am Wohn- und Arbeitsort. Die geplante Umwandlung der Kilometerpauschale in eine Entfernungspauschale würde zwar die umweltfreundlichen Verkehrsmittel steuerlich in gleicher Weise begünstigen wie den Automobilverkehr, den Anreiz zur räumlichen Entkoppelung von Wohn- und Arbeitsort jedoch auf eine noch größere Anzahl an Personen ausdehnen. Der Neu- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wird verkehrsmengen- und –flächenneutral durchgeführt bei Bevorzugung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes. Eine Reform der Grundsteuer und der Grunderwerbssteuer sollte Anreize für einen sparsamen Umgang mit Bauland schaffen und Bauen im Innenbereich von Siedlungen durch günstige Tarife fördern. Die Regionalplanung ist gegenüber der Planungshoheit der Kommunen zu stärken. Von den Kommunen muss der Nachweis erbracht werden, dass der angegebene Bauflächenbedarf innerhalb ihres im Zusammenhang bebauten Gebietes bzw. auch durch die Inanspruchnahme größerer Baubrachen nicht gedeckt werden kann. Eine entsprechende Regelung sollte als verbindliche Genehmigungsvoraussetzung in das Baugesetzbuch aufgenommen werden. Für die Ermittlung des sog. Eigenbedarfs und anderer Flächenbedarfsgrößen ist eine Verordnung zu erarbeiten, um der dabei zur Zeit herrschenden Willkür einen Riegel vorzuschieben. Für Gewerbe- und Industriebauten sind mehrgeschossige Bauweisen finanziell zu fördern und planerisch vorzugeben. Die Bau- und Eigentumsförderung, auch die Förderung ökologischer Bauweisen, ist zum Einen auf die Innenentwicklung sowie auf direkte Finanzbeihilfen und Zulagen zu beschränken. Zahlungen von Bund und Ländern müssen zudem an die Einhaltung ökologischer Mindeststandards geknüpft werden. Die Stadtentwicklung sollte eine Siedlungsstruktur der kurzen Wege anstreben und sich an den Erfordernissen des öffentlichen Personenverkehrs ausrichten, anstatt am Individualverkehr. Ziel 2: In Städten und Dörfern wird der Lebensraum für einheimische Tier- und Pflanzenarten und für Menschen durch eine naturnähere Gestaltung von Plätzen, Gärten und Gebäuden verbessert. In Städten, Dörfern und ihrem Umland kann viel für den Erhalt einheimischer Tier- und Pflanzenarten getan werden. Eine Folge von Naturschutz in Siedlungen und ihrem Umland ist, dass vor allem die Städte als Lebensorte für Menschen wieder attraktiver werden. Der Umzug von Stadtbewohnern, die es sich leisten konnten, in umliegende Kommunen mit höherer Natur- und Landschaftsqualität hat entscheidend den Flächenverbrauch durch Wohnbausiedlungen und Verkehrslinien (Pendler) gefördert. Verbliebene Natur- und Freiräume in und um Siedlungen müssen daher den Menschen für die Zwecke der Erholung und Naturbeobachtung erhalten bleiben. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Erhaltung möglichst großer Freiräume und naturnaher Orte: Im Innenbereich der Siedlungen und im Umland von Städten sollten möglichst große, unbebaute Freiräume durch planerische Festlegungen (Regional-, Landschafts- und Bauleitplanung) und durch rechtliche Sicherung offen gehalten und naturnah gestaltet werden. In Städten können dies z.B. sein: öffentliche Grünfl ä- chen aller Art, Parkanlagen, Friedhöfe, zoologische und botanische Gärten, Fließgewässer einschließlich breiter Ufersäume, Stillgewässer, Wälder und Gebüsche, Wiesen und Felder. Die Peripherie von Siedlungen sollte durch Innenentwicklung von einer weiteren Bebauung ausgespart und von Grüngürteln mit hohen Anteilen naturnah gestalteter Flächen umgeben werden. (b) Naturnähere Gestaltung und Pflege von öffentlichen Grünflächen: Die Städte und Gemeinden verpflichten sich im Rahmen ihrer Landschaftsplanung durch Programme und Freiflächensatzungen zu einer naturnäheren Gestaltung und Pflege ihrer öffentlichen Plätze, Wege und Grünanlagen. Als Maßnahmen kommen zum Beispiel in Frage: • Anpflanzung von einheimischen Pflanzenarten, vor allem einheimischen Gehölzarten, in öffentlichen Grünanlagen. • Erhaltung und Entwicklung alter Baumbestände, da sie eine besondere Vielfalt spezialisierter, gefährdeter Arten (Vögel, Fledermäuse, Käfer, Hautflügler, Flechten, Pilze) besonders im Zerfallsstadium an sich tragen. Sanierungsmaßnahmen sollten nur aus zwingenden Gründen der Verkehrssicherung durch geführt werden. • Gezielter Schutz von Lebensräumen hohen Alters, da sich dort häufig spezialisierte Arten ansiedeln konnten, die in Lebensräumen geringen Alters fehlen. • Renaturierung der Fließgewässer einschließlich ihrer Uferzonen durch Wiederöffnung verrohrter Abschnitte und Anlage breiter naturbelassener Uferzonen. • Öffentliche Gebäude werden an ihren Fassaden begrünt und mit künstlichen Nisthilfen für gebäudebewohnende Vogel-, Fledermaus- und Insektenarten versehen. • Verzicht auf den Chemieeinsatz in städtischen Grünanlagen. • Herabsetzung des Versiegelungsgrades, z.B. durch Ersatz von betonierten, geteerten und dicht gepflasterten Plätzen durch lückige Pflaster, wassergebundene Decken oder Wiederbegrünung. (c) Die Städte sollten durch aktive Öffentlichkeitsarbeit und Förderprogramme dafür werben, dass auch private Gärten und Gebäude naturnäher gestaltet werden. (d) In Gewerbegebieten sollten Festlegungen über die naturnahe Gestaltung von Flächen und Gebäuden durch planerische Vorgaben und kommunales Recht (Satzungen) getroffen werden. (e) Naturerlebnisräume: Stadtbewohner haben ein großes Bedürfnis nach authentischem Naturerleben. Hierfür sollte auch das unmittelbare städtische Umland gute Angebote zur Verfügung stellen, z.B. durch: • Eine sehr naturnahe Bewirtschaftung der Stadtwälder • Naturerlebnisräume: Orte, die aufgrund ihrer Naturqualität oder Eigenart ein besonderes Naturerleben möglich machen. Die Stadt Zürich entwickelt in ihrem Stadtwald z.B. ein großes Urwaldreservat ohne forstliche Nutzung, um es als besonderen Erlebnisraum den Stadtbewohnern zur Verfügung zu stellen. Ein ähnliches Projekt wurde in der Nähe von Saarbrücken begonnen. • Einrichtung von Waldkindergärten und speziellen naturpädagogischen Diensten, z.B. naturkundliche Führungen, Pilzberatungen, Beobachtungsstände an Gewässern, Schutzgebiete, Naturerlebnispfade, naturnah gestaltete Tierfreigehege. 7. Zerschneidung der Landschaft durch Straßen Hauptziel: Die Zerschneidung von Landschaften und Lebensräumen durch Verkehrslinien muss gestoppt und eine Entschneidung der Landschaft eingeleitet werden. Verkehrstrassen bewirken nicht nur unmittelbar einen besonders hohen Flächenverbrauch, sondern verursachen als weit gravierendere Folgewirkung die Zerschneidung und Fragmentierung von Landschaft und Lebensräumen. Bundesfernstraßen sind mehr als andere Verkehrstrassen nur schwer zu überwindende Barrieren und zugleich „Todeszonen“ in Tierlebensräumen. Der für die genetische Vielfalt in Tierpopulationen wichtige Austausch mit benachbarten Populationen, der räumliche Wechsel zwischen Winter- und Sommerlebensräumen und die Fähigkeit, durch Migration verwaiste Lebens räume wieder zu besiedeln, wird durch das dichte Netz von Barrieren stark eingeengt oder vollständig unterbunden. Die isolierende und fragmentierende Wirkung von Straßen kann so zur schleichenden genetischen Verarmung und langfristig zum Erlöschen von Tierpopulationen führen. Die Dichte des Straßenverkehrs schließt zunehmend weite Bereiche unseres Landes als Lebensraum für Wirbeltiere mit größeren Aktionsradien (z.B. den Fischotter) aus. In keinem europäischen Land sind seit dem zweiten Weltkrieg so viele Straßen gebaut worden wie in Deutschland. Das Netz aller öffentlichen Straßen umfasst in Deutschland über 600 000 Kilometer Länge, das entspricht dem 15-fachen Äquatorumfang. Dennoch sieht der Bundesverkehrswegeplan bis zum Jahr 2012 eine Verdichtung des Bundesfernstraßennetzes (Autobahnen und Bundesstraßen) um mehr als 15% durch Neubau vor. Von Straßen unzerschnittene, verkehrsarme Räume mit mindestens 100 Quadratkilometer Flächengröße haben besonders in Westdeutschland dramatisch abgenommen. Der Trend hält weiter an. Galten in Bayern 1987 noch 33% der Landesfläche als unzerschnittener verkehrsarmer Raum, so sind es 1998 nur noch 19,6%. In Nordrhein-Westfalen drohen solche Flächen ganz zu verschwinden (1987: 7%; 1998: 3,3%). Zu den Straßen addieren sich noch die Netze der Eisenbahnlinien und Wasserstraßen, die beide für sich zu den dichtesten der Welt gehören. Je nach Bauart kann die Barrierewirkung von Bahnlinien und Wasserstraßen mit derjenigen von Bundesfernstraßen verglichen werden, meist ist sie jedoch deutlich geringer. Ziel 1: Der Neubau von Verkehrstrassen in Deutschland muss, bezogen auf den Automobilverkehr, mittelfristig gestoppt und, bezogen auf Eisenbahntrassen, auf wenige notwendige Projekte begrenzt werden. Handlungsbedarf und Forderungen • • Verkehrswende: An einer Wende in der Verkehrspolitik mit dem Ziel der Verkehrsvermeidung und der Verlagerung des Personen- und Güterverkehrs auf die Schiene und andere öffentliche Verkehrsträger führt kein Weg vorbei. Dies kann nur durch einen Instrumenten-Mix erfolgreich sein, z.B. durch: Höhere Belastung von Treibstoffen für Kraftfahrzeuge und Streichung der Kilometerpauschale im Rahmen der ökologischen Steuerreform, Straßenbenutzungsgebühren für LKW, Entlastung der Bahn durch Befreiung von den Streckenunterhaltungskosten, Ausbau und Attraktivierung des öffentlichen Personenverkehrs auch im ländlichen Raum. Der Ausbau des deutschen Straßennetzes muss, mit Ausnahme von wenigen Ortsumgehungsstraßen, als abgeschlossen angesehen werden. Aus dem Bundesverkehrswegeplan sollten daher alle Planungen für neue Bundesfernstraßen gestrichen werden. Der Ausbau von Wasserstraßen ist auf die Kanäle zu begrenzen, ein Neubau von Wasserstraßen und ein Ausbau von natürlichen Wasserstraßen ist nicht mehr vorzusehen. Ziel 2: Unzerschnittene, verkehrsarme Räume sind zu erhalten und durch die Raumordnung und Regionalplanung der Bundesländer mit ihren Potenzialen für den Artenschutz und die stille Erholung zu sichern. Handlungsbedarf und Forderungen (a) (b) (c) (d) (e) Flächen, die im Rahmen einer Tageswanderung ohne erhebliche Zerschneidungen oder Störungen durch Verkehrslärm durchlaufen werden können, sollten sowohl aus Gründen des Schutzes von Arten mit hoher Mobilität als auch als Orte für die Erholung und das stille Landschaftserleben erhalten werden. Nach Erfahrungswerten sind dies Räume von 10 000 ha und mehr. Die Erfassungen unzerschnittener, verkehrsarmer Räume aus den Jahren 1987 und 1997 durch das Bundesamt für Naturschutz sollten in Zukunft im Abstand von 10 Jahren aktualisiert und publiziert werden. Unzerschnittene, verkehrsarme Räume sind in den Raumordnungs- und Regionalplänen als Vorrangflächen für den Naturschutz und den Tourismus zu kennzeichnen und entsprechend zu sichern. In Ballungsräumen sind unzerschnittene, verkehrsarme Räume auch mit geringerem Flächenumfang (z.B. 5000 ha) zu berücksichtigen und entsprechend planerisch zu sichern. Ziel einer zukunftsgerichteten Verkehrspolitik muss es sein, die Anzahl der unzerschnittenen, verkehrsarmen Räume durch Rückbau unnötiger Verkehrstrassen zu erhöhen. Ziel 3: Die fragmentierende Barrierewirkung der vorhandenen Verkehrstrassen auf der Grundlage von bundes- und landesweiten Programms zur „Entschneidung“ von Barrieren und zur Offenhaltung von Räumen gemildert bzw. verhindert werden. Handlungsbedarf und Forderungen (a) Deutschland braucht ein umfassendes bundesweites „Entschneidungsprogramm“, vergleichbar mit den erfolgreichen Programmen in den Niederlanden und der Schweiz. Die Einrichtung von Grünbrücken und Wildtiertunneln an Gefahrenschwerpunkten und an Orten, an denen relevante Ökosysteme zerschnitten werden, muss zu einem gesetzlich festgeschriebenen Standard bei Neubauten und bei bestehenden Barrieren werden. Bestandteile dieser Programme müssen sein: Die Einrichtung von thematisch verantwortlichen Referaten in den Verkehrsministerien des Bundes und der Länder; Bereitstellung von ausreichenden Geldmitteln zur Planung und Durchführung von Maßnahmen; umfassende bundesweite Problemanalysen und Festlegung von Straßenabschnitten, in denen vorrangiger Handlungsbedarf besteht; Erstellung von Handlungsleitlinien über praktische technische Lösungen; Erstellung von Maßnahmenplänen. (b) Die Bundesländer müssen durch planerische Festsetzungen in Raumordnungs- und Regionalplänen stärker gewährleisten, dass großflächige unzerschnittene Räume, Ökosysteme von überregionaler Bedeutung und Korridore für wandernde Arten von jeder Bebauung und Zerschneidung ausgespart bleiben. In das Raumordnungsgesetz des Bundes und die Planungsgesetze der Länder müssen die Grundsätze zur Offenhaltung von bedeutenden Teilen der Landschaft sowie die Verpflichtung zu entsprechenden planerischen Festsetzungen aufgenommen werden. C. Ausgewählte Instrumente des Naturschutzes 1. Naturschutz braucht Akzeptanz Die Diskussion über mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung für bestimmte Naturschutzmaßnahmen beschäftigt seit Jahren die Literatur und Politik des Naturschutzes. Ausgelöst wurde sie vorwiegend durch raumbedeutsame Maßnahmen wie die Ausweisung von zahlreichen Großschutzgebieten und die von Unkenntnis und Fehlinformationen begleitete Umsetzung der FFH-Richtlinie der EU in Deutschland. Hieraus zu schließen, der Naturschutz hätte ein allgemeines Akzeptanzdefizit in der Gesellschaft, wäre jedoch eine falsche Folgerung. Zahlreiche Indikatoren weisen darauf hin, dass der Stellenwert von intakter Natur und die Bedeutung, die dem Schutz von Arten und Lebensräumen beigemessen wird, immer noch sehr groß sind. Orte mit naturnahen Lebensräumen, vor allem Nationalparke, Biosphärenreservate und Naturschutzgebiete, sind beliebte Naherholungs- und Freizeitorte im Inland. Entgegen bundesweiter Trends bei anderen nichtstaatlichen Non-Profit-Organisationen, steigen die Mitgliederzahlen der Naturschutzverbände, die Spendenaufkommen bleiben konstant. Naturund Tiersendungen im Fernsehen sind Quotenbringer zu bester Sendezeit. Auch das allgemeine Umweltbewusstsein und die Bedeutung von Umweltschutz hält sich trotz ungünstiger politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen in den letzten Jahren auf hohem Niveau. Dass Umweltprobleme in Umfragen bei den Bundesbürgern nicht mehr vor der Arbeitslosigkeit als größtes Problem rangieren, muss niemanden irritieren. Dennoch hat der Naturschutz ganz offensichtlich Probleme bei der Umsetzung und Vermittlung seines Anliegens. Die Ursachen sind aber nicht in einer allgemeinen gesellschaftlichen Verzagtheit zu suchen, sondern kristallisieren sich sehr viel spezifischer an den Methoden und Eigenarten des Naturschutzes, und auch an seinem Erfolg. In dem Maße, wie die Naturschutzfläche in den letzten Jahrzehnten angewachsen ist, hat sich die Gegenreaktion bei Landnutzern, Interessenverbänden und Politikern vermehrt und zunehmend besser organisiert. Auf diese, in einer offenen Gesellschaft grundsätzlich normale Reaktion, hat der staatliche und private Naturschutz noch keine erfolgversprechende Antwort gefunden. An Problemanalysen und Lösungsvorschlägen mangelt es hingegen nicht, auch nicht an positiven Fallbeispielen. Der NABU fasst diese Erkenntnisse in folgenden Thesen zusammen: • Naturschutz muss erfolgreich sein Ein erfolgloser Naturschutz kann keine Unterstützung erwarten, wird keine Mitglieder, Sponsoren und politische Rückendeckung erlangen. Die Empfehlung, der Naturschutz möge bescheidenere Ziele setzen und weiche Vorgaben machen, führt in die Sackgasse. • Naturschutz muss Menschen durch Information und Naturerleben für seine Arbeit gewinnen Vielerorts wird der Naturschutz als menschenfeindlich und gesellschaftsfremd wahrgenommen. Zu seinen allgegenwärtigen Hilfsmitteln gehören Verbotsschilder, denen oft erläuternde Informationen fehlen und die obendrein nicht selten in einem ungepflegten Zustand sind. Schutzgebiete und andere Orte des Naturschutzvorrangs müssen statt dessen über ihren Zweck informieren, Besucher zum Beobachten einladen, und Orte der Sympathie- und Mitgliederwerbung durch persönliche Ansprache sein. Um Menschen aktiv an schutzwürdigen Orten so zu lenken, dass kein Schaden für das Gebiet entsteht, müssen diese Gebiete ausreichend groß sein, mit ansprechenden Besucherinfrastrukturen (Beschilderung, Wege, Infotafeln, ggf. Infozentren) versehen sein und personell betreut werden. • Naturschutz muss auch dem Wohle der örtlichen Bevölkerung dienen Dies setzt einen fairen Ausgleich von harten Einschränkungen voraus, die Landnutzer und eigentümer durch Naturschutzrestriktionen erfahren. Zu diesem Zweck sind spezielle Förderprogramme aufzulegen, die Agrarumweltprogramme und das Instrument des Vertragsnaturschutzes auszuweiten. Naturschutz kann darüber hinaus auch dazu beitragen, regionale Wirtschaftskreisläufe zu beleben und die Attraktivität einer Region als Wohnort, Wirtschaftsstandort, Freizeit- und Urlaubsort zu steigern. • Naturschutz darf nicht länger auf eine „von oben“ verordnete Durchsetzung hoffen Naturschutzprojekten, die auf hoher politischer oder administrativer Ebene ohne ausreichende Einbeziehung der örtlichen Bevölkerung durchgesetzt werden, drohen Akzeptanzprobleme. Größere Naturschutzprojekte werden in Zukunft nur noch durchsetzbar sein, wenn ein bedeutender Teil der örtlichen Bevölkerung diese mitträgt. Dies setzt die Findung von wichtigen Interessensverbündeten ebenso voraus wie eine bessere Vermittlung der Schutzziele und Wohlfahrtswirkungen, die Einbeziehung der örtlichen Bevölkerung in die Planungen und die Berücksichtigung von berechtigten Bedenken. Die Vision muss ein Naturschutz sein, der „von unten“ gewollt wird, weil die örtliche Bevölkerung sich davon eine Steigerung ihrer Lebensqualität verspricht. • Dem Naturschutz fehlt es an Kommunikation und Präsenz in der Gesellschaft Im öffentlichen Leben Deutschlands findet er nur einen geringen Niederschlag. Die Massenmedien berichten meist nur in Konfliktfällen, nur sehr wenige prominente Personen setzen sich in der Öffentlichkeit für den Naturschutz ein, und auch im staatlichen wie privaten Naturschutz sind exponierte Vertreter mit guten kommunikativen Fähigkeiten selten. Konflikte entzünden und entschärfen sich häufig durch die Art des Auftretens der beteiligten Personen. Hierbei wirkt sich besonders negativ aus, dass der Naturschutz in der Fläche mit professionellem Personal völlig unterbesetzt ist. Vor Ort, bei Projekten und Schutzgebieten fehlen die Personen, die informieren und Konflikte schlichten könnten. • Größere Naturschutzprojekte bringen wirtschaftliche Vorteile für die Region Größere Naturschutzprojekte, wie zum Beispiel die Biosphärenreservate der neuen Länder oder der Nationalpark Bayerischer Wald, ziehen erhebliche Investitionen in Verwaltungen, Infrastrukturen und Landschaftspflege nach sich. Sie erhöhen den Bekanntheitsgrad unbekannter Regionen und setzen weitere wichtige Impulse für den Fremdenverkehr. In ihren Regionen sind besonders Großschutzgebiete bedeutende Wirtschaftsfaktoren und oft der größte Arbeitgeber. Diese positiven wirtschaftlichen Aspekte müssen offensiver als bisher vermittelt werden. • Naturschutz braucht mehr privates Engagement Der Flächenschutz wird in Deutschland praktisch ausschließlich vom staatlichen Handeln dominiert und wird nicht selten von untauglichen, politisch vorgegebenen Kompromissen bestimmt. In den Niederlanden und Großbritannien konnte durch ein starkes Engagement von privaten Naturschutzorganisationen bei der Schutzgebietsbetreuung eine effektivere Verwaltung, eine flächendeckende personelle Betreuung, eine bessere Schutzzielerfüllung und eine glaubwürdigere Außendarstellung ein hohes Maß an Akzeptanz erreicht werden. In Deutschland darf es nicht darum gehen, den Staat (vor allem die Länder) aus seiner Verantwortung zu entlassen, sondern die Qualität und Flächenmenge von gesicherten Lebensräumen durch ein zusätzliches Engagement von Verbänden zu vergrößern. • Verbesserung und Intensivierung der Umweltbildung Naturverständnis in der Bevölkerung ist auf Dauer nur durch breitere Bildungsangebote über die Vielfalt in der Natur und zu ökologischen Zusammenhängen zu sichern. Bildungseinrichtungen (Kitas, Schulen, Volkshochschulen, Naturschutzzentren) und Einrichtungen zur Lehrer- und Erzieherausbildung sind aufzufordern, sich verstärkt und regelmäßig der freilandbiologischen und ökologischen Grundausbildung zu widmen. Lehr- und Ausbildungspläne sind für alle Bildungsebenen zu erweitern und zu präzisieren bzw. in der Praxis verstärkt umzusetzen. • Ankauf naturschutzrelevanter Flächen zur Konfliktvermeidung Auch die Wahl der richtigen Naturschutz-Instrumente kann zur Konfliktvermeidung beitragen. Besonders durch den Ankauf von Naturschutzflächen durch Bundesländer oder Naturschutzverbände können typische Interessenkonflikte mit Grundeigentümern dauerhaft ausgeschlossen werden. 2. Ordnungsrecht und Vertragsnaturschutz als Bestandteile einer Naturschutzstrategie Das NABU-Naturschutzkonzept legt einen Schwerpunkt auf die flächendeckende Einbeziehung von Schutzfunktionen in die Landnutzung. Diese muss durch ordnungsrechtliche Vorgaben wie die Grundsätze einer naturverträglichen guten fachlichen Praxis ebenso realisiert werden wie durch marktwirtschaftliche Mechanismen zur Förderung des Ökolandbaus, durch Agrarumweltprogramme und freiwillige Handlungen auf der Grundlage eines gestiegenen Umweltbewusstseins. Den naturschutzrechtlich zu verankernden Grundsätzen der „guten fachlichen Praxis“ der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft kommt dabei die Rolle zu, einen unverzichtbaren, sozialverträglichen Mindeststandard auch in ökologischer Sicht zu definieren. Dieser muss von allen Landnutzern entschädigungsfrei eingehalten werden und sollte wesentliche Anliegen des Landschafts- und Naturschutzes beinhalten. Darüber hinaus gehende Nutzungseinschränkungen durch Anforderungen des Naturschutzes können durch spezielle Förderprogramme oder vertragliche Vereinbarungen abgefedert werden. Einen gesetzlichen Anspruch auf Ausgleichszahlungen kann es hingegen nur für unzumutbare Einschränkungen geben, die über die verfassungsrechtliche Sozialbindung des Eigentums hinausgehen. Vertragsnaturschutz Durch vertragliche Vereinbarungen können Naturschutzmaßnahmen im Einvernehmen mit betroffenen Grundbesitzern durchgeführt werden. Zu den Vorteilen des Vertragsnaturschutzes gehören die bessere Akzeptanz bei Landnutzern und die Tatsache, dass im Unterschied zur Ausweisung von Schutzgebieten keine jahrelangen Ausweisungsverfahren notwendig sind. Vertragsnaturschutz ist vor allem geeignet, punktuelle, kleinflächige Problemlösungen zu erzielen und, flankierend zum Ordnungsrecht, Fragen einer naturschutzkonformen Landnutzung zu regeln. Vertragliche Vereinbarungen entfalten jedoch keine verbindlichen Wirkungen gegenüber Dritten, den umfassenden, gegenüber jedermann gültigen Schutz von Schutzgebieten bieten sie nicht. Darüber hinaus haben vertragliche Vereinbarungen meist nur eine sehr begrenzte zeitliche Laufdauer, was dem Erfordernis des langfristiges Schutzes von gefährdeten Lebensgemeinschaften widerspricht. Eine in den Naturschutzgesetzen verankerte pauschale Vorrangstellung des Vertragsnaturschutzes gegenüber Schutzgebieten lehnt der NABU daher ab. Ausweisung von Schutzgebieten Die Ausweisung von Schutzgebieten bleibt sinnvoller Weise auf Funktionen beschränkt, die eine ökologische Landnutzung und ein in die Landnutzung integrierter Naturschutz nicht erfüllen können. Vor der Ausweisung eines Schutzgebietes muss die Frage stehen, ob der angestrebte Schutzzweck nicht auch gleich gut durch weniger restriktive und aufwendige Naturschutzinstrumente erreicht werden kann. Für den Schutz besonders hochwertiger Naturobjekte und besonders weitgehender Schutzziele verbleibt die rechtliche Sicherung als adäquates und unverzichtbares Instrument. Die Ausweisung von strengen Schutzgebietskategorien (NSG, Nationalpark) empfiehlt sich vor allem für die folgenden Schutzfunktionen: • Die natürliche Dynamik und die Strukturenfülle von naturbelassenen Ökosystemen können nur durch einen großflächigen Ausschluss von menschlicher Einflussnahme gewährleistet werden. • Der Fortbestand von Populationen stark gefährdeter Arten und Lebensraumtypen, die besonders empfindlich auf menschliche Störungen, Nutzungsänderungen und Veränderungen im Naturhaushalt (z.B. Entwässerung, Düngung) reagieren, hängt von dauerhaft günstigen Rahmenbedingungen ab, die sich im Regelfall nur in Schutzgebieten zuverlässig verwirklichen lassen. Durch diese enge Funktionenzuweisung wird verständlich, dass Schutzgebiete hochrangige Vorrangflächen sein müssen, die keine Kompromisse beim Flächenzuschnitt und beim Management zulassen. Die bisherige Praxis der Ausweisung von Naturschutzgebieten zeichnet sich hingegen durch die Ausweisung vieler zu kleiner und oft falsch abgegrenzter Schutzgebiete, durch ungenügende Schutzbestimmungen und zu freizügige Ausnahmeregelungen in den Schutzgebietsverordnungen sowie mangelnde Überwachung und Pflege aus. Überregionale Schutzgebietsplanungen mit fachlich fundierter Prioritätensetzung für gefährdete Ökosystemtypen und Systeme zum Schutz repräsentativer Ökosysteme liegen in den meisten Bundesländern nicht vor. Der NABU fordert daher den wirkungsvollen Schutz der Natur in Naturschutzgebieten. Dies soll sicher gestellt werden durch: • Die Sicherung möglichst großer Flächen. Der NABU empfiehlt, bei der Auswahl der rechtlich zu sichernden Flächen vorrangig die großflächigen ökologisch wertvollen Lebensräumen zu berücksichtigen; • Die Ausschaltung von außen einwirkender Störungen durch Zonierung, Nutzungsbeschränkung oder Arrondierung; • Die konsequente Verankerung der Naturschutzziele in der Schutzgebietsverordnung, konsequente Unterbindung von Störungen, naturverträgliche Ausgestaltung von Nutzungen; • Die hauptamtliche Betreuung und Überwachung der Schutzgebiete durch Fachpersonal; • Die wissenschaftliche Erfolgskontrolle der Schutzzielerfüllung und Monitoring • Die Aufstellung und effektive Verwirklichung von Pflege- und Entwicklungsplänen. 3. Flächenkauf als Instrument des Naturschutzes Der Ankauf von Lebensräumen durch Naturschutzverbände oder die öffentliche Hand ist oft der einzige Weg, um Natur dauerhaft und zuverlässig zu sichern. Strenge Schutzgebiete ohne wirtschaftliche Nutzung konnten in Deutschland, unabhängig von der Flächengröße, bislang praktisch nur im öffentlichen Eigentum umgesetzt werden. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Wo der Schutz von seltenen, besonders sensiblen Lebensgemeinschaften Vorrang haben soll, ist eine intensive oder „normale“, auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtete land- oder forstwirtschaftliche Nutzung auszuschließen. Konflikte mit Grundbesitzern und Landnutzern sind dadurch kaum zu vermeiden. Für die Schutzgebietsverwaltungen besteht die Gefahr, dass sie zu einem steten, kraftraubenden Konfliktmanagement gezwungen werden, weil Landnutzer hartnäckig versuchen, die Verbote und Gebote der Schutzgebietsverordnung zu unterlaufen, öffentlich Stimmung gegen die Schutzgebiete machen und notwendige Schutzmaßnahmen durch mangelnde Kooperation unterbinden. Aus diesen Gründen hat der Ankauf bedrohter Lebensräume im NABU Tradition. Heute besitzt der NABU über 5000 Grundstücke in ganz Deutschland. Mit der Gründung der „NABU-Stiftung Nationales Naturerbe“ im September 1998 hat der NABU eine Voraussetzung zur Sicherung großer, national bedeutender Lebensräume ge- schaffen. Die Zeit für die Flächensicherung drängt, denn besonders in den neuen Bundesländern stehen mit den Flächen der Braunkohletagebaue, ehemaligen Truppenübungsplätzen und den Schutzgebieten im Eigentum der BVVG (ehem. Treuhandanstalt) große Naturareale zu niedrigen Grundstückspreisen zum Verkauf oder zur unentgeltlichen Übernahme an. Aber auch in den westlichen Bundesländern wird trotz zumeist höherer Grundstückspreise der Ankauf von wertvollen Naturobjekten in vielen Fällen sinnvoll sein. In zahlreichen europäischen Ländern (z.B. Niederlande, Großbritannien) ist der Flächenkauf durch private Naturschutzorganisationen ein Erfolgsmodell. Gründe des Erfolgs sind: • Naturschutzverbände managen die Schutzgebiete mit höchster Motivation und stellen dadurch eine weitgehende Erfüllung der Schutzziele sicher, dies wirkt sich auch auf die positive Außendarstellung der Gebiete und eine bessere Akzeptanz aus. • Naturschutzverbände können mit privatwirtschaftlichen Organisationsformen arbeiten, d.h. effektiver und kostengünstiger als die an öffentlich-rechtliche Haushaltsvorschriften gebundene staatliche Verwaltung. • Naturschutzverbände können auf das Engagement motivierter ehrenamtlicher Mitarbeiter, z.B. bei der Gebietsbetreuung vor Ort, zurückgreifen, was wichtig für Schutzzielerfüllung und Akzeptanz zugleich ist. 4. Die Neuanlage von Lebensräumen Die aktive Neuanlage oder Umgestaltung von Lebensräumen nimmt in der Arbeit von örtlichen Naturschutzgruppen einen erheblichen Anteil ein. Zahlreiche Initiativen des gestaltenden Naturschutzes gehen auch auf Naturschutzbehörden oder Bauträger zurück, die Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen zu leisten haben. Durch die Anpflanzung von Hecken, Gehölzen, Streuobstwiesen, die Anlage und Umgestaltung von Stillgewässern, die Renaturierung von Bachläufen und viele andere gestaltende Maßnahmen konnte vielerorts ein Teil der verloren gegangenen Vielfalt an Strukturen und Lebensräumen in der Landschaft wieder hergestellt werden. Neuanlage kann und soll jedoch kein Allheilmittel des Naturschutzes sein, weil ihre Wirkungsweisen begrenzt sind: • Sie kann nicht zum Schutz von Lebensräumen beitragen, die zu ihrer Entstehung oder zur charakteristischen Ausdifferenzierung lange Zeiträume benötigen, z.B. alte Wälder, alte Gehölze, Hochmoore. • Entscheidend für den Erfolg von Biotopneuanlagen ist das Besiedlungspotenzial der umgebenden Landschaft und - bezogen auf die Vegetation - der Diasporenvorrat (Samen) im Boden. Viele stark gefährdete Tier- und Pflanzenarten haben eine sehr geringe Befähigung zur Besiedlung neuer Lebensräume. Solche stenotopen Arten profitieren so gut wie nicht von der Neuanlage von Lebensräumen, es sei denn diese sind eng mit aktuellen Vorkommen der betreffenden Arten vernetzt oder sie werden vom Menschen künstlich eingebracht. • Die Neuanlage von Biotopen kann die großräumige Verarmung der Landschaft an Strukturen und Lebensräumen durch intensive Nutzung nicht aufhalten. Für die Neuanlage von Lebensräumen sprechen hingegen die zahlreichen Erfolge von Naturschutzmaßnahmen. Die Situation der Lebensgemeinschaften kleiner Stillgewässer (Tümpel und Weiher) wäre in Deutschland erheblich kritischer, mehrere Tausend Kilometer Hecken und Zehntausende von Hochstammobstbäumen wären nie gepflanzt worden, Tausende Hektar von Mooren wären nicht wiedervernässt und ungezählte Kilometer an Fließgewässern nicht renaturiert. Der mitunter als „Pritzelkram“ bezeichnete gestaltende Naturschutz, vorwiegend getragen durch örtliche Gruppen, summiert sich im Laufe der Jahre zu einer beeindruckenden Gesamtleistung. Der NABU, der über das bundesweit größte Netzwerk an aktiven Naturschutzgruppen vor Ort verfügt, hat einen bedeutenden Anteil hieran. Aus den Erfahrungen mit der Neuanlage von Lebensräumen lassen sich einige Kritierien ableiten, die bei zukünftigen Projekten berücksichtigt werden sollten: • Durch die Neuanlage von Biotopen dürfen keine bestehenden wertvollen Lebensräume verdrängt oder negativ beeinträchtigt werden. Im Zweifel müssen die am Standort vorhandenen Lebensräume und Lebensgemeinschaften Vorrang haben und auf eine Maßnahme verzichtet werden. • Bei der Beschaffung von , ist auf die regionale Herkunft des Pflanzguts und auf eine standorttypische Gehölzartenauswahl zu achten. • Sofern sich ein angezielter Lebensraumtyp oder Entwicklungszustand einer Projektfläche auch durch natürliche Sukzession entwickeln kann, sollte dieses Verfahren in der Regel Vorrang vor gestaltenden Maßnahmen haben. • Die Wiederherstellung von Lebensräumen, die zu ihrer Entstehung lange Zeiträume benötigen, erfolgt sinnvoller Weise im engen räumlichen Verbund mit bestehenden Vorkommen oder durch Regeneration von entwicklungsfähigen Relikten oder gestörten Ausprägungen des Lebensraumtyps. 5. Die Wiederansiedlung gefährdeter Tier- und Pflanzenarten In den letzten Jahrzehnten konnte eine Reihe von regional ausgestorbenen Arten durch erfolgreiche Aussetzungsaktionen wieder in verwaiste Lebensräume eingebürgert werden. Gelungen ist in Mitteleuropa z.B. die Wiederansiedlung von Bibern, Steinböcken, Luchsen und Uhus. Derartige Aktionen genießen in der Öffentlichkeit oft hohes Ansehen, erwecken aber leicht den Eindruck, die Ausrottung von Arten sei mittels Zucht und Wiederansiedlung immer wieder zu reparieren. Tatsächlich sind die Aussterbeprozesse der meisten Arten endgültig und ein Großteil der Wiederansiedlungsprojekte der Vergangenheit ist gescheitert. Aus diesem Grund und wegen der hohen Kosten sollten Wiederansiedlungsprojekte auf Fälle beschränkt bleiben, die unabdingbar für das Überleben einer Art in der Natur sind. Weitere wichtige Mindestvoraussetzungen für die Wiederansiedlung von Tier- und Pflanzenarten müssen sein: • Vor der Aussetzung müssen die Ursachen des Erlöschens bzw. des Rückgangs der betreffenden Art am Ort der geplanten Wiederansiedlung untersucht worden sein und es muss feststehen, dass diese Ursachen nicht fortwirken. Jedes Wiederansiedlungsprojekt muss zeitlich begrenzt sein, der Verlauf einer Wiederansiedlung ist umfassend zu dokumentieren und zu evaluieren. • Arten dürfen nur innerhalb ihres gegenwärtigen oder historischen Verbreitungsgebietes wieder angesiedelt werden, sofern die betreffende Art trotz intensiven Schutzes ihrer Restbestände nicht in der Lage ist (in absehbarer Zeit), auf natürliche Weise ihre früheren Vorkommensgebiete wiederzubesiedeln. • Zur Aussetzung sollen nur Tiere oder Pflanzen gelangen, die genetisch der ehemaligen Population entsprechen oder nahe verwandt sind. Beschaffung und Aussetzung müssen in Übereinstimmung mit den geltenden nationalen und internationalen Artenschutzbestimmungen erfolgen. 6. Ökologische Flurneuordnung Die Folgen der früheren Flurbereinigungsverfahren sind durch eine ökologische Flurneuordnung teilweise wieder rückgängig zu machen. Das Flurbereinigungsgesetz ist mit den Zielen zu novellieren, die landwirtschaftliche Nutzfläche mit landschaftstypischen Strukturelementen wieder einzurichten, die weitere Versiegelung, Zerschneidung und Zerstörung unserer Landschaften zu verhindern, die Wiedervernässung ehemals feuchter Landschaften zu befördern und den Anteil der Waldfläche sowie von Naturschutz-Vorrangflächen an geeigneten Stellen zu erhöhen. In den Auen von Fließgewässern sollte durch Flurneuordnung (Flächentausch) die Einrichtung von Gewässerrandstreifen (z.B. 30 m) ohne Landnutzung und breiten Korridoren zur Gewährleistung der Überschwemmungsdynamik ermöglicht werden. 7. Öko-Bilanzen Für wesentliche Umwelt-Parameter sind grundsätzlich in regelmäßigen Abständen Ökobilanzen aufzustellen, wie dies für ökonomische Bilanzen auf allen Ebenen der Gesellschaft seit langem üblich ist. Zur Verbesserung der Bilanzen ist ein Bonus/Malus-System zu entwickeln. Als Beispiele sind zu nennen: Versiegelungsbilanzen Wie viel Fläche wurde in einem Jahr / in fünf Jahren neu versiegelt und welche Fläche wurde entsiegelt? Nachweise zur Minimierung der Eingriffe und zu den erfolgten Ausgleichsmaßnahmen müssen vorgelegt werden. Landesweit gehört dazu auch die Fortschreibung einer Bilanz der von Verkehrswegen nicht zerschnittenen größeren Lebensräume. Artenbilanzen In regelmäßigen Abständen (alljährlich oder alle fünf Jahre) sind für ausgewählte Artengruppen und für abgegrenzte Räume bzw. für Referenzflächen Artenbilanzen aufzustellen, vorrangig für alle größeren Schutzgebiete, stichprobenartig auch in ungeschützten Bereichen. 8. Öko-TÜV Entsprechend der regelmäßigen technischen Überprüfung von Maschinen und Verfahren durch den Technischen Überwachungsverein fordert der NABU eine Prüfstelle für die ökologische Verträglichkeit von Maschinen und Verfahren (Öko-TÜV), so dass in angemessenen Zeiträumen eine umweltverträgliche Weiterentwicklung erzwungen werden kann, z. B. bei • landwirtschaftlichen Maschinen zur Grabenräumung und zur Mahd (Kreiselmäher, Scheibenmäher) • bei der Auswahl des Lichtspektrums von Außenbeleuchtungsanlagen, Bevorzugung von Gelblicht vor allem in ökologisch sensiblen Zonen, • bei der Beseitigung gefährlicher Tierfallen an Strommasten, an Glaswänden, bei Bordsteinen oder an Gullys. Wo gravierende ökologische Gefährdungspotenziale bekannt sind - wie bei den oben genannten Beispielen - müssen Mindeststandards festgesetzt und in einer bestimmten Frist in die Praxis umgesetzt werden. 9. Umweltbeobachtung und Monitoring der biologischen Vielfalt. Eine Bewertung des Zustandes der biologischen Vielfalt in Deutschland ist derzeit nur durch die Zusammenfassung des weitgestreuten Fachwissens von Experten möglich. Eine systematische bundesweite Umweltbeobachtung, die in der Lage wäre, qualitative und quantitative Veränderungen in Ökosystemen und den Populationen wildlebender Tier- und Pflanzenarten zu ermitteln und langfristige Entwicklungstrends festzustellen, existiert nicht. Als wissenschaftliche Grundlage für Strategien und Politik des Naturschutzes sind gesicherte bundesweite Erkenntnisse über den aktuellen Stand der biologischen Vielfalt und die Ursachen von Veränderungen unverzichtbar. Bund und Länder müssen daher ein bundesweites Biomonitoring von Landschaften, Ökosystemen und wildlebenden Pflanzenund Tierarten etablieren. Diese soll Aussagen darüber treffen können, ob bei der momentanen Intensität menschlicher Eingriffe die biologische Vielfalt mittelfristig gesichert werden kann und welche Folgerungen für die Naturschutzpolitik sich aus den beobachteten Entwicklungen abgeleitet werden müssen. Dies erfordert neben einer systematischen Beobachtung der Bestände wildlebender Arten auch die Einrichtung repräsentativer Dauerbeobachtungsflächen mit international standardisierter Methodik sowie eine parallel verlaufende Erfassung und Analyse der Umweltsituation (z.B. Immissionen, Klimadaten, technische Eingriffe in die Landschaft u.a.). Die drei Hauptaufgabenbereiche der Dauerbeobachtung und Überwachung sind: • Entwicklung bzw. Veränderung der Gesamtlandschaft einschließlich der Bestands- und Strukturänderung von Biotopen und Lebensgemeinschaften, • Struktur- und Funktionsänderungen von Ökosystemen, • Bestandsentwicklung und Populationsveränderungen von wildlebenden Pflanzen- und Tierarten. 10. Erfolgskontrolle An einer regelmäßigen und fachlich fundierten Überprüfung der Wirksamkeit von Instrumenten und Maßnahmen des Naturschutzes mangelt es. Der Naturschutz kommt nicht umhin, seine Arbeitsweise stärker als bisher nach folgenden Fragestellungen zu überprüfen: • Wie erfolgreich ist ein bestimmtes Naturschutzhandeln (Instrumente, konkrete Maßnahmen) überhaupt; wie wirken sich Maßnahmen des Naturschutzes auf die verschiedenen Komponenten der biologischen Vielfalt aus? Werden gesetzte Ziele erreicht? • Wie effizient ist der Mitteleinsatz? Erfolgskontrollen setzen voraus, dass Ziele klar definiert werden, Maßnahmen und Ergebnisse dokumentiert und ausgewertet werden. Auch diese Voraussetzungen werden von der Naturschutzpraxis in Deutschland oft nicht erfüllt. Die Erfolgskontrolle sollte daher mindestens für alle größeren naturschutzrelevanten Planungen gesetzlich etabliert werden. NABU-LANDESVERBÄNDE NABU Baden-Württemberg Tübinger Straße 15, 70178 Stuttgart Telefon: 07 11.9 66 72-0, Telefax: 07 11.9 66 72-33, E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU-BW.de NABU-Partner Bayern - Landesbund für Vogelschutz (LBV) Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein Telefon: 0 91 74.47 75-0, Telefax: 0 91 74.47 75-75, E-Mail: [email protected] Internet: www.LBV.de NABU Berlin Hauptstraße 13, 13055 Berlin Telefon: 0 30.9 86 41 07, Telefax: 0 30.9 86 70 51, E-Mail: [email protected] Internet http://home.t-online.de/home/NABU.Berlin/home.htm NABU Brandenburg Heinrich-Mann-Allee 93a, 14478 Potsdam Telefon: 03 31.81 04-27 und -34, Telefax: 03 31.86 08 36, E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU.de/Brandenburg NABU Bremen Contrescarpe 8, 28203 Bremen Telefon: 04 21.3 39 84-28, Telefax: 04 21.3 39 84-29, E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU-Bremen.de NABU Hamburg Habichtstraße 125, 22307 Hamburg Telefon: 040.69 70 89-0, Telefax: 040.69 70 89-19, E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU-Hamburg.de NABU Hessen Garbenheimer Straße 32, 35578 Wetzlar Telefon: 0 64 41.4 50 43 Telefax: 0 64 41.4 39 57, E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU-Hessen.de NABU Mecklenburg-Vorpommern Zum Bahnhof 24, 19053 Schwerin Telefon: 03 85.7 58 94-81, Telefax: 03 85.7 58 94-98, E-Mail : [email protected] Internet: www.NABU-MV.de NABU Niedersachsen Calenberger Straße 24, 30169 Hannover Telefon: 05 11.9 11 05-0, Telefax: 05 11.9 11 05-40, E-Mail: [email protected] NABU Nordrhein-Westfalen Merowingerstraße 88, 40225 Düsseldorf Telefon: 02 11.15 92 51-0, Telefax: 02 11.15 92 51-15, E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU-NRW.de NABU Rheinland-Pfalz Frauenlobstraße 15-19, 55118 Mainz Telefon: 0 61 31.1 40 39-0, Telefax 0 61 31.1 40 39-28, E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU-RLP.de NABU Saarland Antoniusstraße 18, 66822 Lebach Telefon: 0 68 81.9 36 19-0, Telefax: 0 68 81.9 36 19-11, E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU-Saar.de NABU Sachsen Löbauer Straße 68, 04347 Leipzig Telefon: 03 41.2 41 19 92 oder 03 41.23 33 13-0, Telefax: 03 41.23 33 13-3 E-Mail: [email protected], Internet: www.NABU-Sachsen.de NABU Sachsen-Anhalt Schleinufer 18a, 39104 Magdeburg Telefon: 03 91.5 61 93-50, Telefax: 03 91.5 61 93-49, E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU-LSA.de NABU Schleswig-Holstein Carlstraße 169, 24537 Neumünster Telefon: 0 43 21.5 37 34, Telefax: 0 43 21.59 81, E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU-SH.de NABU Thüringen Dorfstraße 15, 07751 Leutra Telefon: 0 36 41.60 57 04, Telefax: 0 36 41.21 54 11, E-Mail: [email protected]