Demenz: Frühsymptome – Diagnose und Behandlung Weltalzheimertag am 21.9.16 in Bernkastel-Kues Auguste D. Dr.H.Große Höötmann Abteilung für Neurologie St. Elisabeth Krankenhaus Wittlich Was ist Demenz? Definition: Erworbene globale geistige Beeinträchtigung einschließlich Störung von Gedächtnis und mindestens einer weiteren Teilleistung, die zur Beeinträchtigung der sozialen oder beruflichen Funktion führt. Grundtypen dementieller Syndrome Kortikale Demenzen Subkortikale Demenz • • • • • • • • • • • Genuine Gedächtnisstörung räuml.Verarbeitungsstörung, Wortfindungsstörungen, Störung Handlungsplanung Orientierungsstörungen, Leseschwäche, Störung Denk- und Urteilsvermögen Beispiel: Alzheimer-Demenz Allgemeine Verlangsamung Konzentrationsschwäche Antriebsmangel Vergesslichkeit Frontale Demenz - Störung des abstrakten, planenden, urteilenden Denken, Wesensänderung, Sprach- und Antriebsverarmung, Logorrhoe, Verschiebung der Affektlage Demenz: Ursachen Ott et al. (1995) Rotterdam, n = 7528 Alzheimer-Demenz 12 16 72 GefäßerkrankungsDemenz Sonstige Demenz Häufigkeit • Zunahme der Erkrankungen mit steigendem Lebensalter: ca. 2 - 5 % der 70-jährigen ca. 10-20 % der 80-jährigen über 30 % der 90-jährigen 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% < 65 • in Deutschland: ca. 800.000 bis 1,2 Mio. Erkrankte < 70 < 75 < 80 < 85 < 90 Alzheimer-Demenz: Diagnose • Definitive Diagnose erst durch Pathologen • Klinische Verdachtsdiagnose: • Ausschluss symptomatischer Ursachen / Abgrenzung anderer Demenzerkrankungen/Beachtung begleitender Phänomene • Typisches neuropsychologisches Profil • Steter kognitiver Abbau im Verlauf Ergänzende Untersuchungen: • • • • Liquor: Abeta-Peptid-Tau-Protein-Ratio PET/SPECT: Hypometabolismus/Hypoperfusion MRT/CT: Hirnatrophie, vor allem am Hippocampus EEG: Verlangsamung der Grundaktivität Hirnatrophie (Hirnschwund) normales Gehirn Hirnatrophie Unter der Mikroskop ... AmyloidAblagerungen AlzheimerNeurofibrillen APP Spaltung Aß Positionen-Emissions-Tomographie Hirnatrophie (Hirnschwund) normales Gehirn Hirnatrophie Mit freundlicher Genehmigung der Praxis Reinheimer/Simon/Stölben/Lommel Medikamente: Was wirkt? • Acetylcholinesterasehemmer (Aricept, Exelon, Reminyl) • NMDA-Antagonist Akatinol Memantine (Axura, Ebixa) Acetylcholinesterasehemmer leichte Memantin mittelschwere schwere Demenz • Wirkung nachgewiesen, kann Fortschreiten der Demenz nur bremsen • für Alzheimer-Demenz zugelassen (Exelon auch für ParkinsonDemenz) Wirkung der Anti-Demenz-Mittel Leistungsfähigkeit gegenüber Therapiebeginn Wochen -5 10 20 30 40 50 60 70 80 90 0 behandelte Patienten 5 10 15 20 erwarteter Verlauf unbehandelter Patienten Was fördert die Entstehung einer Alzheimer-Demenz? • • • • • • • Übergewicht Diabetes mellitus Bluthochdruck Bewegungsmangel Cholesterinerhöhung Geistige Inaktivität Depression 7 Risikofaktoren – 30 % der Alzheimer-Fälle! • Fettreiche Nahrung (bisher nur an Tieren nachgewiesen) Vorbeugung Wirksam: • Körperliche Aktivität (B) • Vitaminreiche, ausgewogene Ernährung (mediterrane Diät) (C) • Behandlung von Bluthochdruck, Hypercholesterinämie und Übergewicht (C) • Behandlung des Diabetes mellitus (Diät, Medikamente) (C) • Kein übermäßiger Alkoholkonsum (C) Nicht wirksam: • Acetylcholinesterase-Hemmer Keine Belege: • „Gehirn-Jogging“ Wichtig: die Differentialdiagnose • Depression • Schilddrüsenunterfunktion, andere Stoffwechselstörungen • Vitaminmangel: Vitamin B12 • • • • • Nervenwasser-Stau (Normaldruckhydrocephalus) Hirntumor, chronische Blutungen Missbrauch /Nebenwirkung von Medikamenten Alkoholabhängigkeit Infektionen (z.B. Syphilis, AIDS, Jacob-Creutzfeld) Checkliste im Download-Bereich unserer Homepage www.neurologie-wittlich.de unter „Demenz-Abklärung“ Andere Ursachen ... Subduralhämatom Tumor Andere degenerative Demenzerkrankungen • • • • • • • • Vaskuläre Demenz Gemischte Demenz Frontotemporale Demenz: M.Pick Lewy-Körperchen-Erkrankung Demenz bei Parkinson-Erkrankung Multisystematrophie Huntington-Erkrankung Speichererkrankungen des ZNS und … Weitere ärztliche Aufgaben • Aufklärung über Diagnose / Einbeziehung Angehöriger • Anpassung der Begleitmedikation • Verlaufskontrollen, Aufzeigen von Hilfemöglichkeiten • Stadienhafte Behandlung von Begleitphänomenen • Hilfsmittelverordnung • Prüfung der Fahrtauglicheit • Beratung zur Einrichtung einer Vorsorgevollmacht, eines Patiententestaments, ggf. Einrichtung einer Betreuung • Verordnung medikamentöser und nicht-medikamentöser Therapie • Vermittlung strukturierter Angebote zur Entlastung von pflegenden Angehörigen Nicht-medikamentöse Therapie Methode Stadium Wirkung Kognitives Training („GehirnJogging“) L - MS geringer Effekt gesichert Realitätsorientierung und Reminiszenzverfahren Alle Stadien Hinweise auf Wirkung Ergotherapie L - MS Kann zum Erhalt von Alltagsfunktionen beitragen Körperliche Aktivierung Hinweise auf Besserung von Beweglichkeit / Balance Aktive Musiktherapie Geringe Effekte auf psychische / Verhaltenssymptome Rezeptive Musiktherapie Geringe Effekte auf agitiertes / aggressives Verhalten Aromatherapie M-S Geringe Effekte auf agitiertes Verhalten und allgemeine Verhaltenssymptome Angehörigentraining Kann Wirkung auf psychische und Verhaltenssymptome haben Unterstützungsprogramme für Angehörige Wirksam gegen depressive Symptome Familienähnliche Esssituationen Kann Essverhalten bessern S3-Leitlinie Demenzen unter www.dgn.org/images/stories/dgn/leitlinien/ll_demenz/ll-demenz-kurz-170210.pdf Was wirkt nicht? • Durchblutungsfördernde und „stoffwechselanregende“ Medikamente (Piracetam, Nicergolin, Hydergin, Nimodipin) • Rheumamittel • Östrogene • Organextrakte Was wirkt ein bißchen? • Gingko-Präparate (240 mg/Tag) • Vitamin E Einsatz von Psychopharmaka (Leitlinien-Empfehlungen) 1. 2. 3. 4. Körperliche Ursachen erkennen Psychosoziale Maßnahmen Versuch mit Acetylcholinesterase-Hemmern Psychopharmaka, wenn „psychosoziale Interventionen nicht effektiv, nicht ausreichend oder nicht verfügbar sind“ • • Aufklärung über Risiken (Herzinfarkt, Schlaganfall) CAVE: bei Parkinson-Demenz und Lewy-Körperchen-Demenz sind klassische und viele atypische Neuroleptika kontraindiziert • Sedierung problematisch (Sturzgefahr) www.awmf.de Was verschlimmert eine Demenz? • Manche Antidepressiva • Manche Anti-Parkinson-Mittel • Manche Beruhigungsmittel • Flüssigkeitsmangel • Infekte (Blase, Lunge) • andere körperliche Erkrankungen Nächtliche Unruhe / Tag-Nacht-Rhythmus-Umkehr Ursachen suchen: • • • • • Langwirkende Sedativa / niederpotente Neuroleptika Nächtliche Atemnot Nächtliche Hypoglykämie Schmerzen Schlafapnoe-Syndrom Ganz wichtig: Zur Prävention von Erkrankungen, die durch die Pflege und Betreuung hervorgerufen werden, und zur Reduktion von Belastung der pflegenden Angehörigen sollten strukturierte Angebote für Bezugspersonen von Demenzerkrankten vorgesehen werden. S3-Leitlinie Demenzen unter www.dgn.org/images/stories/dgn/leitlinien/ll_demenz/ll-demenz-kurz-170210.pdf Wie erkennen SIE eine beginnende Demenzerkrankung? • Nachlassen gewohnter Aktivitäten und Interessen • Fragen: • Welchen Monat haben wir? • Wie alt sind Sie? • Geld (aus eigenem Portemonaie) zählen lassen • gelegentliche Verwirrtheit Normal oder krank? frühe Demenz normales Altern Vergessen häufig sporadisch Wiederfinden von Verlegtem selten, an unüblichen Orten meist rasch, an den üblichen Orten Vergessene Inhalte ganze Erlebnisse und Begebenheiten Details Wiedererinnern selten häufig Merkhilfen zunehmend nutzlos gleichbleibend nutzbar Frühzeichen • Kaum auffällige, vom Patienten und seiner Umgebung verdrängte Symptome • Aktivitäten im täglichen Leben reduziert, Vitalitätsverlust • Gedächtnisbildung, Sprachverarbeitung, örtliche und zeitliche Orientierung u. a. betroffen • Patienten anfänglich mit Leidensdruck Eindeutige Zeichen • Gedächtnisbildung, Sprachverarbeitung, Alltagsfunktionen, örtliche / zeitliche Orientierung, Wahrnehmung, Antrieb u. a. stark betroffen • Selbständige Lebensführung erheblich eingeschränkt • Unterstützung notwendig Schwere Demenz • Selbständige Lebensfähigkeit aufgehoben: völlige Abhängigkeit • Hochgradige Störungen aller geistigen Funktionen • Jetzt zusätzlich körperliche Symptome: Sturzgefahr, schleppender Gang, Verlust der Kontrolle über Blase und Darm, Krampfanfälle u. a. • Endstadium: körperlicher Verfall, Bettlägerigkeit, Infektionen • Häufigste Todesursache: Lungenentzündung Uhrentest: Suchtest Mini-Mental-Test: ein Suchtest Orientierung Maximale Punkte Zeit (Jahr, Datum, Monat, Wochentag, Jahreszeit) 5 Ort (Stadt, Bundesland, Land, Praxis, Stockwerk) 5 Gedächtnis/Merkfähigkeit Begriffe wiederholen (z. B. Auto, Blume, Kerze) 3 Aufmerksamkeit 100 - 7 = 93 - 7 = 86 - 7 = 79 ... etc. oder „R A D I O“ rückwärts buchstabieren 5 Gedächtnis/Erinnerungsfähigkeit Begriffe aus wiederholen Sprache Gegenstände bennennen (z. B. Armbanduhr, Stift) Satz nachsprechen „Sie leiht ihm kein Geld mehr.“ Exekutiv-Funktionen 3 Kommandos geben, 3 Handlungen ausführen Schriftliche Anweisung lesen und befolgen lassen Schreiben eines vollständigen Satzes Motorische Funktionen Zeichnen zweier sich schneidender Fünfecke 3 2 1 3 1 1 1 30 Punkte Bewertung 20-26 leichte AlzheimerDemenz 10-19 mittelschwere AlzheimerDemenz < 10 schwere AlzheimerDemenz Formular unter www.neurologie-wittlich.de, Button „Download“ Schluckstörungen Hinweise: Achten auf: • • • • • • • • • • Speichelfluss Verschlucken, Husten, Würgen gurgelnde, „feuchte“ Stimme Nahrungsreste im Mund wiederholte Fieberschübe wiederholte Pneumonien Körperhaltung Keine Ablenkung Zeit lassen Interaktion: • nicht von oben anreichen • Hinsetzen • Augenkontakt • Kostanpassung Ernährungssonde (PEG) „Basierend auf der bisherigen Datenlage ist eine positive Beeinflussung der Überlebenszeit, der klinischen Symptomatik, des Auftretens von Infektionen oder Dekubitalulzera durch den Einsatz der PEG nicht gegeben.“ S3-Leitlinie „Demenzen“, www.awmf.de Psychosoziale Maßnahme … • • • • Zuwendung Ablenkung Beschäftigung Überwachung Download Folien unter www.neurologie-wittlich.de Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!