VEREINIGUNG FÜR INTERDISZIPLINÄRE FRÜHFÖRDERUNG E.V. Landesvereinigung Baden-Württemberg Hörst Du mich? Verstehst Du mich? Sprich mit mir! Hören, Sprechen, Verstehen, Erleben Materialien Thementag - 20. April 2016 Hospitalhof Stuttgart VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Impressum Dr. Cornelia Esther Dienstlich: Gesundheitsamt, Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis Kurfürstenanlage 38-40, 69115 Heidelberg Tel.: 06221/522-1888 ; Fax: 06221/ 522 91888 [email protected] Privat: Mönchzellerweg 15, 69257 Wiesenbach 06223/ 49817; [email protected] VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Programm 9.00 Uhr Offene Mitgliederversammlung VIFF- BW 10.15 Uhr Einführung in den Thementag 10.30 Uhr Hör mal! Hören und Verstehen Andreas Seimer 11.45 Uhr Kleine Bewegungspause 12.00 Uhr Sprache und Sozioemotionale Entwicklung Steffi Sachse 13.15 Uhr Mittagspause mit kleinem Imbiss und Möglichkeiten des Gesprächs 14.00 Uhr Workshops W1 Wie Kinder kommunizieren Christine Bark – Referentin erkrankt Beitrag aus der Praxis Gudrun Haupenthal und Jesicca Kaiser Raum: Goes-Saal, Hospitalhof W2 HET- Heidelberger Elterntraining bei mehrsprachigen Familien und IMPULS Anke Buschmann Raum: Helffenstein-Raum, Hospitalhof W3 Auch wer nicht sprechen kann, hat viel zu sagen Andrea Karus Raum: Gerok -Raum, Hospitalhof W4 Sprachlos – Selektiver Mutismus, Ursachen und Hilfen Astrid Klose und Jutta Friebel Raum: EVA- Gebäude gegenüber W5 STEEP- TM Heidi Brendle Raum: EVA- Gebäude gegenüber 15.45 Uhr Ausklang im Plenum Raum: Goes-Saal, Hospitalhof VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Einführung Soziale Interaktion und Kommunikation stehen in einem engen Zusammenhang und erfordern eine entsprechende Wahrnehmungsfähigkeit auf verschiedenen „Sinneskanälen“. Alle Einflüsse, ob Lautsprache, Körpersprache (Gestik, Mimik) oder Bilder, wirken auf uns (positiv oder negativ) und beeinflussen das soziale Miteinander. In der kindlichen Entwicklung werden die Erfahrungen der sozialen Interaktion in all ihren Facetten im „emotionalen Gedächtnis“ gespeichert. Diese Erlebnisse und Erfahrungen haben Einfluss auf das Verhaltensmuster des Kindes. Sie können das Lernen fördern oder hemmen. Die wachsenden Informationsangebote durch Medien, wie Fernsehen, Smartphone, I-Phone oder Tablet nehmen immer mehr Raum im täglichen Miteinander ein und lassen wenige Freiräume für die persönliche Kommunikation in den Familien. Wie wirkt sich das auf das soziale Lernen aus? Gelingendes mehrsprachiges Aufwachsen und Erleben in den verschiedenen Kulturen und Fluchterfahrungen stellen für alle eine Herausforderung dar. VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Hör mal! Hören und Verstehen Einfluss von Hörstörungen, Lärm und Medien auf Sprache und Entwicklung Andreas Seimer Ein gutes Hörvermögen ist eine wesentliche Grundlage für die normale lautliche Sprachentwicklung. Das Hörvermögen, die Hörentwicklung und deren Störungen sollen kurz erläutert werden und es wird auf Infekt bedingte Hörstörungen, wie auch auf den Einfluss von Lärm und Medien auf Sprache, Kommunikation und Entwicklung fokussiert. Beobachtungen In der Geburtsklinik erfolgt das Neugeborenenhörscreening und wir sehen die Kinder bei Auffälligkeiten im ersten Hörtest. Uns fällt in den letzten Jahren zunehmend auf, dass die Mütter im Wartebereich sich mehr mit ihrem Handy oder Smartphone beschäftigen, als mit ihrem Kind. Dies geht inzwischen so weit, dass auch während der Untersuchung größerer Kinder manche Mütter nicht von ihrem Smartphone lassen können. Wenn wir von der Annahme ausgehen, dass zumindest kleine Kinder vom Vorbild ihrer Eltern lernen, wird dieses Verhalten der Eltern Auswirkungen auf das spätere Medienverhalten der Kinder haben. Auch bei uns im Aufenthaltsraum der Abteilung und beim Essen in der Kantine nimmt die Smartphonenutzung einen immer breiteren Raum ein. Dies liegt auch daran, dass das Internet nun praktisch überall verfügbar und bezahlbar ist. Das Kommunikationsverhalten ändert sich wie auch der Begriff von „Freunden“ (Facebook und Co) mit den möglichen fatalen Folgen des Mobbings über die sozialen Medien und der für die Kinder und Jugendlichen unabsehbaren Folgen durch die Veröffentlichung persönlicher Informationen. Untersuchungen zeigen, dass es Kindern und Jugendlichen, aber auch jungen Erwachsenen zunehmend schwerer fällt, Informationen im Gedächtnis zu behalten und abzurufen (Telefonnummern, Adressen …), da diese ja auf dem Handy oder im Netz dauernd zur Verfügung stehen. Auch das räumliche Gedächtnis und die Orientierung in der Stadt und Natur nehmen durch die Nutzung von Navigationssystemen ab. Der „Schatz“ an Gedichten, Liedern, Reimen, Erzählungen und Sprichwörtern ist weniger geworden aber in den letzten Jahren wird versucht, diesem entgegen zu wirken (z.B. „Singen mit Kindern“, Grundschulzeit: „Ein Lied pro Schultag“ und in Kindergärten werden wieder vermehrt Fingerspiele, Geschichten vermittelt). Untersuchungen und der Vergleich des Mottiertests (sinnleere Silben aus dem Züricher Lesetest) zeigen, dass die Gedächtnisleistung für die sinnleeren Silben zwischen 1981 (Welte, Bohny) und einer Neunormierung in St. Gallen 2013 deutlich nachgelassen hat. Unklar bleibt, ob sich dies tatsächlich in erster Linie auf das Gedächtnis oder mehr auf die Lautdifferenzierung bezieht. Eingeschränkte Gedächtnisleistungen und Probleme in der Lautdifferenzierung gelten inzwischen als wenig besserungsfähig in der Therapie. VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Das Gehirn ist unser Organ für das Lernen, wie die Muskeln für Bewegung und Kraftentfaltung zuständig sind. Ein gesundes Gehirn wird ein gesamtes Leben lang lernen und sich damit strukturell verändern. Alles, womit wir uns „vertiefend“ beschäftigen, wo wir Aufgaben/ Probleme kreativ lösen, wird zu organischen Veränderungen im Gehirn führen. Neue Synapsen/ Verknüpfungen werden sich bilden und diese sind das erkennbare Substrat, für die Veränderung/ das Lernen. Stress / Angst / Unsicherheit behindern das Lernen und können sogar dazu führen, dass im Hippocampus, einem „alten“ Gehirnteil, das für unser Gedächtnis wichtig ist, Nervenzellen verloren gehen und damit die Verknüpfungen, so dass wir keinen Zugriff mehr auf bestimmte Gedächtnisinhalte haben. Lernvorgänge sind komplex und dürfen nicht einspurig oder punktuell verstanden werden. Verstehen braucht Zeit, je jünger das Kind ist und / oder je komplexer eine Aufgabe ist, umso mehr. Die Voraussetzungen für das Sprechen lernen sind genetisch angelegt. Es bedarf aber eines möglichst intakten sozialen Umfeldes, die Sicherheit einer Beziehung und eines entwicklungsangepassten Angebots um diese Voraussetzungen auch zum Tragen zu bringen. Spitzer schreibt dazu auf S. 52 in seinem Buch „Digitale Demenz“: „Ihr Erleben, Fühlen, Denken und Handeln hinterlassen Spuren in ihrem Gehirn, Gedächtnisspuren, wie man sie seit mehr als hundert Jahren nennt. Wie gut diese Bezeichnung passt wurde erst durch die moderne Neurowissenschaft so richtig deutlich: dadurch, dass elektrische Impulse über Nervenverbindungen (Synapsen) laufen, verändern sich diese Synapsen und leiten besser. Dies bewirkt langfristig, dass die Impulse sich Trampelpfade durch ihr Gehirn bahnen. Diese Trampelpfade sind strukturelle Spuren, also keine theoretischen Gebilde. Das Ausbilden der Spuren wird gehirnbiologisch seit Jahrzehnten genauestens untersucht und als Neuroplastizität bezeichnet. Es gibt aber auch einen ganz einfachen Namen dafür: Lernen. Wer in seinem Leben viel gelernt (nicht gepaukt, sondern erlebt und verarbeitet) hat, der hat viele Spuren in seinem Gehirn, die es ihm ermöglichen, sich in der Welt zurechtzufinden und effektiv zu handeln. Man sagt auch: Er ist geistig „auf der Höhe“ Auch das Hören muss gelernt werden. Dafür ist eine ruhige Umgebung notwendig. Das Hören im Störschall verbessert sich bis ans Ende der Grundschulzeit deutlich und erreicht nach der Pubertät die Werte der Erwachsenen. Kinder mit Hörstörungen, Sprachproblemen, mit Deutsch als Fremdsprache brauchen ein leiseres Umfeld um gut verstehen zu können. In der Klinik erleben wir, dass uns immer mehr Kinder mit einer „Geräuschempfindlichkeit“ / Hyperakusis vorgestellt werden. Auch sind zunehmend die Kinder im Vorschul- und Grundschulalter nicht mehr in der Lage, den Anforderungen der Untersuchungen zur Hörverarbeitung gerecht zu werden (Ausdauer, Aufmerksamkeit, Verständnis). Hören lernen ist ein Vorgang, der mit der 16.SSW beginnt, nach der Geburt eine sensible Phase durchläuft, sich bis etwa zum Alter von 6 bis 8 Jahren rasch weiterentwickelt, aber erst nach der Pubertät weitgehend abgeschlossen ist. Hörminderung oder Krankheit können besonders in der sensiblen Phase zu VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart gravierenden Störungen im Hörlernprozess führen, die, wenn sie lange und ausgeprägt sind, häufig nicht mehr komplett aufgeholt werden können. Ausgeprägte Hörstörungen, z. Bsp. Durch eine Innenschwerhörigkeit in der frühen Kindheit, führen dazu, dass sich die bei der Geburt vorhandenen Neurone und primären Verknüpfungen zwischen Ohr und Gehirn zunächst zurückbilden und dann abbauen. Wenn später das Hören wieder möglich ist, fehlen die Neurone und Verknüpfungen. Dies bedeutet, dass nicht mehr so differenziert wahrgenommen werden kann. Deshalb müssen Hörstörungen frühzeitig erkannt (Neugeborenenhörscreening) und behandelt werden (OP, Versorgung mit Hörhilfen) sowie fachpädagogisch und therapeutisch muss versucht werden, die „Lerndefizite“ des Hörens zu mindern. Hören und Kommunikation Kommunikation ist auch ohne Hören möglich und die Gebärdensprache eine vollwertige Sprache. In einem Videobeispiel ist zu sehen, dass die Gebärdensprache schon gezielt ab einem halben Lebensjahr eingesetzt werden kann und damit deutlich vor der Zeit, in der das erste Wort gesprochen wird. Dennoch ist es in der hörenden Umwelt ein großer Vorteil, gut zu hören und zu verstehen. Sprache und Geräusche sind in der normalen Umwelt flüchtige Ereignisse und meist nicht zu wiederholen, so dass das Hörsystem auf Geschwindigkeit und hohe Erkennungsrate ausgelegt ist, um auch unter ungünstigen Bedingungen die Hörwahrnehmung zu gewährleisten. Dazu ist ein gutes Hörvermögen des Ohres, aber auch die subtile Verarbeitung im Bereich der Hörbahn bis zur Hörrinde erforderlich. Auch hier schafft die genetische Grundlage die Voraussetzung und so gibt es z. Bsp. Nervenzellen, die besonders auf den Anfang eines Hörereignisses reagieren, andere die die Dauer anzeigen und somit im Hörlernprozess auch die Wahrnehmung minimaler klanglicher Unterschiede ermöglichen wie zwischen b/p oder auch g/d. Neben unserem Gesichtsausdruck und der Körperhaltung erkennen wir die Emotionen unseres Gesprächspartners hauptsächlich am Klang und der Art des Sprechens. Besonders diese Informationen sind für das Kind zunächst wichtig, bevor es den Sinn der Worte verstehen kann. Aber das Gehör ist für uns nicht nur für die Sprache von Bedeutung. Wir müssen die Richtung aus der Geräusche kommen erkennen. Dazu werden minimale Zeit- sowie Lautstärken- und Klangunterschiede zwischen linkem und rechtem Ohr genutzt. Außerdem ermöglicht das beidohrige Hören, dass wir Signale/Sprache auch noch in geräuschvoller Umgebung heraushören können (Störschall-NutzschallDiskrimination). Ohne Musik würde uns viel Lebensqualität fehlen. Musik kann aber, wenn dauernd und an allen Orten zu hören, auch zu Lärm werden, der uns stört. Auch die Sprache hat eine typische Melodie in den Dialekten, wie in den Fremdsprachen, die es zu erkennen und zu übernehmen gilt, wenn man die Sprache beherrschen möchte. Das Spektrum vom leisesten bis zum lautesten Klangereignis (von der Hörschwelle bis zur Schmerzschwelle) ist sehr groß und unser Hörsystem besonders dafür VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart geeignet. In der Natur dominieren die leisen bis mittellauten Geräusche. Laute Geräusche wie Donner, Explosionen haben etwas Bedrohliches und sind in der Natur eher selten. Unsere technische Umwelt ist eher laut und verdeckt damit das Leise, was wir dann in der Ruhe und Abgeschiedenheit suchen. Ruhe ist wichtig, für an Lärm gewöhnte Menschen kann sie aber auch bedrohlich und kaum aushaltbar sein. Ruhe brauchen wir zum Schlafen. Nachts sollte die Lautstärke im Schlafzimmer unter 30dB liegen und nur gelegentlich bis zu 45dB reichen, damit unser Schlaf durch Geräusche nicht gestört und damit erholsam ist. Zu laute Lebensbedingungen bewirken „ungesunden Stress“ mit z.B. Bluthochdruck. In der Schule bewirkt Lärm ein erschwertes Verstehen mit erhöhter Höranstrengung und dadurch vorzeitiger Ermüdung und „Abschalten“. Wenn man dem Unterricht nicht mehr folgen kann, wird es einem langweilig und man selbst unruhig, was das Problem dann weiter verstärkt. Besonders das kleine Kind braucht eine ruhige Umgebung um Feinheiten der Sprache zu hören. Auch wir Erwachsenen wünschen uns für die Kommunikation, besonders in der Fremdsprache, dass unser Gesprächspartner deutlich, etwas langsamer und lauter spricht und die Umgebung ruhig ist. Dies gilt speziell auch für Kinder, deren Lautunterscheidungssystem noch lernen muss. Besonders störend sind dabei andere Sprachinformationen, die im Radio oder Fernsehen zeitgleich erfolgen und vom Kind noch nicht akustisch getrennt werden können. Somit können diese Umgebungsgeräusche wie auch eine Hörstörung durch z.B. einen Infekt die Sprachentwicklung negativ beeinflussen und auch später z.B. im Rechtschreiberwerb nochmals relevant werden. Störschall führt schon ab 45dB (wird als leise empfunden) zu einer Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, unabhängig vom Bedeutungsinhalt. Dieser Effekt kann nicht willentlich beeinflusst werden. Bei 60dB Störschall (leise Sprechlautstärke) nimmt die Verständlichkeit von Lauten und Silben deutlich ab, die Verständlichkeit von Sätzen bleibt aber noch weitgehend erhalten. Aber um das Verstehen aufrecht zu erhalten, müssen die Laute, die durch die Geräusche verdeckt sind, innerlich ergänzt werden. Dies braucht Konzentration, strengt an und führt zur Ermüdung. Dadurch sinkt die Verstehensleistung. Lauteres Sprechen verstärkt die Vokale, aber nicht die Konsonanten. Sprachentwicklung Im ersten Lebenshalbjahr ist das Kind noch in der Lage alle Laute, die auf der Welt gesprochen werden, zu unterscheiden. Unser Gehirn funktioniert dabei wie ein Computer der für eine statistische Auswertung spezialisiert ist. Laute, die immer wieder gehört werden, werden als relevant gewertet und weiter erkannt, die, die nicht vorkommen haben für unser Verstehen keine Bedeutung, können im Verlauf immer schlechter bis gar nicht mehr unterschieden werden. Patricia Kuhl zeigt, dass amerikanische wie taiwanische Kinder (Mandarin) alle Laute mit einem halben Jahr differenzieren können. Mit einem Jahr können die taiwanischen Kinder ähnlich klingende Laute im Mandarin unterscheiden, die amerikanischen Kinder aber nicht, auch wenn sie diese Laute durch Hörbeispiele oder durch das entsprechende Video einer Mandarin sprechenden Taiwanerin über mehrere Wochen immer wieder gehört und auch gesehen haben. Anders ist dies VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart aber bei den amerikanischen Kinder, bei denen eine Taiwanerin dieselben Laute, Wörter mit Bildern unterstützt persönlich gesprochen hat. Diese Kinder konnten genauso gut die Mandarinlaute mit einem Jahr differenzieren wie die taiwanesischen Kinder. Es bedarf also des Dialogs, des direkten Kontaktes, des aufeinander Reagierens, um zur Sprache zu kommen. Medien, wie Fernsehen, Video oder Radio können die Sprachentwicklung kleiner Kinder nicht unterstützen und auch größere Kinder wie auch Jugendliche profitieren davon wenig, wie das schon früher recht frustrane Lernen im Sprachlabor zeigte. Bei der Kommunikation, die vom Kind ausgeht, ist es wichtig, dass der Kommunikationspartner prompt und adäquat reagiert, damit die Kommunikation für das Kind erfolgreich ist und es dadurch in seinem Bemühen unterstützt wird. Schon bevor die Schwangerschaft die Halbzeit erreicht hat beginnt das Hören. Die Verbindung zwischen den Hörsinneszellen bis zum Gehirn über die Hörbahn hat rudimentär stattgefunden. Die geräuschvolle Umgebung im Mutterleib (Herzschlag, Pulsschlag der Bauchaorta) sind prägende rhythmisierende Eigenschaften. Auch die Atmung ist gut hörbar. Pulsschlag, Atemrhythmus und „Stress“hormone signalisieren dem Kind, wie es der Mutter geht. Dazu gehört auch der Stimmklang der Mutter, der durch den Körperschall für das Kind besonders gut zu hören ist, im Vergleich zu den Stimmen, die von außen durch das Gewebe, das Fruchtwasser bis zum Hörorgan des Kindes dringen müssen. Verschiedene Untersuchungen konnten zeigen, dass auch die klanglichen Eigenschaften der Sprache (Prosodie) die Hörerfahrung des Kindes prägen, bis hin zum Neugeborenenschrei, der bei französischen Kindern anders in der Betonung klingt, als bei deutschen Kindern. Nach der Geburt erkennt das Kind, trotz anderer Hörbedingungen, bald die Stimme seiner Mutter wieder. Auf diese ist es in gewisser Weise geprägt. Aber auch andere Stimmen, die häufig zu hören sind, werden bald vertraut und diese Menschen können zu Bezugspersonen werden, wenn sie dem Kind Konstanz und Sicherheit bieten. Vokale werden durch die Stimme und weil sie länger sind wesentlich besser übertragen als die Konsonanten, die leiser, höher und kürzer sind. Letztere lernt das Kind erst nach Geburt kennen, wenn das Fruchtwasser nicht mehr den Gehörgang und das Mittelohr ausfüllt. Konsonanten sind überwiegend die Laute, die die Worte voneinander unterscheiden. Die Hörentwicklung verläuft in den ersten Monaten sehr rasch und schafft die Grundlage für die Sprachentwicklung. Kinder in einer 1-1 Situation haben dabei deutliche Vorteile, im Vergleich zu Kindern in einer Gruppensituation. Der Blickkontakt, das Mundbild, die persönliche Ansprache, das angepasste Sprechtempo, die Wiederholungen, die Melodie und die angemessenen Pausen, wenn das Kind signalisiert, dass es genug hat, sind günstig für die Sprachentwicklung. Wenn Eltern auf das „Plappern“ ihres Kindes immer wieder, aber nicht andauernd reagieren, dann passt sich dieses mit seiner Lautgebung an und lernt aus der Sprache der Eltern neue Laute und Betonungen. Auch kleine Kinder können schon unterscheiden, ob grammatikalische Strukturen richtig oder falsch sind, ohne dass sie dabei die Worte / den Sinn verstehen. VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Die besondere Hör- und Sprachkompetenz zeigt sich, wenn Worte, Silben und Laute aus der fließenden Sprache (d.h. es sind klanglich keine Wortgrenzen zu hören) erkannt werden können. Je größer der Wortschatz und das Wissen über den Satzbau, desto leichter gelingt das Erkennen. Aufbau und Funktion des Hörsystems Schall/ Sprache/ Musik gelangen als minimale Luftdruckschwankungen an unser Ohr. Die Form der Ohrmuschel und des Gehörganges bewirken u.a., dass der Klangbereich, der für die Spracherkennung besonders wichtig ist, verstärkt übertragen wird. Der Gehörgang ist durch das dünne Trommelfell vom Mittelohr getrennt. Am Trommelfell setzt innen der Hammergriff als Teil der dreigliedrigen Gehörknöchelchenkette (Hammer, Amboss, Steigbügel) an, die mit der Steigbügelfussplatte die Verbindung zum Innenohr herstellt. Form und Fläche des Trommelfells bewirken mit der Hebelwirkung der Gehörknöchelchenkette und der kleinen Fläche der Steigbügelfussplatte, dass der Luftschall auf die Flüssigkeit des Innenohres ohne wesentlichen Verlust der Lautstärke übertragen werden kann. (Impedanzanpassung). Andernfalls würde etwa 96% der Schallenergie nicht übertragen werden. Das Innenohr liegt im Knochen des Felsenbeines eingebettet und setzt sich aus zwei Funktionsteilen zusammen, die aber organisch eine Einheit bilden: Das Labyrinth des Gleichgewichtsorgans und der Hörschnecke. Die Hörschnecke windet sich zweieinhalb Mal um ihre Achse und hat eine Verbindung an ihrem oberen Ende, so dass die zwei größeren flüssigkeitsgefüllten Kanäle (Scala vestibuli oben und Scala tympani unten) darüber miteinander in Verbindung stehen. Die untere Scala tympani ist durch die runde Fenstermembran zum Mittelohr abgeschlossen. Wenn der Steigbügel am ovalen Fenster nach innen auf die Flüssigkeit der Scala vestibuli drückt, wird durch den Druck der Flüssigkeit die Fenstermembran des runden Fensters etwas nach außen gedrückt. Zwischen diesen beiden Kanälen liegt der kleinere Ductus cochlearis, der das eigentliche Hörorgan mit seinen Sinneszellen enthält. Die Hörzellen setzen sich aus drei Reihen äußerer Haarzellen und einer Reihe innerer Haarzellen zusammen. Die äußeren Haarzellen erhalten ihre Informationen vom Gehirn und modifizieren das Hören, indem sie leise Lautstärken verstärken können, hohe Lautstärken mechanisch dämpfen und bewirken, dass Frequenzen (Tonhöhen) scharf umgrenzt die entsprechenden inneren Hörsinneszellen erregen können. Somit spielen sie für das Hören eine sehr wichtige Rolle, obwohl mit ihnen nicht gehört werden kann Es gibt nur etwa 4000 innere Hörsinneszellen. Diese bilden einen Frequenzbereich von ca. 20 bis 20.000Hz ab. Von den inneren Haarzellen ziehen pro Haarzelle mehrere Hörnervenfasern zum Gehirn und werden in Kerngebieten der Hörbahn umgeschaltet. Hier findet schon die erste Verarbeitung der Signale auf dem Weg zum Gehirn statt. Kein anderes Sinnessystem unseres Körpers ist so komplex aufgebaut, wie das des Hörens. Auch wenn der Begriff Hörbahn impliziert, dass die Nerven vom Ohr zum Gehirn in eine Richtung verlaufen, findet in Wirklichkeit ein Informationsaustausch zwischen beiden Seiten statt und auch Informationen können weiter unten liegende Verarbeitungszentren in ihrer Arbeit modifizieren. Je weiter VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart sich die Hörbahn dem Gehirn nähert, umso mehr Nervenfasern umfasst sie und desto komplexer ist der Informationsaustausch mit anderen Zentren und Gebieten. Eine besondere Rolle spielt dabei der Thalamus, der die Informationen z.B. mit den visuellen Informationen verknüpft und weiter verteilt. Erst wenn die Informationen in der Gehirnrinde in unserem Hörzentrum angekommen sind, haben wir sie wahrgenommen/ gehört Das Mittelohr und seine Bedeutung Zwischen dem Trommelfell und dem Innenohr befindet sich der Raum des Mittelohres. Dieser ist normalerweise mit Luft gefüllt. Der Luftdruck im Mittelohr sollte dem Außendruck im Gehörgang möglichst entsprechen, sonst nehmen wir den Unterschied als Druckgefühl war und bemerken ein gedämpftes Hören. Typisch ist dieses Gefühl, wenn wir in die Berge fahren. Beim Schlucken und Gähnen hören wir in der Regel ein Knacksen, das Hören wird wieder lauter und das Druckgefühl schwindet. Dies ist möglich, da es eine Verbindung zwischen Mittelohr und dem hinteren Anteil der Nase gibt. Die Verbindung wird als Ohrtrompete bezeichnet (Tuba auditiva, Eustachische Röhre). Sie setzt sich aus zwei Anteilen zusammen, einem äußeren knorpligen Anteil und einem inneren knöchernen. Am äußeren Anteil setzen Muskeln an, die mit dem Gaumensegel in Verbindung stehen und wenn dieses beim Schlucken und Gähnen gespannt wird, zieht der Muskel an der Wand der Ohrtrompete und öffnet diese dadurch. Dieser Mechanismus ist bei Menschen mit einer Gaumenspalte häufig gestört und deshalb kommt es bei ihnen öfters zu einer Belüftungsstörung. Aber auch mechanische Ursachen können diesen Mechanismus behindern. Bei einem Infekt kann es durch die Entzündung auch zum Anschwellen des Gewebes in der Ohrtrompete und davor kommen, so dass der Druckausgleich nicht möglich ist. Ein anderer Grund kann eine große Rachenmandel sein. Die Rachenmandel (Adenoid, Tonsilla palatina, im Volksmund die „Polypen“) besteht aus Gewebe, das der Infektabwehr dient (lymphatisches Gewebe). Wiederholte Infekte können bewirken, dass das lymphatische Gewebe immer größer wird, bis es den Raum hinter der Nase (Nasenrachenraum, Epipharynx, Nasopharynx) zunehmend ausfüllt und schließlich so verlegt, dass die Nasenatmung eingeschränkt und andererseits der seitlich liegende Eingang zur Ohrtrompete verlegt ist. Die Folge ist eine Belüftungsstörung des Mittelohres. Das Gewebe im Mittelohr ist ein „respiratorisches Gewebe“ wie es im Atemtrakt vorkommt. Wenn nun die Belüftung gestört ist, wird die Luft im Mittelohr vom Gewebe aufgenommen (resorbiert) und es entsteht ein zunehmender Unterdruck im Mittelohr. Kann dieser nicht ausgeglichen werden, dann bewirkt dieser Unterdruck, dass sich das respiratorische in ein sekretproduzierendes Gewebe umwandelt (eine sogenannte Metaplasie). Dies kann schon innerhalb weniger Tage stattfinden. Anfangs wirkt das Sekret wässrig klar und wird deshalb vom Volksmund als „Wasser“ im Ohr bezeichnet, medizinisch als Paukenerguss. Wenn die Belüftungsstörung anhält, verändert sich das Sekret, wird gelblich schleimig. Hält die Störung über Wochen an, wird das Sekret dicker, bis es wie Leim wirkt und schlecht zu entfernen ist (glue ear). Die Hörminderung durch das sekretgefüllte Mittelohr ist relevant und entspricht dem Hörvermögen, wenn man sich VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart mit den Fingern fest den Gehörgang von außen verschließt. Man hört schon noch, aber viel leiser und man muss sich anstrengen, mittelleise Sprache noch zu verstehen. Der Grad der Hörminderung durch einen Erguss kann einer geringbis mittelgradigen Hörminderung entsprechen. Die beschriebene Situation ist für Kinder typisch. Ihr Abwehrsystem muss sich mit den vielen neuen Keimen der Umwelt auseinandersetzen, besonders auch durch den Kontakt mit den vielen Keimen anderer Kinder in der Kinderkrippe, dem Kindergarten und der Schule. In der kalten Jahreszeit kommt es zu vielen Infekten und wenn die Erholungszeit dazwischen nicht ausreicht, dass sich das Abwehrgewebe („Mandelgewebe“) wieder zurückbildet, bleibt das Mandelgewebe groß und die Belüftungsstörung bestehen. Es füllt weitgehend den Rachenraum aus, so dass die Nasenatmung behindert oder gar aufgehoben ist mit verstopft-nasalem Klang (Rhinophonia clausa). Die Mundatmung ist die Folge. Diese bewirkt aber, dass die Atemluft nicht mehr angefeuchtet, gereinigt, angewärmt und die Keime in der Nase abgefangen werden. Es folgen weitere Infekte, nun auch im Rachenbereich, Kehlkopf und den Bronchien. Die Nasennebenhöhlen werden nicht mehr belüftet und bei Infekten kommt es zu anhaltendem Schnupfen. Die behinderte Nasenatmung bewirkt außerdem, dass der Mund offen ist, die Schleimhaut austrocknet, die Muskulatur zum Mundschluss schwächer wird, die Zunge nicht ihre Ruhelage hinter den oberen Schneidezähnen einnehmen kann und dadurch der Oberkiefer nicht richtig ausgeformt wird (Dysgnathie) und die Zähne zu Karies neigen, Zungenbewegungsstörungen mit Lautbildungsfehlern entstehen können. Kinder schnarchen nachts, bekommen nicht ausreichend Luft, sind tagsüber nicht ausgeschlafen und nicht so lern- und leistungsfähig. Außerdem fällt das Essen schwer, da immer wieder durch den Mund zwischen geatmet werden muss. Manche Kinder haben deswegen weniger Appetit und gedeihen schlecht. Damit zeigt sich, dass diese „kleine“ Störung recht ausgeprägte Folgen haben kann. Infekte sind normal und für die Entwicklung des Immunsystems notwendig. Infekt bedingte Paukenergüsse hat faktisch jedes Kind durchgemacht. Dabei gibt es aber eine nicht kleine Gruppe von Kindern, bei denen die Paukenergüsse häufig und andauernd sind und die „Jahreshörbilanz“ deutlich einschränken und damit die Entwicklung gefährden. Langanhaltende relevante Hörminderungen führen also zum „negativen Lernen“, in dem sich keine neuen Synapsen bilden und die Hörnerven sich zurückbilden können. Es gibt Untersuchungen, dass Kinder die immer wieder über längere Zeit eine Infekt bedingte Hörminderung haben (Schallleitungsstörung) verzögert in ihrer Hör- und Sprachentwicklung sind. Dies kann ein Grund für eine „auditive Wahrnehmungsstörung“ sein und z. Bsp. für spätere Probleme in der Lautdifferenzierung und dem Verstehen im Störschall. Zunächst ist es wichtig, dass Eltern über diese Zusammenhänge aufgeklärt werden. Sinnvoll ist, die Kinder zum vielen Trinken (Anfeuchten der Schleimhäute, Verdünnen des Sekretes, Schluckmechanismus für die Tubenöffnung) anzuhalten, aber auch zum Kauen fester Speisen (Äpfel, Möhren …), um den Mund- Kaubereich zu trainieren und zu tonisieren. Außerdem ist die Anfeuchtung der Schleimhäute durch Inhalationen, Nasenspülungen, salzhaltige Nasentropfen/-Sprays bei den schon VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart etwas größeren Kindern hilfreich. Nachts oder bei sehr ausgeprägten Störungen sind auch zeitweise gegebene abschwellende Nasentropfen sinnvoll. Dabei reicht häufig die Konzentration für Säuglinge und Kleinkinder aus und es ist sinnvoll, die abschwellenden Tropfen erst in eine Nasenseite im Liegen einzubringen und nach etwa 3 bis 4 Stunden in die andere Seite, so dass eine Nasenseite frei ist und die andere Seite sich erholen kann. Während eines eitrigen Schnupfens sollte eine Druckbelüftung der Mittelohren unterlassen werden, da sonst Bakterien aus der Nase in das Mittelohr und den Paukenerguss gedrückt werden und so zu einer entzündlichen Mittelohrentzündung führen können Falls dies nicht zu einer relevanten Besserung/ Normalisierung führt muss die Operation erwogen werden. Hier gilt es immer Nutzen und Risiken abzuwägen. Ein temporärer Paukenerguss braucht keine OP, erst wenn die Probleme wiederholt und über lange Zeiten bestehen mit nachgewiesenem Paukenerguss und relevanter Hörminderung einerseits oder großer Rachenmandel und den oben beschriebenen Folgen andererseits ist die Indikation zur OP wahrscheinlich gegeben. Rachenmandelentfernung / Adenotomie / AT Bei einer großen Rachenmandel mit behinderter Nasenatmung, anhaltendem Schnupfen und Schnarchen, besonders wenn Atemaussetzer zu beobachten sind, sollte die Entfernung der Rachenmandel in Vollnarkose erfolgen. Dabei wird das Gewebe von der Rachenhinterwand abgeschabt oder elektrisch verkleinert. Es wird versucht die Rachenmandel möglichst komplett zu entfernen, da es aus den Resten leichter zur Nachblutung kommt oder die Rachenmandel nochmals nachwachsen kann. Andererseits gilt es das umgebende Gewebe zu schonen, um ungünstige Narbenbildungen oder gar Funktionsstörungen zu verhindern. Die Nachblutung ist eine mögliche Komplikation, die gelegentlich eine Nachoperation erforderlich macht. Bei großer Rachenmandel, die schon lange besteht, kann das Gaumensegel untrainiert und schwach sein, so dass es nach der Mandelentfernung zu einem offenen Näseln kommen kann (Rhinophonia aperta). Paukenerguss, Trommelfellschnitt / Parazentese und Paukendrainage Wenn aufgrund einer Belüftungsstörung des Mittelohres eine Operation notwendig wird, werden bei Bedarf zunächst die Gehörgänge gereinigt, dann mit dem Ohrmikroskop die Trommelfelle gut dargestellt und bei Paukenergüssen ein kleiner Schnitt ins Trommelfell gemacht (Parazentese) sowie das Sekret dahinter vorsichtig abgesaugt. War die Rachenmandel sehr groß und die wahrscheinliche Ursache für die Belüftungsstörung, und das Sekret hinter dem Trommelfell nicht wesentlich eingedickt, kann es bei dem Trommelfellschnitt belassen werden. In der Regel ist das Sekret aber eingedickt und da nach etwa einem Tag der Schnitt wieder verheilt, reicht die Zeit meist nicht aus, dass sich das flüssigkeitsproduzierende Gewebe im Mittelohr wieder normalisiert. Dann wird ein winziger Platzhalter zur Belüftung in das Trommelfell eingesetzt, - das sogenannte Paukenröhrchen/ die Paukendrainage. Dieses soll sichern, dass das Mittelohr auch weiterhin belüftet wird und sich das flüssigkeitsproduzierende Gewebe wieder umwandeln kann. Außerdem kann Sekret, das sich neu gebildet hat, über das Röhrchen ablaufen. Diese Sekretion sollte nach VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart wenigen Tagen nachlassen und schließlich aufhören. Ein „laufendes“ Ohr führt zur Verunsicherung der Eltern, ist aber zunächst noch normal. Es kann aber auch sein, dass bei einer vorbestehenden Mittelohrentzündung durch die Keime das Ohr nicht ausheilt und die Sekretion anhält oder sich gar noch verstärkt. Dann wird zunächst durch Reinigen des Gehörganges versucht ein günstigeres Milieu zu schaffen. Reicht das nicht aus werden antibiotikahaltige und ggf. auch cortisonhaltige Ohrentropfen genutzt. Führt dies nicht zur Ausheilung, können auch systemische Antibiotika verordnet werden, nachdem ein Abstrich die Empfindlichkeit der Keime nachgewiesen hat. Das laufende Ohr kann gelegentlich aber auch sehr hartnäckig sein und eine wiederholte ärztliche Betreuung erfordern. Bei geschlossenem Trommelfell würde diese Entzündung weitgehend unbemerkt verlaufen, durch die Paukendrainage wird sie sichtbar. Hilft dies alles nicht, kann auch die Paukendrainage wieder entfernt werden, da es möglich ist, dass sich die Bakterien daran festgesetzt haben und die Entzündung unterhalten. Das Trommelfell wächst von der Mitte nach außen und schiebt dabei die Paukendrainage zunehmend in den Randbereich, bis es aus dem Trommelfell herausfällt und im Gehörgang liegt. Normalerweise dauert dies drei bis neun Monate. Die Zeit reicht in der Regel aus, dass sich das Ohr erholt. Es kommt vor, dass Paukendrainagen erneut notwendig werden, meist ist aber nur ein Mal diese Operation notwendig. Schönweiler hat in einem größeren Patientenkollektiv beobachtet, welche Veränderungen nach der OP schon innerhalb weniger Wochen zu erkennen sind. Drei Viertel der Kinder hören, auch für die Eltern erkennbar, besser und bei etwa der Hälfte der Kinder zeigen sich rasche Fortschritte in ihrer Sprachentwicklung, aber auch in der Motorik, beim Mundschluss und der Ernährung. 94% der befragten Eltern würden den Eingriff nochmals durchführen lassen. Merke: Bei Kindern sind Infekte und begleitende Paukenergüsse normal. Erst wenn diese häufig und andauernd sind, die Entwicklung und das Wohlbefinden beeinträchtigen, ist die Indikation zur OP zu überprüfen, die dann aber auch zeitnah erfolgen sollte. Der Gewinn ist in der Regel für die Kinder hoch. Bei Schallübertragungsstörungen des Mittelohres kann eine Operation das Hörvermögen meist bessern. Gelingt dies nicht, ist auch an eine Versorgung mit Hörgeräten zu denken, die speziell für diese Übertragungsstörungen ausgesucht werden. Anders sieht es bei den sogenannten Innenohrschwerhörigkeiten aus (sensorische, sensori-neuronale, cochleäre Hörstörung, Haarzellschwerhörigkeit). Die winzigen Strukturen der Hörsinneszellen lassen keine Operation zu. Somit kann bisher eine Innenohrschwerhörigkeit nicht operativ geheilt werden. Bei sehr ausgeprägten Schwerhörigkeiten, wo auch Hörgeräte kein ausreichendes Hörvermögen mehr ermöglichen, kann ein Cochlea Implant über die elektrische Reizung der ableitenden Nervenfasern des Innenohres eine Erregung auslösen, die VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart das Gehirn erreicht und mit der Zeit muss das Hör- und Sprachzentrum lernen, daraus sinnvolle Informationen zu gewinnen. Das Innenohr ist eine empfindliche Struktur, filigran und störanfällig. Neben angeborenen Hörstörungen, die meist genetisch bedingt sind, können sich auch Hörstörungen in der Kindheit entwickeln oder vorzeitig im Erwachsenenalter. Neue genetische Untersuchungsmethoden können schon viele entsprechende Veränderungen an den Erbinformationen nachweisen, die isoliert auftreten oder im Rahmen von großen Krankheitsbildern. Aber auch Infektionen können Grund für eine Schwerhörigkeit sein (Röteln in der Schwangerschaft, CMV-Infektionen, Meningitis nach der Geburt). Bei bedrohlichen Neugeboreneninfektionen sind zur Gesundung des Kindes manchmal Antibiotika erforderlich, die das Innenohr potenziell schädigen können, so dass danach der Hörtest in Abständen wiederholt werden muss. Das Ohr ist sehr stoffwechselaktiv und damit auf eine gute Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen angewiesen. Sauerstoffmangel bei der Geburt kann ebenfalls eine Ursache einer Hörstörung sein. Aber ganz im Vordergrund stehen Hörstörungen durch Lärm, einer Krankheit, der fast alle Menschen der „zivilisierten“ Welt zum Opfer fallen. Neue Untersuchungen zeigen, dass sogar die noch ungeborenen Kinder im Mutterleib schon eine lärmbedingte Hörstörung bekommen können, wenn die werdenden Mütter hohen Lautstärken ausgesetzt sind. Früher hat man die lärmbedingten Schäden zuerst an den äußeren Hörsinneszellen bemerkt. Neuerdings weiß man, dass die ableitenden Hörnerven noch empfindlicher sind als die Hörsinneszellen und schon vor den erkennbaren Schäden der äußeren Haarzellen eingehen können. Dies ist nicht reversibel und kann ein fortschreitender (progredienter) Prozess sein, der schon durch ein einmaliges „Knalltrauma“ (explodierender Silvesterböller oder Kinderpistole in der Nähe des Ohres) ausgelöst werden kann, häufiger aber durch höhere Lautstärken über längeren Zeit. Es zeigt sich, dass die Synapsen einer lärmbedingten Dauerbelastung nicht gewachsen sind, die Überträgerstoffe nicht mehr ausreichend nachgebildet werden können und dann auch strukturelle Schädigungen an der Übertragung von der Hörsinneszelle auf das erste Neuron stattfinden, bis hin zum Verlust der Nervenzellen. Auch wenn an den inneren Haarsinneszellen mehrere Nervenfasern ansetzen, werden mit der Zeit, bei progredientem Verlust, die Fasern immer weniger und die Informationen nicht mehr ausreichend präzise zum Gehirn weitergeleitet. Während Hörstörungen der Schallübertragung (überwiegend im Mittelohr) sich besonders durch das gedämpfte / leisere Hören bemerkbar machen, sind die Veränderungen des Klanges durch Hörstörungen des Innenohres wesentlich komplexer. In der Regel sind höhere Töne stärker betroffen als tiefe Töne, so dass eine Klang/ Frequenzveränderung auftritt. Töne können „scheppernd“ klingen. Aber auch die Tonhöhenunterscheidung wird viel ungenauer. Im Bereich der mittelhohen und hohen Frequenzen liegen viele Klangbereiche der Konsonanten, die dadurch nicht mehr richtig erkannt werden können und das Sprachverstehen erschweren. VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Neben der Klangveränderung kommt es natürlich zu einem leiseren Hören im betroffenen Bereich: Höhere/ hohe Lautstärken sind notwendig, dass überhaupt etwas gehört werden kann. Eine weitere Erhöhung der Lautstärke führt dann rasch zu einer subjektiven Zunahme der Lautstärke, bis die Lautstärkenempfindung gleich laut zum Normalhörenden ist und bei weiterer Lautstärkesteigerung, dann als zu laut empfunden wird. Dies bedeutet, dass der Dynamikbereich des Hörens stark eingeschränkt ist und damit eine besondere Herausforderung bei der Anpassung von Hörgeräten darstellt. Hörgeräte sind wichtige Hilfsmittel und sollten bei einer Hörstörung möglichst früh angepasst werden, damit das Gehirn durch die umfassenderen Höreindrücke mehr lernen und differenzierter hören kann. Die Hörsystemtechnik wird immer raffinierter und es werden immer mehr Mechanismen der Hörphysiologie im Hörgerät nachgeahmt. Dennoch muss man sich immer wieder klar machen, dass die Hörstörung erst nach dem Hörgerät das Hören verändert und mit dem Hörgerät dies nur bedingt/ teilweise ausgeglichen werden kann. Die Hauptarbeit muss unser Gehirn beim Hören vollbringen, - je komplexer/ ausgeprägter eine Hörstörung ist, umso mehr. Das Hören ist anstrengend, häufig nicht erfolgreich und damit für den Betroffenen wiederholt frustran. Er braucht das Verständnis seiner sozialen Umwelt, die möglichst optimale technische Versorgung (Pädakustiker/ Akustiker), gute Hörund Sehbedingungen in Schule und Berufswelt und fachpädagogische Unterstützung (SBBZ: Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren), die meiner Meinung nach weiterhin von immanenter Bedeutung sind. Der kurze Abriss des Hörens und der Sprache soll erahnen lassen, wie komplex Hören und die Sprachentwicklung sind und dass Störungen die Entwicklung gefährden und umfassende Hilfen für die Betroffenen notwendig sind. Mediengebrauch Neben vermeidbarem Lärm sehe ich aber auch im intensiven Mediengebrauch von Eltern und Kindern ein Risiko für die familiäre Bindung, die Entwicklung und die Gesundheit. Das mag sich etwas belustigend im sogenannten Smartphonenacken nach außen hin zeigen, oder im Jugendwortes des Jahres 2015: „Smombie“ für jemand, der wie gebannt auf sein Smartphone schaut und dadurch wie ein Zombie in der Gegend herumläuft. Überlastungsreaktionen treten auch an den Daumengelenken auf. Im Gehirn sind die motorischen Bereiche für den Daumen mächtig geworden und die visuellen Zentren. Erschreckend ist dann aber, dass etwa 8% der Jugendlichen zwischen 8 und 14 Jahre sich selbst als suchtgefährdet für Smartphonenutzungeinschätzen. Dies lässt erwarten, dass der Risikoanteil tatsächlich noch deutlich höher ist und natürlich die anderen Medien auch noch umfassen muss. Das Smartphone stört die Konzentration durch häufige Signale und man kommt nicht mehr in den “vertieften“ Arbeitsmodus, der für ein effektives Arbeiten unabdingbar ist. Informationen über die Mediennutzung sind inzwischen gut verfügbar. So wird die KIM-Studie (Kinder + Medien, Computer + Internet) etwa alle zwei Jahre aktualisiert. VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Aber auch die JIM-Studie (Jugend, Information, (Multi-)Media) und die FIM-Studie (Familie, Interaktion & Medien) sind aufschlussreich. www.mpfs.de Die intensive Mediennutzung beeinflusst alle Menschen, wobei aber Kinder besonders vulnerabel sind. Bei ihnen sollte das „Erfahrungensammeln in der Realwelt“, primär mit den Bezugspersonen, dann zunehmend selbständiger und mit ihrer Altersgruppe, im Vordergrund stehen. Kommunikation gelingt nur von Mensch zu Mensch im direkten Austausch. Mangelnde Erfahrungen mit positiven Konfliktlösungen scheinen bei Kindern und Jugendlichen (und Erwachsenen?) zuzunehmen. Medien haben ihren Reiz. Sie üben keine Kritik, man kann (scheinbar) etwas bewirken, sie sind aber auch unpersönlich. Der Anreiz zum Spielen ist besonders für Kinder sehr groß und deshalb stehen Spiele (bei den Jungs) und die Nutzung sozialer Netzwerke (bei den Mädchen) im Vordergrund ihrer Beschäftigung und es fällt ihnen dann schwer, sich mit den mühsamen Themen des schulischen Lernens auseinanderzusetzen und darauf zu konzentrieren. Der Medienanteil beim effektiven Lernen ist nur gering und die „Lernenden“ brauchen Unterstützung, wie sie die Medien für das Lernen sinnvoll nutzen können. Informationen über die Dauer des empfohlenen Mediengebrauchs finden sich z.B. bei „Kinder- & Jugendärzte im Netz: Elterliche Kontrolle des Mediengebrauchs von Kindern hat langfristigen positiven Einfluss Kontrollieren Eltern, wie lange ihre Kinder fernsehen oder vor dem Computer sitzen, so hat dies einen positiven Einfluss auf die durchschnittliche Schlafdauer, die Schulleistungen, das soziale Verhalten und indirekt auf das Gewicht der Kinder. Dieser Effekt ist noch mehr als ein halbes Jahr später messbar. Zu diesem Ergebnis kommt eine amerikanische Studie, die über 1.300 Kinder im Verlauf eines Schuljahres beobachtete. „Neben einem Rückgang der körperlichen Fitness und Abnahme der Leistungsfähigkeit kann übermäßiger Medienkonsum aggressives Verhalten, die Entwicklung eines unrealistischen Körperbilds und Essstörungen, Aufmerksamkeitsdefizite, verzögerte Sprachentwicklung, sozialen Rückzug sowie mangelnde Konfliktfähigkeit zur Folge haben“, berichtet Co-BLIKKProjektleiter Dr. Uwe Büsching, der zugleich auch Sprecher des Ausschusses Jugendmedizin vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) ist. „Eltern können durch eine alternative Beschäftigung zum digitalen Mediengebrauch, wie beispielsweise Sport, diesen negativen Symptomen entgegenwirken“, ergänzt Prof. Dr. Rainer Riedel, ebenfalls Co-BLIKKProjektleiter Unabhängig davon, ist eine Nutzung digitaler Medien nicht mehr aus unserem täglichen Leben wegzudenken. Ein angemessener Umgang muss jedoch von unseren Kindern und Jugendlichen erlernt werden. Rich et al. fordert daher, dass ein Umdenken sowohl bei Eltern, als auch bei den Kinder- und VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Jugendärzten stattfinden sollte: Digitale Medien sollen nicht strikt verboten, sondern es sollen Wege zu einer adäquaten Nutzung gefunden werden. Hierbei ist die Zusammenarbeit zwischen den Ärzten und den Eltern von großer Bedeutung. Quellen: Iowa State University,JAMA Pediatr.www.kinderaerzte-im-netz.de. Empfehlungen Kinder unter drei Jahren können das, was im Fernsehen passiert, noch nicht als Medienhandlung verstehen. Daher sollten sie möglichst wenig bis gar nicht fernsehen. 3 bis 5 Jahre: Phantasie und Realität können noch nicht getrennt werden. Deshalb erleben sie märchenhafte Darstellungen als wirklich, was deren Wirkung verstärkt. Die Kinder können jetzt schon kurzen Handlungen folgen. Aber Vorsicht vor Überforderung. Bei Kindern im Vorschulalter reicht die Aufmerksamkeitsspanne noch nicht für Darbietungen von mehr als 15 Minuten aus. Fernsehsendungen müssen daher (ebenso wie Hörspiele) entsprechend kurz oder episodenhaft aufgebaut sein. Eine wertvolle Hilfe zur Auswahl altersangemessener Sendungen ist FLIMMO, die Programmberatung für Eltern (www.flimmo.de). Dort sind u.a. alle für Kinder relevanten und interessanten Fernsehsendungen mit einer eindeutigen Alterskennzeichnung versehen. 10 bis 13 Jahre: Jetzt können Wirklichkeit und Unwirklichkeit im Film zuverlässig voneinander unterschieden werden. Allerdings ist das kein Grund für sie, das unwirkliche Geschehen weniger ernst zu nehmen als reale, täglich erlebte Ereignisse. Die Experten: "Normale Shows und Quiz-Sendungen sind harmlos. Filme nach 22 Uhr überfordern die Kinder. Quelle: Infoset Medienkompetenz : 10 Fragen – 10 Antworten www.mpfs.de und Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Andreas Seimer Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie Marienhospital Stuttgart Böheimstraße 37 70199 Stuttgart Tel: 0711 6489 2509 Fax: 0711 6489 2511 email: [email protected] VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Sprache und sozio-emotionale Entwicklung Steffi Sachse Unterschiedliche Entwicklungsbereiche eines Kindes – sprachliche, allgemeinkognitive, soziale, emotionale Bereiche – bedingen sich gegenseitig und stehen in enger Wechselwirkung. So ist eine gelingende sprachliche Entwicklung eine Voraussetzung für die weitere kognitive, soziale und emotionale Entwicklung von Kindern – gleichzeitig beeinflussen diese Entwicklungsbereiche aber auch umgekehrt die Sprache. Besonders deutlich wird dies, wenn Kinder in einem Bereich Auffälligkeiten oder Störungen aufweisen und sich dies viel weiter auswirkt als auf die ursprünglich beeinträchtigte Funktion. Das Handout wird von der Referentin am Thementag mitgebracht. Prof. Dr. Steffi Sachse, Psychologin Institut für Psychologie und Entwicklungspsychologie Pädagogische Hochschule Heidelberg Link: http://www.ph-heidelberg.de/sachse-steffi/professur-fuerentwicklungspsychologie/team/steffi-sachse.html VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Semantische Entwicklung: Bedeutungen Ausdrücken können Phonologische Entwicklung: Das LautSystem einer Sprache erlernen Syntaktische Entwicklung: Regeln zur Bildung von Wörtern und zur Kombination von Wörtern erlernen. Morphologie/ Syntax Pragmatische Entwicklung: den Gebrauch der Sprache erlernen Pragmatik Steffi Sachse, PH Heidelberg Metalinguistisches Wissen: Reflexives Verstehen der Sprache auf unterschiedlichen Ebenen Semantik (nach Grimm, 2003) sprachrelevante Operationen der sozialen Kognition • Differenzierung sprachlicher Kontraste • Präferenz für Muttersprache • Aufmerksamkeit auf Gesicht und Stimme • Nutzung prosodischer Merkmale • Präferenz für Babytalk sprachrelevante Operationen der Wahrnehmung Steffi Sachse, PH Heidelberg • Objektkategorisierung • Gedächtnis für Sprache sprachrelevante Operationen der Kognition Vorläuferfähigkeiten für den Spracherwerb Das komplexe System der Sprache Phonologie Sprache und sozioemotionale Entwicklung Steffi Sachse, PH Heidelberg 3.2 Verhaltensauffälligkeiten bei sprachentwicklungsgestörten Kindern 3.1 Sprachentwicklung, Emotionswissen und Emotionsregulation 3. Zusammenhang Sprache und sozioemotionaler Entwicklung Sprache und sozioemotionale Entwicklung Prof. Dr. Steffi Sachse, Pädagogische Hochschule Heidelberg, [email protected] Fachtag: Hörst du mich? Verstehst du mich? Sprich mit mir! Sprache und sozioemotionale Entwicklung 2. Sozioemotionale Entwicklung 1. Sprachentwicklung im Kontext anderer Entwicklungsbereiche und im Kontext sozialer Interaktion Gliederung Sprache und sozioemotionale Entwicklung (Grimm, 2003) • Aufmerksamkeit auf Gesicht & Stimme • Soziale Imitation • Gesten Steffi Sachse, PH Heidelberg sprachrelevante Operationen der Kognition 2. Sozioemotionale Entwicklung sprachrelevante Operationen der Wahrnehmung bestimmte sprachliche Interaktionsstile (kindgerichtete Sprache) sprachliche Anregungen aus der Umwelt Responsive Bezugspersonen Eng verschränkte Entwicklung beider Bereiche ! Sozioemotionale Entwicklung Steffi Sachse, PH Heidelberg Alle persönlichen Fähigkeiten, die dazu beitragen, dass jemand seine eigenen Bedürfnisse und Interessen mit denen von anderen vereinbaren kann (Perren et al., 2008) Soziale Kompetenz: (Scheithauer et al., 2008, S. 145) Fähigkeit mit eigenen und fremden Gefühlen angemessen umzugehen Emotionale Kompetenz: Definitionen Sprache und sozioemotionale Entwicklung Eines allein reicht nicht aus! Beides ist unbedingt notwendig! Gehirnregionen, die speziell für sprachliche Verarbeitung geeignet sind Angeborene Fähigkeiten (Wahrnehmung, Kognition, sozialkognitive Fähigkeiten...) Sprachentwicklung als komplexes Wechselspiel Es ist von angeborenen Fähigkeiten und der Umwelt Vorläuferfähigkeiten für den Spracherwerb sprachrelevante Operationen der sozialen Kognition Sprache und sozioemotionale Entwicklung Sprache und sozioemotionale Entwicklung Eigene Gefühle erkennen & ausdrücken (mimisch, gestisch, sprachlich) Gefühle anderer erkennen & verstehen Perspektivübernahme & emotionale Einfühlung (Empathie) Emotionsregulation (= ER) • Komplexe Gefühle 6. Lebensjahr: Ursachen/Motive von Gefühlen verstehen Mama hat mir die Tasse aus der Hand genommen. Sie ist runtergefallen und kaputtgegangen. Das hat sie nicht mit Absicht gemacht Mama freut sich immer, wenn Oma kommt. (Jungmann, Koch & Schulz, 2015) 1. Lebensjahr: Unterscheidung positive/negative Emotionen Steffi Sachse, PH Heidelberg 3. Lebensjahr: Zusammenhang Bedürfnisse/Interessen & Gefühle 4. Lebensjahr: Verknüpfung spezifische Situation & Gefühl 4./5. Lebensjahr: Unterscheidung erlebter & gezeigter Gefühlsausdruck Lisa ist wütend, weil der Ball kaputt ist. Mama hat Tante Rita gesagt, das Essen habe gut geschmeckt und hat gelächelt. Aber es gab Paprika und die mag sie eigentlich gar nicht. (Jungmann, Koch & Schulz, 2015) Steffi Sachse, PH Heidelberg Anna legt eine Tafel Schokolade in den Schrank und geht zum Spielen nach draußen. Während sie weg ist, kommt Bruno und legt die Schokolade vom Schrank in die Schublade. Die Kinder werden nun gefragt, wo Anna die Schokolade wohl suchen wird, wenn sie vom Spielen zurückkommt. Untersuchung mit „False-Belief“-Aufgabe: Theory of mind (ToM): • Verständnis, dass andere Menschen eine andere Vorstellung von der Welt haben können als man selbst • Ab 3./eher 4. Lebensjahr 3. Perspektivübernahme & Empathie 2. Gefühle anderer erkennen & verstehen Steffi Sachse, PH Heidelberg (Adaptiert nach Jungmann, Koch & Schulz, 2015) Sprache und sozioemotionale Entwicklung • Eifersucht, Nervosität, Mitleid, Empörung 4.-6. Lebensjahr 2.-4. Lebensjahr • Sekundäre Gefühle • Stolz, Scham, Schuld, Neid, Verlegenheit, Empathie • Voraussetzung: Selbst-Andere-Konzept (sich selbst erkennen), Besitz-Konzept • Prosoziales Verhalten, Trotz-/Autonomiephase beginnt Erst Lebens- • Freude, Wut, Traurigkeit, Angst, Überraschung, Interesse monate Sprache und sozioemotionale Entwicklung Steffi Sachse, PH Heidelberg Bereitschaft/Fähigkeit unerwünschte Handlungen zu unterdrücken und sozial angemessene Verhaltensweise aufrecht zu erhalten (Kochanska & Aksan, 2006) Verhaltensregulation: 1. 2. 3. 4. • Basisgefühle 1. Eigene Gefühle erkennen & ausdrücken Komponenten der sozioemotionalen Entwicklung Emotionale Kompetenz: Sprache und sozioemotionale Entwicklung Sprache und sozioemotionale Entwicklung Steffi Sachse, PH Heidelberg 2. Zusammenhang Sprache und sozioemotionale Entwicklung (Jungmann, Koch & Schulz, 2015) Strategien zur Emotionsregulation: • Unterstützung durch Erwachsene/Gleichaltrige • Aufmerksamkeit auf anderes lenken • Selbstgespräche/Beruhigungsrituale • Räumlicher Abstand • Situation umdeuten • Eigene Gefühle leugnen • Körperliche Aktivität • Andere Gefühle vortäuschen • • Bis zum Ende des 2. Lebensjahres: Regulation durch Bezugspersonen z.B. Das Kind ist wütend und die Mutter beschwichtigt es. Ab 3. Lebensjahr: Erlernen von Emotionsregulationsstrategien Wesentlicher Meilenstein: Kind sucht nicht mehr bei jeder Emotion Unterstützung, sondern versucht zunehmend seine Emotionen selbst zu regulieren Steffi Sachse, PH Heidelberg gemeinsames Auftreten von Schwierigkeiten in beiden Bereichen ! Sehr frühe Entwicklung beider Bereiche, oft zeitgleich, dabei emotionale Entwicklung und Selbstregulationsfähigkeiten ! Sprachliche Fähigkeiten haben katalysierende Wirkung für angewiesen (Lüdtke, 2006) bestätigenden und kommunikativen Austausch mit der Umwelt ! Kinder sind in ihrer Sprachentwicklung auf emotionale Steffi Sachse, PH Heidelberg (Jungmann, Koch & Schulz, 2015) Zusammenhänge Sprache - Emotion Sprache und sozioemotionale Entwicklung 2.-3. Monat: Bezugspersonen regulieren Verhalten 9.-18. Monat: Zu Anforderungen passendes Verhalten wird erlernt (durch Lob verstärkt, durch Nichtbeachtung/Bestrafung sanktioniert) Ab 2. Lebensjahr: Bewusste (willentliche) Kontrolle über Verhalten/ Emotionen. Dominante Reaktion kann unterdrückt werden (Impulskontrolle) Bis Mitte 2. Lebensjahr: Orientierung an Regeln an anwesende Kontrollinstanz z.B. Eltern/Erzieher gebunden Ab 3. Lebensjahr: Eigenständige Selbstregulation Wichtige Meilensteine der Verhaltensregulation 4. Emotionsregulation • Sprache und sozioemotionale Entwicklung Sprache und sozioemotionale Entwicklung Kinder können über eigene und andere Gefühle sprechen (schneller Wortschatzzuwachs) Kinder können über Gefühle sprechen in hypothetischen zukünftigen Kontexten (Wellman, 2 Jahre 3 Jahre Steffi Sachse, PH Heidelberg ! Zunächst Sprache zum Ausdruck eigener Gefühle, dann auch zum Verhandeln mit Anderen und somit zur indirekten Erfüllung von Bedürfnissen (Kopp & Neufield, 2002). ! Kommunikation mit anderen Menschen bietet neue Wege der Kontrolle von Gefühlen (Dunn & Brown, 2006). Expressive Sprache: ! 5 Monate alte Säuglingen stellen bereits Verbindung zwischen den eigenen Gefühlen und Verhalten, den Reaktionen der Umwelt und deren Rückwirkung auf den eigenen emotionalen Zustand her. (Cole, Armstrong & Pemberton, 2010) Steffi Sachse, PH Heidelberg (3) eine Strategie um Emotionen und Aktivitäten zu regulieren (2) ist ein Werkzeug um die emotionalen Erfahrungen von anderen und sich selbst zu verstehen und (1) dient der Kommunikation von Bedürfnissen Bedeutung der expressiven Sprache für die ER Steffi Sachse, PH Heidelberg Bedeutung der expressiven Sprache für die ER Wiedebusch, 2008) Ausführliches Sprechen über Folgen und Ursachen von Gefühlen, zunehmend auch Benennen von Gefühlen anderer (Petermann & Sprache und sozioemotionale Entwicklung Endes des 4. Lebensjahr Kinder erlernen Wörter zu den Basisemotionen „fröhlich, traurig“ (Berk 2005) 18-20 Monate Harris, Banerjee & Sinclaire, 1995) Meilenstein Alter Meilensteine der emotionsbezogenen Sprachentwicklung Sprache und sozioemotionale Entwicklung Sprache und sozioemotionale Entwicklung Steffi Sachse, PH Heidelberg (2) Verhaltensauffälligkeiten bei sprachentwicklungsgestörten Kindern (Klinischer Kontext) (1) Zusammenhang Sprachentwicklung, Emotionswissen und Emotionsregulation (Entwicklungspsychologie) Zwei relevante Forschungslinien Sprache und sozioemotionale Entwicklung Reden über Gefühle (insb. Spiel): (1) Regt Nachdenken über eigene Gefühle an sowie das Verstehen der Gefühle (eigene und die anderer Menschen) (Dunn et al., 1991) (2) Führt zum Erwerb von mehr Emotionswissen und Generierung effektiver Regulationsstrategien (unabhängig von den verbalen Fähigkeiten) Rezeptive Sprache: (1) Hilft Feedback aus der Umwelt zu verstehen und eigene Gefühle und deren Regulation bzgl. Passung mit der sozialen Norm zu reflektieren (2) Ermöglicht gezieltes Steuern von Emotionen über Instruktionen und Erklärungen (Eltern vermitteln Strategien zur Emotionsregulation z.B. Ablenkung) → Kontrolle von Gefühlen In Form von Selbstgesprächen und Selbstinstruktionen: Diese… • Austausch über Emotionen stärkt die Emotionsregulation Steffi Sachse, PH Heidelberg • Häufigkeit, Themenbreite, Dispute, Ursachensuche zwischen Mutter und Kind im Alter von 36 Monaten sagt Leistungen in Emotionserkennung mit 6 Jahren vorher (Dunn et. al., 1991) 1994) • Ausmaß an Mutter-Kind-Interaktion über Ursachen von Gefühlen wirkt sich positiv auf Emotionswissen aus. (Denham, Zoller & Couchoud, Sprache als Emotionsregulationsstrategie Bedeutung der Sprache für die ER Steffi Sachse, PH Heidelberg ! Durch Selbstgespräche, Singen, etc. werden emotionale Reaktionen verlangsamt oder unterbrochen und Emotionen unterdrückt, verzögert oder verändert ! Haben ein großes Potential als Präventions- und Interventionsmaßnahmen (siehe ADHS) ! Können ineffektive Regulationen nach sich ziehen (negative Selbstgespräche) ! Helfen eigene Gefühle auszudrücken und über Gefühlsreaktionen nachzudenken (Cole et al., 2010) ! Helfen sich in Wartesituationen abzulenken und zu beschäftigen Sprache und sozioemotionale Entwicklung Sprache und sozioemotionale Entwicklung Steffi Sachse, PH Heidelberg Bedeutung der Kommunikation für die ER Bedeutung der rezeptiven Sprache für die ER Steffi Sachse, PH Heidelberg Sprache und sozioemotionale Entwicklung Sprache und sozioemotionale Entwicklung ! Komorbidität Sprachstörung psychische Symptomatik + Steffi Sachse, PH Heidelberg psychische Symptomatik Sprachstörung ! Verhaltens- oder emotionale Störung ist sekundäre Reaktion auf Sprachstörung psychische Symptomatik Soziale Kontakte zu Peers erschwert (Knox et al., 2003) Beeinträchtigte Affektregulation • Belastete Eltern-Kind-Beziehung • • Frustrationen in alltäglicher Kommunikation • Steffi Sachse, PH Heidelberg • Schulische Misserfolge (häufig durch bestehende Lernstörungen z.B. LRS, Komorbidität=50%) Warum kommt es zu Verhaltensauffälligkeiten/ psychischen Problemen? Ätiologie der psychischen Symptomatik Sprachstörung Sprache und sozioemotionale Entwicklung Steffi Sachse, PH Heidelberg 2.2 Forschungslinie 2: Verhaltensauffälligkeiten bei sprachentwicklungsgestörten Kindern Sprache und sozioemotionale Entwicklung deren Beziehung zum Kind) (Cole et al., 2010) abhängig von Umwelt (z.B. emotions-bezogene Sprache der Eltern, ABER: Nutzung der Sprache für s.o. keinesfalls automatisch; → Emotionsregulation → Emotionswissen (z.B. Temperament und Bindungsqualität) Sprachliche Fähigkeiten neben anderen Faktoren FAZIT Sprache und sozioemotionale Entwicklung • Sprachstörungen und Verhaltensauffälligkeiten können sich gegenseitig bedingen und komorbide auftreten • 30% Kinder mit SES zeigen eine weitere psychiatrische Störung Risiko für psychiatrische Auffälligkeiten: Für Kinder mit SES = 4-5 x höher Steffi Sachse, PH Heidelberg Im Vorschulalter: • 7% normalentwickelter dreijähriger Kinder • 58% sprachentwicklungsgestörter dreijähriger Kinder entwickeln psychiatrische Auffälligkeiten (Grimm, 1999) • 50% Kinder mit SES zeigen Verhaltensprobleme (DGKJP, 2007) • 60-70% Kinder mit schweren Sprachstörungen (Noterdaeme, 2008) Steffi Sachse, PH Heidelberg Das frühe Erkennen und Behandeln von Sprachentwicklungsabweichungen und psychischen Auffälligkeiten ist unabdingbar! Die Kooperation verschiedener Disziplinen ist unbedingt notwendig! Die Folgen sind: • vielfältig • beeinträchtigen die kindliche Lebensqualität • beeinträchtigen die weiteren Entwicklungschancen Fazit Komorbiditäten und Risiko (Suchodoletz, 2013) Sprache und sozioemotionale Entwicklung Sprache und sozioemotionale Entwicklung Workshop 1 Wie Kinder kommunizieren Christine Bark Bericht aus der Praxis Gudrun Haupenthal und Jessica Kaiser Wie lässt sich in der Eltern-Kind-Beziehung die Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit fördern und erweitern? Im Rahmen des Workshops werden die Entwicklungsphasen des Selbstempfindens in der frühen Kindheit nach Daniel Stern beleuchtet. Das Selbstempfinden steht im engen Zusammenhang mit der sich entwickelnden Kommunikationsfähigkeit des Kindes. Die Kommunikationsfähigkeit des Kindes kann feinfühlig in der Beziehung gefördert und erweitert werden. Theoretischer Hintergrund des Workshops sind das Mentalisierungskonzept von Peter Fonagy et al. und die Entwicklungspsychologie von Daniel Stern. Das Konzept wurde 2015 mit dem Präventionspreis Baden-Württemberg ausgezeichnet. Das Handout wird von der Referentin am Thementag mitgebracht. Dr. med. Christine Bark, Institut für Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie Universität Heidelberg Link: http://sb.shg-kliniken.de/fileadmin/user_upload_sonnenberg/presse/Kleinkindambulanz_startet_MutterKind-Therapiegruppe.pdf Aufgrund der Erkrankung der Referentin musste ihr Vortrag ausfallen. Freundlicherweise erklärten sich die Leiterin, Gudrun Haupenthal, der Kinderkrippe FNZ (Familien- und Nachbarchaftszentrum) aus Neunkirchen (Saarland) und ihre Mitarbeiterin, Jessica Kaiser, spontan bereit, über ihre erfahrungen in Zusammenarbeit mit Frau Dr. Bark bei der Umsetzung des mentalisierungsbasierenden Präventionsprogrammes zu berichten. Interessenten können sich wenden an: Mail: [email protected] Homepage: http://www.kinderkrippe-fnz.de/ VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Workshop 2 HET – Heidelberger Eltern-Training für mehrsprachige Familien IMPULS-Anleitung von Ehrenamtlichen und Fachkräften zur alltagsintegrierten Sprachförderung von Flüchtlingskindern Anke Buschmann Das etablierte „Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung“ wird aktuell im Rahmen eines Projekts für mehrsprachige Familien aus dem „Brennpunkt“ adaptiert und niederschwellig in Kitas angeboten. Es existieren/entstehen unterschiedliche Module für eine strukturierte Zusammenarbeit mit Eltern von Kindern zwischen 0 und 10 Jahren. Zu den Themen gehören u.a. der Umgang mit mehreren Sprachen in der Familie und sprachförderliche Interaktionen im Alltag. Im Workshop werden die Ideen des Projekts, die Vorgehensweise mit den Eltern und über erste Erfahrungen berichtet. Zusätzlich wird IMPULS, ein Konzept zur Schulung von ehrenamtlichen Helfern und Fachkräften vorgestellt. Im Fokus von IMPULS steht die Befähigung zu einer alltagsintegrierten Sprachförderung junger Kinder mit Fluchterfahrung bereits in Erstaufnahmeeinrichtungen, ergänzt um wichtige Aspekte wie Traumatisierung, mehrsprachiges Aufwachsen und kultursensibler Umgang mit Kindern und ihren Eltern. Das Handout wird von der Referentin am Thementag mitgebracht. Dr. Anke Buschmann, Psychologin , ZEL- Zentrum für Entwicklung und Lernen, Heidelberg Link: http://www.zel-heidelberg.de/startseite/ VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart 16.12.2016 ZEL–Heidelberg seit 1.10.2015 ZEL – Zentrum für Entwicklung und Lernen, Heidelberg Hörst du mich? Verstehst du mich? Sprich mit mir ... Heidelberger Elterntraining für mehrsprachige Familien IMPULS–Interaktionstraining Sprache als Brücke zur Integration Beratung von Bezugspersonen Diagnostik Vereinigung für Interdisziplinäre Frühförderung e.V. Landesvereinigung Baden-Württemberg ZEL Weiterbildung Entwicklung/Forschung Stuttgart, 20. April 2016 Dr. Anke Buschmann Kaiserstr. 36, 69115 Heidelberg-Weststadt, www.zel-heidelberg.de, Tel. 06221-651641 0 2 Entwicklung von Elternworkshops ZEL – Zentrum für Entwicklung und Lernen, Heidelberg Zusammenarbeit mit Eltern Heidelberger Elterntraining zur Sprachförderung Anleitung von Eltern mit Migrationshintergrund und sozial benachteiligten Eltern ZEL–Zentrum für Entwicklung und Lernen, Heidelberg in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Heidelberg Günter Reimann-Dubbers Stiftung Erprobung u.a. in Berlin-Mitte, Gesundbrunnen Dr. Anke Buschmann In Kooperation mit der Stiftung Fairchance Ausbildung von MultiplikatorInnen mit unterschiedlichen Muttersprachen (Türkisch, Polnisch, Farsi, Arabisch ...) www.heidelberger-elterntraining.eu Zusammenarbeit mit Eltern Elternworkshops zu unterschiedlichen Themen Elternworkshops zu unterschiedlichen Themen Mehrsprachigkeit als Chance „Umgang mit verschiedenen Sprache in der Familie“ Bücher helfen beim Sprechenlernen „Vorlesen oder Anschauen? “ Wie lernt ein Kind sprechen? „Spracherwerb gemeinsam betrachtet“ Mein Kind soll Deutsch lernen „Wie kann ich beim Deutschlernen helfen? “ Sprachförderliche Interaktionen im Alltag „Meinem Kind beim Erwerb der Muttersprache helfen“ „Umgang mit verzögerter Sprachentwicklung bei Mehrsprachigkeit“ Zusammenarbeit mit Eltern 4 Warum spricht mein Kind noch nicht? 5 Zusammenarbeit mit Eltern 6 1 16.12.2016 Elternworkshops zu den Themen Elternworkshops Rahmenbedingungen Dauer: 60 - 90 min max. 15 Teilnehmer Eltern können Sprachmittler mitbringen Hausaufgaben macht das Kind. Braucht es die Eltern dafür? „Wie unterstütze ich mein Kind bei den Hausaufgaben“ Zusammenarbeit mit Eltern 7 8 Ein Workshop als Beispiel anpräsentiert Elternworkshops Organisation Zusammenarbeit mit Eltern Durchführung in Kitas, Familienzentren, Elterntreffs usw. Eltern werden persönlich angesprochen und eingeladen 2-3 pädagogische Fachkräfte aus der Einrichtung nehmen teil und können bei entsprechender Weiterbildung den Workshop erlernen und später selbstständig durchführen Zusammenarbeit mit Eltern Mehrsprachigkeit als Chance „Erfolgreich mehrsprachig aufwachsen“ Herzlich Willkommen 9 Zusammenarbeit mit Eltern 16.12.20 16 10 Was machen wir heute? Ihre Fragen zum Thema Mehrsprachigkeit Wissenswertes Mehrsprachigkeit zu Hause – Welche Systeme gibt es? Häufige Fragen gemeinsam beantwortet Tipps Abschluss Mehrsprachigkeit als Chance 12 2 16.12.2016 Wissenswertes Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Statistisches Bundesamt (2013) Welche Fragen haben Sie zur Mehrsprachigkeit? Mehrsprachigkeit als Chance 13 80,6 Millionen Einwohner in Deutschland 15,9 Millionen Personen mit Migrationshintergrund (ein Fünftel der Bevölkerung) Bei Kindern unter 10 Jahren besitzt etwa ein Drittel einen Migrationshintergrund Mehrsprachigkeit als Chance 14 Mehrsprachigkeit zu Hause Türkisch Deutsch Mehrsprachigkeit zu Hause Farsi Bulgarisch Mehrsprachigkeit als Chance 15 Häufige Fragen zu Mehrsprachigkeit Eine Sprache – Eine Person Mutter – Deutsch Vater – Arabisch Eine Sprache – Eine Umgebung Zu Hause – Polnisch Umgebung – Deutsch Zwei Sprachen – Eine Umgebung Mutter – Italienisch Vater – Türkisch Umgebung – Deutsch Drei Sprachen – Eine Umgebung Mutter – Russisch Vater – Französisch Familiensprache – Englisch Umgebung – Deutsch Mehrsprachigkeit als Chance 16 Kann jedes Kind mehrsprachig werden? Kinder sollten erst eine Sprache (Muttersprache) richtig lernen und dann mit der nächsten beginnen! Neugeborene können alle Sprachlaute in der Muttersprache und in unbekannten Sprachen unterscheiden Weltbürger Nein! Säuglinge im Alter von 6 - 12 Monaten verlieren die Fähigkeit alle Lautunterschiede wahrnehmen zu können Kinder können ohne Probleme zwei oder mehr Sprachen lernen. Je früher die Kinder mehrere Sprachen hören, umso leichter lernen Spezialisten für die Muttersprache sie diese Sprachen. Mehrsprachigkeit als Chance 17 Mehrsprachigkeit als Chance 18 3 16.12.2016 Häufige Fragen zu Mehrsprachigkeit Häufige Fragen zu Mehrsprachigkeit Mehrsprachige Kinder sind in ihrer Sprachentwicklung immer langsamer als einsprachige Kinder! Das Mischen von Sprachen ist völlig normal und hat keine negativen Folgen! Nein! Ja! Manchmal sprechen die Kinder etwas später als einsprachige Kinder. Eine oder alle Sprachen können sich etwas langsamer entwickeln. Rückstände werden meist schnell aufgeholt. Wird die zweite Sprache später erlernt, kann die erste Sprache die zweite Sprache noch lange beeinflussen. Mehrsprachigkeit als Chance 19 „Code-Mixing“ oder „Code-Switching“ ist völlig normal häufig bei Kindern, die Sprachen gleichzeitig erwerben eher Ausdruck hoher Sprachkompetenz wird sich im weiteren Verlauf meist vollständig geben Mehrsprachigkeit als Chance 20 Häufige Fragen zu Mehrsprachigkeit Häufige Fragen zu Mehrsprachigkeit Eltern sollten auf jeden Fall sehr viel Deutsch mit ihren Kindern sprechen, unabhängig davon, was ihre eigene Muttersprache ist! Der Besuch einer KiTa reicht zum Deutschlernen aus Ja, ist aber abhängig von: Nein! der Länge des Besuchs Sprechen Sie die Sprache, die Sie am besten beherrschen. Korrekte Sprachvorbilder sind für Ihr Kind sehr wichtig. Die Wertschätzung der Sprachen beeinflusst, ob und wie gerne die Bringen Sie Ihr Kind früh in die KiTa und für viele Stunden. der Anzahl der direkten Kontakte mit deutschsprechenden Kinder die jeweilige Sprache sprechen. ErzieherInnen und Kindern Es ist wichtig, dass Eltern z.B. außerhalb der Familie Deutsch sprechen und dass Erzieherinnen die Erstsprachen wertschätzen. Mehrsprachigkeit als Chance 21 Mehrsprachigkeit als Chance 22 Tipps klare Entscheidungen individuelle Lösung für jede Familie vielfältige Erlebnisse in beiden Sprachen gute Sprachvorbilder Lernräume ermöglichen Wertschätzung aller Sprachen Lob kein Druck! „Unsere Kinder haben es verdient, dass wir in der Sprache sprechen, in der wir uns am genauesten, am schönsten und am buntesten ausdrücken können.“ (in den Worten einer Mutter) Familiensprache/Herzenssprache = Sprache, in der ich mich „zu Hause“ und sicher fühle Mehrsprachigkeit als Chance 23 Mehrsprachigkeit als Chance 24 4 Günter Reimann-Dubbers Stiftung ZEL–Zentrum für Entwicklung und Lernen, Heidelberg in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Heidelberg und der Universität Hildesheim, Frau Dr. Ann-Katrin Bockmann Entwicklung von Weiterbildungsmodulen www.zel-heidelberg.de Dr. Anke Buschmann 2 Anleitung von ehrenamtlichen Betreuern und pädagogischen Fachkräften zur alltagsintegrierten Sprachförderung bei Kindern mit Fluchterfahrung Sprache als Brücke zur Integration IMPULS-Interaktionstraining ZEL – Zentrum für Entwicklung und Lernen, Heidelberg Sprachbarrieren Traumatisierende Erlebnisse Pädagogische Fachkräfte in Kita und Schule Ehrenamtliche Helfer in der Kinderbetreuung (z.B. Abiturienten, Studierende) Ehrenamtliche Betreuer von Familien in eigenen Wohnungen Ehrenamtliche Betreuer von Familien mit kleinen Kindern in Flüchtlingsheimen IMPULS Zielgruppe Flucht vor Krieg und Notständen Integration? 2015: 117.008 Asylanträge von Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahre (BAMF, 2015) Hintergrund 3 Kompetenzzuwachs von ehrenamtlichen Helfern und Fachkräften im Umgang mit Kindern mit Fluchterfahrung Durch zusätzliche Module Abbau von Unsicherheiten im Umgang mit Traumatisierung, Mehrsprachigkeit und anderen Kulturen Vorhandene Kompetenzen der Kinder zum Sprechenlernen nutzen Förderung der Sprechfreude von Kindern Nutzen von Situationen im Alltag und natürlichen Interaktionen Insbesondere geeignet für jüngere Kinder, die noch keine Sprachkurse besuchen können (und ihre Mütter) Primär: Anleitung zur Alltagsintegrierten Sprachförderung IMPULS Module IMPULS Ziele Mahlzeiten Bilderbuchbetrachtung Derjenige/diejenige hat diese Kompetenz dann als „Handwerkskoffer“ stets dabei und kann dies mit jedem Kind in jeder beliebigen Situation anwenden. Notwendigkeit viel „Wissen“ pauken zu müssen. zuwachs im Umgang mit noch gar nicht sprechenden oder nicht deutsch sprechenden Kindern zu erfahren, ohne die Durch Spenden ist es uns möglich Kinderbücher an ehrenamtliche Helfer zu übergeben Es werden Bücher für jedes Alter und Interessen vorgestellt IMPULS vermittelt praxisnah und kompakt die wesentlichen Aspekte, die beim Buchanschauen zu beachten sind Kinder lernen in kurzer Zeit viele neue Wörter kennen Eignet sich besonders gut zur Sprachförderung Bilderbuchbetrachtung als Sprachlernsituation IMPULS Konzept Miteinander Spielen/Hausaufgaben machen Begrüßung Optimale Nutzung natürlicher Interaktionssituationen IMPULS Konzept Alltagsintegrierte Sprachförderung Derjenige/diejenige hat die Chance, einen Kompetenz- Das Interaktionstraining ist eine Fortbildung für die jeweilige Person selbst. IMPULS Konzept Alltagsintegrierte Sprachförderung Basierend auf Heidelberger Interaktionstraining für pädagogisches Fachpersonal zur alltagsintegrierten Sprachförderung ein- und mehrsprachiger Kinder (HIT, www.heidelberger-interaktionstraining.de) Basierend auf Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung (HET; www.heidelberger-elterntraining.eu) IMPULS Modul Alltagsintegrierte Sprachförderung und um es sich selbst einfacher zu machen ... Man kann sie ausdrucken und in den Raum hängen, ein Buch oder Spiel daraus basteln Sie können diese untereinander nutzen Die Kinder lernen die Gebärden sehr leicht und können damit ihre Bedürfnisse besser ausdrücken Sie lernen durch die Gebärden die deutsche Sprache leichter Die Kinder verstehen uns so besser, weil es meist selbst erklärende Gebärden sind IMPULS Zusätzliche Module Einsatz lautsprachunterstützender Gebärden als erste gemeinsame Sprache IMPULS Konzept Alltagsintegrierte Sprachförderung HelferInnen und Fachkräfte sehen sich somit nicht nur der Aufgabe der Vermittlung von Sprache konfrontiert, sondern auch dem Umgang mit Traumatisierung (Pross, 2009) Diese Symptome erschweren das Erlernen der neuen Sprache Diese potenziell traumatischen Erlebnisse verursachen Symptome wie beispielsweise Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen oder Flashbacks Besonderheiten des mehrsprachigen Aufwachsens Sorgen und Ängste der Eltern Fragen werden umfassend beantwortet IMPULS Modul Mehrsprachigkeit Zur Vermeidung von Missverständnissen Zur Ermöglichung eines sensiblen Umgangs miteinander IMPULS Organisation Aufmerksame und ressourcenorientierte Haltung gegenüber der kulturellen Prägung und Bedürfnisse von Kindern mit Fluchterfahrung und deren Familien Ein Großteil der Kinder und Jugendlichen hat belastende Erfahrungen gemacht (Wille, 2009) IMPULS Modul Kultursensibilität IMPULS Modul Umgang mit Traumatisierung Bei Interesse: [email protected] 06221-651641 0 IMPULS wird in Kitas und Schulen gerne als Fortbildung zu den üblichen Konditionen angeboten IMPULS kann für ehrenamtliche Helfer auf Anfrage kostengünstig an verschiedenen Standorten in Deutschland angeboten werden Alle Module können bedarfsorientiert auch in höherer zeitlicher Intensität angeboten werden (z.B. als halb- oder ganztägige Fortbildung in Kitas und Schulen) Jedes Modul ist inhaltlich in sich geschlossen und kann einzeln durchgeführt werden IMPULS wird in Modulen zu jeweils 90 Minuten Dauer angeboten Buschmann, A. (2011). Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung. Trainermanual. 2. Auflage. München: Urban & Fischer. Buschmann, A. (2016). Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung [Online]. Verfügbar unter: http://www.heidelbergerelterntraining.eu/startseite/[28.01.2016] Buschmann, A. (2016). Heidelberger Interaktionstraining [Online]. Verfügbar unter: http://www.heidelberger-interaktionstraining.de/startseite/ [28.01.2016] Pross, C. (2009): Verletzte Helfer: Umgang mit dem Trauma - Risiken und Möglichkeiten sich zu schützen. Stuttgart, Klett-Cotta. Wille, M. (2009): Zur Lebenssituation von Asylbewerbern: Gesundheit und Krankheit in der Landesaufnahmestelle Bramsche-Hesepe. [Online]. Verfügbar unter: http://www.ausreisezentren.de/az/Publikationen/ Wille_Zur_Lebenssituation_von_Asylbewerben_in_der_LASt_Bramsche. pdf [10.0.2016] Literaturquellen IMPULS Organisation Workshop 3 Auch wer nicht sprechen kann… …hat viel zu sagen Beratung Unterstützte Kommunikation Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Referentin: Andrea Karus Das Beratungsangebot Im Rahmen der Sonderpädagogischen Beratungsstelle am SBBZ Ladenburg, bietet die Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation (BUK) individuelle Beratungen für Kinder und Jugendliche, die aufgrund einer angeborenen oder erworbenen Behinderung wenig oder kaum verständlich sprechen können. Damit auch dieser Personenkreis effektiv und eindeutig kommunizieren kann, werden ergänzende und ersetzende Kommunikationsmöglichkeiten unterstützend eingesetzt. Hierzu werden ausgewählte Hilfen verwendet, die im Alltag der Familie, des Kindergartens oder der Schule die Verständigung erleichtern und verbessern. Inhalte der Beratungen Die BUK bietet zunächst eine etwa 2-stündige Erstberatung und Folgetermine in individuellen, zeitlichen Abständen mit folgenden Inhalten. Diagnostik der kommunikativen Fähigkeiten und Bedürfnisse Informationen über geeignete Fördermaßnahmen Evaluation und Anpassung bestehender Förderziele Erprobung und Einsatzmöglichkeiten von Kommunikationshilfen Beratung und Unterstützung bei der Herstellung und Anpassung individueller Hilfsmittel Begleitung bei der Antragstellung auf Kostenübernahme bestimmter Hilfsmittel beim Kostenträger Die Familien oder Einrichtungen erhalten nach der Beratung einen ausführlichen Beratungsbericht. Alle Beratungen sind kostenfrei! Mitarbeiter/innen der BUK Unsere interdisziplinären Teams bestehen aus Sonderpädagoginnen, Fachlehrerinnen G (FLG) und Fachlehrerinnen K (FLK). Diese Teams beraten die Klient/innen und ihre Bezugspersonen entweder in den Räumen der Beratungsstelle, im Kindergarten, in der Schule oder auf Wunsch im Elternhaus. VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Mögliche Förderangebote UK umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Kommunikationsmöglichkeiten. Informationen und Materialien zu folgenden Themenbereichen erhalten Interessierte durch die Beratungsstelle Körpereigene Kommunikationsformen Realgegenstände und Fotos als kommunikative Zeichen Ursache und Wirkung erleben Symbolkarten, Kommunikationstafeln und Kommunikationsmappen Erlebnisse mitteilen mit dem Kommunikations-Tagebuch Ich-Buch als Kommunikations- und Informationsmedium Gebärden zur Begleitung der Lautsprache TEACCH und PECS, Strukturierte Arbeitsmaterialien Einfache. elektronische Hilfen, Vokabularauswahl Komplexe, elektronische Kommunikationshilfen Augensteuerung PC Adaptionen und Lernsoftware Personen- und umweltbezogene Grenzen Art und Grad der Behinderung, Einschränkungen der Motorik und Wahrnehmung, sowie progrediente Erkrankungen können den Einsatz bestimmter Hilfsmittel einschränken. Es ist wichtig die Fördermaßnahmen regelmäßig zu evaluieren und an neue Gegebenheiten anzupassen. Die Akzeptanz der Maßnahmen durch die Bezugspersonen ist ein wichtiger Faktor bei der Auswahl von Hilfsmitteln und der gemeinsamen Festlegung von Förderzielen. Informations- und Öffentlichkeitsarbeit Fortbildungsangebot Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation führen auf Anfrage Info-Veranstaltungen, Fortbildungen oder Pädagogische Tage zu oben genannten UK-Themenbereichen in Einrichtungen des Einzugsgebietes durch. Vernetzung mit anderen Beratungsstellen und Organisationen Ein regelmäßiger Austausch mit UK-Beratungsstellen aus Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz findet mindestens 2 x im Jahr statt. Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen Die Mitarbeiterinnen der BUK erweitern regelmäßig ihre Fachkenntnisse in den Bereichen Unterstützte Kommunikation sowie Beratungs- und Gesprächskompetenz. Kontaktdaten: Andrea Karus Hirschberger Allee 2 68526 Ladenburg Tel. 06203 / 95839-1321 Fax: 06203 / 95839-5320 E-Mail: [email protected] Internet: www.beratungsstelle-martinsschule.de VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Workshop 4 Sprachlos – Selektiver Mutismus – Ursachen und Hilfen Astrid Jutta Friedel und Astrid Klose Warum schweigt ein Kind, obwohl es eigentlich sprechen kann? Wenn das eigene Kind sich nicht so verhält wie alle anderen Kinder, ist das Erschrecken in der Familie oft sehr groß. Warum schweigt mein Sohn / meine Tochter in manchen Situationen, im Kindergarten oder in der Schule? Zu Hause spricht mein Kind doch ganz normal! Wie können wir als Frühförderung helfen? Sie erhalten einen Überblick über das Störungsbild Mutismus und es werden Möglichkeiten der Unterstützung aufgezeigt. Im Rahmen des Workshops ist auch Raum für persönliche Fragen. Astrid Klose, Logopädin und Jutta Friedel, Ergotherapeutin Interdisziplinäre Frühförderstelle der Lebenshilfe Göppingen VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Lebenshilfe Göppingen „Hörst du mich- verstehst du mich- sprich mit mir“ Thementag, 20. April 2016, Hospitalhof Stuttgart „Sprachlos“ Mutismustherapie in der Interdisziplinären Frühförderstelle des Landkreises Göppingen Astrid Klose (Logopädin) Jutta Friedel (Ergotherapeutin) 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Mutismus - Definition - Diagnostik - Therapie - Beratung 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Differentialdiagnose: Definition: (nach ICD 10) (S)Elektiver Mutismus ist eine Störung, die durch eine deutliche, emotional bedingte Selektivität des Sprechens charakterisiert ist. Das Kind zeigt seine Sprachkompetenz in einigen Situationen, in anderen definierten Situationen jedoch nicht. Meistens tritt die Störung erstmals in der frühen Kindheit auf. Meistens ist der Mutismus mit deutlichen Persönlichkeitsbesonderheiten, wie Sozialangst, Rückzug, Empfindsamkeit oder Widerstand verbunden. Typischerweise spricht das Kind zu Hause oder mit engen Freunden, ist jedoch in der Schule oder bei Fremden mutistisch. 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Diagnostische Leitlinien 1. Ein normales oder nahezu normales Niveau des Sprachverständnisses, zumindest in der Muttersprache. 2. Eine Kompetenz im sprachlichen Ausdruck, die für eine soziale Kommunikation ausreicht. 3. Einen Beleg dafür, dass die betroffene Person in einigen Situationen normal oder fast normal sprechen kann und spricht. 1. Passagerer Mutismus als Teil einer Störung mit Trennungsangst bei jungen Kindern 2. Schizophrenie 3. Tiefgreifende Entwicklungsstörung (z.B. Autismus) 4. Umschriebene Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache (z.B. kindliche Aphasie, verbale Entwicklungsdyspraxie) 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Diagnostische Kriterien: • Andauernde Unfähigkeit, in bestimmten Situationen zu sprechen (in denen das Sprechen erwartet wird, z.B. in der Schule), wobei in anderen Situationen normale Sprechfähigkeit besteht. • Die Störung behindert die schulischen oder beruflichen Leistungen oder die soziale Interaktion und Kommunikation. • Die Störung dauert mindestens einen Monat (und ist nicht auf den ersten Monat des Schulbeginns bzw. Kindergartenbeginns beschränkt). 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen 1 • Die Unfähigkeit zu sprechen ist nicht durch fehlende Kenntnisse der gesprochenen Sprache bedingt, die in der sozialen Situation benötigt werden oder dadurch, dass der Betroffene sich in dieser Sprache nicht wohl fühlt. • Die Störung kann nicht besser durch eine Kommunikationsstörung (z.B. stottern) erklärt werden und tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung, Schizophrenie oder einer anderen psychotischen Störung auf. 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Mögliche Verursachungsfaktoren • Störung des Serotoninstoffwechels • Hyperreaktion der Amygdala (Angstzentrum) • Prä-,peri-,postnatale Entwicklungsstörungen • Ängste , Depressionen, exzessive Scheu • psychotische Grunderkrankungen • seelische Traumata, Konflikte (z.B. frühe Hospitalisation) • Stress • Bindungsproblematik (Überbehütung, Dysharmonie, Symbiose) • familiäre Disposition (Mutter/Vater waren als Kind auch extrem schüchtern oder mutistisch) • Milieueinflüsse (Rückzug, Isolation, Fremdenangst) • Sprachliche Erschwernisse (z.B. Sprachentwicklungsstörungen, Mehrsprachigkeit) 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Psychopathologische Auffälligkeiten: • Angstsymptome • Verschlossenheit, Passivität, auffällig früh selbständig • wechselnde Emotionen • Lern- und Konzentrationsstörungen • markante Mimik und Gestik („Maskengesicht“) • Hartnäckigkeit • Tics, Zwänge, oft auffällig gepflegte Erscheinung • Enkupresis, Enuresis • Nägel kauen, Daumen lutschen, Haare ausreißen (Roesler 1981) 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Diagnostik: • Allgemeine Patientenanamnese • Spezielle Patienten- und Familienanamnese - Symptomdiagnostik (wann? wo?) - Strukturdiagnostik aus Sicht des Kindes (sekundärer Krankheitsgewinn? Temperament? Charakter? Weltbild?) - Systemdiagnostik aus Sicht der Familie (Dynamik, Kultur, prägende Ereignisse, Vorbilder) • Sprachdiagnostik, Kommunikationsverhalten (sofern möglich) • Differentialdiagnostik z.B. neurologische Untersuchung, HNOärztliche Untersuchung, psychologische Abklärung 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Erscheinungsbilder • 1. 2. • Mutismus im Kindesalter: gefügig, scheu, ängstlich, anhänglich nicht einfügsam, passiv-aggressiv, vermeidend Mutismus ab Pubertät, oft eingebettet in Depressionen oder andere psychiatrische Erkrankungen • Symbiotischer Mutismus ist als symbiotische Beziehung zu einer Bezugsperson und als eine manipulative negativistische Einstellung gegenüber verantwortlichen Erwachsenen charakterisiert • Sprechangst – Mutismus ist durch die Angst, die eigene Stimme zu hören, charakterisiert und wird von Zwangsgedanken und / oder Zwangshandlungen begleitet. • Reaktiver Mutismus wird durch eine einmalige Depression und Rückzug verursacht (schwerste Form totaler Mutismus) 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Mutismus-Konzeption innerhalb der IFFS Therapie: 1. 2. 3. 4. Kontaktaufnahme Arbeitsphase Verfestigen Nachbetreuung 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen 2 1. Kontaktaufnahme: - 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Aufbau einer therapeutischen Beziehung Aufbau eines kommunikativen nonverbalen Verhaltens (Augenkontakt, Gestik, Mimik, natürliche Gebärden) Beratung und Elternarbeit Evozierung der ersten (Tier-)Laute / (Körper-)Geräusche 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen 2. Arbeitsphase: 3. Verfestigung / Transfer - - - Begrüßung /Verabschiedung, Ritual einfache Wort- und Satzäußerungen (W-Fragen: Wie geht es dir? Wo wohnst du? Wie alt bist du? Keine Ja/Nein-Fragen!) therapeutischer Vertrag mit dem Kind (auch in Form von Hausaufgaben) interdisziplinärer Austausch / Beratung, vor allem in Zusammenarbeit mit der Heilpädagogik weitere Therapiemittel: Handpuppen, Rollenspiele, Hund, paradoxe Intervention, „Sprachrohr“, zaubern, Spielgruppe, Psychomotorikgruppe Beratung und Absprache mit Eltern und Kindergarten 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen 4. Nachbetreuung - Als Angebot für Eltern und Kindergarten: telefonische Anbindung und bei Bedarf auch nochmalige Vorstellung Umgang mit Rückschritten, Krisen und Widerständen 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen - Dialogschema Vorlesen /Nacherzählen und Versprachlichung von (Bilder-) Geschichten Telefonieren, Anrufbeantworter, Aufnahmegerät, Buzzer Training der Sozialkompetenz durch In – vivo – Therapie (z.B. einkaufen, jemanden ansprechen, um etwas bitten) Therapiemittel: Rollenspiele, Handpuppen, Sprachrohr, Tischspiele, Bilderbücher, Hund, Möglichkeit der Kleingruppe, zaubern Beratung und Absprache mit Eltern und Kindergarten Erarbeitung von Zukunftsperspektiven (z.B. Schule) 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Typen von therapeutischen Entwicklungen (Proschaska 1992) 1. Lineare Entwicklung: gekennzeichnet durch einen Verlauf, der Schritt für Schritt eine Progression zeigt 2. Mehrfache Durchlauf- Entwicklung: gekennzeichnet durch Rückschläge und Stagnation 3. Therapeutischer Sprung: gekennzeichnet durch „über Nacht ein anderer Mensch werden“ 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen 3 Therapeutische Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie: - Professionalität Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit beiderseits Intensität und Intimität (Vertrauensverhältnis) Sicherheit und Wertschätzung Positive Einstellung Flexibilität Motivation, Beharrlichkeit Unterstützende, offene und kollegiale Zusammenarbeit (mit Eltern und Fachleuten) 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Beratung / Elternarbeit - - Aufklärung (Störungsbild Mutismus) Perspektiven vor der Therapie (Folgen bei Beibehaltung der Störung) Therapiebegleitende Verhaltenstipps (z.B. nicht als kommunikatives Medium zur Verfügung stellen, keine Sonderstellung, Anbahnung eines altersadäquaten Freizeitverhaltens, soziale Kontakte forcieren, Förderung der Selbständigkeit) Perspektiven nach der Therapie (z.B. Umgang mit Schule) Bei Bedarf weiterer telefonischer Kontakt oder Wiedervorstellung 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Literatur Das hartnäckige Schweigen scheint sich nur von einer noch größeren therapeutischen Beharrlichkeit beeindrucken zu lassen. 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Nitza Katz-Bernstein „Selektiver Mutismus bei Kindern“ Kooperative Mutismustherapie KYMUT (Reinhardt Verlag) Boris Hartmann „Gesichter des Schweigens“ Systemische Mutismustherapie SYMUT (Schulz-Kirchner Verlag) Therapeutennetzwerke Mutismus Selbsthilfe e.V. Deutschland Fachzeitschrift „Mutismus.de“ halbjährlich StillLeben e.V. Hannover 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit Filmbeispiele: Mutismus - wenn Kinder nicht sprechen WDR „Lokalzeit“ 21.06.14 Mutismus - Mauer des Schweigens ZDF „Volle Kanne“ 30.09.14 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen 16.12.2016 Lebenshilfe Göppingen Ambulante Hilfen 4 Workshop 5 STEEP TM Heidi Brendle Interventionsprogramm zur Stärkung der Eltern-Kind-Bindung von der Schwangerschaft bis zum 2. Lebensjahr. Das Programm wird durch eine ausgebildete STEEP-Beraterin vorgestellt. Es werden Einblicke in ihre Arbeit mit Eltern und Kindern in der Frühförderung am Sonderpädagogischen Beratungszentrum Heidelberg/ Neckargemünd gegeben. Eine sichere Bindung ist ein Schutzfaktor für die weitere Entwicklung des Kindes in emotionaler, sozialer und intellektueller Hinsicht. Dieses streng evaluierte Programm kann Inspiration und Anregung geben für die Arbeit in der Frühförderung. Es gibt praktische Ansätze zur erfolgreichen Unterstützung der Eltern, um deren Feinfühligkeit zu fördern. Heidi Brendle, Sonderpädagogin, Sonderpädagogisches Beratungszentrum, Neckargemünd Literaturliste Martha Farrell Erickson/ Byron Egeland: Die Stärkung der Eltern-Kind-Bindung Klett-Cotta Ute Ziegenhain et al: Lernprogramm Baby-Lesen Hippokrates Karl-Heinz Brisch: SAFE, Sichere Ausbildung für Eltern Klett-Cotta Karin und Klaus Grossmann: Bindungen - das Gefüge psychischer Sicherheit Klett-Cotta Tanja Jungmann u. Christina Reichenbach: Bindungstheorie und pädagogisches Handeln Borgemann, 2009 Gabriele Gloger- Tippelt und Lilith König: Bindung in der mittleren Kindheit, Beltz 2009 Albert Lenz u. Eva Brockmann: Kinder psychisch kranker Eltern stärken Hogrefe DVD : Rüdiger Kissgen: Bindungstheorie und Bindungsforschung; Teil 1 und 2, Netzwerk Medien VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Literatur Bark, Christine- Mentalisierungsbasierte Mutter- Kind-Therapie in der frühen Kindheit, Fallstudie und Therapiekonzept , Psychotherapeut 4, 2013, S. 388-393 Brisch, KarlHeinz- Prävention von Bindungsstörungen http://www.khbrisch.de/ Brisch, Karl Heinz - SAFE® – Sichere Ausbildung für Eltern. Sichere Bindung zwischen Eltern und Kind, Klett-Cotta 2010 Brisch, Karl Heinz, Hrsg. - Bindung und Migration, Fachbuch Klett-Cotta.Verlag 2016 ISBN 978-3-608-94939-1 Fegert, Ziegenhain, Goldbeck - Traumatisierte Kinder und Jugendliche in Deutschland: Analysen und Empfehlungen zur Versorgung und Betreuung 2010 GAIHM Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit (German Speaking Association for Infant Mental Health) http://www.gaimh.de/willkommen.html Hawellek, Christian, v. Schlippe, Arist (Hg.), Entwicklung unterstützen- Unterstützung entwickeln. Systemisches Coaching nach dem Marte-Meo-Modell. Göttingen 2005. Caby, Andrea und Filip Caby Die kleine Psychotherapeutische Schatzkiste Teil 1 und 2 , by SolArgent Media AG , Borgmann 2011/ 2013 König, Lilith -Bindung bei sechsjährigen Kindern aus Einelternfamilien. Bindungsrepräsentation, Selbstkonzept und Verhaltensauffälligkeiten im Kontext von Risikobedingungen. 2002. http://docserv.uni- duesseldorf.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-2306/306.pdf Leyendecker, Christoph (Hrsg.)- Gefährdete Kindheit – Risiken früh erkennen, Ressourcen früh fördern (Beiträge vom Bundes -VIFF- Symposium 2009) Kohlhammer 2010 Sarimski, Klaus- Soziale Risiken im frühen Kindesalter, Hogrefe-Verlag 2013 Suess, Bohlen, Mali - Erste Ergebnisse zur Wirksamkeit Früher Hilfen aus dem STEEP-Praxisforschungsprojekt „WiEge“. Bundesgesundheitsblatt, 53:1143– 1149 – 2010 Links Nationales Zentrum Frühe Hilfen - NZFH http://www.fruehehilfen.de/wissen/materialien/ STEEP-Programm http://www.gerhard-suess.de/index.html Die Chancen der ersten Monate – feinfühlige Eltern- gesunde Kinder Ein Leitfaden zum Erkennen der Feinfühligkeit im elterlichen Verhalten http://www.uniklinik-ulm.de/struktur/kliniken/kinder-undjugendpsychiatriepsychotherapie/home/forschung/die-chance-der-ersten-monate.html Wegweiser Frühförderung Baden-Württemberg und andere Informationen der Überregionalen Arbeitsstelle Frühförderung BW - Neuer Link: https://www.gesundheitsamt-bw.de/lga/DE/Startseite/Landesarzt/Seiten/default.aspx VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart Mitgliedschaft in der VIFF Wollen Sie die Weiterentwicklung der Interdisziplinären Frühförderung in Baden-Württemberg aktiv mit unterstützen? Werden Sie Mitglied in der VIFF! Ihre Informationen und Erfahrungen aus der Frühförderarbeit sind uns außerordentlich wichtig. Diese fließen ein in die ehrenamtliche Arbeit der VIFF in vielen organisatorischen und politischen Ebenen sowohl auf Landesebene (Landesvereinigung) als auch Bundesebene (Bundesvereinigung). Link: www.fruehfoerderung-viff.de VIFF- BW – Thementag 20.04.2016 in Stutgart