Fa Factsheet Indus-Delfin (Platanista gangetica minor ) Subtitle abc Indus-Delfin (Platanista gangetica minor), Uzma Khan / WWF-Canon Ordnung Wale Cetaceae Familie Platanistidae Art Platanista gangetica Unterart Indus-Flussdelfin Platanista gangetica minor Factsheet Indus-Delfin (Platanista gangetica minor) Indus-Delfin Systematik Der Indus-Delfin, Platanista gangetica minor, gehört zum Taxon der Cetartiodactyla, das die Ordnungen Paarhufer und Wale zusammenfasst. Unter den Walen (Cetacea) gehört er zur Familie der Platanistidae, einer sehr alten Abstammungslinie der Cetartiodactyla, deren einziger Vertreter er heute ist. Die Populationen von Platanista gangetica des Indus einerseits und die der Ganges-BrahmaputraMegna und Karnaphuli-Sangu-Flusssysteme andererseits wurden lange Zeit als unterschiedliche Arten angesehen. Heute fasst man sie jedoch in einer Art mit zwei Unterarten zusammen: Platanista gangetica gangetica (Bewohner der Systeme GangesBrahmaputra-Megna und Karnaphuli-Sangu) und Platanista g. minor, die im Indus leben. Bis ins späte Pliozän vor rund drei Millionen Jahren bildeten der heutige Ganges, Indus und Brahmaputra einen einzigen westwärts fliessenden Fluss, den Indobrahm. Sozialverhalten und Fortpflanzung Indus-Delfine sind meist Einzelgänger. Manchmal kommen sie in Paaren und sehr selten in Gruppen bis zu fünf Tieren vor. Sie sind sehr hellhörig und stehen in ständigem akustischen Kontakt – vermutlich, weil sie praktisch blind sind und nur Schatten wahrnehmen. Etwa alle zwei Jahre können die Weibchen, nach einer Tragzeit von zehn bis elf Monaten, ein einzelnes Kalb zur Welt bringen. Die Jungtiere haben eine sehr dunkle Hautfarbe, die sich erst mit dem Alter aufhellt. Sie bleiben etwa 6 bis 12 Monate bei ihren Müttern und werden von diesen manchmal auf dem Rücken über der Wasseroberfläche getragen. Mit etwa 10 Jahren sind sie geschlechtsreif. Merkmale Indus-Delfine haben eine einheitlich graubraune Färbung. Ihr Körper ist leicht gedrungen und ihr Bauch gewölbt. Die Stirn fällt steil zu einer lang ausgezogenen, leicht aufwärts gebogenen Schnabelschnauze hin ab, die bei Weibchen länger ist als bei Männchen. Die Schnauze kann bis zu ein Fünftel ihrer Körperlänge ausmachen. Auf jeder Seite befinden sich 30 bis 36 lange und scharfe Zähne. IndusDelfine besitzen breite, ruderförmige Brustflossen und eine sehr kleine Rückenfinne. Ihr Nacken ist schmal und relativ beweglich. Indus-Delfine können bis 20 Jahre alt werden und wiegen ausgewachsen 70 bis 110 Kilogramm. Weibchen werden etwa 2,50 Meter lang. Die Männchen sind etwas kleiner. Die Jungen sind bei der Geburt etwa 70 Zentimeter lang. Der Indus-Delfin schwimmt nicht auf dem Bauch sondern auf seiner Körperseite. Er kann sich in bis zu 30 Zentimeter flachem Wasser fortbewegen, wobei er ein Brustflosse auf dem Boden entlang „schleift“. Alle 30 bis 60 Sekunden muss der Indus-Delfin an die Oberfläche auftauchen, um durch einen Schlitz am Kopf Luft zu holen. Wegen des rasselnden Geräusches, das er dabei macht, wird er auch „Susu“ genannt. Den zweiten Beinamen „blinder Delfin“ trägt er, weil seinen winzigen Augen die Linse fehlt und er somit bis auf Helligkeitsunterschiede fast nichts sehen kann. Der Indus-Delfin verlässt sich zur Orientierung auf ein raffiniertes Echolot-System. Dabei sendet er Schnalzer-Signale unter Wasser aus. Diese widerhallen, wenn sie auf einen Gegenstand treffen. 2 Indus-Delfin (Platanista gangetica minor), Fran¢ois X. Pelletier / WWF-Canon Geographische Verbreitung Früher umfasste das Verbreitungsgebiet des IndusDelfins den gesamten Indus und seine Zuflüsse, Jhelum, Chenab, Beas, Ravi und Sutlej in Pakistan und Indien. Sie kamen von der Gezeitengrenze bis zu den Ausläufern des Himalajas vor. Das Verbreitungsgebiet des Indus-Delfins ist von ca. 3‘400 Kilometern des Hauptarms und der Nebenarme des Indus in den 1870er Jahren auf etwa 1‘000 Kilometer des Hauptlaufes geschrumpft. Heute gibt es nur noch in Pakistan Indus-Delfine. Der Bau von Dämmen und die Entwicklung des IndusbeckenBewässerungssystems führte zur starken Fragmentierung der Delfinpopulation. Die Wasserabfuhr hat zudem den Lebensraum der Indus-Delfine erheblich verkleinert. Heute findet man sie hauptsächlich in drei Regionen im Hauptstrom des Flusses zwischen den Chashma- und Taunsa-, Taunsa- und Guddusowie Guddu- und Sukkur-Staudämmen. Einige verstreute Tiere kommen noch flussaufwärts oberhalb des Chashma-Staudamms im Indus und flussabwärts unterhalb des Sukkur- Staudamms vor. Ende 2007 wurde der Indus-Delfin in indischen Zuflüssen des Indus wiederentdeckt, und zwar im Beas-Fluss. Factsheet Indus-Delfin (Platanista gangetica minor) Lebensraum Platanista gangetica zieht tieferes, trübes Wasser mit feinschlammigen Böden vor, beispielsweise in Becken unterhalb von Verengungen des Flusslaufs oder in scharfen Mäandern. Er kommt jedoch auch in flachem Wasser vor und kann sich wegen seiner Schwimmweise (auf der Körperseite) sogar in nur 30 Zentimeter tiefem Wasser fortbewegen. Wenn der Wasserpegel in der Regenzeit steigt, schwimmen die Flussdelfine flussaufwärts in kleinere Ströme und Zuflüsse, wo ihnen manchmal bei plötzlicher Absenkung des Wasserspiegels in saisonalen Becken der Rückweg zum Flusssystem abgeschnitten werden kann. Normalerweise bleiben die Tiere jedoch während der Trockenzeit, wenn die Flusspegel sinken, im Hauptstrom der Flüsse. Auch das Brackwasser in den Flussmündungen gehört zu ihrem Lebensraum. Höhere Salzgehalte von über zehn Tausendstel 10ppt allerdings mögen sie normalerweise nicht. Ihr Lebensraum ist auf ein Fünftel ihres historischen Lebensraums auf einen Abschnitt von ungefähr 1‘000 km des Indus geschrumpft. Nahrung Indus-Delfine haben die Angewohnheit, auf der Seite zu schwimmen. Dabei schleift eine ihrer riesigen Flossen im schlammigen Flussbett. Forscher gehen davon aus, dass ihnen dieses Verhalten bei der Futtersuche hilft. Da der Delfin mit seiner schmalen, spitzen Schnauze nicht kauen kann, verschlingt er seine Beute ganz. Auf seinem Speiseplan stehen verschiedene Krebstiere wie Garnelen und Fische, wie etwa Welse oder Karpfen. Indus-Delfin (Platanista gangetica minor), Fran¢ois X. Pelletier,/ WWF-Canon Bestandsgrösse und Gefährdungsstatus Schon im Jahr 546 v. Chr. wurden die Indus- und Ganges-Delfine durch das „Moral Edict of King Ashoka“ geschützt. Danach verloren sie diesen Status, und erst nach einer drastischen Dezimierung erlangten die Flussdelfine im Jahr 1972 in Pakistan den Schutzstatus. Im Jahr 1974 wurde der etwa 200 km lange Abschnitt zwischen den Sukkur- und GudduStaudämmen des Indus von der Regierung zum Flussdelfin-Reservat erklärt und dort ein Jagdverbot erlassen. Die Durchsetzung von Jagdverordnungen hat seit 1974 die Dezimierung der Indus-Delfine aufhalten können. Nach Untersuchung des gesamten heutigen Verbreitungsgebietes des Indus-Delfins wurde dessen Bestand vom WWF Pakistan, der seit 2001 alle fünf Jahre Zählungen durchführt, 2001 auf etwa 1‘000 Individuen, 2006 auf 1‘600 bis 1‘750 Delfine und 2011 auf etwa 1‘450 Delfine geschätzt. Die grösste der 5 Subpopulationen dieser Unterart (etwa 1‘200 Tiere 2006) lebt im Flussabschnitt zwischen dem Gudduund dem Sukkur-Staudamm. Hier ergaben Zählungen von 1974 bis 2006 einen steigenden Trend. Dieser Anstieg könnte durch das Jagdverbot seit 1974 oder durch die Einwanderung von flussaufwärts lebenden Populationen verursacht sein. Allerdings nahm der Bestand seit 2010, dem Jahr der grossen Flutkatastrophe, wieder ab. Platanista gangetica minor ist im Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES auf Anhang I gelistet. Das bedeutet, dass diese Tiere kommerziell nicht gehandelt werden dürfen. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN wird er seit 1996 als „Endangered” (Stark gefährdet) geführt. Bedrohung Aufgrund ihres eng begrenzten Lebensraums und der Nähe zu menschlichen Siedlungen sind diese Tiere durch zahlreiche Gefahren bedroht, Die industrielle Entwicklung, in erster Linie der Bau von Dämmen und Staustufen (25) , hat den Lebensraum, die Anzahl und die Populationsstruktur dieser Flussdelfine am stärksten beeinträchtigt. Diese Lebensraumzerstückelung kann aufgrund vermehrter Inzucht zu Verlusten genetischer Vielfalt führen. Zusätzlich zur Fragmentierung der Populationen haben die Staudämme auch die Ökologie und Artenzusammensetzung der Unterläufe stark degradiert. Ein 60‘000 km langes Netzwerk von Bewässerungskanälen für die wachsende Landwirtschaft gefährdet die Indus-Delfine zusätzlich, da sie immer wieder in austrocknenden Kanälen stecken bleiben, in welche sie sich während der Regenzeit verirrt haben. Der WWF führt regelmässig Rettungsaktionen durch, um die gestrandeten Delfine wieder in den Fluss zurückzubringen. Hinzu kommt die chemische Schadstoffbelastung, welche in den nächsten Jahren, mit zunehmender Industrialisierung, noch weiter ansteigen wird. Ungeklärte Abwässer werden direkt in den Indus eingeleitet, dazu kommen die Pestizide der Landwirtschaft. Durch die Ableitung von Flusswasser zu Bewässerungszwecken hat sich die Kapazität der Flüsse, Salze und Dünger auf ein unschädliches Niveau zu verdünnen, dramatisch verringert. 3 Factsheet Indus-Delfin (Platanista gangetica minor) WWF-Engagement Die Indus- und Ganges-Delfine sind so genannte Flagschiffarten des WWF Pakistan und des WWF Indien. Das heisst, sie sind repräsentativ für ihre Arbeit zur Erhaltung von Feuchtgebieten und Gewässern. Der etwa 200 Kilometer lange Indus-Abschnitt zwischen den Guddu- und Sukkur-Staudämmen wurde 2001 als Ramsar-Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung ausgewiesen. Der WWF Pakistan fokussiert seine Schutzbemühungen für die Indus-Delfine auf dieses Gebiet, welches die grösste Population aufweist. Er ist aber auch im Abschnitt zwischen den Taunsa- und GudduStaudämmen aktiv, dem Gebiet mit der zweitgrössten Population an Indus-Delfinen. Das langfristige Ziel ist die Erhaltung und der Schutz der IndusDelfine und ihres Lebensraums, die Bewahrung ihrer genetischen Variabilität, und letztendlich der Erhalt der gesamten unteren Indus-Delta-Ökoregion und ihrer biologischen Vielfalt. Der WWF Pakistan unterstützt staatliche Arten- und Naturschutzämter bei ihrer Arbeit zum Schutz der Delfine. Auch lokale Gemeinschaften, Fischer und Bauern werden in die Schutzinitiativen mit eingebunden. Beispielsweise wird in Zusammenarbeit mit Bauern der Pestizid- und Düngereintrag in die Gewässer reduziert. Ausserdem werden die FlussdelfinBestände überwacht, alle fünf Jahre gezählt und erforscht. Dabei fordert der WWF Pakistan die lokalen Gemeinschaften entlang des Indus auf, aktiv beim Monitoring mitzuwirken. Er unterstützt zudem ein Programm zur Rettung von Delfinen, die sich in Bewässerungskanälen verfangen haben. Zwischen 1992 und 2013 wurden allein 112 von 140 gestrandeten Delfinen erfolgreich gerettet. Ausserdem hat der WWF Pakistan in Sukkur, Guddu und Ghotki die Fischer mobilisiert und ihnen bei der Gründung gemeinschaftlicher Organisationen geholfen, welche sich für nachhaltige Fischerei wie z.B. die Fischzucht in Käfigen einsetzt, Überfischung und unethische Fischereipraktiken kontrolliert und alternative Einkommensquellen fördert. Aus- und Weiterbildungsmassnahmen wurden durchgeführt. Auch die Fischerfrauen wurden handwerklich ausgebildet, um ihre handgearbeiteten Produkte auf lokalen Märkten zu verkaufen und so zum Einkommen beizutragen. Um das Umweltbewusstsein und das Interesse am Indus-Delfin der lokalen Bevölkerung zu wecken und zu vermitteln, gründete der WWF Pakistan IndusDelfin-Informationszentren in Guddu und Sukkur. Gleichzeitig fördert er den Ökotourismus durch Delfin-Safaris, welche von lokalen Bootsführern durchgeführt werden. Diese werden vom WWF Pakistan als ÖKO-Tourguides ausgebildet und führen die Safaris auf ihren traditionellen Fischerbooten (Segel/Ruder) nur in den Niedrigwasserphasen zwischen Februar und April und zwischen Oktober und Dezember durch. WWF Schweiz Hohlstrasse 110 Postfach 8010 Zürich Tel.: +41 (0) 44 297 21 21 Fax: +41 (0) 44 297 21 00 E-Mail: [email protected] www.wwf.ch Spenden: PC 80-470-3 4 © 1986 Panda Symbol WWF ® «WWF» ist eine vom WWF eingetragene Marke Auch die Fischerei bedroht in jüngster Zeit zunehmend den Delfinbestand. Obwohl der Flussabschnitt, in dem die meisten Indus-Delfine leben, eigentlich geschützt ist, wurde die Lizenzvergabe gelockert und weniger streng kontrolliert. Das führt zu Überfischung und der Zunahme von illegalen Fischereimethoden wie das Fischen über Nacht mit Netzen und das Vergiften mit Pestiziden. In grossen Teilen des Verbreitungsgebietes wird mit Kiemennetzen gefischt, in denen sich Indus-Delfine verfangen und ertrinken, denn sie halten sich gerne in reichen Fischgründen auf. Die direkte Jagd auf die Flussdelfine hat in vielen Gegenden nachgelassen, kommt aber noch vor. Neu sind Flussschildkröten das Ziel eines illegalen Handels nach China. Die Schildkröten-Jäger legen über Nacht Köderhaken aus und vergiften das Wasser mit Pestiziden, was wahrscheinlich auch zum wachsenden Delfinsterben beigetragen hat. Zusätzlich leiden die Indus-Delfine unter dem zunehmenden Schiffsverkehr, durch den es zu Kollisionen und Lärmbelästigung kommt.