top Neue Energie E.ON: „Wir investieren massiv in Biogas“ Der Energieversorger E.ON will bundesweit eigene Biogasanlagen bauen und das Gas in seine Netze einspeisen. Welche Rolle Landwirte dabei spielen, haben wir den Geschäftsführer der E.ON-Bioerdgas-GmbH, Friedrich Wolf, gefragt. j top agrar: Herr Wolf, E.ON will über eine Milliarde Euro in die Bioerdgaserzeugung investieren. Ist das nur eine Imagekampagne, um sich einen guten Ruf einzukaufen? Wolf: Nein. Zwar ist die genannte Zahl überhöht, und die genaue Höhe steht noch nicht fest, aber: Das ist keine Alibiveranstaltung. Bioerdgas hat ein enormes Potenzial und ist für uns eine ernst zu nehmende Ergänzung zu fossilem Erdgas. j top agrar: Gibt es überhaupt einen Markt für Bioerdgas? Wolf: Ja, den gibt es. Es sind drei Absatzwege, die für uns interessant sind. Da ist zunächst das geplante Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, nach dem vermutlich jeder Hausbauer in Zukunft verpflichtet wird, einen Teil seines Wärmebedarfes aus Erneuerbaren Energien abzudecken. Dieser Pflicht kann er auch mit Bioerdgas nachkommen. Zum anderen werden wir Bioerdgas an Betreiber von größeren und kleineren Blockheizkraftwerken wie beispielsweise Krankenhäuser verkaufen. In den Kraftwerken wird neben Heizungswärme auch Strom erzeugt, der ins öffentliche Netz eingespeist wird. Dafür erhält der Betreiber eine Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Und zu guter Letzt wird Bioerdgas auch als Kraftstoff eine Rolle spielen. j top agrar: Wie groß schätzen Sie diesen Markt ein bzw. wie viel Erdgas wollen Sie durch Bioerdgas ersetzen? Wolf: Langfristig wird Bioerdgas im deutschen Erdgasmix einen Anteil von fünf bis zehn Prozent haben. Das ist nicht wenig. j top agrar: Wie viele Anlagen wollen Sie bauen? Und vor allem wo? Wolf: Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Es werden aber viele sein verteilt über ganz Deutschland. 116 top agrar 5/2008 „ Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, wenn Landwirte selbst in der Energiewirtschaft tätig sind. “ j top agrar: Die Aufbereitung und Einspeisung von Biogas ist teuer. Welche Anlagengröße ist für Sie wirtschaftlich? Wolf: Langfristig werden Anlagen ab etwa fünf Megawatt Gasleistung bzw. zwei Megawatt elektrischer Leistung wirtschaftlich und umweltschonend betrieben werden können. j top agrar: Marktgerüchten zufolge wollen Sie nicht nur Anlagen bauen und betreiben, sondern auch Flächen für die Rohstoffproduktion kaufen. Wolf: Nein, das stimmt nicht. Wir bauen Bioerdgasanlagen und kaufen Rohstoffe zu. Die Landwirte verstehen von der Rohstoffproduktion mehr als wir. Wir sehen unsere Stärken in der Gasproduktion und -aufbereitung. j top agrar: Werden Landwirte also zu Rohstofflieferanten degradiert? Wolf: Landwirte können selbstver- Wolf: Die Preisanpassung stellen wir über verschiedene Preisindizes sicher. Es wird aber eine Deckelung der Preise nach oben als auch unten geben. Schließlich brauchen wir die Sicherheit, dass sich die Anlage auch rechnet. Und der Landwirt braucht ebenso die Gewissheit, dass sich der Anbau von Energiepflanzen für ihn auszahlt. Auch wenn die Marktpreise deutlich abstürzen. ständlich auch einspeisen und uns Gas verkaufen. Aber ich glaube nicht, dass es langfrsitig befriedigend und sinnvoll ist, wenn sie selbst in der Energiewirtschaft tätig sind. Rohstofflieferung ist im Übrigen keine Degradierung, sondern gegenwärtig das weitaus lukrativere Geschäft. j top agrar: Landwirte sollten also kein Biogas erzeugen? Wolf: Das kann man so nicht sagen. Gerade habe ich betont, dass wir am Kauf von Biogas aus landwirtschaftlichen Produktionen interessiert sind. Aber eine Biogasanlage ist kapitalintensiv. Zudem wird das Bioerdgasgeschäft langfristig nicht lukrativer. Daher glauben wir, dass Landwirte mit der Nahrungsmittel- oder Energiepflanzenproduktion wesentlich besser fahren. Außerdem kennen sie sich nicht im Erdgasmarkt aus. Das ist hingegen unser Hauptgeschäft. Warum soll sich nicht jeder auf seine Stärken konzentrieren? So können beide Seiten auch voneinander profitieren! j top agrar: Warum wird das Einspeisen nicht lukrativer? Es gibt doch gute Absatzwege, wie sie selbst betont haben. Wolf: Der Bioerdgaspreis ab Aufbereitungsanlage schwankt derzeit je nach Qualität und Menge zwischen sechsein- In Pliening (Bayern) steht die erste Biogasanlagen, die ihr Gas direkt ins Erdgasnetz einspeist. Fotos: privat, Werkbild Friedrich Wolf ist Geschäftsführer der E.ON-Bioerdgas-GmbH halb und sieben Cent je Kilowattstunde. Wie er sich aber in den kommenden Jahren entwickelt, kann keiner vorhersagen. Wenn die Bioerdgasmenge im Netz steigt, könnte der Preis sinken. Das ist gerade für kleine Anlagen ein großer Unsicherheitsfaktor. j top agrar: Gut, aber durch die novellierte Gasnetzzugangsverordnung sind die Einspeisekosten für den Biogaserzeuger bzw. Landwirt gesunken. Ändert das nicht etwas an der Situation? Wolf: Auch mit den neuen Vorzeichen durch die novellierte Verordnung ändert das nichts am grundlegenden Problem. Zudem wird die Verordnung in ein paar Jahren wieder novelliert. Dann kann sich alles wieder ändern. Denn die Kosten, die bislang der Einspeiser getragen hat, werden nun teilweise vom Betreiber des Gasnetzes übernommen. Der wiederum verteilt diese gleichmäßig auf alle Gaskunden. Nur wie lange macht der Verbraucher das mit? j top agrar: Landwirte haben oft Angst davor, langfristige Lieferverträge einzugehen. Wie sehen Ihre Verträge aus? Wolf: Es gibt noch keinen Standardvertrag. Daher kann ich nur Eckpunkte nennen. Bei der Gestaltung der Verträge werden wir die Interessen beider Seiten ausbalancieren. Wir wollen mit den Landwirten den Anbau ganzer Fruchtfolgen vereinbaren. Hauptfrucht ist der Mais, wir kaufen aber auch Zwischenfrüchte wie Weidelgras oder Roggen ab. Die Verträge werden eine Laufzeit von drei bis fünf Jahren haben. Zudem streben wir an, dass ein Landwirt maximal zwanzig Prozent seiner Fläche für den Rohstoffanbau für E.ON reserviert. j top agrar: Wie stellen Sie sicher, dass die Preise während der Laufzeit des Vertrages an die tatsächliche Marktentwicklung angepasst werden? j top agrar: Vor allem Vieh haltende Betriebe haben Angst davor, dass Sie ihnen die Flächen „wegnehmen“ und die Pachtpreise in die Höhe treiben. Können Sie solche Ängste nachvollziehen? Wolf: Grundsätzlich haben wir Verständnis, dass neue Produktionen und Strukturveränderungen Besorgnis auslösen. Nur E.ON nimmt niemandem die Fläche weg. Wir haben auch nicht die Absicht, Preise über dem Wettbewerb zu zahlen. Wir bauen auch keine Anlagen in Regionen, in denen die Viehhaltung dominiert. „Langfristig könnte der Preis für Bioerdgas wieder sinken. Das ist für kleine Biogasanlagen ein großer Unsicherheitsfaktor. “ j top agrar: Im nordrhein-westfälischen Ahlen wollten Sie eine Bioerdgasanlage bauen. Es gab Proteste der Bürger und von Landwirten, die um ihre Existenz bangten. Eine Mehrheit im Stadtrat wird nun voraussichtlich der Genehmigung nicht zustimmen. Was ist „schief gelaufen“? Was haben Sie daraus gelernt? Wolf: Im Raum Ahlen ist genügend Fläche vorhanden für eine Bioerdgasanlage mit rund fünf Megawatt Leistung. In diesem Bereich gibt es auch keine hochgradige Viehhaltung. Den Bürgerbelangen kann an diesem Standort Rechnung getragen werden. In Ahlen waren wir allerdings nicht am Planungsverfahren beteiligt. Das Gelände für die Biogasanlage sollte uns nur zur Verfügung gestellt werden. Das Verfahren hat sich als nicht gut vorbereitet erwiesen, und Bürger und Lokalpolitik sind unzureichend informiert worden. Das entspricht nicht dem Standard, wie wir selbst solche Projekte vorbereiten und kommunizieren. Künftig werden wir uns immer selbst einschalten und solche Konstellationen nicht mehr eingehen. Diethard Rolink top agrar 5/2008 117