Demenzerkrankungen erkennen und behandeln Was ist Demenz? Definition: Erworbene globale geistige Beeinträchtigung einschließlich Störung von Gedächtnis und mindestens einer weiteren Teilleistung, die zur Beeinträchtigung der sozialen oder beruflichen Funktion führt. Auguste D. PD Dr. A. Hufschmidt Abteilung für Neurologie St. Elisabeth Krankenhaus Wittlich Demenz: Ursachen Ott et al. (1995) Rotterdam, n = 7528 Alzheimer-Demenz 12 16 72 GefäßerkrankungsDemenz Sonstige Demenz Kosten für Behandlung und Pflege Demenzkranker in Deutschland: ca. 15 Mrd. Euro / Jahr Häufigkeit • Zunahme der Erkrankungen mit steigendem Lebensalter: ca. 2 - 5 % der 70-jährigen ca. 10-20 % der 80-jährigen über 30 % der 90-jährigen 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% < 65 < 70 < 75 < 80 < 85 < 90 • in Deutschland: ca. 800.000 bis 1,2 Mio. Erkrankte Demenz erkennen geeignete Therapie führt Patienten in billigere Versorgungsbereiche frühe Diagnose und Therapie ermöglicht 5 Mrd./Jahr Einsparungen im Jahr 2010 1 Mini-Mental-Test Uhrentest Orientierung Maximale Punkte Zeit (Jahr, Datum, Monat, Wochentag, Jahreszeit) 5 Ort (Stadt, Bundesland, Land, Praxis, Stockwerk) 5 Gedä Gedächtnis/Merkfä chtnis/Merkfähigkeit Begriffe wiederholen (z. B. Auto, Blume, Kerze) 3 Aufmerksamkeit 100 - 7 = 93 - 7 = 86 - 7 = 79 ... etc. oder „R A D I O“ rückwärts buchstabieren 5 Gedä Gedächtnis/Erinnerungsfä chtnis/Erinnerungsfähigkeit Begriffe aus wiederholen Sprache Gegenstände bennennen (z. B. Armbanduhr, Stift) Satz nachsprechen „Sie leiht ihm kein Geld mehr.“ ExekutivExekutiv-Funktionen 3 Kommandos geben, 3 Handlungen ausführen Schriftliche Anweisung lesen und befolgen lassen Schreiben eines vollständigen Satzes Motorische Funktionen Zeichnen zweier sich schneidender Fünfecke 3 Punkte Bewertung 2 1 20-26 3 1 1 leichte AlzheimerDemenz 10-19 mittelschwere AlzheimerDemenz < 10 schwere AlzheimerDemenz 1 30 Formular unter www.neurologie-wittlich.de, Button „Download“ Alzheimer-Demenz und Demenz infolge von Hirnduchblutungsstörungen AlzheimerAlzheimer-Demenz Hirnatrophie (Hirnschwund) normales Gehirn Hirnatrophie Vaskulä Vaskuläre Demenz 100% 100% 80% 80% 60% 60% 40% 40% 20% 20% 0% 0% 1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7 Mit freundlicher Genehmigung der Praxis Reinheimer/Simon/Stölben/Lommel Wie erkennen SIE eine beginnende Demenzerkrankung? • Nachlassen gewohnter Aktivitäten und Interessen • Fragen: • Welchen Monat haben wir? • Wie alt sind Sie? • gelegentliche Verwirrtheit Frühzeichen • Kaum auffällige, vom Patienten und seiner Umgebung verdrängte Symptome • Aktivitäten im täglichen Leben reduziert, Vitalitätsverlust • Gedächtnisbildung, Sprachverarbeitung, örtliche und zeitliche Orientierung u. a. betroffen • Patienten anfänglich mit Leidensdruck 2 Eindeutige Zeichen Schwere Demenz • Selbständige Lebensfähigkeit aufgehoben: völlige Abhängigkeit • Hochgradige Störungen aller geistigen Funktionen • Gedächtnisbildung, Sprachverarbeitung, Alltagsfunktionen, örtliche / zeitliche Orientierung, Wahrnehmung, Antrieb u. a. stark betroffen • Selbständige Lebensführung erheblich eingeschränkt • Unterstützung notwendig • Jetzt zusätzlich körperliche Symptome: Sturzgefahr, schleppender Gang, Verlust der Kontrolle über Blase und Darm, Krampfanfälle u. a. • Endstadium: körperlicher Verfall, Bettlägerigkeit, Infektionen • Häufigste Todesursache: Lungenentzündung Manchmal steckt etwas anderes dahinter ... Normal oder krank? frühe Demenz normales Altern Vergessen häufig sporadisch Wiederfinden von Verlegtem selten, an unüblichen Orten meist rasch, an den üblichen Orten Vergessene Inhalte ganze Erlebnisse und Begebenheiten Details Wiedererinnern selten häufig Merkhilfen zunehmend nutzlos gleichbleibend nutzbar • • • • • • • Depression Schilddrüsenunterfunktion Stoffwechselstörungen Nervenwasser-Stau (Normaldruckhydrocephalus) Mißbrauch von Medikamenten Alkoholabhängigkeit Entzündungen (z.B. Syphilis, AIDS) Checkliste im Download-Bereich unserer Homepage www.neurologie-wittlich.de unter „Demenz-Abklärung“ Andere Ursachen ... Subduralhämatom Tumor Demenz behandeln 3 Nicht-medikamentöse Therapie S3-Leitlinie „Demenzen“ (2009) Methode Stadium Wirkung Kognitives Training („GehirnJogging“) L - MS geringer Effekt gesichert Realitätsorientierung und Reminiszenzverfahren Alle Stadien Hinweise auf Wirkung Ergotherapie L - MS Kann zum Erhalt von Alltagsfunktionen beitragen Körperliche Aktivierung Geringe Effekte auf psychische / Verhaltenssymptome Rezeptive Musiktherapie Geringe Effekte auf agitiertes / aggressives Verhalten Aromatherapie Kurzfassung: 59 S. Langfassung: 102 S. www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/038-013.htm oder www.awmf.de M-S Geringe Effekte auf agitiertes Verhalten und allgemeine Verhaltenssymptome Angehörigentraining Kann Wirkung auf psychische und Verhaltenssymptome haben Unterstützungsprogramme für Angehörige Wirksam gegen depressive Symptome Familienähnliche Esssituationen Kann Essverhalten bessern S3-Leitlinie Demenzen unter www.dgn.org/images/stories/dgn/leitlinien/ll_demenz/ll-demenz-kurz-170210.pdf Ganz wichtig: Zur Prävention von Erkrankungen, die durch die Pflege und Betreuung hervorgerufen werden, und zur Reduktion von Belastung der pflegenden Angehörigen sollten strukturierte Angebote für Bezugspersonen von Demenzerkrankten vorgesehen werden. Hinweise auf Besserung von Beweglichkeit / Balance Aktive Musiktherapie Schluckstörungen Hinweise: Achten auf: • • • • • • • • • • Speichelfluss Verschlucken, Husten, Würgen gurgelnde, „feuchte“ Stimme Nahrungsreste im Mund wiederholte Fieberschübe wiederholte Pneumonien Körperhaltung Keine Ablenkung Zeit lassen Interaktion: • nicht von oben anreichen • Hinsetzen • Augenkontakt • Kostanpassung S3-Leitlinie Demenzen unter www.dgn.org/images/stories/dgn/leitlinien/ll_demenz/ll-demenz-kurz-170210.pdf Ernährungssonde (PEG) „Basierend auf der bisherigen Datenlage ist eine positive Beeinflussung der Überlebenszeit, der klinischen Symptomatik, des Auftretens von Infektionen oder Dekubitalulzera durch den Einsatz der PEG nicht gegeben.“ S3-Leitlinie „Demenzen“, www.awmf.de 4 Medikamente: Was wirkt? Wirkung der Anti-Demenz-Mittel • Acetylcholinesterasehemmer (Aricept, Exelon, Reminyl) • NMDA-Antagonist (Axura, Ebixa) ← Acetylcholinesterasehemmer → ← leichte Memantin mittelschwere Leistungsfähigkeit gegenüber Therapiebeginn Wochen -5 → schwere Demenz • Wirkung nachgewiesen • für Alzheimer-Demenz zugelassen (Exelon auch für ParkinsonDemenz) • Kosten: > 100 Euro/Monat! Wirkung • Besserung der geistigen Leitungsfähigkeit • Besserung von Verhaltenstörungen • Verminderung der Belastung pflegender Angehöriger Leider ... sind die Effekte nicht sehr ausgeprägt, und das Verhältnis Kosten/Nutzen ist ungünstig Was wirkt nicht? • Durchblutungsfördernde und „stoffwechselanregende“ Medikamente (Piracetam, Nicergolin, Hydergin, Nimodipin) • Rheumamittel • Östrogene • Organextrakte Was wirkt ein bißchen? 10 20 30 40 50 60 70 80 90 0 behandelte Patienten 5 10 15 erwarteter Verlauf unbehandelter Patienten 20 Andere Demenzerkrankungen • Vaskuläre Demenz: Alle Anti-Demenz-Mittel wirken auf die geistige Leistungsfähigkeit, aber keines ist zugelassen • Gemischte Demenz: Reminyl (Datenlage dünn) • Frontotemporale Demenz: Trazodon wirkt auf Verhaltenssymptome (Irritabilität, Agitiertheit, Depressivität, Essstörungen), kein Effekt auf die geistige Leistungsfähigkeit • Lewy-Körperchen-Erkrankung: Exelon bessert Verhaltenssymptome, Memantin den „klinischen Gesamteindruck“ (beide nicht zugelassen) • Demenz bei Parkinson-Erkrankung: Exelon bessert die geistigen Fähigkeiten und die Alltagsfertigkeiten Was verschlimmert eine Demenz? • Manche Antidepressiva • Manche Anti-Parkinson-Mittel • Manche Beruhigungsmittel • Flüssigkeitsmangel • Infekte (Blase, Lunge) • andere körperliche Erkrankungen • Gingko-Präparate (240 mg/Tag) • Vitamin E 5 Beratung Behandlung von Begleitproblemen • Aufklärung über Diagnose • Aufgabe der Wohnung • Einrichtung einer Betreuung (Vormundschaftsgericht) bzw. Ausstellung einer Vorsorgevollmacht* • Anfertigen einer Patientenverfügung* • Mittel gegen Unruhe, Wahngedanken und Sinnestäuschungen (Neuroleptika) • angstlösende Präparate (Anxiolytika) • Mittel zur Stimmungsaufhellung (spezielle Antidepressiva) • Testament Problem: Sturzgefahr! Vorsicht bei Auswahl des Medikaments! • Fahrtauglicheit * Download unter www.neurologie-wittlich.de, Button „Für Patienten“ Einsatz von Psychopharmaka (Leitlinien-Empfehlungen) Nächtliche Unruhe / Tag-Nacht-Rhythmus-Umkehr Ursachen suchen: • • • • • Langwirkende Sedativa / niederpotente Neuroleptika Nächtliche Atemnot Nächtliche Hypoglykämie Schmerzen Schlafapnoe-Syndrom 1. 2. 3. 4. Körperliche Ursachen identifizieren Psychosoziale Maßnahmen Versuch mit Acetylcholinesterase-Hemmern Psychopharmaka, wenn „psychosoziale Interventionen nicht effektiv, nicht ausreichend oder nicht verfügbar sind“ • • Aufklärung über Risiken (Herzinfarkt, Schlaganfall) CAVE: bei Parkinson-Demenz und Lewy-Körperchen-Demenz sind klassische und viele atypische Neuroleptika kontraindiziert • Sedierung problematisch (Sturzgefahr) www.awmf.de Psychosoziale Maßnahme … Vorbeugung Wirksam: • • • • Zuwendung Ablenkung Beschäftigung Überwachung • • • • Körperliche Aktivität (B) Folsäure-Zufuhr 800 µg/Tag Vitaminreiche, ausgewogene Ernährung (mediterrane Diät) (C) Behandlung von Bluthochdruck, Hypercholesterinämie und Übergewicht (C) • Behandlung des Diabetes mellitus (Diät, Medikamente) (C) • Kein übermäßiger Alkoholkonsum (C) Nicht wirksam: • Acetylcholinesterase-Hemmer Keine Belege: • „Gehirn-Jogging“ 6 Was fördert die Entstehung einer Alzheimer-Demenz? • • • • • • • Übergewicht Diabetes mellitus Bluthochdruck Bewegungsmangel Cholesterinerhöhung Geistige Inaktivität Depression Download Folien unter www.neurologie-wittlich.de 7 Risikofaktoren – 30 % der Alzheimer-Fälle! • Fettreiche Nahrung (bisher nur an Tieren nachgewiesen) 7