Von der Einklappenflöte zur modernen Querflöte

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Von der Einklappenflöte zur modernen Querflöte – Anmerkungen zur historischen Entwicklung eines Solo- und
Orchesterinstrument unter Berücksichtigung der aspektbezogenen Analyse zweier Werke des Barocks und der
Neuzeit
Kurs:
Musik GK Q1, Schuljahr 2016/2017
Lehrer:
Walter Köster
Verfasser:
Pia Fuchs
Hauptstraße 9
51597 Morsbach
[email protected]
Inhalt
1. Einleitung................................................................................................................ 3
2. Flötenbau im Wandel der Zeit ................................................................................ 4
2.1 Die Einklappenflöte .......................................................................................... 4
2.2 Die Mehrklappenflöte ....................................................................................... 5
2.3 Entwicklung im 19. Jahrhundert ....................................................................... 6
2.4 Die Boehmflöte ................................................................................................. 7
2.4.1 Die konische Ringklappenflöte von 1832 ................................................... 8
2.4.2 Die zylindrische Silberflöte von 1847 ......................................................... 9
3. Auswirkungen des Flötenbaus auf die Literatur für Flöte .................................... 10
4. Werkanalyse: Johann Sebastian Bach, Sonata e-Moll ......................................... 11
4.1 Der Komponist und das Werk ......................................................................... 11
4.2 Analyse ............................................................................................................ 11
5. Werkanalyse: Francis Poulenc, Sonata................................................................. 13
5.1 Der Komponist und das Werk ......................................................................... 13
5.2 Analyse ............................................................................................................ 13
6. Fazit ...................................................................................................................... 15
7. Quellen- und Literaturverzeichnis ........................................................................ 16
8. Selbständigkeitserklärung..................................................................................... 16
2
1. Einleitung
Meine Facharbeit liegt der Fragestellung zu Grunde, ob und wie sich der Flötenbau auf die
Literatur für Querflöte ausgewirkt hat. Der Flötenbau hat vom Barock bis zur Neuzeit eine
große Entwicklung gemacht, der sich vor allem im Klang, den Spieltechniken und der Virtuosität des Flötenspiels bemerkbar macht. Wie diese großen Veränderungen und auch die
Änderungen, die daraufhin in der Literatur auftraten, konkret aussehen, werde ich in meiner
Facharbeit darstellen.
Ich selbst spiele seit vielen Jahren Querflöte und bin stark an diesem Instrument interessiert.
Nach Absprache mit meinem Lehrer entstand nach Überlegung das Thema für meine Arbeit.
Diese ist in zwei große Teile gegliedert. Im ersten Teil stelle ich die Entwicklung des Flötenbaus im Allgemeinen dar, im zweiten Teil, wie sich dieser auf die Literatur für Flöte
ausgewirkt hat. Hierbei werde ich zwei Werke aus dem Barock und der frühen Neuzeit hinsichtlich dessen analysieren, wie sich der Flötenbau zu dieser Zeit auf die beiden Werke
ausgewirkt hat und gezielt auf die Aspekte herausheben, die nur dank des Flötenbaus möglich sind. Neben den beiden Partituren der Werke stand mir außerdem verschiedene Fachliteratur zur Querflöte und zur Musik im Allgemeinen zur Verfügung:
3
2. Flötenbau im Wandel der Zeit
Die Querflöte hat in den letzten Jahrhunderten eine große Entwicklung erlebt, die vom Material aus dem die Flöte gemacht wird bis hin zu einem größeren Ambitus, der dadurch möglich wurde reicht. Ihren vermeintlichen Höhepunkt fand sie dabei in der Boehmflöte, die
1832 entwickelt wurde. Diese Entwicklung werde ich in drei Etappen, beginnend mit der
Flöte im Barockzeitalter; darstellen.
2.1 Die Einklappenflöte
Die Renaissanceflöte wurde bis etwa 1670 so weiterentwickelt, dass man nach diesem Jahr
von einem neuen Instrumententyp sprechen konnte, der Einklappenflöte oder auch Barockflöte. Diese Entwicklung entstand auf Grund der wachsenden Anforderungen an Musikinstrumente im 17. Jahrhundert, wie zum Beispiel dem hörbaren Unterschied von enharmonischen Verwechslungen und der immer größeren Virtuosität, die in den auftretenden solistischen Werken gefragt war.
Die wichtigsten Merkmale der Einklappenflöte waren zum einem ihre Herstellung aus Holz,
meistens Buchsbaum, wie es zu dieser Zeit üblich war, die Unterteilung in drei, bzw. ab
1720 in vier Teile, wobei das Mittelstück oftmals in mehreren Größen zum genauerem Stimmen verfügbar war und ihr tiefster Ton, das d1.
Doch auch die Entwicklung der Musik im Allgemeinen hatte sehr starke Auswirkungen auf
den Flötenbau. So hat sich das Dur/Moll- System aus den Kirchentonarten entwickelt, was
für die Flöte zur Folge hatte, dass die Töne ohne Gabelgriffe eine diatonische D-Dur-Tonleiter ergaben. Außerdem entwickelte sich die Musik zu dieser Zeit von der Polyphonie zur
Homophonie, also auch hin zur solistischen Musik für Instrumente. Dadurch wurde die Flöte
so entwickelt, dass alle Halbtöne im Bereich von zwei Oktaven und einer Quinte und Triller
auf allen Stufen spielbar wurden. Da also nun alle Halbtöne gefragt waren, wurde ein neues
Tonloch für den Ton es bzw. dis entwickelt, was im Ruhezustand durch eine Klappe für
bessere Spielbarkeit geschlossen war. Diese Klappe gab der Flöte ihren Namen und war die
Erste, die jemals an einer Flöte angebracht wurde.
4
Wichtig bei der Einklappenflöte war auch, dass man den Unterschied zwischen enharmonischen Verwechslungen gut hören konnte. Dieser Unterschied wurde entweder durch verschiedene Griffe der einzelnen Töne erzeugt oder durch Anblaskorrekturen. Da das Anblasloch der Einklappenflöte relativ klein war, war dieses deutlich leichter zu verwirklichen,
als bei der Boehmflöte heutzutage. Der generelle Klang der Flöte war kernig und vor allem
die tiefsten Töne hatten eine große Dichte. 1
2.2 Die Mehrklappenflöte
„Zwischen 1720 und 1830 versuchten sich zahlreiche Musiker an der Verbesserung des
Instrumentes. Neue Klappen und Löcher wurden zugefügt. Die meisten Änderungen brachten jedoch genauso viele Vor- wie Nachteile, so dass sich viele von ihnen nie ganz durchsetzten und bald wieder vergessen waren.“2
Mit Ende des Barockzeitalters wurden an die Flöte andere Ansprüche gestellt. So war nun
ein einheitlicher Klang gefragt, der mit der Einklappenflöte, die einen matten Klang erzeugte
nicht gegeben war. Das lag an den vielen Gabelgriffen, also Griffe, „(…) bei denen die gedeckten bzw. offenen Grifflöcher nicht in ununterbrochener Folge liegen“3, die die Einklappenflöte besaß. Um diesen Gabelgriffen zu entgehen, begann man schon Anfang des 18.
Jahrhunderts der Flöte neue Tonlöcher hinzuzufügen. Da diese Löcher aber oft nur schwer
zu erreichen oder zu bedecken waren, wurden immer mehr Klappen hinzugefügt, sodass
schließlich die Mehrklappenflöte entstanden ist.
Genauso wie die Einklappenflöte wurde die Mehrklappenflöte aus Holz hergestellt, jedoch
nicht mehr aus Buchsbaum, wie es bei der Einklappenflöte meistens der Fall war, sondern
nun aus dichteren Hölzern, wie zum Beispiel Ebenholz. Am häufigsten war die achtklappige
Flöte vertreten. Die Klappen bedeckten hierbei die Löcher für die Töne Cis, D, Dis, Gis, B
und C. Sogar zwei Klappen gab es für den Ton F. Die hinzugefügt Grifftabelle zeigt die
einzelnen Griffe auf der achtklappigen Flöte und auch, dass immer noch Gabelgriffe nötig
waren.
1
Vgl. Busch-Salmen, Gabriele/Krause-Pichler, Adelheid: Handbuch Querflöte, Kassel 1999, S. 51ff .
www.flutepage.de: Die Entwicklung der Querflöte im Barock, http://www.flutepage.de/deutsch/history/barock.php Zugriff am 01.03.2017.
3
www.tonarchiv.de : Gabelgriffe, http://www.tonarchiv.net/service/musiklexikon/db1031.html - Zugriff am 04.03.2017.
2
5
4
Diese Klappen hatten die Wirkung, dass vor Allem im langsamen Tempo der Klang der Flöte
gleich blieb und die Intonation in der dritten Oktave besser wurde. Der Klang generell wird
als heller und kräftiger, als der der Einklappenflöte beschrieben. Doch die Mehrklappenflöte
hatte auch viele Kritiker. So wurde besonders die verlorene gegangene Virtuosität der Mehrklappenflöte bemängelt. Die viele Klappen der Flöte waren dazu nämlich hinderlich und mit
den Gabelgriffen waren viele schnelle Passagen deutlich leichter zu verwirklichen. Trotzdem kann man die Klappen auch in weiterer Hinsicht positiv sehen, wie es Anton Bernhard
Fürstenau, ein Flötist und Komponist des 19. Jahrhundert, getan hat. So waren für viele Töne
oftmals mehrere Griffe möglich und mit Hinzufügen der Klappen traten noch mehr
Griffmöglichkeiten auf. Fürstenau sah dies als großen Vorteil, denn dadurch konnte man
gezielt den Klang und auch die Tonhöhe verändern. „Er verstand die Einrichtung der Klappen nicht nur als Weg zur Gleichheit des Klanges (und zu grifftechnischen Alternativen),
sondern im Gegenteil auch zu einer besonderen klanglichen Vielfalt.“5 Die Mehrklappenflöte bot also noch Verbesserung. 6
2.3 Entwicklung im 19. Jahrhundert
Doch die Ideen von Fürstenau setzten sich nicht durch. Man stellte stattdessen Anfang des
19. Jahrhunderts die Ansprüche von Lautstärke und klanglicher Gleichheit aller Töne an die
Flöte. Der Anspruch der Lautstärke konnte mit den Gabelgriffen, die immer noch vorhanden
4
www.tutz.at: Grifftabellen, http://www.tutz.at/?nav=5&snav=1 – Zugriff am 25.02.2017.
Gabriele/Krause-Pilcher, Adelheid: Handbuch Querflöte, Kassel 1999, S. 57.
6Vgl. Busch-Salmen, Gabriele/Krause-Pilcher, Adelheid: Handbuch Querflöte, Kassel 1999, S.56f.
5Busch-Salmen,
6
waren, nicht erfüllt werden und so wurde die Flöte mit immer mehr Spielhilfen des Klappenapparats ausgestattet, sodass das Spielen ohne Gabelgriffe deutlich angenehmer und
leichter wurde. Ebenfalls wurde auch die gefragte Virtuosität durch die Klappen realisiert.
Die Spielhilfen bestanden einerseits aus Rollen, durch die es einfacher wurde mit den Fingern von Klappenhebel zu Klappenhebel oder zu Griffloch zu wechseln, aus zusätzlichen
Klappen und außerdem aus, wie es schon bei der achtklappigen Flöte für den Ton F der Fall
war, mit teils zwei Klappen für einen Ton. Dadurch wurde neben der Virtuosität auch die
Reinheit der einzelnen Töne und Intervallen, sowie die größere Lautstärke, die durch Verlegung von einzelnen Tonlöchern an Stellen, an denen nun mehr Platz für diese vorhanden
war, hergestellt wurde, bedient.
Neben den zusätzlichen Klappen wurde auch das Material der Flöte im Laufe des 19. Jahrhundert teils verändert. Man fügte nun oftmals ein Metallrohr in das Mundstück ein und
Zinnscheiben, die an die Klappendeckel angebracht wurden, damit die Klappen verlässlich
decken. Auch wurden Haltehilfen angebracht, da die Daumen für das Greifen von Klappen
eingesetzt wurden.7
Die Mehrklappenflöte selbst wurde also schon stark weiterentwickelt und diente Theobald
Boehm als Vorlage für seine Boehmflöte.
2.4 Die Boehmflöte
„Mit meinen Fortschritten im Flötenspielen entstand natürlich das Verlangen nach besseren
Instrumenten, (…)“8
Theobald Boehm wurde am 9. April 1794 in München geboren und war selbst bekannter
Flötist und auch Komponist, der verschiedene Etüden und Konzerte für Flöte komponiert
hat. Doch berühmt wurde er vor Allem durch seine Verbesserungen an der Mehrklappenflöte, aus denen die Boehmflöte 1832 entstanden ist.
7
8
Vgl. Busch-Salmen, Gabriele/Krause-Pilcher, Adelheid: Handbuch Querflöte, Kassel 1999, S 59f.
Boehm, Theobald: Ueber den Flötenbau und die neusten Verbesserungen desselben, Mainz,1847, S.3.
7
2.4.1 Die konische Ringklappenflöte von 1832
Auch schon vor 1832 baute Boehm Mehrklappenflöten und änderte an diesen kleine Details,
wie zum Beispiel das Austauschen von herausstehenden Holzblöcken, in denen die Klappenhebel gelagert waren, hin zu Metallsäulen, die diese ersetzten. Doch all dies ließ ihn
unbefriedigt. Doch nicht nur Boehms Bestreben, sondern auch die im 19. Jahrhundert aufkommende Forderung an die Flöte, dass Virtuosität in allen Tonhöhen und –arten gefragt
war, brachten Boehm zum Handeln.
Die größte Neuerung an der Boehmflöte, und auch das was sie von allen bisherigen Flöten
unterschieden hat, waren die nun offenen anstatt geschlossenen Klappen. Das hatte zum einen den Vorteil, dass nur noch schwache Federn zum offen halten der Klappen benötigt
wurden und nicht, wie es üblich war, starke Feder, die die Klappen geschlossen halten mussten. Dadurch wurde nicht nur bautechnische Vorteile erzielt, sondern auch spieltechnische,
da die nun schwächeren Federn den Fingern weniger Widerstand boten. Andererseits erzielte
Boehm damit eine neue Griffweise, die als Grundtonleiter C-Dur und nicht mehr D-Dur
hatte. Dadurch bewegten sich die Finger bei einer aufsteigenden Tonleiter immer in die gleiche Richtung, nach oben, was vorher durch die Gabelgriffe nicht der Fall war. Eine weitere
Neuerung war zudem, dass an der Boehmflöte zwei Klappen mit darüberstehenden Ringen
ausgestatten wurden. Diese Ringe wurden beim Schließen der jeweiligen Klappe ebenfalls
heruntergedrückt und schlossen durch die Verbindung mit einer Längsachse außerdem ein
weiteres Tonloch. Dadurch mussten die Finger ihre Position nicht mehr verlassen.
Die Tonlöcher waren nun außerdem größer und von Boehm an der richtigen Stelle angebracht worden, so dass ein kräftiger Klang und auch die richtiger Intonation entstand. Die
Flöte wurde immer noch aus Holz hergestellt, doch die Mechanik war meist aus Silber. Außerdem bestand sie nun nur noch aus drei und nicht mehr vier Teilen. Die Bohrung der Tonlöcher war, wie bei den Flötenmodellen davor auch, umgekehrt konisch, also sich zum unteren Ende hin ungleichmäßig verengend. 9
9
Vgl. Busch-Salmen, Gabriele/Krause-Pilcher, Adelheid: Handbuch Querflöte, Kassel 1999, S. 60 ff.
8
2.4.2 Die zylindrische Silberflöte von 1847
Nach Tätigkeiten in der Forschung nahm Boehm 1844 die Arbeiten an der Flöte wieder auf
„(…) zum Unterricht meiner Söhne (…).“10 Es gelang ihm eine Flöte zu konstruieren, die
auch heute noch fast unverändert verwendet wird. Diese Flöte hatte, anders als ihre Vorgängermodelle, eine zylindrische Bohrung der Tonlöcher, die also für die komplette Länge der
Tonlöcher den gleichen Durchmesser hatte. Das hatte den Vorteil, dass die Töne bei jeder
Lautstärke gleich klingen. Da die Überblastöne bei zylindrischer Bohrung oft zu tief sind,
hat Boehm das Kopfstück mit einer Verengung versehen, die dieses behob. Neu war, dass
die ganze Flöte nun aus Silber hergestellt wurde, nicht mehr nur die Mechanik. Dadurch
sprachen die Töne leichter an und hatten eine bessere Resonanz. Der Klang wurde süßer und
das Silber bot der Flöte eine Intonationssauberkeit, wie nie zuvor. Außerdem war das Spielen
in manchen Tonarten nun deutlich leichter, als es noch auf Holzflöten war.
Die Griffweise blieb wie die der Ringklappenflöte von 1832 und die Flöte bestand weiterhin
aus drei Teilen. Ihr wurde lediglich am Mundloch eine Platte hinzugefügt, die meistens aus
Gold bestand. 11
Damit war die Querflöte vollendet und besteht so auch heute noch. Bis auf kleine Änderungen, wie zum Beispiel die geschlossene gis-Klappe, die sich Mitte des 20. Jahrhunderts
durchgesetzt hat, spielen wir heute noch auf der zylindrischen Silberflöte von Theobald
Boehm aus dem Jahre 1847.
10
11
Boehm, Theobald : Ueber den Flötebau und die neusten Verbesserungen desselben, Mainz, 1847,S.31.
Vgl. Busch-Salmen, Gabriele/Krause-Pilcher, Adelheid: Handbuch Querflöte, Kassel 1999, S. 62 f.
9
3. Auswirkungen des Flötenbaus auf die Literatur für Flöte
„Die Flöte hatte schon beträchtlich an Boden verloren, die Situation wäre für sie geradezu
kritisch geworden, wenn nicht ein Mann auf den Plan getreten wäre, dem es gelang, wissenschaftliche Forschungen und Erkenntnisse für eine grundlegende Reform der Flöte einzusetzen.“12
Der Flötenbau und die neuen Möglichkeiten, die dadurch mit der Zeit entstanden, hatten
klare Auswirkungen auf die Literatur für Querflöte. Vor allem die Entwicklung im 19. Jahrhundert ist dabei auffallend und bedeutend.
So zeigt sich bei der Entwicklung der Flötenkonzerte, dass die breite Masse, die es noch zu
Barockzeiten gab, langsam abschwächte. Die Flöte konnte den Anforderungen, die beispielsweise die Konzerte für die Violine stellten, nicht mehr standhalten, da ein Tonumfang
gefragt war, der nicht dem der Ein-, bzw. Mehrklappenflöte entsprach. „Somit scheint es,
als habe die Teilgattung der Flötenkonzerte um 1800 eine Grenze ihrer Entwicklung erreicht.“13 Veränderung brachte erst Boehm mit den bahnbrechenden Neuerungen an der
Flöte, die zur Folge hatten, dass auch das Flötenkonzert wieder etabliert wurde. Jedoch erlitt
das Instrumentalkonzert generell genau zu dieser Zeit eine Krise, sodass das Flötenkonzert
seinen wahren Durchbruch erst im 20. Jahrhundert fand
Auch die Sololiteratur für Querflöte erlebte einen starken Abklang zurzeit unmittelbar vor
Entwicklung der Boehmflöte. So wurde die Intonation der Flöte und auch die klangliche
Ungleichheit kritisiert, was zur Folge hatte, „(…) daß [sic] in der Zeit der Klassik keine
Kompositionen für Flöte solo entstanden sind, die Mustergültigkeit hätten beanspruchen und
dadurch im 19. Jahrhundert innovatorisch hätten wirken können.“ 14 Ihren Aufschwung erlangte die Flötenmusik im 20. Jahrhundert wieder.
Wie sich die Flötenmusik im Detail durch den Flötenbau verändert hat werde ich im Folgenden am Beispiel zweier Werke analysieren.
12
Pesek, Ursula &Zeljko: Flötenmusik aus drei Jahrhunderten, 2., bearbeitete Auflage, Kassel 1990, S.103.
Busch-Salmen, Gabriele/Krause-Pilcher, Adelheid: Handbuch Querflöte, Kassel 1999; S. 241.
14 Busch-Salmen, Gabriele/Krause-Pilcher, Adelheid: Handbuch Querflöte, Kassel 1999; S. 249.
13
10
4. Werkanalyse: Johann Sebastian Bach, Sonata e-Moll
4.1 Der Komponist und das Werk
Johann Sebastian Bach wurde 1685 in Eisenach geborgen und verstarb 1750 in Leipzig.
Aufgewachsen ist er in einer Musikerfamilie und hatte zahlrieche Anstellungen als Organist
und Kantor in verschiedenen Städten Deutschlands. Er komponierte zahlreiche Konzerte,
Passionen, Oratorien und Werke für Soloinstrumente. Bach zählt auch heute noch zu einem
der bedeutendsten Komponisten des Barocks und weltweit. Für Flöte komponierte Bach sieben Sonaten, teils für Flöte solo, teils für Flöte und Continuo.
„Die Querflöte stellt nach der Violine das bevorzugte Soloinstrument in Johann Sebastian
Bachs Kammermusik dar, doch lässt sich der genaue Umfang seines Schaffens für dieses
Instrument und die Geschichte der einzelnen Kompositionen heute nicht mehr ermitteln.“15
Die Sonate in e-Moll besteht, wie zu dieser Zeit üblich, aus vier Sätzen, zwei langsamen und
zwei schnellen. Fortschrittlich ist jedoch, dass nicht alle Sätze in der gleichen Tonart geschrieben sind, der dritte Satz steht in der Paralleltonart G-Dur. Der genaue Zeitpunkt der
Entstehung ist nicht bekannt, die älteste Quelle, eine Partiturkopie von Johann Peter Kellner,
stammt aber etwa aus dem Jahr 1725. Analysieren werde ich den ersten Satz, Adagio ma non
tanto.
4.2 Analyse
Die Sonata von Bach wurde für die Flauto Traverso, also für die Einklappenflöte komponiert. Deren Möglichkeiten waren noch relativ gering und nicht mit denen der aktuellen Flöte
zu vergleichen. An der Sonata sind viele Merkmale zu erkennen, die auf diese bestimmten
Möglichkeiten der Einklappenflöte hinweisen.
So ist der tiefste Ton des ersten Satzes das d1, was gleichzeitig der tiefste Ton der Einklappenflöte war. Der höchste Ton des ersten Satzes ist das g3. Damit ist der Ambitus der Einklappenflöte fast vollständig ausgeschöpft und vor allem das g3 war zu damaligen Verhältnissen schwer zu erreichen. Doch es sind längst nicht alle Töne, die in diesem Tonumfang
liegen, in Gebrauch. Das lässt sich zum einen damit erklären, dass das Stück zu einer Zeit
15
Leisinger, Ulrich, Leipzig 2003 in : J. S. Bach, Vier Sonaten. 20., bearbeitete Auflage, Kassel 1966, S.3 (Vorwort).
11
komponiert wurde, in der die Musik nach dem Generalbasssystem aufgebaut war und der
Kadenzharmonik unterlag, bestimmt Töne also einfach nicht in das System der Tonart, in
diesem Fall e- Moll gepasst haben. Zum anderen war es oft schwer, bestimmte Tonarten auf
der Einklappenflöte zu spielen sowie bestimmte Intervalle, denn diese waren oft, wie zum
Beispiel die reine Oktave, sehr unsauber. Das erklärt, warum dieses Intervall zwar vertreten
ist, aber nicht oft. Generell treten vor allem einfachere Intervalle, wie die Terz auf, da die
Virtuosität, die mit der Einklappenflöte erreichbar war, durch die verschiedenen Gabelgriffe
und Intonationsschwierigkeiten, eingeschränkt war.
Ein weiteres Merkmal, das auf die Einklappenflöte zurückzuführen ist, sind die vier-, dreiund zwei Schlag Noten in den Takten 5, 13 und 26. Denn vor allem die langen Töne präsentierten den durch die Einklappenflöte neu erlangten kernigen Klang der Flöte. Durch die
sonst größtenteils verwendeten Sechzehntel treten diese langen Noten ganz klar in den Vordergrund und betonen den besonderen Klang der Einklappenflöte.
Außerdem ist auffallend, dass im ganzen Stück keine Lautstärkenangaben zu finden sind:
Dieses war zwar zu dieser Zeit üblich, doch es war zudem schwer unterschiedliche Lautstärken auf der Einklappenflöte zu erzeugen.
Erwähnenswert ist außerdem, dass im kompletten Satz keine tonleitermelodischen Elemente
auftreten, was daran liegt, dass eine Tonleiter auf der Einklappenflöte relativ schwer zu spielen war und nicht so einfach, wie es heute möglich ist. Die Gabelgriffe hatten zur Folge, dass
sich die Finger bei einer Tonleiter nicht in die eine gleiche Richtung bewegten und somit
schwer zu verwirklichen waren.
Der erste Satz der Sonata e-Moll von Johann Sebastian Bach zeigt also, dass die Möglichkeiten auf der Einklappenflöte noch relativ gering waren, schöpft diese aber weitesgehend,
wie zum Beispiel den Ambitus, aus. Das Stück ist typisch für die Flötenmusik im 18. Jahrhundert und die der Einklappenflöte und weist typische Merkmale, wie die hervorgehobenen
langen Töne auf.
12
5. Werkanalyse: Francis Poulenc, Sonata
5.1 Der Komponist und das Werk
„Seinem melancholischen Duktus (Allegro malincolico) antwortet ein kesses Gegenthema,
das beherzt in die dritte Flötenoktav führt. In freier dreiteiliger Form spielt der Satz die Möglichkeiten der beiden Themen, aber auch die Lagen der Flöte aus.“16
Francis Poulenc wurde 1899 in Paris geboren und starb am selben Ort 1963. Er war Mitglied
der Gruppe „Les Six“, ein Zusammenschluss von sechs Komponisten, die sich vom Impressionismus abwendeten, um eine neue Art der Musik zu schaffen, die einfach und direkt sein
sollte. 17 Poulenc komponierte viele Lieder und Kirchenmusik. Auch viele ironisch gemeinte
Musik stammt von ihm, die oftmals nicht richtig geachtet wurde. Die Sonata für Flöte und
Klavier entstand in seinen letzten Lebensjahren zusammen mit zwei weiteren Sonaten für
Klarinette, bzw. Oboe und Klavier.
Die Sonata besteht aus drei Sätzen und wurde am 14. Februar 1958 in Amerika uraufgeführt.
Eine konkrete Tonart, in der das Stück geschrieben ist, ist nicht zu erkennen. Die Sätze unterliegen ständigen Tonart- und auch Taktwechseln, sind also, anders als bei Bach, an keine
Systeme mehr gebunden. Analysieren werde ich wieder den ersten Satz, Allegretto malincolico.
5.2 Analyse
Die Sonata für Flöte und Klavier von Francis Poulenc entstand Mitte des 20. Jahrhunderts,
also zu einer Zeit, in der die Boehmflöte schon etabliert und verbessert wurde. Dass das
Stück für diesen Flötentypus geschrieben wurde merkt man an einigen Stellen, die mit einer
vorhergegangenen Flöte nicht spielbar wären.
16
www.kammermusikfuehrer.de : Francis Poulenc, Flötensonate, https://www.kammermusikfuehrer.de/werke/2126 -Zugriff am 26.02.2017.
17
Vgl. Pesek, Ursula &Zeljko: Flötenmusik aus drei Jahrhunderten, 2., bearbeitete Auflage, Kassel 1990, S.185.
13
So hat der erste Satz einen Ambitus vom e1 bis zum c4 und schöpft diesen voll aus. So ein
großer Ambitus, der auch noch höhere Töne zulassen würde, ist nur durch die Entwicklung
des Flötenbaus möglich geworden.
Generell finden sich bei Poulenc jegliche Intervalle vor, die durch alle Tonlagen gehen. Die
Tonfolge in Takt 39 (a3-c3-c4) steht beispielhaft für die sowohl grifftechnisch, als auch intonationstechnisch schwierigen Intervalle, die spielerisch erst durch die Boehmflöte möglich
wurde. Auch die Verwendung jeglicher Tonarten, die in diesem Satz auftreten, zeigt, dass
das Stück auf die Boehmflöte ausgerichtet ist, da der ständige Tonartwechsel, auch in Tonarten mit vielen Vorzeichen mit der Ein-oder Mehrklappenflöte nicht möglich gewesen
wäre.
Auffallend sind außerdem die gehäuft auftretenden Septolen, die tonleitermelodisch ansteigen. Sie treten zum Beispiel im C-Dur (Takt 4), aber auch in F-Dur (Takt 56) oder e-Moll
(Takt 130) auf. Sowohl das tonleitermelodische Element an sich, als auch die Schnelligkeit,
mit der es ausgeführt wird, sind darauf zurückzuführen, dass erst mit der Boehmflöte die
Finger bei einer aufsteigenden bzw. absteigenden Tonleiter in die gleiche Richtung bewegt
werden. Durch diesen fließenden Bewegungsablauf der Finger sind solche Passagen möglich
geworden. Auch die häufigen absteigenden Tetrachorde, die zum Beispiel in Takt 86f. oder
Takt 122f. auftreten sind durch diese neue Grifffolge erst möglich geworden. Auch prägen
Zweiunddreißigstel das Notenbild, die aus unterschiedlichen Tönen bestehen. Diese schnelle
Abfolge der Töne ist ebenfals erst durch das System der offenen Klappen von Boehm möglich geworden. Diese ermöglichten eine gesteigerte Virtuosität, wie sie hier gefragt ist.
Weiterhin sind bestimmte krasse Lautstärkenunterschiede nur mit der Boehmflöte spielbar.
Als bestes Beispiel dient hierzu der Takt 90: Die sieben Takte vorher ist das Stück in forte
notiert, und in Takt 90 wird ein subito pianissimo angegeben. Die Töne in diesem Takt stammen alle aus der dritten Oktave, sind also im pianissimo schwer zu erreichen. Und auch der
plötzliche Lautstärkenunterschied wäre bei einer vorhergegangenen Flöte nicht möglich gewesen.
Das wohl auffälligste Merkmal, das durch die Boehmflöte möglich wurde, ist die Verwendung der Doppelzunge in den Takten 37 und 45 bis 48. Poulenc bringt hier eine neue Spieltechnik mit in sein Stück. Jede der hier notierten Sechzehntel wird hierbei doppelt angeblasen und erfordert deswegen eine schnellere Arbeit der Zunge. Zwar war diese Anwendung
auch schon auf den Vorgänger-Flöten spielbar, war jedoch nicht expliziert notiert und somit
14
nicht gewünscht. Außerdem weisen die Passagen, in denen die Doppelzungen gefragt ist,
große Tonsprünge auf, die in Verbindung mit der Doppelzunge auf der Ein- bzw. Mehrklappenflöte zwar spielbar wären, aber deutlich komplizierte auszuführen wären als auf er
Boehmflöte.
Die Sonata für Flöte und Klavier von Francis Poulenc ist also deutlich auf die Boehmflöte
ausgerichtet, da sie Anforderungen an die Flöte stellt, wie zum Beispiel die gesteigerte Virtuosität oder die neue Spieltechnik, die nur mit der Boehmflöte spielbar sind.
6. Fazit
Die Querflöte hat über die Jahre und Epochen eine große Entwicklung erfahren, die meiner
Meinung nach nur Vorteile gebracht hat. So hat der Flötenbau sich positiv auf den Ambitus,
die Virtuosität, die Intonation und den Klang der Flöte ausgewirkt, was durch die einzelnen
Verbesserungen an Mechanik, Material, Klappen und Bohrung der Flöte erzeugt wurde. Vor
allem die Änderungen Boehms von 1832 und 1847, die offene Klappen und die konische
Bohrung gebracht haben, erzielten aus meiner Sicht die meisten Verbesserungen.
Ohne diese Verbesserungen hätten wir heute wahrscheinlich nicht die Menge an Literatur
zur Verfügung und auch nicht das Niveau, das die aktuelle Literatur an die Flöte stellt. Neue
Spieltechniken hätten sich ohne den Flötenbau nicht entwickeln können und die Flöte hätte
wahrscheinlich nicht den Stellenwert, den sie heute hat, ohne die Änderungen, die vorgenommen wurden.
Auch am Beispiel der zwei Werke sieht man, dass durch den Flötenbau ganz klar neue Möglichkeiten geschaffen wurden. Anders wäre die gefragte Virtuosität und Tonhöhe, die in
Poulencs Sonata gefragt ist, nicht zu verwirklichen. Zwar setzt auch Bach schon hohe Ansprüche an die Flöte, doch die Sonata von Poulenc wären mit der Einklappenflöte, die noch
zu Bachs Zeiten in Gebrauch war, nicht spielbar gewesen.
Der Flötenbau hat sich also sehr deutlich auf die Literatur für Flöte ausgewirkt, indem diese
nun viele neue Möglichkeiten hat. Diese Auswirkungen sind meiner Meinung nach ganz klar
positiv.
15
7. Quellen- und Literaturverzeichnis
Boehm, Theobald: Ueber den Flötenbau und die neusten Verbesserungen desselben,
Mainz,1847.
Busch-Salmen, Gabriele/Krause-Pilcher, Adelheid: Handbuch Querflöte, Kassel 1999.
www.flutepage.de: Die Entwicklung der Querflöte im Barock, http://www.flutepage.de/deutsch/history/barock.php - Zugriff am 01.03.2017.
www.kammermusikfuehrer.de : Francis Poulenc, Flötensonate, https://www.kammermusikfuehrer.de/werke/2126 -Zugriff am 26.02.2017.
Leisinger, Ulrich, Leipzig 2003 in : J. S. Bach, Vier Sonaten. 20., bearbeitete Auflage,
Kassel 1966, S.3 (Vorwort).
Pesek, Ursula &Zeljko: Flötenmusik aus drei Jahrhunderten, 2., bearbeitete Auflage, Kassel 1990.
www.tonarchiv.de : Gabelgriffe, http://www.tonarchiv.net/service/musiklexikon/db1031.html - Zugriff am 04.03.2017.
www.tutz.at: Grifftabellen, http://www.tutz.at/?nav=5&snav=1 – Zugriff am 25.02.2017.
8. Selbständigkeitserklärung
Erklärung:
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe
verfasst und keine anderen als die im Literaturverzeichnis angegebenen Hilfsmittel verwendet habe.
Mir ist bekannt, dass die Arbeit auch nachträglich mit null Punkten bewertet kann, sofern
sich – auch zu einem späteren Zeitpunkt – herausstellen sollte, dass die Arbeit oder Teile
davon nicht selbstständig verfasst wurden, die Zitathinweise fehlen oder Teile aus dem Internet entnommen wurden
Ort, Datum
Unterschrift des Schülers und ggf. der Erziehungsberechtigten
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