Übung Verfassungsrecht SS 2009 Bruno Binder Margit Mayr/Gerald Zabukovec Diplomstudium Rechtswissenschaften/Bachelorstudium Wirtschaftsrecht 148.009/148.019 Mo, 11.05.2009, 8:30 bis 10:00 Uhr HS 1 und HS 4 1. Klausur Josef J ist Journalist bei der oberösterreichischen Tageszeitung „Das Blatt“. J berichtet bereits seit zwei Jahren über die kulturellen Ereignisse in Oberösterreich. Wenn J eine Veranstaltung nicht gefällt, spart er auch nicht mit ausführlichen und detaillierten Kritiken. Jedoch sind diese immer sachlich gehalten und nie beleidigend oder herabsetzend. Der Bürgermeister der oberösterreichischen Statutarstadt S, in der eine Bundespolizeidirektion eingerichtet ist, ist ein besonderer Kulturliebhaber. Seit 1. Februar 2009 finden in S wieder viele kulturelle Veranstaltungen statt, die er gerne besucht. Der Bürgermeister liest J´s Artikel schon seit längerer Zeit mit Unbehagen. Immer wieder finden sich in „Das Blatt“ Artikel über die kulturellen Veranstaltungen in S, in denen J sachliche aber negativ Bewertungen abgibt. Am 05. März 2009 findet in der Stadtvilla des Bürgermeisters eine Lesung eines aufstrebenden, mit dem Bürgermeister befreundeten Schriftstellers statt. J will auch über diese Veranstaltung in „Das Blatt“ berichten. Als J mit seinem Fotoapparat eine halbe Stunde vor Beginn der Lesung in der Villa des Bürgermeisters erscheint, verweigert ihm der zufällig in der Haustür stehende Schriftsteller aufgebracht den Zutritt. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden, die darin endet, dass der Schriftsteller J seinen Fotoapparat entreißt. Als der Bürgermeister vom Schriftsteller von dem Vorfall erfährt, sieht er den Ruf von S als kunstfreundliche Stadt gefährdet. Deshalb erlässt er am 15. März 2009 einen Bescheid mit folgendem Inhalt, den er J zustellen lässt: „1. Sie haben den guten Ruf der Statutarstadt S durch ihre negative Berichterstattung über die in S seit 1. Februar 2009 stattgefundenen Kulturveranstaltungen geschädigt. Ihnen wird die Berichterstattung über kulturelle Veranstaltungen im Stadtgebiet von S für den Zeitraum 1. April bis 31. August 2009 gemäß § 21 SPG untersagt. 2. Durch diese Schädigung des Rufs der Statutarstadt S haben Sie eine Verwaltungsübertretung gemäß § 81 Abs 1 SPG begangen und wird über Sie gem § 81 Abs 1 SPG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 200,-- verhängt. 3. Ihr Fotoapparat Marke CX 051, welcher Ihnen am 05. März 2009 abgenommen wurde, wird gemäß § 39 VStG beschlagnahmt.“ J ist erbost und sieht den demokratischen Rechtsstaat gefährdet. Er liest in einem Lehrbuch des Verfassungsrechts nach und findet eine Reihe von Grundrechten, die er verletzt sieht, so etwa die Erwerbsfreiheit, die Eigentumsfreiheit, die Pressefreiheit und den Gleichheitssatz. J erhebt Berufung gegen den genannten Bescheid an den UVS Oberösterreich. Der UVS führt eine mündliche Verhandlung durch, in der er J, den Bürgermeister von S und den Schriftsteller befragt, und bestätigt mit Bescheid vom 4. Mai 2009 den Bescheid des Bürgermeisters. PRÜFUNGSAUFGABE: Verfassen Sie mit heutigem Datum die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ! Übung Verfassungsrecht SS 2009 Bruno Binder Margit Mayr/Gerald Zabukovec Diplomstudium Rechtswissenschaften/Bachelorstudium Wirtschaftsrecht 148.009/148.019 Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz – SPG) BGBl 1991/566 idgF Sicherheitsbehörden §4 (1) Oberste Sicherheitsbehörde ist der Bundesminister für Inneres. (2) Dem Bundesminister für Inneres unmittelbar unterstellt besorgen Sicherheitsdirektionen, ihnen nachgeordnet Bezirksverwaltungsbehörden und Bundespolizeidirektionen, die Sicherheitsverwaltung in den Ländern. (3) [...] Instanzenzug in Angelegenheiten der Sicherheitspolizei § 14 a (1) Über Berufungen gegen sicherheitspolizeiliche Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörden und Bundespolizeidirektionen entscheidet die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz; im übrigen entscheidet über Berufungen in solchen Angelegenheiten der Bundesminister für Inneres. (2) […] Begriffsbestimmungen Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff; Gefahrenforschung § 16 (1) Eine allgemeine Gefahr besteht 1. bei einem gefährlichen Angriff (Abs. 2 und 3) oder 2. sobald sich drei oder mehr Menschen mit dem Vorsatz verbinden, fortgesetzt gerichtlich strafbare Handlungen zu begehen (kriminelle Verbindung). (2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand 1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, […] handelt, […]. (3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird. (4) […] Gefahrenabwehr § 21 (1) Den Sicherheitsbehörden obliegt die Abwehr allgemeiner Gefahren. (2) Die Sicherheitsbehörden haben gefährlichen Angriffen unverzüglich ein Ende zu setzen. Hiefür ist dieses Bundesgesetz auch dann maßgeblich, wenn bereits ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist. (3) […] Strafbestimmungen Störung der öffentlichen Ordnung § 81 (1) Wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden. (2) […] Verwaltungsstrafbehörden erster Instanz §86 (1) Die Durchführung der Verwaltungsstrafverfahren obliegt den Bezirksverwaltungsbehörden, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion dieser. (2) Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die für den Bundesminister für Inneres oder die Sicherheitsdirektion Exekutivdienst versehen, sind ermächtigt, Maßnahmen zur Verhinderung von Verwaltungsübertretungen nach diesem Teil oder zur Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren zu setzen; sie schreiten hiebei als Organe der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde oder Bundespolizeibehörde ein. Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB) BGBl 1974/60 idgF Strafbare Handlungen gegen die Ehre § 111 (1) Wer einen anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) […] (3) Der Täter ist nicht zu bestrafen, wenn die Behauptung als wahr erwiesen wird. Im Fall des Abs. 1 ist der Täter auch dann nicht zu bestrafen, wenn Umstände erwiesen werden, aus denen sich für den Täter hinreichende Gründe ergeben haben, die Behauptung für wahr zu halten. §117 (1) Die strafbaren Handlungen gegen die Ehre sind nur auf Verlangen des in seiner Ehre Verletzten zu verfolgen. […]