PP T H E M E N D E R Z E I T KOMMENTAR D er Trend zu Schönheitsoperationen nimmt immer skurrilere Ausmaße an: Zeitungsannoncen versprechen makellose Schönheit und TV-Live-Operationen verkommen zu Beauty-Soaps. Mitteilungen über kosmetische Eingriffe an Jugendlichen sowie über Patientenakquise aus Friseur- und Kosmetiksalons über obskure Agenturen deuten auf eine beispiellose Kommerzialisierung chirurgischer Eingriffe hin. Während das perioperative Risiko medizinisch indizierter Großeingriffe durch sicherere Narkoseverfahren stetig gesenkt wurde, droht es sich bei kosmetischen Eingriffen (zum Beispiel bei der Fettabsaugung) in fataler Weise umzukehren. Die hohe Sicherheit der operativen Medizin wird im Bereich der Schönheitschirurgie mitunter aufs Spiel gesetzt Nicht die und ist damit faktisch ein Rückschritt für die Patienten. Nach Stellungnahme der Bundesärztekammer, die bereits im Herbst 2004 die Facharztqualifikation forderte, hat nunmehr auch die Politik die Initiative ergriffen und sich mit den so genannten kosmetischen Operationen befasst. Ein Bestreben der Bundesregierung ist es, irreführende und suggestive Werbung für derartige Eingriffe zu verbieten. Das angekündigte hohe Strafmaß von Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder Geldbußen bis zu 50 000 Euro signalisiert, dass von politischer Seite Ernst gemacht wird, um die Entwicklung einzudämmen. Bedauerlich ist es, dass es erst der massiven Initiativen der Bundesärztekammer und einer Ausweitung des Heilmittelwerberechtes seitens des Bundesministeriums bedarf, um Patienten vor den gesundheitlichen Gefahren schönheitschirurgischer Eingriffe zu schützen. An mahnenden Darstellungen hat es auch aus der Ärzteschaft nicht gefehlt. In Publikationen und auf Kongressen der großen Fachgesellschaften wurde immer wieder auf die Risiken hingewiesen. Es stellt sich die Frage, warum die Ärzteschaft nicht selbst eine Kontrolle über diese Auswüchse gewinnen konnte. Das Arztrecht lässt die Ausübung von kosmetischen Eingriffen faktisch für jeden approbierten Arzt zu. Die Behandlungsqualität ist jedoch nur bei qualifizierten Facharztgruppen gesichert, die in ästhetischer Chirurgie weitergebildet sind: für alle Körperregionen der Facharzt für Plastische Chirurgie sowie Ärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“ für regionale ästhetische Chirurgie im Kopf-HalsBereich. Unbenommen ist, dass ein sachgerecht ausgeführter Eingriff bei gründlich weckenden Werbung: Ein seriöser Arzt wird in Kenntnis von Biologie und Pathophysiologie selbst bei größtem Können niemals ein perfektes Ergebnis versprechen beziehungsweise garantieren und somit dafür auch nicht werben. Dennoch kommt es zu unseriösen Darstellungen durch einzelne Kollegen wie durch Betreiber von Privtkliniken.Eben gegen diese Auswüchse der unlauteren Werbung richtet sich die gesetzliche Initiative. Den Schutz der Patienten wird aber eine gesetzliche Regelung mit Einschränkung des Werbeverbotes nicht alleine gewähren können. Hier sind wir Ärzte gefordert, die notwendigen Schritte zu tun, um dem Ausufern des Schönheitswahns entgegenzutreten. Ärztliche Führung der Patienten mit Operationswunsch mit umfassender Aufklärung über die Risiken und Politik, sondern die Ärzte sind gefordert. auch das Abraten zählen zu den primären Aufgaben; erst in zweiüberprüfter Indikation und sorgfältiger ter Linie die Indikationsstellung und die Patientenauswahl einen glücklichen Pa- sorgfältig ausgeführte Operation durch tienten zur Folge hat. Bereits Jacques einen speziell weitergebildeten Facharzt. Joseph, der Pionier der ästhetischen GeJoseph selbst schrieb schon in seinem sichtschirurgie in Berlin, hat 1928 festge- Werk zum Problem von Wahrnehmungsstellt, „. . . dass . . . das Hauptziel der pla- störungen des Körperbildes, die heute stischen Gesichtsoperation darin beste- unter dem Begriff Dysmorphophobiehen muss, die psychische Depression des Syndrom zusammengefasst werden und Patienten zu heilen“. sich auch temporär in der Pubertät im Bei kosmetischen Eingriffen geht es Rahmen der physiologischen Identitätsaber nicht nur alleine um die fachliche findung finden: „Im Allgemeinen empQualifikation bei der Durchführung des fehle ich in solchen Fällen statt OperatiEingriffes inklusive der kritischen Indi- on eine energische Ablenkung durch bekationsstellung, sondern mehr noch um rufliche oder sportliche Tätigkeit.“ Auch die ärztliche Verantwortung. Prof. Dr. von Sir Harold Gillies, dessen Lebensmed. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der leistung in der Rekonstruktiven PlastiBundesärztekammer, stellte unlängst schen Chirurgie lag, können wir heute fest, dass aus der ehemals als ärztliche noch lernen: „Medical ethics demand Kunst aufgefassten Heilkunde heute ei- that we wait until we are consulted even ne qualifizierte Dienstleistung mit einem when a case is screaming for treatment.“ hohen Grad an Verantwortung geworEines neuen Gesetzes bedürfte es den ist. Der Patient wird zum Kunden, demnach nicht. der Arzt zum Dienstleister, Praxis und Krankenhaus werden zum „Profitcen- Univ.-Prof. Dr. med. Peter M. Vogt ter“. Der Patient fordert das Produkt – in Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für diesem Fall das kosmetisch-ästhetische Plastische und Wiederherstellungschirurgie e.V. Klinikum Hannover Oststadt Operationsergebnis – ein. Klinik für Plastische Hand- und WiederherstellungsGerade aber hier liegt das Problem der chirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover, ungeregelten und Begehrlichkeiten Podbielskistraße 380, 30659 Hannover Schönheitsoperationen 116 ⏐ PP⏐ ⏐ Heft 3⏐ ⏐ März 2005 Deutsches Ärzteblatt⏐