Fotos ZIP Java - Chorfantasie/src/Text.java - E - /Users/Ludwig/Kompositionen File Edit Refactor Source Navigate Search Project Run Window Help Quick Access Text.java Package Chorfantasie src (default pack Test JRE System Libr Infos - Notes File Edit Format View 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 Help 69 70 71 72 73 74 75 76 Task List import java.util.Vector; /** * @author Ludwig van Beethoven * @date 22.12.1808 * @place Wien */ Find Fotos public class Musiker { private boolean spielt; private Musizieren musizieren; private M_t melodie; private int takte; public Musiker() { spielt = false; } public void musiziere(int takte, M_t melodie) { spielt = true; musizieren.setzeTakte(takte); musizieren.setzeMelodie(melodie); musizieren.start(); } } enum M_t{ MELODIE_UNKNOWN, MELODIE_1, MELODIE_2, MELODIE_3, MELODIE_4 } public class Musizieren extends Thread{ private int takte = 0; private M_t melodie = M_t.MELODIE_UNKNOWN; @Override public void start() { //erkenne Taktanweisung if(takte != 0){ //setzte Anweisung um in Musik //spiele Musik aus System.out.format(„Spiele Melodie %s für %d Takte“, melodie.toString(), takte); } } public void setzeTakte(int takte){ this.takte = takte; } public void setzeMelodie(M_t melodie){ this.melodie = melodie; } } Outline public class Sänger { static boolean singt = false; private Singen singen; private S_t text; private int takte; public Sänger() { singt = false; } public void singe(int takte, S_t text) { singt = true; singen.setzeTakte(takte); singen.setzeText(text); singen.start(); } } SCHOSTAKOWITSCH enum S_t{ Console 13. Symphonie »Babij Jar« BEETHOVEN Ouvertüre zu »Coriolan« Chorfantasie SANDERLING, Dirigent GOERNE, Bass SCHUCH, Klavier PHILHARMONISCHER CHOR MÜNCHEN AVI Motiv ISABELL AHLHEIT DANIELA GAULRAPP ALICE MCLAUGHLIN FANNY WETZL Freitag 21_04_2017 20 Uhr Samstag 22_04_2017 19 Uhr ZIP Java VALERY GERGIEV Strauss Ab 31. März im Handel erhältlich DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH Symphonie Nr. 13 b-Moll op. 113 »Babij Jar« für Bass-Solo, Männerchor und Orchester nach Gedichten von Jewgenij Jewtuschenko 1. »Babij Jar« (Hexengrund) 2. »Der Witz« 3. »Im Laden« 4. »Ängste« 5. »Karriere« LUDWIG VAN BEETHOVEN Ouvertüre zu »Coriolan« op. 62 Fantasie für Klavier, Chor und Orchester c-Moll op. 80 MICHAEL SANDERLING, Dirigent MATTHIAS GOERNE, Bass HERBERT SCHUCH, Klavier PHILHARMONISCHER CHOR MÜNCHEN, Einstudierung: Andreas Herrmann 118. Spielzeit seit der Gründung 1893 VALERY GERGIEV, Chefdirigent ZUBIN MEHTA, Ehrendirigent PAUL MÜLLER, Intendant 2 Hexengrund und Seelengrund SIGRID NEEF DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH (1906–1975) Symphonie Nr. 13 b-Moll op. 113 »Babij Jar« für Bass-Solo, Männerchor und Orchester nach Gedichten von Jewgenij Jewtuschenko 1. »Babij Jar« (Hexengrund) 2. »Der Witz« 3. »Im Laden« 4. »Ängste« 5. »Karriere« LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN Geboren am 25. (12.) September 1906 in Sankt Petersburg; gestorben am 9. August 1975 in Moskau. TEXTVORLAGE Gedichte von Jewgenij Alexandrowitsch Jewtuschenko (geboren 1933). ENTSTEHUNG Ende 1961 lernte Schostakowitsch das Gedicht »Babij Jar« (Hexengrund) des jungen russischen Schriftstellers Jewgenij Jewtuschenko kennen und vertonte es zwischen März und April 1962 als kantaten­ ähnliches »Orchesterlied«. Der Komponist suchte daraufhin die Bekanntschaft des populären, gleichwohl umstrittenen Dichters und komponierte im Juni / Juli 1962, unter Einbeziehung weiterer Gedichte Jewtuschenkos, eine 5-sätzige Vokalsymphonie, von derem Titelgedicht sich später ihr (nicht authentischer) Beiname »Babij Jar« ableitete. In der erst 1971 erschienenen sowjetischen Erstausgabe wurden die von Schostakowitsch vertonten Texte in einer Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie 3 tendenziös veränderten Version geboten, während zeitgleich bei Sikorski in Hamburg eine textgetreue Edition erschien. URAUFFÜHRUNG Am 18. Dezember 1962 in Moskau (Symphonieorchester der Moskauer Staatlichen Philharmonie und Männerchor-Ensemble des Staatlichen Akademischen Chors der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik und des Gnessin-Instituts unter Leitung von Kyrill Kondraschin; Solist: Witali Gromadski). Die erste Aufführung in der westlichen Hemisphäre fand am 12. Januar 1970 in Philadelphia / USA statt (Philadelphia Orchestra unter Leitung von Eugene Ormandy; Solist: Tom Krause). Dmitrij Schostakowitsch hatte seit seiner 3. Symphonie (»Der 1. Mai«) von 1929 in diesem Genre keinen Text mehr verwendet, und setzte erst wieder mit der 13. Symphonie 1962 auf das Dichterwort. »In den letzten Jahren konnte ich mich davon überzeugen, dass Worte den Menschen besser erreichen als Musik. Leider ist das so. Wenn ich Musik und Wort verbinde, wird es schwerer, meine Intentionen falsch zu verstehen. [...] Worte sind ein gewisser Schutz vor absoluter Stupidität. Worte kann jeder Dummkopf verstehen. Eine absolute Garantie bieten sie zwar nicht, doch macht der Text die Musik leichter verständlich.« Tatsächlich ist in der 13. Symphonie wenig misszuverstehen, dafür die Gefahr groß, einiges zu überhören. »SIBIRISCH-SCHAMANISTISCHES TALENT« Schostakowitsch zählte zur Zeit der Komposition 56 Jahre. Was interessierte ihn an dem damals 29-jährigen Jewgenij Jewtuschenko ? Die von diesem vollzogene kopernikanische Wende. Einst ein Nachahmer des legendären Wladimir Majakowski, wandte sich Jewtuschenko von dessen Kult des Hasses ab, entfaltete dafür Mitgefühl. Exem­plarische Bedeutsamkeit erhielt das Gedicht »Babij Jar« von 1961, ein Einfühlungspoem in die Opfer jahrhundertealten Hasses: »Mir scheint – ich bin ein Jude«. Jewtuschenkos Verwandlungskunst hat biographische Wurzeln. Heiner Müller bezeichnete ihn, den er 1995 auf die Bühne des Berliner Ensembles geholt hatte, als ein »sibirisch-schamanistisches« Talent. Tatsächlich fühlte sich der 1933 geborene Jewtuschenko zeitlebens als Sibirier, auch wenn er in der sowjetrussischen Hauptstadt aufwuchs. In mitreißender Weise re- Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie 4 zitierte er Gedichte, füllte Fußballstadien nicht nur in Moskau, Leningrad, Kiew und Tbilissi, sondern auch im westlichen Ausland. Seine Poesie wurde Massenkunst, war aufrüttelnd, verstörend, irritierend. Tausende lauschten ihm, und in mehr als 20 Sprachen las man seine Verse. Von den Oberen argwöhnisch beäugt, von den Kollegen beneidet, hatte er bei der Jugend den Status eines Popstars. In den 1980er Jahren avancierte Jewtuschenko mit »Beerenreiche Gegend« zum Romanautor und machte mit den Filmen »Kindergarten« sowie »Stalins Begräbnis« als Filmregisseur Furore. Während der Putsch-Tage 1991 erwies sich der Dichter als mutiger Bürger, stieg mit Boris Jelzin auf die vor dem Moskauer Parlamentsgebäude aufgefahrenen Panzer und verteidigte die junge Demokratie. Seinem Erlebnisbericht gab er den schönen Titel »Stirb nicht vor deinem Tod«. VOM ORCHESTERLIED ZUR 5-SÄTZIGEN SYMPHONIE Das Poem »Babij Jar« rief 1961 in Sowjetrussland heftige Diskussionen hervor, wurde doch darin der offiziellen nationalistischen Doktrin Paroli geboten. Wahrer Patriotismus sei mit Antisemitismus unvereinbar, so das Credo Jewtuschenkos. Schostakowitsch fand hier seine eigene Überzeugung kongenial in Worte gefasst und setzte das Gedicht Anfang 1962 in Musik. Dabei sollte es nicht bleiben. In den Sommermonaten 1962 vertonte er weitere Gedichte Jewtuschenkos aus dem derzeit gerade erschienenen Sammelband »Eine Handbewegung« (Wsmach ruki). Das vokal-symphonische Poem »Babij Jar« wurde nun Teil einer insgesamt 5-sätzigen Symphonie. Den Anstoß dazu gab ein Erlebnis im Moskauer Prominenten-Krankenhaus. Der Komponist hatte sich dort im Mai 1962 von einem Arzt behandeln lassen müssen, der namhaft geworden war, weil er als Agent Provocateur im letzten von Stalin selbst noch geplanten antisemitischen Komplott agiert hatte, der sogenannten »jüdischen Ärzteverschwörung« von 1952. Im post-stalinistischen Russland lebten – ähnlich wie im post-hitlerschen Deutschland – Täter wie Opfer nebeneinander, und zwischen ihnen wuchs bereits eine neue Generation auf. In Stalins Russland gab es kein Auschwitz, aber es gab die Umsiedlung russischer Bürger jüdischer Abstammung »in die Wüste«, nach Birobidshan. Öffentlich konnte man über Antisemitismus nicht reden, dieses Thema war tabu. Sowjetrussland hatte einst Hitler-Deutschland besiegt und damit der faschistischen Judenverfolgung ein Ende gesetzt. Internationalismus war Staatsdoktrin. Ungeachtet dessen initiierte Stalin nach altbewährtem Muster bei Krisensituationen antisemitische Aktionen. Das löste Verwirrung aus, war doch der russische Kommunismus angetreten mit dem Versprechen allgemeiner Menschheitsbefreiung. In dieser Verwirrtheit wuchsen neue Generationen heran, machte sich in Russland Nationalismus breit. »BANALITÄT DES BÖSEN« Da schreckte ein Prozess die Weltöffentlichkeit auf. 1960 hatte der israelische Geheimdienst den Mann gestellt, der als Leiter des Judenreferats unter Hitler die sogenannte »Endlösung« organisiert hatte, den Transport jüdischer Menschen in Vernichtungslager: Adolf Eichmann. Ihm wurde in Tel Aviv der Prozess gemacht. Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie 5 Zutage trat dabei die »Banalität des Bösen«. Bis zuletzt hielt sich Adolf Eichmann für einen pflichtgetreuen, unschuldigen Beamten und Patrioten, der lediglich an der Meisterung eines Organisationsproblems mitgewirkt habe und keine Verantwortung für die Ermordung von Millionen jüdischer Menschen trage. War die Aufarbeitung des Vergangenen und damit die Bewältigung der Gegenwart nicht getrübt durch eine falsche Optik, die unter dem »Bösen« immer nur das Außergewöhnliche verstand ? Übrigens war Adolf Eichmann im gleichen Jahr wie Schostakowitsch geboren, also 1906. Am 15. Dezember 1961 zum Tode verurteilt, wurde er am 19. März des da­ rauffolgenden Jahres hingerichtet. Musste danach Antifaschismus nicht neu definiert werden ? So entstand 1960 im geteilten Deutschland eine vokal-symphonische »Jüdische Chronik«, die gemeinsame Arbeit zweier ostdeutscher und dreier westdeutscher Komponisten (Paul Dessau und Rudolf Wagner-Régeny / Boris Blacher, Karl Amadeus Hartmann und Hans Werner Henze). Rolf Hochhuths Schauspiel »Der Stellvertreter« folgte 1963, in dem die Frage nach der Verantwortung der Katholiken am Holocaust gestellt wurde. Peter Weiss schuf 1965 das Dokumentar-Drama »Die Ermittlung«, ein von Luigi Nono in Töne gesetztes »Auschwitz-Oratorium in 11 Gesängen«. In diese Tradition ordnete sich die »Babij Jar«-Symphonie von 1962 Schostakowitsch an seinem Schreibtisch (1960) Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie 6 ein, wobei Schostakowitsch eine eigene Tradition begründete, die der jüdischen Thematik in seinen Kompositionen. 1. SATZ: »BABIJ JAR« »Babij Jar« (Hexengrund) heißt eine Schlucht bei Kiew, in der am 29. September 1941 die deutsche Wehrmacht und ein SS-Sonderkommando 30.000 (andere Quellen nennen die Zahl 34.000) ukrainische Juden – Männer, Frauen und Kinder – zusammentrieb, innerhalb von 36 Stunden erschoss und verscharrte. Nach dem Krieg wurde dieser Schreckensort »befriedet«, man nutzte ihn als Müllhalde, trug diese dann wieder ab und errichtete ein Sportstadion, baute dort schließlich Hochhäuser. Allein der 1911 geborene ukrainische Dichter Viktor Nekrassow legte an jedem Jahrestag des Geschehens in »Babij Jar« Blumen nieder, lange Zeit das einzige Erinnerungszeichen, wenn man von einem Gedicht Ilja Ehrenburgs über »Babij Jar« absieht. Hatte Nekrassow noch 1947 für seinen authentischen Bericht »In den Schützengräben Stalingrads« den Stalin-Preis erhalten, so musste er 1974 emigrieren und starb 1987 in Paris. Ob es zum Bau eines Gedenkmonuments in »Babij Jar« kommen würde, was in der Tat in den 1970er Jahren geschah, war für Schostakowitsch wie Jewtuschenko nebensächlich – ihnen ging es mit ihrem »Hexengrund« (Babij Jar) um die Sensibilisierung des menschlichen »Seelengrunds«. VON GRAUER MASSE ZUM MUTIGEN WIR Schostakowitsch besetzte den Chor ausschließlich mit Bassstimmen, ein für jeden interessierten Russen sofort erkennbarer Hinweis auf eines der bedeutendsten Werke der russischen Musik, nämlich auf Jew­ stignej Fomins Melodrama »Orpheus« von 1792, das man in Russland gerade erst 1953 wiederentdeckt hatte; der Textdichter war 1791 unter der Folter gestorben. »Golos« (Stimme) hatte Fomin seinen ausschließlich aus Bässen bestehenden Chor genannt und damit die »Stimme des kollektiven Gedächtnisses« gemeint. Bei Schostakowitsch tritt der Solo-Bass als ein Primus inter pares, als sich exponierender Teil des nationalen Gewissens in Erscheinung und zwar mit den Worten: »Ich glaube, ich bin jetzt ein Jude«. Kollektiv wie Einzelperson treiben sich gegenseitig beim Er- und Bekennen voran, in den Schlussversen gipfelnd: »Ich habe kein jüdisches Blut in den Adern. Aber verhasst bin ich allen Antisemiten. (...) Und deshalb bin ich – ein wirklicher Russe !« An die Stelle des sklavischen, kläglichen Wir der stalinistischen Vergangenheit ist ein erkenntnis- und verantwortungsbewusstes Wir getreten. DER ZUSAMMENHANG VON ALLEM SEIENDEN Es kommt im 1. Satz zum mehrmaligen Perspektivenwechsel. Von »Babij Jar« geht der Blick nach Ägypten und Golgatha (»Ich glaube, ich bin jetzt eine Jude«), dann ins Frankreich des 19. Jahrhunderts (»Dreyfus, auch er, das bin ich«), darauf nach Bialystok, zum polnischen Judenpogrom kurz vor dem 1. Weltkrieg (»Mir scheint, ich bin jetzt ein kleiner Junge in Bialystok«), zuletzt in das von den deutschen Faschisten besetzte Amsterdam (»Mir scheint – ich bin Anne Frank«). Als alttestamentarischer Jude zieht das Ich durch Ägypten, wird als Jude Christus ans Kreuz Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie 7 geschlagen, als Jude Dreyfus verhöhnt und verspottet, spürt als Kind in Bialystok die Stiefel der polnischen Antisemiten, hofft als Anne Frank vergeblich, dass die sich dem Versteck nähernden Schritte den Frühling künden und nicht den Tod. Einfühlung und Verwandlung vollziehen sich in Wort wie Musik. In der Kneipenszene in Bialystok zwingt eine Polka dem Opfer den widerlichen Ton der Täter auf. Ein zerbrechlicher Walzer imaginiert die Frühlingsvision der jungen Anne Frank, die Bassstimme wird hell und leicht, quasi mädchenhaft. Musik als Verwandlungskünstlerin, aber auch Stifterin von Kohärenz: Viermal kehrt eine Adagio-Musik als instrumentales Ritornell wieder und stellt so den Zusammenhang zwischen den verschiedenen, in Raum und Zeit verstreuten Ereignissen her. Über einem schreitenden Bassthema in den Streichern erheben sich düstere, in hohle Quint- und Quartklänge mündende Signaltöne der Hörner und Trompeten. Eine Glocke schlägt die Stunde, unbestechlich gegenüber allen, Gerechten wie Ungerechten. Zwar sind die »Gedichte zu verschiedenen Zeiten veröffentlicht worden und unterschiedlichen Themen gewidmet, doch wollte ich sie durch die Musik miteinander verbinden, schrieb also eine Symphonie und nicht eine Reihe einzelner Bilder«, so Schostakowitsch. 2. SATZ: »DER WITZ« Der 2. Satz ist ein Scherzo, in dem das Lachen und Scherzen selbst thematisiert wird. Jewtuschenko entschied sich bei seinem Gedicht von 1960 für die Bezeichnung »Humor«, d. h. für ein Fremdwort in der russischen Sprache. Lachen ist international. Altem Volkswitz entsprechend, personifizierte Jewtuschenko das Lachen und spielte auf Episoden aus dem Leben historischer Spaßmacher der verschiedensten Kulturen und Zeiten an. Er folgte dabei der Devise: »Der Humor schaut sich selbst mit Humor an«. Als Person wird das Lachen von den »Untermenschen« geliebt und verehrt, von den Mächtigen hingegen gefürchtet und verfolgt; als Geisteshaltung bleibt Lachen letztlich unfassbar. Schostakowitsch hat seine Musik auf den Volkswitz eingestellt, die Töne jagen in einem fort und tragen den guten Geist des Lachens in flottem Tempo dahin. Es ist der Ton der Skomorochen, der altrussischen Jahrmarktsgaukler, wie er sich durch Schellengerassel und Kasta­ gnettengeklapper ebenso kundtut wie in den Eskapaden von Solovioline und Piccoloflöte. 3. SATZ »IM LADEN« Das Sujet des 3. Satzes ist ungewöhnlich. Puristen der »hehren Kunst« haben sich darüber mokiert, denn sein Handlungsort ist einer der vielen russischen Lebensmittelläden. Hierher verirrt sich eines Tages ein Mann, das lyrische Ich der Symphonie. Während er sich in die lange Warteschlange der Frauen einreiht, entdeckt er ihr stilles Heldentum. Die Musik identifiziert sich mit dem Ich, zeichnet seine zunehmende Ergriffenheit. Die Einleitung greift den Adagio-Ton des 1. Satzes auf. Dann imaginiert die Musik das Scheppern »der Kübel und Flaschen«: leises Kastagnettenklappern, unterstützt von Klavier und Holz. Doch alsbald wächst dieser trockene Ton zur übergreifenden Klangmetapher, wird fordernd, gespenstisch, schicksalhaft, imaginiert das Ticken einer Uhr, wird zur Chiffre für verrinnende Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie 8 Zeit. Auf dem Höhepunkt, einem Orchestercrescendo, zieht das Ich mit Emphase das Fazit: Was hier geschieht, »das ist unsere Ehre und Gericht« (Eto nascha tschest i sud). Schostakowitsch geht auf die im Text versteckten religiösen Hinweise ein, wechselt zu einem »Dies irae«-Ton, wenn davon die Rede ist, dass es »sündhaft« (greschno) und »schändlich« (postydno) sei, diese Frauen zu betrügen. Wobei mit »betrügen« und dem Begriff vom »falschen Maß« nicht nur der Lebensmittelladen und die Verkäufer gemeint sind, sondern im biblischen Sinne die Oberen, die diese Frauen, »die guten Götter der Familien«, um ihre Lebenszeit bringen. Denn Warten und immer wieder Warten, ob im Laden oder auf den Ämtern, war das Los sowjetischer Frauen. Der Satz endet mit einer Hommage auf die »heiligen Hände« dieser Frauen, einer Entlehnung aus dem Gedicht Arthur Rimbauds »Les Mains de Jeanne-Marie« (Die Hände von Jeanne-Marie) – übrigens sollte auch Luigi Nono 1975 auf dieses Gedicht und die »heiligen Frauenhände« in seiner musikalisch-theatralischen Aktion »Al gran sole carico d’amore« zurückkommen. Am Schluss wird der biblische Subtext mit zwei vom Chor gesungenen »Glocken-­ Akkorden« auf die Silben »pra« und »ich« bekräftigt und zwar zu den vom Solisten gesungenen Worten »prawednyje ich« (ihre heiligen Hände). Ein niedriges Sujet ? Wer Ohren hat, der höre. 4. SATZ: »ÄNGSTE« Die Sätze »Im Laden«, »Ängste« und »Karriere« haben attacca aufeinander zu folgen. Das ist so beeindruckend wie logisch: Aus dem »Laden« dringt der dunkle Gesang der Violoncelli und Bässe herüber; neu hin- zu kommt ein leise verhaltenes, immerwährendes Trommeln, und über beiden Schichten reckt sich ein 11-töniges chromatisches Motiv in der Solo-Tuba empor, das Klangsymbol für Angst: Angst vor Verhaftung und Exekution war eine grundlegende Erfahrung der Stalinzeit. Schostakowitsch teilte sie mit der Mehrzahl seiner Landsleute; ihr hat er auch in seinen »wortlosen« Symphonien Ausdruck gegeben. Deshalb ist es nur folgerichtig, wenn die Idee zu diesem Satz von Schostakowitsch selbst stammte; er erbat sich von Jewtuschenko entsprechende Verse und gestaltete manche sprachliche Wendung mit. Chor und Solist stehen sich hier im Sinne von Gefühl und Vernunft gegenüber. Das Gefühl beginnt mit der Hoffnung: »Gestorben sind in Russland die Ängste« (Umirajut w Rossii strachi), d. h. mit dem Ende des Schreckensregimes brauche keiner mehr Angst zu haben. Doch die Musik widerspricht – noch hat man sich von den Ängsten nicht befreien können. Die Vernunft versucht Befreiung durch Lachen, parodiert die einstige Kraft und Herrlichkeit der Angst. Das Gefühl ist ermuntert: »Gestorben sind die Ängste in Russland«. Doch die alte Angst steigt wieder empor: Gläserne Klänge, eisige Höhen, die Glocke schlägt wie im 1. Satz und thematisiert Totengedenken und die unbestechlich voranschreitende Zeit. Dann kommt ein bemerkenswerter Einschub. Jewtuschenkos Text artikuliert den seltsamen Widerspruch, dass die Russen »keine Furcht hatten, im Schneesturm zu bauen, / im Granathagel zum Kampf zu ziehn, / Aber manchmal hatten wir tödliches Grauen / Mit uns selbst ins Gericht zu gehn...«. Schostakowitsch unterlegte diesen Zeilen eine Melodie aus seiner 11. Sym- Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie 9 phonie; dort wie hier erklingt das Zitat eines Gefangenenliedes mit dem Titel »Der Arrestant«. »Stalinzeit« währt so lange, wie der Mensch Gefangener von Angst ist. Das war 1957 auch die Botschaft von Schostakowitschs 11. Symphonie gewesen, von vielen nicht verstanden. Entsprechend sieht die Vernunft neue Ängste entstehen, die allegretto einhergetanzt kommen, und die Musik schaltet zum Largo des Beginns zurück: Noch sind die alten Ängste nicht gestorben und schon sind neue erwacht. 5. SATZ: »KARRIERE« In das ausklingende Largo hinein erhebt sich über dunklem Grund in hellem B-Dur der freundliche Gesang zweier Flöten. Ende gut – alles gut ? Unentwegt plappert banal und aufdringlich ein Fagott. Es steht für den Spießbürger und bequemen Denker, der Karriere predigt und darunter ein angepasstes Leben bei äußerem Wohlergehen versteht; der für problematische Lebensverläufe, wie die eines Galilei, nur Verachtung und Spott übrig hat. Das lyrische Ich lässt sich auf keinen Disput ein und schneidet dem Fagott den Ton ab. Das kollektive Wir lässt daraufhin Shakespeare, Pasteur, Newton und Tolstoi als die wahren Karrieristen hochleben. Ein Leckerbissen für Eingeweihte ist es, wenn der Solist beim kollektiven Loblied auf Tolstoi besorgt fragt: »Lew ?« Denn der berühmten Tolstois gab Schostakowitsch mit Kondraschin und Jewtuschenko nach der Uraufführung der 13. Symphonie am 18. Dezember 1962. Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie 10 es zwei: Lew und Alexej. War Lew (Leo) groß als Mensch wie als Künstler, blieb Alexej eine klägliche Erscheinung – wenn auch von Stalin hochgeschätzt. Wenn Jewtuschenko wünscht, dass »Karrieren des Mitgefühls« Schule machen sollten, lässt Schostakowitsch sinnentsprechend ein Fugato folgen. Dann aber mahnt die Glocke, schlägt die Stunde, folgt der Schlussaphorismus: »Ich selbst mache Karriere, indem ich keine mache.« Die Musik »spricht« von der Möglichkeit, hochfliegendes Wünschen aufzugeben und im kleinen Kreis glücklich zu sein: Das Orchesterinstrumentarium wird auf die Streichergruppe minimiert, das Fugato-Thema fungiert nun als Hauptthema eines QuasiStreichquartettsatzes. Die Celesta spielt eine »musica angelica« und der letzte Glockenton erstirbt morendo. Hier findet ein letzter Perspektivenwechsel statt, die Betrachtung der Karrieren aus himmlischer Höhe – wobei sich alles in Nichts auflöst. Genau diesen Perspektivenwechsel thematisierte Jewtuschenko auch in seinem Roman »Beerenreiche Gegend«. Der Erzähler schaut dort aus einer Raumflugkapsel auf die Erde herab. Die ihn einst bedrängenden Ängste werden klein und nichtig, die Seele beruhigt sich, die Gedanken werden weit und groß. DIE SCHWIERIGE URAUFFÜHRUNG Von vornherein stand für Schostakowitsch fest: »Ein Dummkopf von Sänger taugt für die Solopartie nicht.« Daher begab er sich bereits vor Fertigstellung der Komposition auf die Suche. In Boris Gmyrja (1903– 1969), einem Solisten der Kiewer Oper, den er seit 1953 kannte, glaubte er den geeigneten Interpreten gefunden zu haben. Gmyrja fühlte sich geehrt, war hocherfreut, und sie verabredeten sich bereits im Spätsommer 1962 zu ersten Proben. Plötzlich sagte Gmyrja ab: Die ukrainische Obrigkeit hatte ihm verboten, an der Uraufführung der »Judensymphonie« mitzuwirken. Mit dem zweiten Sänger lief es nicht besser; der stammte vom Bolschoi-Theater und stieg ohne Vorwarnung am Tag der Uraufführung aus. Sein Double, Witali Gromadski, sprang ein – die bis zum letzten Platz ausverkaufte Generalprobe und die Uraufführung waren gerettet. Es gab für Schostakowitsch keinen Zweifel, dass Jewgenij Mrawinski das Dirigat der 13. Symphonie übernehmen würde. Wenige Tage nach Fertigstellung der Komposition fuhr er zu dem alten Freund und stellte ihm das Werk vor. Überraschenderweise zeigte sich Mrawinski an der Uraufführung nicht interessiert, schützte Zeitmangel vor. Die Gründe für Mrawinskis Zurückhaltung sind rätselhaft, hatte er sich doch in weitaus schwierigeren und gefährlicheren Zeiten für Schostakowitsch eingesetzt und sollte dies auch weiterhin tun. Nun wurde das Dirigat Kyrill Kondraschin übertragen. Rangelei um die Uraufführung gab es bis zuletzt. Die für den Vormittag des 18. Dezember 1962 angesetzte Generalprobe wurde abgebrochen. Schostakowitschs Freund Isaak Glikman erinnerte sich: »Gegen Mittag kam ein Anruf aus den höheren Sphären der Partei, und man gestattete die Probe, folglich auch die Uraufführung. Man gestattete sie widerwillig, aus Furcht, ein Verbot der ›Dreizehnten‹ könnte negative Reaktionen im Westen auslösen.« Trotz der Einschüchterungsversuche wurde die Uraufführung ein Erfolg: »Nach dem Finale stand das gesamte Publikum auf, und stürmische Ovationen setzten ein, die Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie 11 unendlich lange anhielten. Die Moskauer Presse äußerte nicht ein einziges Wort über das Konzert. Ihr war befohlen worden, die aufrührerische Symphonie totzuschwei­ gen.« »MUSIK HAT KEINERLEI BEDEUTUNG. WICHTIG IST DAS SUJET !« Die Uraufführung hatte ein politisches Vorspiel, dem ein künstlerisches Nachspiel folgte. Zum Vorspiel gehört die öffentliche Verlautbarung von Nikita Chruschtschow, dass »der Komponist Schostakowitsch ­›irgendeine Symphonie‹ komponiert und damit eine niemandem nützende ›jüdische Frage‹ aufgeworfen habe, obwohl die Faschisten doch nicht nur Juden umgebracht hätten...« Chruschtschow mag zwar als Politiker der sogenannten »Tauwetterperiode« gelten; seine Zeitgenossen aber erlebten ihn als groben und ungebildeten Menschen, der »unbegrenzte Macht besaß, so dass jede seiner Bemerkungen Gesetzeskraft erlangte«. Schostakowitsch hatte auf die Kraft von Jewtuschenkos Versen gesetzt. Seine Intentionen sollten verstanden werden – sie wurden es. Nun präsentierte man ihm die Rechnung: Jewtuschenko hatte nachträglich den Text zu ändern. Schostakowitsch musste Korrekturen zulassen, um weitere Aufführungen der Symphonie im Februar 1963 in Minsk nicht zu gefährden. Statt »Mir ist, als wenn ich selbst ein Jude bin, / Verlass' Ägyptens Land in Todesnöten. / Gekreuzigt spüre ich, wie sie mich töten, / Aus Nägelmalen rinnt mein Blut dahin.« hatte der Solist am Anfang von »Babij Jar« zu singen: »Da steh ich, als wäre es an der Kriniza, / Die mir Glauben schenkt an unsere Brüderlichkeit. / Russen liegen hier und Ukrainer, / Mit Juden liegen sie in einer Erde.« Eine andere Veränderung betraf den Schluss des 1. Satzes. Statt »Und schweigend bin ich Widerhall des Schreis, / Von allen, deren Blut man hier vergossen. / Bin selbst der sinnlos hingemähte Greis. / Bin selbst der Kinder eins, die hier erschossen.« hatte es zu lauten: »Ich denke an Russlands Heldentat, / Die dem Faschismus den Weg versperrt. / Bis zum winzigsten Tautropfen / Ist mir nahe sein Wesen und Schicksal.« Schostakowitschs Kommentar zum Zensur­ eingriff lautete: »Die Musik ist wie vorher, sie ist gleich geblieben. Geändert sind ­lediglich die Worte. Wie sagte doch Zar ­Nikolai I. sinnig: ›Musik hat keinerlei Bedeutung. Wichtig ist das Sujet !‹« Bis zu seinem Lebensende beging der Komponist jedes Jahr zwei sein Schaffen betreffende Gedenktage: am 12. Mai die Premiere seiner 1. Symphonie und am 20. Juli die Beendigung seiner »Dreizehnten«. EIN OPUS IUDAICUM ? Vordergründig ist die 13. Symphonie keine explizit »jüdische Symphonie«, kein »Opus iudaicum«. Und doch: mit der lapidaren Klarheit des Vokalparts, seiner sowohl einzelnen Worten wie auch einzelnen Vokalen und Konsonanten Sinn gebenden Musizierhaltung entsprach Schostakowitsch zutiefst jüdischem Musikverständnis, wie es im »Sohar«, dem »Heiligen Buch der Kabbala«, festgeschrieben ist. Die Melodie, heißt es dort, solle Konsonanten und Vokale zum Leuchten bringen, um so einen Lichtweg zwischen Erde und Himmel zu bahnen und das Vergängliche auf das Ewige hin auszurichten. Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie 12 Symphonie Nr. 13 NACH GEDICHTEN VON JEWGENIJ JEWTUSCHENKO 1. BABIJ JAR Babij Jar ist eine Schlucht bei Kiew, die im September 1941 zur Kulisse des größten historisch belegten Massenmords der Geschichte wurde: 34.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder wurden hier innerhalb von 36 Stunden durch ein deutsches SSSonderkommando erschossen. Auch in Bialystok fanden blutige Judenprogrome statt: Im Juni 1906 wurden dort von der polnischen Geheimpolizei »Okraina« Tausende von Juden, die gleichzeitig Hoffnungsträger einer politisch-sozialen Veränderung waren, auf brutalste Weise misshandelt und getötet. CHOR Es steht kein Denkmal über Babij Jar. Die steile Schlucht mahnt uns als stummes Zeichen. Die Angst wächst in mir. Es scheint mein Leben gar Bis zur Geburt des Judenvolks zu reichen. SOLO Mir ist, als wenn ich selbst ein Jude bin, Verlass' Ägyptens Land in Todesnöten. Gekreuzigt spüre ich, wie sie mich töten, Aus Nägelmalen rinnt mein Blut dahin. Jetzt bin ich Dreyfus, trag' ich sein Gesicht. Die Spießer, meine Kläger, mein Gericht. Rings seh' ich Gitter, Feinde dicht bei dicht. Muss niederknien, hart angeschrien und angespien. Und feine Dämchen ganz in Brüssler Spitzenfähnchen Stechen mir mit Schirmen ins Gesicht. Jetzt seh' ich mich in Bialystok als Junge. CHOR Blut, Blut bedeckt den Boden rings umher. Es gröhlt betrunkenes Volk mit schwerer Zunge, Nach Wodka und nach Zwiebeln stinkt es sehr. SOLO Hart treten Stiefel mich, wie alles Schwache, Am Boden liegend lässt man mich im Stich. CHOR »Schlagt tot die Juden ! Vaterland erwache !« Ein reicher Händler schändet, Mutter, dich ! »Babij Jar« – Gesangstexte 13 SOLO O Russland, du mein Volk, getreulich denkst du International in deinem Handeln. Doch ehrfurchtslose Frevler suchen längst Die Reinheit deines Namens zu verschandeln. Ich weiß auch um die Güte hierzuland, Doch kürzlich, keiner wagt es zu verbieten, Hat eine Schar Antisemiten sich höhnisch SOLO »Nein, es bricht nur das Eis...« SOLO UND CHOR »Bund des Russenvolks« genannt ! SOLO Und schweigend bin ich Widerhall des Schreis Von allen, deren Blut man hier vergossen. Bin selbst der sinnlos hingemähte Greis. Bin selbst der Kinder eins, die hier erschossen. Was hier geschah: Ich kann es nie vergessen ! SOLO Jetzt scheint es mir: ich selbst bin Anne Frank, Ein knospenzarter Zweig im Frühlingswehen. Ich liebe nur. Was braucht es Worte bang, Wenn ich nur weiß, dass Menschen sich verstehen. Wie wenig Licht und Luft hier im Quartier ! Kein grünes Blatt, der Himmel ist verhangen. Doch eines bleibt: Wir können uns umfangen Voll Zärtlichkeit im dunklen Zimmer hier. CHOR »Wer kommt herauf ?« SOLO »Sei furchtlos, nur das Rauschen Des Windes ruft: der Frühling naht, Sei leis', komm her zu mir Und lass uns Küsse tauschen !« CHOR Über Babij Jar rauscht leis das wilde Gras. Die Bäume blicken streng, wie Richter schauen. Das Schweigen hier ist Aufschrei ohne Maß. Mein Haar erbleicht vor namenlosem Grauen. CHOR Die »Internationale« tönt und gellt, Wenn keine Menschenseele mehr besessen Von Judenfeindschaft hier auf dieser Welt. SOLO Der Juden Blut fließt nicht in meinem Blut. Doch tiefer Hass verfolgt mich bis zum Schlusse: Für Judenfeinde bin ich wie ein Jud'. SOLO UND CHOR Und darum steh' ich hier als wahrer Russe. CHOR »Zerschlägt man die Tür ?« »Babij Jar« – Gesangstexte 14 2. DER WITZ CHOR Doch so bringt ihn keiner zum Schweigen. Äsop war ein um 550 vor Christus lebender griechischer Sklave aus Sardes, der wie Till Eulenspiegel Held eines in der antiken Welt weit verbreiteten Volksbuchs wurde; es beschrieb sein Leben, seine witzigen Einfälle und enthielt seine heute noch berühmten Tierfabeln. Sein türkischer Kollege Nasr-edDin Chodscha (Nasreddin = der Schulmeister) lebte im 13. Jahrhundert und war eine ebenfalls mit Till Eulenspiegel vergleichbare Gestalt, um die sich über 500 literarisch überlieferte Schwänke ranken. Der Sturm auf das Winterpalais der russischen Zaren in St. Petersburg (die heutige »Eremitage« mit ihren weltberühmten Kunstsammlungen) leitete am 8. November 1917 die bolschewistische Revolution ein. SOLO Cäsaren, Regenten und Könige, Die Herren im Rampenlicht, Sie kommandierten nicht wenige, Beim Witz jedoch, beim Witz jedoch ging das nicht. Zu Leuten mit Ruhm und Besitz, Die lebten so hin in Saus und Braus, SOLO UND CHOR Kam einst der Äsop voller Witz: Da sahen sie gleich wie Bettelpack aus. SOLO Es kriechen, den Blick himmelwärts, Die Heuchler mit schleimiger Schneckenspur, SOLO UND CHOR Von Nasreddin Hodscha ein Scherz Fegt alle weg wie 'ne Schachfigur ! SOLO Man wollte den Witz einfach kaufen, SOLO Man rief: »Knallt den Witz über'n Haufen !« CHOR Da tät' er das Hinterteil zeigen! SOLO Der Kampf mit dem Witz fällt äußerst schwer. Einst köpften ihn die Strelitzen CHOR Und zeigten den blutigen Schädel her Auf ihren Lanzenspitzen. SOLO Da zogen mit Pauken und Trara Die Gaukler zum Mummenschanz. Gleich rief unser Witz: »Bin wieder da !« SOLO UND CHOR Und schmiss seine Beine im Tanz. SOLO Im schäbigen Rock, von allen mit Spott Geplagt und ganz verzagt, Ward er als politischer Feind verklagt Und ging nun den Weg zum Schafott. Voll Demut und Reue der Ärmste schritt Als Sünder dem Jenseits zu. Doch plötzlich er seinen Lumpen entglitt: Da war er weg SOLO UND CHOR Im Nu ! SOLO Man steckte den Witz in den Kerker, Zum Teufel, das hat nicht gereicht. »Babij Jar« – Gesangstexte 15 Dmitrij Schostakowitsch während eines Erholungsurlaubs in Komarowo (1963) »Babij Jar« – Gesangstexte 16 SOLO UND CHOR Trotz Gitter und Stein: Er war stärker Und schritt hindurch ganz leicht. Er hustet, und es schmerzen die Rippen, Doch er hat Tritt gefasst. So stürmt er, ein Lied auf den Lippen, Bewaffnet zum Winterpalast. SOLO Gewöhnt an die Blicke voller Neid, Die schaden ihm sicherlich nicht, Ist er auch zum Witz über sich bereit: Das gibt dem Witz Gewicht. SOLO UND CHOR Er bleibt ewig, Stets wendig, Lebendig. SOLO Frierend stehe ich schon lange, Bis zur Kasse hat man's schwer. In der dichten Menschenschlange Wird es wärmer um mich her. SOLO UND CHOR Frauen warten ohne Ende, Freundlich ist ihr Haus bestellt, Und es halten ihre Hände Stumm das schwerverdiente Geld. SOLO Russlands Frauen, die sich plagen, Für ihr Land mit aller Kraft. Ob es galt, zu betonieren, Zu bepflanzen, zu planieren: SOLO Der Witz kommt an alles heran. SOLO UND CHOR Alles haben sie ertragen, Alles haben sie geschafft. SOLO UND CHOR Hört her: Es lebe der Witz ! Der Witz ist ein tapferer Mann. SOLO Unser Schicksal lastet lange schon Auf den Frauen, die in harter Fron. SOLO UND CHOR Schändlich ist's, sie zu betrügen, Falsch zu wiegen, welch ein Hohn ! 3. IM LADEN SOLO Tief vermummt, wie Kampfbrigaden, Stets zur Heldentat bereit, So betreten sie den Laden: Frauen schweigend, Seit an Seit. SOLO Ich bezahle Mehl und Flaschen, Sehe noch im Lampenschein Die vom Tragen ihrer Taschen Müden Hände, gut und rein. CHOR Oh, sie klappern mit den Kübeln Mit den leeren Kannen laut, Und es riecht nach Gurken, Zwiebeln, Räucherfisch und Bohnenkraut. »Babij Jar« – Gesangstexte 17 4. ÄNGSTE CHOR Die Ängste in Russland sind tot, Wie Phantome aus alter Zeit, Alte Frauen gleich im grauen Kleid, Die vor Kirchen erbetteln ihr Brot. SOLO Einst erlebten wir alle mit Schrecken Die Triumphe der Lügenbagage. Ängste lauerten rings in den Ecken Und verschonten nicht eine Etage, Zähmten die Menschen mit hämischer Fratze, Druckten allem ihr Siegel auf, Lehrten schreien, wo Schweigen am Platze, Für den Schrei nahm man Schweigen in Kauf. Fern die Ängste, die wir einmal kannten, Seltsam scheint die Erinnerung mir: Jene Angst vor dem Denunzianten Oder Angst, wenn es klopft an der Tür. Auch die Ängste, mit Fremden zu sprechen Oder gar mit der eigenen Frau. Ängste, die das Vertrauen zerbrechen Nach dem Wandern zu zweit durch das Grau. CHOR Mutig sah man im Schneesturm uns bauen. Trotz Beschuss ging es furchtlos zur Schlacht. Doch wir fürchten sehr zu vertrauen, Kein Gespräch ohne Angst und Verdacht. Doch dies alles warf uns nicht nieder, Weil du deine Ängste bezwangst, Überkam, o mein Russland, nun wieder Deine Feinde die große Angst. SOLO Neue Ängste sich drohend erheben: Angst, nicht ehrlich zu dienen dem Land, Angst, bewusst die Idee aufzugeben, Die schon morgen als Wahrheit erkannt. Angst, sich maßlos zu überschätzen, Angst, auf Worte des andern zu bauen. Angst, durch Argwohn den Freund zu verletzen, Nur sich selbst völlig blind zu vertrauen. CHOR Die Ängste in Russland sind tot... SOLO Und wie ich diese Zeilen hier schreibe, Noch im Banne von Worten und Klang, Fühle ich, eine Angst wird mir bleiben: Ob mir hier auch das Beste gelang. 5. KARRIERE Da es in Russland mehrere historisch bedeutsame Persönlichkeiten namens Tolstoi gab, verweisen Frage- und Antwortspiel erklärend auf Leo Tolstoi, den großen Romancier. In der Antwort des Chors ist die russische Doppelbedeutung des Wortes Lew = Leo = Löwe unüberhörbar. SOLO Die Priester lehrten, dass verblendet Der Galilei in seinem Wahn, CHOR Der Galilei in seinem Wahn. SOLO Erst als sein Leben war beendet, SOLO UND CHOR Begriff man recht, was er getan. »Babij Jar« – Gesangstexte 18 SOLO Ein Wissenschaftler jener Zeit, SOLO UND CHOR Er war wie Galilei gescheit, SOLO Fand auch, dass sich die Erde dreht. CHOR Lew ! Warum man sie mit Dreck beschmierte ? Talent trotzt jeder Diffamie. SOLO Vergessen, wer sie diffamierte, CHOR Doch die es traf, vergisst man nie. SOLO UND CHOR Er hat Familie, ihr versteht. SOLO Sich selbst zum Ruhm, der Frau zur Ehre, Begeht er Hochverrat wie nie und denkt: So mache ich Karriere, SOLO UND CHOR Doch in der Tat zerstört er sie. SOLO Eroberer der Stratosphäre, Ihr Ärzte, an der Pest krepiert, Ihr seid die Helden der Karriere, SOLO UND CHOR Ihr habt mir meinen Weg markiert. SOLO Ich glaube eurem wahren Glauben, Und euer Vorbild bricht mir Bahn. Ich kann Karriere mir erlauben, Grad weil ich nichts dafür getan. SOLO Planetenbahnen zu verstehen, Hat Galilei gewagt. Ihr wisst, SOLO UND CHOR Er wurde weltberühmt. SOLO Wir sehen, Nach Gedichten von Jewgenij Jewtuschenko. Deutsche Nachdichtung von Jörg Morgener. SOLO UND CHOR Er war ein rechter Karrierist ! CHOR Lasst laut mich preisen die Karriere, Die ich bei großen Männern treff': Pasteur und Shakespeare gebt die Ehre, Auch Newton und Tolstoi, und Tolstoi. SOLO Lew ? »Babij Jar« – Gesangstexte 19 »Beethovens männliche und künstlerische Energie auf engem Raum« GABRIELE E. MEYER LUDWIG VAN BEETHOVEN (1770–1827) Ouvertüre zu Heinrich Joseph von Collins Trauerspiel »Coriolan« op. 62 LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN Geburtsdatum unbekannt; geboren am 15. oder 16. Dezember 1770 in Bonn; dort Eintragung ins Taufregister am 17. Dezember; gestorben am 26. März 1827 in Wien. ENTSTEHUNG Den Angaben im Autograph zufolge muss Beethovens Ouvertüre zu Heinrich Joseph von Collins Schauspiel »Coriolan« in den ersten Wochen des Jahres 1807 entstanden sein. Für den raschen Entstehungsprozess spricht, dass keinerlei Skizzen existieren, auch keine schriftlichen Zeugnisse, und die erste Aufführung schon im März 1807 stattfand. WIDMUNG Beethoven widmete die »Ouverture componiert für das Trauerspiel Coriolan von H. Collin« dem mit ihm befreundeten öster­ reichischen Theaterdichter Heinrich Joseph von Collin (1771–1811). Beider künstlerische Zusammenarbeit begann wohl mit einem Oratorienprojekt (möglicherweise »Die Befreyung von Jerusalem«), das aber kaum über Anfänge hinausgelangte. Überlegungen zu Opern folgten, so u. a. zu »Macbeth« und »Bradamante«, kamen aber ebenso wenig zur Ausführung. URAUFFÜHRUNG Im März 1807 in Wien im Palais Lobkowitz (in einem von zwei Konzerten, die ausschließlich Werke Beethovens unter Mitwirkung bzw. Leitung des Komponisten enthielten); vor »einer sehr gewählten Gesellschaft, welche zum Besten des Verfassers sehr ansehnliche Beiträge subskribiert hat«, kamen außer »Coriolan« die Symphonien Nr. 1 bis 3, Auszüge aus der Oper »Leonore« sowie, als Uraufführungen, die 4. Symphonie op. 60 und das 4. Klavierkonzert op. 58 zu Gehör. Ludwig van Beethoven: »Coriolan«-Ouvertüre 20 COLLINS TRAUERSPIEL »CORIOLAN« Anders als lange vermutet, fußt Heinrich Joseph von Collins Trauerspiel keineswegs auf dem um 1602 verfassten Drama William Shakespeares; die Übersetzungen Schlegels und Tiecks, die die Werke Shakespeares im deutschen Sprachraum bekannt machten, sind ohnehin jüngeren Datums. Wie die Aufzeichnungen seines Bruders Matthias belegen, beruht Collins Drama auf einer Darstellung des griechischen Schriftstellers und Philosophen Plutarch, dessen Werke im Übrigen auch Beethoven sehr schätzte. Inhaltlich geht es um eine Gestalt aus der frühen römischen Geschichte. Der ehemals ob seines Sieges gegen die Volsker umjubelte, inzwischen aber wegen seiner Willkür und Selbstherrlichkeit beim Volk von Rom verhasste Coriolan wird in die Verbannung geschickt. Er schwört Rache. Trotzig läuft er zu den Volskern über und führt sie zum Kampf gegen seine Vaterstadt. Erst seiner Mutter und seiner Frau gelingt es, den Abtrünnigen zur Aufgabe seines Vorhabens zu bewegen. Coriolans Gegner bei den Volskern trachten ihm da­ raufhin nach dem Leben. Coriolan weiß, dass er den persönlichen Konflikt zwischen der Familientradition und dem den Volskern gegebenen Treueschwur nur durch den eigenen Tod lösen kann. Er stürzt sich in sein Schwert und bleibt somit einer höheren Moral treu, indem er weder Rom noch die Volsker verrät. BEGEISTERUNG FÜR DIE KLASSISCHE ANTIKE Warum Beethoven sich für das Thema entschieden hat, kann nur vermutet werden. Vielleicht benötigte er eine Konzerteinleitung, vielleicht wollte er sich dem Dichter gefällig zeigen, sollte dessen 1802 in Wien uraufgeführtes, aber seit 1805 abgesetztes Drama doch noch einmal ins Repertoire des k. k. Hoftheaters zurückkehren. Überdies war Collin als Hofsekretär bei der Hofkammer in Diensten, was Beethoven bei seinen damaligen Bemühungen um eine Anstellung bei Hofe gewiss nicht ganz ungelegen kam. Vielleicht auch wünschte Beethoven dem fürstlichen Direktorium des Theaters sein Können als Komponist für die Bühne erneut zu demonstrieren. All die genannten Gründe mögen mitgespielt haben. Den Ausschlag aber, sich dem ­» Coriolan«-Thema zu stellen, gab sicherlich Beethovens Begeisterung für die klassische Antike, eine Vorliebe, die er mit vielen seiner Zeitgenossen teilte. Der in Collins »Coriolan« innewohnende »moralische Appell«, dass der Mensch als Einzelwesen der Vernichtung preisgegeben ist, wenn er, wie es Paul Bekker in seinem berühmten Beethoven-Buch (1911) darlegte, »die eigene Persönlichkeit nicht in Einklang mit den höchsten Gesetzen der Menschlichkeit zu bringen vermag«, dürfte den Komponisten zusätzlich bestärkt haben. THEMENDUALISMUS DER SONATENSATZFORM Der allgemeinen Praxis seit Christoph Willibald Gluck folgend steht auch Beethovens »Coriolan«-Ouvertüre in Sonatensatzform. Ohnehin Ort konfliktreichen Geschehens, geprägt durch gegensätzliche Thematik bzw. Themenkomplexe und deren manchmal geradezu exzessive Verarbeitung in der Durchführung und teilweise sogar Coda, erscheint sie wie keine andere Form prädestiniert, die extremen Charakterzüge des Titelhelden einerseits und den Bittgesang der beiden Frauen andererseits nachzuzeichnen. Das Stück, in der düste- Ludwig van Beethoven: »Coriolan«-Ouvertüre 21 ren Tonart c-Moll, beginnt mit einem harten Fortissimo-Streicher-Unisono, gefolgt von einem aggressiv-herrischen TuttiSchlag – dreimal, dazwischen bedrohliches Schweigen. Dann erklingt fast störrisch sich wiederholend das »Coriolan«-Thema (1. Thema), verdichtet sich zu insistierenden Floskeln, immer wieder durch scharfkantige Schläge unterbrochen, bis die strömende Gesangslinie (2. Thema) Einhalt gebietet. PSYCHOGRAMM EINER GESPALTENEN SEELE ? Der gesamte Verlauf ist gekennzeichnet durch schroffe Akzente, unruhig treibende Sforzati, rastlos jagende Achtelfiguren, gehetzte Seufzermotivik, grelle Akkorde, beklemmende Generalpausen, einzig aufgehellt durch die zu Herzen gehende Dur-Kantilene. Bedeutsam ist deren Moll-Eintrübung bei ihrem letztmaligen Auftreten. Spätestens hier stellt sich die Frage, ob die Ouvertüre nicht eher ein Gleichnis für den Kampf ist, der sich in Coriolans Herz abspielt. Psychogramm eines Menschen im seelischen Zwiespalt ? Hat Beethoven mit seinem »Coriolan«, wie es schon E. T. A. Hoffmann in seiner Rezension von 1812 empfand, nicht vielmehr ein von der äußeren Handlung unabhängiges Charakterbild schaffen wollen, als das »Negativ des ersten Eroica-Satzes« (Paul Bekker) ? »Der Held scheitert«, meint Wolfram Steinbeck, »der Musik aber ist ein neues Terrain eröffnet: die programmatische Konzertouvertüre...« Der Beginn der Ouvertüre in Beethovens Handschrift Ludwig van Beethoven: »Coriolan«-Ouvertüre 22 Das große Finale der Gegenliebe WOLFGANG STÄHR LUDWIG VAN BEETHOVEN (1770–1827) Fantasie für Klavier, Chor und Orchester c-Moll op. 80 nössischen Literaten erdacht oder angepasst wurde, von dem Wiener Christoph Kuffner (1780–1846). 1951 verfasste der spätere DDR-Kulturminister Johannes R. Becher (1891–1958) für die »Weltfestspiele der Jugend« in Ost-Berlin einen neuen Text zur »Chorfantasie«. ENTSTEHUNG LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN Geburtsdatum unbekannt; geboren am 15. oder 16. Dezember 1770 in Bonn; dort Eintragung ins Taufregister am 17. Dezember; gestorben am 26. März 1827 in Wien. ORIGINALTITEL »Fantasie für das Pianoforte mit Begleitung des ganzen Orchesters und Chor« LITERARISCHE VORLAGE In diesem Fall strenggenommen eine »Nachlage«, da Beethoven das Werk bereits skizziert und selbst schon Details des späteren Vokaltextes entworfen hatte, der dann nachträglich erst von einem zeitge- Beethoven komponierte die Fantasie c-Moll für Klavier, Chor und Orchester im Dezember 1808 ausdrücklich als »Schlußstück« zu seiner großen Akademie im Theater an der Wien – in nur wenigen Tagen war das Werk halbwegs vollendet und jedenfalls aufführungsreif. Allerdings musste Beet­ hoven die Adagio-Introduktion für Klavier solo im Konzert improvisieren und seinen Part ohnehin weitestgehend nach Skizzen und Notizen realisieren. Erst im Winter 1809/10 fixierte er die Klavierstimme schriftlich, als er die »Chorfantasie« für den Erstdruck vorbereitete. Das Thema, das zuerst vom Klavier eingeführt und dann in Variationen behandelt wird, entnahm er seinem zweiteiligen Lied »Seufzer eines Ungeliebten – Gegenliebe« WoO 118 von 1794/95. Ludwig van Beethoven: »Chorfantasie« op. 80 23 URAUFFÜHRUNG »DIESE SELTSAME KUNST« Am 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien mit Beethoven am Klavier, der die unzureichend geprobte »Chorfantasie« als Krönung einer vier Stunden langen, exklusiv seinen eigenen Werken gewidmeten Akademie vorgesehen hatte. Doch kam es kurz nach dem Anfang, in der dritten Variation, zu einem »Schmiss«, weshalb Beet­ hoven die Musiker lautstark angiftete und eine Wiederholung erzwang. Ein Erfolg war ihm trotzdem vergönnt: »Der geniale Künstler wurde […] auch am Schlusse des Konzerts mit dem lärmendsten Beyfalle beehrt«, heißt es in einer Rezension. Beethoven fing immer von vorn an. Selbst in der »Chorfantasie«, einer Komposition, die er ausdrücklich als Finale entworfen und so auch bezeichnet hatte, ging es ihm um den Anfang, elementar wie ideal: um das Präludieren und Intonieren, das Suchen und Finden eines Themas, den Blick in die Werkstatt mit dem einsamen Künstler am Klavier, aber auch um den Schöpfungsmythos der Musik schlechthin. Die Welt entsteht aus Ton und Takt. Thomas Mann lässt in seinem späten Roman »Doktor Faustus« den Organisten Wendell Kretzschmar geistvolle Vorträge vor beinah menschenleerem Saal halten. Einmal spricht er über »das Elementare« in der Musik. »Ja, rief der Vortragende, es liege im Wesen dieser seltsamen Kunst, daß sie jeden Augenblick imstande sei, von vorn zu beginnen, aus dem Nichts, bar jeder Kenntnis ihrer schon durchlaufenen Kulturgeschichte, des durch die Jahrhunderte Errungenen, sich neu zu entdecken und wieder zu erzeugen.« Deshalb verrate die Musik eine einzigartige Neigung, »ihre Elemente zu zelebrieren« und »sich selbst in ihren Grundanfängen zu bewundern«. Als Beispiele nennt der gelehrte Organist die Bachschen Cellosuiten mit ihren Préludes und natürlich die Introduktion zu Wagners »Rheingold«. Der überzeugteste Anfänger aber war zweifellos Ludwig van Beethoven. Sein Hang zum Elementaren lag begründet im Selbstverständnis des Künstlers, der dem Stoff, der widrigen Materie, erst Sinn und Form abringen muss – am liebsten vor den Augen und Ohren des Publikums. Damit vertrug sich ein volkspädagogischer Anspruch, die Hörer durch Anschauung zu Ludwig van Beethoven: »Chorfantasie« op. 80 24 bilden, ihnen vorzuführen, zu demonstrieren, wie Musik geformt wird aus dem Ton, dem Motiv, der Melodie. Und tatsächlich schuf Beethoven viele seiner Kompositionen aus »Elementen« einfachster und ursprünglichster Natur, aus Bausteinen, roh und schlicht, die er gleichwohl zu kunstreicher Architektur auftürmte. In der »Chorfantasie« mischen sich die Beweggründe: Selbstdarstellung, ästhetische Erziehung und baumeisterliches Ethos, um zuletzt noch das Ideal einer von den schönen Künsten gehobenen Gesellschaft zu feiern, wie einst in den lichtesten Tagen der Aufklärung. DER ANFANG VOM ENDE Dabei sah der Ursprung dieser Komposition ziemlich banal aus. Beethoven veranstaltete am 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien eine Akademie, eine exklusive Werkschau, die mit Ur- und Erstaufführungen prall gefüllt war: Seine Fünfte und Sechste Symphonie standen auf dem vierstündigen Programm, das G-Dur-Klavierkonzert, die Arie »Ah ! Perfido«, Teile der C-Dur-Messe – doch damit nicht genug ! Beethoven wollte den Abend mit einem »glänzenden Schlußstück« krönen, wie sich sein Schüler Carl Czerny erinnerte, einem großen Finale, das noch einmal sämtliche Mitwirkende vereinte: das Ausrufezeichen einer ohnehin höchst ambitionierten Akademie. Zu diesem Ende komponierte Beethoven in höchster Eile seine Fantasie in c-Moll für Klavier, Chor und Orchester op. 80, ein »Schlußstück«, dessen Eigenart darin besteht, dass es immer wieder von vorn beginnt und »sich selbst in seinen Grundanfängen bewundert«. Doch die wollen erst einmal gesucht und gefunden sein. Zur Einleitung fantasiert der Komponist am Klavier (bei der Wiener Uraufführung natürlich Beethoven höchstselbst): Der Hörer darf sich wie zu einem Werkstattbesuch eingeladen fühlen, als würde er dem Meister über die Schulter blicken. Diese Improvisation, den ersten Anfang, sollte Beethoven erst ein Jahr später in Hinblick auf die Drucklegung der »Chorfantasie« schriftlich fixieren: 26 Takte für Klavier solo. Danach steht bereits das Wort »Finale« in der Partitur, obgleich das Stück jetzt erst richtig losgeht. Nach einer kurzen Orientierungsphase – Celli und Bässe steigen aus der Tiefe ans Licht – gibt die Musik sich elementar, naturnah und ursprünglich, wie es war im Anfang. Hornquinten, ein Echo in den Oboen, dann nimmt das Klavier den rhythmischen Impuls auf, kurz–kurz–lang, und führt ihn fort zu schönster, eingängiger, zum Mitsingen anregender Melodie. Dieses Thema, das wie neu ersteht, war allerdings nicht wirklich neu, sondern ein Selbstzitat Beethovens aus seinem zweiteiligen Lied »Seufzer eines Ungeliebten – Gegenliebe«. Programmatisch gesprochen: Dem Ruf der Natur, der anfangs noch im Raum verhallt, antwortet der Gesang des Menschen. Und der wiederum lockt umgehend die anderen herbei: Musik als gemeinschaftsbildende, jedermann verständliche Sprache des Herzens, ja der »Gegenliebe« – so lautet die Botschaft. SCHÖNE SEELEN – UNSCHÖNE SZENEN Und doch hat die »Chorfantasie« gerade erst angefangen: Das Liedthema wird nun in fünf Variationen durchgenommen, in denen nach und nach die Instrumente auftreten, die Flöte, die Oboen, Klarinetten und Fagott, ein Streichquartett, schließlich das Tutti. Dieses Verfahren, dessen didak- Ludwig van Beethoven: »Chorfantasie« op. 80 25 tischer Charme wie »The Young Person’s Guide to the Orchestra« anmutet, schreibt zugleich den Entstehungsprozess der Musik fort und rückt mit den assoziierten Instrumenten obendrein die Idee des Gemeinschaftswerks ins Zentrum: »Alle Menschen werden Brüder«. Der Gedanke sollte Beethoven bekanntlich nicht mehr loslassen. Wie im Finale der späteren Neunten Symphonie fängt Beethoven auch in der »Chorfantasie« nochmals von vorn an, wenn er – nach einem ausgiebigen Zwischenspiel, das für sich genommen wie ein integriertes Klavierkonzert in drei Sätzen erscheint – den Beginn mit den ans Licht steigenden Bässen und den Hornquinten kurz rekapituliert, um zum Schluss noch Vokalsolisten und den Chor ins Spiel zu bringen. Menschliche Gemeinschaft, nun leibhaftig, mit Wort, Gesang und morali- Isidor Neugass: Ludwig van Beethoven (1806) Ludwig van Beethoven: »Chorfantasie« op. 80 26 schem Appell: »Nehmt denn hin, ihr schönen Seelen, froh die Gaben schöner Kunst.« Und so schuf Beethoven aus den elementaren »Grundanfängen« dieses großen, kuriosen und doch visionären Finales eine beispiellose Hybridform: eine symphonische Fantasiekonzertkantate, die mit der grenzenlosen Kunst auch die unaufhaltsame menschliche Verbrüderung heraufbeschwört, die Gemeinschaft der schönen Seelen im Zeichen der Musik. Aber wie es zuweilen geschieht mit den hohen Idealen – sie verlieren an Strahlkraft, sobald sie der schnöden Realität ausgesetzt werden. Bei der schlecht geprobten Premiere der »Chorfantasie«, am Ende einer allzu langen Akademie, unterlief einem der Klarinettisten ein lässlicher Fehler, aber Beethoven sprang empört vom Klavier auf, beschimpfte die Musiker vor den Augen und Ohren des entgeisterten Publikums und brüllte: »Von Anfang !«. Das Machtwort wirkte – und alles fing von vorn an. AUFERSTANDEN AUS RUINEN Die Verse, die Beethoven vertonte, hatte, nach allem was wir wissen (und wir wissen in diesem Punkt so gut wie nichts), ein Wiener Hofbeamter gedichtet, Christoph Kuffner, der allerdings seine Wortkunst der schon fortgeschrittenen Komposition einund anpassen musste, und dies auch noch »nach Beethovens Angabe«. Insofern müsste eher von einer »Verwortung« der Musik als von einer Vertonung des Gedichts die Rede sein. Aber undankbar war nicht nur der Auftrag, sondern auch der Auftraggeber, denn Beethoven ließ seinem Verlag freie Hand, der »Chorfantasie« nach Gutdünken »einen andern Text« zu unterlegen. So geschah es, Generationen und Epochen später, im Jahr 1951, als in Ost-Berlin die »Weltfestspiele der Jugend und Studenten für den Frieden« anstanden und aus diesem Anlass die kommunistische Massenorganisation der »Freien Deutschen Jugend« sechs neue Strophen bestellte: eine zeitgemäße Umdichtung der »Chorfantasie«. Mit dieser Mission betraut wurde der vormalige expressionistische Lyriker und nach­malige SED-Kulturminister Johannes R. Becher (übrigens ein gebürtiger Münchner), der zwei Jahre zuvor die Nationalhymne der DDR geschrieben hatte (»Auferstanden aus Ruinen«) und zwei Jahre danach eine Ode auf den Tod Josef Stalins zu Papier bringen sollte (»Es wird ganz Deutschland einstmals Stalin danken«). Grundstürzend neu fielen seine Worte zur »Chorfantasie« freilich nicht aus, nicht alles Überkommene wurde rigoros ersetzt, einzelne Gedanken, Metaphern und Formulierungen lediglich korrigiert und namentlich von unerwünschter Metaphysik bereinigt. Der »hohe Ton« aber blieb derselbe. Statt »Schmeichelnd hold und lieblich klingen / Unsers Lebens Harmonien, / Und dem Schönheitssinn entschwingen / Blumen sich, die ewig blühn« lautet die erste Strophe nunmehr geschichtsbewusst: »Seid gegrüßt ! Laßt Euch empfangen / Von des Friedens Melodien ! / Unser Herz ist noch voll Bangen, / Wolken dicht am Himmel stehn.« Die »schönen Seelen« wurden in »liebe Freunde« materialisiert, und Kuffners Schlusszeilen: »Wenn sich Lieb’ und Kraft vermählen, / Lohnt dem Menschen Göttergunst« verwandelte Becher in: »Wenn sich Geist und Kraft vereinen, / Winkt uns ewigen Friedens Gunst.« Kuffner oder Becher – wer trägt den Lorbeer des gekrönten Dichters davon ? Womöglich keiner von beiden. Am Ende siegt die Musik, zu welchen hochherzigen Versen auch immer. Ludwig van Beethoven: »Chorfantasie« op. 80 27 Liebe Leserin, lieber Leser, die Veröffentlichung des ChorfantasieGesangstextes von Johannes R. Becher in unserem Download-PDF ist für uns seitens des Verlages kostenpflichtig. Aus diesem Grund können wir den Text leider nicht in unserem kostenlosen Programmheft-Download anbieten. In der gedruckten Ausgabe des Programmheftes, das Sie für € 3,- beim Einlasspersonal in der Philharmonie erwerben können, ist der Text dagegen enthalten. Vielen Dank für Ihr Verständnis Ihre Münchner Philharmoniker 28 Michael Sanderling DIRIGENT wurde 2006 zum Chefdirigenten und künstlerischen Leiter der Kammerakademie Potsdam ernannt. Erfolge als Operndirigent feierte er mit Philip Glass’ »The Fall of the House of Usher« in Potsdam und mit der Neueinstudierung von Sergej Prokofjews »Krieg und Frieden« an der Oper Köln. Der gebürtige Berliner Michael Sanderling ist einer der wenigen, die aus dem Orchester heraus eine höchst erfolgreiche Dirigentenkarriere verwirklichen konnten. 1987, im Alter von 20 Jahren wurde er Solo-Cellist des Gewandhausorchesters Leipzig unter Kurt Masur, von 1994–2006 war er in gleicher Position im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin tätig. Als Violoncello-Solist gastierte er u. a. beim Boston Symphony Orchestra, beim Los Angeles Philharmonic und beim Orchestre de Paris. Im Jahr 2000 trat Michael Sanderling in einem Konzert des Kammerorchesters Berlin erstmals an das Dirigentenpult – und fing Feuer. Als Sohn des legendären Kurt Sanderling mit dem Dirigentenhandwerk von klein auf vertraut, übernahm er immer mehr Dirigate und Seit 2011 ist Michael Sanderling Chefdirigent der Dresdner Philharmonie. Wiederholt wird er als Gastdirigent zu renommierten Orchestern eingeladen, darunter das Gewandhausorchester Leipzig, das Tonhalle-Orchester Zürich, die Wiener Symphoniker, die Tschechische Philharmonie, das Konzerthausorchester Berlin, das Toronto Symphony Orchestra, das Helsinki Philharmonic Orchestra und die Sinfonieorchester des WDR und des SWR. Mit der Dresdner Philharmonie unternimmt er regelmäßig Konzertreisen, u. a. nach Asien, Südamerika und in die USA. Eine Herzensangelegenheit ist Michael Sanderling die Arbeit mit dem musikalischen Nachwuchs. Er unterrichtet als Professor an der Musikhochschule Frankfurt a. M. und arbeitet regelmäßig mit dem Bundesjugend­ orchester, dem Jerusalem Weimar Youth Orches­tra, der Jungen Deutschen Philharmonie sowie mit dem Schleswig-Holstein Festival Orchester zusammen. Künstlerbiographien 29 Matthias Goerne Herbert Schuch BARITON KLAVIER Matthias Goerne singt an den großen Opernbühnen der Welt, darunter die Wiener Staatsoper, die Bayerische Staatsoper, das Royal Opera House Covent Garden in London, die Opéra National de Paris, das Teatro Real in Madrid, das Opernhaus Zürich, die Metropolitan Opera in New York und die Mailänder Scala. Der gebürtige Weimarer studierte bei Hans-Joachim Beyer, Elisabeth Schwarzkopf und Dietrich Fischer-Dieskau. Als Konzertsänger ist er regelmäßig Gast in den international renommierten Konzertsälen und bei namhaften Festivals und Orchestern. Zu den Höhepunkten der Saison 2016/17 zählen u. a. Konzerte mit den Symphonieorchestern von Boston und Chicago sowie den Philharmonikern von Los Angeles und Berlin – ebenso wie eine Reihe von Liederabenden mit Leif Ove Andsnes und Markus Hinterhäuser. An der Wiener Staatsoper debütiert er als Jochanaan in Richard Strauss’ »Salome« und wird im Sommer 2017 bei den Salzburger Festspielen die Titelpartie in Alban Bergs »Wozzeck« singen. Mit seinen dramaturgisch durchdachten Konzertprogrammen und CD-Aufnahmen hat sich Herbert Schuch als einer der interessantesten Musiker seiner Generation einen Namen gemacht. Er studierte bei Karl-Heinz Kämmerling am Salzburger Mozarteum und erfährt in jüngster Zeit in besonderer Weise Prägung in der Begegnung und Arbeit mit Alfred Brendel. Herbert Schuch arbeitete u. a. mit Orchestern wie dem London Philharmonic Orchestra, dem NHK Symphony Orchestra, der Camerata Salzburg, dem City of Birmingham Symphony Orchestra und wird regelmäßig zu den bedeutenden Festivals wie dem Rheingau Musik Festival und den Salzburger Festspielen eingeladen. Als leidenschaftlicher Kammermusiker wird er im Sommer 2017 gemeinsam mit Julia Fischer und Daniel Müller-Schott eine Triotournee unternehmen. Neben seiner Konzerttätigkeit engagiert sich Herbert Schuch in der von Lars Vogt gegründeten Initiative »Rhapsody in School«, die sich für die Vermittlung von Klassik in Schulen einsetzt. Künstlerbiographien 30 26 Philharmonischer Chor München Der Philharmonische Chor München ist einer der führenden Konzertchöre Deutschlands und Partnerchor der Münchner Philharmoniker. Er wurde 1895 von Franz Kaim, dem Gründer der Münchner Philharmoniker, ins Leben gerufen und feiert somit in diesem Jahr seinen 120. Geburtstag. Seit 1996 wird er von Chordirektor Andreas Herrmann geleitet. Das Repertoire erstreckt sich von barocken Oratorien über a-cappella- und chorsymphonische Literatur bis zu konzertanten Opern und den großen Chorwerken der Gegenwart. Das musikalische Spektrum umfasst zahlreiche bekannte und weniger bekannte Werke von Mozart über Verdi, Puccini, Wagner und Strauss bis hin zu Schönbergs »Moses und Aron« und Henzes »Bassariden«. Der Chor pflegt diese Literatur ebenso wie die Chorwerke der Komponisten Bach, Händel, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms, Bruckner, Reger, Strawinsky, Orff oder Penderecki. Er musizierte u. a. unter der Leitung von Gustav Mahler, Hans Pfitzner, Krzysztof Penderecki, Herbert von Karajan, Rudolf Kempe, Sergiu Celibidache, Zubin Mehta, Mariss Jansons, James Levine, Christian Thielemann und Lorin Maazel. In den vergangenen Jahren hatten Alte und Neue Musik an Bedeutung gewonnen: Nach umjubelten Aufführungen Bach’scher Passionen unter Frans Brüggen folgte die Ein- ladung zu den Dresdner Musikfestspielen. Äußerst erfolgreich wurde auch in kleineren Kammerchor-Besetzungen unter Dirigenten wie Christopher Hogwood und Thomas Hengelbrock gesungen. Mit Ton Koopman entwickelte sich eine enge musikalische Freundschaft, die den Chor auch zu den »Europäischen Wochen« in Passau führte. Im Bereich der Neuen Musik war der Philharmonische Chor München mit seinen Ensembles bei Ur- und Erstaufführungen zu hören. So erklang in der Allerheiligen-Hofkirche die Münchner Erstaufführung der »Sieben Zaubersprüche« von Wolfram Buchenberg unter der Leitung von Andreas Herrmann. Ende 2014 gestaltete der Chor die Uraufführung von »Egmonts Freiheit – oder Böhmen liegt am Meer« unter der Leitung des Komponisten Jan Müller-Wieland. Der Philharmonische Chor ist auch ein gefragter Interpret von Opernchören und setzt nachdrücklich die unter James Levine begonnene Tradition konzertanter Opernaufführungen fort, die auch unter Christian Thielemann mit großem Erfolg gepfl egt wurde. Zu den CD-Einspielungen der jüngeren Zeit zählen Karl Goldmarks romantische Oper »Merlin«, die 2010 den ECHO-Klassik in der Kategorie »Operneinspielung des Jahres – 19. Jahrhundert« gewann, und eine Aufnahme von Franz von Suppés »Requiem«, die für den International Classical Music Award (ICMA) 2014 nominiert wurde. Künstlerbiographien Die Künstler 27 31 Andreas Herrmann CHORDIREKTOR Chordirigenten in verschiedenen Meisterkursen, sowie im Herbst 2016 als Gastprofessor am College Conservatory of Music der University of Cincinnati, Ohio, USA. Andreas Herrmann unterrichtet als Professor an der Hochschule für Musik und Theater in München im Hauptfach Chordirigieren. Zehn Jahre lang dirigierte er den Hochschulchor und leitete in dieser Zeit Oratorienkonzerte, Opernaufführungen und a-cappella-Programme in allen musikalischen Stilrichtungen. Seine vielfältigen Konzertprogramme, von Alter Musik bis hin zu Uraufführungen mit zeitgenössischem Repertoire, wurden festgehalten in Rundfunk-, CD- und TV-Aufnahmen. Pädagogische Erfolge erzielt Andreas Herrmann weiterhin mit der Ausbildung junger Als künstlerischer Leiter des Philharmonischen Chores München realisierte Andreas Herrmann zahlreiche Einstudierungen für Dirigenten wie Valery Gergiev, Lorin Maazel, Zubin Mehta, Kent Nagano, Christian Thielemann, James Levine und viele andere. Über sein Engagement bei den Münchner Philharmonikern hinaus entfaltet Andreas Herrmann eine rege Konzerttätigkeit: Konzertreisen als Chor- und Oratoriendirigent führten ihn u. a. nach Österreich, Frankreich, Italien, Bulgarien, Ägypten, in die Schweiz, die USA und die Volksrepublik China. Die mit dem »Echo Klassik« ausgezeichnete BR-Klassik-Produktion »Merlin« von Carl Goldmark, bei der Andreas Herrmann für die Choreinstudierung verantwortlich war, viele weitere Aufnahmen sowie die erfolgreiche Zusammenarbeit mit verschiedensten Orchestern, Ensembles und Rundfunkchören dokumentieren die internationale Reputation seiner musikalischen Arbeit. Künstlerbiographien Die Künstler 32 Münchner Klangbilder TITELGESTALTUNG ZUM HEUTIGEN KONZERTPROGRAMM »Die Chorfantasie enthält – auch wenn sie zu den weniger bekannten Werken Beethovens gehört – viele Facetten und bietet Raum für unterschiedliche Deutungen. Die Krönung eines vierstündigen Konzerts sollte das Stück sein, das dem Zuschauer noch ein letztes Mal alles abverlangt und ihn begeistern soll. Das Leitmotiv – aus einem anderen Stück entnommen – war schnell gefunden, jedoch wollte Beethoven mit der Chorfantasie einen ganz neuen Eindruck schaffen. ›Der Hörer darf sich wie zu einem Werkstattbesuch eingeladen fühlen, als würde er dem Meister über die Schulter blicken.‹ So sprach der Komponist selbst über sein Werk kurz bevor es zum ersten Mal uraufgeführt werden sollte. Auch unser Plakat führt den Betrachter hinter die Kulissen der Chorfantasie. Wir blicken einem modernen Beethoven über die Schulter, der das Stück wie ein Programmierer als Code neu interpretiert und so eine ganz neue Version der Chorfantasie schafft.« (Isabell Ahlheit, Daniela Gaulrapp, Alice Sabine McLaughlin und Fanny Wetzl, 2017.) DAS KÜNSTLERTEAM Wir studieren Medien- und Kommunikations­ design an der Macromedia Hochschule. Isabell Ahlheit (20) fotografiert gerne und interessiert sich für Motion Design. Daniela Gaulrapp (22) begeistert sich besonders für analoges und digitales Zeichnen, sowie Illustrationen. Alice Sabine McLaughlin (24) ist eine gebürtige Deutsch-Amerikanerin und hat eine Leidenschaft für Design und digitales Zeichnen. Fanny Wetzl (26) studiert im vertiefenden Studienfach Animation und Motion Design und begeistert sich schon von klein auf für Zeichnen und Animationsfilme. Für uns gibt es keinen schöneren Wohnort als München, denn in München findet man die beste Inspiration für Kreativität. DIE HOCHSCHULE Digitalen Wandel managen, Zukunft gestalten – an deutschlandweit sechs Standorten bietet die Hochschule Macromedia staatlich-anerkannte Bachelor- und Masterstudiengänge im Kontext von Management, Medien, Journalistik, Film und Design an. Rund 80 Professuren stehen für eine arbeitsmarktorientierte Lehre und ein akademisches Selbstverständnis als Hochschule zur Gestaltung des digitalen Wandels. Seit 2013 ist die Hochschule Macromedia Mitglied des internationalen Hochschulnetzwerks Galileo Global Education. hochschule-macromedia.de Isabell Ahlheit | Daniela Gaulrapp | Alice McLaughlin | Fanny Wetzl 33 Sonntag 30_04_2017 11 Uhr m Dienstag 02_05_2017 20 Uhr e4 Mittwoch 03_05_2017 20 Uhr a Freitag 12_05_2017 10 Uhr ÖGP Freitag 12_05_2017 20 Uhr c Samstag 13_05_2017 19 Uhr d LUDWIG VAN BEETHOVEN Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 ANTONÍN DVOŘÁK Symphonie Nr. 9 e-Moll op. 95 »Aus der Neuen Welt« MAURICE RAVEL »Le tombeau de Couperin« PJOTR ILJITSCH TSCHAIKOWSKY »Variationen über ein Rokoko-Thema« für Violoncello und Orchester op. 33 NIKOLAJ RIMSKIJ-KORSAKOW »Scheherazade« op. 35 MAXIM VENGEROV, Dirigent und Violine VALERY GERGIEV, Dirigent ANDREI IONIŢĂ, Violoncello Sonntag 07_05_2017 17 Uhr 7. Kammerkonzert Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz »AUS ZWEI MACH SECHS – VOM DUO BIS SEXTETT« SERGEJ RACHMANINOW »Trio élégiaque« Nr. 1 für Violine, Kontrabass und Klavier g-Moll JOHANN NEPOMUK HUMMEL Quintett für Klavier, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass es-Moll op. 87 ASTOR PIAZZOLLA Drei Tangos für Violine und Kontrabass MIKHAIL GLINKA Grand Sextett für Klavier, Streichquartett und Kontrabass Es-Dur LUCJA MADZIAR, Violine NAMIKO FUSE, Violine JANO LISBOA, Viola FLORIS MIJNDERS, Violoncello SŁAWOMIR GRENDA, Kontrabass IVANA SVARC-GRENDA, Klavier Vorschau 34 Die Münchner Philharmoniker CHEFDIRIGENT VALERY GERGIEV EHRENDIRIGENT ZUBIN MEHTA 1. VIOLINEN Sreten Krstič, Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici, Konzertmeister Julian Shevlin, Konzertmeister Odette Couch, stv. Konzertmeisterin Claudia Sutil Philip Middleman Nenad Daleore Peter Becher Regina Matthes Wolfram Lohschütz Martin Manz Céline Vaudé Yusi Chen Iason Keramidis Florentine Lenz Vladimir Tolpygo Georg Pfirsch Bernhard Metz Namiko Fuse Qi Zhou Clément Courtin Traudel Reich Asami Yamada BRATSCHEN Jano Lisboa, Solo Burkhard Sigl, stv. Solo Max Spenger Herbert Stoiber Wolfgang Stingl Gunter Pretzel Wolfgang Berg Beate Springorum Konstantin Sellheim Julio López Valentin Eichler 2. VIOLINEN VIOLONCELLI Simon Fordham, Stimmführer Alexander Möck, Stimmführer IIona Cudek, stv. Stimmführerin Matthias Löhlein, Vorspieler Katharina Reichstaller Nils Schad Clara Bergius-Bühl Esther Merz Katharina Schmitz Ana Vladanovic-Lebedinski Michael Hell, Konzertmeister Floris Mijnders, Solo Stephan Haack, stv. Solo Thomas Ruge, stv. Solo Herbert Heim Veit Wenk-Wolff Sissy Schmidhuber Elke Funk-Hoever Manuel von der Nahmer Isolde Hayer Das Orchester 35 Sven Faulian David Hausdorf Joachim Wohlgemuth KONTRABÄSSE Sławomir Grenda, Solo Fora Baltacigil, Solo Alexander Preuß, stv. Solo Holger Herrmann Stepan Kratochvil Shengni Guo Emilio Yepes Martinez Ulrich von Neumann-Cosel FLÖTEN Michael Martin Kofler, Solo Herman van Kogelenberg, Solo Burkhard Jäckle, stv. Solo Martin Belič Gabriele Krötz, Piccoloflöte OBOEN Ulrich Becker, Solo Marie-Luise Modersohn, Solo Lisa Outred Bernhard Berwanger Kai Rapsch, Englischhorn KLARINETTEN Alexandra Gruber, Solo László Kuti, Solo Annette Maucher, stv. Solo Matthias Ambrosius Albert Osterhammer, Bassklarinette Ulrich Haider, stv. Solo Maria Teiwes, stv. Solo Robert Ross Alois Schlemer Hubert Pilstl Mia Aselmeyer TROMPETEN Guido Segers, Solo Florian Klingler, Solo Bernhard Peschl, stv. Solo Markus Rainer POSAUNEN Dany Bonvin, Solo Matthias Fischer, stv. Solo Quirin Willert Benjamin Appel, Bassposaune TUBA Ricardo Carvalhoso PAUKEN Stefan Gagelmann, Solo Guido Rückel, Solo SCHLAGZEUG Sebastian Förschl, 1. Schlagzeuger Jörg Hannabach Michael Leopold HARFE Teresa Zimmermann, Solo FAGOTTE ORCHESTERVORSTAND Raffaele Giannotti, Solo Jürgen Popp Johannes Hofbauer Jörg Urbach, Kontrafagott Stephan Haack Matthias Ambrosius Konstantin Sellheim HÖRNER Paul Müller INTENDANT Jörg Brückner, Solo Matias Piñeira, Solo Das Orchester 36 IMPRESSUM TEXTNACHWEISE BILDNACHWEISE Herausgeber: Direktion der Münchner Philharmoniker Paul Müller, Intendant Kellerstraße 4 81667 München Lektorat: Christine Möller Corporate Design: HEYE GmbH München Graphik: dm druckmedien gmbh München Druck: Gebr. Geiselberger GmbH Martin-Moser-Straße 23 84503 Altötting Sigrid Neef, Gabriele E. Meyer und Wolfgang Stähr schrieben ihre Texte als Originalbeiträge für die Programmhefte der Münchner Philharmoniker. Künstlerbiographien: nach Agenturvorlagen. Abdruck des deutschen Gesangstextes zu Schostakowitschs 13. Symphonie mit freundlicher Genehmigung durch den © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg. Abdruck des Gedichts »Geist und Kraft« von Johannes R. Becher mit freundlicher Genehmigung durch den ©Aufbau Verlag GmbH & Co. KG Berlin. Alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungs- und kostenpflichtig. Abbildungen zu Dmitrij Schostakowitsch: Jürgen Fromme (Hrsg.), Dmitri Schostakowitsch und seine Zeit – Mensch und Werk ( Ausstellungskatalog), Duisburg 1984; Krzysztof Meyer, Schostakowitsch – Sein Leben, sein Werk, seine Zeit, Bergisch-Gladbach 1995; Abbildungen zu Ludwig van Beethoven: Joseph Schmidt Görg und Hans Schmidt (Hrsg.), Ludwig van Beethoven, Bonn / Hamburg / Braunschweig 1969; H. C. Robbins Landon, Beethoven – A documentary study, New York / Toronto 1970. Künstlerphotographien: Marco Borggreve (Sanderling, Goerne), Felix Broede (Schuch), privat (Herrmann). Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix zertifiziertem Papier der Sorte LuxoArt Samt Impressum HAUPTSPONSOR UNTERSTÜTZT SONNTAG, 16. JULI 2017, 20.00 UHR V A L E RY G E R G I E V D I R I G E N T Y U J A W A N G KL AV I E R MÜNCHNER PHILHARMONIKER BR AHMS: KONZERT FÜR KL AVIER UND ORCHESTER NR.1 D - MOLL OP.15 MUSSORGSKI J: »BILDER EINER AUSSTELLUNG« (INSTRUMENTIERUNG: M AURICE R AVEL) KARTEN: MÜNCHEN TICKET TEL. 089/54 81 81 81 UND BEKANNTE VVK-STELLEN WWW.KLASSIK−AM−ODEONSPLATZ.DE ’16 ’17 DAS ORCHESTER DER STADT