schostakowitsch beethoven

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Java - Chorfantasie/src/Text.java - E - /Users/Ludwig/Kompositionen
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import java.util.Vector;
/**
* @author Ludwig van Beethoven
* @date 22.12.1808
* @place Wien
*/
Find
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public class Musiker {
private boolean spielt;
private Musizieren musizieren;
private M_t melodie;
private int takte;
public Musiker() {
spielt = false;
}
public void musiziere(int takte, M_t melodie) {
spielt = true;
musizieren.setzeTakte(takte);
musizieren.setzeMelodie(melodie);
musizieren.start();
}
}
enum M_t{
MELODIE_UNKNOWN,
MELODIE_1,
MELODIE_2,
MELODIE_3,
MELODIE_4
}
public class Musizieren extends Thread{
private int takte = 0;
private M_t melodie = M_t.MELODIE_UNKNOWN;
@Override
public void start() {
//erkenne Taktanweisung
if(takte != 0){
//setzte Anweisung um in Musik
//spiele Musik aus
System.out.format(„Spiele Melodie %s für %d Takte“, melodie.toString(), takte);
}
}
public void setzeTakte(int takte){
this.takte = takte;
}
public void setzeMelodie(M_t melodie){
this.melodie = melodie;
}
}
Outline
public class Sänger {
static boolean singt = false;
private Singen singen;
private S_t text;
private int takte;
public Sänger() {
singt = false;
}
public void singe(int takte, S_t text) {
singt = true;
singen.setzeTakte(takte);
singen.setzeText(text);
singen.start();
}
}
SCHOSTAKOWITSCH
enum S_t{
Console
13. Symphonie »Babij Jar«
BEETHOVEN
Ouvertüre zu »Coriolan«
Chorfantasie
SANDERLING, Dirigent
GOERNE, Bass
SCHUCH, Klavier
PHILHARMONISCHER CHOR MÜNCHEN
AVI
Motiv ISABELL AHLHEIT
DANIELA GAULRAPP
ALICE MCLAUGHLIN
FANNY WETZL
Freitag
21_04_2017 20 Uhr
Samstag
22_04_2017 19 Uhr
ZIP
Java
VALERY GERGIEV
Strauss
Ab 31. März im Handel erhältlich
DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH
Symphonie Nr. 13 b-Moll op. 113
»Babij Jar«
für Bass-Solo, Männerchor und Orchester
nach Gedichten von Jewgenij Jewtuschenko
1. »Babij Jar« (Hexengrund)
2. »Der Witz«
3. »Im Laden«
4. »Ängste«
5. »Karriere«
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Ouvertüre zu »Coriolan« op. 62
Fantasie für Klavier, Chor und
Orchester c-Moll op. 80
MICHAEL SANDERLING, Dirigent
MATTHIAS GOERNE, Bass
HERBERT SCHUCH, Klavier
PHILHARMONISCHER CHOR MÜNCHEN,
Einstudierung: Andreas Herrmann
118. Spielzeit seit der Gründung 1893
VALERY GERGIEV, Chefdirigent
ZUBIN MEHTA, Ehrendirigent
PAUL MÜLLER, Intendant
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Hexengrund und
Seelengrund
SIGRID NEEF
DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH
(1906–1975)
Symphonie Nr. 13 b-Moll op. 113
»Babij Jar«
für Bass-Solo, Männerchor und
Orchester nach Gedichten von
Jewgenij Jewtuschenko
1. »Babij Jar« (Hexengrund)
2. »Der Witz«
3. »Im Laden«
4. »Ängste«
5. »Karriere«
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
Geboren am 25. (12.) September 1906 in
Sankt Petersburg; gestorben am 9. August
1975 in Moskau.
TEXTVORLAGE
Gedichte von Jewgenij Alexandrowitsch
Jewtuschenko (geboren 1933).
ENTSTEHUNG
Ende 1961 lernte Schostakowitsch das Gedicht »Babij Jar« (Hexengrund) des jungen
russischen Schriftstellers Jewgenij Jewtuschenko kennen und vertonte es zwischen März und April 1962 als kantaten­
ähnliches »Orchesterlied«. Der Komponist
suchte daraufhin die Bekanntschaft des
populären, gleichwohl umstrittenen Dichters und komponierte im Juni / Juli 1962,
unter Einbeziehung weiterer Gedichte Jewtuschenkos, eine 5-sätzige Vokalsymphonie, von derem Titelgedicht sich später ihr
(nicht authentischer) Beiname »Babij Jar«
ableitete. In der erst 1971 erschienenen
sowjetischen Erstausgabe wurden die von
Schostakowitsch vertonten Texte in einer
Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie
3
tendenziös veränderten Version geboten,
während zeitgleich bei Sikorski in Hamburg
eine textgetreue Edition erschien.
URAUFFÜHRUNG
Am 18. Dezember 1962 in Moskau (Symphonieorchester der Moskauer Staatlichen
Philharmonie und Männerchor-Ensemble
des Staatlichen Akademischen Chors der
Russischen Sozialistischen Föderativen
Sowjetrepublik und des Gnessin-Instituts
unter Leitung von Kyrill Kondraschin; Solist: Witali Gromadski). Die erste Aufführung in der westlichen Hemisphäre fand am
12. Januar 1970 in Philadelphia / USA statt
(Philadelphia Orchestra unter Leitung von
Eugene Ormandy; Solist: Tom Krause).
Dmitrij Schostakowitsch hatte seit seiner
3. Symphonie (»Der 1. Mai«) von 1929 in
diesem Genre keinen Text mehr verwendet,
und setzte erst wieder mit der 13. Symphonie 1962 auf das Dichterwort. »In den
letzten Jahren konnte ich mich davon überzeugen, dass Worte den Menschen besser
erreichen als Musik. Leider ist das so. Wenn
ich Musik und Wort verbinde, wird es
schwerer, meine Intentionen falsch zu verstehen. [...] Worte sind ein gewisser Schutz
vor absoluter Stupidität. Worte kann jeder
Dummkopf verstehen. Eine absolute Garantie bieten sie zwar nicht, doch macht der
Text die Musik leichter verständlich.« Tatsächlich ist in der 13. Symphonie wenig
misszuverstehen, dafür die Gefahr groß,
einiges zu überhören.
»SIBIRISCH-SCHAMANISTISCHES
TALENT«
Schostakowitsch zählte zur Zeit der Komposition 56 Jahre. Was interessierte ihn an
dem damals 29-jährigen Jewgenij Jewtuschenko ? Die von diesem vollzogene kopernikanische Wende. Einst ein Nachahmer
des legendären Wladimir Majakowski,
wandte sich Jewtuschenko von dessen Kult
des Hasses ab, entfaltete dafür Mitgefühl.
Exem­plarische Bedeutsamkeit erhielt das
Gedicht »Babij Jar« von 1961, ein Einfühlungspoem in die Opfer jahrhundertealten
Hasses: »Mir scheint – ich bin ein Jude«.
Jewtuschenkos Verwandlungskunst hat
biographische Wurzeln. Heiner Müller bezeichnete ihn, den er 1995 auf die Bühne
des Berliner Ensembles geholt hatte, als
ein »sibirisch-schamanistisches« Talent.
Tatsächlich fühlte sich der 1933 geborene
Jewtuschenko zeitlebens als Sibirier, auch
wenn er in der sowjetrussischen Hauptstadt aufwuchs. In mitreißender Weise re-
Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie
4
zitierte er Gedichte, füllte Fußballstadien
nicht nur in Moskau, Leningrad, Kiew und
Tbilissi, sondern auch im westlichen Ausland. Seine Poesie wurde Massenkunst,
war aufrüttelnd, verstörend, irritierend.
Tausende lauschten ihm, und in mehr als
20 Sprachen las man seine Verse. Von den
Oberen argwöhnisch beäugt, von den Kollegen beneidet, hatte er bei der Jugend den
Status eines Popstars.
In den 1980er Jahren avancierte Jewtuschenko mit »Beerenreiche Gegend« zum
Romanautor und machte mit den Filmen
»Kindergarten« sowie »Stalins Begräbnis«
als Filmregisseur Furore. Während der
Putsch-Tage 1991 erwies sich der Dichter
als mutiger Bürger, stieg mit Boris Jelzin
auf die vor dem Moskauer Parlamentsgebäude aufgefahrenen Panzer und verteidigte die junge Demokratie. Seinem Erlebnisbericht gab er den schönen Titel »Stirb
nicht vor deinem Tod«.
VOM ORCHESTERLIED ZUR
5-SÄTZIGEN SYMPHONIE
Das Poem »Babij Jar« rief 1961 in Sowjetrussland heftige Diskussionen hervor,
wurde doch darin der offiziellen nationalistischen Doktrin Paroli geboten. Wahrer
Patriotismus sei mit Antisemitismus unvereinbar, so das Credo Jewtuschenkos.
Schostakowitsch fand hier seine eigene
Überzeugung kongenial in Worte gefasst
und setzte das Gedicht Anfang 1962 in
Musik. Dabei sollte es nicht bleiben.
In den Sommermonaten 1962 vertonte er
weitere Gedichte Jewtuschenkos aus dem
derzeit gerade erschienenen Sammelband
»Eine Handbewegung« (Wsmach ruki). Das
vokal-symphonische Poem »Babij Jar«
wurde nun Teil einer insgesamt 5-sätzigen
Symphonie. Den Anstoß dazu gab ein Erlebnis im Moskauer Prominenten-Krankenhaus. Der Komponist hatte sich dort im Mai
1962 von einem Arzt behandeln lassen
müssen, der namhaft geworden war, weil
er als Agent Provocateur im letzten von
Stalin selbst noch geplanten antisemitischen Komplott agiert hatte, der sogenannten »jüdischen Ärzteverschwörung«
von 1952. Im post-stalinistischen Russland lebten – ähnlich wie im post-hitlerschen Deutschland – Täter wie Opfer nebeneinander, und zwischen ihnen wuchs
bereits eine neue Generation auf.
In Stalins Russland gab es kein Auschwitz,
aber es gab die Umsiedlung russischer Bürger jüdischer Abstammung »in die Wüste«,
nach Birobidshan. Öffentlich konnte man
über Antisemitismus nicht reden, dieses
Thema war tabu. Sowjetrussland hatte
einst Hitler-Deutschland besiegt und damit der faschistischen Judenverfolgung
ein Ende gesetzt. Internationalismus war
Staatsdoktrin. Ungeachtet dessen initiierte Stalin nach altbewährtem Muster bei
Krisensituationen antisemitische Aktionen. Das löste Verwirrung aus, war doch
der russische Kommunismus angetreten
mit dem Versprechen allgemeiner Menschheitsbefreiung. In dieser Verwirrtheit
wuchsen neue Generationen heran, machte
sich in Russland Nationalismus breit.
»BANALITÄT DES BÖSEN«
Da schreckte ein Prozess die Weltöffentlichkeit auf. 1960 hatte der israelische
Geheimdienst den Mann gestellt, der als
Leiter des Judenreferats unter Hitler die
sogenannte »Endlösung« organisiert hatte, den Transport jüdischer Menschen in
Vernichtungslager: Adolf Eichmann. Ihm
wurde in Tel Aviv der Prozess gemacht.
Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie
5
Zutage trat dabei die »Banalität des Bösen«. Bis zuletzt hielt sich Adolf Eichmann
für einen pflichtgetreuen, unschuldigen
Beamten und Patrioten, der lediglich an der
Meisterung eines Organisationsproblems
mitgewirkt habe und keine Verantwortung
für die Ermordung von Millionen jüdischer
Menschen trage. War die Aufarbeitung des
Vergangenen und damit die Bewältigung
der Gegenwart nicht getrübt durch eine
falsche Optik, die unter dem »Bösen« immer nur das Außergewöhnliche verstand ?
Übrigens war Adolf Eichmann im gleichen
Jahr wie Schostakowitsch geboren, also
1906. Am 15. Dezember 1961 zum Tode
verurteilt, wurde er am 19. März des da­
rauffolgenden Jahres hingerichtet.
Musste danach Antifaschismus nicht neu
definiert werden ? So entstand 1960 im
geteilten Deutschland eine vokal-symphonische »Jüdische Chronik«, die gemeinsame Arbeit zweier ostdeutscher und dreier
westdeutscher Komponisten (Paul Dessau
und Rudolf Wagner-Régeny / Boris Blacher,
Karl Amadeus Hartmann und Hans Werner
Henze). Rolf Hochhuths Schauspiel »Der
Stellvertreter« folgte 1963, in dem die
Frage nach der Verantwortung der Katholiken am Holocaust gestellt wurde. Peter
Weiss schuf 1965 das Dokumentar-Drama
»Die Ermittlung«, ein von Luigi Nono in
Töne gesetztes »Auschwitz-Oratorium in
11 Gesängen«. In diese Tradition ordnete
sich die »Babij Jar«-Symphonie von 1962
Schostakowitsch an seinem Schreibtisch (1960)
Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie
6
ein, wobei Schostakowitsch eine eigene
Tradition begründete, die der jüdischen
Thematik in seinen Kompositionen.
1. SATZ: »BABIJ JAR«
»Babij Jar« (Hexengrund) heißt eine
Schlucht bei Kiew, in der am 29. September
1941 die deutsche Wehrmacht und ein
SS-Sonderkommando 30.000 (andere
Quellen nennen die Zahl 34.000) ukrainische Juden – Männer, Frauen und Kinder
– zusammentrieb, innerhalb von 36 Stunden erschoss und verscharrte. Nach dem
Krieg wurde dieser Schreckensort »befriedet«, man nutzte ihn als Müllhalde, trug
diese dann wieder ab und errichtete ein
Sportstadion, baute dort schließlich Hochhäuser.
Allein der 1911 geborene ukrainische Dichter Viktor Nekrassow legte an jedem Jahrestag des Geschehens in »Babij Jar« Blumen nieder, lange Zeit das einzige Erinnerungszeichen, wenn man von einem Gedicht
Ilja Ehrenburgs über »Babij Jar« absieht.
Hatte Nekrassow noch 1947 für seinen authentischen Bericht »In den Schützengräben Stalingrads« den Stalin-Preis erhalten, so musste er 1974 emigrieren und
starb 1987 in Paris. Ob es zum Bau eines
Gedenkmonuments in »Babij Jar« kommen
würde, was in der Tat in den 1970er Jahren
geschah, war für Schostakowitsch wie
Jewtuschenko nebensächlich – ihnen ging
es mit ihrem »Hexengrund« (Babij Jar) um
die Sensibilisierung des menschlichen
»Seelengrunds«.
VON GRAUER MASSE ZUM
MUTIGEN WIR
Schostakowitsch besetzte den Chor ausschließlich mit Bassstimmen, ein für jeden
interessierten Russen sofort erkennbarer
Hinweis auf eines der bedeutendsten Werke der russischen Musik, nämlich auf Jew­
stignej Fomins Melodrama »Orpheus« von
1792, das man in Russland gerade erst
1953 wiederentdeckt hatte; der Textdichter war 1791 unter der Folter gestorben.
»Golos« (Stimme) hatte Fomin seinen ausschließlich aus Bässen bestehenden Chor
genannt und damit die »Stimme des kollektiven Gedächtnisses« gemeint.
Bei Schostakowitsch tritt der Solo-Bass als
ein Primus inter pares, als sich exponierender Teil des nationalen Gewissens in Erscheinung und zwar mit den Worten: »Ich
glaube, ich bin jetzt ein Jude«. Kollektiv wie
Einzelperson treiben sich gegenseitig beim
Er- und Bekennen voran, in den Schlussversen gipfelnd: »Ich habe kein jüdisches Blut
in den Adern. Aber verhasst bin ich allen
Antisemiten. (...) Und deshalb bin ich – ein
wirklicher Russe !« An die Stelle des sklavischen, kläglichen Wir der stalinistischen
Vergangenheit ist ein erkenntnis- und verantwortungsbewusstes Wir getreten.
DER ZUSAMMENHANG VON
ALLEM SEIENDEN
Es kommt im 1. Satz zum mehrmaligen Perspektivenwechsel. Von »Babij Jar« geht
der Blick nach Ägypten und Golgatha (»Ich
glaube, ich bin jetzt eine Jude«), dann ins
Frankreich des 19. Jahrhunderts (»Dreyfus, auch er, das bin ich«), darauf nach
Bialystok, zum polnischen Judenpogrom
kurz vor dem 1. Weltkrieg (»Mir scheint,
ich bin jetzt ein kleiner Junge in Bialystok«), zuletzt in das von den deutschen
Faschisten besetzte Amsterdam (»Mir
scheint – ich bin Anne Frank«). Als alttestamentarischer Jude zieht das Ich durch
Ägypten, wird als Jude Christus ans Kreuz
Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie
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geschlagen, als Jude Dreyfus verhöhnt und
verspottet, spürt als Kind in Bialystok die
Stiefel der polnischen Antisemiten, hofft
als Anne Frank vergeblich, dass die sich
dem Versteck nähernden Schritte den
Frühling künden und nicht den Tod.
Einfühlung und Verwandlung vollziehen
sich in Wort wie Musik. In der Kneipenszene in Bialystok zwingt eine Polka dem Opfer
den widerlichen Ton der Täter auf. Ein zerbrechlicher Walzer imaginiert die Frühlingsvision der jungen Anne Frank, die
Bassstimme wird hell und leicht, quasi
mädchenhaft. Musik als Verwandlungskünstlerin, aber auch Stifterin von Kohärenz: Viermal kehrt eine Adagio-Musik als
instrumentales Ritornell wieder und stellt
so den Zusammenhang zwischen den verschiedenen, in Raum und Zeit verstreuten
Ereignissen her. Über einem schreitenden
Bassthema in den Streichern erheben sich
düstere, in hohle Quint- und Quartklänge
mündende Signaltöne der Hörner und
Trompeten. Eine Glocke schlägt die Stunde,
unbestechlich gegenüber allen, Gerechten
wie Ungerechten. Zwar sind die »Gedichte
zu verschiedenen Zeiten veröffentlicht
worden und unterschiedlichen Themen gewidmet, doch wollte ich sie durch die Musik
miteinander verbinden, schrieb also eine
Symphonie und nicht eine Reihe einzelner
Bilder«, so Schostakowitsch.
2. SATZ: »DER WITZ«
Der 2. Satz ist ein Scherzo, in dem das Lachen und Scherzen selbst thematisiert
wird. Jewtuschenko entschied sich bei seinem Gedicht von 1960 für die Bezeichnung
»Humor«, d. h. für ein Fremdwort in der
russischen Sprache. Lachen ist international.
Altem Volkswitz entsprechend, personifizierte Jewtuschenko das Lachen und spielte auf Episoden aus dem Leben historischer
Spaßmacher der verschiedensten Kulturen
und Zeiten an. Er folgte dabei der Devise:
»Der Humor schaut sich selbst mit Humor
an«. Als Person wird das Lachen von den
»Untermenschen« geliebt und verehrt, von
den Mächtigen hingegen gefürchtet und
verfolgt; als Geisteshaltung bleibt Lachen
letztlich unfassbar. Schostakowitsch hat
seine Musik auf den Volkswitz eingestellt,
die Töne jagen in einem fort und tragen den
guten Geist des Lachens in flottem Tempo
dahin. Es ist der Ton der Skomorochen, der
altrussischen Jahrmarktsgaukler, wie er
sich durch Schellengerassel und Kasta­
gnettengeklapper ebenso kundtut wie in
den Eskapaden von Solovioline und Piccoloflöte.
3. SATZ »IM LADEN«
Das Sujet des 3. Satzes ist ungewöhnlich.
Puristen der »hehren Kunst« haben sich
darüber mokiert, denn sein Handlungsort
ist einer der vielen russischen Lebensmittelläden. Hierher verirrt sich eines Tages
ein Mann, das lyrische Ich der Symphonie.
Während er sich in die lange Warteschlange
der Frauen einreiht, entdeckt er ihr stilles
Heldentum.
Die Musik identifiziert sich mit dem Ich,
zeichnet seine zunehmende Ergriffenheit.
Die Einleitung greift den Adagio-Ton des 1.
Satzes auf. Dann imaginiert die Musik das
Scheppern »der Kübel und Flaschen«: leises Kastagnettenklappern, unterstützt
von Klavier und Holz. Doch alsbald wächst
dieser trockene Ton zur übergreifenden
Klangmetapher, wird fordernd, gespenstisch, schicksalhaft, imaginiert das Ticken
einer Uhr, wird zur Chiffre für verrinnende
Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie
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Zeit. Auf dem Höhepunkt, einem Orchestercrescendo, zieht das Ich mit Emphase
das Fazit: Was hier geschieht, »das ist unsere Ehre und Gericht« (Eto nascha tschest
i sud). Schostakowitsch geht auf die im
Text versteckten religiösen Hinweise ein,
wechselt zu einem »Dies irae«-Ton, wenn
davon die Rede ist, dass es »sündhaft«
(greschno) und »schändlich« (postydno)
sei, diese Frauen zu betrügen. Wobei mit
»betrügen« und dem Begriff vom »falschen Maß« nicht nur der Lebensmittelladen und die Verkäufer gemeint sind, sondern im biblischen Sinne die Oberen, die
diese Frauen, »die guten Götter der Familien«, um ihre Lebenszeit bringen. Denn
Warten und immer wieder Warten, ob im
Laden oder auf den Ämtern, war das Los
sowjetischer Frauen.
Der Satz endet mit einer Hommage auf die
»heiligen Hände« dieser Frauen, einer Entlehnung aus dem Gedicht Arthur Rimbauds
»Les Mains de Jeanne-Marie« (Die Hände
von Jeanne-Marie) – übrigens sollte auch
Luigi Nono 1975 auf dieses Gedicht und die
»heiligen Frauenhände« in seiner musikalisch-theatralischen Aktion »Al gran sole
carico d’amore« zurückkommen. Am
Schluss wird der biblische Subtext mit
zwei vom Chor gesungenen »Glocken-­
Akkorden« auf die Silben »pra« und »ich«
bekräftigt und zwar zu den vom Solisten
gesungenen Worten »prawednyje ich«
(ihre heiligen Hände). Ein niedriges Sujet ?
Wer Ohren hat, der höre.
4. SATZ: »ÄNGSTE«
Die Sätze »Im Laden«, »Ängste« und »Karriere« haben attacca aufeinander zu folgen. Das ist so beeindruckend wie logisch:
Aus dem »Laden« dringt der dunkle Gesang
der Violoncelli und Bässe herüber; neu hin-
zu kommt ein leise verhaltenes, immerwährendes Trommeln, und über beiden Schichten reckt sich ein 11-töniges chromatisches Motiv in der Solo-Tuba empor, das
Klangsymbol für Angst: Angst vor Verhaftung und Exekution war eine grundlegende
Erfahrung der Stalinzeit. Schostakowitsch
teilte sie mit der Mehrzahl seiner Landsleute; ihr hat er auch in seinen »wortlosen«
Symphonien Ausdruck gegeben. Deshalb
ist es nur folgerichtig, wenn die Idee zu
diesem Satz von Schostakowitsch selbst
stammte; er erbat sich von Jewtuschenko
entsprechende Verse und gestaltete manche sprachliche Wendung mit.
Chor und Solist stehen sich hier im Sinne
von Gefühl und Vernunft gegenüber. Das
Gefühl beginnt mit der Hoffnung: »Gestorben sind in Russland die Ängste« (Umirajut
w Rossii strachi), d. h. mit dem Ende des
Schreckensregimes brauche keiner mehr
Angst zu haben. Doch die Musik widerspricht – noch hat man sich von den Ängsten nicht befreien können. Die Vernunft
versucht Befreiung durch Lachen, parodiert die einstige Kraft und Herrlichkeit
der Angst. Das Gefühl ist ermuntert: »Gestorben sind die Ängste in Russland«. Doch
die alte Angst steigt wieder empor: Gläserne Klänge, eisige Höhen, die Glocke schlägt
wie im 1. Satz und thematisiert Totengedenken und die unbestechlich voranschreitende Zeit.
Dann kommt ein bemerkenswerter Einschub. Jewtuschenkos Text artikuliert den
seltsamen Widerspruch, dass die Russen
»keine Furcht hatten, im Schneesturm zu
bauen, / im Granathagel zum Kampf zu
ziehn, / Aber manchmal hatten wir tödliches Grauen / Mit uns selbst ins Gericht zu
gehn...«. Schostakowitsch unterlegte diesen Zeilen eine Melodie aus seiner 11. Sym-
Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie
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phonie; dort wie hier erklingt das Zitat
eines Gefangenenliedes mit dem Titel »Der
Arrestant«. »Stalinzeit« währt so lange,
wie der Mensch Gefangener von Angst ist.
Das war 1957 auch die Botschaft von
Schostakowitschs 11. Symphonie gewesen,
von vielen nicht verstanden. Entsprechend
sieht die Vernunft neue Ängste entstehen,
die allegretto einhergetanzt kommen, und
die Musik schaltet zum Largo des Beginns
zurück: Noch sind die alten Ängste nicht
gestorben und schon sind neue erwacht.
5. SATZ: »KARRIERE«
In das ausklingende Largo hinein erhebt
sich über dunklem Grund in hellem B-Dur
der freundliche Gesang zweier Flöten. Ende
gut – alles gut ? Unentwegt plappert banal
und aufdringlich ein Fagott. Es steht für
den Spießbürger und bequemen Denker,
der Karriere predigt und darunter ein angepasstes Leben bei äußerem Wohlergehen
versteht; der für problematische Lebensverläufe, wie die eines Galilei, nur Verachtung und Spott übrig hat. Das lyrische Ich
lässt sich auf keinen Disput ein und schneidet dem Fagott den Ton ab. Das kollektive
Wir lässt daraufhin Shakespeare, Pasteur,
Newton und Tolstoi als die wahren Karrieristen hochleben. Ein Leckerbissen für Eingeweihte ist es, wenn der Solist beim kollektiven Loblied auf Tolstoi besorgt fragt:
»Lew ?« Denn der berühmten Tolstois gab
Schostakowitsch mit Kondraschin und Jewtuschenko nach der Uraufführung
der 13. Symphonie am 18. Dezember 1962.
Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie
10
es zwei: Lew und Alexej. War Lew (Leo)
groß als Mensch wie als Künstler, blieb
Alexej eine klägliche Erscheinung – wenn
auch von Stalin hochgeschätzt.
Wenn Jewtuschenko wünscht, dass »Karrieren des Mitgefühls« Schule machen sollten, lässt Schostakowitsch sinnentsprechend ein Fugato folgen. Dann aber mahnt
die Glocke, schlägt die Stunde, folgt der
Schlussaphorismus: »Ich selbst mache
Karriere, indem ich keine mache.« Die Musik »spricht« von der Möglichkeit, hochfliegendes Wünschen aufzugeben und im
kleinen Kreis glücklich zu sein: Das Orchesterinstrumentarium wird auf die Streichergruppe minimiert, das Fugato-Thema fungiert nun als Hauptthema eines QuasiStreichquartettsatzes. Die Celesta spielt
eine »musica angelica« und der letzte
Glockenton erstirbt morendo. Hier findet
ein letzter Perspektivenwechsel statt, die
Betrachtung der Karrieren aus himmlischer
Höhe – wobei sich alles in Nichts auflöst.
Genau diesen Perspektivenwechsel thematisierte Jewtuschenko auch in seinem Roman »Beerenreiche Gegend«. Der Erzähler
schaut dort aus einer Raumflugkapsel auf
die Erde herab. Die ihn einst bedrängenden
Ängste werden klein und nichtig, die Seele
beruhigt sich, die Gedanken werden weit
und groß.
DIE SCHWIERIGE URAUFFÜHRUNG
Von vornherein stand für Schostakowitsch
fest: »Ein Dummkopf von Sänger taugt für
die Solopartie nicht.« Daher begab er sich
bereits vor Fertigstellung der Komposition
auf die Suche. In Boris Gmyrja (1903–
1969), einem Solisten der Kiewer Oper, den
er seit 1953 kannte, glaubte er den geeigneten Interpreten gefunden zu haben.
Gmyrja fühlte sich geehrt, war hocherfreut, und sie verabredeten sich bereits im
Spätsommer 1962 zu ersten Proben. Plötzlich sagte Gmyrja ab: Die ukrainische Obrigkeit hatte ihm verboten, an der Uraufführung der »Judensymphonie« mitzuwirken. Mit dem zweiten Sänger lief es nicht
besser; der stammte vom Bolschoi-Theater
und stieg ohne Vorwarnung am Tag der Uraufführung aus. Sein Double, Witali Gromadski, sprang ein – die bis zum letzten
Platz ausverkaufte Generalprobe und die
Uraufführung waren gerettet.
Es gab für Schostakowitsch keinen Zweifel,
dass Jewgenij Mrawinski das Dirigat der
13. Symphonie übernehmen würde. Wenige
Tage nach Fertigstellung der Komposition
fuhr er zu dem alten Freund und stellte ihm
das Werk vor. Überraschenderweise zeigte
sich Mrawinski an der Uraufführung nicht
interessiert, schützte Zeitmangel vor. Die
Gründe für Mrawinskis Zurückhaltung sind
rätselhaft, hatte er sich doch in weitaus
schwierigeren und gefährlicheren Zeiten
für Schostakowitsch eingesetzt und sollte
dies auch weiterhin tun. Nun wurde das
Dirigat Kyrill Kondraschin übertragen.
Rangelei um die Uraufführung gab es bis
zuletzt. Die für den Vormittag des 18. Dezember 1962 angesetzte Generalprobe
wurde abgebrochen. Schostakowitschs
Freund Isaak Glikman erinnerte sich: »Gegen Mittag kam ein Anruf aus den höheren
Sphären der Partei, und man gestattete
die Probe, folglich auch die Uraufführung.
Man gestattete sie widerwillig, aus Furcht,
ein Verbot der ›Dreizehnten‹ könnte negative Reaktionen im Westen auslösen.«
Trotz der Einschüchterungsversuche wurde die Uraufführung ein Erfolg: »Nach dem
Finale stand das gesamte Publikum auf,
und stürmische Ovationen setzten ein, die
Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie
11
unendlich lange anhielten. Die Moskauer
Presse äußerte nicht ein einziges Wort
über das Konzert. Ihr war befohlen worden,
die aufrührerische Symphonie totzuschwei­
gen.«
»MUSIK HAT KEINERLEI
BEDEUTUNG. WICHTIG IST
DAS SUJET !«
Die Uraufführung hatte ein politisches Vorspiel, dem ein künstlerisches Nachspiel
folgte. Zum Vorspiel gehört die öffentliche
Verlautbarung von Nikita Chruschtschow,
dass »der Komponist Schostakowitsch
­›irgendeine Symphonie‹ komponiert und
damit eine niemandem nützende ›jüdische
Frage‹ aufgeworfen habe, obwohl die Faschisten doch nicht nur Juden umgebracht
hätten...« Chruschtschow mag zwar als
Politiker der sogenannten »Tauwetterperiode« gelten; seine Zeitgenossen aber erlebten ihn als groben und ungebildeten
Menschen, der »unbegrenzte Macht besaß,
so dass jede seiner Bemerkungen Gesetzeskraft erlangte«.
Schostakowitsch hatte auf die Kraft von
Jewtuschenkos Versen gesetzt. Seine Intentionen sollten verstanden werden – sie
wurden es. Nun präsentierte man ihm die
Rechnung: Jewtuschenko hatte nachträglich den Text zu ändern. Schostakowitsch
musste Korrekturen zulassen, um weitere
Aufführungen der Symphonie im Februar
1963 in Minsk nicht zu gefährden. Statt
»Mir ist, als wenn ich selbst ein Jude bin,
/ Verlass' Ägyptens Land in Todesnöten. /
Gekreuzigt spüre ich, wie sie mich töten, /
Aus Nägelmalen rinnt mein Blut dahin.«
hatte der Solist am Anfang von »Babij Jar«
zu singen: »Da steh ich, als wäre es an der
Kriniza, / Die mir Glauben schenkt an unsere Brüderlichkeit. / Russen liegen hier
und Ukrainer, / Mit Juden liegen sie in einer
Erde.« Eine andere Veränderung betraf den
Schluss des 1. Satzes. Statt »Und schweigend bin ich Widerhall des Schreis, / Von
allen, deren Blut man hier vergossen. / Bin
selbst der sinnlos hingemähte Greis. / Bin
selbst der Kinder eins, die hier erschossen.« hatte es zu lauten: »Ich denke an
Russlands Heldentat, / Die dem Faschismus
den Weg versperrt. / Bis zum winzigsten
Tautropfen / Ist mir nahe sein Wesen und
Schicksal.«
Schostakowitschs Kommentar zum Zensur­
eingriff lautete: »Die Musik ist wie vorher,
sie ist gleich geblieben. Geändert sind
­lediglich die Worte. Wie sagte doch Zar
­Nikolai I. sinnig: ›Musik hat keinerlei Bedeutung. Wichtig ist das Sujet !‹« Bis zu
seinem Lebensende beging der Komponist
jedes Jahr zwei sein Schaffen betreffende
Gedenktage: am 12. Mai die Premiere seiner 1. Symphonie und am 20. Juli die Beendigung seiner »Dreizehnten«.
EIN OPUS IUDAICUM ?
Vordergründig ist die 13. Symphonie keine
explizit »jüdische Symphonie«, kein »Opus
iudaicum«. Und doch: mit der lapidaren
Klarheit des Vokalparts, seiner sowohl einzelnen Worten wie auch einzelnen Vokalen
und Konsonanten Sinn gebenden Musizierhaltung entsprach Schostakowitsch zutiefst jüdischem Musikverständnis, wie es
im »Sohar«, dem »Heiligen Buch der Kabbala«, festgeschrieben ist. Die Melodie,
heißt es dort, solle Konsonanten und Vokale zum Leuchten bringen, um so einen
Lichtweg zwischen Erde und Himmel zu
bahnen und das Vergängliche auf das Ewige hin auszurichten.
Dmitrij Schostakowtisch: 13. Symphonie
12
Symphonie
Nr. 13
NACH GEDICHTEN VON JEWGENIJ JEWTUSCHENKO
1. BABIJ JAR
Babij Jar ist eine Schlucht bei Kiew, die im
September 1941 zur Kulisse des größten
historisch belegten Massenmords der Geschichte wurde: 34.000 jüdische Männer,
Frauen und Kinder wurden hier innerhalb
von 36 Stunden durch ein deutsches SSSonderkommando erschossen. Auch in Bialystok fanden blutige Judenprogrome statt:
Im Juni 1906 wurden dort von der polnischen Geheimpolizei »Okraina« Tausende
von Juden, die gleichzeitig Hoffnungsträger
einer politisch-sozialen Veränderung waren, auf brutalste Weise misshandelt und
getötet.
CHOR
Es steht kein Denkmal über Babij Jar.
Die steile Schlucht mahnt uns als
stummes Zeichen.
Die Angst wächst in mir.
Es scheint mein Leben gar
Bis zur Geburt des Judenvolks zu reichen.
SOLO
Mir ist, als wenn ich selbst ein Jude bin,
Verlass' Ägyptens Land in Todesnöten.
Gekreuzigt spüre ich, wie sie mich töten,
Aus Nägelmalen rinnt mein Blut dahin.
Jetzt bin ich Dreyfus, trag' ich sein
Gesicht.
Die Spießer, meine Kläger, mein Gericht.
Rings seh' ich Gitter, Feinde dicht bei dicht.
Muss niederknien, hart angeschrien und
angespien.
Und feine Dämchen ganz in Brüssler
Spitzenfähnchen
Stechen mir mit Schirmen ins Gesicht.
Jetzt seh' ich mich in Bialystok als Junge.
CHOR
Blut, Blut bedeckt den Boden rings umher.
Es gröhlt betrunkenes Volk mit schwerer
Zunge,
Nach Wodka und nach Zwiebeln stinkt es
sehr.
SOLO
Hart treten Stiefel mich, wie alles
Schwache,
Am Boden liegend lässt man mich im Stich.
CHOR
»Schlagt tot die Juden ! Vaterland
erwache !«
Ein reicher Händler schändet, Mutter, dich !
»Babij Jar« – Gesangstexte
13
SOLO
O Russland, du mein Volk, getreulich
denkst du
International in deinem Handeln.
Doch ehrfurchtslose Frevler suchen
längst
Die Reinheit deines Namens zu
verschandeln.
Ich weiß auch um die Güte hierzuland,
Doch kürzlich, keiner wagt es zu
verbieten,
Hat eine Schar Antisemiten sich höhnisch
SOLO
»Nein, es bricht nur das Eis...«
SOLO UND CHOR
»Bund des Russenvolks« genannt !
SOLO
Und schweigend bin ich Widerhall des
Schreis
Von allen, deren Blut man hier vergossen.
Bin selbst der sinnlos hingemähte Greis.
Bin selbst der Kinder eins, die hier
erschossen.
Was hier geschah: Ich kann es nie
vergessen !
SOLO
Jetzt scheint es mir: ich selbst bin Anne
Frank,
Ein knospenzarter Zweig im
Frühlingswehen.
Ich liebe nur. Was braucht es Worte bang,
Wenn ich nur weiß, dass Menschen sich
verstehen.
Wie wenig Licht und Luft hier im
Quartier !
Kein grünes Blatt, der Himmel ist
verhangen.
Doch eines bleibt: Wir können uns
umfangen
Voll Zärtlichkeit im dunklen Zimmer hier.
CHOR
»Wer kommt herauf ?«
SOLO
»Sei furchtlos, nur das Rauschen
Des Windes ruft: der Frühling naht,
Sei leis', komm her zu mir
Und lass uns Küsse tauschen !«
CHOR
Über Babij Jar rauscht leis das wilde
Gras.
Die Bäume blicken streng, wie Richter
schauen.
Das Schweigen hier ist Aufschrei ohne
Maß.
Mein Haar erbleicht vor namenlosem
Grauen.
CHOR
Die »Internationale« tönt und gellt,
Wenn keine Menschenseele mehr
besessen
Von Judenfeindschaft hier auf dieser
Welt.
SOLO
Der Juden Blut fließt nicht in meinem
Blut.
Doch tiefer Hass verfolgt mich bis zum
Schlusse:
Für Judenfeinde bin ich wie ein Jud'.
SOLO UND CHOR
Und darum steh' ich hier als wahrer
Russe.
CHOR
»Zerschlägt man die Tür ?«
»Babij Jar« – Gesangstexte
14
2. DER WITZ
CHOR
Doch so bringt ihn keiner zum Schweigen.
Äsop war ein um 550 vor Christus lebender
griechischer Sklave aus Sardes, der wie Till
Eulenspiegel Held eines in der antiken Welt
weit verbreiteten Volksbuchs wurde; es beschrieb sein Leben, seine witzigen Einfälle
und enthielt seine heute noch berühmten
Tierfabeln. Sein türkischer Kollege Nasr-edDin Chodscha (Nasreddin = der Schulmeister) lebte im 13. Jahrhundert und war eine
ebenfalls mit Till Eulenspiegel vergleichbare Gestalt, um die sich über 500 literarisch
überlieferte Schwänke ranken. Der Sturm
auf das Winterpalais der russischen Zaren
in St. Petersburg (die heutige »Eremitage«
mit ihren weltberühmten Kunstsammlungen) leitete am 8. November 1917 die bolschewistische Revolution ein.
SOLO
Cäsaren, Regenten und Könige,
Die Herren im Rampenlicht,
Sie kommandierten nicht wenige,
Beim Witz jedoch, beim Witz jedoch ging
das nicht.
Zu Leuten mit Ruhm und Besitz,
Die lebten so hin in Saus und Braus,
SOLO UND CHOR
Kam einst der Äsop voller Witz:
Da sahen sie gleich wie Bettelpack aus.
SOLO
Es kriechen, den Blick himmelwärts,
Die Heuchler mit schleimiger
Schneckenspur,
SOLO UND CHOR
Von Nasreddin Hodscha ein Scherz
Fegt alle weg wie 'ne Schachfigur !
SOLO
Man wollte den Witz einfach kaufen,
SOLO
Man rief: »Knallt den Witz über'n
Haufen !«
CHOR
Da tät' er das Hinterteil zeigen!
SOLO
Der Kampf mit dem Witz fällt äußerst
schwer.
Einst köpften ihn die Strelitzen
CHOR
Und zeigten den blutigen Schädel her
Auf ihren Lanzenspitzen.
SOLO
Da zogen mit Pauken und Trara
Die Gaukler zum Mummenschanz.
Gleich rief unser Witz: »Bin wieder da !«
SOLO UND CHOR
Und schmiss seine Beine im Tanz.
SOLO
Im schäbigen Rock, von allen mit Spott
Geplagt und ganz verzagt,
Ward er als politischer Feind verklagt
Und ging nun den Weg zum Schafott.
Voll Demut und Reue der Ärmste schritt
Als Sünder dem Jenseits zu.
Doch plötzlich er seinen Lumpen entglitt:
Da war er weg
SOLO UND CHOR
Im Nu !
SOLO
Man steckte den Witz in den Kerker,
Zum Teufel, das hat nicht gereicht.
»Babij Jar« – Gesangstexte
15
Dmitrij Schostakowitsch während eines Erholungsurlaubs in Komarowo (1963)
»Babij Jar« – Gesangstexte
16
SOLO UND CHOR
Trotz Gitter und Stein: Er war stärker
Und schritt hindurch ganz leicht.
Er hustet, und es schmerzen die Rippen,
Doch er hat Tritt gefasst.
So stürmt er, ein Lied auf den Lippen,
Bewaffnet zum Winterpalast.
SOLO
Gewöhnt an die Blicke voller Neid,
Die schaden ihm sicherlich nicht,
Ist er auch zum Witz über sich bereit:
Das gibt dem Witz Gewicht.
SOLO UND CHOR
Er bleibt ewig,
Stets wendig,
Lebendig.
SOLO
Frierend stehe ich schon lange,
Bis zur Kasse hat man's schwer.
In der dichten Menschenschlange
Wird es wärmer um mich her.
SOLO UND CHOR
Frauen warten ohne Ende,
Freundlich ist ihr Haus bestellt,
Und es halten ihre Hände
Stumm das schwerverdiente Geld.
SOLO
Russlands Frauen, die sich plagen,
Für ihr Land mit aller Kraft.
Ob es galt, zu betonieren,
Zu bepflanzen, zu planieren:
SOLO
Der Witz kommt an alles heran.
SOLO UND CHOR
Alles haben sie ertragen,
Alles haben sie geschafft.
SOLO UND CHOR
Hört her: Es lebe der Witz !
Der Witz ist ein tapferer Mann.
SOLO
Unser Schicksal lastet lange schon
Auf den Frauen, die in harter Fron.
SOLO UND CHOR
Schändlich ist's, sie zu betrügen,
Falsch zu wiegen, welch ein Hohn !
3. IM LADEN
SOLO
Tief vermummt, wie Kampfbrigaden,
Stets zur Heldentat bereit,
So betreten sie den Laden:
Frauen schweigend, Seit an Seit.
SOLO
Ich bezahle Mehl und Flaschen,
Sehe noch im Lampenschein
Die vom Tragen ihrer Taschen
Müden Hände, gut und rein.
CHOR
Oh, sie klappern mit den Kübeln
Mit den leeren Kannen laut,
Und es riecht nach Gurken, Zwiebeln,
Räucherfisch und Bohnenkraut.
»Babij Jar« – Gesangstexte
17
4. ÄNGSTE
CHOR
Die Ängste in Russland sind tot,
Wie Phantome aus alter Zeit,
Alte Frauen gleich im grauen Kleid,
Die vor Kirchen erbetteln ihr Brot.
SOLO
Einst erlebten wir alle mit Schrecken
Die Triumphe der Lügenbagage.
Ängste lauerten rings in den Ecken
Und verschonten nicht eine Etage,
Zähmten die Menschen mit hämischer
Fratze,
Druckten allem ihr Siegel auf,
Lehrten schreien, wo Schweigen am
Platze,
Für den Schrei nahm man Schweigen in
Kauf.
Fern die Ängste, die wir einmal kannten,
Seltsam scheint die Erinnerung mir:
Jene Angst vor dem Denunzianten
Oder Angst, wenn es klopft an der Tür.
Auch die Ängste, mit Fremden zu
sprechen
Oder gar mit der eigenen Frau.
Ängste, die das Vertrauen zerbrechen
Nach dem Wandern zu zweit durch das
Grau.
CHOR
Mutig sah man im Schneesturm uns
bauen.
Trotz Beschuss ging es furchtlos zur
Schlacht.
Doch wir fürchten sehr zu vertrauen,
Kein Gespräch ohne Angst und Verdacht.
Doch dies alles warf uns nicht nieder,
Weil du deine Ängste bezwangst,
Überkam, o mein Russland, nun wieder
Deine Feinde die große Angst.
SOLO
Neue Ängste sich drohend erheben:
Angst, nicht ehrlich zu dienen dem Land,
Angst, bewusst die Idee aufzugeben,
Die schon morgen als Wahrheit erkannt.
Angst, sich maßlos zu überschätzen,
Angst, auf Worte des andern zu bauen.
Angst, durch Argwohn den Freund zu
verletzen,
Nur sich selbst völlig blind zu vertrauen.
CHOR
Die Ängste in Russland sind tot...
SOLO
Und wie ich diese Zeilen hier schreibe,
Noch im Banne von Worten und Klang,
Fühle ich, eine Angst wird mir bleiben:
Ob mir hier auch das Beste gelang.
5. KARRIERE
Da es in Russland mehrere historisch bedeutsame Persönlichkeiten namens Tolstoi
gab, verweisen Frage- und Antwortspiel
erklärend auf Leo Tolstoi, den großen Romancier. In der Antwort des Chors ist die
russische Doppelbedeutung des Wortes
Lew = Leo = Löwe unüberhörbar.
SOLO
Die Priester lehrten, dass verblendet
Der Galilei in seinem Wahn,
CHOR
Der Galilei in seinem Wahn.
SOLO
Erst als sein Leben war beendet,
SOLO UND CHOR
Begriff man recht, was er getan.
»Babij Jar« – Gesangstexte
18
SOLO
Ein Wissenschaftler jener Zeit,
SOLO UND CHOR
Er war wie Galilei gescheit,
SOLO
Fand auch, dass sich die Erde dreht.
CHOR
Lew !
Warum man sie mit Dreck beschmierte ?
Talent trotzt jeder Diffamie.
SOLO
Vergessen, wer sie diffamierte,
CHOR
Doch die es traf, vergisst man nie.
SOLO UND CHOR
Er hat Familie, ihr versteht.
SOLO
Sich selbst zum Ruhm, der Frau zur Ehre,
Begeht er Hochverrat wie nie und denkt:
So mache ich Karriere,
SOLO UND CHOR
Doch in der Tat zerstört er sie.
SOLO
Eroberer der Stratosphäre,
Ihr Ärzte, an der Pest krepiert,
Ihr seid die Helden der Karriere,
SOLO UND CHOR
Ihr habt mir meinen Weg markiert.
SOLO
Ich glaube eurem wahren Glauben,
Und euer Vorbild bricht mir Bahn.
Ich kann Karriere mir erlauben,
Grad weil ich nichts dafür getan.
SOLO
Planetenbahnen zu verstehen,
Hat Galilei gewagt. Ihr wisst,
SOLO UND CHOR
Er wurde weltberühmt.
SOLO
Wir sehen,
Nach Gedichten von
Jewgenij Jewtuschenko.
Deutsche Nachdichtung von
Jörg Morgener.
SOLO UND CHOR
Er war ein rechter Karrierist !
CHOR
Lasst laut mich preisen die Karriere,
Die ich bei großen Männern treff':
Pasteur und Shakespeare gebt die Ehre,
Auch Newton und Tolstoi, und Tolstoi.
SOLO
Lew ?
»Babij Jar« – Gesangstexte
19
»Beethovens männliche
und künstlerische Energie
auf engem Raum«
GABRIELE E. MEYER
LUDWIG VAN BEETHOVEN
(1770–1827)
Ouvertüre zu Heinrich Joseph von Collins
Trauerspiel »Coriolan« op. 62
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
Geburtsdatum unbekannt; geboren am 15.
oder 16. Dezember 1770 in Bonn; dort Eintragung ins Taufregister am 17. Dezember;
gestorben am 26. März 1827 in Wien.
ENTSTEHUNG
Den Angaben im Autograph zufolge muss
Beethovens Ouvertüre zu Heinrich Joseph
von Collins Schauspiel »Coriolan« in den
ersten Wochen des Jahres 1807 entstanden sein. Für den raschen Entstehungsprozess spricht, dass keinerlei Skizzen existieren, auch keine schriftlichen Zeugnisse,
und die erste Aufführung schon im März
1807 stattfand.
WIDMUNG
Beethoven widmete die »Ouverture componiert für das Trauerspiel Coriolan von H.
Collin« dem mit ihm befreundeten öster­
reichischen Theaterdichter Heinrich Joseph von Collin (1771–1811). Beider künstlerische Zusammenarbeit begann wohl mit
einem Oratorienprojekt (möglicherweise
»Die Befreyung von Jerusalem«), das aber
kaum über Anfänge hinausgelangte. Überlegungen zu Opern folgten, so u. a. zu
»Macbeth« und »Bradamante«, kamen
aber ebenso wenig zur Ausführung.
URAUFFÜHRUNG
Im März 1807 in Wien im Palais Lobkowitz
(in einem von zwei Konzerten, die ausschließlich Werke Beethovens unter Mitwirkung bzw. Leitung des Komponisten
enthielten); vor »einer sehr gewählten Gesellschaft, welche zum Besten des Verfassers sehr ansehnliche Beiträge subskribiert hat«, kamen außer »Coriolan« die
Symphonien Nr. 1 bis 3, Auszüge aus der
Oper »Leonore« sowie, als Uraufführungen, die 4. Symphonie op. 60 und das 4.
Klavierkonzert op. 58 zu Gehör.
Ludwig van Beethoven: »Coriolan«-Ouvertüre
20
COLLINS TRAUERSPIEL
»CORIOLAN«
Anders als lange vermutet, fußt Heinrich
Joseph von Collins Trauerspiel keineswegs
auf dem um 1602 verfassten Drama William
Shakespeares; die Übersetzungen Schlegels und Tiecks, die die Werke Shakespeares im deutschen Sprachraum bekannt
machten, sind ohnehin jüngeren Datums.
Wie die Aufzeichnungen seines Bruders
Matthias belegen, beruht Collins Drama auf
einer Darstellung des griechischen Schriftstellers und Philosophen Plutarch, dessen
Werke im Übrigen auch Beethoven sehr
schätzte. Inhaltlich geht es um eine Gestalt aus der frühen römischen Geschichte.
Der ehemals ob seines Sieges gegen die
Volsker umjubelte, inzwischen aber wegen
seiner Willkür und Selbstherrlichkeit beim
Volk von Rom verhasste Coriolan wird in die
Verbannung geschickt. Er schwört Rache.
Trotzig läuft er zu den Volskern über und
führt sie zum Kampf gegen seine Vaterstadt. Erst seiner Mutter und seiner Frau
gelingt es, den Abtrünnigen zur Aufgabe
seines Vorhabens zu bewegen. Coriolans
Gegner bei den Volskern trachten ihm da­
raufhin nach dem Leben. Coriolan weiß,
dass er den persönlichen Konflikt zwischen
der Familientradition und dem den Volskern
gegebenen Treueschwur nur durch den eigenen Tod lösen kann. Er stürzt sich in sein
Schwert und bleibt somit einer höheren
Moral treu, indem er weder Rom noch die
Volsker verrät.
BEGEISTERUNG FÜR DIE
KLASSISCHE ANTIKE
Warum Beethoven sich für das Thema entschieden hat, kann nur vermutet werden.
Vielleicht benötigte er eine Konzerteinleitung, vielleicht wollte er sich dem Dichter
gefällig zeigen, sollte dessen 1802 in Wien
uraufgeführtes, aber seit 1805 abgesetztes Drama doch noch einmal ins Repertoire
des k. k. Hoftheaters zurückkehren. Überdies war Collin als Hofsekretär bei der Hofkammer in Diensten, was Beethoven bei
seinen damaligen Bemühungen um eine
Anstellung bei Hofe gewiss nicht ganz ungelegen kam. Vielleicht auch wünschte
Beethoven dem fürstlichen Direktorium
des Theaters sein Können als Komponist
für die Bühne erneut zu demonstrieren. All
die genannten Gründe mögen mitgespielt
haben. Den Ausschlag aber, sich dem
­» Coriolan«-Thema zu stellen, gab sicherlich Beethovens Begeisterung für die klassische Antike, eine Vorliebe, die er mit vielen seiner Zeitgenossen teilte. Der in
Collins »Coriolan« innewohnende »moralische Appell«, dass der Mensch als Einzelwesen der Vernichtung preisgegeben ist,
wenn er, wie es Paul Bekker in seinem berühmten Beethoven-Buch (1911) darlegte,
»die eigene Persönlichkeit nicht in Einklang
mit den höchsten Gesetzen der Menschlichkeit zu bringen vermag«, dürfte den
Komponisten zusätzlich bestärkt haben.
THEMENDUALISMUS DER
SONATENSATZFORM
Der allgemeinen Praxis seit Christoph Willibald Gluck folgend steht auch Beethovens
»Coriolan«-Ouvertüre in Sonatensatzform.
Ohnehin Ort konfliktreichen Geschehens,
geprägt durch gegensätzliche Thematik
bzw. Themenkomplexe und deren manchmal geradezu exzessive Verarbeitung in
der Durchführung und teilweise sogar
Coda, erscheint sie wie keine andere Form
prädestiniert, die extremen Charakterzüge des Titelhelden einerseits und den Bittgesang der beiden Frauen andererseits
nachzuzeichnen. Das Stück, in der düste-
Ludwig van Beethoven: »Coriolan«-Ouvertüre
21
ren Tonart c-Moll, beginnt mit einem harten Fortissimo-Streicher-Unisono, gefolgt
von einem aggressiv-herrischen TuttiSchlag – dreimal, dazwischen bedrohliches
Schweigen. Dann erklingt fast störrisch
sich wiederholend das »Coriolan«-Thema
(1. Thema), verdichtet sich zu insistierenden Floskeln, immer wieder durch scharfkantige Schläge unterbrochen, bis die
strömende Gesangslinie (2. Thema) Einhalt
gebietet.
PSYCHOGRAMM EINER
GESPALTENEN SEELE ?
Der gesamte Verlauf ist gekennzeichnet
durch schroffe Akzente, unruhig treibende
Sforzati, rastlos jagende Achtelfiguren,
gehetzte Seufzermotivik, grelle Akkorde,
beklemmende Generalpausen, einzig aufgehellt durch die zu Herzen gehende
Dur-Kantilene. Bedeutsam ist deren
Moll-Eintrübung bei ihrem letztmaligen
Auftreten. Spätestens hier stellt sich die
Frage, ob die Ouvertüre nicht eher ein
Gleichnis für den Kampf ist, der sich in Coriolans Herz abspielt. Psychogramm eines
Menschen im seelischen Zwiespalt ? Hat
Beethoven mit seinem »Coriolan«, wie es
schon E. T. A. Hoffmann in seiner Rezension von 1812 empfand, nicht vielmehr ein
von der äußeren Handlung unabhängiges
Charakterbild schaffen wollen, als das
»Negativ des ersten Eroica-Satzes« (Paul
Bekker) ? »Der Held scheitert«, meint
Wolfram Steinbeck, »der Musik aber ist ein
neues Terrain eröffnet: die programmatische Konzertouvertüre...«
Der Beginn der Ouvertüre in Beethovens Handschrift
Ludwig van Beethoven: »Coriolan«-Ouvertüre
22
Das große Finale
der Gegenliebe
WOLFGANG STÄHR
LUDWIG VAN BEETHOVEN
(1770–1827)
Fantasie für Klavier, Chor und Orchester
c-Moll op. 80
nössischen Literaten erdacht oder angepasst wurde, von dem Wiener Christoph
Kuffner (1780–1846). 1951 verfasste der
spätere DDR-Kulturminister Johannes R.
Becher (1891–1958) für die »Weltfestspiele der Jugend« in Ost-Berlin einen neuen Text zur »Chorfantasie«.
ENTSTEHUNG
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
Geburtsdatum unbekannt; geboren am 15.
oder 16. Dezember 1770 in Bonn; dort Eintragung ins Taufregister am 17. Dezember;
gestorben am 26. März 1827 in Wien.
ORIGINALTITEL
»Fantasie für das Pianoforte mit Begleitung des ganzen Orchesters und Chor«
LITERARISCHE VORLAGE
In diesem Fall strenggenommen eine
»Nachlage«, da Beethoven das Werk bereits skizziert und selbst schon Details des
späteren Vokaltextes entworfen hatte, der
dann nachträglich erst von einem zeitge-
Beethoven komponierte die Fantasie c-Moll
für Klavier, Chor und Orchester im Dezember 1808 ausdrücklich als »Schlußstück«
zu seiner großen Akademie im Theater an
der Wien – in nur wenigen Tagen war das
Werk halbwegs vollendet und jedenfalls
aufführungsreif. Allerdings musste Beet­
hoven die Adagio-Introduktion für Klavier
solo im Konzert improvisieren und seinen
Part ohnehin weitestgehend nach Skizzen
und Notizen realisieren. Erst im Winter
1809/10 fixierte er die Klavierstimme
schriftlich, als er die »Chorfantasie« für
den Erstdruck vorbereitete. Das Thema,
das zuerst vom Klavier eingeführt und
dann in Variationen behandelt wird, entnahm er seinem zweiteiligen Lied »Seufzer
eines Ungeliebten – Gegenliebe« WoO 118
von 1794/95.
Ludwig van Beethoven: »Chorfantasie« op. 80
23
URAUFFÜHRUNG
»DIESE SELTSAME KUNST«
Am 22. Dezember 1808 im Theater an der
Wien mit Beethoven am Klavier, der die unzureichend geprobte »Chorfantasie« als
Krönung einer vier Stunden langen, exklusiv seinen eigenen Werken gewidmeten
Akademie vorgesehen hatte. Doch kam es
kurz nach dem Anfang, in der dritten Variation, zu einem »Schmiss«, weshalb Beet­
hoven die Musiker lautstark angiftete und
eine Wiederholung erzwang. Ein Erfolg war
ihm trotzdem vergönnt: »Der geniale
Künstler wurde […] auch am Schlusse des
Konzerts mit dem lärmendsten Beyfalle
beehrt«, heißt es in einer Rezension.
Beethoven fing immer von vorn an. Selbst
in der »Chorfantasie«, einer Komposition,
die er ausdrücklich als Finale entworfen
und so auch bezeichnet hatte, ging es ihm
um den Anfang, elementar wie ideal: um
das Präludieren und Intonieren, das Suchen und Finden eines Themas, den Blick in
die Werkstatt mit dem einsamen Künstler
am Klavier, aber auch um den Schöpfungsmythos der Musik schlechthin. Die Welt
entsteht aus Ton und Takt.
Thomas Mann lässt in seinem späten Roman »Doktor Faustus« den Organisten
Wendell Kretzschmar geistvolle Vorträge
vor beinah menschenleerem Saal halten.
Einmal spricht er über »das Elementare«
in der Musik. »Ja, rief der Vortragende, es
liege im Wesen dieser seltsamen Kunst, daß
sie jeden Augenblick imstande sei, von
vorn zu beginnen, aus dem Nichts, bar jeder Kenntnis ihrer schon durchlaufenen
Kulturgeschichte, des durch die Jahrhunderte Errungenen, sich neu zu entdecken
und wieder zu erzeugen.« Deshalb verrate
die Musik eine einzigartige Neigung, »ihre
Elemente zu zelebrieren« und »sich selbst
in ihren Grundanfängen zu bewundern«.
Als Beispiele nennt der gelehrte Organist
die Bachschen Cellosuiten mit ihren Préludes und natürlich die Introduktion zu Wagners »Rheingold«.
Der überzeugteste Anfänger aber war
zweifellos Ludwig van Beethoven. Sein
Hang zum Elementaren lag begründet im
Selbstverständnis des Künstlers, der dem
Stoff, der widrigen Materie, erst Sinn und
Form abringen muss – am liebsten vor den
Augen und Ohren des Publikums. Damit
vertrug sich ein volkspädagogischer Anspruch, die Hörer durch Anschauung zu
Ludwig van Beethoven: »Chorfantasie« op. 80
24
bilden, ihnen vorzuführen, zu demonstrieren, wie Musik geformt wird aus dem Ton,
dem Motiv, der Melodie. Und tatsächlich
schuf Beethoven viele seiner Kompositionen aus »Elementen« einfachster und ursprünglichster Natur, aus Bausteinen, roh
und schlicht, die er gleichwohl zu kunstreicher Architektur auftürmte. In der »Chorfantasie« mischen sich die Beweggründe:
Selbstdarstellung, ästhetische Erziehung
und baumeisterliches Ethos, um zuletzt
noch das Ideal einer von den schönen Künsten gehobenen Gesellschaft zu feiern, wie
einst in den lichtesten Tagen der Aufklärung.
DER ANFANG VOM ENDE
Dabei sah der Ursprung dieser Komposition
ziemlich banal aus. Beethoven veranstaltete am 22. Dezember 1808 im Theater an
der Wien eine Akademie, eine exklusive
Werkschau, die mit Ur- und Erstaufführungen prall gefüllt war: Seine Fünfte und
Sechste Symphonie standen auf dem vierstündigen Programm, das G-Dur-Klavierkonzert, die Arie »Ah ! Perfido«, Teile der
C-Dur-Messe – doch damit nicht genug !
Beethoven wollte den Abend mit einem
»glänzenden Schlußstück« krönen, wie
sich sein Schüler Carl Czerny erinnerte,
einem großen Finale, das noch einmal sämtliche Mitwirkende vereinte: das Ausrufezeichen einer ohnehin höchst ambitionierten Akademie.
Zu diesem Ende komponierte Beethoven in
höchster Eile seine Fantasie in c-Moll für
Klavier, Chor und Orchester op. 80, ein
»Schlußstück«, dessen Eigenart darin besteht, dass es immer wieder von vorn beginnt und »sich selbst in seinen Grundanfängen bewundert«. Doch die wollen erst
einmal gesucht und gefunden sein. Zur
Einleitung fantasiert der Komponist am
Klavier (bei der Wiener Uraufführung natürlich Beethoven höchstselbst): Der Hörer
darf sich wie zu einem Werkstattbesuch
eingeladen fühlen, als würde er dem Meister über die Schulter blicken. Diese Improvisation, den ersten Anfang, sollte Beethoven erst ein Jahr später in Hinblick auf die
Drucklegung der »Chorfantasie« schriftlich fixieren: 26 Takte für Klavier solo. Danach steht bereits das Wort »Finale« in der
Partitur, obgleich das Stück jetzt erst
richtig losgeht. Nach einer kurzen Orientierungsphase – Celli und Bässe steigen
aus der Tiefe ans Licht – gibt die Musik sich
elementar, naturnah und ursprünglich, wie
es war im Anfang. Hornquinten, ein Echo in
den Oboen, dann nimmt das Klavier den
rhythmischen Impuls auf, kurz–kurz–lang,
und führt ihn fort zu schönster, eingängiger, zum Mitsingen anregender Melodie.
Dieses Thema, das wie neu ersteht, war
allerdings nicht wirklich neu, sondern ein
Selbstzitat Beethovens aus seinem zweiteiligen Lied »Seufzer eines Ungeliebten
– Gegenliebe«. Programmatisch gesprochen: Dem Ruf der Natur, der anfangs noch
im Raum verhallt, antwortet der Gesang
des Menschen. Und der wiederum lockt umgehend die anderen herbei: Musik als gemeinschaftsbildende, jedermann verständliche Sprache des Herzens, ja der
»Gegenliebe« – so lautet die Botschaft.
SCHÖNE SEELEN –
UNSCHÖNE SZENEN
Und doch hat die »Chorfantasie« gerade
erst angefangen: Das Liedthema wird nun
in fünf Variationen durchgenommen, in denen nach und nach die Instrumente auftreten, die Flöte, die Oboen, Klarinetten und
Fagott, ein Streichquartett, schließlich
das Tutti. Dieses Verfahren, dessen didak-
Ludwig van Beethoven: »Chorfantasie« op. 80
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tischer Charme wie »The Young Person’s
Guide to the Orchestra« anmutet, schreibt
zugleich den Entstehungsprozess der Musik fort und rückt mit den assoziierten
Instrumenten obendrein die Idee des Gemeinschaftswerks ins Zentrum: »Alle Menschen werden Brüder«. Der Gedanke sollte
Beethoven bekanntlich nicht mehr loslassen. Wie im Finale der späteren Neunten
Symphonie fängt Beethoven auch in der
»Chorfantasie« nochmals von vorn an,
wenn er – nach einem ausgiebigen Zwischenspiel, das für sich genommen wie ein
integriertes Klavierkonzert in drei Sätzen
erscheint – den Beginn mit den ans Licht
steigenden Bässen und den Hornquinten
kurz rekapituliert, um zum Schluss noch
Vokalsolisten und den Chor ins Spiel zu
bringen. Menschliche Gemeinschaft, nun
leibhaftig, mit Wort, Gesang und morali-
Isidor Neugass: Ludwig van Beethoven (1806)
Ludwig van Beethoven: »Chorfantasie« op. 80
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schem Appell: »Nehmt denn hin, ihr schönen Seelen, froh die Gaben schöner Kunst.«
Und so schuf Beethoven aus den elementaren »Grundanfängen« dieses großen, kuriosen und doch visionären Finales eine
beispiellose Hybridform: eine symphonische Fantasiekonzertkantate, die mit der
grenzenlosen Kunst auch die unaufhaltsame menschliche Verbrüderung heraufbeschwört, die Gemeinschaft der schönen
Seelen im Zeichen der Musik. Aber wie es
zuweilen geschieht mit den hohen Idealen
– sie verlieren an Strahlkraft, sobald sie
der schnöden Realität ausgesetzt werden.
Bei der schlecht geprobten Premiere der
»Chorfantasie«, am Ende einer allzu langen
Akademie, unterlief einem der Klarinettisten ein lässlicher Fehler, aber Beethoven
sprang empört vom Klavier auf, beschimpfte die Musiker vor den Augen und Ohren
des entgeisterten Publikums und brüllte:
»Von Anfang !«. Das Machtwort wirkte –
und alles fing von vorn an.
AUFERSTANDEN AUS RUINEN
Die Verse, die Beethoven vertonte, hatte,
nach allem was wir wissen (und wir wissen
in diesem Punkt so gut wie nichts), ein Wiener Hofbeamter gedichtet, Christoph Kuffner, der allerdings seine Wortkunst der
schon fortgeschrittenen Komposition einund anpassen musste, und dies auch noch
»nach Beethovens Angabe«. Insofern
müsste eher von einer »Verwortung« der
Musik als von einer Vertonung des Gedichts
die Rede sein. Aber undankbar war nicht
nur der Auftrag, sondern auch der Auftraggeber, denn Beethoven ließ seinem
Verlag freie Hand, der »Chorfantasie« nach
Gutdünken »einen andern Text« zu unterlegen.
So geschah es, Generationen und Epochen
später, im Jahr 1951, als in Ost-Berlin die
»Weltfestspiele der Jugend und Studenten
für den Frieden« anstanden und aus diesem
Anlass die kommunistische Massenorganisation der »Freien Deutschen Jugend«
sechs neue Strophen bestellte: eine zeitgemäße Umdichtung der »Chorfantasie«.
Mit dieser Mission betraut wurde der vormalige expressionistische Lyriker und
nach­malige SED-Kulturminister Johannes
R. Becher (übrigens ein gebürtiger Münchner), der zwei Jahre zuvor die Nationalhymne der DDR geschrieben hatte (»Auferstanden aus Ruinen«) und zwei Jahre danach
eine Ode auf den Tod Josef Stalins zu Papier
bringen sollte (»Es wird ganz Deutschland
einstmals Stalin danken«). Grundstürzend
neu fielen seine Worte zur »Chorfantasie«
freilich nicht aus, nicht alles Überkommene
wurde rigoros ersetzt, einzelne Gedanken,
Metaphern und Formulierungen lediglich
korrigiert und namentlich von unerwünschter Metaphysik bereinigt. Der »hohe Ton«
aber blieb derselbe. Statt »Schmeichelnd
hold und lieblich klingen / Unsers Lebens
Harmonien, / Und dem Schönheitssinn entschwingen / Blumen sich, die ewig blühn«
lautet die erste Strophe nunmehr geschichtsbewusst: »Seid gegrüßt ! Laßt
Euch empfangen / Von des Friedens Melodien ! / Unser Herz ist noch voll Bangen, /
Wolken dicht am Himmel stehn.« Die »schönen Seelen« wurden in »liebe Freunde«
materialisiert, und Kuffners Schlusszeilen:
»Wenn sich Lieb’ und Kraft vermählen, /
Lohnt dem Menschen Göttergunst« verwandelte Becher in: »Wenn sich Geist und
Kraft vereinen, / Winkt uns ewigen Friedens Gunst.« Kuffner oder Becher – wer
trägt den Lorbeer des gekrönten Dichters
davon ? Womöglich keiner von beiden. Am
Ende siegt die Musik, zu welchen hochherzigen Versen auch immer.
Ludwig van Beethoven: »Chorfantasie« op. 80
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Liebe Leserin, lieber Leser,
die Veröffentlichung des ChorfantasieGesangstextes von Johannes R. Becher in
unserem Download-PDF ist für uns seitens
des Verlages kostenpflichtig. Aus diesem
Grund können wir den Text leider nicht in unserem kostenlosen Programmheft-Download
anbieten. In der gedruckten Ausgabe des
Programmheftes, das Sie für € 3,- beim Einlasspersonal in der Philharmonie erwerben
können, ist der Text dagegen enthalten.
Vielen Dank für Ihr Verständnis
Ihre Münchner Philharmoniker
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Michael
Sanderling
DIRIGENT
wurde 2006 zum Chefdirigenten und künstlerischen Leiter der Kammerakademie Potsdam ernannt. Erfolge als Operndirigent feierte er mit Philip Glass’ »The Fall of the House
of Usher« in Potsdam und mit der Neueinstudierung von Sergej Prokofjews »Krieg und
Frieden« an der Oper Köln.
Der gebürtige Berliner Michael Sanderling ist
einer der wenigen, die aus dem Orchester heraus eine höchst erfolgreiche Dirigentenkarriere verwirklichen konnten. 1987, im Alter
von 20 Jahren wurde er Solo-Cellist des Gewandhausorchesters Leipzig unter Kurt Masur, von 1994–2006 war er in gleicher Position im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
tätig. Als Violoncello-Solist gastierte er u. a.
beim Boston Symphony Orchestra, beim Los
Angeles Philharmonic und beim Orchestre de
Paris.
Im Jahr 2000 trat Michael Sanderling in einem
Konzert des Kammerorchesters Berlin erstmals an das Dirigentenpult – und fing Feuer.
Als Sohn des legendären Kurt Sanderling mit
dem Dirigentenhandwerk von klein auf vertraut, übernahm er immer mehr Dirigate und
Seit 2011 ist Michael Sanderling Chefdirigent
der Dresdner Philharmonie. Wiederholt wird
er als Gastdirigent zu renommierten Orchestern eingeladen, darunter das Gewandhausorchester Leipzig, das Tonhalle-Orchester Zürich, die Wiener Symphoniker, die Tschechische Philharmonie, das Konzerthausorchester
Berlin, das Toronto Symphony Orchestra, das
Helsinki Philharmonic Orchestra und die Sinfonieorchester des WDR und des SWR. Mit der
Dresdner Philharmonie unternimmt er regelmäßig Konzertreisen, u. a. nach Asien, Südamerika und in die USA.
Eine Herzensangelegenheit ist Michael Sanderling die Arbeit mit dem musikalischen
Nachwuchs. Er unterrichtet als Professor an
der Musikhochschule Frankfurt a. M. und arbeitet regelmäßig mit dem Bundesjugend­
orchester, dem Jerusalem Weimar Youth
Orches­tra, der Jungen Deutschen Philharmonie sowie mit dem Schleswig-Holstein Festival
Orchester zusammen.
Künstlerbiographien
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Matthias
Goerne
Herbert
Schuch
BARITON
KLAVIER
Matthias Goerne singt an den großen
Opernbühnen der Welt, darunter die Wiener
Staatsoper, die Bayerische Staatsoper,
das Royal Opera House Covent Garden in
London, die Opéra National de Paris, das
Teatro Real in Madrid, das Opernhaus Zürich, die Metropolitan Opera in New York
und die Mailänder Scala. Der gebürtige
Weimarer studierte bei Hans-Joachim
Beyer, Elisabeth Schwarzkopf und Dietrich
Fischer-Dieskau. Als Konzertsänger ist er
regelmäßig Gast in den international renommierten Konzertsälen und bei namhaften Festivals und Orchestern. Zu den Höhepunkten der Saison 2016/17 zählen u. a.
Konzerte mit den Symphonieorchestern
von Boston und Chicago sowie den Philharmonikern von Los Angeles und Berlin –
ebenso wie eine Reihe von Liederabenden
mit Leif Ove Andsnes und Markus Hinterhäuser. An der Wiener Staatsoper debütiert er als Jochanaan in Richard Strauss’
»Salome« und wird im Sommer 2017 bei
den Salzburger Festspielen die Titelpartie
in Alban Bergs »Wozzeck« singen.
Mit seinen dramaturgisch durchdachten
Konzertprogrammen und CD-Aufnahmen
hat sich Herbert Schuch als einer der interessantesten Musiker seiner Generation
einen Namen gemacht. Er studierte bei
Karl-Heinz Kämmerling am Salzburger Mozarteum und erfährt in jüngster Zeit in
besonderer Weise Prägung in der Begegnung und Arbeit mit Alfred Brendel. Herbert Schuch arbeitete u. a. mit Orchestern
wie dem London Philharmonic Orchestra,
dem NHK Symphony Orchestra, der Camerata Salzburg, dem City of Birmingham
Symphony Orchestra und wird regelmäßig
zu den bedeutenden Festivals wie dem
Rheingau Musik Festival und den Salzburger Festspielen eingeladen. Als leidenschaftlicher Kammermusiker wird er im
Sommer 2017 gemeinsam mit Julia Fischer
und Daniel Müller-Schott eine Triotournee
unternehmen. Neben seiner Konzerttätigkeit engagiert sich Herbert Schuch in der
von Lars Vogt gegründeten Initiative
»Rhapsody in School«, die sich für die Vermittlung von Klassik in Schulen einsetzt.
Künstlerbiographien
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Philharmonischer
Chor München
Der Philharmonische Chor München ist einer der führenden Konzertchöre Deutschlands und Partnerchor der Münchner Philharmoniker. Er wurde 1895 von Franz
Kaim, dem Gründer der Münchner Philharmoniker, ins Leben gerufen und feiert somit in diesem Jahr seinen 120. Geburtstag.
Seit 1996 wird er von Chordirektor Andreas
Herrmann geleitet.
Das Repertoire erstreckt sich von barocken Oratorien über a-cappella- und chorsymphonische Literatur bis zu konzertanten Opern und den großen Chorwerken der
Gegenwart. Das musikalische Spektrum
umfasst zahlreiche bekannte und weniger
bekannte Werke von Mozart über Verdi,
Puccini, Wagner und Strauss bis hin zu
Schönbergs »Moses und Aron« und Henzes
»Bassariden«. Der Chor pflegt diese Literatur ebenso wie die Chorwerke der Komponisten Bach, Händel, Mozart, Beethoven,
Schubert, Schumann, Brahms, Bruckner,
Reger, Strawinsky, Orff oder Penderecki.
Er musizierte u. a. unter der Leitung von
Gustav Mahler, Hans Pfitzner, Krzysztof
Penderecki, Herbert von Karajan, Rudolf
Kempe, Sergiu Celibidache, Zubin Mehta,
Mariss Jansons, James Levine, Christian
Thielemann und Lorin Maazel.
In den vergangenen Jahren hatten Alte und
Neue Musik an Bedeutung gewonnen: Nach
umjubelten Aufführungen Bach’scher Passionen unter Frans Brüggen folgte die Ein-
ladung zu den Dresdner Musikfestspielen.
Äußerst erfolgreich wurde auch in kleineren
Kammerchor-Besetzungen unter Dirigenten
wie Christopher Hogwood und Thomas Hengelbrock gesungen. Mit Ton Koopman entwickelte sich eine enge musikalische
Freundschaft, die den Chor auch zu den
»Europäischen Wochen« in Passau führte.
Im Bereich der Neuen Musik war der Philharmonische Chor München mit seinen Ensembles bei Ur- und Erstaufführungen zu hören.
So erklang in der Allerheiligen-Hofkirche die
Münchner Erstaufführung der »Sieben Zaubersprüche« von Wolfram Buchenberg unter der Leitung von Andreas Herrmann.
Ende 2014 gestaltete der Chor die Uraufführung von »Egmonts Freiheit – oder Böhmen liegt am Meer« unter der Leitung des
Komponisten Jan Müller-Wieland.
Der Philharmonische Chor ist auch ein gefragter Interpret von Opernchören und
setzt nachdrücklich die unter James Levine
begonnene Tradition konzertanter Opernaufführungen fort, die auch unter Christian
Thielemann mit großem Erfolg gepfl egt
wurde. Zu den CD-Einspielungen der jüngeren Zeit zählen Karl Goldmarks romantische
Oper »Merlin«, die 2010 den ECHO-Klassik
in der Kategorie »Operneinspielung des Jahres – 19. Jahrhundert« gewann, und eine
Aufnahme von Franz von Suppés »Requiem«, die für den International Classical
Music Award (ICMA) 2014 nominiert wurde.
Künstlerbiographien
Die Künstler
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Andreas
Herrmann
CHORDIREKTOR
Chordirigenten in verschiedenen Meisterkursen, sowie im Herbst 2016 als Gastprofessor am College Conservatory of Music
der University of Cincinnati, Ohio, USA.
Andreas Herrmann unterrichtet als Professor an der Hochschule für Musik und Theater in München im Hauptfach Chordirigieren. Zehn Jahre lang dirigierte er den
Hochschulchor und leitete in dieser Zeit
Oratorienkonzerte, Opernaufführungen
und a-cappella-Programme in allen musikalischen Stilrichtungen. Seine vielfältigen
Konzertprogramme, von Alter Musik bis hin
zu Uraufführungen mit zeitgenössischem
Repertoire, wurden festgehalten in Rundfunk-, CD- und TV-Aufnahmen.
Pädagogische Erfolge erzielt Andreas Herrmann weiterhin mit der Ausbildung junger
Als künstlerischer Leiter des Philharmonischen Chores München realisierte Andreas
Herrmann zahlreiche Einstudierungen für
Dirigenten wie Valery Gergiev, Lorin Maazel, Zubin Mehta, Kent Nagano, Christian
Thielemann, James Levine und viele andere. Über sein Engagement bei den Münchner Philharmonikern hinaus entfaltet
Andreas Herrmann eine rege Konzerttätigkeit: Konzertreisen als Chor- und Oratoriendirigent führten ihn u. a. nach Österreich, Frankreich, Italien, Bulgarien, Ägypten, in die Schweiz, die USA und die Volksrepublik China.
Die mit dem »Echo Klassik« ausgezeichnete BR-Klassik-Produktion »Merlin« von
Carl Goldmark, bei der Andreas Herrmann
für die Choreinstudierung verantwortlich
war, viele weitere Aufnahmen sowie die erfolgreiche Zusammenarbeit mit verschiedensten Orchestern, Ensembles und Rundfunkchören dokumentieren die internationale Reputation seiner musikalischen Arbeit.
Künstlerbiographien
Die Künstler
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Münchner
Klangbilder
TITELGESTALTUNG ZUM
HEUTIGEN KONZERTPROGRAMM
»Die Chorfantasie enthält – auch wenn sie
zu den weniger bekannten Werken Beethovens gehört – viele Facetten und bietet
Raum für unterschiedliche Deutungen. Die
Krönung eines vierstündigen Konzerts sollte das Stück sein, das dem Zuschauer noch
ein letztes Mal alles abverlangt und ihn
begeistern soll. Das Leitmotiv – aus einem
anderen Stück entnommen – war schnell
gefunden, jedoch wollte Beethoven mit der
Chorfantasie einen ganz neuen Eindruck
schaffen. ›Der Hörer darf sich wie zu einem
Werkstattbesuch eingeladen fühlen, als
würde er dem Meister über die Schulter
blicken.‹ So sprach der Komponist selbst
über sein Werk kurz bevor es zum ersten
Mal uraufgeführt werden sollte.
Auch unser Plakat führt den Betrachter hinter die Kulissen der Chorfantasie. Wir blicken
einem modernen Beethoven über die Schulter, der das Stück wie ein Programmierer als
Code neu interpretiert und so eine ganz neue
Version der Chorfantasie schafft.« (Isabell
Ahlheit, Daniela Gaulrapp, Alice Sabine
McLaughlin und Fanny Wetzl, 2017.)
DAS KÜNSTLERTEAM
Wir studieren Medien- und Kommunikations­
design an der Macromedia Hochschule.
Isabell Ahlheit (20) fotografiert gerne und
interessiert sich für Motion Design.
Daniela Gaulrapp (22) begeistert sich besonders für analoges und digitales Zeichnen, sowie Illustrationen.
Alice Sabine McLaughlin (24) ist eine gebürtige Deutsch-Amerikanerin und hat
eine Leidenschaft für Design und digitales
Zeichnen.
Fanny Wetzl (26) studiert im vertiefenden
Studienfach Animation und Motion Design
und begeistert sich schon von klein auf für
Zeichnen und Animationsfilme.
Für uns gibt es keinen schöneren Wohnort
als München, denn in München findet man
die beste Inspiration für Kreativität.
DIE HOCHSCHULE
Digitalen Wandel managen, Zukunft gestalten – an deutschlandweit sechs Standorten bietet die Hochschule Macromedia
staatlich-anerkannte Bachelor- und Masterstudiengänge im Kontext von Management, Medien, Journalistik, Film und Design an. Rund 80 Professuren stehen für
eine arbeitsmarktorientierte Lehre und ein
akademisches Selbstverständnis als Hochschule zur Gestaltung des digitalen Wandels. Seit 2013 ist die Hochschule Macromedia Mitglied des internationalen Hochschulnetzwerks Galileo Global Education.
hochschule-macromedia.de
Isabell Ahlheit | Daniela Gaulrapp | Alice McLaughlin | Fanny Wetzl
33
Sonntag
30_04_2017 11 Uhr m
Dienstag
02_05_2017 20 Uhr e4
Mittwoch
03_05_2017 20 Uhr a
Freitag
12_05_2017 10 Uhr ÖGP
Freitag
12_05_2017 20 Uhr c
Samstag
13_05_2017 19 Uhr d
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Konzert für Violine und Orchester D-Dur
op. 61
ANTONÍN DVOŘÁK
Symphonie Nr. 9 e-Moll op. 95 »Aus der
Neuen Welt«
MAURICE RAVEL
»Le tombeau de Couperin«
PJOTR ILJITSCH TSCHAIKOWSKY
»Variationen über ein Rokoko-Thema« für
Violoncello und Orchester op. 33
NIKOLAJ RIMSKIJ-KORSAKOW
»Scheherazade« op. 35
MAXIM VENGEROV, Dirigent und Violine
VALERY GERGIEV, Dirigent
ANDREI IONIŢĂ, Violoncello
Sonntag
07_05_2017 17 Uhr
7. Kammerkonzert
Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz
»AUS ZWEI MACH SECHS – VOM DUO BIS
SEXTETT«
SERGEJ RACHMANINOW
»Trio élégiaque« Nr. 1 für Violine, Kontrabass und Klavier g-Moll
JOHANN NEPOMUK HUMMEL
Quintett für Klavier, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass es-Moll op. 87
ASTOR PIAZZOLLA
Drei Tangos für Violine und Kontrabass
MIKHAIL GLINKA
Grand Sextett für Klavier, Streichquartett
und Kontrabass Es-Dur
LUCJA MADZIAR, Violine
NAMIKO FUSE, Violine
JANO LISBOA, Viola
FLORIS MIJNDERS, Violoncello
SŁAWOMIR GRENDA, Kontrabass
IVANA SVARC-GRENDA, Klavier
Vorschau
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Die Münchner
Philharmoniker
CHEFDIRIGENT VALERY GERGIEV
EHRENDIRIGENT ZUBIN MEHTA
1. VIOLINEN
Sreten Krstič, Konzertmeister
Lorenz Nasturica-Herschcowici,
Konzertmeister
Julian Shevlin, Konzertmeister
Odette Couch, stv. Konzertmeisterin
Claudia Sutil
Philip Middleman
Nenad Daleore
Peter Becher
Regina Matthes
Wolfram Lohschütz
Martin Manz
Céline Vaudé
Yusi Chen
Iason Keramidis
Florentine Lenz
Vladimir Tolpygo
Georg Pfirsch
Bernhard Metz
Namiko Fuse
Qi Zhou
Clément Courtin
Traudel Reich
Asami Yamada
BRATSCHEN
Jano Lisboa, Solo
Burkhard Sigl, stv. Solo
Max Spenger
Herbert Stoiber
Wolfgang Stingl
Gunter Pretzel
Wolfgang Berg
Beate Springorum
Konstantin Sellheim
Julio López
Valentin Eichler
2. VIOLINEN
VIOLONCELLI
Simon Fordham, Stimmführer
Alexander Möck, Stimmführer
IIona Cudek, stv. Stimmführerin
Matthias Löhlein, Vorspieler
Katharina Reichstaller
Nils Schad
Clara Bergius-Bühl
Esther Merz
Katharina Schmitz
Ana Vladanovic-Lebedinski
Michael Hell, Konzertmeister
Floris Mijnders, Solo
Stephan Haack, stv. Solo
Thomas Ruge, stv. Solo
Herbert Heim
Veit Wenk-Wolff
Sissy Schmidhuber
Elke Funk-Hoever
Manuel von der Nahmer
Isolde Hayer
Das Orchester
35
Sven Faulian
David Hausdorf
Joachim Wohlgemuth
KONTRABÄSSE
Sławomir Grenda, Solo
Fora Baltacigil, Solo
Alexander Preuß, stv. Solo
Holger Herrmann
Stepan Kratochvil
Shengni Guo
Emilio Yepes Martinez
Ulrich von Neumann-Cosel
FLÖTEN
Michael Martin Kofler, Solo
Herman van Kogelenberg, Solo
Burkhard Jäckle, stv. Solo
Martin Belič
Gabriele Krötz, Piccoloflöte
OBOEN
Ulrich Becker, Solo
Marie-Luise Modersohn, Solo
Lisa Outred
Bernhard Berwanger
Kai Rapsch, Englischhorn
KLARINETTEN
Alexandra Gruber, Solo
László Kuti, Solo
Annette Maucher, stv. Solo
Matthias Ambrosius
Albert Osterhammer, Bassklarinette
Ulrich Haider, stv. Solo
Maria Teiwes, stv. Solo
Robert Ross
Alois Schlemer
Hubert Pilstl
Mia Aselmeyer
TROMPETEN
Guido Segers, Solo
Florian Klingler, Solo
Bernhard Peschl, stv. Solo
Markus Rainer
POSAUNEN
Dany Bonvin, Solo
Matthias Fischer, stv. Solo
Quirin Willert
Benjamin Appel, Bassposaune
TUBA
Ricardo Carvalhoso
PAUKEN
Stefan Gagelmann, Solo
Guido Rückel, Solo
SCHLAGZEUG
Sebastian Förschl, 1. Schlagzeuger
Jörg Hannabach
Michael Leopold
HARFE
Teresa Zimmermann, Solo
FAGOTTE
ORCHESTERVORSTAND
Raffaele Giannotti, Solo
Jürgen Popp
Johannes Hofbauer
Jörg Urbach, Kontrafagott
Stephan Haack
Matthias Ambrosius
Konstantin Sellheim
HÖRNER
Paul Müller
INTENDANT
Jörg Brückner, Solo
Matias Piñeira, Solo
Das Orchester
36
IMPRESSUM
TEXTNACHWEISE
BILDNACHWEISE
Herausgeber:
Direktion der Münchner
Philharmoniker
Paul Müller, Intendant
Kellerstraße 4
81667 München
Lektorat:
Christine Möller
Corporate Design:
HEYE GmbH
München
Graphik:
dm druckmedien gmbh
München
Druck:
Gebr. Geiselberger GmbH
Martin-Moser-Straße 23
84503 Altötting
Sigrid Neef, Gabriele E.
Meyer und Wolfgang Stähr
schrieben ihre Texte als
Originalbeiträge für die
Programmhefte der Münchner Philharmoniker. Künstlerbiographien: nach Agenturvorlagen. Abdruck des
deutschen Gesangstextes
zu Schostakowitschs 13.
Symphonie mit freundlicher Genehmigung durch
den © MUSIKVERLAG HANS
SIKORSKI GmbH & Co. KG,
Hamburg. Abdruck des Gedichts »Geist und Kraft«
von Johannes R. Becher
mit freundlicher Genehmigung durch den ©Aufbau
Verlag GmbH & Co. KG Berlin. Alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist seitens
der Urheber genehmigungs- und kostenpflichtig.
Abbildungen zu Dmitrij
Schostakowitsch: Jürgen
Fromme (Hrsg.), Dmitri
Schostakowitsch und seine
Zeit – Mensch und Werk
( Ausstellungskatalog),
Duisburg 1984; Krzysztof
Meyer, Schostakowitsch –
Sein Leben, sein Werk, seine Zeit, Bergisch-Gladbach 1995; Abbildungen
zu Ludwig van Beethoven:
Joseph Schmidt Görg und
Hans Schmidt (Hrsg.),
Ludwig van Beethoven,
Bonn / Hamburg / Braunschweig 1969; H. C. Robbins Landon, Beethoven –
A documentary study, New
York / Toronto 1970.
Künstlerphotographien:
Marco Borggreve (Sanderling, Goerne), Felix Broede
(Schuch), privat (Herrmann).
Gedruckt auf holzfreiem und
FSC-Mix zertifiziertem Papier
der Sorte LuxoArt Samt
Impressum
HAUPTSPONSOR
UNTERSTÜTZT
SONNTAG, 16. JULI 2017, 20.00 UHR
V A L E RY G E R G I E V D I R I G E N T
Y U J A W A N G KL AV I E R
MÜNCHNER PHILHARMONIKER
BR AHMS: KONZERT FÜR KL AVIER UND
ORCHESTER NR.1 D - MOLL OP.15
MUSSORGSKI J: »BILDER EINER AUSSTELLUNG«
(INSTRUMENTIERUNG: M AURICE R AVEL)
KARTEN: MÜNCHEN TICKET TEL. 089/54 81 81 81
UND BEKANNTE VVK-STELLEN
WWW.KLASSIK−AM−ODEONSPLATZ.DE
’16
’17
DAS ORCHESTER DER STADT
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