Fachbereich Tourismus Bachelor-Thesis - BEST

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Fachbereich Tourismus
Bachelor-Thesis
Anna Scherber
Gay Tourism Marketing: Chancen und Risiken bei der
Erschließung neuer Märkte im osteuropäischen Raum
und Ansätze für eine optimale Marktbearbeitung
Referenznummer: 06092012
I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis....................................................................................................
I
Abbildungsverzeichnis............................................................................................
III
Tabellenverzeichnis.................................................................................................
III
Abkürzungsverzeichnis........................................................................................... IV
Abstract....................................................................................................................
1
1. Einleitung.............................................................................................................
2
1.1 Relevanz des Themas und Problemstellung....................................................
2
1.2 Zielstellung und Aufbau der Arbeit................................................................
4
2. Gay Tourismus....................................................................................................
5
2.1 Begriffserklärung............................................................................................
5
2.2 Vom Nischenmarkt zum Wachstumsmarkt....................................................
5
2.3 Besonderheiten der Zielgruppe.......................................................................
8
3. Osteuropa.............................................................................................................
11
3.1 Geografische Eingrenzung..............................................................................
11
3.2 Der osteuropäische Raum als aufsteigender Zukunftsmarkt...........................
11
3.3 Rechtliche und gesellschaftliche Situation Homosexueller in Osteuropa.......
12
3.4 Schwul-lesbische Infrastruktur in Osteuropa..................................................
19
4. Strategische Erschließung des Gay Marktsegments in Osteuropa.................
23
4.1 Gay Marketing................................................................................................
23
4.2 Marketing-Konzeption....................................................................................
24
4.2.1 Analyse der Einflussfaktoren.................................................................
25
4.2.2 Marketing-Ziele.....................................................................................
26
4.2.3 Marketing-Strategien.............................................................................
27
4.2.4 Kommunikationspolitik im Marketing-Mix..........................................
30
4.3 Best Practice Beispiel WienTourismus...........................................................
35
5. Methodische Vorgehensweise............................................................................
37
5.1 Datengewinnung mittels Sekundärforschung.................................................
37
5.2 Empirische Untersuchung...............................................................................
38
II
5.2.1 Datenerhebung mittels halbstrukturierter Interviews.............................
38
5.2.2 Auswahl der Interviewpartner................................................................
40
6. Präsentation der Erhebungsergebnisse.............................................................
43
6.1 Zusammenfassung und Auswertung des Datenmaterials................................
43
6.2 Analyse der Chancen und Risiken..................................................................
51
7. Handlungsempfehlungen....................................................................................
55
7.1 Ansätze für eine Marktbearbeitung des Gay Segments in Russland..............
55
7.2 Ansätze für eine Marktbearbeitung des Gay Segments in Polen....................
57
8. Fazit und Ausblick..............................................................................................
61
Anhang.....................................................................................................................
63
Literaturverzeichnis................................................................................................ 69
Eidesstattliche Erklärung.......................................................................................
76
3
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Aufbau einer Marketing-Konzeption
24
Abb. 2 Relevante Einflussfaktoren auf das Marketing am Beispiel von Russland
56
Tabellenverzeichnis
Tab. 1 Die Homosexuellen-Freundlichkeit osteuropäischer Länder
15
Tab. 2 Die schwul-lesbische Infrastruktur in osteuropäischen Ländern
21
Tab. 3 Strategische Umsetzung der Marketing-Ziele
29
Tab. 4 Übersicht der angefragten Interviewpartner
41
Tab. 5 Chancen-Risiken-Analyse des Gay Marketing in osteuropäischen
52
Ländern
4
Abkürzungsverzeichnis
AIDS
Acquired Immune Deficiency Syndrome
CSD
Christopher Street Day
DINKS
Double Income No Kids
EU
Europäische Union
HIV
Humanes Immundefizienz-Virus
IGLTA
International Gay and Lesbian Travel Association
ILGA
International Lesbian and Gay Association
ILGCN
International Lesbian and Gay Cultural Network
Inc.
Incorporated
ITB
Internationale Tourismusbörse
LGBT
Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender
NTO
Nationale Tourismusorganisation
PR
Public Relations
RTO
Regionale Tourismusorganisation
TO
Tourismusorganisation
UNWTO
United Nations World Tourism Organization
USA
United States of America
1
Abstract
Homosexuelle gelten
nicht nur
als
besonders reisefreudig, sondern
auch
als
einkommensstark. Seit den neunziger Jahren steigt das Bewusstsein für die Zielgruppe in
der globalen Tourismusindustrie. Für westeuropäische Destinationen ist Gay Marketing
bereits ein wichtiger Bestandteil der touristischen Vermarktung geworden. Jedoch waren
Destinationen bislang sehr zurückhaltend in der gezielten Ansprache homosexueller
Kunden im osteuropäischen Raum. Die Wiener Tourismusorganisation hat das
Wachstumspotenzial Osteuropas erkannt und erschließt nun, wenn auch zaghaft, als
Pionier das bisher wenig umworbene Gay Marktsegment im osteuropäischen Raum. Nicht
in allen Ländern Osteuropas herrscht das gleiche Maß an Toleranz und Gleichstellung. In
weiten Teilen stellt Homosexualität ein stark tabuisiertes Thema in der Gesellschaft dar.
Die Erschließung des Marktsegments in Osteuropa birgt daher einige Risiken, aber auch
Chancen, die in dieser Arbeit näher erörtert werden. Anhand einer ausführlichen
Literaturrecherche sowie der Datengewinnung mittels halbstrukturierter Interviews mit
fünf osteuropäischen Tourismusorganisationen sowie fünf LGBT Organisationen wurde die
Erkenntnis gewonnen, dass wenige osteuropäische Destinationen mit einzelnen MarketingAktivitäten und kleineren Kampagnen das Gay Segment bewerben, jedoch keine fundierten,
nachhaltigen Marketing-Ansätze existieren. Die sich kontinuierlich verbessernden
gesellschaftlichen und rechtlichen Bedingungen einiger osteuropäischer Länder bieten
Destinationen hingegen die Möglichkeit, das Gay Marktsegment mit Hilfe einer auf die
Gegebenheiten angepassten Marketing-Kommunikation erfolgreich zu erschließen. Um die
vorhandenen Marktpotenziale bestmöglich nutzen zu können, erfolgt eine Analyse der
Chancen und Risiken des Gay Marketing in Osteuropa und daraus resultierend eine
Ableitung von Handlungsempfehlungen hinsichtlich einer optimale Marktbearbeitung.
2
1. Einleitung
1.1 Relevanz des Themas und Problemstellung
Seit Beginn der neunziger Jahre sind homosexuelle Menschen zunehmend in den Fokus der
Tourismusbranche gerückt.1 In Zeiten der Wirtschaftskrise konnte sich das Segment als
krisenresistenter Markt behaupten2 und aus dem anfänglichen Nischenmarkt entwickelte
sich ein ernst zunehmender Wachstumsmarkt mit großem wirtschaftlichen Potenzial, wie
folgende Zahl belegt: für das Jahr 2012 wird die Kaufkraft des LGBT Segments für
Urlaubsreisen auf weltweit 165 Milliarden Dollar geschätzt.3 Angesichts dieses Potenzials
erweist
sich
der
Markt
als
lukratives,
aber
auch
sehr
vielfältiges
globales
Tourismussegment: Von kleinen Unternehmen, die sich auf die homosexuelle Zielgruppe
spezialisiert haben, bis hin zu den Global Playern, die an dem „Pink Money“ interessiert
sind. Insbesondere touristische Destinationen haben homosexuelle Reisende als wichtige
Zielgruppe erkannt und werben mit spezifischem Gay Marketing gezielt um schwule und
lesbische Kunden, vorwiegend im westeuropäischen sowie US-amerikanischen Markt.4
Ebendiese Märkte gelten jedoch als weitgehend gesättigt aufgrund der steigenden Anzahl
von Unternehmen, die in Westeuropa und den Vereinigten Staaten das LGBT Segment
adressieren. Demzufolge wird es in diesen Absatzmärkten zunehmend schwieriger und
kostenintensiver, die homosexuelle Zielgruppe auf sich aufmerksam zu machen und ihre
Kundenloyalität zu erhalten. Im Gegensatz dazu verfügt der osteuropäische Raum über ein
sehr hohes Wachstumspotenzial und eröffnet Unternehmen den Zugang zum bislang wenig
umworbenen Gay Segment, denn touristische Destinationen und andere Unternehmen
waren bisher noch sehr zurückhaltend in der gezielten Ansprache homosexueller Kunden in
Osteuropa.
Die
Tourismusorganisation „WienTourismus“ hat
das
Potenzial
der
unerschlossenen Märkte Osteuropas erkannt und ist als Pionier mit zielgruppenspezifischem Tourismusmarketing in osteuropäischen Quellmärkten tätig.5 Bedingt durch
die historische Entwicklung, die politisch-rechtliche Situation und die sozialen Strukturen
1
Vgl.
Vgl.
3
Vgl.
4
Vgl.
5
Vgl.
2
Hughes, H. (2006), S. 8
Melián-González, A., Moreno-Gil, S. und Araña, J. (2011), S. 1027
UNWTO (2012), S. 11
Guaracino, J. (2007), S. XVII
ITB Berlin (2011a)
3
der postkommunistischen Länder sind Homosexuelle nach wie vor Vorurteilen,
Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt.6 Angesichts der zunehmenden Akzeptanz der
Gesellschaft und der fortschreitenden Legalisierung der Homosexualität hat sich die Lage
in manchen osteuropäischen Ländern in den letzten Jahrzehnten bereits verbessert. Das
Kauf- und Entscheidungsverhalten der homosexuellen Konsumenten ist größtenteils
geprägt durch die langjährige Bedingung des „Mangelmarktes“, denn speziell auf sie
ausgerichtete Produkte fehlten bislang. Noch befinden sich die osteuropäischen Märkte in
der Phase der Entwicklung und des Aufschwungs.7 Der Studie “Tourism 2020 Vision”
zufolge, bei der Experten der UNWTO den weltweiten Reisemarkt analysierten, wird der
Outbound Tourismus der osteuropäischen Länder, vorrangig Russland, Polen und Ungarn,
in den nächsten Jahren stark ansteigen.8 Repräsentative Marktforschungsstudien über das
LGBT Segment in den osteuropäischen Ländern sind bisher nicht vorhanden. An der
derzeit weltweit größten Marktstudie „LGBT2020“ haben bislang aus Osteuropa nur die
Länder Polen und Estland teilgenommen, Ergebnisse dieser beiden Märkte liegen jedoch
noch nicht vor.9
Die Arbeit richtet sich in erster Linie an Tourismusorganisationen, die bereits das LGBT
Segment jenseits der osteuropäischen Quellmärkte erschlossen haben und sich nun einer
Marktbearbeitung des Segments in den Märkten Osteuropas zuwenden möchten. Die
Untersuchungen in dieser Arbeit sollen darüber hinaus aufschlussreiche Erkenntnisse für
Unternehmen bereitstellen, die darauf abzielen, sich im Gay Marktsegment zu etablieren.
Gegebenenfalls ist die Ausarbeitung auch für die homosexuelle Zielgruppe von Interesse.
Ihnen wird ein grundlegender Überblick darüber gegeben, inwieweit das Thema
Homosexualität in den osteuropäischen Ländern gesellschaftlich akzeptiert ist und wie es
um die politisch-rechtliche Situation Homosexueller bestellt ist.
6
Vgl.
Vgl.
8
Vgl.
9
Vgl.
7
Euro Topics (2007)
Absatzwirtschaft (2010)
Swarbrooke, J. und Horner, S. (2007), S. 122
Out Now Consulting (2012a)
4
1.2 Zielstellung und Aufbau der Arbeit
Ziel dieser Arbeit ist es, die Chancen und Risiken der Erschließung des LGBT
Marktsegments
in
Osteuropa
für
touristische
Unternehmen,
insbesondere
Tourismusorganisationen, herauszuarbeiten. Dazu erfolgt zunächst eine umfassende
Literaturrecherche
Themenkomplex
zum
Kontext
Osteuropa
mit
Gay
Fokus
Tourismus
auf
sowie
wichtige
zum
zweiten
Einflussfaktoren
großen
auf
die
zielgruppenspezifische Vermarktung einer Destination im LGBT Segment in den dortigen
Märkten. Anschließend werden im dritten Themenkomplex der Arbeit die Grundlagen für
die strategische Erschließung des Marktsegments dargelegt, wobei der Schwerpunkt auf die
Kommunikationspolitik einer Tourismusorganisation gelegt werden soll. Die darauf
folgende Erstellung von Interviewbögen basiert auf dem theoretischen Bezugsrahmen der
Arbeit.
Mit
Hilfe
Tourismusorganisationen
einer
in
schriftlichen
Osteuropa
soll
Befragung
einiger
herausgefunden
ausgewählter
werden,
inwieweit
homosexuelle Konsumenten bereits von den Destinationen beworben werden und welche
Hürden bei der zielgruppenspezifischen Vermarktung auftreten können. Ebenso erfolgt eine
Befragung von osteuropäischen LGBT Organisationen, um zu ermitteln, inwiefern
Homosexualität ein tabuisiertes Thema in der Gesellschaft darstellt. Schließlich werden aus
den gewonnenen Erkenntnissen sowie der Auswertung der Datenerhebung konkrete
Handlungsempfehlungen für eine geeignete Zielgruppenansprache des Gay Segments in
den Ländern Polen und Russland abgeleitet, hauptsächlich unter Berücksichtigung der
länderspezifischen externen sowie internen Einflussfaktoren, denn die zum Teil besonderen
Gegebenheiten im osteuropäischen Raum erfordern eine spezifische Ausrichtung der
Kommunikation, sodass die Zielgruppe erfolgreich beworben werden kann, die Märkte
effizient bearbeitet werden und die vorhandenen Marktpotenziale bestmöglich genutzt
werden.10
10
Vgl. Schweighofer, R. (2009), S. III
5
2. Gay Tourismus
2.1 Begriffserklärung
Zur Erleichterung der Lesbarkeit und des Verständnisses sollen zunächst die Begriffe „gay“
und „LGBT“ näher erläutert werden. Das Wort „gay“ ist ein aus der englischen Sprache
übernommenes Fremdwort für homosexuell, welches häufig jedoch speziell für schwule
Männer Verwendung findet. In dieser Arbeit wird der Begriff in seiner ursprünglichen
Bedeutung für homosexuelle Frauen und Männer verwendet. Die weit verbreitete
Abkürzung „LGBT“ stammt ebenfalls aus dem englischen Sprachraum und fasst folgende
Gemeinschaft zusammen: „Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender“. Bei dieser Gruppe geht
es nicht nur um die sexuelle Orientierung gegenüber dem Partnergeschlecht, sondern auch
um die eigene Geschlechtsidentität. Sofern nicht spezifisch zwischen Lesben und Schwulen
unterschieden wird, werden die Begriffe „gay“, „homosexuell“, „schwul-lesbisch“ und
„LGBT“ geschlechtsunspezifisch verwendet.
2.2 Vom Nischenmarkt zum bedeutenden Wachstumsmarkt
Gay Tourismus, auch bekannt als „LGBT Tourismus“ oder „Gay and Lesbian Travel“,
kann im weitesten Sinne definiert werden als jede touristische Aktivität, die speziell für die
Bedürfnisse homosexueller Kunden konzipiert wurde und/oder durch diese Gruppe
ausgeübt
wird.
Dabei
ist
die
Interaktion
zwischen
Produzenten,
Vermittlern,
Leistungsträgern sowie den homosexuellen Konsumenten des Tourismusproduktes ein
integraler Bestandteil des Gay Tourismus.11 Noch vor wenigen Jahren galt dieses Segment
als eine Form des Nischen-Tourismus, inzwischen jedoch ist das Gay Segment ein
international aufsteigender Markt, der aufgrund seines wirtschaftlichen Potenzials
allmählich aus seiner Nische hinausgewachsen ist.12
11
12
Vgl. Southall, C. und Fallon, P. (2011), S. 220-221
Vgl. ITB Berlin (2012)
6
„It is becoming increasingly apparent as we move into a new decade that
LGBT tourism represents a significant, growing and increasingly diverse
and global formal tourism phenomenon.“13
Bereits seit Beginn der 1980er Jahre, ausgehend von der Lesben- und Schwulenbewegung
in den USA, werden Schwule und Lesben von Unternehmen als eine potenzielle Zielgruppe
wahrgenommen.14 Im Laufe der Jahre hat auch die Tourismusbranche, insbesondere
Tourismusdestinationen, das große wirtschaftliche Potenzial dieser Zielgruppe erkannt und
begann zunehmend, homosexuelle Konsumenten als ein eigenes Marktsegment anzusehen
und diese gezielt zu adressieren. Im Jahr 1998 warben weltweit fünf Länder, darunter auch
Österreich, mit zielgruppenspezifischen Marketingkampagnen gezielt für homosexuelle
Reisende, 2006 waren es bereits mehr als 65 Destinationen.15 In den vergangenen Jahren
waren infolge der Wirtschaftskrise besonders die Märkte sehr gefragt, die trotz Krise hohe
Wachstumsraten verzeichnen konnten, so wie beispielsweise das Gay Tourismus Segment.
Im März 2010 wurde es erstmals als eigenständiger Reisemarkt auf der Internationalen
Tourismusbörse in Berlin vorgestellt. Seitdem wird das dynamisch wachsende Segment
Jahr für Jahr ausgebaut und erfreut sich steigender Nachfrage. Bislang konzentrierte sich
die Entwicklung des Gay Tourismus vorwiegend auf die Länder der westlichen Welt.16
Eine
grundlegende
Basis
für
diese
Entwicklung
waren
eine
weitgehende
Entkriminalisierung der Homosexualität sowie eine zunehmende gesellschaftliche
Akzeptanz und Gleichstellung Homosexueller.17 Aus diesem Grund wird die schwullesbische Zielgruppe vornehmlich in den USA, Westeuropa und Australien erfolgreich
umworben, denn eine Vielzahl der dortigen touristischen Zentren ist gekennzeichnet durch
hohe Toleranz und eine in Bezug auf Homosexualität progressive Politik. Aber auch
Länder wie Südafrika, Israel und Argentinien werben zunehmend im LGBT Segment für
attraktive touristische Alternativen der Destinationen und stellen sich dadurch als
weltoffene und tolerante Länder dar und profitieren dank des neu gewonnenen „gayfreundlichen“ Images von den Entwicklungen im Gay Tourismus.18
13
Southall, C. und Fallon, P. (2011), S. 219
Vgl. Guaracino, J. (2007), S. 9
15
Ebd., S. XVIII
16
Vgl. Southall, C. und Fallon, P. (2011), S. 220
17
Ebd., S. 227
18
Vgl. ITB Berlin (2011b)
14
7
„[There is a] clear relationship between countries’ progressive policies
towards LGBT people and the economic benefit for their tourism sector.
However, the social benefits are becoming clearer too, as more and more
destinations are benefitting from the associated brand image of tolerance […]
and diversity.“19
Doch herrscht nicht in allen Ländern das gleiche Maß an Toleranz und Gleichstellung. Der
osteuropäische Raum unterscheidet sich in dieser Hinsicht bisher noch stark vom liberalen
Westeuropa. Osteuropa zählt allgemein zu einer der aufsteigenden Zukunftsmärkte neben
Asien und Mittelamerika20, im Kontext Gay Tourismus ist es bisher jedoch noch ruhig um
diesen Raum mit Ausnahme der Stadt Prag, die sich bereits als eine beliebte Destination
unter homosexuellen Reisenden etabliert hat.21 Inwieweit Homosexuelle in den anderen
osteuropäischen Nachbarländern gesellschaftlich akzeptiert sind und wie es um die
politisch-rechtliche Situation bestellt ist, soll im späteren Verlauf der Arbeit untersucht
werden.
Der Stand der Marktforschung im LGBT Segment ist bislang sehr begrenzt. Der größte Teil
der
Statistiken
und
Marktforschungen
konzentriert
sich
überwiegend
auf
den
nordamerikanischen Markt, Daten für den europäischen Raum sind vergleichsweise sehr
gering.22 Zu den führenden Agenturen, die in Europa Marktforschung im Gay Segment
betreiben, zählen Out Now Consulting, Publicom, Communigayte sowie Innofact.23 Auf
dem nordamerikanischen LGBT Markt gilt Community Marketing Inc. als das führende
Forschungsunternehmen. Seit 1996 veröffentlicht dieses Unternehmen, neben zahlreichen
anderen Studien, den „Annual Gay & Lesbian Tourism Report“, an dem im Jahr 2011 mehr
als 7.200 Homosexuelle aus Nordamerika teilnahmen. Dieser Studie zufolge liegt der
Gesamtumsatz des Gay Tourismusmarktes in den USA jährlich bei über 65 Milliarden USDollar. Dies entspricht in etwa zehn Prozent des Umsatzes der gesamten USReisebranche.24 Die bisher weltweit größte Studie „LGBT2020“ wird derzeit vom
Marktforschungsunternehmen Out Now Consulting durchgeführt. An dieser beteiligten sich
19
UNWTO (2012), S. 4
Vgl. ITB Berlin (2011b)
21
Vgl. Ersoy, G., Ozer, S. und Tuzunkan, D. (2012), S. 398
22
Vgl. Southall, C. und Fallon, P. (2011), S. 230
23
Vgl. Schneider-Lindbergh, C. (2008), S. 7
24
Vgl. Community Marketing Inc. (2011), S. 2
20
8
bis dato über 40.000 Teilnehmer aus 24 Ländern.25 Für das Jahr 2012 schätzt das
Unternehmen anhand bereits gewonnener Ergebnisse die Kaufkraft des LGBT Segments
für Urlaubsreisen, wie bereits erwähnt, auf weltweit 165 Milliarden Dollar. Gleichermaßen
verdeutlichen auch Ergebnisse der Marktforschungen im US-amerikanischen und
westeuropäischen Markt die spezifischen Charakteristika der homosexuellen Zielgruppe
und die daraus resultierende Attraktivität der Kundengruppe für die Tourismusindustrie.26
2.3 Besonderheiten der homosexuellen Zielgruppe
Im Durchschnitt beträgt der Bevölkerungsanteil Homosexueller fünf bis zehn Prozent der
Gesamtbevölkerung eines Landes.27 Dem „Global Report on LGBT Tourism“ der UNTWO
zufolge besitzen Homosexuelle einen hohen Bildungsstand und verfügen im Vergleich zu
Heterosexuellen
über
ein
durchschnittlich
höheres
Monatseinkommen.
Gleich-
geschlechtliche Partnerschaften bestehen zudem oftmals aus Doppelverdienern, die meist
kinderlos sind und daher der Gruppe der DINKS angehören. Folglich verfügt diese
Zielgruppe über eine vergleichsweise hohe Kaufkraft sowie Freizeit, die die reisefreudigen
Homosexuellen am liebsten im Urlaub verbringen und somit ein ausgeprägtes
Reiseverhalten aufweisen. Durchschnittlich unternehmen sie drei bis vier Reisen pro Jahr
und geben dabei im Schnitt vergleichsweise mehr Geld aus als Heterosexuelle.28 Darüber
hinaus sind schwul-lesbische Reisende aufgrund der Kinderlosigkeit in der Regel nicht an
Ferientermine gebunden und reisen deshalb auch außerhalb der Saison, also antizyklisch,
ein weiterer Aspekt, der sie für die Tourismusbranche durchaus interessant macht.29 Das
Internet stellt bei der Reiseplanung eine sehr wichtige Informationsquelle dar.
Entsprechend ihrer Präferenzen buchen homosexuelle Konsumenten häufig Einzelbausteine
einer Reise oder Teilpakete größtenteils im Internet. Mainstream-Angebote der
Reiseveranstalter finden bei Schwulen und Lesben nur wenig Anklang, denn der Wunsch
nach individueller Ansprache ist groß. Hinter diesem Bedürfnis steht in erster Linie der
25
Vgl.
Vgl.
27
Vgl.
28
Vgl.
29
Vgl.
26
Out Now Consulting (2012b)
UNWTO (2012), S. 11
Zastrow, C. und Kirst-Ashman, K. (2012), S. 587
UNWTO (2012), S. 10
Gay Travel Alliance (2012)
9
Wunsch nach
Integration.30 Demzufolge bevorzugen homosexuelle Konsumenten
Unternehmen, die mit auf sie zugeschnittenen Werbebotschaften offen um sie werben.31 Im
Gegenzug werden Produkte mit dem Kauf und Loyalität belohnt, denn aus Studien geht
hervor, dass Homosexuelle ein erhöhtes Markenbewusstsein aufweisen und darüber hinaus
als sehr markentreu gelten.32 Des Weiteren ergaben Studien, dass die Zielgruppe
überwiegend Kurz- und Städtereisen oder aber „Sun, Sand and Sea“-Destinationen
bevorzugen33, hingegen meiden sie Regionen, in denen sie aufgrund einer hohen
Homosexuellenfeindlichkeit eventuellen Diskriminierungen ausgesetzt sind, denn das
Bedürfnis nach Sicherheit ist bei ihnen besonders stark ausgeprägt. Für schwule und
lesbische Reisende ist es von großer Bedeutung, sich im Urlaub frei bewegen zu können,
ohne dabei Einschränkungen ihrer sexuellen Identität befürchten zu müssen.34 Sie schätzen
die Liberalität, mit der sie im Zielland akzeptiert werden und legen großen Wert darauf,
sich in dem Reiseziel willkommen zu fühlen. Folglich stellen sie bestimmte Ansprüche an
eine Destination. Die am Zielort vorzufindende schwul-lesbische Szene und Infrastruktur,
bestehend aus Clubs, Bars wie auch anderen Geschäften, spielen eine tragende Rolle, denn
diese bieten Homosexuellen Freiräume, ihre eigene Identität nicht unterdrücken zu müssen
und ihre Sexualität frei ausleben zu können. Die Existenz einer solchen schwul-lesbischen
Szene impliziert die Homosexuellenfreundlichkeit eines Reisezieles und beeinflusst die
Destinationswahl somit positiv. „This gay infrastructure is a key element for the huge
increase in gay tourism in general.”35 Nicht zuletzt geht aus zahlreichen Studien hervor,
dass auch „Gay Events“ wie der Christopher Street Day die Reiseentscheidung
Homosexueller positiv beeinflussen und somit von entscheidender Bedeutung für die „gayfreundliche“ Vermarktung einer Destination sind, denn sie vermitteln Toleranz sowie die
politische und soziale Einstellung der Destination gegenüber Homosexuellen.36 So reist
jeder vierte Homosexuelle unter 35 Jahren in eine andere Stadt und verbringt dort
mindestens eine Nacht, um an einem Pride Event teilzunehmen.37 Anhand all dieser
30
Vgl. Groß, V. (2009), S. 49-50
Vgl. Guaracino, J. (2007), S. 2
32
Vgl. Pritchard, A., Morgan, N. und Sedgely, D. (1998), S. 280
33
Vgl. Melián-González, A., Moreno-Gil, S. und Araña, J. (2011), S. 1027
34
Vgl. Hughes, H. und Deutsch, R. (2010), S. 456
35
Bömkes, T. (2011), S. 199
36
Vgl. Southall, C und Fallon, P. (2011), S. 224
37
Vgl. Community Marketing Inc. (2011), S. 28
31
10
aufgeführten Ergebnisse repräsentativer Studien lässt sich erkennen, dass Schwule und
Lesben in ihrer Gesamtheit eine ernst zu nehmende Zielgruppe sind. Angesichts ihrer
wirtschaftlichen Attraktivität und des großen Potenzials des Marktsegments erschließt eine
zunehmende Anzahl von Unternehmen dieses lukrative Segment mit Gay MarketingKampagnen.38
Die in diesem Abschnitt aufgeführten Studienergebnisse über die schwul-lesbische
Zielgruppe dienen jedoch keiner allgemeingültigen Beschreibung Homosexueller als ein
homogenes Ganzes. Es gibt nicht den einen homosexuellen Konsumenten, auch diese
Kundengruppe ist eine heterogene Zielgruppe mit individuellen Bedürfnissen. Vielmehr
lassen sich anhand der Studien etliche Grundmuster erkennen, die sich über die gesamte
Zielgruppe
erstrecken.
Die
einzige
allgemeingültige
Gemeinsamkeit
ist
die
gleichgeschlechtliche sexuelle Orientierung.39 Unternehmen sollen die Ergebnisse der
Marktforschungen in erster Linie als Hilfestellung dienen, um das LGBT Marktsegment
marketingstrategisch richtig zu adressieren.
In
Anbetracht
der
Tatsache,
dass
die
gesellschaftliche
Akzeptanz
sowie
die
Entkriminalisierung der Homosexualität eine tragende Rolle in der Entwicklung des Gay
Tourismus spielten und angesichts der zentralen Bedeutung von empfundener Sicherheit
und einer schwul-lesbischen Infrastruktur in der Zieldestination, konzentriert sich der
folgende große Themenkomplex insbesondere auf diese Gegebenheiten.
38
39
Vgl. UNTWO (2012), S. 8
Vgl. Pritchard, A., Morgan, N. und Sedgely, D. (1998), S. 280
11
3. Osteuropa
3.1 Geografische Eingrenzung
Im Nachfolgenden wird zunächst der Begriff „Osteuropa“ etwas genauer definiert, um eine
Eingrenzung für diese Arbeit vorzunehmen. Laut Definition zählen zu Osteuropa:
-
Ostmitteleuropa mit Polen, der Slowakei, Tschechien, Ungarn,
-
Südosteuropa mit Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien,
Mazedonien, Rumänien, Serbien, Slowenien, Montenegro,
-
das Baltikum mit Estland, Lettland, Litauen sowie
-
die europäischen Länder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten mit dem
europäischen Teil Russlands, Weißrussland, der Ukraine und Moldawien.
Ungeachtet der Tatsache, dass sich Griechenland und die Türkei im östlichen Teil Europas
befinden, zählen diese Länder der Definition zufolge nicht zu Osteuropa, denn sie gehören
nicht zu den kommunistisch geprägten Staaten Osteuropas und lagen jenseits des Eisernen
Vorhangs.40 Im Zuge der Osterweiterung im Jahr 2004 traten zehn osteuropäische Staaten
der Europäischen Union bei und die letzten Relikte des Eisernen Vorhangs, die Europa
lange Zeit geteilt haben, fielen. Nach wie vor gehören nicht alle Länder Osteuropas der
Europäischen Union an.41 Zu den bisherigen EU-Mitgliedern zählen Bulgarien, Polen,
Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und die baltischen Staaten.42 Um den
Umfang dieses Abschnittes einzuschränken, wird der Schwerpunkt auf folgende Länder
gelegt: Tschechien, Ungarn, Polen und Russland. Sofern nicht spezifisch zwischen den
Ländern unterschieden wird, wird der Begriff Osteuropa laut Definition verwendet.
3.2 Der osteuropäische Raum als aufsteigender Zukunftsmarkt
Bedingt durch die EU-Osterweiterung hat sich der politische und wirtschaftliche Fokus
Westeuropas vermehrt auf die Länder Osteuropas gerichtet. Die osteuropäischen
Wirtschaftsstrukturen
wurden
schrittweise
an
das
westeuropäische
System
der
Marktwirtschaft angepasst und für Unternehmen haben sich neue Absatzmärkte mit großen
40
Vgl. Kaufmann, L. und Panhans, D. (2006), S. 27
Vgl. Havlíček, T. (2004), S. 16
42
Vgl. Europäische Union (2012)
41
12
Marktpotenzialen eröffnet. Innerhalb kürzester Zeit haben sich Länder wie Russland und
Polen von einem Nebenschauplatz des Wettbewerbs zu einem der zukunftsträchtigsten
Absatzmärkte entwickelt. Noch befinden sich die Märkte Osteuropas im Aufbau, sodass
Unternehmen mit Innovationen und Qualität punkten können.43 Jedoch dürfen die Barrieren
beim Eintritt in einen neuen Markt nicht unterschätzt werden. Die historische Entwicklung,
die politisch-rechtliche Situation sowie die gesellschaftlichen Strukturen in Osteuropa
erfordern eine den jeweiligen Gegebenheiten angepasste Marktstrategie.
3.3 Rechtliche und gesellschaftliche Situation Homosexueller in Osteuropa
Die kommunistische beziehungsweise sozialistische Periode in den Staaten Osteuropas
dauerte vier bis sieben Jahrzehnte an, bewirkte dennoch trotz dieser – aus historischer Sicht
–
nur kurzen Zeitspanne äußerst tiefgreifende politische, wirtschaftliche sowie
gesellschaftliche Veränderungen in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen, die noch lange
nachwirken werden.44 Kaum eine andere Problematik zeigt so deutlich die Grenze zwischen
West- und Osteuropa wie der Umgang mit Homosexualität.45 Obwohl eine Legalisierung
homosexueller Handlungen in allen europäischen Staaten erfolgte, erweist sich die
Akzeptanz von Schwulen und Lesben in westeuropäischen Ländern deutlich höher als in
osteuropäischen.46 Die sexuelle Revolution in den 1960er Jahren trug in Westeuropa Schritt
für Schritt zu einer Entkriminalisierung und zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz der
Homosexuellen bei.47 Inzwischen ist in allen westeuropäischen Staaten, ausgenommen von
Monaco, San Marino sowie der Vatikanstadt, die Diskriminierung von Menschen aufgrund
ihrer sexuellen Orientierung ausdrücklich verboten.48 Eine staatliche Anerkennung im
Rahmen
einer
eingetragenen
Partnerschaft
westeuropäischen Ländern.49
43
Vgl.
Vgl.
45
Vgl.
46
Vgl.
47
Vgl.
48
Vgl.
49
Vgl.
44
Schweighofer, R. (2009), S. III
Paesler, R. (2007), S. 555
Euro Topics (2007)
Denz, H. (2002), S. 132
Kalb, T. (2010), S. 8
Bauer, W. (2009), S. 5
Homosexuelle Initiative Wien (2012)
erfolgte
gesetzlich
in
nahezu
allen
13
Deutlich problematischer ist die gegenwärtige Lage für Homosexuelle in Osteuropa, denn
viele postkommunistische Staaten sind nach wie vor stark geprägt von Vorurteilen,
Diskriminierung und
Gewalt
gegenüber Homosexuellen.50
Die
weit
verbreitete
Feindlichkeit basiert auf „der Erinnerung an das sozialistische Vater-Mutter-Kind-Modell
sowie dem Männlichkeitswahn der Militärs und Diktatoren“51. Die kommunistische
Propaganda hatte jahrzehntelang Homosexuelle stigmatisiert. Diese Ansichten hielten sich
vor allem dort, wo öffentlicher Diskurs über Jahre hinweg nur begrenzt möglich war.52 Ein
weiterer Grund für die Homosexuellenfeindlichkeit ist die stark verwurzelte Religiosität in
weiten Teilen Osteuropas. Die einflussreiche katholische und orthodoxe Kirche verbreiten
seit Jahrzehnten rigide Moralvorstellungen und predigen, ungeachtet der zunehmenden
Akzeptanz in den westlichen Ländern, dass Homosexualität eine Sünde ist, die der
menschlichen Natur widerspreche, und nicht von Gott gewollt sei.53 Diese Aspekte führen
seitdem zu einer gesellschaftlichen Tabuisierung und Diskriminierung der Homosexuellen.
In vielen Nicht-EU-Ländern Osteuropas warten Schwule und Lesben nach wie vor auf
einen
rechtlichen
Diskriminierungsschutz
Gleichberechtigung. In
den
neuen
ihrer
Sexualität
EU-Mitgliedsländern ist
sowie
auf
rechtliche
jegliche Form
von
Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verboten.54 Dies erfolgte in diesen
Mitgliedsländern vielfach erst auf Druck der Europäischen Union, die Richtlinien zur
Gleichbehandlung beschloss. Seither sind alle EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, diese
Richtlinien in nationales Gesetz umzuwandeln. In Ländern, in denen die Religion einen
Einfluss auf die Regierung ausübt, steht die Europäische Union oftmals in Konflikt mit der
Kirche.55
Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Übersicht der rechtlichen und sozialen Gegebenheiten
Homosexueller in osteuropäischen Ländern. Diese wurden anhand von insgesamt zwölf
Bewertungskategorien mit jeweils fünf positiven und fünf negativen Punkten miteinander
verglichen, um sie auf ihre Homosexuellenfreundlichkeit gegenüber schwul-lesbischen
Reisenden zu untersuchen. Die Bewertung wurde wie folgt vorgenommen: für jeden
50
Vgl. Euro Topics (2007)
Heilmann, A. (2011), S. 175
52
Vgl. Süddeutsche Zeitung (2008)
53
Vgl. Humanistischer Pressedienst (2007)
54
Vgl. Bauer, W. (2009), S. 5
55
Vgl. Nitezki, J. (2011), S. 42
51
14
positiven Aspekt erhielt das jeweilige Land ein Häkchen und somit einen Punkt, für jedes
negative Kriterium erhielt das Land ein Kreuz und dadurch Punktabzug. Die Addition der
Punkte führt zu Gesamtergebnissen von -3 bis 4 Punkten. Jedoch ist die Abbildung kritisch
zu betrachten, denn beispielsweise ist die Legalisierung von Homosexualität hinsichtlich
ihrer Gewichtung nicht gleichzusetzen mit eher sekundären Faktoren wie der Öffnung des
Adoptionsrechts. Darüber hinaus gibt die Tabelle keinen Aufschluss über aktuelle
Entwicklungstendenzen und Perspektiven der Länder. Dennoch bietet sie einen groben
Überblick über die rechtliche und gesellschaftliche Situation Homosexueller im
osteuropäischen Raum und gibt somit Auskunft über die Homosexuellenfreundlichkeit des
jeweiligen Landes.
15
✓
✓
✓
Slowenien
4
✓
✓
✓
✓
Bulgarien
2
✓
✓
✓
Kroatien
2
✓
✓
✓
✗
Estland
2
✓
✓
✓
✗
Ungarn
1
✓
✓
✓
✗
✗
Albanien
1
✓
✓
✓
✗
✗
Slowakei
1
✓
✓
✓
✗
✗
Kosovo
1
✓
✓
✓
✗
✗
Lettland
1
✓
✓
✓
✗
✗
Bosnien-Herzegowina
1
✓
✓
✓
✗
✗
Polen
0
✓
✓
✓
✗
✗
✗
Montenegro
0
✓
✓
✓
✗
✗
✗
Rumänien
0
✓
✓
✓
✗
✗
✗
Serbien
0
✓
✓
✓
✗
✗
✗
Mazedonien
0
✓
✓
✗
✗
Litauen
-1
✓
✓
✗
✗
Moldawien
-1
✓
✓
✗
✗
✗
Ukraine
-1
✓
✓
✗
✗
✗
Weißrussland
-1
✓
✓
✗
✗
✗
Russland
-3
✓
✓
✗
✗
✗
✓
✓
Feindlich gesinnte
Einheimische
Gleichgeschlechtliche
Partnerschaften
Verbot von Gay Pride
Paraden in den letzten Jahren
Anti-Diskriminierungsgesetze
✓
Einreisebeschränkungen für
HIV-Positive
Einheitliches Schutzalter für
Hetero- & Homosexualität
4
Religiöse Einflüsse
Legalisierung von
Homosexualität
Tschechien
Adoptionsrecht
Länder
Total
Anti-Homosexuellen-Gesetz
Tab. 1 Die Homosexuellen-Freundlichkeit osteuropäischer Länder
✗
✗
✗
✗
✗
✗
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gay Travel Index (2012) und Rainbow Europe Country Index
(2012)
16
Mit einem Index von 4 Punkten liegen die Länder Tschechien und Slowenien an der Spitze
der Tabelle. Das am schlechtesten bewertete Reiseland ist mit -3 Punkten Russland. Um zu
verdeutlichen, wie unterschiedlich sich die rechtliche und gesellschaftliche Situation in
Osteuropa gestaltet, konzentriert sich der nachkommende Abschnitt auf die folgenden vier
Länder:
-
Tschechien, eines der liberalsten Staaten Osteuropas,
-
Ungarn, ein Land, das als liberal im Umgang mit Homosexuellen galt, nun aber
aufgrund einer neuen Verfassung deren Rechte beschneidet,
-
Polen, ein Land, das sich gegenüber sexuellen Minderheiten zunehmend toleranter
zeigt und
-
Russland, eines der intolerantesten osteuropäischen Länder im Umgang mit
Homosexuellen.
Tschechien gilt im Hinblick auf Homosexualität als ein sehr tolerantes Land. Ein Grund
für die „liberale Haltung der meisten Tschechen ist der geringe Einfluss der christlichen
Kirche auf die überwiegend konfessionslose“ Bevölkerung.56 Die gesellschaftliche
Akzeptanz ist nicht nur im Alltag der Hauptstadt Prag spürbar, auch rechtlich sind
Homosexuelle
in
Tschechien
deutlich
besser
gestellt
als
in
den
anderen
postkommunistischen Staaten. Bereits 1962 wurde Homosexualität in Tschechien
legalisiert, die Umsetzung europäischer Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung wurde
2001 im Senat beschlossen und im Jahr 2006 verabschiedete das tschechische Parlament
ein Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften, welches gleichgeschlechtlichen
Paaren die Möglichkeit eröffnete, eine rechtlich anerkannte Gemeinschaft einzugehen.57
Auch Ungarn ist im Umgang mit Homosexuellen als ein liberales osteuropäisches Land
bekannt. Im Jahr 1971 wurde Homosexualität legalisiert und seit 1997 besteht auf
gesetzlicher Ebene ein Antidiskriminierungsgesetz.58 Doch aufgrund der unter der
rechtskonservativen Regierung neuen festgeschriebenen Verfassung, die seit Anfang Januar
2012 in Kraft getreten ist, droht sich die Situation für Schwule und Lesben in Ungarn
kritisch zu ändern. Zudem sieht ein eingereichter Gesetzentwurf vor, dass Homosexuelle
56
Deutschlandfunk (2011)
Ebd.
58
Vgl. Simon, R. und Brooks, A. (2009), S. 94
57
17
bis zu acht Jahren Haft erhalten, wenn sie ihre sexuelle Orientierung in die Öffentlichkeit
tragen oder für sie werben. Des Weiteren beinhaltet der Entwurf sowohl ein Verbot zum
Betrieb von Szene-Lokalen und der Durchführung von Gay Pride Paraden als auch ein
Verbot der positiven Darstellung Homosexueller in den Medien. Das Gesetz soll die
christlichen Werte, öffentliche Moral und psychische Verfassung junger Generationen
schützen.59 Wesentliche Kritikpunkte der neu in Kraft getretenen Verfassung sind, dass die
Unterbindung der Diskriminierung Homosexueller nicht explizit erwähnt wird und auch
eine klare Definition der Pressefreiheit fehlt.60
Im traditionell sehr stark katholisch geprägten Polen stößt das Thema Homosexualität auf
viele Kontroversen, jedoch wird dieses Thema zunehmend stärker in der Gesellschaft
diskutiert. Bereits 1932 wurden homosexuelle Handlungen legalisiert, dennoch galten sie
bis 1991 als eingetragene Krankheit. Seit Jahrzehnten kämpfen Schwule und Lesben um die
Gleichstellung. Unter der nationalkonservativen Regierung wurde in den Jahren 2005 bis
2007 ein Großteil der Demonstrationen für rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung
von den Stadtbehörden verboten aufgrund von möglichen Angriffen seitens religiöser oder
rechtextremer Gruppen.61 In den letzten zwei Jahren fanden die Demonstrationen jedoch
ohne größere Zwischenfälle statt.62 Im Januar 2012 reichte die sozialdemokratische
Opposition einen Gesetzentwurf über die eingetragene Lebenspartnerschaft für
gleichgeschlechtliche Paare ein, der im Juli 2012 vom Rechtsausschuss des polnischen
Parlaments abgelehnt wurde. Die Regierung kündigte jedoch an, im Parlament eine
Ausweitung des Gesetzes gegen Verhetzung einzubringen, sodass künftig auch
homosexuellenfeindliche Äußerungen gesetzlich unter Strafe gestellt werden sollen.63 In
weiten Teilen der Bevölkerung fehlt es nach wie vor an gesellschaftlicher Akzeptanz,
nichtsdestotrotz hat sich die Situation in Polen bereits zunehmend verbessert, auch wenn
der Prozess vielerorts nur langsam voranschreitet. Insbesondere in den Großstädten ist die
59
Vgl.
Vgl.
61
Vgl.
62
Vgl.
63
Vgl.
60
Queer (2012a)
Deutsche AIDS-Hilfe (2011)
Jurek, D. (2006), S. 3-4
Das Polen Magazin (2009)
Queer (2012b)
18
polnische Bevölkerung gegenüber sexuellen Minderheiten in den vergangenen zwei Jahren
toleranter geworden.64
In Russland begegnen Staat und Gesellschaft Homosexuellen mit großer Ablehnung und
Inakzeptanz, denn Homosexualität ist in der russischen Gesellschaft mit starken Vorurteilen
behaftet und entsprechend tabuisiert. Russland gehört in Bezug auf Homosexualität zu den
intolerantesten Ländern Osteuropas. Bis 1993 wurde Homosexualität noch unter Strafe
gestellt und galt bis 1999 als Geisteskrankheit. Aus Angst vor Übergriffen und
Verfolgungen lebt ein Großteil der homosexuellen Bevölkerung bis heute in ihrer
Gemeinschaft isoliert.65 Der Höhenflug rechtsgerichteter Parteien und Bewegungen in
Russland wird zudem ein zunehmendes Problem, denn dadurch werden Ressentiments
gegen Minderheiten zusätzlich geschürt.66 In Sankt-Petersburg, der zweitgrößten Stadt
Russlands, ist seit Ende Februar 2012 ein umstrittenes Gesetz in Kraft getreten, welches
Propaganda von Homosexualität gegenüber Minderjährigen und das Demonstrieren
Homosexueller unter Strafe stellt. Wer sich nicht an dieses Gesetz hält, muss mit einer
Festnahme oder Geldstrafe von bis zu mehreren Tausend Euro rechnen.67 Im Juni 2012
beschloss das höchste Moskauer Gericht ein hundertjähriges Verbot von jeglicher Gay
Pride Parade in Moskau.68 Offiziell begründet werden diese Verbote mit dem Schutz von
Kindern sowie traditioneller Werte.69 Die Einführung der Verordnung hat heftige Kritik
von Menschenrechts- und LGBT Organisationen ausgelöst aufgrund der Einschränkung der
Meinungs- und Versammlungsfreiheit von Minderheiten sowie des Verstoßes gegen den
Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Obgleich Homosexualität in Russland straffrei
ist, schränkt dieses Gesetz die „Entfaltungsmöglichkeiten homosexueller Bürger und den
Einsatz für ein tolerantes Miteinander in der Gesellschaft massiv ein“70. Auch das
Europäische Parlament zeigte sich Ende Mai 2012 besorgt über die jüngsten Entwicklungen
in Russland. EU-Abgeordnete forderten den Europarat auf zu überprüfen, ob diese Gesetze
mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sind. Dem russischen
64
Vgl. Polen – Offizielles Tourismusportal (2011)
Vgl. Süddeutsche Zeitung (2012)
66
Vgl. Think Outside Your Box (2011)
67
Vgl. Auswärtiges Amt Deutschland (2012)
68
Vgl. BBC News Europe (2012)
69
Vgl. Euronews (2012)
70
BOX Online (2012a)
65
19
Parlament liegt bereits ein Entwurf über ein gleichartiges Gesetz für ganz Russland vor.71
Der Menschenrechtsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Markus Löning, kritisiert
die Lage für Homosexuelle in Osteuropa, insbesondere in Russland. Fortschritte sieht er
hingegen in den anderen osteuropäischen EU-Staaten. Die Lage ist bislang nicht
zufriedenstellend, aber es ist Bewegung zu erkennen in Form von gesellschaftlicher
Auseinandersetzung und einer schrittweisen Verbesserung der gesetzlichen Situation. In
vielen anderen Ländern Osteuropas fehlt es hingegen noch an gesellschaftlicher
Akzeptanz.72
3.4 Schwul-lesbische Infrastruktur in Osteuropa
In den 1960er Jahren entwickelten sich in den westeuropäischen Großstädten wie
Amsterdam homosexuelle Subkulturen, die aus einzelnen Cafés und Bars entstanden. In
vielen weiteren liberalen Metropolen entwickelten sich nach und nach Straßen mit
Geschäften und Einrichtungen, ausgerichtet auf das homosexuelle Publikum, bis hin zu
homosexuellen Stadtteilen.73 Inzwischen zählen zu den meistgefragtesten westeuropäischen
Reisezielen unter anderem Berlin, London, Amsterdam, Paris, Antwerpen, Kopenhagen,
Barcelona, Gran Canaria, Mykonos und Ibiza.74
Dieser Emanzipationsprozess der sechziger Jahre konnte hingegen in den osteuropäischpostkommunistischen Ländern nicht stattfinden. Auch nach der politischen Wende in den
neunziger Jahren vollzog sich die Entwicklung einer schwul-lesbischen Infrastruktur nur
langsam, denn nach dem Wegfall der kommunistischen Ideologie versuchten diese Staaten,
diese Lücke durch die Rückbesinnung auf ihre jeweiligen Kirchen zu füllen.75 Angesichts
der in weiten Teilen stark verwurzelten Religiosität bieten heute nur osteuropäische
Großstädte oder touristische Zentren mit einer Vielzahl an Besuchern aus westlichen
Ländern größere Freiräume für homosexuelle Reisende, wohingegen abseits der Großstädte
die Werte der Kirche und das klassische Familienbild weiterhin stark verankert sind.76 Seit
71
Vgl.
Vgl.
73
Vgl.
74
Vgl.
75
Vgl.
76
Vgl.
72
Deutsche Welle (2012)
Greenpeace Magazin (2012)
Hertling, T. (2011), S. 126
Waitt, G. and Markwell, K. (2006), S. 87
BOX Online (2012b)
Greenpeace Magazin (2012)
20
der
Legalisierung
der
Homosexualität
und
dem
Inkrafttreten
der
Anti-
diskriminierungsgesetze sowie der steigenden Sensibilisierung für LGBT-Themen
entwickelten sich nach und nach schwul-lesbische Infrastrukturen, die je nach
gesellschaftlicher Toleranz gegenüber Homosexuellen mehr oder minder ausgeprägt sind.
Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Auswahl von Reiseziele Osteuropas, die anhand einer
Länderauflistung des Europäischen Gay Guides „Gay Europe“ vorgenommen wurde, und
gibt einen Überblick über die auf das schwul-lesbische Publikum ausgerichtete
Infrastruktur.
21
Tab. 2 Die schwul-lesbische Infrastruktur in osteuropäischen Ländern
Länder
Städte
LGBT
Organisationen
Schwul-lesbische
Szene
Gay Hotels
Gay Events
2012
Bulgarien:
Sofia
LGBT Youth
Organization
Deystvie
Scotty’s
Boutique
Hotel
Sofia Pride
Kroatien:
Zagreb,
Dubrovnik
Croatian LGBT
Organisation Iskorak,
Lesbian Group
Kontra, Lesbian
Group Domine
Lambda Warsaw
Association,
Campaign Against
Homophobia
sehr übersichtliche
Szene, einige wenige
Clubs und Bars, aber
wachsend
kleine, aber sich stetig
entwickelnde Szene
Gay
Farmhouse
Gloria
Zagreb Pride,
Queer Zagreb
Festival, Split
Pride
kleine, überschaubare
Szene, diskret,
abwechslungsreich
keine
vorhanden
keine
vorhanden
Warsaw Pride
(auch Equality
Parade), March
of Tolerance
Krakow
Moscow Pride,
Russian LGBT
Film Fest
Polen:
Warschau,
Krakau
Russland:
Moskau,
Sankt
Petersburg
Tschechien:
Prag
Coming Out,
GayRussia, Russian
LGBT Network,
LGBT Equality
STUD Brno
große Schwulenszene
im Verborgenen,
Underground
Nachtleben
ausgeprägte
Infrastruktur mit
zahlreichen
Szenelokalen, Gay
Saunas, lebendige
Schwulen- und
Lesbenszene
Ungarn:
Budapest
Háttér Support
Society for LGBT
People
überschaubare Szene,
einige Lokale in
verschiedenen
Distrikten verteilt,
zunehmend im
Verborgenen
Gay Hotel
Villa
Mansland,
Gay Hotel
RainbowInn, Gay
Club Hotel
Heaven
keine
vorhanden
Prague Pride,
Mezipatra Queer
Film Festival,
Gay Football
Galibi Cup
Budapest Pride,
LGBT Film and
Cultural
Festival, Gay
and Lesbian
Sport
Championships
EuroGames,
Budapest Bears
Weekend
Quelle: Eigene Darstellung
In keiner postkommunistischen Stadt Osteuropas ist die schwul-lesbische Infrastruktur so
ausgeprägt wie in der tschechischen Hauptstadt Prag. Sie gilt als ein internationaler
Anziehungspunkt für homosexuelle Touristen. Aufgrund der liberalen Einstellung der
Tschechen gegenüber Homosexuellen konnte sich eine beachtliche schwul-lesbische Szene
22
entwickeln. Besonders der Stadtteil Vinohrady ist bekannt für seine lebendige
Schwulenszene mit zahlreichen Lokalitäten und einigen Unterkünften, die speziell auf das
homosexuelle Publikum ausgerichtet sind.77 Auch die ungarische Hauptstadt Budapest hat
sich in den letzten Jahren als beliebtes Reiseziel in Osteuropa etabliert. Jedoch wird das
Ansehen derzeit aufgrund der rechtsnationalen Regierung deutlich geschwächt. Die
aktuellen politischen Entwicklungen sind nicht förderlich für die homosexuelle Szene. Die
schwul-lesbische Infrastruktur ist überschaubar, einige Lokalitäten haben sich in den
vergangenen Jahren auf homosexuelle Kunden ausgerichtet, darunter auch Gay Saunen und
mehrere Gay Bars. Insbesondere die Gay Events wie der „Budapest Pride“ und die
78
„EuroGames“ locken zahlreiche homosexuelle Touristen in die Stadt.
Im Vergleich zu
Prag und Budapest ist der Gay Tourismus in Polens Großstädten Warschau und Krakau
bislang sehr schwach ausgeprägt. Ein nicht unbedeutender Grund dafür ist der große
Einfluss der katholischen Kirche auf die polnische Bevölkerung. In den letzten zwei Jahren
ist die Bevölkerung in den Großstädten jedoch stetig toleranter gegenüber sexuellen
Minderheiten geworden. Zudem zeigt sich in beiden Großstädten eine zunehmende Anzahl
an lesben- und schwulenfreundlichen Lokalitäten.79 In Russland, einem der intolerantesten
Länder Osteuropas, konzentriert sich die schwul-lesbische Szene in der Hauptstadt Moskau
sowie in der zweitgrößten Stadt Sankt Petersburg und verfügt über eine beachtliche Größe
trotz der gesellschaftlichen Intoleranz im Land. Doch lebt die Gemeinschaft ihre
Homosexualität überwiegend im Verborgenen, denn aus Angst vor Ausgrenzung und
Diskriminierungen bekennt sich die Vielzahl der einheimischen Homosexuellen in der
Öffentlichkeit nicht zu ihrer Homosexualität.80 Es existieren wenige Szene-Lokalitäten im
Untergrund der beiden Großstädte sowie einige aktive Organisationen, die sich für die
Rechte der homosexuellen Bevölkerung einsetzen. Vor nicht allzu langer Zeit fanden Gay
Paraden und Festivals in Sankt Petersburg statt, die aufgrund der derzeitigen politischen
Umstände nicht denkbar sind.81 Der diesjährige „Moscow Pride“ wurde frühzeitig von der
Polizei aufgelöst, nachdem orthodoxe Christen auf die Teilnehmer losgegangen sind.82 Von
77
Vgl.
Vgl.
79
Vgl.
80
Vgl.
81
Vgl.
82
Vgl.
78
Radio Praha (2010)
Budapest Gay Guide (2012)
Polen – Offizielles Tourismusportal (2011)
Spiegel Online (2012)
European Country of Origin Information Network (2010)
Queeramnesty (2012)
23
einem angesehenen Reiseziel für homosexuelle Touristen sind Moskau und Sankt
Petersburg angesichts der großen Intoleranz sowie weit verbreitenden Homophobie und
aufgrund des fehlenden schwul-lesbischen Angebots noch weit entfernt. Für Russlands
staatliche Tourismusagentur „Rosturism“ macht es folglich derzeit wenig Sinn für das
LGBT Segment zu werben. In Anbetracht der fehlenden Freiräume für Homosexuelle, ihre
sexuelle Identität frei ausleben zu können sowie der fehlenden Entfaltungsmöglichkeiten,
kann es hingegen anderen Destinationen lukrativ erscheinen, gezielt um Schwule und
Lesben in Russland zu werben. Jedoch ist zunächst eine umfassende Analyse der relevanten
Einflussfaktoren und Markteintrittsbarrieren erforderlich, um die Attraktivität des Marktes
zu beurteilen.
4. Strategische Erschließung des Gay Marktsegments in Osteuropa
4.1 Gay Marketing
Marketing kann allgemein definiert werden als absatzorientierte Unternehmensführung, die
alle Unternehmensaktivitäten systematisch und wirksam an den Bedürfnissen der
Abnehmer ausrichtet, um dadurch das Erreichen der Unternehmensziele zu gewährleisten.
Auch für eine Destination führt der Weg zur langfristigen Existenzsicherung mit
Bewahrung der Wettbewerbsfähigkeit über die konsequente Kundenorientierung.83
Marketing-Maßnahmen,
Homosexuellen
die
ausgerichtet
zielgruppenspezifisch
sind,
um
einen
auf
neuen
die
Kundengruppe
Absatzmarkt
zu
der
schaffen
beziehungsweise das Kaufpotenzial dieser Zielgruppe zu nutzen, werden unter dem
Überbegriff Gay Marketing zusammengefasst. Eine wichtige Voraussetzung für die
Umsetzung von Gay Marketing-Maßnahmen ist das Schaffen von Verantwortlichkeit. In
großen Unternehmen gibt es deshalb einen eigens für das LGBT Segment verantwortlichen
Angestellten, um speziell auf dieses Segment ausgerichtete Produkte zu kreieren und zu
vermarkten.84 Die Grundlage für eine erfolgreiche zielgerichtete Marktbearbeitung ist ein
fundiertes strategisches Marketing-Konzept.85
83
Vgl. Bieger, T. (2008), S. 157
Vgl. Guaracino, J. (2007), S. 131
85
Vgl. Bieger, T. (2008), S. 165
84
24
4.2 Marketing-Konzeption
Die Hauptaufgabe einer Marketing-Konzeption ist es, alle markt- und kundenrelevanten
Maßnahmen zu planen, zu gestalten und umzusetzen.86 Sie ist ein schlüssiger,
ganzheitlicher Handlungsplan, der sich auf der Basis einer umfassenden Umweltanalyse an
definierten Zielen orientiert, für ihre Realisierung adäquate Strategien wählt und auf ihrer
Grundlage die geeigneten Marketinginstrumente festlegt. Die folgende Abbildung
veranschaulicht die drei Konzeptionsebenen, die aufeinanderfolgende Teilstufen eines
konzeptionellen Gesamtprozesses sind.87
Abb. 1 Aufbau einer Marketing-Konzeption
Charakteristika
Bildlicher
Vergleich
MarketingZiele
Philosophie
Marketing-Strategien
Struktur
Route/Weg
Marketing-Mix
Prozess
Beförderungsmittel
Zielort
Quelle: Freyer (2009), S. 313
Wenn sich eine Destination glaubwürdig im Gay Marktsegment positionieren und
homosexuelle Kunden präzise erreichen will, ist eine Integration der Zielgruppe in die
Marketing-Konzeption unabdingbar. Dabei sollten homosexuelle Kunden als definierte
Zielgruppe in die einzelnen Märkte mit einbezogen werden und eine Anpassung der
Marketing-Maßnahmen erfolgen.88 Zu den wesentlichen Bestandteilen einer Marketing-
86
Vgl. Becker, J. (2001), S. 822
Ebd., S. 5
88
Vgl. Gay Travel Alliance (2012)
87
25
Konzeption zählen die Situationsanalyse, die Marketing-Ziele, die Marketing-Strategie und
die Marketing-Mix-Komponenten. Die Erstellung einer jeden Marketing-Konzeption
beginnt mit der Analyse der relevanten Einflussfaktoren auf das Marketing-Vorhaben.89
4.2.1 Analyse der Einflussfaktoren
Strategische Entscheidungen basieren stets auf den externen Umweltbedingungen des
Unternehmens. Diese Umwelt birgt viele Chancen und Risiken für die gegenwärtigen und
zukünftigen Marketing-Vorhaben des Unternehmens, die im Rahmen der Umweltanalyse
rechtzeitig
herauszufinden
sind.
Die
Umweltanalyse
konzentriert
sich
auf
die
Einflussfaktoren, die im Hinblick auf die Entscheidungsfindung relevant sind. Die Umwelt
eines Unternehmens kann in eine weite landesspezifische Makro-Umwelt und in eine enge
branchenspezifische Mikro-Umwelt unterteilt werden. Die Makro-Umwelt wird durch die
fünf Komponenten Gesellschaft, Politik/Recht, Gesamtwirtschaft, Technologie und
Ökologie definiert, die vom Unternehmen weder beeinflusst noch gesteuert werden können.
Die
Mikro-Umwelt
umfasst
die
unmittelbare
wirtschaftliche
Umgebung
eines
Unternehmens, die hauptsächlich bestimmt wird durch die Kunden und Wettbewerber.
Auch das eigene Unternehmen stellt einen wichtigen Einflussfaktor dar und sollte
umfassend analysiert werden.
90
Bei der Betrachtung des eigenen Unternehmens mit Blick
auf das Gay Marketing sollte in erster Linie untersucht werden, wie groß der Anteil
homosexueller Touristen aus dem osteuropäischen Quellmarkt ist, der erschlossen werden
soll, und ob sich das Segment hinsichtlich der Größe, Erreichbarkeit und Wirtschaftlichkeit
als Zielgruppe eignet.91 Zudem sollte mit Hilfe einer Erhebung von statistischem
Datenmaterial zur Zielgruppe die Beschaffenheit des schwul-lesbischen Marktsegments in
dem osteuropäischen Land analysiert werden. Weiterhin stellt die Prüfung des eigenen
Angebots auf Kompatibilität mit der homosexuellen Zielgruppe eine unbedingt
erforderliche Grundlagenarbeit dar. Nur wenn das eigene Angebot kompatibel ist mit der
Zielgruppe und die Markenwelt mit den Werten des schwul-lesbischen Segments in
Einklang
89
Vgl.
Vgl.
91
Vgl.
92
Vgl.
90
steht,
kann
eine
Erschließung
Becker, J. (2001), S. 11
Lippold, D. (2012), S. 15-16
Stuber, M. und Iltgen, A. (2002), S. 208
Marketing Planet (2004)
der
Zielgruppe
erfolgreich
sein.92
26
Tourismusorganisationen sollten sich darüber hinaus fragen, ob homosexuelle Reisende in
der Destination willkommen geheißen werden.93 Für den Markteintritt in Osteuropa stellt
auch die Wettbewerbssituation einen relevanten Faktor dar. Insbesondere die Frage, ob
andere Destinationen bereits homosexuelle Marktsegmente bearbeiten, kann
wesentlicher Antrieb
sein,
sich
diesem
Thema
ein
zuzuwenden. Schließlich sollten
insbesondere die relevanten externen Einflussfaktoren vor dem Markteintritt untersucht
werden, denn die Rahmenbedingungen der osteuropäischen Länder unterscheiden sich zum
Teil sehr von denen der Länder in Westeuropa. Für Destinationen, die bislang nur in
westeuropäischen Quellmärkten im Gay Segment tätig waren und nun auch ihr Marketing
in die Märkte Osteuropas ausdehnen wollen, ist es unumgänglich, Einflussfaktoren wie die
politisch-rechtliche Situation und die gesellschaftliche Struktur eingehend zu analysieren,
denn die speziellen Gegebenheiten, insbesondere in Bezug auf das Thema Homosexualität,
erfordern eine spezifische Ausrichtung des Marketing für einen möglichst risikoarmen
Eintritt in diese Märkte.94 Für den tschechischen Markt beispielsweise können MarketingMaßnahmen
weitgehend
übernommen
werden
aufgrund
der
ähnlichen
Rahmenbedingungen wie in den Ländern Westeuropas, hingegen ist beim Markteintritt in
Polen oder Russland eine Anpassung des zielgruppenspezifischen Marketing an die lokalen
Marktgegebenheiten unabdingbar. Nach der umfassenden Analyse aller relevanten
Einflussfaktoren sind auf dieser Informationsgrundlage im Folgenden die Marketing-Ziele
und die Ziel-Märkte zu bestimmen.
4.2.2 Marketing-Ziele
Bei der Erstellung einer Marketing-Konzeption kommt der Festlegung der Ziele eine große
Bedeutung zu. Anhand eindeutig formulierter Ziele können die richtigen Strategien, Mittel
und Maßnahmen ausgewählt und deren Erfolge bzw. Misserfolge beurteilt werden.95 Zur
Formulierung der ökonomischen sowie psychologischen Ziele gehört auch eine Definition
der Zeithorizonte. Die Zielfestsetzungen erfolgen für die jeweils ausgewählten
Marktsegmente beziehungsweise Zielgruppen. Für das Erschließen des Gay Segments in
osteuropäischen Quellmärkten empfiehlt sich, schrittweise höhere Ziele anzustreben. Für
93
Vgl. Schneider-Lindbergh, C. (2008), S. 10
Vgl. Stuber, M. und Iltgen, A. (2002), S. 209-210
95
Vgl. Luft, H. (2007), S. 276
94
27
den ersten festgelegten Zeithorizont der Konzeption sollte die Zielsetzung darin bestehen,
die Destination in der homosexuellen Zielgruppe des Quellmarktes bekannt zu machen und
Vertrauen aufzubauen. Homosexuelle Konsumenten zeigen oftmals eine kritische
Grundhaltung und warten tendenziell länger, bis sie Vertrauen schöpfen. Daher ist es
wichtig, keinen kurzfristigen Zeithorizont für die Zielerreichung zu definieren. Nur über ein
dauerhaftes Engagement wird die Zielgruppe von der Ernsthaftigkeit des Interesses und der
Glaubwürdigkeit zu überzeugen sein.96 Für darauffolgende festgelegte Zeithorizonte sollte
das Ziel angestrebt werden, die Destination mit zielgruppenspezifischen Produkten im
Bewusstsein des Gay Marktsegments zu verankern und ihr Kaufinteresse für das
touristische Produkt zu wecken. Wenn sich die Destination im Laufe der Jahre im
Marktsegment erfolgreich etablieren konnte, sollte die nachhaltige Kundenbindung ein
zentrales Ziel sein. Dabei besteht ein enger Zusammenhang mit der Kundenzufriedenheit,
denn diese erhöht die Bindung des Segments an die Destination. Zum Umfang der
Zeithorizonte in der nächsten Konzeptionsphase wird festgelegt, wie die vereinbarten Ziele
erreicht werden sollen.
4.2.3 Marketing-Strategien
Marketing-Strategien sind ein zentrales Bindeglied zwischen den festgelegten MarketingZielen sowie den operativen Maßnahmen und legen die mittel- bis langfristigen
Schwerpunkte in der Marktbearbeitung fest.97 Zahlreiche westeuropäische Destinationen
verfolgen bereits Strategien, bei denen Schwule und Lesben in das bestehende Marketing
integriert sind, jedoch noch nicht in den osteuropäischen Quellmärkten. Wie bereits
aufgeführt wurde, ist Gay Marketing eine Form des Zielgruppenmarketing, bei der die
Marketing-Maßnahmen zielgruppenspezifisch auf
die homosexuelle Kundengruppe
ausgerichtet sind. In Bezug auf die Marktbearbeitungsstrategie im Gay Segment in
osteuropäischen Quellmärkten fällt die Entscheidung daher auf die differenzierte,
kundenorientierte Marktbearbeitung, bei
der
die einzelnen Marktsegmente eines
Gesamtmarktes mit zielgruppenspezifischen Marketing-Maßnahmen bearbeitet werden.
Auf diese Weise wird den Bedürfnis- und Präferenzstrukturen der einzelnen Zielgruppe in
96
97
Vgl. Stuber, M. und Iltgen, A. (2002), S. 211
Vgl. Bieger, T. (2008), S. 166
28
hohem Maße entsprochen.98 Da auch die homosexuelle Zielgruppe in ihrer Gesamtheit eine
heterogene Kundengruppe darstellt, ist
im
Rahmen der Marktbearbeitung eine
Marktsegmentierung durchaus denkbar, beispielsweise eine Segmentierung anhand von
demografischen Kriterien wie etwa dem Geschlecht. Den wenigen Studien zufolge, die sich
explizit mit der lesbischen Zielgruppe auseinandergesetzt haben, unterscheidet sich das
Konsum- sowie Reiseverhalten der Lesben sehr von dem der schwulen Zielgruppe.99 Eine
weitere vorstellbare Segmentierung für das Gay Segment kann beispielsweise nach
Werthaltung oder Lebensstil erfolgen.100 Das Ziel der Marktsegmentierung ist, einen
möglichst hohen Identitätsgrad zwischen dem touristischen Produkt und den Bedürfnissen
der Zielgruppe zu erreichen.101 Sobald die für die Destination und ihre Produkte attraktivste
Zielgruppe innerhalb des Gay Segments identifiziert wurde, folgt die Überlegung, ob die
ausgewählte homosexuelle Kundengruppe in der Marketing-Strategie als Teil des
Gesamtmarktes oder als separate Zielgruppe angesehen wird. Darüber hinaus ist bezüglich
der Marketing-Inhalte zu entscheiden, ob die Ansprache durch explizit homosexuelle
Botschaften oder neutrale Botschaften erfolgt.102 Neben diesen beiden Varianten sind
außerdem
Botschaften
mit
Codierungen
denkbar
wie
beispielsweise
eine
Regenbogenflagge, ein rosa Dreieck oder eine griechisches Lambda, deren Bedeutung
zunächst nur der homosexuellen Zielgruppe bekannt ist (Symbolik im Anhang beigefügt).
In den Ländern Osteuropas, in denen aufgrund der gesellschaftlichen Inakzeptanz
gegenüber dem Thema Homosexualität Konfliktpotenziale auftreten können, bietet sich
eine codierte Ansprache im Mainstream oder eine gezielte Bearbeitung an, sodass keine
heterosexuelle Konsumenten abgeschreckt werden, die eine gezielte Ansprache von
Homosexuellen nicht positiv aufnehmen.103 Die integrative Strategie bietet sich hingegen in
osteuropäischen Ländern an, in denen ein sehr tolerantes Klima herrscht und Homosexuelle
weitgehend als Teil der Gesellschaft akzeptiert werden.
98
Vgl. Russ-Mohl, C. (2007), S. 24
Vgl. Ballegaard, N. und Chor, J. (2009), S. 12
100
Vgl. Stuber, M. und Iltgen, A. (2002), S. 48
101
Vgl. Luft, H. (2007), S. 281-282
102
Vgl. Groß, V. (2009), S. 4
103
Vgl. Stuber, M. und Iltgen, A. (2002), S. 16-26
99
29
Die nachfolgende Tabelle geht konkreter auf die Realisierung der schrittweise angestrebten
Ziele für die Erschließung des Gay Segments in Osteuropa ein, indem geeignete Strategien
mit Fokus auf die Kommunikationspolitik dargelegt werden.
Tab. 3 Strategische Umsetzung der Marketing-Ziele
Marketing-Ziele
Bekanntmachung der
Destination im Gay
Segment in Osteuropa und
Aufbau von Vertrauen und
Glaubwürdigkeit
Marketing-Strategie mit Fokus auf Kommunikation
-
-
Verankerung im
Bewusstsein der Destination
und Wecken von Interesse
sowie Auslösen von
Kaufimpulsen
-
Bindung des bestehenden
homosexuellen
Kundenkreises
-
Auswahl von Sponsorships mit strategisch
geeigneten Events, Unternehmen und
Organisationen
Gewinnung von Cross-Marketing-Partnern
(etablierte Organisationen)
Planung von regelmäßigen Promotion-Aktionen auf
Gay Events
Gewinnung von Medienpartnern zur Platzierung in
der Öffentlichkeitsarbeit
regelmäßige Platzierungen in den Printmedien
Konzeption des Unternehmensauftritts in sozialen
Netzwerken wie Facebook zur Netzwerkbildung
Gestaltung von Banner-Werbung und Platzierung
auf oft frequentierten Portalen
Planung von Auftritten auf Touristik-Messen
Planung regelmäßiger Direct Mailing-Aktionen zu
besonderen Anlässen
regelmäßige Vermarktung von Gay Events in den
Quellmärkten
Quelle: Eigene Darstellung
Eine Anpassung der Strategien an die jeweiligen spezifischen Gegebenheiten in den
Ländern Osteuropas ist dringend erforderlich. Auf die einzelnen Instrumente der
Marktbearbeitung wird im nachfolgenden Abschnitt näher eingegangen.
30
4.2.4 Kommunikationspolitik im Marketing-Mix
Mit Hilfe der Marketing-Instrumente werden im Rahmen des operativen Marketing die
Strategien umgesetzt.104 In Bezug auf einen geeigneten Marketing-Mix ist eine
Tourismusorganisation nur in gewissem Maße einflussreich, denn viele Instrumente des
Marketing werden ausschließlich durch die einzelnen touristischen Anbieter gesteuert. Dies
trifft insbesondere für die Produkt-, Preis und Distributionspolitik zu. Im Gegensatz dazu
ist der Einfluss der Tourismusorganisation in der Kommunikationspolitik von größerer
Bedeutung.105
Deshalb
fokussiert
sich
dieser
Abschnitt
ausschließlich
auf
die
Marktkommunikation einer Destination. Unter Kommunikationspolitik versteht man in
grundlegender Betrachtung den Einsatz von unterschiedlichen Instrumenten des Marketing,
die alle gemeinsam die Aufgabe haben, Kontakt zu den potenziellen Kunden herzustellen,
Informationen über die Leistungsbereitschaft zu vermitteln, eine Beziehung zur
Öffentlichkeit herzustellen und zu konkreten Käufen und Reisen anzuregen.106 Im Rahmen
des Gay Marketing stellt die Kommunikationspolitik einen bedeutenden Faktor dar. Durch
die Kommunikation signalisiert die Destination der Zielgruppe, dass es ein klares Interesse
an homosexuellen Kunden hat. Dabei sollte insbesondere auf die folgenden Aspekte
geachtet werden, die bei der Ansprache der Zielgruppe entscheidend für den Erfolg sind:
Glaubwürdigkeit, Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit.107 Im Nachfolgenden werden die
wichtigsten Kommunikationsinstrumente und ihre Funktionsweise im Kontext des Gay
Marketing vorgestellt.
Printmedien
Im Gay Marketing gelten die Printmedien als das wichtigste Instrument der klassischen
Werbung. Print-Anzeigen für die schwul-lesbische Zielgruppe können in Mainstream- oder
Szene-Publikationen
zielgruppenspezifischen
geschaltet
werden.
Printmedien
Beim
können
Platzieren
Streuverluste
der
Anzeige
und
in
negative
Ausstrahlungseffekte auf andere Segmente vermieden werden. Dies ist ein wichtiger
Aspekt bei der Auswahl der Medien für die osteuropäischen Märkte. Hingegen nutzt ein
Großteil der Homosexuellen Massen-, Fach- und Special-Interest-Medien. Um diese
104
Vgl.
Vgl.
106
Vgl.
107
Vgl.
105
Bieger,
Bieger,
Freyer,
Stuber,
T. (2008), S. 192
T. (2008), S. 70
W. (2009), S. 552
M. und Iltgen, A. (2002), S. 138
31
Konsumenten zu erreichen, ist eine Zielgruppenansprache in den aufgeführten Medien
unabdingbar. Jedoch sind dadurch die Streuverluste höher und die Anzeige sollte auf eine
breitere Zielgruppe ausgelegt werden. Möglichkeiten wie die Codierung stellen in diesem
Falle eine Option dar.108
Sponsoring
Sponsoring von gezielt ausgewählten Events, Organisationen und Aktivitäten ist eine viel
versprechende Maßnahme als Eintrittsstrategie in das Gay Segment. SponsoringMaßnahmen eignen sich besonders gut, um das Engagement für die homosexuelle
Zielgruppe zu vermitteln sowie um die Aufmerksamkeit und Vertrauen der Zielgruppe zu
gewinnen. Neben dem Sponsoring von Veranstaltungen können auch politische, soziale
oder kulturelle Vereinigungen beziehungsweise Organisationen gesponsert werden. Die
Sponsoring-Aktivitäten sollten durch weitere Kommunikationsmaßnahmen unterstützt
werden, sodass ein hinreichender Bekanntheitsgrad erreicht wird. Zudem sollten die
Aktivitäten kontinuierlich betrieben werden aufgrund der Tatsache, dass Einzelaktionen nur
eine geringe Wahrnehmung erfahren.109 Im Gegensatz zur klassischen Werbung vermittelt
Sponsoring Inhalte, indem die homosexuelle Zielgruppe aktive Unterstützung für politische
Forderungen, Spaß oder Sport erhält. Die Destination kontaktiert die Zielgruppe dort, wo
ihre wahren Interessen liegen.110
Event-Marketing
Nicht selten wird heutzutage im Tourismus auf Event-Marketing gesetzt. Durch die
emotionale Ausrichtung von Events wird insbesondere die Glaubwürdigkeit der Marke
betont und dadurch Vertrauen aufgebaut. Die Idee dabei ist, das Event als Plattform und
Anknüpfungspunkt für Kommunikationsmaßnahmen zu nutzen und mit möglichst vielen
potenziellen Konsumenten direkt in Kontakt zu treten.111 Das größte und bedeutendste Gay
Event ist der Christopher-Street-Day, auch Gay Pride Paraden oder Regenbogenparade
genannt, der in zahlreichen Metropolen weltweit veranstaltet wird. Aufgrund der
108
Vgl.
Vgl.
110
Vgl.
111
Vgl.
109
Groß, V. (2009), S. 45
Groß, V. (2009), S. 47-48
Stuber, M. und Iltgen, A. (2002), S. 152-153
Bieger, T. (2008), S. 206
32
internationalen Bekanntheit bietet dieses Event Reichweiten, die außerhalb jedes
Printmediums liegen. Die Möglichkeiten der Zielgruppenansprache sind vielfältig: Es kann
mit Ständen, Bannern, Flyern, Give-Aways oder auch mit eigenem Paradewagen geworben
werden. Die Destination vermittelt auf diese Weise, keine Berührungsängste mit der
homosexuellen Zielgruppe zu haben, und macht sich dabei in einer entspannten
Atmosphäre bei der Kundengruppe bekannt.112 Neben dem Christopher Street Day locken
auch internationale Sport-Events wie die EuroGames oder Gay Film Festivals Schwule und
Lesben in die europäischen Metropolen.113 In Bezug auf Osteuropa sollte bei der Wahl der
Gay Events in den Quellmärkten darauf geachtet werden, dass das Event weitgehend in der
Gesellschaft akzeptiert ist und es nicht zu Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung
kommt, denn während die Paraden und ähnliche Umzüge in westeuropäischen Großstädten
längst anerkannte Volksfeste sind, sind sie in einigen Städten Osteuropas keine
Selbstverständlichkeit.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Unter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit fällt die indirekte, zumeist nicht bezahlte
Kommunikation der Destination mit den Medien, mit dem Ziel zu informieren, Vertrauen
auszubauen, den Bekanntheitsgrad zu erhöhen und zum Besuch der Destination anzuregen.
Im Bereich des Gay Marketing stellt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ein besonders
wichtiges Instrument dar, denn auf diesem Wege macht die Destination ihr Engagement in
der Zielgruppe öffentlich und insofern glaubhaft. Die Medien entscheiden selbst über den
Zeitpunkt und die Form der Informationsweitergabe, wodurch die Glaubwürdigkeit für den
Empfänger der Information erhöht wird, denn dem Bericht des Medienvertreters wird mehr
Vertrauen entgegengebracht als einer bezahlten Anzeige.114
Werbekooperationen
Werbekooperationen, auch Cross Marketing genannt, mit Partnern aus anderen Branchen
der Wirtschaft bieten sich als interessante Möglichkeit im Gay Marketing an. Die
Werbekooperation entsteht durch die Kommunikation eines partnerschaftlichen Auftritts.
112
Vgl. Groß, V. (2009), S. 48
Vgl. Schnake, A. (2007), S. 63
114
Vgl. Seufert, G., Haimayer, P. und Strobl, M. (2006), S. 63
113
33
Es ist darauf zu achten, dass die Partnerfirma und deren Produkte zur homosexuellen
Zielgruppe passen.115 Die Destination sucht sich dabei Partner, die im besten Falle einen
Zugang zur Kundengruppe bieten wie beispielsweise schwul-lesbische Unternehmen oder
Medien, Verbände oder
andere Non-Profit-Organisationen der
Community. Die
Glaubwürdigkeit kann durch Werbekooperationen wesentlich gestärkt werden. Schwullesbische Organisationen und Medien verfügen über einen relativ großen Einfluss auf
homosexuelle Kunden, da sie für Transparenz und Bewusstsein sorgen und sich dafür
einsetzen, dass sich die Lebensqualität der Homosexuellen stetig verbessert. Als denkbare
Kooperationspartner für Marketing-Aktivitäten können AIDS-Hilfen oder CSD Vereine
dienen, die beispielsweise mit den jeweiligen Logos in den entsprechenden Werbeflyer
integriert werden.116
Internetwerbung
Das Internet hat in der Kommunikation im Gay Marketing einen wesentlichen Platz
eingenommen, denn die schwul-lesbische Zielgruppe besitzt eine besonders hohe Affinität
zum Internet und eine ausgeprägte Bereitschaft, touristische Informationen über das
Internet abzurufen. Die Markt-Kommunikation über das Internet kann über das eigene
Portal, über Fan-Pages in sozialen Netzwerken oder über Banner-Werbung geschehen. Die
Navigation des Internet-Portals kann so gestaltet werden, dass die homosexuellen Nutzer
beispielsweise durch eine eigene Rubrik schnell auf die für sie relevanten Inhalte zugreifen
können. Die alleinige Nutzung des eigenen Portals ist jedoch nur begrenzt ausreichend; die
Internetseite sollte zudem mit Banner-Werbung auf zielgruppenspezifischen Internetseiten
verknüpft sein, sodass die homosexuelle Zielgruppe auf das eigene Internet-Portal geleitet
wird.117 Die Online-Kommunikation über Fan-Pages in sozialen Netzwerken stellt einen
immer wichtiger werdenden Bestandteil dar, denn über eine Fan-Page wird die Möglichkeit
geboten, Neuigkeiten mitzuteilen und vor allem mit homosexuellen Kunden in Kontakt zu
kommen.
115
Vgl. Seufert, G., Haimayer, P. und Strobl, M. (2006), S. 64
Vgl. Stuber, M. und Iltgen, A. (2002), S. 161-163
117
Vgl. Groß, V. (2009), S. 49
116
34
Verkaufsförderung
Unter Verkaufsförderung versteht man die zielgerichtete, oft persönliche Kommunikation,
die zum Kauf eines Produktes ermuntern soll. Eine Form der Verkaufsförderung ist die
direkte Ansprache von Endkunden am Ort des Verkaufs wie beispielsweise auf
Besuchermessen.118 Internationale Messen bieten eine gute Möglichkeit, um sich im
Bewusstsein der Zielgruppe zu verankern und ein konkretes Kaufinteresse zu wecken. Es
besteht zum einen die Möglichkeit, auf Touristik-Messen in den jeweiligen osteuropäischen
Quellmärkten zielgruppenspezifische Werbematerialien wie Prospekte oder Flyer am Stand
auszulegen oder auf der jährlich stattfindenden Internationalen Tourismusbörse in Berlin
als homosexuellen-freundliche Destination mit eigenem Stand im Gay and Lesbian Travel
Pavillon vertreten zu sein, so wie beispielsweise die Destinationen Brasilien, Griechenland,
Wien und Kanada auf der diesjährigen Tourismusbörse.119
Direktwerbung
Direktwerbung dient als ein sehr effizientes Mittel zur Kundenbindung. Die für den
Tourismus bedeutendste Form der Direktwerbung ist das Direct Mailing, bei dem
personalisierte Werbebriefe oder E-Mails an bestimmte Zielgruppen saisonal und/oder zu
bestimmten Anlässen versendet werden. Basis für eine erfolgsversprechende MailingAktion ist eine gepflegte Adressdatei.120 Deshalb sollte früh damit begonnen werden, eine
eigene Datenbank für die homosexuelle Zielgruppe aus den osteuropäischen Ländern
anzulegen,
beispielsweise
durch
Newsletter-Abonnenten,
aus
schriftlichen
Prospektanforderungen oder die Integration von Response-Elementen in der PrintKommunikation.121 Jedoch besteht die Gefahr, dass die Empfänger eines Mailings
unangenehm berührt sein könnten, wenn sie unerwartet auf ihre Homosexualität
angesprochen werden. Vor diesem Hintergrund sind die Möglichkeiten des effizienten
Einsatzes nur begrenzt.122
118
Vgl.
Vgl.
120
Vgl.
121
Vgl.
122
Vgl.
119
Seufert, G., Haimayer, P. und Strobl, M. (2006), S. 64
ITB Berlin (2012)
Luft, H. (2007), S. 329
Schnake, A. (2007), S. 66
Stuber, M. und Iltgen, A. (2002), S. 169-170
35
Insgesamt
bietet
homosexuelle
die
Kommunikationspolitik
Zielsegment
in
osteuropäischen
zahlreiche
Möglichkeiten,
Quellmärkten
zu
um
das
erreichen
und
anzusprechen. Die klassische Werbung spielt eine weniger wichtige Rolle als
Kommunikationsinstrumente wie Sponsoring-Maßnahmen, Werbekooperationen, EventMarketing oder Internetwerbung. Allgemein sollte bei der Ansprache darauf geachtet
werden, dass die Darstellung von Stereotypen sowie eine oberflächliche und sexualisierte
Bewerbung vermieden wird. Vielmehr sollte dem Wunsch nach Integration, Normalität und
Gleichwertigkeit entsprochen werden, denn auf diese Weise können Ernsthaftigkeit und
Glaubwürdigkeit vermittelt werden.123 Der nachfolgende Abschnitt soll aufzeigen, mit
welchen Marketing-Aktivitäten die Wiener Tourismusorganisation „WienTourismus“ das
Gay Segment im osteuropäischen Raum erschlossen hat.
4.3 Best Practice Beispiel WienTourismus
„Die Hauptstadt Österreichs atmet schwullesbische Geschichte wie kaum eine
andere europäische Metropole. Schwule Kaiser, Kriegsherren und
Komponisten von gestern ebenso wie schwule und lesbische Wiener/innen von
heute machen die Stadt zu einer spannenden Urlaubsdestination.“124
Mit diesem Einführungstext präsentiert sich die Wiener Tourismusorganisation unter der
Rubik „Wien für schwule & lesbische Gäste“ auf dem offiziellen Tourismus-Portal. Für die
Stadt ist das LGBT Segment längst keine Nische mehr. Das Gay Marketing ist zum
wichtigen Bestandteil der touristischen Vermarktung geworden, denn die homosexuelle
Kundschaft stellt für die Destination eine große und bedeutende Zielgruppe dar. Bereits seit
1997 wirbt die Tourismusorganisation mit gezielten Marketing-Aktivitäten um Schwule
und Lesben für das tolerante und gay-freundliche Wien.125 Zu Beginn der Erschließung des
Gay Segments wurde ein schwul-lesbischer Stadtplan entwickelt, Werbeflyer folgten. Über
Jahre hinweg wurden die Marketing-Maßnahmen stetig weiterentwickelt. Gegenwärtig
wirbt WienTourismus nicht nur im deutschsprachigen Raum sowie in den Ländern
Spanien, Frankreich, Großbritannien, den Niederlande, Italien, Australien, Kanada und in
123
Vgl. Groß, V. (2009), S. 50
WienTourismus (o.J.)
125
Vgl. Wiener Zeitung (2011)
124
36
den USA für das Gay Segment126, sondern ist seit 2011 auch als Pionier in osteuropäischen
Ländern tätig.127 Aktuell betreibt die Wiener Tourismusorganisation in Rumänien aktiv
Gay Marketing, geplant ist, dieses auch auf die Märkte Tschechien, Polen und Ungarn
auszudehnen. Die Pläne für das Jahr 2013 werden derzeit ausgearbeitet. Neben einem
speziell auf die Zielgruppe ausgerichteten Stadtführer mit Szene-, Shopping- und EventTipps bietet die Wiener Tourismusorganisation einen eigenen Facebook-Auftritt namens
„Gay City Wien“ auf Deutsch und Englisch und zugeschnittene Informationen auf dem
Tourismus-Portal der Stadt. Geworben wird mit einem vielfältigen Kulturangebot der Stadt
wie beispielsweise Sissi-Führungen für Homosexuelle, einer ausgewogenen schwullesbischen Szene sowie Infrastruktur und mit großen Events wie dem Life Ball, der
Regenbogenparade und dem Event Wien in Schwarz. Auf der diesjährigen Internationalen
Tourismusbörse in Berlin präsentierte sich die Stadt Wien darüber hinaus mit eigenem
Messestand im Gay and Lesbian Travel Pavillon. In Bezug auf Markterschließung in
Rumänien betrieb WienTourismus eine Marketingaktion zum Gay Fest in Bukarest, welche
über die Österreich Werbung in Bukarest abgewickelt wurde. Diese beinhaltete eine
Logoplatzierung auf dem Programm-Flyer, die Verteilung eines Queer Guides und
Präservativen, die gebrandet waren mit dem Logo von WienTourismus. Des Weiteren
wurde Online-Promotion mit Bannern, Newslettern und Postings auf der eigenen
Facebook-Fan-Page sowie auf der Seite der rumänischen LGBT Organisation „Asociatia
Accept“ betrieben.128
Im zweiten großen Abschnitt dieser Arbeit folgt anhand einer eigenen Datenerhebung die
Ausarbeitung der Chancen und Risiken bei der Erschließung des Gay Marktsegments in
Osteuropa und mittels dieser Erkenntnisse werden Ansätze für geeignete MarketingMaßnahmen für ausgewählte osteuropäische Länder bearbeitet.
126
Vgl. Wien Marketing-Konzept (2012)
Vgl. ITB Berlin (2011a)
128
Gespräch mit Frau Kozak am 16.07.2012
127
37
5. Methodische Vorgehensweise
5.1 Datengewinnung mittels Sekundärforschung
Die Sekundärforschung, auch bekannt als Desk-Research, beinhaltet die Datenerfassung
aus bereits bestehenden Erkenntnissen sowie statistischen Daten und Unterlagen.129 Im
Rahmen dieser Arbeit wurde zunächst mittels sekundärer Literaturrecherche ein
umfangreicher Überblick über die vorhandene Literatur zu den Themenkomplexen „Gay
Tourismus“, „Homosexualität in Osteuropa“ sowie „Marketing-Konzeption“ gewonnen,
um sich in das Untersuchungsgebiet einzuarbeiten. Demnach dient die Beschaffung von
Sekundärinformationen der Vorbereitung und Unterstützung der eigenen Primärerhebung.
Nennenswerte Vorteile der Sekundärforschung sind die schnelle und meist kostengünstige
Informationsbeschaffung.130 Die erste Anlaufstelle für die Datengewinnung war die
Fachbibliothek der Hochschule BEST-Sabel sowie die Universitätsbibliothek der
Humboldt-Universität zu Berlin, um deutschsprachige Bücher zu den Themen „Gay
Marketing“, „Destinationsmanagement“, „Marketing-Konzeption“ sowie „Tourismusmarktforschung“ zu erhalten. Als Ergänzung wurde zudem Online-Literatur über die
Suchmaschine „GoogleBooks“ verwendet. Zu der Thematik „Gay Tourismus“ ist bislang
weitgehend nur englischsprachige Literatur vorhanden. Daher wurden vorwiegend die
sozial-wissenschaftlich ausgerichteten Journals „Tourism Management“ und „Annals of
Tourism Research“ vom E-Medien-Portal „ScienceDirect“ zur Informationsbeschaffung für
dieses Thema herangezogen. Repräsentative Marktforschungsstudien über das LGBT
Segment in den osteuropäischen Ländern sind bislang nicht vorhanden. Der größte Teil der
Statistiken konzentriert sich überwiegend auf den nordamerikanischen Markt.131
Hinsichtlich der derzeitigen Entwicklungen in den osteuropäischen Ländern in Bezug auf
das Thema Homosexualität wurden zudem einige Internetquellen wie Pressemeldungen und
Zeitungsartikel herangezogen, um eine gewisse Aktualität der Daten sicherzustellen.
Darüber hinaus dienten zielgruppenspezifische Internetseiten wie Online Gay Guide sowie
die offiziellen Internet-Tourismusportale der jeweiligen Länder als hilfreiche Quelle. Die
Nachteile der Sekundärforschung sind die zum Teil fehlende Aktualität des Datenmaterials
129
Vgl. Seitz, E. und Meyer, W. (2006), S. 13
Ebd., S. 14
131
Vgl. Southall, C. und Fallon, P. (2011), S. 230
130
38
und die Tatsache, dass die gewonnen Erkenntnisse nur im begrenzten Maße auf den
Kontext der Arbeit angewendet werden können, da sie oftmals nicht detailliert genug
sind.132 Die Primärforschung erweist sich daher als notwendig und zielführend für die
vorhandene Fragestellung dieser Arbeit. Anhand der Gesamtheit der Daten aus Sekundärund Primärforschung sind abschließende Handlungsempfehlungen möglich.
5.2 Empirische Untersuchung
5.2.1 Datenerhebung mittels halbstrukturierter Interviews
Auf dem theoretischen Bezugsrahmen und Fachwissen aufbauend, wurde eine empirische
Untersuchung durchgeführt. Die Primärforschung generiert aktuelle, neue und bisher nicht
erfasste
Ansichten und
Meinungen von
befragten Personen
mit
der
Absicht,
problemadäquate Daten zu erheben und zu interpretieren.133 Die Zielstellung dieser Arbeit
ist, die Chancen und Risiken der Erschließung des Gay Marktsegments in osteuropäischen
Quellmärkten für Tourismusorganisationen herauszuarbeiten und anhand dieser Ergebnisse
Handlungsempfehlungen für eine geeignete Zielgruppenansprache in ausgewählten
Ländern abzuleiten. Dafür sollte zunächst herausgefunden werden, in welchem Umfang das
Segment bisher von osteuropäischen Tourismusorganisationen beworben wird und welche
möglichen Hürden bei der zielgruppenspezifischen Vermarktung in den osteuropäischen
Ländern auftreten können. Darüber hinaus sollte herausgefunden werden, inwieweit
Homosexualität ein tabuisiertes Thema in den jeweiligen osteuropäischen Ländern darstellt.
Um diese Fragestellungen zu beantworten, bedient sich diese Arbeit der Methode der
qualitativen Marktforschung. Die Datenerhebung erfolgte anhand von halbstrukturierten,
leitfadenorientierten Interviews mit ausgewählten Tourismusorganisationen sowie LGBT
Organisationen in Osteuropa im Zeitraum Ende Juni bis Ende Juli 2012. Der
Interviewleitfaden wurde anhand der Themenschwerpunkte der Literaturanalyse erstellt. Er
liefert die Struktur und das inhaltliche Gerüst der Befragung, welches dem Interview nicht
als festes Schema, aber als flexible Orientierung zugrunde liegt. Der Interviewleitfaden hat
folglich den Vorteil, dass alle forschungsrelevanten Themen behandelt werden und kein
132
133
Vgl. Seitz, E. und Meyer, W. (2006), S. 14
Ebd., S. 39
39
Themenkomplex außer Acht gelassen wird.134 Die halbstrukturierte Form der Interviews
gewährt neue Einblicke in die Thematik und identifiziert generelle Tendenzen. Es werden
Daten zu Aspekten abseits der standardisierten Fragen generiert, denn der Interviewte kann
offen, ohne Antwortvorgaben darauf reagieren und sich frei äußern. Nachteilig ist dabei
jedoch die sich daraus ergebende eingeschränkte Vergleichbarkeit der einzelnen
Interviews.135 Die Autorin entschied sich weiterhin für eine schriftliche Befragung der
Tourismus- und LGBT Organisation in englischer Sprache. Diese Art der Befragung
ermöglicht dem Interviewten, seine Antworten besser zu durchdenken, weil mehr Zeit für
die Beantwortung zur Verfügung steht.136 Ein weiterer wesentlicher Grund für die Wahl der
schriftlichen Befragung ist, dass es den angefragten Interviewpartnern möglicherweise
angenehmer erscheint, Fragen aufgrund unterschiedlicher Englisch-Sprachkenntnisse
schriftlich zu beantworten. Zudem erhält der Forscher möglicherweise ehrlichere Angaben
durch eine größere Anonymität. Den weiteren Vorzügen der geringen Kosten und der
praktisch unbeschränkten räumlichen Reichweiten, stehen jedoch auch Nachteile der
Befragung gegenüber, denn es gibt keinen Interviewer, der das Gespräch leitet. Deshalb
sollte der Interviewbogen besonders übersichtlich und unmissverständlich aufgebaut sein.
Darüber hinaus sollte der Bogen dem Adressaten nicht zu umfangreich erscheinen. Aus
diesem Grund beschränkte sich die Anzahl der Interviewfragen auf zehn. Insbesondere
aufgrund notwendiger Erinnerungsaktionen, sogenannter Follow-up E-Mails, um die
Rücklaufquote der Interviewbögen zu erhöhen, lag der gesamte Zeitbedarf der schriftlichen
Befragung höher als beispielsweise bei einer mündlichen Befragung. Neben der Gestaltung
des Interviewbogens hängt die Rücklaufquote im wesentlichen Maße auch vom
Befragungsthema
ab.137
Für
die
Datenerhebung
wurden
zwei
unterschiedliche
Interviewbögen erarbeitet: ein Bogen für die Tourismusorganisationen sowie ein weiterer
für
die
LGBT
Organisationen.
Die
Inhalte
des
Interviewbogens
der
Tourismusorganisationen konzentrierten sich überwiegend auf die Marketing-Tätigkeiten
im Gay Segment. Die Antworten der Tourismusorganisation sollten kritisch betrachtet
werden, denn aufgrund der Vermarktungstätigkeit besteht die Vermutung, dass die
134
Vgl. Grüttner, S., Egle, B. und Urich, L. (2006), S. 23
Ebd., S. 13
136
Ebd., S. 14-15
137
Vgl. Seitz, E. und Meyer, W. (2006), S. 57-59
135
40
Destination möglicherweise positiver dargestellt wird. Um jedoch einen ganzheitlicheren
Blick auf die Thematik in den jeweiligen osteuropäischen Ländern zu gewinnen, wurden
zusätzlich einige LGBT Organisation mit einem abgewandelten Interviewbogen befragt,
der Fragen zur gesellschaftlichen Akzeptanz und zu zielgruppenspezifischen Medien sowie
zur schwul-lesbischen Infrastruktur und Szene des Landes beinhaltete.
5.2.2 Auswahl der Interviewpartner
Die angewendete qualitative Forschung verfolgt den Ansatz einer bewussten Auswahl von
Unternehmenseinheiten, die eine geringe Stichprobe vorsieht. Die Auswahl der nationalen
Tourismusorganisationen (im nachfolgenden NTOs genannt) erfolgte mit Hilfe des OnlineReiseführers „Gay Europa“. Polen, wenngleich nicht im Reiseführer aufgelistet, wurde
dennoch in die Auswahl hinzugezogen, denn eine umfangreiche Literaturanalyse ergab,
dass Warschau und Krakau bereits in der Vergangenheit, wenn auch nur im kleinen
Umfang, um die homosexuelle Zielgruppe warben. So ergab sich eine Auswahl folgender
sechs NTOs: Bulgarian Tourism Office, Croatian National Tourist Board, Czech National
Tourism Office, Hungarian National Tourist Office, Polish Tourist Organisation sowie die
Russian Federal Agency for Tourism. Diese Auswahl wurde zudem um regionale
Tourismusorganisationen erweitert, denn aufgrund der Tatsache, dass Homosexualität in
vielen Ländern Osteuropas immer noch ein kritisches Thema darstellt, musste mit einer
geringen
Rücklaufquote
gerechnet
werden.
Die
regionalen
Organisationen
(im
nachfolgenden RTOs genannt) wurden mit Hilfe verschiedener osteuropäischer Online Gay
Guides ermittelt. Folgende Städte waren den Online-Reiseführern für Homosexuelle zu
entnehmen: Prag, Budapest, Sofia, Zagreb, Warschau, Krakau, Moskau und Sankt
Petersburg. Die Auswahl der LGBT Organisationen erfolgte mittels einer umfassenden
Literaturrecherche. Ein wichtiges Auswahlkriterium dabei war, dass die Organisationen in
den sechs ausgewählten Ländern aktiv tätig sind. Insgesamt wurden sechs NTOs, sowie
jeweils acht RTOs und LGBT Organisationen identifiziert, wie folgender Abbildung zu
entnehmen ist.
41
Tab. 4 Übersicht der angefragten Interviewpartner
Kürzel
für Auswertung
Zusage
nach erster
E-Mail
Ende Juni
Zusage
nach
Follow-up
E-Mail
Mitte Juli
✓
Bulgarien
Nationale TO
Kroatien
Regionale TO
NTO1
✓
Polen
✓
Russland
✓
Tschechien
NTO2
✓
Ungarn
✓
Budapest
✓
Krakau
✓
Moskau
✓
Prag
RTO1
✓
Sofia
✓
Sankt Petersburg
✓
✓
Warschau
RTO2
Zagreb
RTO3
✓
O1
✓
Bulgarien: Deystvie
✓
Kroatien: Iskorak
Polen: Campaign Against
Homophobia
LGBT Organisationen
Keine
Rückmeldung
O2
✓
✓
Polen: Lambda Warsaw
Russland: Coming Out
O3
✓
✓
Russland: Gay Russia
Russland: LGBT Network
✓
O4
Tschechien: STUD Brno
Ungarn: Háttér
Quelle: Eigene Darstellung
O5
✓
42
Zunächst wurde Ende Juni 2012 eine vorgefertigte Interviewanfrage, verfasst in englischer
Sprache, per E-Mail an alle aufgelisteten Organisationen verschickt. Diese Anfrage
beinhaltete eine kurze Vorstellung der Studentin sowie ihr Anliegen und eine Anfrage zur
Teilnahme an der Erhebung. Die Interviewanfrage für die Tourismusorganisationen wurde
direkt an die jeweilige Marketing-Abteilung verschickt. Oftmals gab es jedoch nur eine
allgemeine Info-Kontaktadresse. In diesem Falle wurde vorerst nach einer zuständigen
Kontaktperson der Marketing-Abteilung gefragt. Zudem gestaltete sich die Suche nach
Kontaktpersonen auf den Internetseiten der LGBT Organisationen in einigen Fällen
schwierig, da die Seiten häufig nicht in englischer Sprache abrufbar waren. Deshalb musste
oftmals auf ein Online-Wörterbuch zurückgegriffen werden. An die Organisationen, die
einer Teilnahme an der Befragung zustimmten, wurde umgehend der Interviewbogen als
PDF-Datei per E-Mail zugeschickt. Erfolgte binnen zwei Wochen hingegen keinerlei
Rückmeldung, wurde eine Follow-up E-Mail versendet, die diesmal auch den
Interviewbogen beinhaltete, um die Rücklaufquote zu erhöhen. Für die Teilnahme einer
russischen LGBT Organisation musste der Interviewbogen auf Russisch übersetzt werden.
Die Untersuchungsgruppe setzt sich insgesamt aus zehn Organisationen zusammen. Diese
sind in Tab. 4 grau hinterlegt. Jedem Teilnehmer wurde in der Tabelle ein Kürzel
zugeordnet, die bei der späteren Auswertung Verwendung finden werden. Die erzielte
Beteiligung der interviewten LGBT Organisationen ist als durchaus positiv zu bewerten,
denn mehr als die Hälfte der Organisationen war bereit, an der Befragung teilzunehmen. Im
Gegensatz dazu waren nur zwei von sechs NTOs sowie drei von acht RTOs bereit, an der
Erhebung teilzunehmen. Hierbei sollte beachtet werden, dass die Rücklaufquote von
schriftlichen Befragungen im wesentlichen Maße von dem Befragungsthema abhängig
ist.138 In diesem Falle wurde die Vermutung bestätigt, dass das Thema Homosexualität in
osteuropäischen
Ländern
wie
beispielsweise
Russland
auch
in
den
offiziellen
Tourismusorganisationen ein heikles Thema darstellt, über das nicht überall gleichermaßen
gern
gesprochen
wird.
zusammengetragen und
Die
Ergebnisse
der
schriftlichen
anhand der Themenschwerpunkte des
Befragung
wurden
Interviewleitfadens
ausgewertet. Die Zusammenfassung sowie Auswertung der Ergebnisse erfolgt im nächsten
Punkt.
138
Vgl. Seitz, E. und Meyer, W. (2006), S. 59
43
6. Präsentation der Erhebungsergebnisse
6.1 Zusammenfassung und Auswertung des Datenmaterials
Der Interviewleitfaden beinhaltete folgende fünf Themenschwerpunkte:
-
gesellschaftliche Akzeptanz und Offenheit gegenüber Homosexuellen,
-
bisherige Marketing-Aktivitäten der Destination im Gay Segment,
-
Hürden bei der zielgruppenspezifischen Vermarktung in osteuropäischen Ländern,
-
mögliche Auswirkungen auf das Image einer Destination sowie
-
zukünftige Entwicklung des Gay Tourismus in der Destination.
Einige Fragen der Interviewbögen wurden trotz Bitte um ausführliche Antworten nur kurz
und knapp beantwortet. Im Nachfolgenden werden die fünf Themenschwerpunkte separat
ausgewertet und
mit einigen direkten Zitaten der
Interviewten unterlegt. Zwei
exemplarische Interviewbögen sind im Anhang beigefügt.
Beurteilung der gesellschaftlichen Akzeptanz gegenüber Homosexuellen in der
Destination
Die Tourismusorganisationen wie auch die LGBT Organisationen wurden zur generellen
gesellschaftlichen Offenheit gegenüber Homosexuellen in den jeweiligen Destinationen
befragt. Die Auswertung aller Interviewbögen bestätigte den Verdacht, dass die
Tourismusorganisationen aufgrund ihrer Vermarktungstätigkeit die gesellschaftliche
Situation Homosexueller in der Destination allgemein positiver beurteilen als die LGBT
Organisationen. Die LGBT Organisationen hingegen schätzten die Lage größtenteils als
kritisch ein. Zudem bestätigten sich die Ergebnisse der umfangreichen Literaturanalyse im
Hinblick auf die weit verbreitete Homophobie sowie Intoleranz der Bevölkerung in einigen
osteuropäischen Ländern. O1 stuft die gesellschaftliche Akzeptanz in Bulgarien als sehr
niedrig ein. Ein Großteil der Bevölkerung begegnet Homosexuellen oftmals mit
Respektlosigkeit und Hass, insbesondere fernab der Großstädte. O1 kritisiert zudem, dass
das Antidiskriminierungsgesetz nicht ausreichend Schutz für Lesben und Schwule bietet.
Eine Vielzahl der Homosexuellen bekennt sich daher nicht öffentlich zu ihrer
Homosexualität.
44
O1: „The fear of humiliation makes most people stay in the closet even if they
are part of well educated and cultured classes.“
Dennoch sei die Situation in Bulgarien deutlich besser als in den Nachbarländern Serbien
und Mazedonien. O2 äußert sich ebenso kritisch. Die Homophobie in Polen ist weit
verbreitet in der Öffentlichkeit, insbesondere in verbaler Form wie Beschimpfungen.
O2: „It is better not to show your homosexuality in the public. The attitude of
the society is generally negative. [...] Fortunately, the situation is changing for
the better.”
Weitaus positiver klingt hingegen die Antwort der RTO2 über die gesellschaftliche
Akzeptanz und Offenheit der Bevölkerung in Polen.
RTO2: „You can feel safe in our country while travelling, especially in big
cities. We become more and more open for LGBT. In the Polish government
there are several representatives of LGBT.“
O3 bewertet die Lage in Russland am kritischsten in ganz Europa. Erhebungen zeigen, dass
die Mehrheit der Bevölkerung immer noch glaubt, dass Homosexualität eine Krankheit sei,
die behandelt werden könne, oder ein Rechtsbruch, für den die Person aus der Gesellschaft
isoliert werden sollte. Aus Angst vor Ausgrenzung und Diskriminierung bekennt sich ein
Großteil der Homosexuellen nicht zu ihrer sexuellen Orientierung in der Öffentlichkeit.
O3: „In addition, there is a wave of homophobic legislation, banning the so
called ’gay propaganda’ that also suggests that homosexuality is something
dangerous.“
O4 schließt sich dieser Meinung bezüglich Russlands an und fügt hinzu, dass die
Akzeptanz
je
nach
Stadt
beziehungsweise
Region
variiert
und
die
höchste
Toleranzschwelle, trotz aktueller politischer Entwicklungen, in Moskau und Sankt
Petersburg liegt. Auch O5 hebt hervor, dass das Akzeptanzlevel in Ungarn im Vergleich zu
westeuropäischen Ländern sehr niedrig liegt. Die positiven Ansätze, die einst in Ungarn zu
verzeichnen waren, haben sich angesichts der derzeitigen politischen Entwicklungen erneut
zum Schlechteren gewendet.
45
O5: „Local LGBT people usually still remain in their closets, [...] even in large
cities. There have been homophobic incidents in the past years coming from
organized right wing extremists, but their activities are largely limited to
special occasions like Gay Pride Marches.”
Die Lage der Homosexuellen in Kroatien wird von der NTO1 als durchaus positiv
bewertet.
Die
Bevölkerung
begegnet
Homosexuellen,
nach
Angaben
der
Tourismusorganisation, größtenteils mit Toleranz. Dennoch sind in Einzelfällen Übergriffe
auf Homosexuelle nicht auszuschließen.
NTO1: „Unfortunately, as anywhere else in the world, members of certain
groups might provoke incidents based on homophobic prejudices.“
Aus der Sekundärforschung ging hervor, dass Tschechien in Hinblick auf Homosexualität
als ein liberales Land gilt. Dies wurde auch durch die beiden tschechischen
Interviewpartner NTO2 und RTO1 bekräftigt.
NTO2: „In the Czech Republic the gay community is generally accepted.
Prague is the most liberal city in our country. In larger cities the acceptance of
homosexuality is higher than in the countryside, but it is getting more and more
better.“
RTO1: „Prague has become a much more liberal and gay-friendly city than its
neighbours in recent years. [...] Homosexuality in our country is generally
accepted. In our city exist a vibrant gay scene and a range of gay bars and
clubs.”
Bisherige Marketing-Aktivitäten der Destination im Gay Segment
Allgemein ist festzustellen, dass die Tourismusorganisationen mit einigen Einzelaktivitäten
und kleineren Kampagnen das Gay Segment bewerben. Es existieren jedoch keine
fundierten, nachhaltigen Marketing-Ansätze wie beispielsweise in westeuropäischen
Ländern. In Hinblick auf das Gay Marketing scheinen die osteuropäischen Länder noch
zehn Jahre zurückzuliegen. Eine Ausnahme bildet jedoch Tschechien. Vor einem Jahr
begann die Tschechische Tourismusorganisation, die Destination gezielt im Gay
Marktsegment zu vermarkten. Aus einer Marktforschung der Tourismusorganisation ging
hervor, dass Schwule und Lesben rund zehn Prozent der internationalen Gäste ausmachen.
46
Die Marketing-Kampagne, für die überwiegend Print- sowie Online-Medien verwendet
wurden, wird in den Quellmärkten Großbritannien, Deutschland sowie den Niederlanden
durchgeführt.
NTO2: „[...] the campaign presents the Czech Republic as a safe, open and
tolerant country suitable for gay and lesbian tourism.“
Darüber
hinaus
gehören
regelmäßige
bezahlte
PR-Einschaltungen
zu
den
zielgruppenspezifischen Marketing-Maßnahmen. Die Aktivitäten in dem Segment würden
gerne weiter ausgebaut werden, allerdings ist der Marketing-Etat begrenzt, sodass die
Möglichkeiten eingeschränkt sind. Der jährlich stattfindende Gay Pride in Prag ist nach
Angaben der NTO2 ein wesentlicher Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Vermarktung in
diesem Segment. Im vergangenen Jahr nahmen an der Parade in Prag 25.000 Besucher teil.
Auch die RTO1 betont die Bedeutung des Events für die Stadt Prag. Der Prag Pride trägt
nicht nur dazu bei, der Destination ein homosexuellen-freundliches Image zu verleihen,
sondern kurbelt zusätzlich die Wirtschaft der Destination an. Des Weiteren wurde auf dem
offiziellen Tourismusportal der Stadt Prag eine eigene Rubrik namens „Queer“ für die
schwul-lesbische Zielgruppe eingerichtet, die zielgruppen-spezifische Informationen über
die Stadt und Szene enthält. Im vergangenen Jahr wurde zudem eine „Prague Gay Map“
veröffentlicht, die in jeder Touristeninformation ausliegt. Weitere Marketing-Aktivitäten
sind jedoch aufgrund des begrenzten Marketing-Etats nicht vorgesehen.
RTO1: „Currently we are not going to expand our marketing activities in this
target group.“
Die RTO2 verschickt regelmäßig Presseeinladungen und organisiert Pressereisen in die
Destination für Journalisten, die für LGBT Magazine schreiben. Zu diesen Magazinen
gehören unter anderem „Pride Life“ und „QX Magazine“ aus Großbritannien,
„Out&About“ aus Dänemark sowie „Têtu“ aus Frankreich.
RTO2: „They published fantastic articles about Warsaw.“
Zudem kooperiert die RTO2 mit der Internationalen Gay and Lesbian Travel Association.
Welchen Umfang die Kooperation hat, wurde jedoch nicht weiter ausgeführt. Die meiste
Aufmerksamkeit erhielt Warschau im Gay Segment, als 2010 die Love Parade in der Stadt
47
stattfand. Weiterhin wird angeführt, dass die homosexuelle Zielgruppe nicht explizit von
der Tourismusorganisation beworben wird.
RTO2: „We do not favour any community. We publish only general guides,
leaflets and brochures about Warsaw.“
Auch die NTO1 bewirbt die homosexuelle Zielgruppe nicht als eigenes Marktsegment und
bietet keine zielgruppenspezifischen Produkte an.
NTO1: „So far, the gay tourism segment hasn’t been specifically addressed
within the scope of our marketing activities.“
Derzeit plant die kroatische Tourismusorganisation keine Marketing-Aktivitäten in diesem
Segment, allerdings soll für die Zukunft die Ansprache der schwul-lesbischen Zielgruppe
nicht ausgeschlossen werden. Eine ähnliche Antwort gab es auch von der RTO3. Auch sie
spricht die Zielgruppe nicht explizit an. Jedoch veröffentlichte sie in Kooperation mit der
Assoziation „Queer Zagreb“ einen Reiseführer für homosexuelle Touristen, der in jeder
Touristeninformation ausliegt sowie als iPhone-Application verfügbar ist.
Hürden bei der zielgruppenspezifischen Vermarktung in osteuropäischen Ländern
Die Antworten zu dieser Frage fielen nicht sonderlich unterschiedlich aus, wobei sich die
LGBT Organisationen umfangreicher zu dieser Problematik äußerten. NTO1, NTO2, sowie
alle fünf LGBT Organisationen sehen die größten Hürden für die Markterschließung in
Osteuropa in der weit verbreiteten homophoben Einstellung der Gesellschaft vieler
osteuropäischer Länder.
NTO1: „Barriers could appear in form of non-acceptance of such business
orientation from local communities.”
NTO2: „Businesses are afraid of their reputation because of the society’s low
acceptance towards homosexuals and the high influence of the church in
several countries in East Europe.“
O5: „Most local businesses still think that they would loose their regular
clientele. They see gay marketing as a risk rather than a lucrative niche
market.”
48
O5 sieht eine zusätzliche Hürde darin, dass Unternehmen eventuell über zu wenig Knowhow verfügen in Hinblick auf zielgruppenadäquate Marketing-Aktivitäten für die
osteuropäischen Quellmärkte, sodass die Zielgruppen möglicherweise nicht angemessen
angesprochen werden kann. Die besonderen Gegebenheiten im osteuropäischen Raum
erfordern eine spezifische Ausrichtung der Kommunikation.
O5: „In most cases they don’t know enough about this specific target group.“
Daraus ergibt sich, dass die schwul-lesbische Zielgruppe unter Umständen nicht adäquat
angesprochen oder zu offen umworben wird, sodass andere Konsumenten des Quellmarktes
abgeschreckt werden. O1 sieht für Bulgarien hingegen keine Hindernisse, sofern die
Marketing-Aktivitäten nur vereinzelt geplant sind und nicht so viel Aufsehen erregen, dass
sie von homophoben Gruppen wahrgenommen werden.
O1: „If the advertising ad is not too gay specific there wouldn’t be a problem.
It also depends on the scale of projects. Smaller projects shouldn’t face many
problems in Bulgaria. [...] Larger projects may lead to some more
controversy.”
NTO1 und RTO2 sehen jedoch noch eine weitere Hürde. Den meisten osteuropäischen
Destinationen fehlt es nicht nur an einer offenen und aufgeklärten Gesellschaft, sondern
daraus resultierend auch an zielgruppenadäquaten Produkten in der Destination. Eine
Vermarktung würde für diese Länder folglich nichts bringen.
NTO1: „[There are] not enough adequate gay tourism infrastructure.“
RTO2: „There are still no complete gay products.”
Das größte Hindernis in Russland sieht O3 im neu in Kraft getretenen Gesetz, welches
Propaganda von Homosexualität und das Demonstrieren Homosexueller unter Strafe stellt.
O3: „Especially in St. Petersburg openly gay advertising is not possible in
public spaces because of the vague local anti gay propaganda law and the
self-censorship of the advertising companies. Everything that is concerning the
gay issue is closeted because it involves higher risks for the businesses.”
49
O2 berichtet hingegen über Polen, dass bereits einige Gay Marketing-Kampagnen ohne
negative Vorkommnisse geschaltet wurden, auch in den öffentlichen Medien. Laut
Angaben der O2 warb vor einigen Jahren die Tourismusorganisation Krakaus für die
homosexuelle Zielgruppe, um der Stadt ein neues Image zu verleihen. Weshalb die
Kampagne jedoch eingestellt wurde, ist nicht bekannt.
O2: „Despite the fact that the influence of religion on citizens’ attitude is
significant and the social attitude is rather negative, I would however
encourage companies to create ads targeted marketing directly to LGBT
people in Poland.“
Beurteilung möglicher Auswirkungen auf das Image einer Destination
Die Auswertung dieses Abschnittes ergab, dass alle befragten Organisationen positive
Imageeffekte in der Vermarktung einer Destination im Gay Segment sehen. NTO2 sieht
sich in einer Vorreiterstellung gegenüber den anderen osteuropäischen Ländern in Bezug
auf das homosexuellen-freundliche Image der Destination.
NTO2: „Promoting in gay tourism won’t damage the image. On the contrary,
[...] the company’s awareness will increase. Thus, there could also arise
competitive advantages.“
Auch die RTO1 teilt diese Ansicht. Sie will weiterhin das Image der Stadt Prag ausbauen
und die Destination in der LGBT Community etablieren. Der tschechischen Bevölkerung
sowie ausländischen Gästen soll vermittelt werden, dass Prag als Hauptstadt für Vielfalt
und Toleranz in Osteuropa steht. NTO1, O1, O2 und O3 sehen ebenso positive
Imageeffekte in der Vermarktung im schwul-lesbischen Segment. Die Ansprache der
homosexuellen Zielgruppe vermittelt ihnen zufolge Akzeptanz und Offenheit.
NTO1: „Business orientation towards the gay clientele could make a certain
enterprise flourish.“
O1: „Any gay-friendly image is a benefit for the country. It would help to
combat violence against LGBT in the country.”
50
O2: „Any act aimed to show Poland as open and friendly country for LGBT
people can change the Polish image in the world.”
O3: „Because of the repression of homosexuals in Russia, our country’s image
has suffered internationally. In this way gay marketing would help to enhance
the image of Russia. But unfortunately Russian authorities prevent all types of
gay marketing because of the recently introduced gay propaganda law.”
Einschätzung der zukünftigen Entwicklung des Gay Tourismus in der Destination
Für die Tourismusorganisationen bezog sich diese Frage auf die zukünftigen
Vermarktungsaktivitäten im Gay Segment, die LGBT Organisationen wurden hingegen zur
zukünftigen Entwicklung des Gay Tourismus im Land befragt. NTO2 hofft für die Zukunft,
ihre Vermarktung weiterhin ausbauen zu können, um die homosexuelle Zielgruppe in den
kommenden Jahren noch besser in den jeweiligen Hauptquellmärkten erreichen zu können.
NTO2: „We hope to be capable to ensure a growing range of services and
qualitative communication to the gay market segment. We are looking forward
to expand our gay marketing activities in the near future.”
Auch RTO1 schließt sich dieser Meinung an. Die Organisation ist überzeugt, dass Prag in
den nächsten Jahren noch mehr homosexuelle Touristen in die Stadt locken wird. Auch die
RTO3 kann sich vorstellen, in Zukunft aktiver in dem Marktsegment zu sein, sofern es der
begrenzte Marketing-Etat zulässt.
RTO3: „We will for sure continue to give support according to our
possibilities, marketing and financial plan.“
RTO2 sieht derzeit keine weiteren Gay Marketing-Aktivitäten vor. Selbiges gilt für die
NTO1. Die LGBT Organisationen äußerten sich etwas ausführlicher zu dieser Thematik.
O2 meldet Bedenken hinsichtlich der Entwicklung des Gay Tourismus in Polen.
O2: „In my opinion, Poland is not an attractive country for LGBT tourists. But
everything depends on the marketing and the way our country is perceived.“
51
Es wird weiterhin hinzugefügt, dass die Entwicklung stark von der gesellschaftlichen
Einstellung der Polen abhängig ist. Zunächst muss ein Umdenken in der Gesellschaft
stattfinden, bevor sich Polen in diesem Segment etablieren kann.
O2: „When the acceptance of LGBT people will continue to grow and the
society will change their attitude towards sexual minorities, there will be a
chance for Poland to establish as a gay-friendly destination.“
O3 sowie O4 sind der gleichen Auffassung. Die Einstellung der Gesellschaft muss sich
weiterhin zum Positiven wenden. Solange Homosexualität hingegen ein Tabuthema
darstellt, so wie beispielsweise auch in Russland und einigen anderen osteuropäischen
Ländern, kann von einer positiven Entwicklung des Gay Tourismus nicht die Rede sein. O4
sieht daher der Zukunft für Russland angesichts der derzeitigen politisch-rechtlichen
Entwicklungen ungewiss entgegen.
O3: „It will probably take a couple of decades before it can really start being a
significant part of the tourism industry.”
O5 ist wiederum überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis sich die Toleranz
und Akzeptanz gegenüber Schwulen und Lesben in der Gesellschaft verbessern werden,
sodass sich niemand mehr über die Bewerbung der homosexuellen Zielgruppe empört.
6.2 Analyse der Chancen und Risiken
Die Chancen-Risiken-Analyse bietet der Tourismusorganisation eine Entscheidungsgrundlage, aufgrund derer sie Strategien für mögliche zukünftige Szenarien entwickeln
kann. Die Analyse basiert auf einer externen Sichtweise. In Hinblick auf diese Methode ist
es notwendig, den relevanten Markt und dessen Teilnehmer zu analysieren. Die Aufgabe
der Chancen-Risiken-Analyse besteht darin, Chancen zu erkennen, die sich dem
Unternehmen in seinem externen Umfeld eröffnen und die Risiken zu meiden, die dem
Unternehmen drohen.139 Die nachfolgende Tabelle stellt die aus der Literaturanalyse und
der Datenerhebung abgeleiteten Chancen und Risiken für eine Markterschließung des Gay
Segments in osteuropäischen Ländern dar.
139
Vgl. Pfaff, D. (2004), S. 110
52
Tab. 5 Chancen-Risiken-Analyse des Gay Marketing in osteuropäischen Ländern
Chancen-Risiken-Analyse
Chancen
-
steigende gesellschaftliche Toleranz
gegenüber dem Thema
Homosexualität in einigen Ländern
Osteuropas: Erschließung von
zusätzlichem Potenzial in den
Quellmärkten
-
Kommunikation mit hohem
Wirkungsgrad im bisher wenig
umworbenem Marktsegment
-
geringer Wettbewerb aufgrund wenig
anderer im Segment werbender
Destinationen
-
positive Imageeffekte: Vermittlung
von Offenheit und Aufgeschlossenheit
in den Quellmärkten
-
wirtschaftliche Bedeutung der
homosexuellen Zielgruppe aufgrund
hoher Kaufkraft sowie
Kundenloyalität
Risiken
-
fehlendes Wissen und Datenmaterial
über das LGBT Marktsegment in
Osteuropa aufgrund bisher kaum
vorhandener Marktforschungsstudien
über die Zielgruppe
-
falsche Ansprache des Segments
aufgrund von mangelndem Wissen
über die länderspezifischen
Gegebenheiten Osteuropas
-
schlechte Erreichbarkeit der
Zielgruppe aufgrund begrenzt
vorhandener zielgruppenadäquater
Kommunikationskanäle
-
negative Imageeffekte auf die
Destination und Abschreckung
heterosexueller Konsumenten aus den
Quellmärkten aufgrund der weit
verbreiteten Homophobie
-
Unsicherheiten aufgrund fehlender
Erfahrungswerte (Thema erhielt
bisher nur wenig Aufmerksamkeit im
osteuropäischen Raum)
Quelle: Eigene Darstellung
Chancen
Wie aus der Literaturanalyse hervorgeht, hat sich die Lage in einigen osteuropäischen
Ländern vor dem Hintergrund der zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz und der
fortschreitenden Legalisierung der Homosexualität bereits verbessert. Mit steigender
Akzeptanz ebnet sich für Tourismusorganisationen Schritt für Schritt der Weg in eine
erfolgreiche Erschließung des dortigen attraktiven Gay Segments. Die Auswertung der
53
Interviewbögen zeigt, dass die schwul-lesbische Kundengruppe in osteuropäischen Ländern
bislang nur wenig Beachtung gefunden hat. Da der Wunsch nach einer individuellen
Ansprache besonders bei homosexuellen Konsumenten ausgeprägt ist, ist anzunehmen,
dass diese sehr positiv darauf reagieren, wenn gezielt um sie geworben wird. Die an das
Gay Segment
gerichtete Kommunikation besitzt folglich einen hohen Wirkungsgrad,
sofern die Zielgruppe richtig adressiert wird. Das schwul-lesbische Segment in
westeuropäischen Märkten stellt bereits eine verhältnismäßig stark umworbene Zielgruppe
dar. Demzufolge wird es in diesen Quellmärkten zunehmend schwieriger und
kostenintensiver, die homosexuelle Zielgruppe auf sich aufmerksam zu machen und ihre
Kundenloyalität zu erhalten. Im Gegensatz dazu verfügt der osteuropäische Raum über eine
vergleichsweise geringe Wettbewerbsintensität und eröffnet Unternehmen den Zugang zum
bislang wenig umworbenen Gay Segment. Weiterhin bietet sich Destinationen die Chance,
mit der Ansprache der schwul-lesbischen Zielgruppe Offenheit und Aufgeschlossenheit zu
vermitteln. So zeigt sich beispielsweise die Destination Tschechien durch die gezielte
Ansprache der Zielgruppe bewusst tolerant gegenüber Homosexuellen und vermittelt
dadurch ein hohes Maß an Liberalität. Für Destinationen wie Tschechien bietet die
Bewerbung der homosexuellen Zielgruppe daher die Möglichkeit, sich von den anderen
osteuropäischen Nachbarländern abzuheben. Diese positiven Imageeffekte signalisieren
auch anderen
Minderheitsgruppen die Toleranz und Vielfalt einer Destination.
Vorausgesetzt, dass der schwul-lesbischen Zielgruppe, die in weiten Teilen Osteuropas
durch soziale Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt geprägt ist, ein nachhaltiges
beziehungsweise kontinuierliches Engagement entgegengebracht wird, besteht die Chance,
zunehmend das Vertrauen dieser lukrativen Zielgruppe und ihre Kundenloyalität zu
gewinnen.
54
Risiken
Im Verlauf der Arbeit wurde bereits darauf hingewiesen, dass bislang keine repräsentativen
Marktforschungsstudien für die Zielgruppe in osteuropäischen Ländern verfügbar sind.
Diese bilden jedoch das Fundament einer jeden Marketing-Strategie, denn ohne
hinreichendes Datenmaterial sind das Gewinnen von Verständnis über die Zielgruppe, ihre
Bedürfnisse und
Präferenzen sowie die Erfassung des Anteils der Homosexuellen -
bezogen auf die Gesamtbevölkerung im jeweiligen Quellmarkt - nicht möglich.
Gesellschaftliche Werte prägen die individuelle Lebenseinstellung und damit auch in einem
hohen Maße das Konsumverhalten. Es ist daher davon auszugehen, dass sich das
Konsumverhalten Homosexueller in Osteuropa aufgrund der vorherrschenden homophoben
Einstellung der Gesellschaft in gewisser Hinsicht von dem der Homosexuellen in
westeuropäischen Ländern unterscheidet. Marktstudien sind folglich unabdingbar, um
notwendige Informationen über die Zielgruppe zu erfassen und daraus Erkenntnisse für die
Marketingstrategie zu gewinnen. Aufgrund fehlenden Wissens über das Gay Segment
besteht das Risiko, dass die Zielgruppe nicht adäquat angesprochen wird. So kann zum
Beispiel eine zu klischeehafte Darstellung oder die Abbildung von Stereotypen zu
mangelnden
Identifikationsmöglichkeiten bei
homosexuellen
Konsumenten
führen.
Darüber hinaus besteht bei unzureichendem Wissen über die relevanten länderspezifischen
Einflussfaktoren auf das Marketing-Vorhaben die Gefahr, dass die Zielgruppe marketingstrategisch nicht richtig adressiert wird. Bei einer zu offenen und expliziten Ansprache der
Zielgruppe können beispielsweise in Ländern mit einer niedrigen Akzeptanz gegenüber
Homosexuellen nicht nur erneute Diskriminierungen Schwuler und Lesben ausgelöst
werden, sondern auch das Image der werbenden Destination in den Quellmärkten
geschädigt werden und daraus resultierend Konsumenten abgeschreckt werden, die
gegenüber der Bewerbung dieser Zielgruppe nicht positiv eingestellt sind. Zudem geht
anhand der Auswertung der Interviews mit den LGBT Organisationen hervor, dass sich die
Erreichbarkeit der Zielgruppe in einigen Ländern als besonders problematisch darstellt, da
im Vergleich zu Westeuropa nur wenige zielgruppenadäquate Kommunikationskanäle wie
spezielle Medien oder Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Eine direkte Erreichbarkeit
ist besonders dann schwierig, wenn beispielsweise homosexuelle Publikationen nur
versteckt existieren und unter der Hand verbreitet werden oder wenn öffentliches Werben
55
für Homosexualität eine Straftat darstellt, was zur Zeit in Sankt Petersburg der Fall ist.
Schließlich ist anzumerken, dass für jedes Marketing-Vorhaben in osteuropäischen Ländern
ein gewisser Risikofaktor besteht, da das Thema für osteuropäische Quellmärkte bislang
kaum Anwendung gefunden hat und daher keine Erfahrungswerte vorhanden sind, auf die
die Destinationen zurückgreifen könnten. Im nachfolgenden Kapitel werden konkrete
länderbezogene
Handlungsempfehlungen
für
das
Erschließen
der
homosexuellen
Zielgruppe aufgeführt, die die Chancen und Risiken adäquat berücksichtigen.
7. Handlungsempfehlungen
7.1 Ansätze für eine Marktbearbeitung des Gay Segments in Russland
Anfänglich war für die Zielstellung der Arbeit vorgesehen, dass Handlungsempfehlungen
für eine mögliche Marktbearbeitung in den Ländern Russland und Polen abgeleitet werden.
Im Laufe einer ausführlichen Literaturanalyse sowie der Auswertung der schriftlichen
Datenerhebung kam die Autorin hinsichtlich der Erschließung des Gay Segments in
Russland jedoch zu dem Resultat, dass von einer derzeitigen Ansprache der homosexuellen
Zielgruppe
in
diesem
Quellmarkt
abzuraten
ist.
Die
nachfolgende
Abbildung
veranschaulicht die Einflussfaktoren, die im Hinblick auf die Entscheidungsfindung
relevant sind. Die drei grau unterlegten Felder verdeutlichen die Makro-Umwelt. Die
anderen drei äußeren Felder die Mikro-Welt, auf die im Nachfolgenden jedoch nicht
ausführlicher eingegangen werden soll.
56
Abb. 2 Relevante Einflussfaktoren auf das Gay Marketing am Beispiel von Russland
Makro-Umwelt
Politik/Recht
Gesellschaft
- geringe gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Homosexuellen
- großer Einfluss der
orthodoxen Kirche
- verankertes sozialistisches
Vater-Mutter-Kind-Modell
- rechtsextreme
Gruppierungen
- Verbot öffentlicher Gay
Propaganda & Demonstrationen Homosexueller
in Sankt Petersburg
- hundertjähriges Verbot von
Gay Pride Paraden in
Moskau
- Medienzensur homosexueller Inhalte
Ressourcen
- wenig zielgruppenadäquate Kommunikationskanäle
- zwei zielgruppenspezifische
Publikationen
- ein Gay Internetradiosender
- sehr wenige öffentliche
LGBT Veranstaltungen
MarketingKonzeption
Eigenes
Unternehmen
- vorhandene Produkte,
Szene und Infrastruktur
- Kundenbeziehungen
- Know-how der
Mitarbeiter
- Finanzkraft
- Image
Kunden
Wettbewerber
- kein Wettbewerb:
keine anderen im
Segment werbenden
Destinationen auf dem
Markt zu diesem
Zeitpunkt
- Reisen als Möglichkeit
sexuelle Identität
auszuleben
- Bedürfnis nach Sicherheit
- Wunsch nach individueller Ansprache
- Kurz- & Städtereisen
- Internetaffin
Mikro-Umwelt
Quelle: Eigene Darstellung
Wie bereits im Kapitel 3.3 ausführlich ausgeführt und mittels der Datenerhebung bekräftigt
wurde, scheint sich die Lage in Russland, was das Thema Homosexualität anbelangt,
zunehmend zu verschlechtern. Der Höhenflug rechtsextremer Parteien und Bewegungen in
Russland wird ein zunehmendes Problem, denn dadurch werden Ressentiments gegen
Minderheiten geschürt. Nicht nur das im März 2012 beschlossene Gesetz in Sankt
57
Petersburg und sechs weiteren Regionen, welches jegliches öffentliches Werben um
Homosexuelle unter Strafe stellt, sondern auch das im Juni 2012 beschlossene
hundertjährige Verbot von Gay Pride Paraden in Russland erschweren beziehungsweise
verhindern eine Markterschließung des Gay Segments in Russland. Die Gesetze bekräftigen
wiederum die Gesellschaft in ihrer homophoben Einstellung gegenüber Homosexuellen und
suggerieren zudem, dass Homosexualität etwas Gefährliches sei.140 Hinzu kommt, dass
auch Filme, Musikvideos, Bücher und Zeitschriften mit homosexuellen Inhalten sowie die
Regenbogenfahne als Symbol der Schwulenbewegung als verboten gelten.141 Die zwei
regelmäßig veröffentlichten Gay Zeitschriften „Kvir“ und „Pinx“ sind nur über das Internet
anzufordern.142 Ende Juli 2012 trat darüber hinaus ein umstrittenes Internet-Gesetz in Kraft,
bei dem Internetseiten ohne Gerichtsbeschluss gesperrt werden können. Dies betrifft neben
Seiten mit kinderpornographischen Inhalten auch Internetseiten, die mit HomosexuellenPropaganda in Verbindung gebracht werden.143 Erst kürzlich forderten religiöse Aktivisten
ein landesweites Verbot des Sozialen Netzwerks Facebook aufgrund der Tatsache, dass die
Plattform neue Icons eingeführt hat, mit denen schwule und lesbische Paare ihren
Familienstand kundtun können. In nur drei Tagen gelang es den Aktivisten, über 34.000
Unterschriften für ihr Anliegen zu sammeln.144 Dass Homosexualität ein stark tabuisiertes
Thema in der russischen Gesellschaft darstellt, kann wohl kaum besser verdeutlicht werden.
Aufgrund dieser zahlreichen Faktoren, die eine Erreichbarkeit der Zielgruppe massiv
erschweren, ist von einer derzeitigen Markterschließung des Segments abzuraten.
7.2 Ansätze für eine Marktbearbeitung des Gay Segments in Polen
Im traditionell stark katholisch geprägten Polen stößt die Thematik Homosexualität auf
viele Kontroversen, jedoch wird das Thema zunehmend diskutiert. Insbesondere in den
Großstädten Warschau, Krakau und Poznan ist eine stetig steigende Akzeptanz zu
verzeichnen. Dennoch werden Homosexuelle nach wie vor nicht als normaler Bestandteil
der gesellschaftlichen Vielfalt angesehen. Angesichts dieser Tatsache sollte die
140
Interview mit O3 am 01.08.2012
Vgl. Stern (2012b)
142
Interview mit O3 am 01.08.2012
143
Vgl. Arte (2012)
144
Vgl. Deutsch Russische Nachrichten (2012)
141
58
Kommunikation der Destination an diese Marktgegebenheit angepasst werden, um eine
risikoarme Erschließung des Segments in Polen gewährleisten zu können. Von
homosexuellen Botschaften im Gesamtmarkt sollte für die Marktbearbeitung der
Zielgruppe daher abgesehen werden, denn es ist damit zu rechnen, dass die polnische
Gesellschaft eine explizite Ansprache von Homosexuellen nicht positiv aufnimmt und
folglich von den negativen Imageeffekten abgeschreckt wird. Jedoch bedarf es nicht
zwingend
eines
spezifischen
Ansatzes,
der
ausschließlich
eine
Ansprache
in
zielgruppenspezifischen Medien vorsieht. Eine klare Positionierung gegenüber der
Zielgruppe kann auch durch den Einsatz von Codierungen erreicht werden. Die
Verschlüsselung von Botschaften im Gesamtmarkt erlaubt der Destination, zusätzliche
Marktpotenziale in der schwul-lesbischen Zielgruppe in Polen zu nutzen und ihre
Sympathie für das Segment auszudrücken, ohne dabei andere Konsumenten auszuschließen
oder abzuschrecken. Darüber hinaus wird somit signalisiert, dass die Destination mit der
internen Symbolik der homosexuellen Gemeinschaft vertraut ist. Es sollten insbesondere
zielgruppenrelevante Tourismusaspekte des Landes kommuniziert werden, um Sympathie
für die Destination zu erzeugen. Die im Nachfolgenden angeführten MarketingMaßnahmen dienen der Bekanntmachung einer Destination im Gay Marktsegment des
Quellmarktes Polen sowie dem Aufbau von Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der
homosexuellen Zielgruppe.
Dass die Vermittlung von Glaubwürdigkeit und das Gewinnen von Vertrauen eine
wesentliche
Rolle
für
die
Zielgruppenerschließung
darstellt,
ist
bereits
aus
vorangegangenen Kapiteln hervorgegangen. Echtes Engagement kann beispielsweise durch
Unterstützung gemeinnütziger polnischer Organisationen mit Bezug zur schwul-lesbischen
Zielgruppe vermittelt werden. Wie bereits in Tab. 2 aufgeführt, sind die zwei größten
Organisationen, die sich für die Rechte der LGBT Gemeinschaft in Polen einsetzen, die
Assoziation „Lambda Warsaw“, die Organisation „Campaign Against Homophobia“ sowie
die Assoziation „ILGCN Poland“. Diese Organisationen engagieren sich seit über zehn
Jahren aktiv für Homosexuelle und haben folglich im Laufe der Jahre ein hohes Ansehen
in Gay Segment erlangt. Neben dem Sponsoring von Veranstaltungen lässt sich
Engagement beispielsweise auch durch die Unterstützung von AIDS-Hilfen wie UNAIDS
im Gay Segment vermitteln. Weiterhin können Aufmerksamkeit und Vertrauen der
59
homosexuellen Zielgruppe gewonnen werden durch die Unterstützung von Gay Pride
Veranstaltungen in den Städten Warschau und Krakau. Wie Tab. 2 zu entnehmen ist, sind
die zwei einschlägigsten Gay Events Polens der „Warsaw Pride“, der alljährlich im Juni
stattfindet, sowie der „March of Tolerance“ in Krakau, der jedes Jahr im Mai geplant ist.
Beide Events werden weitgehend von der Bevölkerung in den Großstädten toleriert; in den
letzten Jahren kam es zu keinen größeren Vorkommnissen durch religiöse oder
rechtsextreme Gruppierungen. Durch das Sponsoring der Events profitiert der Sponsor vom
Erhalt von Werbeflächen auf der Parade sowie auf der offiziellen Internetseite der Pride
Events. In Anbetracht der Tatsache, dass an diesen Veranstaltungen in Polen mehrere
Tausend Schwule und Lesben teilnehmen, stellt diese Maßnahme eine viel versprechende
Option als Eintrittsstrategie in das Gay Segment in Polen dar, um das Engagement für die
Zielgruppe zu vermitteln. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Vertreter der
Tourismusorganisation die Events in Polen durch persönliche Präsenz und Teilnahme und
somit als Plattform und Anknüpfungspunkt für Kommunikationsmaßnahmen nutzen. Die
Teilnahme
sollte
durch
Promotion-Aktionen
unterstützt
werden.
Denkbar
sind
beispielsweise die Verteilung von Flyern, Gay Guides über die Destination, sofern welche
vorhanden, und Give-Aways. Der Kreativität des Werbenden sind dabei keine Grenzen
gesetzt. Das wohl verbreitetste Give-Away auf solchen Veranstaltungen sind Präservative,
die
mit
dem
Logo
des
Werbenden
gebrandet
sind,
in
diesem
Falle
der
Tourismusorganisation. Die beiden Events in Polen eignen sich insofern besonders gut für
die Bekanntmachung der Destination im Gay Segment, als ihre Reichweite aufgrund
größerer Bekanntheit außerhalb derer jedes Printmediums liegt und die Streuverluste gering
sind. Alle Aktivitäten des Gay Marketing der Destination sollten zudem von Anfang an
durch intensive Pressearbeit begleitet werden. Dabei geht es
darum, positive
Aufmerksamkeit in den spezifisch schwul-lesbischen Medien zu erreichen. So besteht zum
Beispiel die Möglichkeit, Presseeinladungen an polnische Journalisten, die für
zielgruppenspezifische Magazine in Polen schreiben, zu versenden und für diese
Medienvertreter Pressereisen in die Destination zu organisieren. Hierbei kommen die
Zeitschriften „Replika“ und das neu erschienene Magazin „Pride“ in Frage.145 Auf diese
Weise können sich die Medienvertreter ein persönliches Bild von der Destination machen
145
Interview mit O2 am 09.08.2012
60
und im Anschluss darüber in den zielgruppenspezifischen Magazinen berichten. Des
Weiteren sind bezahlte Anzeigen in den genannten zielgruppenspezifischen Magazinen
möglich; es sollte jedoch bedacht werden, dass dem Artikel des Journalisten mehr
Vertrauen entgegengebracht wird als einer bezahlten Anzeige. Die Pressearbeit ist in jedem
Fall von zentraler Bedeutung für den Imageaufbau sowie die Vermittlung von Neuigkeiten
und Besonderheiten aus der Destination. Ausgehend von einer hohen Affinität der
Zielgruppe zur Kommunikationsplattform Internet und mit der Absicht, eine möglichst
große Anzahl von homosexuellen Kunden, auch jenseits der schwul-lesbischen
Ballungsräume, zu erreichen, könnte ebenso im Internet mit Bannern Werbung gestaltet
werden und auf oft frequentierten zielgruppenspezifischen Internet-Portalen geschaltet
werden. Zu diesen zählen in Polen Gejowo.pl, Innastrona.pl sowie Homiki.pl.146
Schließlich ergab die Auswertung der Interviewbögen, dass soziale Netzwerke im Internet
zunehmend als eine geeignete Kommunikationsplattform zur Zielgruppenansprache
angesehen werden. So können beispielsweise auf den Seiten der polnischen LGBT
Organisationen wie „Lambda Warsaw Association“ Mitteilungen beziehungsweise
Neuigkeiten über die Destination und ihre Marketing-Aktivitäten hinterlassen werden.
Die aufgeführten Marketing-Maßnahmen sollten grundsätzlich nachhaltig angelegt sein und
einhergehen mit einer langfristig konzipierten Strategie. In kürzeren Zeiträumen sind keine
verlässlichen Erfahrungen im Umgang mit dem Gay Segment zu gewinnen. Sowie sich die
Destination im polnischen Markt etabliert hat, kann schrittweise ein höheres Ziel
angestrebt, und durch entsprechende Marketing-Maßnahmen umgesetzt werden (siehe Tab.
3). Eine Realisierung der in diesem Abschnitt genannten Kommunikationsmaßnahmen ist
abhängig von dem verfügbaren Marketing-Etat der jeweiligen Tourismusorganisation.
Das Land Polen soll für dieses Kapitel als ein Beispiel dafür dienen, wie sich eine mögliche
Marktbearbeitung der homosexuellen Zielgruppe in einem osteuropäischen Land, in dem
Homosexualität immer noch ein heikles Thema darstellt, gestalten lässt. Für andere
osteuropäische Quellmärkte, in denen ähnliche länderspezifische Gegebenheiten herrschen,
sind die Handlungsempfehlungen in gewissem Maße durchaus übertragbar. Allgemein gilt,
dass in den Staaten Osteuropas mit einer sehr niedrigen Akzeptanz gegenüber
146
Interview mit O2 am 09.08.2012
61
Homosexuellen, die Ansprache dieses Segments in zielgruppenspezifischen Medien oder in
codierter Form stattfinden sollte, um die Gefahr von negativen Imageeffekten zu
vermeiden.
8. Fazit und Ausblick
Ziel dieser Arbeit war es herauszufinden, inwieweit das homosexuelle Segment in
Osteuropa bereits beworben wird und welche Chancen und Risiken eine Erschließung der
Zielgruppe in Osteuropa für Tourismusorganisationen birgt, um sodann länderbezogene
Handlungsempfehlungen hinsichtlich einer geeigneten Marktbearbeitung herauszuarbeiten.
Aus den erhobenen Daten der Primärforschung wurde die Erkenntnis gewonnen, dass die
homosexuelle Zielgruppe bisher nur mit einigen Einzelaktivitäten und kleineren
Kampagnen von wenigen Tourismusorganisationen Osteuropas beworben wurde. Es
existieren jedoch keine fundierten, nachhaltigen Marketing-Ansätze wie etwa in
zahlreichen westeuropäischen Ländern, in denen das Gay Marketing bereits ein wichtiger
Bestandteil der touristischen Vermarktung geworden ist. Die unerschlossenen Märkte
Osteuropas bergen daher ein großes Potential, jedoch auch Risiken, die je nach Land
unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Das wohl größte Risiko stellt die weit verbreitete
Homophobie in Osteuropa dar, die auf einer jahrzehntelangen kommunistischen
Propaganda und einer in weiten Teilen Osteuropas stark verwurzelten Religiosität basiert.
Besonders stark ausgeprägt ist dieser Homosexuellen-Hass in Russland, der zusätzlich
durch eine homophobe Gesetzgebung geschürt wird. Unter Berücksichtigung weiterer
relevanter Einflussfaktoren auf die Marktbearbeitung in Russland, wird deutlich, dass die
Hürden für eine Erschließung des Gay Segments derzeitig unüberwindbar sind. In anderen
Ländern hingegen wie beispielsweise Polen verbessern sich die gesellschaftlichen
Bedingungen Schritt für Schritt und bieten daher die Möglichkeit, diese Märkte mit einer
den
länderspezifischen
Gegebenheiten
angepassten
Marketing-Kommunikation
zu
erschließen. Um die Risiken bei der Erschließung der homosexuellen Zielgruppe in
osteuropäischen Ländern zu minimieren, sind Marktforschungen in den Quellmärkten
notwendig, um umfangreiche Informationen über die homosexuelle Zielgruppe zu erfassen
und daraus Erkenntnisse für die Marketing-Strategie zu gewinnen, da repräsentative
62
Marktforschungsstudien über das LGBT Segment in den osteuropäischen Ländern bisher
nicht vorhanden sind. Anschließend stellt die Prüfung des eigenen Angebots auf
Kompatibilität
mit
der
homosexuellen
Zielgruppe
eine
unbedingt
erforderliche
Grundlagenarbeit dar. Nur wenn das eigene Angebot kompatibel mit der Zielgruppe ist,
kann eine Erschließung der Zielgruppe erfolgreich sein. Weiterhin sind die Faktoren
Glaubwürdigkeit
sowie
Nachhaltigkeit
entscheidend
für
den
Erfolg
der
Zielgruppenansprache. Loyale Kunden lassen sich in diesem Segment nur dann gewinnen,
wenn es der Destination gelingt, sich glaubhaft in der Zielgruppe zu positionieren. Gay
Marketing sollte daher einhergehen mit einer umfassenden und langfristig angelegten
Strategie, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Präsenz auf Veranstaltungen der Gay
Community sowie Sponsoring-Aktivitäten einschließt.
In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass sich Gay Tourismus insbesondere in jenen
Ländern Europas etabliert hat, in denen die Gesellschaft zunehmend toleranter und die
Gesetzgebung gegenüber Homosexuellen liberaler geworden ist. Die sexuelle Revolution in
den 1960er Jahren trug in Westeuropa kontinuierlich zu einer Entkriminalisierung und
zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz der Homosexuellen bei. Den osteuropäischen
Staaten
blieben
solche
direkten
Einwirkungen
aufgrund
der
kommunistischen
beziehungsweise sozialistischen Periode versagt. Diese Periode bewirkte äußerst
tiefgreifende politische, wirtschaftliche sowie gesellschaftliche Veränderungen in allen
Lebensbereichen, die noch lange nachwirken werden. Derzeitige Entwicklungen wie das
Inkrafttreten
von
Anti-Homosexuellen-Gesetzen,
fehlende
Antidiskriminierungs-
gesetzgebungen für Homosexuelle sowie gewaltsame Übergriffe auf Gay Pride Paraden
verdeutlichen, dass es noch ein sehr weiter Weg für einige Länder wie beispielsweise
Russland, Weißrussland oder die Ukraine ist, bis sich Gay Tourismus in diesen Staaten
etabliert. Hingegen hat Tschechien das Potenzial dieser Zielgruppe erkannt, zeigt sich
durch die gezielte Ansprache der Zielgruppe bewusst tolerant gegenüber Homosexuellen
und vermittelt dadurch ein hohes Maß an Liberalität. Der Markteintritt weiterer
osteuropäischer Destinationen in das Segment wird bewirken, dass sich auch andere
Nachbarländer mit der Thematik auseinandersetzen und sich die Aufmerksamkeit
gegenüber Homosexuellen als Zielgruppe weiterhin erhöhen wird.
63
Anhang
64
Interview mit NTO2
26. Juli 2012
My name is Anna Scherber. To finish my Bachelor’s degree in International Tourism
Management, I am currently writing my Bachelor thesis about the topic ‘Opportunities and
Threats of Gay Marketing in Eastern European Countries’. The aim of this paper is to
analyse the current situation of gay marketing activities in Eastern Europe and to
reveal possible barriers to tourism organisations wanting to promote gay products on the
East European market.
The interview is part of the data collection of my work. Therefore, I would kindly like to
ask you to answer every question in at least 3 or 4 sentences. All information will be
kept strictly confidential and will be evaluated anonymously.
I appreciate your support! Thank you very much for participating in this study.
1) Is the gay community generally accepted in your country’s society? Can homosexuals
be open about their sexuality or should they travel with caution in your country?
„In the Czech Republic the gay community is generally accepted. Prague is the most
liberal city in our country. In larger cities the acceptance of homosexuality is higher
than in the countryside, but it is getting more and more better.“
2) Is your company already operating in the gay market segment? Are gay tourists one
of your target groups?
-
If yes: How do you reach the gay target group? Which marketing activities do
you use? In which countries do you operate and why? Are you planning to
extend your gay marketing activities in other countries?
„Last year we started to promote gay tourism. Our marketing campaign
promotes the country as a destination for lesbian and gay tourists. The campaign
mostly uses print and online media. A market research confirms that gay and
lesbian tourists constitute approximately ten percent of our travellers. In the
United Kingdom, the Netherlands and Germany the campaign presents the Czech
Republic as a safe, open and tolerant country suitable for gay and lesbian
tourism.“
-
If not: Have you done any kind of promotion for the gay segment in the past?
Are you planning to target this group in the near future? Could you imagine
building a working group or informal interest group who will work and discuss
on gay marketing activities?
65
3) A range of national tourism organisations of Western European countries offer gay
specific products to their homosexual clientele like guided city tours or a gay city
guide as well as gay specific information about the country on their official Internet
website. Do your company offer similar gay specific products or packages?
„We do not provide any gay specific products or packages. But Prague has a
separate web section on the official tourism Internet website with gay specific
information about our capital: http://www.pragueelcome.cz/en/visit/prague-fit-toyour-tastes/queer/ “
-
If yes: What products/services do you offer gay travellers?
4) Several gay marketing studies show that the gay community wants to be addressed
directly with precise advertising messages. Would it be possible to use targeted
advertising like gay specific marketing campaigns in the public or print media?
„Definitely, it is! We didn’t have experienced any problem during our marketing
campaign.”
5) Where do you see possible barriers or pitfalls to tourism businesses wanting to
promote gay tourism products on the East European market?
„Businesses are afraid of their reputation because of the society’s low acceptance
towards homosexuals and the high influence of the church in several countries in
East Europe.“
6) Do you think that promoting gay tourism will damage the image of a company?
„Promoting in gay Tourism won’t damage the image. On the contrary, a lot of people
will be talking about that issue. The company’s awareness will increase. Thus, there
could also arise competitive advantages.“
7) Where do you see your company in the context of gay tourism in the future?
„We hope to be capable to ensure a growing range of services and qualitative
communication to the gay market segment. We are looking forward to expand our
gay marketing activities in the near future.”
66
Interview mit O3
1. August 2012
My name is Anna Scherber. To finish my Bachelor’s degree in International Tourism
Management, I am currently writing my Bachelor thesis about the topic ‘Opportunities and
Threats of Gay Marketing in Eastern European Countries’. The aim of this paper is to
analyse the current situation of gay marketing activities in Eastern Europe and to
reveal possible barriers to tourism businesses wanting to promote gay products on the East
European market.
The interview is part of the data collection of my work. Therefore, I would kindly like to
ask you to answer every question in at least 3 or 4 sentences. All information will be
kept strictly confidential and will be evaluated anonymously.
I appreciate your support! Thank you very much for participating in this study.
1) Is the gay community generally accepted in your country’s society? Can homosexuals
be open about their sexuality or should they travel with caution in your country?
„Unfortunately not! There is still widespread homophobia in Russia. Public opinion
polls show that the majority of the society still believe that homosexuality is a
disorder that need to be treated, or a violence of norms for which the person should
be isolated from the society. In addition, there is a wave of homophobic legislation,
banning the so called ’gay propaganda’ that also suggests that homosexuality is
something dangerous. Generally, same-sex couples should not show their
homosexuality open in Russia.“
2) Several gay marketing studies show that the gay community wants to be addressed
directly with precise advertising messages. Would it be possible to use targeted
advertising like gay specific marketing campaigns in the public or print media?
„Perhaps it would only be possible in a few specific gay magazines, or by
distributing leaflets in specific gay venues. Especially in St. Petersburg openly gay
advertising is not possible in public spaces because of the vague local anti gay
propaganda law and the self-censorship of the advertising companies.”
3) Where do you see possible barriers or pitfalls to tourism businesses wanting to
promote gay tourism products on the East European market?
„Almost every company in Russia does not consider the LGBT community as a target
group to be worked with. Everything that is concerning the gay issue is closeted
because it involves higher risks for the businesses, especially for the image in
Russia.”
67
4) Would you advise against gay promotion in your country because of the religious
influence on your country’s society and little social acceptance of homosexuality?
„No, because the situation won’t change anything. All stakeholders should join their
efforts. I believe that it is especially possible for large international cooperation to
lead the trend, as they are more resistant to certain crisis. At the same time I do think
that gay promotion in Russia is not an easy task because of the social attitude of
ignorance and homophobia.”
5) Does your country have gay specific magazines that tourism businesses could use to
reach and promote the gay target group or any LGBT radio stations in your country?
“Yes, we have the magazines “Queer” and “Pinx”. They are only obtainable through
the Internet. There is also one radio station broadcasting over the Internet, but
unfortunately I can’t remember the name right now.”
6) Could you imagine that domestic gay marketing of your country’s tourism
organisation could contribute enhancing the image of your country?
„Because of the repression of homosexuals in Russia, our country’s image has
suffered internationally. In this way gay marketing would help to enhance the image
of Russia. But unfortunately Russian authorities prevent all types of gay marketing
because of the recently introduced gay propaganda law.”
7) Where do you see your country in the context of gay tourism in the future?
„I think the development of gay tourism in Russia will develop very slowly. It will
probably take a couple of decades before it can really start being a significant part of
the tourism industry. In the nearest future, I think gay tourism will be closeted and
only promoted in gay specific spaces.”
68
Symbolik der Gay Community
Regenbogenflagge
Die Regenbogenflagge, auch Regenbogenfahne genannt, gilt als das
bekannteste Symbol der Homosexualität. Erstmals wurde sie 1978
bei einer Homosexuellendemonstration eingesetzt. Sie steht neben
Vielfalt auch für Lebensfreude und Zusammengehörigkeit.
Lambda
Das griechische Lambda wurde 1970 von der amerikanischen
Schwulenbewegung zum Symbol ernannt und steht für Befreiung.
Heutzutage findet es nur noch selten Verwendung.
Rosa Winkel
Während
der
Hitlerdiktatur
wurden
Homosexuelle
in
den
Konzentrationslagern mit einem rosa Winkel gekennzeichnet. In den
1970er Jahren übernahm die deutsche Schwulenbewegung diesen
Winkel, um ihre Homosexualität öffentlich zu bekennen. Die Farbe
Rosa wird daher auch mit Homosexualität verbunden.
69
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Eidesstattliche Erklärung
Hiermit versichere ich, dass die vorliegende Arbeit von mir selbstständig und ohne
unerlaubte Hilfe angefertigt worden ist, insbesondere dass ich alle Stellen, die wörtlich oder
annähernd wörtlich aus Veröffentlichungen entnommen sind, durch Zitate als solche
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Version mit der digitalen Version übereinstimmt. Weiterhin erkläre ich, dass die Arbeit in
gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen hat. Ich
erkläre mich damit einverstanden, dass die Arbeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
wird. Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die Digitalversion dieser Arbeit zwecks
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(Ort, Datum)
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