Seiffert: Wortschatzbezogene Lernbegleitung im inklusiven Unterricht? Hamburg, 24.5.2014 1. Ressourcensammlung 2. Grundgedanken einer sprachlichen Lernbegleitung 3. Sprachliche Barrieren im Kopf und im Unterricht 4. Fachwörter lernbar machen 5. Fachwörter effektiv in Kontexte einbetten Ressourcensammlung Bitte bearbeiten Sie die Aufgabe 1 auf Seite 1a Ihres Handouts in Einzelarbeit! Nehmen Sie sich dafür bitte 10 Minuten Zeit. Ressourcensammlung Bitte bilden Sie 3er-Gruppen! Bearbeiten Sie dann die Aufgabe 1b auf Seite 2. Ressourcensammlung Fazit: Sprachförderung findet in vielen Bereichen statt und wird kompetent organisiert. Sie wird häufig als zusätzliche und isolierte Förderung durchgeführt. Grundgedanke 1 Die Bildungssprache von heute ist der Grundstock für die Alltagssprache von morgen. Grundgedanke 2 Ein großer Teil der Sprachförderung bei Schülern mit sprachlichem Förderbedarf oder Mehrsprachigkeit besteht darin, die Bildungssprache, die das kognitive und sprachliche Rüstzeug für die Zukunft des Schülers darstellt lernbar zu machen. Grundgedanke 3 Eine gelungene Sprachförderung im inklusiven Unterricht berücksichtigt sowohl Bedingungshintergründe der Sprachstörung bzw. der Mehrsprachigkeit als auch die inhaltlichen Lernund Lehrziele des Unterrichts. Die sprachbezogene Begleitung des Schülers im Lernprozess stellt den Kernbereich einer gelungenen Sprachförderung im inklusiven Unterricht dar. Checkliste für eine sprachbezogene Lernbegleitung 1. Minimalwortschatz erarbeiten: Prüfen Sie, welche (Fach)-Wörter mindestens nötig sind, damit der Schüler die inhaltlichen Lehr- und Lernziele erreichen kann. 2. Minimalwortschatz oft wiederholen: Sorgen Sie dafür, dass im Unterricht diese Wörter klar hervorgehoben und oft gehört, gesprochen, gelesen und geschrieben werden. 3. Minimalwortschatz effektiv einbetten: Beschränken Sie sich so oft es geht auf die wichtigsten (Fach-)Wörter und betten Sie diese in möglichst kurze Sätze oder Ellipsen ein. Bildungssprache ist dasjenige sprachliche Register, in dem man sich mit den Mitteln der Schulbildung ein grundlegendes Orientierungswissen verschaffen kann. Habermas, Jürgen (1977): Umgangssprache, Wissenschaftssprache, Bildungssprache. In: Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. S. 36–51. Margrith Lin-Huber: „Nach der meist regional, sozial und kulturell eng begrenzten Sprache der Kindheit ist nach Wandruszka die transregionale, transsoziale Kultursprache der Schule gewissermaßen eine erste „Fremdsprache“. Lin-Huber, noch unveröffentlicht. Beispiel Mathematik: „Der Konflikt zwischen Sprache und Mathematik wird im Unterricht ausgetragen“ (Lorenz). Dieser Konflikt findet auf drei Ebenen statt: 1. Auf der lautsprachlichen Ebene müssen Fachwörter gespeichert werden. Das Kind muss sie sowohl sprechen und schreiben, als auch verstehen und lesen können. 2. Auf der Ebene der Bedeutungen müssen die Inhalte und Zusammenhänge zwischen den Begriffen verstanden werden. Das Kind muss die Fachwörter inhaltlich richtig anwenden können, sie erklären und im Kontext verstehen können. 3. Auf der außersprachlichen Ebene muss die Schülerin oder der Schüler bereit sein, neue Wörter zu lernen. Dies setzt unter anderem die Fähigkeit, aufmerksam zu sein, genau hin zu hören, sich in Sachverhalten hineindenken zu können und sich für Unterrichtsinhalte zu interessieren voraus. Nach Romonath findet im Schulalter der Spracherwerb größtenteils im Unterricht statt. Die Unterrichtssprache ist ein wesentlicher Motor der sprachlichen und kognitiven Entwicklung der Schülerin und des Schülers. Eigenarten der akademischen Bildungssprache: Sie dient dem >Wissenstransport<, sie ist abstrakter als die Alltagssprache (Fachbegriffe), sie ist grammatisch komplexer als die Alltagssprache. Fachwörter lernbar machen der sedet in auf den gelt masen. an den Glt masen sint zwei Arm und zwei beine. der Sedel ist auf da wo da seule. an der Wodelseule ist das schulterblaut, schlöslbein und die repen. an den repen ist das brust bein. Kernproblem: Geringen Kapazität des phonologischen Arbeitsgedächtnisses. Folge 1 – Dem Kind fällt es schwer, neue Wörter im Unterrichtsgespräch zu erkennen und zu verstehen („fast mapping“). Ver-tei-lungs-ge-setz (Dis-tri-bu-tiv-ge-setz) Man kann eine Summe mit einer Zahl multiplizieren, indem man jeden Summanden mit der Zahl multipliziert und die Produkte addiert. Manchmal führt die Vorfahrtsregeln „Klammern zuerst“ zu umständlicheren Rechnungen. Mit dem Verteilungsgesetz kann man sich Rechenvorteile verschaffen. ICH SOLL VERTEILEN. Plus Minus Mal Geteilt Ad-di-tion De-zi-me-ter Mul-ti-pli-ka-tion Qua-drat-mil-li-me-ter Ge-stre-ckter Win-kel Folge 2: Kinder mit Sprachproblemen haben oft Schwierigkeiten, mit den Lauten und der Aussprache im Deutschen problemlos umzugehen Kanne ↔ Tanne lang ↔ lan ↔ Land Knall ↔ Gnall gehst ↔ geht den Ball ↔ dem Ball telefonieren ↔ komponieren Soße ↔ Dose vertauschen ↔ Pferd so ↔ Zoo Folge 3: Kinder mit Sprachproblemen haben oft Schwierigkeiten die deutsche Grammatik richtig zu gebrauchen und richtig zu verstehen. Untersuchung von Maiworm (2008): Schulanfänger einer allgemeinen Schule in mehr als 90% aller Äußerung Zielstruktur korrekt realisiert Verben im Hauptsatz sind durchgängig der 2. Konstituent 100% Subjekt und Verb sind kongruent 100% Die Artikel werden nicht mehr häufig weggelassen. 80% Akkusativmarkierung Akkusativ und Dativ sind meistens korrekt markiert. Kasusmarkierung im Akkusativ und Dativ 25% Dativmarkierung Nebensätze werden nicht übermäßig vermieden. Wenn Nebensätze gebildet werden, sind die Einleiter meistens richtig. Wenn Nebensätze gebildet werden, steht das Verb meistens in der Endstellung. Subjekt-Verb-Kongruenz und V2-Stellung im Hauptsatz 73% Verbendstellung im subordinierten Nebensatz und Gebrauch der richtigen Einleiter Das Kind lernt die Grammatik stufenweise: 1. Verb beugen und Verwendung als zweites Satzglied („Subjekt-Verb-Kongruenz“, „Verbzweitstellungsregel“) 2. Am bestimmten Artikel den Akkusativ markieren. 3. Nebensätze mit den richtigen Einleitern (weil, wenn, dass, …) verwenden und das Verb in dem Nebensatz als letztes Satzglied verwenden („komplexe Syntax“) 4. Den Dativ richtig verwenden. Motsch, 2010; Grimm, 1998; Berg, 2008 Ich gehe nach Hause – du gehst nach Hause Ich sehe den Hund. Ich lese Bücher, damit ich viel lerne. Ich gebe dem Hund einen Knochen. Ich darf heute lesen. Du musst schreiben. Er soll aufräumen. Er wurde von dem anderen Jungen geschubst. Er wird morgen die Hausaufgaben machen. Er fuhr mit dem Roller zur Schule. Ich meine, dass er ihm den Stift zurückgeben sollte. Folge 4: Kindern mit Wortschatzproblemen gelingt es häufig nicht gut, Wörter zu zerlegen und neu zusammenzufügen Wenn du das Haus mit den Bauklötzen aufgebaut hast, kann du es wieder umbauen. Danach solltest du alle Häuser abbauen und die Spielecke aufräumen. Son-ne, Re-gen, Tul-pe, Me-lo-ne Was wird aus Regen und Bogen? Aus Wirbel und Säule? Aus Regen und Tonne? Aus welchen Wörtern besteht Halswirbelsäule? Folge 5: Das Kind hält an der Strategie „Ein Ding, ein Wort“ fest, obwohl es schon längst gelernt haben müsste, mit Oberbegriffen zu arbeiten dazu tun – plus – addieren Was bedeutet „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es hinaus“? (Antwort: „Da steht einer bei Bäumen und ruft.“) Finde den Oberbegriff: Biene, Wespe, Mücke (Antwort: „Fliege?“) Finde viele Beispiele für Wirbeltiere! Welche Signalwörter gibt es, die in einer Sachaufgabe andeuten, dass die Addition angewendet werden muss? Eines der größten Probleme besteht für diese Kinder darin, dass sie jedes Mal, wenn sie eine Vokabel oder einen Fachterminus lernen müssen, aufgrund der Strategie „Ein Ding – ein Name“ in einen kognitiven Konflikt geraten. Weitere schulischen Anforderungen fallen dem Lernenden schwer: - Mindmaps erstellen - Tabellen verstehen und erstellen - Diagramme beschriften und lesen - Begriffe ordnen - ein Thema sachlogisch durchgliedern Folge 6: Kindern mit Sprachproblemen gelingt es häufig nicht, ihren Wortschatz angemessen zu ordnen. Geschirr: Teller, Tasse, Untertasse, … gehen, schleichen, rennen, spurten, … klein ↔ groß, hoch ↔ tief, dick ↔ dünn, … Finger, Mittelhandknochen, Handgelenk, Unterarm, … Vorfahrtsregeln 1. Nur Strichrechnungen (nur Punktrechnungen). Rechnet man von links nach rechts, Dann macht man nichts falsch. ? 2. Punkt- vor Strichrechnung Punktrechnungen werden vor Strichrechnungen ausgeführt. 3. Klammerregel Was in Klammern steht, wird zuerst ausgerechnet. Folge 7: Kindern mit Sprachproblemen gelingt es häufig nicht gut, Funktionswörter zu verstehen und zu gebrauchen Kannst du mir mal diese Schraube geben? Mein Schraubenzieher ist nicht so gut wie seiner. Wenn ich ihm einen neuen gebe, kann er ihn besser gebrauchen. Meiner liegt unter seinem. Verstanden wir oftmals nur Schraube und Schraubenzieher. Folge 8: Kinder mit Sprachproblemen bemerken oftmals gar nicht, dass sie ein Wort nicht verstanden haben, weil sie sich daran gewöhnt haben, generell wenig zu verstehen. Eine Handbremse beim Auto soll dafür sorgen, dass das Auto nicht weg rollt. Hast du alles verstanden? Ja. Kannst du mir das nochmal erklären? Keine Ahnung. Förderung Sammeln wir zunächst die Präkonzepte. Dazu bearbeiten Sie bitte im ersten Schritt die Aufgabe 3a auf Seite 5 Ihres Readers in Einzelarbeit. Unterricht ist einer der wichtigsten Motoren der kognitiven und sprachlichen Entwicklung. Die im Unterricht heute erarbeiteten Fachbegriffe prägen wesentlich den Alltagswortschatz künftiger Altersstufen. Kurz: Die Unterrichtssprache von heute ist die Alltagssprache von morgen. Unterrichtssprache lernbar zu machen bedeutet Sprache zu fördern. Unterrichtsbezogene Unterstützung für das phonologisches Arbeitsgedächtnis - Arbeit mit Lösungsblättern zur Selbstkontrolle, die wie bei einem Laufdiktat genutzt werden: das Heft bleibt am Platz, das Lösungsblatt bleibt an der Wand. So ist ein ständiges kurzzeitiges Zwischenspeichern nötig. - Lernkartei als Laufdiktat Unterrichtsbegleitung bei Wortfindungsstörungen (Störungen des automatisierten Wortabrufs) - Die Fachwörter so oft wie möglich benutzen (hören, sprechen, lesen, schreiben) Unterrichtsbegleitung bei Wortfindungsstörungen (Störungen des automatisierten Wortabrufs) - Power Learning (-->) FORMAT: Rhythmicals 1. Wörter und Wortreihen rhythmisch „eintrommeln“ 2. Affenspiel: Die SuS müssen im Chor zusammenbleiben, L. macht „den Affen“ und versucht SuS aus dem Takt zu bringen. Unterrichtsbegleitung bei Wortfindungsstörungen (Störungen des automatisierten Wortabrufs) - Lieder lernen (z.B. die Jahresuhr von Rolf Zuckowski für das Erlernen der Monatsnamen) - Gedichte lernen - Silbensegmentierung - Morphemsegmentierung (bunte Wörter) - Vokabelheft oder Lernkartei für Fachwörter Lernbegleitung bei einem geringen Grad der Elaboration von Wortformen - Wauschtörter (zwei Buchstaben im Wort vertauschen und das richtige Wort erraten lassen) - Kompositia in Teilwörter zerlegen und bewusst machen, warum das Kompositum „erfunden“ wurde. Lernbegleitung bei einem geringen Grad der Elaboration von Wortbedeutungen - Kuckucksei - Tabellen (notfalls mit Wortmaterial als Hilfestellung) - Oberbegriffe suchen lassen („Welche Überschrift passt zu den Bildern auf unserem Plakat?“) - Mapping (z.B. Mindmap bei der leere Kästchen vorgegeben sind + passende Wortkärtchen) Lernbegleitung: Verhaltensdimension - Ziel der Förderung: Für den Wortschatzerwerb uneffektive Verhaltensweisen zugunsten effektiver Verhaltensweisen zurückdrängen. Begriffe in den Kontext einbetten --> FORMAT: PLACEMAT (Kooperatives Lernen) a) Einzelarbeit Jeder notiert seine Gedanken b) Gruppenarbeit In das mittlere Feld werden Einzelergebnisse zu einem Gruppenergebnis zusammengetragen c) Präsentation FORMAT: PARTNERPUZZLE (Kooperatives Lernen) Vorlauf: Das Themengebiet in 2 Teilbereiche oder 2 Teilaufgaben aufteilen. Die Aufgaben werden so verteilt, dass je 2 Schüler in einer Gruppe die Aufgabe A und je 2 Schüler die Aufgabe B erhalten. 1. Individuelle Erarbeitung 2. Kooperative Erarbeitung 3. Vermittlung 4. Doppelter Boden A A Schüler lösen Aufgabe in Einzelarbeit. B B A A Schüler besprechen die Aufgabe in B B Partnerarbeit. A A Schüler erklären ihrem Gegenüber die B B A A Aufgabe. Schüler tauschen sich mit ihrem Partner über Unklarheiten und B B Probleme aus. FORMAT: Begriffe jagen 1. Bilde Gruppen. 2. Bestimme pro Gruppe einen Schreiber oder eine Schreiberin! 3. Einzelarbeit: Suche in 5 Minuten so viele unbekannte Wörter aus dem Text heraus, wie du finden kannst! 4.Besprich die Wörter mit deiner Gruppe. Der Schreiber schreibt die Wörter in die Mitte der Placemate. 5. Nach der Phase 4 kommen die Schreiberinnen und Schreiber nach vorne. 5. Bepunktung: 1 Pkt. für meine Gruppe, wenn ich den Begriff einer anderen Gruppe erklären kann. 1 Pkt., wenn meine Gruppe einen unbekannten Begriff gefunden hat, eine andere aber auch. 2 Pkt., wenn nur meiner Gruppe ein bestimmter Begriff aufgefallen ist. Es zählen nur solche Wörter, die richtig geschrieben und richtig gelesen worden sind.