6[1].Kapitel

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6. Preisniveaustabilität und Inflation
6.1 Was bedeutet Preisniveaustabilität?
Wenn alle Preise von einer Periode (Pt-1) zur nächsten Periode (Pt) um den gleichen
Betrag steigen, dann ist es nicht schwierig, die Inflationsrate (als Veränderungsrate
Pt − Pt −1
) zu definieren. Entwickeln sich aber z.B. die Preise von Schuhen, Wasser,
Pt
oder Weihnachtsbaumkugeln nicht in die gleiche
Richtung, so müssen deren
Preisveränderungen mit einem relativen Gewicht für die Häufigkeit des Kaufes
versehen werden. Die gewichtete Summe dieser Preisveränderungen wird als
Preisindex bezeichnet. Unter
Pt und Pt-1 werden demnach viele Einzelpreise
subsummiert.
Wird die Inflationsrate z.B. vom Statistischen Bundesamt angegeben, so richtet sich
deren Angabe auf eine, nach den Konsumgewohnheiten eines mittleren Haushaltes
gewichtete Summe aus Preisänderungsraten.
Je nach Interessenlage sind in einem Preisindex unterschiedliche Güter in
verschiedenen Mengen enthalten. Da sich aber die umgesetzten (Produzentenindex)
bzw. konsumierten (Konsumgüterindex) Mengen von Gütern im Zeitablauf ändern,
stellt sich die Frage, welche Mengen als Gewichte benutzt werden sollten.
In der klassischen Theorie unterscheidet man folgende zwei Standardindizes:
N
LI =
N
∑p
qi ,t0
∑p
qi,t 0
i =1
N
1
i ,t
i, t0
(Laspeyres Index) ,
PI =
∑p
qi ,t
∑p
qi,t
i =1
N
i ,t
i, t0
i =1
(Paasche Index)
i =1
wobei pi der Preis des Gutes i, qi die Menge des Gutes und to als Zeitindex für die
Basisperiode bzw. t für die Berichtsperiode steht.
Ein Laspeyres Konsumgüterindex fragt also: Wie viel mehr hätte es im Jahr 1999
gekostet, die Gütermenge von 1998 zu kaufen?
Beispielsweise stellt der Preisindex der Lebenshaltung einen Güterindex dar, dessen
Gewichte
1
und
berücksichtigte
Waren
Vgl. Laspeyres (1871) und Paasche (1874)
1
alle
5
Jahre
den
veränderten
Konsumgewohnheiten
entsprechend
angepasst
wird
(also
1990,1995…). Die Zusammensetzung veranschaulicht folgende Tabelle:
Gewichtung des Preisindex für die Lebenshaltung
Quelle: Stat. Bundesamt
Daraus ermittelt man folgende Inflationsraten:
Preisindex und Inflationsrate, Altmann (2000), S.153
2
Basisperioden
Während dieser Index bei den Tarifverhandlungen einen entscheidende Rolle spielt,
hat der Index der Erzeugerpreise (Preise für Rohmaterialen und halbfertige Güter),
der ebenso ein Laspeyres Index ist, eine ganz andere Funktion: Da die Preise der
Fertig- und Konsumgüter sich nach der Produktion auch nach einem entsprechenden
Zeitraum
(Vertragsanpassung,
neue
Preisauszeichnungen
etc.)
nach
den
Erzeugerpreisen richten ( Kosteneinflussfaktor), dient dieser Index der Prognose für
zukünftige Preisentwicklungen.
Der Paasche Index fragt: Wieviel mehr hätte es 1999 gekostet, die Gütermenge von
1999 zu kaufen, verglichen mit 1998?
Unter Umständen gab es die Güter 1998 nicht, so dass die Konstruktion im Einzelnen
ein Problem darstellen kann. Diesem Problem wird bei dem folgenden Index aus dem
Weg gegangen, der lediglich die aggregierte Menge an Gütern betrachtet:
Pt =
BIPt inlaufende n Pr eisen
BIP t zu − Pr eisen − desVorjahres
Der Index Pt wird als BIP Deflator bezeichnet und umfasst alle Güter, die in einer
Volkswirtschaft erzeugt werden. Er hat den Vorteil, einen variablen Warenkorb zu
erfassen
und
somit
auch
Substitutionseffekte
bei
relativen
Preis-
oder
Geschmacksveränderungen zwischen den Gütern zu beinhalten.
Auf der Basis der Veränderungen solcher Preisindizes lassen sich Inflationsraten
berechnen. Allerdings sollte man aus folgenden Gründen vorsichtig sein, sie einfach
als Indikatoren der Wirtschaftspolitik zu nutzen:
1. Die Vergleichbarkeit der Entwicklung über mehrere Perioden hinweg wird
erschwert, wenn Basiswechsel durchgeführt werden. 2
2. Gesetzesänderungen,
z.B.
höhere
Qualitätsanforderungen
und
Garantieleistungen, gestalten die Vergleichbarkeit der Preise schwieriger.
3. Kontrakte sind an sich schwer vergleichbar. Während im Supermarkt die
Auszeichnung deutlich ist, ist ein Preis auf dem Basar nicht ohne weiteres
festzustellen. Grundsätzliche Erhebungsprobleme treten bei heterogenen
Gütern und bei Qualitätsverbesserungen (technischer Fortschritt) auf.
2
Es gibt Güterindizes, die gemittelte Gewichte der Verbrauszahlen benutzen (z.B. Fischerindex und damit
unabhängig vom Basisjahr sind). Diese haben als einzige (im Gegensatz zu den hier angegebenen Indizes nicht
das Problem der Bezugsgröße.
3
4. Verschiebungen in der Konsumstruktur verändern das Gewichtungsschema.
Höhere Einkommen konsumieren z.T. andere Güter als niedere Einkommensschichten. Findet nun eine Umverteilung hin zu höheren Einkommen statt,
verändern sich die Indizes.
Ist eine Inflationsrate falsch prognostiziert worden, bedeutet dies eine falsche
Angabe
des
realen
BNE
und
damit
eine
falsche
Interpretation
des
Konjunkturzykluses, die zu einer falschen Wirtschaftspolitik führt (z.B. wird expansive
Geldpolitik in einer Boomphase betrieben, die zu einer Inflation führt).
Hilfreich ist daher die Nutzung weiterer Indikatoren für den Konjunkturzyklus (z.B.
Auftragslage
und
Kapazitätsauslastung),
die
gemeinsam
die
Gefahr
von
Fehleinschätzungen senken. Trotzdem hat die Interpretation der Inflationsrate und
des Wachstums eine entscheidende politische und auch motivierende (die sich auch
in realen Investitionen niederschlagen kann) Bedeutung.
Als Begriffe für die Höhe der Inflation unterscheidet man schleichende (geringe),
trabende (mittlere) und galoppierende (hohe) Inflation.
Gehen die Qualitätsveränderungen nicht in Richtung einer Verbesserung, sondern
werden bei gleichen Preisen schlechtere Produkte angeboten, so spricht man von
einer versteckten Inflation.
6.2 Folgen von homogener Inflation
Allerdings ist nicht nur die Ermittlung der Inflationsrate als Rechengröße zur
Ermittlung von anderen Größen von Bedeutung, auch ihrer Höhe an sich kommt eine
entscheidende Bedeutung zu.
Die Höhe der Inflation macht eine Aussage über die Entwicklung eines Preises einer
Ware (Geld), deren Produktion mit relativ geringen Kosten verbunden ist und dessen
„Produzenten“ keine weitere Aufgabe haben, als diese Ware als Tauschmittel zur
Verfügung zu stellen. Es besteht theoretisch kein Unterschied, ob bei einem Kauf 1
Geldeinheit oder 100 aufgebracht werden müssen, sofern dieses Verhältnis auch für
die anderen Güter gilt. Allerdings setzt diese naive Darstellung die vollkommene
Information der Marktteilnehmer voraus. Können die Marktteilnehmer nicht zwischen
4
einer relativen Preisänderung und einer absoluten unterscheiden, so hat eine
Variation des Niveaus auch eine reale Wirkung. Wie bereits im 4. Kapitel festgestellt
wurde, besitzen die Preise vor allem die zentrale Informationsfunktion für die
Koordination und Allokation der Güter der gesamten Marktwirtschaft.
Die Kosten der Inflation können zum einen nach der Beeinträchtigung der Funktionen
des Geldes als Wertaufbewahrungsmittel, Tauschmittel und Rechnungseinheit, zum
anderen nach der Art der Inflation als erwartete, unerwartete oder unsichere (höhere
Schwankungen) unterschieden werden.
Beispielweise werden bei einer erwarteten Inflation die Individuen ihre Geldbestände
so lange wie möglich auf der Bank halten, da die nominalen Zinssätze entsprechend
hoch sind (die realen Zinssätze sind durch die Rentabiltät der Investitionen gegeben
und damit durch den realen Sektor). Das heißt, dass die Anleger für jede kleine
Transaktion wieder „zur Bank gehen müssen“ (oder zumindest eine Abhebung
tätigen müssen), da sie kaum Bargeldbestände besitzen, man bezeichnet dies auch
entsprechend der Anschauung als „Schuhlederkosten der Inflation“. Die schlichten
Änderungskosten für die Preisauszeichnung und die Informationskosten für die
Kunden werden unter dem Begriff „Menükosten“ gefasst. Eine Preisänderung kann
auch zu Gewöhnungs- und Rechenschwierigkeiten führen, da Konsumenten oft in
Gedanken mentale nominale „Konten“ führen, um ihre Kaufentscheidung zu treffen.
Damit steigen die Entscheidungskosten.
Eine starke Preissteigerung führt kurzfristig über diese Effekte auch zu vermehrten
Preisschwankungen, da Verträge nicht mehr nach gelernten Routineschemata
verhandelt werden und stattdessen eine Übereinkunft erst neu erzielt werden muss.
Je größer jedoch die Preisschwankungen sind und je unsicherer damit der zukünftige
Wert der Güter der Volkswirtschaft ist, um so mehr Absicherungskosten treten auf
(aufgrund der Risikoaversion und bestimmter Schwelleneffekte sichern sich
Individuen gegen Risiken ab).
Die Zunahme der Ungewissheit verteuert aber auch real die Produktion, da die
Unternehmen nun einmal Maschinen anschaffen müssen und Verträge abschließen,
die sie binden, so dass sie z.B. nicht nach Rohstoffpreisschwankungen eine Periode
einfach nicht produzieren können (Lagerkosten etc.).
5
Bei unerwarteten Preisschwankungen verlieren die Kreditgeber relativ zu den
Kreditnehmern. Das Sparen wird in den Folgeperioden abnehmen. Als Ausgleich für
mögliche Verluste werden die Investoren höhere Kreditzinsen bezahlen müssen.
Die meisten Verträge werden in nominalen Größen abgeschlossen, so dass bei einem
Unterschied zwischen Bezahlung und Auslieferung eine Benachteiligung des
Verkäufers gegenüber den ursprünglichen Bedingungen erfolgt. Dies hat zur Folge,
dass weniger und kurzfristigere Verträge abgeschlossen werden und somit eventuell
gesamtwirtschaftlich gewinnbringende Transaktionen unterbleiben.
Die folgende Tabelle fasst die möglichen Folgen der Inflation nach den oben
genannten Kategorien zusammen:
Tabelle: Kosten der Inflation3
Wertaufbewahrungsm.
Tauschmittel
Rechnungseinheit
Erwartete Inflation
Sparneigung sinkt
(temporär),
Schuhlederkosten
Vertrauen in das
Zahlungsmittel
sinkt
Neue und
kompliziertere
Umrechnungen
Unerwartete Inflation
Verzerrungen des
relativen Wertes der
Vermögen =)
Protestpotenzial
Benachteiligung
der bereits
stattgefundenen
Übertragungen
(Verkäufer) mit
späterem
Gegengeschäft
Falsche
Kalkulationsbasis
führt eventuell zur
Überschuldung bei
knapper Planung
Unsichere Inflation
Absicherungskosten,
Diversifizierungskosten
Starke
Wertschwankungen
führen zu a.)
kurzfristigeren
Verträgen b.)
anderen
Bezugsgrößen
Je höher die
Schwankungen
sind um so stärker
ist der Verlust der
Funktion als
Recheneinheit
Funktion
Inflations art
Empirische Schätzungen zu diesen Effekten wurden zahlreiche durchgeführt, z.B.:
Robert Lucas (1981) (vgl. S. 43,44) schätzte die Kosten einer vollständig erwarteten
Inflation von 10 % auf 0.9 % des BIP.
3
Einen theoretischen Überblick bietet Driffil (1990) et al.
6
Richard Froyen und Roger Waud (1987) fanden einen signifikant negativen Effekt der
Unsicherheit über die Inflation auf den Output in den Ländern GB, D, Kanada und
USA, dieser Effekt bestand unabhängig von der Inflationsrate selbst, wie Cozier und
Selody (1991) herausfanden.
Allerdings argumentieren heute die meisten Ökonomen, dass Veränderungen der
nominellen Preise ein natürliches Phänomen einer dynamischen und flexiblen offenen
Volkswirtschaft sei und dass diese Effekte unvermeidbar wären (vgl. z.B.
Dornbusch/Fischer /Startz, S.15f.)
Allerdings muss auf der anderen Seite auch vor den Risiken einer zu niedrigen
Inflation gewarnt werden. Da die nominalen Löhne oder andere Kontrakte
längerfristig vereinbart sind, ist eine Senkung kurzfristig nicht möglich, so dass bei
einem Nachfragerückgang oder einem negativen Produktivitätsschock die realen
Löhne nicht reduziert werden können, was zu einem Entstehen von Arbeitslosigkeit
führt.
Da nominale Zinsen nicht negativ werden können (Bargeld kann praktisch ohne
Kosten gehortet werden), stellt dies bei einer Deflation eine untere Grenze für die
reale Verzinsung dar, während die Rentabilität von Investitionen keineswegs immer
positiv sein muss. Eine Zinssenkung zur Erhöhung von Investitionen in einer
schlechten konjunkturellen Situation ist dann nicht mehr möglich (vgl. Japan).
Ausserdem
führen
niedrige
Zinsen
und
eine
Deflation
dazu,
dass
die
Wertaufbewahrungsfunktion Überhand gewinnt, Geld gehortet wird und die
Haushalte ihre Ausgaben verschieben, was zu einem Umsatzrückgang und folglich zu
einem Produktionsrückgang der Unternehmen führt.
In einer offenen Volkswirtschaft führt eine Senkung der Preise der eigenen Produkte
zwar eventuell zu besseren Absatzmöglichkeiten im Ausland, der Wechselkurs
reagiert allerdings bei einer allgemeinen Preissenkung über alle Güterarten bereits
kurzfristig mit einer Aufwertung der Währung, so dass im anderen Land die Preise
für die Konsumenten (in deren Währung) nicht bemerkbar werden.
Andererseits wird oftmals angenommen, dass die Inflationsrate kurzfristig von den
Gewerkschaften nicht korrekt antizipiert wird, und dass deshalb über eine höhere
7
Inflationsrate eine Senkung der realen Löhne möglich ist, die zu einer höheren
Beschäftigung führt (vgl. Kapitel 2, keynsianische Arbeitslosigkeit).
Dieser Zusammenhang wird durch die nach ihrem Entdecker benannte PhillipsKurve bezeichnet. Da eine höhere Beschäftigung zu mehr Produktion, Einkommen
und Konsum beiträgt, kann dies z.B. in Konjunkturabschwüngen zu einer
Abmilderung der Folgen der Konjunktur benutzt werden.
Allerdings ist die Beschäftigungswirkung der Inflationsrate begrenzt: Zum einen
wirken bei hohen Inflationsraten die oben beschriebenen Kosten der Inflation
stärker, zum anderen kann damit nur eine auf mangelnde Güternachfrage beruhende
Arbeitslosigkeit bekämpft werden (z.B. nicht Sucharbeitslosigkeit und MismatchArbeitslosigkeit: Ein Physiker kann auch bei noch so hohem Bedarf an Ärzten ohne
Zusatzqualifikation diese Lücke zunächst nicht füllen). Man spricht deshalb von
Vollbeschäftigung, falls die Zahl der offenen Stellen größer ist als die Zahl der
Arbeitslosen.
Da aber der Begriff der Vollbeschäftigung einen eher normativen Beiklang hat und
die Kosten dieser Politik nicht ausdrückt, wird heutzutage eher von der „NonAccelerating Inflation Rate of Unemployment“ (NAIRU) gesprochen.
Die kurzfristigen Einbußen an produktiver Effizienz können sich auch auf die
langfristige Entwicklung auswirken:
1.
Geringere
Ersparnisse
senken
die
Investitionen
und
damit
das
Produktionspotenzial.
2. Inflations- oder Deflationsinduzierte Unzufriedenheit kann in sozialen Unruhen und
Protesten münden, die Produktionskapital zerstören.
3. Vorübergehende Nichtbeschäftigung führt zu Qualifikationsverlusten, die den
Humankapitalbestand der Volkswirtschaft senken.
Die Schätzungen der Kosten einer zu stabilitätsorientierten Geldpolitik betragen nach
Selody ((1990), S.18) 5,1% des BIP4, die Beschäftigungseinbußen schätzt Brian
Motley (1990) auf 2,1%.
4
Allerdings ist diese Zahl sehr hoch und wird von vielen Ökonomen bestritten. Größenordnungen von 2%
werden für eher realistisch gehalten.
8
Bisher wurde davon ausgegangen, dass alle Güter ungefähr gleichermaßen von der
Preissteigerung betroffen werden (homogene Inflation).
Preisveränderungen können aber auch z.B. durch exogene Schocks auf den einzelnen
Märkten verursacht werden und somit nur einen Produktpreis betreffen5. Die
Erhöhungen des gemittelten Preisindexes drücken dabei nur ungenau die Folgen aus,
die diese Veränderung mit sich bringt. Die Preisschwankungen verschiedener Güter
können sich gegenseitig ausgleichen, die Inflationsrate besagt also nichts über die
Kosten der Preisveränderungen aus. Diese Veränderungen der Relativpreise kann die
Preisfunktion beeinträchtigen, da sie bei häufigen Schwankungen die gleichen Folgen
mit sich bringt wie im vergangenen Kapitel beschrieben, ohne dass man dieses
Problem an der Inflationsrate erkennen könnte. Die exogenen Schocks auf den
einzelnen Märkten sind allerdings ein realwirtschaftliches Phänomen, das nicht direkt
mit Inflation verbunden wird. Dadurch, dass aber Preise unterschiedlich flexibel sind6,
kann es bei einer Veränderung des Preises von Geld auch zu relativen
Preisveränderungen
kommen.
Mit
schwankenden
relativen
Preisen
sind
gesellschaftliche Auf- und Abstiege bedingt, die für die Individuen als eher ungerecht
empfunden werden (politische Kosten einer Inflation: Verschärfung von Konflikten).
Allgemein
ist
anzunehmen,
dass
bei
höherwertigen
Produkten
für
die
Preisfestsetzung ein größerer Spielraum besteht, da die Qualität und das
Produktionsverfahren
weniger
transparent
sind.
Preise
werden
somit
als
Reputationssignal mit einer bestimmten Bindungswirkung benutzt, während sich z.B.
für Rohstoffe auf Auktionsmärkten stärker schwankende Preise bilden.
Da
sich
Einkommenserhöhungen
aufgrund
der
in
dem
Bereich
gültigen
institutionellen Beschränkungen und einer Trägheit der Anpassung nur in einem
begrenzten Maße durchsetzen können, kommt es auch bei einer homogenen
Inflation zu einer Verzerrung der realen Einkommensstruktur.
Eine Asymmetrie der Informationen über die realen Preisveränderungen führt oftmals
schon zu einer Verzerrung der Wahrnehmung und der daraus resultierenden
Ansprüche. Die Debatten über die Folgen der Inflation sind aber bis heute noch nicht
gelöst. Einen Überblick verschafft der Sammelband von Martin Feldstein(1999).
5
Dies können sowohl Umweltfaktoren sein (Unwetter, das die Ernte vernichtet hat) als auch politische Faktoren
(Zölle) sowie Veränderungen der Marktstruktur (Kartellisierung).
6
Vgl. Kapitel 6.4
9
Um diesen Folgen entgegenzuwirken und mögliche Politiken zu bestimmen, muss
zunächst einmal der Blick auf mögliche Ursachen gelenkt werden.
6.3 Ursachen und Bekämpfungsmöglichkeiten von Inflation
Die Bedeutung der Bekämpfung und der Einsatz der Mittel unterscheiden sich je nach
Position in der Wirtschaftspolitik (vgl. Kapitel 5). Während bereits im vorangegangen
Kapitel erläutert wurde, dass stark divergierende Kostenabschätzungen bestehen,
sollen nun in diesem Kapitel die Wirkungen dargestellt werden, ohne konkrete Politikempfehlungen zu machen.
Da Inflation die Veränderungsrate des Preises der Ware Geld ist, ist sie letzten Endes
ein
monetäres
Problem .
Während
frühere
Währungen
eine
vollständige
(Deckungspflicht), teilweise (Teildeckung) oder zumindest rechtliche (Einlösepflicht)
Anbindung an ein reales lagerungsfähiges Gut (früher Silber, später Gold) hatten,
sind heutige Währungen lediglich durch das allgemeine Vertrauen in seinen Wert
gedeckt. Es besteht kein Recht, das sich aus dem Eigentum einer Banknote herleiten
ließe.
Das Vertrauen in die Währung, dass sich über die Zeit gebildet hat, ist also das
wesentliche Kriterium für die Funktionstüchtigkeit des Austausches über ein
Geldsystem. Denn „ Money is a creature of law“ (vgl. Knapp (1924), S.1), aber auch
ohne Anerkennung des Gesetzes und ohne allgemeine Benutzung funktionieren real
andere Währungen (z.B. von anderen Ländern (US $), Naturalwährungen
(Zigaretten, Kaffee…)) als Austauschmittel.
Bleibt die Nutzung des Geldes als Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel relativ
konstant, was außer bei schockartigen Vertrauensverlusten als gegeben angesehen
werden kann, ist die Entwicklung der Inflationsrate von der Entwicklung der
Geldmenge (M) im Bezug zur Entwicklung der realen Güter abhängig.
Aus der Fischer’schen Verkehrsgleichung PY=Mv ergibt sich bei konstanter
Umlaufgeschwindigkeit (v): Pˆ = Mˆ − Yˆ 7 (Wachstum von Y: Trendbereinigt als
Potenzialwachstum- Geldpolitik der Bundesbank: Potentialorientiert)
7
Das ^ steht für die Veränderungsrate und bedeutet z.B. bei P für :
10
Pˆ = ( Pt − Pt−1 ) / Pt
Anders formuliert bedeutet dies, dass die Inflationsrate sich aus der Veränderung der
nicht durch Wachstum verursachten Erhöhung der Geldmenge in der Volkswirtschaft
ergibt.
Die
Zentralbank
bringt
durch
Ankauf
von
Wertpapieren
und
Anleihen
(Offenmarktpolitik) sowie durch die Vergabe von Zentralbankgeld zu einem
bestimmten Zinssatz (Diskontpolitik) das Geld in den Umlauf.
Die „Geldmenge“ ist allerdings nicht nur von der Geldbasis der Notenbankgeldmenge
M0 abhängig, sondern durch den Prozess der Geldschöpfung auch von der
Kreditvergabepolitik der Banken abhängig. Eine Steuerung der tatsächlichen
inländischen umlaufende Geldmenge ist nur deshalb nur bedingt möglich8.
Während langfristig der Transmissionsmechanismus von einer expansiven
Geldpolitik auf die Preise der Güter unbestritten ist, unterscheiden sich sowohl die
Einschätzungen der Kosten der kurzfristigen Schwankungen als auch die Zuweisung
der primären Ursachen und die damit verbundenen bestmöglichen Politiken
fundamental.
Die keynsianische Sichtweise betrachtet z.B. die möglichen
Beschäftigungsgewinne einer Inflation (Phillipskurve), die die nach unten starre
Nominallöhne
auf
ihr
„markträumendes“
(im
Sinne
der
Beseitigung
der
konjunkturellen Arbeitslosigkeit, vgl. Kapitel 2) Niveau senken kann.
Die angebotstheoretische Position sieht hingegen durch das gleichzeitige Auftreten
von Inflation und Stagnation (Stagflation) diesen Zusammenhang als widerlegt.
Aufgrund der Stabilität des privaten Sektors wird die Entstehung von Inflation von
den Monetaristen nahezu ausschließlich einer expansive Geldpolitik zugeschrieben
(Geldmengeninduzierte Inflation). Stärker ordnungspolitisch orientierte Ökonomen
sehen auch zunehmende Monopolisierung als eine Ursache an. Eine noch schwächere
Kontrolle der Geldpolitik und damit der Preise durch die Notenbanken wird auf dem
Gütermarkt gesehen. Ein Nachfrageüberhang führt bei beschränkten Kapazitäten zu
steigenden Preisen. Erst die Veränderung realer Aggregate (also im Konsum,
Investitionen, Staatsverbrauch, Außenbeitrag) bewirkt die Ausnutzung bisher
ungenutzter
Geldmengenkapazitäten
(erhöhte
8
Umlaufgeschwindigkeit,
weitere
Durch die Mindestreservepolitik kann allerdings eine obere Grenze angegeben werden. Da zusätzliche Kredite
zusätzliche Einnahmen bedeuten, sollte die Kreditvergabe an der oberen Grenze liegen. Aufgrund
psychologischer und risikoabsichernder Sichtweisen tut sie dies aber nicht immer.
11
Ausschöpfung des Kreditrahmens etc.). Man spricht in diesem Fall von einer
Nachfrageinflation. Entstehen die höheren Preise auf der Angebotsseite des
Gütermarktes, z.B. durch einen Kostendruck (Löhne, importierte Vorleistungen,
direkte Steuern auf Vorprodukte), so spricht man von einer Anbieterinflation9.
Durch eine verringerte Produktion (reales BNE) bei sonst gleichen Bedingungen für
den Geldumlauf entsteht so ebenfalls Inflation.
Die Gründe für Inflation lassen sich so von ihrer primären geldwirtschaftlichen
Ursache auf eine zweite Ursachenebene auf dem Gütermarkt projizieren. Die Gründe
für diese Verhaltensweisen lassen sich oft auf politische und soziologische Ursachen
(3. Ursachenebene) zurückführen.
Direkt aus den Standpunkten über die hauptsächlichen Ursachen ergeben sich auch
die geforderten Maßnahmen der verschiedenen Theorierichtungen.
Während Monetaristen eine Verstetigung der Geldpolitik als das Bekämpfungsmittel
für die Inflation ansehen, sehen Anhänger der indirekt verursachten Inflation zum
Beispiel eine Bekämpfung der so genannten Lohn-Preis-Spirale10 durch eine
Einwirkung auf die Verteilungskämpfe als ein geeignetes Instrument.
Die Keynesianer sehen eine Funktion des Geldes in der Geldanlage. Sie betonen die
Kosten der Nichtinflation stärker, da eine Geldhortung (bei Deflation) Nachfrage
entzieht und bei fixen (zu hohen) Nominallöhnen potentielle Produktion verschenkt.
Sie legen weniger wert auf eine Eindämmung der Inflation als die Monetaristen.
Auf der anderen Seite fordern die Keynsianer, dass bei einer Auslastung der
Kapazitäten der Volkswirtschaft eine restriktive Geld- und Fiskalpolitik11 durchgeführt
wird, da die Produktion trotz höherer Nachfrage nicht gesteigert werden kann,
folglich nur eine Preiswirkung zu erwarten ist. Die Geldpolitik des Staates muss also
antizyklisch betrieben werden, um einerseits die Inflation zu bekämpfen und
andererseits die positiven Effekte der Inflation wirken zu lassen.
9
Als Synonym für die gütermarktlichen Inflationsbegründungen verwendet man auch die Begriffe „demand
pull“ – Nachfragesog und „push“- Kostendruck.
10
Die Nachfrage ist größer als das Angebot, so dass die Haushalte mehr sparen. Da nicht genügend Güter
vorhanden sind, schränken die Haushalte ihr Arbeitsangebot weiter ein, so dass die Produktion t und damit auch
das Angebot weiter zurückgeht.
11
Staatsausgaben gehen direkt in die Güternachfrage ein (vgl. IS-LM Modell).
12
Eine andere Sichtweise kann durch eine mikroökonomische Betrachtung gewonnen
werden. Rigiditäten auf Güter und Arbeitsmärkten, die Verträge oder bestimmte
Schwellenpreise (Der Preis eines 99 Cent Produktes wird bei einer Inflation von 2%
und entsprechenden Kostensteigerungen nicht einfach auf 1,02€ angehoben, da
Wahrnehmungsasymmetrien bestehen) erzeugen, werden lediglich bei einem starken
Kostendruck nach oben angepasst. Zur Bekämpfung einer solchen (Anbieter-)
Inflation müssen die Bestandteile der Preise näher untersucht werden. Während
Listenpreise weniger flexibel sind, können Rabattpreise relativ schnell angepasst
werden. Der Spielraum des Staates, seine Einnahmen durch direkte Steuern zu
steigern, ohne eine Inflation zu erzeugen, ist also von Sektor zu Sektor verschieden.
Politisch sind aber solche Maßnahmen schwer zu vertreten und werden, falls eine
Anpassung schwer möglich ist, auch mit einem Rückgang der Produktion erkauft, die
sicherlich noch weniger erwünscht ist.
Preisstopps, wie sie früher in Krisenzeiten oder heute noch in Entwicklungsländern
als Mittel benutzt werden, kaschieren lediglich die wahre Inflation, führen zu
verzerrten Anreizen und werden heute von keinem Wirtschaftswissenschaftler mehr
empfohlen. Besteht sowohl auf dem Arbeits- als auch auf dem Gütermarkt eine
Überschussnachfrage, so spricht man von zurückgestauter Inflation (z.B. in
Osteuropa vor der Transformation).
6.4. Verteilungs- und Wachstumswirkungen von Inflation
Verträge werden in nominellen Beträgen abgeschlossen, da eine Einigkeit und
Messbarkeit
über
einen
bereinigenden
Indikator
immer
Probleme
der
Nachweisbarkeit mit sich brächte.
Liegt zwischen dem Erfüllungszeitpunkt und dem Zahlungszeitpunkt eine Differenz,
gewinnt bei einer unerwarteten Inflation der Schuldner. Ein rein monetäres Beispiel,
in dem der Gläubiger auf doppelte Weise verliert, ist ein klassischer Kreditvertrag
(mit einmaliger Tilgung). Sowohl die zukünftigen Zahlungen der Zinsen als auch der
am Ende zu zahlende Betrag werden geringer.
Ebenso sind in Sozialgesetzen und ähnlichen Regelungen Anspruchsgrundlagen in
nominalen Größen gehalten und lassen sich durch die Trägheit des politischen
13
Beschlussprozesses
nicht
rechtzeitig
anpassen,
so
dass
Bezieher
von
Transfereinkommen (Rentner, Arbeitslose…) in der Regel als Verlierer einer Inflation
gelten können.
Da die Löhne sich erst ex post an die Entwicklung der Kaufkraft anpassen, spricht
man von einem Lohn-Lag.
Auf der anderen Seite kann die gesamtwirtschaftliche Nachfrage unter Umständen
sogar konstant bleiben, da der Rückgang der Konsumausgaben mit höheren
Gewinnen
(geringere
Kosten)
der
Unternehmen
und
so
einer
höheren
Investitionsnachfrage einhergeht.
Die Verringerung der Wertaufbewahrungsfunktion bei einer höheren Inflation kann
bei relativ konstanten Anlagemöglichkeiten zu einer Veränderung der Sparneigung
(Konsum heute wird bevorzugt) führen. Da die Einkommensteuer nominal definiert
ist, steigt die Steuerbelastung an, man spricht von einer kalten Progression
(durchschnittlicher Steuersatz steigt). Der Staat gewinnt auf diese Weise von einer
Inflation. Außerdem ist er überwiegend Kreditnehmer und gewinnt durch eine
Entwertung seiner Schulden. Deshalb ist eine politische Unabhängigkeit der
Zentralbank ein wichtiges Kriterium für die Stabilisierung einer Währung.
Als beispielsweise in den 70er Jahren in Italien die Zentralbank dazu verpflichtet war,
vom
Staat
emittierte
Schuldpapiere
aufzukaufen,
führte
dies
zu
einer
Neuverschuldensquote von bis zu 10% des BIP und gleichzeitig zu einer hohen
Inflationsrate.
Eine Flucht in Sachwerte verändert die relativen Preise von materiellen zu
immateriellen Anlagegütern, dies führt zum einen zu einer Vermögensumverteilung
bei den bisherigen Besitzern dieser Güter, zum anderen zu einer Verknappung der
Kredite (mehr Nachfrager, weniger Anbieter) und damit höheren Zinsen. Dies
erschwert wiederum Investitionen und verhindert ein langfristiges Wachsen der
Produktionskapazität, mit der Bedeutung von dieser Größe soll sich das folgende
Kapitel beschäftigen.
14
Literatur:
Altmann, Jörn: Wirtschaftspolitik 7. Aufl. (Stuttgart) 2000
Dornbusch, R. Fischer, S. Startz, R. (2001):“Macroeconomics“, 8. Auflage, New York
Driffil, J.; Mizon, G.E. und Ulph, A. (1990) "Costs of Inflation." In B.F. Friedman and F.H.
Hahn (eds.) Handbook of Monetary Economics, Vol. 2, 1013-66. Amsterdam: North Holland.
Feldstein, Martin (1999) (Hg.) „The Costs and Benefits of Price Stability“, National Bureau
of Economic Research Conference Report
Gordon, R. (1989) "Hysteresis in History: Was There Ever a Phillips Curve?." American
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Laspeyres (1871), E.: „ Die Berechnung einer mittleren Warenpreissteigerung“, Jahrbücher
für Nationalökonomie und Statistik, 16, S.296-314
Lucas, R.E. (1981) "Discussion." In Brunner, K., and Meltzer, A.H. (eds.) The Costs and
Consequences of Inflation, Carnegie-Rochester Conference Series on Public Policy 15, 43-52.
Amsterdam: North Holland.
Motley, B. (1990) "Has There Been a Change in the Natural Rate of Unemployment?"
Federal Reserve Bank of San Fransisco Economic Review, Winter: 3-16.
Paasche (1874), H. „Über die Preisentwicklung der letzten Jahre nach den Hamburger
Börsennotierungen“ Miscellen II, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 23, S.168178
Selody, J.G. (1990) "The Benefits and Costs of Price Stability: An Empirical Assessment."
Mimeo, Bank of Canada.
Ströbele, W. (1984) „ Inflation- Einführung in Theorie und Politik“, 2.Auflage München
15
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