VL-30-07-2003 6 Auktionstheorie x Auktionen (i.e.S.): ein Verkäufer (Auktionator) bietet eine fixe Menge eines Gutes an, die durch einen der potentiellen Käufer (Bieter) gekauft wird Beispiele: Blumen, Antiquitäten, Kunst VL-30-07-2003 Die Entscheidung, um Güter über eine Auktion zu verkaufen, kann die verschiedensten Gründe haben (z.B. eine grosse Menge an frischen Blumen muss so schnell wie möglich verkauft werden). Dementsprechend haben sich auch die verschiedensten Auktionsformen entwickelt. I.d.R. sind diese Güter „ungewöhnlich“ und es gibt deshalb für sie keine gut entwickelten Märkte. Aber das Internet hat dazu geführt, dass zunehmend auch „gewöhnliche“ Güter versteigert werden (z.B. Bücher über eBay) 1 2 VL-30-07-2003 ‚Private’ und ‚gemeinsame’ Werte Auktionen kann man gemäss der Werte einteilen, die die Beteiligten dem zu versteigerndem Gut beimessen. Man unterscheidet dabei die beiden Extremfälle von privaten und gemeinsame maximale Wertschätzungen. Dabei ist auch die Unsicherheit über diese Werte von Bedeutung (unvollständige Informationen): das maximale Gebot, das jeder Bieter bereit ist zu zahlen, hängt entscheidend von den gegebenen Informationen ab. 3 VL-30-07-2003 x Private Werte: alle Beteiligten (Auktionator und Bieter) kennen ihre eigene Wertschätzung, aber nicht die der anderen (z.B. über ein Kunstgemälde). x Gemeinsame Werte: alle Beteiligten haben dieselbe Wertschätzung, aber verschiedenen Informationen über diese (z.B. über ein Ölvorkommen, für das dem Auktionator und den jeweiligen Bietern unterschiedliche Expertengutachten vorliegen; oder: der Wiederverkaufswert des o.g. Kunstgemäldes). 4 VL-30-07-2003 VL-30-07-2003 Die meisten Auktionen enthalten sowohl ein Element des privaten als auch des gemeinsamen Wertes. Beispiel: Beim Bieten um das Kunstgemälde wird nicht nur die private Wertschätzung berücksichtigt, sondern auch dessen Wiederverkaufswert. Zur Einführung in die Auktionstheorie macht es aber Sinn, beide Werte streng voneinander getrennt zu analysieren. 5 Die ‚4’ am häufigsten vorkommenden Auktionen (1) (2) (3) (4) Holländische (Erstpreis) Englische (Zweitpreis) Erstpreis versiegelte Gebote (1.VG) Zweitpreis versiegelte Gebote (2.VG) 6 VL-30-07-2003 Grundmodell einer Auktion mit privaten Werten Annahmen des Modells: x ein Gut (bzw. fixe Menge eines Gutes) x ein Auktionator und N symmetrische Bieter x private Wertschätzungen vi[vmin...vmax], i=1...N x alle Beteiligten sind risiko-neutral x Werte sind Realisationen von unabhängigen, symmetrischen und kontinuierlichen Zufallsvariablen, die gleichverteilt sind. 7 VL-30-07-2003 Im folgenden werden die ‚4’ Auktionsformen näher beschrieben und das Grundmodell der Auktionen mit privaten Werten durch sie spezifiziert. Danach werden die ‚4’ Auktionen als nicht-koopertative Spiele mit unvollständigen Informationen analysiert und deren gleichgewichtigen Gebote und erwarteten Auktionserlöse miteinander verglichen. 8 VL-30-07-2003 VL-30-07-2003 (2) Englische (Zweitpreis) Auktion (1) Holländische (Erstpreis) Auktion x sequentielle Auktion, in der eine ‚Uhr’ fallende Preise anzeigt (vom Startpreis in Richtung Null) x derjenige Bieter, der die ‚Uhr’ zuerst stoppt (z.B. durch Handzeichen oder Knopfdruck) kauft zu dem Preis bei dem die Uhr stehen geblieben ist x das erste Gebot erhält also den Zuschlag! Beispiel: Holländischer Blumenmarkt in Aalsmeer 9 x sequentielle Auktion, in der die Gebote nacheinander erhöht werden (z.B. durch Handzeichen bei fest vorgegebenen Gebotseinheiten) x derjenige Bieter, der das letzte Gebot abgibt, erhält den Zuschlag zu diesem Gebot (welches der zweithöchsten Wertschätzung aller Bieter entspricht) Beispiel: Verkauf von Wein, Kunst und Antiquitäten 10 VL-30-07-2003 (3) Erstpreis versiegeltes Gebot Auktion x simultane Auktion, in der die Gebote versiegelt, d.h. für andere Bieter nicht sichtbar, eingereicht werden (z.B. in einem verschlossenen Umschlag) x derjenige Bieter, der das höchste Gebot abgibt, erhält den Zuschlag zu dem Preis, den er selbst geboten hat. Beispiel: Vergabe von öffentlichen Aufträgen für z.B. Infrastrukturbau (hier erhält das niedrigste[!] Gebot den Zuschlag) 11 VL-30-07-2003 (4) Zweitpreis versiegeltes Gebot Auktion x simultane Auktion, in der die Gebote versiegelt, d.h. für andere Bieter nicht sichtbar, eingereicht werden (z.B. in einem verschlossenen Umschlag). x derjenige Bieter, der das höchste Gebot abgibt, erhält den Zuschlag zum Preis des zweithöchsten Gebots eines anderen Bieters. Beispiel: wird kaum benutzt. Die Auktion wird auch manchmal nach Vickrey benannt, der 1996 den Nobelpreis für Ökonomie erhielt. 12 VL-30-07-2003 Gleichgewichtige Gebote, Effizienz und Erlösäquivalenz Die ‚4’ Auktionen im Überblick Auktion Abfolge der Gebote Holländisch Sequentiell Englisch Sequentiell Gebotszuschlag Höchstes (erstes) Höchstes (letztes) 1.VG Simultan Höchstes 2.VG Simultan Höchstes VL-30-07-2003 Preis Höchstes, eigenes Gebot Eigenes Gebot, zweithöchster Wert aller Bieter Höchstes, eigenes Gebot Zweithöchstes Gebot aller Bieter In der anschliessenden Übung werden die spieltheoretischen Lösungen der ‚4’ Auktionen hergeleitet. Es wird sich zeigen, dass die verschiedenen Auktionsregeln zu sehr unterschiedlichem Bietverhalten führen. Gleichgewichtige Gebote: (1) In allen ‚4’ Auktionen gilt, dass im Gleichgewicht derjenige Bieter das höchste Gebot abgibt, der die höchste Wertschätzung hat. 13 14 VL-30-07-2003 (2) Im Gleichgewicht geben (risiko-neutrale) Bieter folgende Gebote ab: Auktion Holländisch Englisch Gleichgewichtiges Gebot bi = (N-1)vi/N, wobei bi { Gebot, i =1...N Maximal bis zum eigenen Wert; für den Bieter mit dem höchsten Wert stoppt das Gebot beim zweithöchsten Wert eines anderen Bieters 1.VG bi = (N-1)vi/N, 2.VG wobei bi { Gebot, i =1...N Eigener Wert 15 VL-30-07-2003 Effizienz: Welche Auktionsform ist die effizienteste? D.h. wann erhält derjenige Bieter mit der höchsten Wertschätzung den Zuschlag? (3) Alle ‚4’ Auktionen sind effizient [vgl. (1)]. Interesse des Auktionators: Welche Auktionsform erbringt den höchsten erwarteten Erlös? 16 VL-30-07-2003 VL-30-07-2003 (4) THEOREM (Erlösäquivalenz): Risikoeinstellung: Alle Auktionen, die demjenigen Bieter mit dem höchsten Gebot das Gut zuteilen und die gleiche Bieter-Teilnahme hervorrufen, sind erlösäquivalent. (5) In der Englischen und der 2.VG Auktion spielt die Risikoeinstellung der Bieter keine Rolle für die gleichgewichtigen Gebote. In der Holländischen und der 1.VG Auktion dagegen führt Risiko-Aversion zu einem höheren (aber nicht über dem eigenen Wert) und RisikoFreude zu einem niedrigeren Gebot als bei Risiko-Neutralität. Beispiele: Die ‚4’ o.g. Auktionen, für die wir die Erlösäquivalenz in der Übung zeigen werden. Erwarteter Erlös = (N-1)vmax/(N+1). 17 18 VL-30-07-2003 Experimenteller Vergleich der ‚4’ Auktionen mit privaten Werten Im folgenden beschreiben wir das Verhalten von Teilnehmern in einem Experiment von Coppinger, Smith und Titus (1980) zu den ‚4’ Auktionen. Experimentelles Design: VL-30-07-2003 Englischen Auktion abwechselt und für eine andere die 1.VG mit der 2.VG Auktion (z.B. Holl.oEngl.oHoll. etc.) x private Werte zwischen 0 und 10 US $ x Werte sind gleichverteilt und werden zu Beginn einer Auktion unabhängig voneinander zufällig für jeden Bieter gezogen x nicht computerisiertes Experiment x N=5 bzw. 8 Bieter (Auktionator ist die Experimentsleitung) x Sequenzen von Auktionen in denen sich für eine Teilnehmergruppe die Holländische mit der 19 20 VL-30-07-2003 Resultate: N Erwarteter Erlös bei risikoneutralen Bietern 8 5 7.78 6.67 Durchschnittl. Abweichung vom erwarteten Erlös Holländisch Englisch -.14 -.28 1.VG 2.VG +.39* -.23 *statistisch signifikant Entnommen aus Davis und Holt (1993), S. 285 Erwarteter Erlös = (N-1)vmax/(N+1), hier also 10(N-1)/(N+1), da vmax =10 US $. VL-30-07-2003 x Der durchschnittl. Erlös des Auktionators liegt in der Holländischen, Englischen und 2.VG Auktion nur knapp unterhalb des gleichgewichtigen erwarteten Erlöses. Das der Unterschied statistisch nicht signifikant ist, bekräftigt die empirische Relevanz dieser Modelle. x Dagegen liegt der durchschnittl. Erlös in der 1.VG Auktion statistisch signifikant oberhalb des gleichgewichtigen erwartetetn Erlöses. Man vermutet, dass dies durch risikoaverses Verhalten kommt. Allerdings bleibt dann die Frage offen, warum ein solches Verhalten nicht auch in der Holländischen Auktion auftritt. x Nachfolgende, computerisierte Experimente bestätigen die o.g. Resultate. 21 22 VL-30-07-2003 Im folgenden wird anhand von Graphiken das individuelle Bietverhalten zweier Teilnehmer in einen Experiment von Cox, Smith und Walker (1998) gezeigt, die die Hypothese des risiko-aversen Verhaltens in der 1.VG Auktion verdeutlichen sollen. [siehe angehängte Graphik] 23 VL-30-07-2003 Grundmodell einer Auktionen mit gemeinsamem Wert Annahmen des Modells: x ein Gut (bzw. fixe Menge eines Gutes) x gemeinsame Wertschätzung V* (gleicher Wert für alle Beteiligten) x ein Auktionator und N symmetrische Bieter x alle Beteiligten sind risiko-neutral x imperfekte Informationen (Signale) über den Wert sind Realisationen einer symmetrischen und 24 VL-30-07-2003 kontinuierlichen Zufallsvariable, die gleichverteilt ist Implementierung von Unsicherheit über den gemeinsamen Wert: VL-30-07-2003 Beispiel für 2 Bieter: Vmin V*H (1) Jeder gemeinsame Wert V* zwischen Vmin und Vmax hat die gleiche Wahrscheinlichkeit um gezogen zu werden (gleichverteilte Zufallsvariable). (2) Jeder Bieter i erhält ein Signal si, das die mögliche Menge aus der der gemeinsame Wert kommt auf V*[si H , si +H] reduziert. Dabei ist H für alle Bieter gleich und auch allen bekannt. Wichtig ist, dass keiner der Beteiligten das Signal eines anderen kennt. V* V*+H s1 s2 25 Vmax Bieter 1 Bieter 2 26 VL-30-07-2003 Gleichgewichtige Gebote Die Gleichtgewichtsstrategie für risiko-neutrale Bieter ist: bi = si H + Y, wobei Y = [2H/(N+1)]exp[(N/2H)(si(vmin+H))] eine fallende Funktion in N ist (Intuition: je grösser N ist, desto schwerwiegender ist die mögliche Überschätzung). Resultat: Man kann zeigen, dass derjenige Bieter mit dem höchsten Signal das höchste Gebot abgibt. 27 VL-30-07-2003 „Fluch des Gewinners“ und Auktionen mit gemeinsamem Wert Fluch des Gewinners: Da die Bieter ihre Gebote auf imperfekte Informationen (Signale, Einschätzungen) basieren, ist es wahrscheinlich, dass derjenige Bieter mit der höchsten Signal über den gemeinsamen Wert den Zuschlag erhält. Allerdings ist es auch wahrscheinlich, dass dieses Signal (obwohl erwartungstreu) den gemeinsamen Wert überschätzt und deshalb das höchste Gebot eventuell verflucht ist: es erhält den Zuschlag, aber ist höher als der gemeinsame Wert, der Bieter erleidet einen Verlust. 28 VL-30-07-2003 Den Zuschlag zu erhalten ist also selbst ein informatives Ereignis. Rationale Bieter unterliegen nicht dem Fluch des Gewinner, denn sie berücksichtigen diese Information bei der Berechnung der gleichgewichtigen Strategie und passen dementsprechend ihre Erwartung über den gemeinsamen Wert nach unten an. VL-30-07-2003 Eine kleine Anekdote: Ein bekannter theoretischer Ökonom wurde von Vertretern einer grossen Ölfirma gebeten, sie bei der Abgabe eines Gebotes für ein Ölvorkommen auf offener See zu beraten. Die Firmenvertreter zeigten ihm alle geologischen und ökonomische Gutachten und sie schlugen ein Gebot vor, das weniger als der Hälfte des geschätzten Marktwertes entsprach. Der Professor fragte daraufhin, ob sie auch bereit sein ihr Gebot heraufzusetzen um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, den Zuschlag zu erhalten. Die Firmenvertreter antworteten, dass Leute die solche Gebote abgeben nicht mehr im Geschäft tätig sind. Quelle: Davis and Holt (1993), S. 288 29 30 VL-30-07-2003 Experimente zur Auktion mit gemeinsamen Wert Kagel und Levin (1986) zeigen in ihrem Experiment zu einer Erstpreis Auktion mit gemeinsamen Wert, dass es tatsächlich zum „Fluch des Gewinners“ kommt. VL-30-07-2003 x Selbst wenn Bieter durch mehrmaliges Teilnehmen an der Auktion Erfahrung gesammelt haben, kommt es bei den grösseren Gruppen (6 oder 7 Bieter) immer noch zum Fluch des Gewinners und Teilnehmer machen Verluste (in den meisten ‚sessions’ gingen mehr als die Hälfte der Zuschläge an Gebote von Bietern mit dem höchsten Signal, die oberhalb des rational zu erwartenden gemeinsamen Wertes lagen). Resultat: x Der Fluch ist stärker in Auktionen mit 6 oder 7 Bietern als mit 3 oder 4 Bietern 31 32 VL-30-07-2003 Literatur - Kap. 6 Pflichtlektüre: x Wolfstetter, E. (1993), Topics in Microeconomics – Industrial Organization, Auctions, and Incentives, Cambridge: Cambridge University Press, S. 182-195 Weiterführende Literatur (freiwillig): x Davis, D.D. & Holt, C.A. (1993), Experimental Economics, Princeton, New Jersey: Princeton University Press, Chapter 5, S. 275-291 x McAfee, R.P. & McMillan, J. (1987), Auctions and Bidding, in: Journal of Economic Literature XXV, S. 699-738 33