SPEECH/07/565 Leonard Orban Europäischer Kommissar für Mehrsprachigkeit Eröffnungsansprache Übersetzungsforum Europäischer Tag der Sprachen Brüssel, 26. September 2007 für das Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Referenten, ich freue mich sehr, Sie an diesem ganz besonderen Tag zu unserem Workshop begrüßen zu dürfen. Für die meisten von uns, die wir mit Sprache und Mehrsprachigkeit zu tun haben, sind alle 365 Tage des Jahres „Tage der Sprachen“ - im nächsten Jahr, das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Sprachen erklärt wurde, sind es sogar 366. Der Europäische Tag der Sprachen ist jedoch zweifellos der ideale Anlass für eine Bestandsaufnahme dessen, was wir bislang erreicht haben und noch erreichen müssen, wenn wir uns die jüngsten Entwicklungen und die absehbare Zukunft anschauen. Sie alle wissen: Die richtige Frage ist bereits die halbe Antwort. Von Zeit zu Zeit müssen wir Abstand von den dringenden alltäglichen Aufgaben gewinnen und uns fragen: „Tun wir genug? Gehen wir in die richtige Richtung? Konzentrieren wir uns auf die wichtigsten Schwerpunkte?“ Sprachen sind wichtig für die Bürger. Sie öffnen Türen. Sie erschließen neue Perspektiven für die persönliche und berufliche Entwicklung von Einzelpersonen, aber auch für die wirtschaftliche Entwicklung. Die Mehrsprachigkeit gewinnt in den unterschiedlichen Bereichen unserer Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. Als Bürger Europas werden wir immer mobiler und verbringen oft einen Teil unseres Lebens außerhalb unseres Heimatlandes. Unsere Fähigkeit, uns in verschiedenen Sprachen verständlich zu machen und andere Menschen zu verstehen, beeinflusst nicht nur unser tägliches Leben mit möglichen Besuchen in Krankenhäusern, Justizeinrichtungen, Postämtern, Supermärkten usw. in anderen Ländern, sondern wirkt sich auch aus auf die Ausübung unserer demokratischen Rechte als europäische Bürger, einschließlich unserer Beziehungen zu den Institutionen der EU. Wenn wir eine Politik der Mehrsprachigkeit konzipieren wollen, die der Realität einer EU mit 450 Millionen Bürgern, 23 Amtssprachen und mehr als 60 unterschiedlichen Muttersprachen gerecht wird, müssen wir die Bedürfnisse genau ermitteln. Seit meiner Ernennung zum Kommissar für Mehrsprachigkeit habe ich viel zugehört. Ich habe den Behörden in den Mitgliedstaaten zugehört. Ich habe einer Hochrangigen Gruppe zum Thema „Mehrsprachigkeit“ zugehört, deren Schlussfolgerungen im weiteren Verlauf dieses Tages auf einer Pressekonferenz vorgestellt werden. Außerdem habe ich eine Intellektuellengruppe unter dem Vorsitz des französischlibanesischen Schriftstellers Amin Maalouf ins Leben gerufen, die sich mit dem Beitrag der Mehrsprachigkeit zum interkulturellen Dialog auseinandersetzt denn 2008 ist auch das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs. Ich habe eine Unternehmenskonferenz eingesetzt, die die Grundlage für ein Business-Forum geschaffen hat. Dieses Forum soll ermitteln, wie Unternehmen eine Sprachenstrategie gezielt zur Steigerung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einsetzen können. Des Weiteren habe ich eine Online-Konsultation der wichtigsten Akteure eingeleitet und für die breite Öffentlichkeit eine Rubrik „Ihre Meinung zählt“ geschaffen. 2 Heute dürfen wir drei überaus renommierte Referenten begrüßen, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln über das Thema Sprache sprechen und dabei auf drei eng miteinander verwobene Themen eingehen: - Über die Rolle der europäischen Sprachen bei der Gestaltung nationaler Identitäten wird viel diskutiert. Welche Rolle könnten sie jedoch bei der Gestaltung der europäischen Identität spielen - einer Identität, die die bislang existierenden nationalen Identitäten nicht ersetzen, sondern ergänzen sollte? Meiner Überzeugung nach sollten Sprachen als Brücken zwischen den Völkern Europas dienen. - Wie realistisch sind die europäischen Empfehlungen an die nationalen Bildungsbehörden im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht? Sind sie zu ehrgeizig oder im Gegenteil zu halbherzig für bestimmte Mitgliedstaaten oder bestimmte Bevölkerungsgruppen? Ist Mehrsprachigkeit eine Extravaganz, die wir uns nicht leisten können, oder ist sie ein wesentlicher Bestandteil des europäischen Projekts? - Eine weitere Frage, mit der wir uns beschäftigen sollten, lautet „Warum genügt Englisch allein nicht?“ Warum bedeutet mehr Englisch auch mehr Fremdsprachen? Unsere heutigen Referenten werden versuchen, aus ihren unterschiedlichen Blickwinkeln die möglichen Szenarien darzustellen und zu erörtern, wie gut wir mit unseren derzeitigen europäischen und einzelstaatlichen politischen Konzepten für die vor uns liegende Zeit gerüstet sind - eine faszinierende Zukunft, wie ich meine. Ich bin sehr gespannt auf ihre Standpunkte, Meinungen und das Ergebnis der Diskussionen. 3