Traumatische Erlebnisse, Psychopathologie und Delinquenz bei

Werbung
Universitätsklinikum Ulm,
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie
Prof. Dr. Jörg M. Fegert (Ärztlicher Direktor)
Traumatische Erlebnisse, Psychopathologie und
Delinquenz bei Heimjugendlichen im Schweizer
Jugendhilfe- und Jugendstrafsystem
Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Humanbiologie
an der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm
Vorgelegt im März 2010
Dipl.-Psych. Hanneke Singer
geboren am 07.05.1980 in Köln
Amtierender Dekan: Prof. Dr. Klaus-Michael Debatin
1. Berichterstatter: Prof. Dr. Ferdinand Keller
2. Berichterstatter: Prof. Dr. med. Friedemann Pfäfflin
Tag der Promotion: 26. Juli 2010
Inhalt
1
I
T H E O R I E .................................................................... 5
1 . 1 P rä va le n z p s yc h is c h e r S tö ru n ge n u nd T ra um a t is ie run ge n
b e i He im k in d e rn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1 . 2 P rä va le n z p s yc h is c h e r S tö ru n ge n u nd T ra um a t is ie run ge n
b e i s t raf f ä llige n J uge n d lic h e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1 . 3 Fo lge n t ra um a t is ch e r E rf ah ru n ge n in d e r K ind h e it. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 3
1 . 4 Da s s c h we ize ris c h e J u ge n d st raf re c ht u n d d ie Ref o rm vo m
1 . 1 .2 0 07 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3
1 . 5 Zu s a mm enf a s su n g d e s th eo re t is c h en Hin t e rgru n d s . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 4
1 . 6 A b le it un g d e r Fra ge s t e llu n ge n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 5
2
M E TH O D E N ............................................................... 27
2 . 1 Zie l d e s Mo de llve rs u c h s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 7
2 . 2 S t u d ien de s ign u n d P ro ze d e re . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 8
2 . 3 S t ic h p rob e n re k rut ie ru n g u nd Re p rä se n t at ivit ä t . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 9
2 . 4 B e s c h re ibu n g d e r ve r we n d e t e n V e rf ah re n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2
2 . 5 Da t e na uf be re it un g u n d s t a t is t is ch e Ve rf a h ren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 9
2 . 6 S t u d ien t e ilna hm e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 0
3
E R G E B N I S S E ............................................................. 43
3 . 1 A llge m e in e S t ic h p ro b en b e s ch re ib un g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 3
3 . 2 A k t u e lle st a t ion ä re Ma ßn a hm e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 7
3 . 3 K in d e r- un d ju ge nd p s yc h ia t ris c h e r bz w.
p s yc h o t h e rap e ut is c h e r B eh a nd lu n gss t a t u s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3
3 . 4 P s yc h is c h e S ym p to m be la s tu n g – E rge b n is s e d e s Ma ys i -2 . . . . . . . 5 5
3 . 5 E rge b n is s e de r p syc h ia t ris c h e n I n te rvie ws . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 8
3 . 6 T ra um at is c h e L ebe n s e re ign is s e – E rge b n is s e de s E s sen e r
T ra um a I n ve n ta rs (E T I ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1
3 . 7 De lin qu e n z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 8
Inhalt
II
3 . 8 T ra um a k la s s e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4
3 . 9 V e rgle ic h d e r T ra um a k la s se n n a c h Ge s c h le c ht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4
4
D I S K U S S I O N ............................................................. 107
4 . 1 Zu s a mm enf a s su n g d e r wic h t igs t e n E rge b n is s e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 7
4 . 2 Dis k u s s io n d e r m et h o d is ch e n S t ä rk en u nd S ch wä c h e n d e r
S t u d ie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 8
4 . 3 Dis k u s s io n d e r L eb e n s ze it p rä va le n z t ra u ma t is c h e r
E rle b n is s e so wie d e r P rä va le n z d e r Po s t t ra um at is c h e n
B e la s t un gs s t ö ru n g b e i de u t s ch s c h we ize ris c h e n
He im ju ge n d lic he n. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 5
4 . 4 Dis k u s s io n d e r K las s e n b ild un g a uf Ba s is d e r
t ra u ma t is c h en E rleb n is s e d e r He im juge n d lic h e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 0
4 . 5 S c h lu s sf o lge ru n gen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 3 2
5
Z U S AM M E N F AS S U N G .................................................. 139
6
L I TE R AT U R .............................................................. 141
7
D AN K S AG U N G .......................................................... 156
8
A N H AN G ................................................................. 159
8 . 1 E s s e n e r T rau ma – I n ve n t a r (ET I ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 5 9
8 . 2 Ma s s a c h u se t t s You t h S c re e n in g In s tru m en t - Ve rs io n 2
(MA YS I -2 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 6 4
8 . 3 K rim in o lo gis c h e Fra ge n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 6 6
III
Inhalt
Ab k ür z ungs ve r z e i c hni s
AD
Alkohol- und Drogengebrauch
ADHS
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
AFET
Bundesverband für Erziehungshilfe e.V.
ÄR
Ärgerlich-Reizbar
ASD
Acute Stress Disorder
aStGB
altes Strafgesetzbuch
BIC
Bayesian Information Criterion
BJ
Bundesamt für Justiz
CAIC
Consistent Akaike's Information Criterion
Class.Err
Classification Error
DÄ
Depressiv-Ängstlich
DESNOS
Disorders of Extreme Stress Not Otherwise Specified
df
degrees of freedom
DIJuF
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht
DSM-IV
Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4th
Edition
DSM-III-R
Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 3rd
Revised Edition
ETI
Essener Trauma-Inventar
GAS
Global Assessment Scale
ICD-10
International Classification of Diseases, 10th Edition
IQ
Intelligenzquotient
JStG
Jugendstrafgesetz
JTCI
Junior Temperament and Character Inventory
Kiddie-SADS-PL
Schedule for Affective Disorders and Schizophrenia for
School-Aged Children, Present and Lifetime Version
LL
Log-Likelihood Value
Maysi-2
Massachusetts Youth Screening Instrument, 2nd Edition
MAZ.
Modellversuch zur Abklärung und Zielerreichung in stationären
Maßnahmen
MW
Mittelwert
N
Stichprobengröße
Npar
Number of parameters
IV
Inhalt
PTBS
Posttraumatische Belastungsstörung
PTSD
Post-Traumatic Stress Disorder
SB
Somatische Beschwerden
SD
Standardabweichung
SG
Suizidgedanken
SKID-II
Strukturiertes klinisches Interview für DSM-IV, Achse II:
Persönlichkeitsstörungen
SPSS
Statistical Package for Social Sciences
TE
Traumatische Erfahrungen
YPI
Youth Psychopathic Traits Inventory
ZGB
Zivilgesetzbuch
5
Theorie
1 Theorie
1.1
Prävalenz
psychischer
Störungen
und
Traumatisierungen
bei
Heimkindern
Children and youth residing away from their parents in court-ordered care
represent one of the most vulnerable and disadvantaged groups in Western
society.
(Tarren-Sweeney, 2008, S.345)
Das obige Zitat fasst in einem Satz zusammen, was die Forschung der letzten Jahre im
Bereich des Heim- und Pflegekinderwesens mit Zahlen eindrucksvoll belegt: Je nach
Studie erfüllen 44–96 % der Heim- und Pflegekinder die Diagnosekriterien für mindestens
eine psychische Störung (Blower et al., 2004; Ford et al., 2007; McCann et al., 1996;
Meltzer et al., 2003b; Schmid et al., 2008). Viele dieser Kinder und Jugendlichen weisen
neben einer hohen Symptombelastung zudem eine hohe Komorbidität (d.h. mehr als eine
psychische Störung) auf und leiden unter einer komplexen Psychopathologie, die
gekennzeichnet ist durch Bindungsprobleme, unsichere Beziehungen, posttraumatischen
Stress, Verhaltensauffälligkeiten, deutlichen Aufmerksamkeitsproblemen und
Hyperaktivität sowie selbstverletzendes Verhalten (Tarren-Sweeney, 2008).
Eine aktuelle Studie in Deutschland konnte zeigen, das von 557 Jungen und Mädchen einer
Heimstichprobe fast 60 % mindestens eine und 37,7 % mehr als eine ICD-10-Diagnose
aufweisen. Die häufigsten Diagnosen waren mit 26 % die Störung des Sozialverhaltens
und mit 22 % die hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (Schmid, 2007).
Insgesamt gleichen Heimkinder damit in Ausprägung und Häufigkeit psychischer
Belastungen eher klinischen Stichproben als Kindern aus der Allgemeinbevölkerung. In
Deutschland finden sich bei Kindern und Jugendlichen aus der Allgemeinbevölkerung
Prävalenzen psychiatrischer Diagnosen von 15 bis 22 % (Ihle & Esser, 2002). Im Kinderund Jugendgesundheitssurvey 2007 wurden in einer deutschlandweiten, repräsentativen
Stichprobe die Eltern von 7102 Mädchen und 7376 Jungen im Alter von 0-17 Jahren zu
Verhaltensauffälligkeiten ihrer Kinder befragt (Hölling et al., 2007). Es zeigte sich, dass
bei 9,1 % der Kinder und Jugendlichen von den Eltern deutliche emotionale Probleme und
bei 14,8 % deutliche Verhaltensprobleme angegeben wurden (Hölling et al., 2007). Ford et
al. (2007) verglichen die Stichproben drei großer Untersuchungen von Heim- und
Pflegekindern in England, Schottland und Wales mit Kindern, die in privaten Haushalten
bei ihren Eltern leben (Meltzer et al., 2003a; Meltzer et al., 2000; Meltzer et al., 2004a,
Theorie
6
2004b). Der Vergleich ergab, dass die vom Jugendhilfesektor betreuten Kinder nicht nur
gegenüber Kindern aus sozial gut gestellten Haushalten, sondern auch gegenüber Kindern
aus Familien mit niedrigem Sozialstatus eine sehr viel höhere psychosoziale Belastung und
Prävalenz psychiatrischer Diagnosen aufwiesen. Insgesamt erfüllten ca. 46 % der
platzierten Jungen und Mädchen die Kriterien für eine psychiatrische Diagnose, bei der
Gruppe der stationär untergebrachten Kinder („residential care“, n = 279) waren es 71 %.
Dagegen wurde „nur“ bei 14,6 % der Jungen und Mädchen aus den sozial benachteiligten
Haushalten eine Diagnose festgestellt; auch fanden sich seltener Lernschwierigkeiten und
Probleme beim Lesen und Rechnen. In der Gruppe der Kinder aus Familien mit hohem
Sozialstatus zeigte sich mit 8,5 % die niedrigste Prävalenz psychiatrischer Störungen. Ford
et al. (2007) kommen zu dem Schluss, dass Kinder innerhalb des Betreuungssystems des
Jugendhilfesektors insgesamt eine signifikant geringere psychische Gesundheit aufweisen
als die am meisten sozial benachteiligten Kinder außerhalb des Systems.
Solche Ergebnisse sind für die Praxis der Heimerziehung von hohem Interesse, da die
Effekte von Erziehungsmaßnahmen bei psychisch stark belasteten Jugendlichen sehr viel
schwächer ausfallen bzw. Maßnahmen häufiger abgebrochen werden (Baur et al., 1998;
IKJ - Institut für Kinder und Jugendhilfe Mainz, 2002; Joshi & Rosenberg, 1997;
Macsenaere & Herrmann, 2004; Schmidt et al., 2002). Dies belegt beispielsweise die
Jugendhilfe-Effekte-Studie (Hohm & Petermann, 2000; Schmidt et al., 2002; Schmidt et
al., 2000), eine große prospektiv angelegte Längsschnittsuntersuchung in Deutschland. Die
Ergebnisse dieser Studie machen deutlich, dass Heimerziehung zwar wirkt, jedoch die
Erfolge bei psychopathologisch stark belasteten Jugendlichen geringer sind und die
Abbruchquote mit 28 % sehr hoch ist.
Die hohe psychische Belastung bei Kindern und Jugendlichen in Heimeinrichtungen wird
unter anderem auf die schwierigen Entwicklungsbedingungen im Werdegang der
Betroffenen zurückgeführt. Es gilt mittlerweile als belegt, dass kumuliert auftretende
Risikofaktoren generell die Entwicklung psychischer Belastungen und Störungen
begünstigen (z.B. Cicchetti & Toth, 2000; Drabick et al., 2006; Hanson et al., 2006; Ihle et
al., 2002; Kopp & Beauchaine, 2007; Laucht et al., 2001; Rutter & Quinton, 1977; TarrenSweeney, 2008). Solche Risikofaktoren stellen neben genetisch bedingten Prädispositionen
z. B. eine niedrige Sozialschicht, wenig soziale Unterstützung, Alkoholabhängigkeit der
Bezugspersonen sowie psychische Erkrankungen in der Herkunftsfamilie, zerrüttete
Familienverhältnisse und Traumatisierungen durch Vernachlässigung und Misshandlung
dar (z.B. Burns et al., 2004; Ihle et al., 2002). Der Zusammenhang zwischen in der
Theorie
7
Kindheit erlebten Traumata und Psychopathologie wird an späterer Stelle noch genauer
dargestellt (siehe Kapitel 1.3).
Die intuitive Vermutung, dass Heim- und Pflegekinder verstärkt solchen Risikofaktoren
und traumatischen Erlebnissen ausgesetzt sind, ist auch empirisch bereits mehrfach belegt
worden: So wurden etwa im Rahmen der Kinderdorf-Effekte-Studie (Klein et al., 2003) die
untersuchten Kinder unter anderem auf der Achse V des multiaxialen
Klassifikationsschemas (Remschmidt et al., 2001) eingestuft. Auf dieser Achse werden
gravierende psychosoziale Belastungsfaktoren wie etwa eine abweichende Elternsituation,
sexueller Missbrauch, psychische Erkrankung eines Elternteils sowie unzureichende
Aufsicht und Steuerung erfasst. Es zeigte sich, dass durchschnittlich über 6 der 8
psychosozialen Risikofaktoren auf die in der Studie untersuchten Mädchen und Jungen aus
den Kinderdörfern zutrafen. Burns et al. (2004) berichten, dass in ihrer amerikanischen
Stichprobe von Kindern und Jugendlichen, die Kontakt mit dem Jugendamt hatten, 63,6 %
Vernachlässigung, 53 % Schläge und 55 % sexuellen Missbrauch erlebt hatten. Zudem
konnte bei 60,7 % der Eltern ein gravierender Risikofaktor gefunden werden (Sucht,
andere psychische Störungen, körperliche Erkrankung, Gewalttätigkeit).
In Großbritannien konstatierte das Department of Health im Jahr 2001, dass über 60 % der
in das Jugendhilfesystem aufgenommenen Kinder und Jugendlichen zuvor körperlich
misshandelt, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden waren (vgl. Richardson &
Lelliott, 2003). Hukkanen et al. (2003) untersuchten die Kinder mehrerer kleiner
Kinderheime („children’s homes“) in Finnland und stellten fest, dass 70 % mehr als ein
traumatisches Erlebnis vor der Platzierung hatten. Häusliche Gewalt wurde mit 58 % am
häufigsten berichtet, ca. 20 % waren körperlich misshandelt, weitere 20 % sexuell
missbraucht worden.
Bei Kindern und Jugendlichen aus der Allgemeinbevölkerung liegt die Prävalenz
traumatischer Erfahrungen dagegen niedriger: Perkonigg et al. (2000) zeigten, dass 26 %
der Jungen und 18 % der Mädchen einer repräsentativen Stichprobe von 3021 deutschen
Jugendlichen im Alter von 14 bis 24 Jahren mindestens ein traumatisches Ereignis erlebt
hatten. 21 % berichteten von mehr als einem traumatisches Erlebnis; ein
Geschlechtsunterschied fand sich hier nicht. Die Diagnose einer Posttraumatischen
Belastungsstörung erfüllten in der gleichen Stichprobe 0,1 % der männlichen und 1,2 %
der weiblichen Teilnehmer (12-Monats-Prävalenz). In einer repräsentativen
Bevölkerungsstichprobe in der Schweiz fand sich eine Lebenszeitprävalenz potentiell
8
Theorie
traumatischer Erfahrungen von 27,5 % bei erwachsenen Männern und von 28,5 % bei
erwachsenen Frauen (Hepp et al., 2006a); von diesen gaben insgesamt 29 % mehr als eine
traumatische Erfahrung an. Die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung
erfüllte in der Schweizer Stichprobe niemand (12-Monats-Prävalenz) – allerdings zeigte
sich eine Prävalenz von 1,3 % (0,26 % für Männer, 2,21 % für Frauen) für die Diagnose
einer subklinischen PTBS. In beiden Studien mussten die benannten traumatischen
Ereignisse dem DSM-IV-Kriterium A1 (potentielle oder reale Todesdrohung, ernsthafte
Verletzung oder Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit bei sich oder anderen)
genügen. In den USA fanden sich dagegen sehr viel höhere Prävalenzraten in der
Allgemeinbevölkerung, obwohl die gleichen Kriterien angelegt wurden: In einer
longitudinale Studie von Copeland et al. (2007) wurden 1420 US-amerikanische Kinder
und Jugendliche im Alter von 9, 11 und 13 Jahren bis zum 16. Lebensjahr jährlich befragt.
Die Ergebnisse zeigen eine hohe Lebenszeitprävalenz für mindestens ein traumatisches
Erlebnis von knapp 68 %: Etwa ein Viertel gab an, bereits eine Gewalterfahrung gemacht
zu haben, 11 % berichteten von einem Sexualtrauma wie sexuellem Missbrauch oder
Vergewaltigung. Insgesamt 37 % der befragten Kinder und Jugendlichen gaben mehr als
ein traumatisches Erlebnis an. Allerdings erfüllten nur 0,4 % der Befragten die Diagnose
einer PTBS.
Zusammenfassend wird deutlich, dass es sich bei Kindern und Jugendlichen in der
stationären Jugendhilfe im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen aus der
Allgemeinbevölkerung um eine Hochrisikopopulation handelt und dementsprechend
großer Bedarf an adäquater Behandlung besteht.
1.2
Prävalenz
psychischer
Störungen
und
Traumatisierungen
bei
straffälligen Jugendlichen
Ähnlich hohe Prävalenzraten psychischer Auffälligkeiten wie bei Heimkindern berichten
Studien mit jugendlichen Straftätern. So zeigte beispielsweise eine Untersuchung von
Cauffman (2004) an 18.607 Jugendlichen im Strafvollzug in den USA, dass 70 % der
männlichen und 81 % der weiblichen Jugendlichen auf mindestens einer Symptomskala
eines standardisierten klinischen Fragebogens (The Massachusetts Youth Screening
Instrument Version 2 (Maysi-2) – siehe S. 36) mehr als eine Standardabweichung über
dem Mittelwert lagen (vgl. Grisso & Barnum, 2006). Damit bestätigt bzw. übertrifft diese
Studie andere mit klinischen standardisierten Interviews erhobene Prävalenzraten
Theorie
9
psychiatrischer Diagnosen von zwischen 60 % und 70 % (Abram et al., 2003; Desai et al.,
2006; Teplin et al., 2002; Vreugdenhil et al., 2004; Wasserman et al., 2002). So fanden
beispielsweise Teplin et al. (2002) bei einer Stichprobe von 1.829 inhaftierten
Jugendlichen anhand des Diagnostic Interview Schedule for Children (DISC) heraus, dass
66,3 % der Jungen und 73,8 % der Mädchen mindestens eine psychiatrische Störung
aufwiesen. Diese Ergebnisse können jedoch nicht ausschließlich durch externalisierende
Verhaltensstörungen erklärt werden, da die Prävalenzraten ähnlich hoch blieben, wenn die
Störung des Sozialverhaltens („Conduct Disorder (CD)“) aus den Auswertungen
ausgeschlossen wurde. Neben Substanzabhängigkeit und Störungen des Sozialverhaltens
zeigten viele der Jugendlichen zudem eine Posttraumatische Belastungsstörung (11–14 %)
und/oder eine Affektive Störung (19–28 %) (Teplin et al., 2002).
Angesichts dieser Zahlen kommen Desai et al. (2006) zu dem Schluss, dass – selbst wenn
ein gewisser Anteil der berichteten Symptome auf die stressvolle Situation der Inhaftierung
zurückzuführen ist – die Mehrzahl der Jugendlichen im Strafvollzug an einer
psychiatrischen Störung leidet.
Weitere Auswertungen der Arbeitsgruppe um Teplin ergaben ein hohe Komorbidität: 75 %
der Jugendlichen mit einer psychiatrischen Diagnose erfüllten auch die Kriterien für zwei
oder mehr Störungen (Abram et al., 2003).
In einer Untersuchung in der Schweiz mit 45 delinquenten jungen Männern (18–25 Jahre)
in Maßnahmenzentren (früher: Arbeitserziehungsanstalten) wurden neben Achse-1Diagnosen des DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Version
4, APA - American Psychiatric Association, 1994; Sass et al., 2003) auch
Persönlichkeitsstörungen über die Achse 2 erfasst (Möller et al., 2001). Während eine
Achse-1-Diagnose bei nur 87 % der Insassen gestellt wurde, erfüllten alle die Diagnose
einer Persönlichkeitsstörung. Am häufigsten wurden mit 47 % bzw. 44 % BorderlineStörungen und antisoziale Persönlichkeitsstörungen beschrieben. Alle Störungen
zusammengefasst, ergab sich ein Mittelwert von 2,8 Diagnosen je Insassen. Die
Arbeitsgruppe um Möller beschreibt zudem, dass 31 % der jungen Männer mindestens
einen Suizidversuch in der Vergangenheit angaben. Penn et al. (2003) berichten hierzu von
einer zwar niedrigeren, aber immer noch hohen Rate von 12 % bei 12- bis 18-jährigen
inhaftierten Straftätern in den USA, von denen 60 % eine gewaltsame Methode für den
Suizidversuch wählten.
Solche Zahlen sind alarmierend – nicht zuletzt in Anbetracht der Tatsache, dass bei
Theorie
10
straffälligen Jugendlichen eine diagnostizierte psychische Störung mit einer höheren
Rückfallrate einhergeht (Überblick bei Grisso et al., 2005). In den USA zeigte sich, dass
straffällige Jugendliche mit psychischen Symptomen im Durchschnitt länger inhaftiert
blieben als diejenigen ohne Belastungen (U. S. House of Representatives Committee on
Government Reform, 2004). Möller et al. (2001) ziehen aus den Ergebnissen ihrer
Untersuchungen in Schweizer Maßnahmenzentren unter anderem das Fazit, dass
angesichts der festgestellten psychischen Störungen nicht anzunehmen ist, „dass
Arbeitsmaßnahmen als solche auf die psychiatrische Morbidität Einfluss nehmen und das
inskünftige Deliktrisiko verringern (Möller et al., 2001, S. 152)“. Hier ergibt sich implizit
die Frage nach der Bedeutung und Wirksamkeit forensisch-psychiatrischer/psychologischer Behandlungsansätze, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen
werden kann (für weitere Lektüre siehe beispielsweise Braham et al., 2008; Hollin &
Palmer, 2009; Loeber & Farrington, 1998; McGuire et al., 2008; Trupin et al., 2002).
In noch stärkerem Ausmaß als Heim- und Pflegekinder berichten straffällige Jugendliche
von traumatischen Erlebnissen: In einigen Studien geben ca. 90 % der Befragten an,
mindestens ein traumatisches bzw. belastendes Erlebnis gehabt zu haben (Abram et al.,
2004; Carrion & Steiner, 2000; Cauffman et al., 1998; Ruchkin et al., 2002), andere finden
Raten von ca. 70–75 % (Ariga et al., 2008; Chapman & Ford, 2008; Steiner et al., 1997).
Viele Studien berichten, dass Ereignisse wie „Zeuge von häuslicher Gewalt“ bzw. „Zeuge
eines Gewaltverbrechens“ und „Bandengewalt“ am häufigsten genannt werden, aber auch
„Opfer von Gewalt“, „körperlicher Missbrauch“ und „Vernachlässigung“ werden
beschrieben; in weiblichen Stichproben sind die Raten von Erlebnissen wie sexueller
Missbrauch und Vergewaltigung sehr viel höher als in Erhebungen mit männlichen
Delinquenten (Abram et al., 2004; Ariga et al., 2008; Burton et al., 1994; Cauffman et al.,
1998; Dixon et al., 2005; Ruchkin et al., 2002; Steiner et al., 1997). Abram et al. (2004)
stellten bei ihrer Befragung von 898 inhaftierten Jugendlichen anhand des PTSD-Moduls
des DISC-IV fest, dass signifikant mehr Jungen (92,5 %) als Mädchen (84 %) von einem
traumatischen Erlebnis berichten. “Seen or heard someone get hurt very badly or be killed”
war das von beiden Geschlechtern am häufigsten angegebene Erlebnis, gefolgt von
“threatened with a weapon” und “you thought you or someone close to you was going to
be hurt very badly or die” (Abram et al., 2004, S.406). Die Diagnose einer
Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erfüllten in ihrer Stichprobe allerdings „nur“
11,2 % (Abram et al., 2004); Geschlechtsunterschiede stellten sie dabei keine fest.
Eine Übersicht zur Studienlage bezüglich der Prävalenz traumatischer Erlebnisse, von
Theorie
11
posttraumatischem Stress sowie der Posttraumatischen Belastungsstörung bei delinquenten
Jugendlichen findet sich in Tabelle 1. Die Prävalenz der Posttraumatischen
Belastungsstörung bei jugendlichen Straftätern fällt je nach Studie sehr unterschiedlich
aus. So wurde in der Untersuchung von männlichen jugendlichen Straftätern (14–19 Jahre)
in Russland eine Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung nach DSM-IVKriterien von 25 % gefunden, 42 % erfüllten die Diagnose teilweise (Ruchkin et al., 2002).
Dagegen wurde bei den männlichen Insassen (18–25 Jahre) schweizerischer
Maßnahmezentren in der Studie von Möller et al. (2001) keine PTBS diagnostiziert und
„nur“ 40 % berichteten von einem lebensgeschichtlichen Ereignis, das nach Maßgabe des
A1-Diagnosekriteriums des DSM-IV eine akute Belastungsreaktion induzieren könnte.
Allerdings unterscheiden sich diese beiden Studien insbesondere im Hinblick auf das Alter
der Teilnehmer. In Untersuchungen mit weiblichen Straftätern werden PTBS-Prävalenzen
von 30–50 % berichtet (Ariga et al., 2008; Cauffman et al., 1998; Dixon et al., 2005).
Beim Vergleich der Untersuchungen, der in Tabelle 1 dargestellt wird müssen
insbesondere die verschiedenen Instrumente berücksichtigt werden. Hierbei spielt eine
große Rolle, ob ein Erlebnis beispielsweise erst dann als traumatisch eingestuft wird, wenn
es die DSM-IV-A-Kriterien (z. B. lebensbedrohlich, schwere Verletzung, hilflos, starke
Angst und Entsetzen) erfüllt.
12
Theorie
Tabelle 1: Übersicht zur Prävalenz traumatischer Erlebnisse sowie der
(Partial-)PTBS bei straffälligen Jugendlichen
Studie
Stichprobe
Mind. 1
belast.
Erlebnis
96 %
PartialPTBS
PTBS
42 %
25 %
92,5 %
k. A.
11,2 %
SCID-I (4)
40 %
k. A.
keine
93
PDI-R (5)
75 %
20 %
32 %
96
PDI-R (5)
89 %
11,7 %
48,9 %
91
Symptom
Checklist
nach DSMIII-R
(Selbsturteil)
CAPS (6),
MINI-kid (7)
InterviewFragen
basierend auf
ICD-10Kriterien
K-SADS-PL
(1)
k. A.
k. A.
24 %
76,5 %
3%
29,7 %
23 % (m)
40 % (w)
k. A.
4 % (m)
7 % (w)
k. A.
k. A.
37 %
Maysi-2 (5)
70 %
k. A.
nicht
erhoben
Straftäter (11–16 J.) 65
in den USA
CTQ (8),
CTI (9)
96,8 %
k. A.
nicht
erhoben
Sexualstraftäter
(12–17 J.) in den
USA
Interview auf
Basis des
DSM-IV
durch
Kliniker
95 %
k. A.
65 %
Ruchkin
et al.
(2002)
Abram et
al. (2004)
Möller et
al. (2001)
Männliche
Inhaftierte (14–19
J.) in Russland
Inhaftierte (10–18
J.) in den USA
Männliche Insassen
(18–25 J.) Schweiz.
Maßnahmezentren
Steiner et Männliche
al. (1997) Straftäter (13–20 J.)
in den USA
Cauffman Weibliche Straftäter
et al.
(13–22 J.) in den
(1998)
USA
Burton et Männliche
al. (1994) Straftäter (13–18 J.)
in den USA
N
Instrumente
370
898
K-SADS-PL
(1), CPTS-RI
(2)
DISC-IV (3)
45
Ariga et
al. (2008)
Singleton
et al.
(1998)
Weibliche Straftäter 64
(16–19 J.) in Japan
Inhaftierte
590
Straftäter (16–20 J.)
in England
Dixon et
al. (2005)
Weibliche Straftäter 100
(13,5–19 J.) in
Australien
Straftäter (10–17 J.) 757
in den USA
Chapman
& Ford
(2008)
Carrion
& Steiner
(2000)
Mc
Mackin et
al. (2002)
40
(1) Kiddie-SADS (Chambers et al., 1985), (2) Child Posttraumatic Stress Reaction Index (Pynoos et al.,
1987), (3) Diagnostic Interview Schedule for Children, Version IV (Schaffer et al., 2000), (4) Strukturiertes
Klinisches Interview für DSM-IV, Achse I und II (Wittchen & Frydrich, 1990), (5) Psychiatric Diagnostic
Interview Revised (Othmer et al., 1981), (6) Clinician-Administered PTSD Scale for DSM-IV (Blake et al.,
1995), (7) Mini-International Neuropsychiatric Interview for Children and Adolescents (Sheehan et al.,
1998), (8) Childhood Trauma Questionnaire (Bernstein et al., 1994), Childhood Trauma Interview (Fink et
al., 1995)
Theorie
1.3
13
Folgen traumatischer Erfahrungen in der Kindheit
Die Folgen traumatischer bzw. belastender Erfahrungen in der Kindheit sind vielfältig und
können sich auf verschiedene Lebensbereiche des/der Heranwachsenden auswirken. Die
Auswirkungen werden beeinflusst von Faktoren wie Schwere, Art und Häufigkeit der
belastenden Erfahrungen sowie Entwicklungsstadium und Prädispositionen des Kindes
(siehe Seite 18). Außerdem spielen sowohl die spezifischen Eltern-Kind-Interaktionen im
Zusammenhang mit etwa Missbrauch und Vernachlässigung als auch der kulturelle und
evolutionäre Kontext von Traumatisierungen eine wichtige Rolle (Belsky, 1993;
Malinosky-Rummell & Hansen, 1993). In diesem Kapitel werden mögliche Folgen von
Traumatisierungen in der Kindheit dargestellt. Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf
Vollständigkeit, sondern ist nur in dem Maße umfassend, in dem es für die vorliegende
Arbeit sinnvoll erscheint. Zu berücksichtigen ist, dass sich die meisten Untersuchungen mit
den Folgen von körperlichem und/oder sexuellem Missbrauch sowie von Vernachlässigung
in der Kindheit befassen. Somit handelt es sich in den meisten Fällen um Kinder, die
weniger einmalige belastende Ereignisse als vielmehr eine Geschichte chronischer
Traumatisierung erlebt haben.
Psychopathologie
Die Bedeutung insbesondere von Misshandlung, Vernachlässigung und sexuellem
Missbrauch für die Entwicklung von psychischen Auffälligkeiten bei Kindern ist gut belegt
(Cicchetti & Toth, 1995; Finkelhor et al., 2007a, 2009; Ford, 2002; Kaplow & Widom,
2007; Kim & Cicchetti, 2006; Nelson et al., 2002; Putnam, 2003; Rutter et al., 2006;
Turner et al., 2006). Besonders dann, wenn traumatische Erfahrungen in einem kritischen
Entwicklungsstadium gemacht werden (Cicchetti & Rogosch, 2002) und Missbrauch durch
Bezugspersonen stattfindet (Freyd et al., 2007; Schore, 2001; Ullman, 2007), ist das Risiko
für die Entwicklung einer psychischen Störung bzw. einer Posttraumatischen
Belastungsstörung sehr hoch. In der Studie von Kessler et al. (1995) lag bei 50–75 % der
befragten Jugendlichen und Erwachsenen, die Missbrauch und Gewalt in der Kindheit
erlebt hatten, eine PTBS vor. Ebenso zeigten sich bei Kindern mit traumatischen
Erlebnissen höhere Prävalenzraten von Aufmerksamkeitsdefizitstörungen und Störungen
des Sozialverhaltens (Famularo et al., 1996; Famularo et al., 1992), Substanzmissbrauch,
Ängstlichkeit, Depression und Dissoziation (Finkelhor et al., 2007a; Gordon, 2002;
Malinosky-Rummell & Hansen, 1993; Mazza & Reynolds, 1999; Turner et al., 2006).
Thornberry et al. (2001) befragten für ihre Längsschnittstudie 738 Jugendliche in den USA
Theorie
14
und fanden Zusammenhänge zwischen Misshandlung in der Kindheit und erhöhtem Risiko
für Delinquenz, Substanzmissbrauch, Alkoholmissbrauch, depressive Symptome sowie
internalisierende und externalisierende Verhaltensauffälligkeiten. Andere Studien zeigen
Zusammenhänge zwischen körperlichem bzw. sexuellem Missbrauch in der Kindheit und
suizidalem und selbstverletzendem Verhalten im Jugend- und Erwachsenenalter (Bergen et
al., 2003; Hukkanen et al., 2003; Malinosky-Rummell & Hansen, 1993). Die
Arbeitsgruppe um Bergen et al. (2003) befragte hierzu 2.603 australische High-SchoolSchüler: Die Gruppe der Schüler, die sexuellen Missbrauch berichtete, wies ein höheres
Risiko für Suizidalität (Suizidgedanken und -pläne, Selbstverletzung, Suizidversuche),
Hoffnungslosigkeit und depressive Symptome auf. Afifi et al. (2009) konnten feststellen,
dass posttraumatische Syndrome eng mit suizidalen Gedanken und Suizidversuchen
zusammenhängen. Frühe Missbrauchserfahrungen scheinen zudem ein möglicher Prädiktor
für die Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung – insbesondere der Borderline- und
antisozialen Persönlichkeitsstörung – zu sein (Carlson et al., 2009; Goodman & Yehuda,
2002; Luntz & Widom, 1994; Natsuaki et al., 2009; Rogosch & Cicchetti, 2004; Salzman
et al., 1993; Zanarini, 2006; Zlotnick et al., 2001). Kim et al.(2009a) verglichen in ihrer
Längsschnittstudie Kinder mit und ohne Missbrauchserfahrungen hinsichtlich der
Entwicklung von Persönlichkeitszügen und Verhaltensweisen. Dabei stellten sie fest, dass
Kinder mit multiplen Missbrauchserfahrungen und erlebtem körperlichen/sexuellen
Missbrauch eine geringere Selbstkontrolle sowie eine höhere Ausprägung
externalisierender Symptome aufwiesen. Dagegen zeigte sich bei Kindern, die bereits zu
einem sehr frühen Zeitpunkt Missbrauch erlebt hatten, eine niedrige und über die Zeit
abnehmende Selbstresilienz sowie eine höhere Ausprägung internalisierender Symptome.
Bindung
Die aufgeführten Studien machen deutlich, dass die psychopathologischen Folgen
traumatischer Kindheitserlebnisse nicht nur vielfältig, sondern auch langwierig sein
können, da sie sich häufig in Form einer psychischen Störung im Jugend- und
Erwachsenenalter äußern. Neben psychischen Auffälligkeiten entstehen außerdem häufig
Schwierigkeiten in den Bereichen Schule und Arbeit sowie Beeinträchtigungen des
Selbstwertsystems und der Beziehungsfähigkeit (Cicchetti & Barnett, 1991; Cicchetti &
Cohen, 1995; Kim & Cicchetti, 2004; Kim et al., 2009b; Malinosky-Rummell & Hansen,
1993). Die mangelnde Beziehungsfähigkeit, die sich vor allem in Problemen mit
Gleichaltrigen und der Unfähigkeit zur Aufnahme unterstützender Freundschaften äußert,
hat ihre Grundlage meist in einer gestörten Bindungsentwicklung. Insbesondere Kinder,
Theorie
15
die Missbrauch und Vernachlässigung durch nahe stehende Bezugspersonen erfahren
haben, sind in ihren Möglichkeiten eine sichere Bindung aufzubauen stark eingeschränkt
(Cicchetti & Toth, 1995; Kim & Cicchetti, 2004; Weinfield et al., 2000; Ziegenhain &
Fegert, 2004). Kinder entwickeln ihre Bindungsfähigkeit sowie Repräsentationen von sich
selbst in Relation zu anderen, also in der Interaktion und Beziehungsgeschichte mit ihren
ersten Bezugspersonen (Bowlby, 1982). Etliche Studien konnten zeigen, dass Kinder mit
einer von Missbrauch, Vernachlässigung und familiärem Stress geprägten Vergangenheit
mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ein unsicheres Bindungsverhalten entwickeln als
Kinder ohne solche Erfahrungen (Kim & Cicchetti, 2004; Schleiffer & Muller, 2002;
Wallis & Steele, 2001; Zegers et al., 2008). Main & Solomon (1990) stellten bei ihren
Untersuchungen mit misshandelten Kindern fest, dass diese häufig einen Bindungsstil
zeigten, der sich nicht einem der 3 „klassischen“, von Ainsworth et al. (1978) definierten
Typen (sicher, unsicher-vermeidend, unsicher-ambivalent) zuordnen ließ. Stattdessen
fanden sie eine Kombination von mittlerer bis hoher Suche nach Nähe, mittlerer bis hoher
Vermeidung sowie mittlerer bis hoher Ambivalenz, die sie „desorganisiert/desorientiert“
benannten und die nach neuerer Klassifizierung zum „hochunsicheren“ Bindungsverhalten
gezählt wird (Ziegenhain & Fegert, 2004). Doch nicht nur bei Kindern mit Misshandlungsund Vernachlässigungserfahrungen, sondern auch bei Kindern mit psychisch kranken bzw.
alkohol- oder drogenabhängigen Eltern zeigt sich gehäuft ein hoch unsicherer Bindungsstil
(Ziegenhain & Fegert, 2004). In einer Untersuchung von Zegers et al. (2008), die 61
Jugendliche in Heimeinrichtungen auf der Basis des Adult Attachment Interviews (AAI,
Main et al., 1985) befragten, wiesen nur knapp 10 % der Jugendlichen einen sicheren
Bindungsstil auf. Vor dem Hintergrund, dass viele Heimkinder zudem häufige Abbrüche
und Neuplatzierungen erleben, so dass Kontinuität in Beziehungen kaum oder gar nicht
erfahren wird, erscheint dieses Ergebnis besonders tragisch.
Kognitive Verzerrungen
Eine gestörte Bindungsentwicklung hat, wie bereits erwähnt, weitreichende Konsequenzen
für alle weiteren zwischenmenschlichen Beziehungen, die in der Phase des Heranwachsens
eine wichtige Rolle spielen. Die mit dem hoch unsicheren Bindungsstil einhergehenden
kognitiven Strukturen, die die Selbstwahrnehmung und die Wahrnehmung der Umwelt
bestimmen, werden auf neue Beziehungserfahrungen projiziert und äußern sich in
negativen Erwartungen an das Verhalten anderer (Cicchetti & Toth, 1995). Bei Kindern
mit einer unsicheren Bindung unterliegen soziale Wahrnehmungsprozesse kognitiven
Verzerrungen, die geprägt sind durch Misstrauen, Ärger, Feindseligkeit und/oder Furcht
Theorie
16
(Guttmann-Steinmetz & Crowell, 2006). Dieser Zusammenhang gilt als eine mögliche
Erklärung, warum viele Kinder mit erlebter Misshandlung – insbesondere mit
Gewalterfahrungen – in sozialen Interaktionen häufiger aggressiv reagieren (Dodge et al.,
1990a; Dodge et al., 1990b; Dodge & Schwartz, 1997; Guttmann-Steinmetz & Crowell,
2006; Lansford et al., 2006a; Shahinfar et al., 2001). So entsteht ein Teufelskreis, da ein
Kind mit impulsivem, aggressivem Verhalten bei Gleichaltrigen auf Ablehnung und
Zurückweisung stößt und sich damit seine negativen Beziehungserfahrungen wiederholen.
Als Konsequenz hiervon steigt das Risiko, dass die Nähe zu anderen aggressiven,
delinquenten Peers bzw. „Gangs“ gesucht wird, die die Bereitschaft zur Delinquenz
steigern (Dodge et al., 2003; Kupersmidt et al., 1990; Maschi et al., 2008; Shields et al.,
2001).
Neben kognitiven Verzerrungen spielt bei der Entwicklung von aggressivem und
delinquentem Verhalten außerdem eine gestörte Regulation von Emotionen eine zentrale
Rolle, die ebenfalls im Zusammenhang mit traumatischen Erlebnissen in der Kindheit
betrachtet werden kann. Im Folgenden wird hierauf näher eingegangen.
Regulation von Affekten, Aggression und delinquentes Verhalten
Die Regulation von Affekten ist eine wichtige Entwicklungsaufgabe im Leben eines
Kindes, aus deren Bewältigung sich weitreichende Implikationen für die weitere
Entwicklung ergeben (Cicchetti & Barnett, 1991; Thompson, 1990). Affektregulation wird
definiert durch Faktoren innerhalb und außerhalb des Organismus, die affektive Erregung
zuordnen, kontrollieren, modulieren und modifizieren, um so das Individuum zu befähigen,
sich in emotional erregenden Situationen adaptiv zu verhalten (Cicchetti & Toth, 1995).
Das Kind lernt die ersten Schritte zur Regulation seiner Emotionen in der frühen ElternKind-Interaktion, weshalb Misshandlung und Vernachlässigung durch die Bezugspersonen
seine Entwicklung besonders beeinträchtigen (Lewis, 1993).
Affektive Dysregulation stellt eine der schwerwiegendsten Folgen von Kindheitstraumata
dar, da sie Einschränkungen in der Kontrolle von Emotionen, Impulsivität und Ärger
bedeutet (Paivio & Laurent, 2001; Schore, 2001, 2003). Kinder mit einer gestörten
Affektregulation reagieren häufig impulsiv und aggressiv auf emotional erregende Stimuli,
zeigen unangemessen starke Wut und/oder Furcht in Situationen, in denen eher
Gefühlsäußerungen der Empathie oder Sorge zu erwarten wären (Day, 2009; Ford, 2002;
Paivio & Laurent, 2001). Etliche Studien konnten zeigen, dass misshandelte bzw.
missbrauchte Kinder sehr viel häufiger und stärker solche Verhaltensauffälligkeiten und
Theorie
17
delinquentes Verhalten aufweisen als Kinder, die keine Misshandlung erlebt haben
(Alessandri, 1991; Greenwald, 2002; Haskett & Kistner, 1991; Jaffee et al., 2004; Lansford
et al., 2007; Roy, 2005; Schore, 2003; Shields & Cicchetti, 1998; Smith et al., 2005;
Stouthamer-Loeber et al., 2002; Stouthamer et al., 2001). So fanden beispielsweise
Brodsky et al. (2001) bei 136 depressiven stationär untergebrachten erwachsenen Patienten
höhere Impulsivitäts- und Aggressivitäts-Scores sowie häufiger Suizidversuche, wenn
Missbrauch in der Kindheit erlebt wurde. Die Autoren weisen in diesem Zusammenhang
darauf hin, dass Impulsivität und Aggressivität auch genetisch bedingte
Persönlichkeitsmerkmale sind, die mit den Umweltbedingungen in Interaktion stehen und
dementsprechend durch traumatische Erlebnisse verstärkt werden können (Brodsky et al.,
2001). Connor et al. (2003) verglichen in ihrer retrospektiven Studie eine klinische
Stichprobe von Kindern mit sexueller und/oder physischer Missbrauchserfahrung mit einer
klinischen Stichprobe von Kindern ohne Missbrauchserfahrungen sowie mit einer
Stichprobe aus der Allgemeinbevölkerung anhand verschiedener Maße für aggressives
Verhalten. Die Teilnehmer waren im Alter von 6 bis 17 Jahren. Es zeigte sich, dass die
Kinder in klinischer Behandlung mit Missbrauchserfahrung in den Maßen für reaktive und
verbale Aggression höhere Werte erreichten als die Kinder aus den anderen beiden
Gruppen.
Plattner et al. (2007) stellten in einem Vergleich zwischen einer Gruppe von delinquenten
Jugendlichen und einer Gruppe von High-School-Schülern fest, dass die straffälligen
Jugendlichen höhere Level sowohl negativer „state emotions“ als auch „trait emotions“
aufwiesen. Bei „trait emotions“ handelt es sich um Langzeit-, d. h. eher stabile
Persönlichkeitsvariablen, „state emotions“ repräsentieren dagegen akute Reaktionen auf
Stimuli, die nur in entsprechenden Situationen auftreten. In einer weiteren Analyse zeigte
sich, dass diejenigen aus der Gruppe der delinquenten Jugendlichen, die chronischen
körperlichen Missbrauch erlebt hatten, höhere Level von negativer „trait emotion“,
insbesondere Traurigkeit, sowie niedrigere Level positiver „trait emotion“ angaben.
Dagegen hing die Schwere der traumatischen Ereignisse – vorwiegend emotionaler
Missbrauch sowie „Zeuge von Gewalt“ – eher mit negativer „state emotion“ zusammen,
insbesondere mit stärkerem Furcht- und Ärger-Erleben. Plattner et al. (2007)
schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass straffällige Jugendliche ein von nicht
delinquenten Jugendlichen verschiedenes Erlebnismuster negativer Emotionen aufweisen,
das mit traumatischen Erlebnissen in der Kindheit zusammenhängt. Kindesmissbrauch, der
zumeist mit weiteren Arten von Traumata sowie Chronizität einhergeht (Green et al., 2000;
Theorie
18
Margolin & Gordis, 2000), stellt somit ein großes Risiko für die Entwicklung emotionaler
Dysregulation, von Aggression und delinquentem Verhalten dar (Plattner et al., 2007).
Auch Plattner et al. (2007) weisen auf die Vorläufigkeit ihrer Ergebnisse und
Schlussfolgerungen hin, da diese auf Korrelationsberechnungen beruhen. Insbesondere
genetisch bedingte Prädispositionen sind als wichtige Moderatorvariable bei der
Interpretation zu berücksichtigen.
Die Ergebnislage zu den Zusammenhängen zwischen Kindesmissbrauch und vernachlässigung, affektiver Dysregulation und negativer Emotionalität liefert somit
interessante Hinweise zu der Ätiologie delinquenten Verhaltens (siehe auch Ford, 2002;
Schore, 2003), auch wenn der Einfluss weiterer wichtiger Faktoren wie Genetik,
Geschlecht, Familien- und Umweltbedingungen, Resilienz etc. – insbesondere in ihrem
Zusammenspiel – noch geklärt werden muss. Auf mögliche Moderatoren zwischen
Traumata und ihren Folgen wird im nächsten Abschnitt eingegangen.
Moderatorvariablen zwischen Traumata und ihren Folgen
Nicht jedes Kind mit einer traumatischen Vergangenheit entwickelt psychische
Auffälligkeiten, wird delinquent oder hat Einschränkungen in seinen sozialen Beziehungen
(siehe z.B. Jaffee et al., 2007; Jaffee et al., 2004; Lansford et al., 2006b). Einige Studien
haben sich mit Moderatorvariablen befasst, die den Zusammenhang zwischen Traumata
und ihren Folgen beeinflussen. Allerdings ergibt eine genauere Analyse der Ergebnisse
bisher kein einheitliches Bild, da aufgrund der hohen Komplexität möglicher
Einflussvariablen meist nur einzelne Moderatoren in die Untersuchungen mit
aufgenommen werden können.
Caspi et al. (2002) untersuchten beispielsweise in ihrer Längsschnittstudie, inwiefern der
Genotyp den Zusammenhang zwischen Misshandlung in der Kindheit und antisozialem
Verhalten moderiert: Dabei stellten sie fest, dass Kinder mit einer hohen Expression des
Gens, das für das Enzym MAOA (Monoamine Oxidase A) kodiert, mit geringerer
Wahrscheinlichkeit antisoziale Probleme entwickeln als solche mit einer niedrigen
Expression. Die Autoren sehen hierin eine mögliche Erklärung dafür, dass nicht alle Opfer
von Kindesmisshandlung später delinquentes Verhalten zeigen, da der Genotyp die
Vulnerabilität gegenüber Umweltbedingungen beeinflusst (Caspi et al., 2002). In einer
longitudinalen Zwillingsstudie von Jaffee et al. (2005) zeigte sich für Kinder mit erlebter
physischer Misshandlung und genetischem Risiko für eine Störung des Sozialverhaltens
eine um 24 % höhere Wahrscheinlichkeit, Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln, als für
Theorie
19
diejenigen mit geringem genetischem Risiko.
Geschlechtsunterschiede bei den Folgen von Kindesmisshandlung zeigten sich in einer
retrospektiven Untersuchung von Wolfe et al. (2001), bei der 1.419 High-School-Schüler
zu erlebtem Missbrauch, sozialer Anpassung sowie partnerschaftlicher Gewalt befragt
wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass Mädchen, die Misshandlung erlebt hatten, sehr viel
häufiger emotionalen Stress wie Ärger, depressive Stimmung und Ängstlichkeit sowie
delinquentes Verhalten berichteten als ihre Altersgenossinnen ohne
Misshandlungserlebnisse. Bei Jungen mit erlebter Misshandlung war die Anfälligkeit für
emotionalen Stress und Delinquenz im Vergleich zu Jungen ohne derartige Erlebnisse
dagegen weniger stark erhöht als bei den Mädchen. Dafür gaben sie sehr viel häufiger an,
in ihrer Partnerschaft Gewalt und Misshandlung anzuwenden (Wolfe et al., 2001). Diese
Ergebnisse können den Autoren zufolge ein Hinweis darauf sein, dass bei Mädchen erlebte
Kindesmisshandlung eine noch größere Rolle bei der Entwicklung von Delinquenz spielt
als bei Jungen, die unabhängig von solchen Erlebnissen generell häufiger delinquentes
Verhalten zeigen. Eher gegenläufige Schlüsse ziehen Krischer & Sevecke (2008) aus ihrer
Studie, in der sie einen Zusammenhang zwischen frühen Missbrauchserfahrungen und
Psychopathie (erhoben anhand der Psychopathy Checklist – Youth Version (PCL-V, Hare,
2003)) nur bei männlichen und nicht bei weiblichen inhaftierten Straftätern (15–19 Jahre)
fanden. Die Autorinnen schließen daraus, dass bei der Entwicklung von psychopathischen
Persönlichkeitsmerkmalen bei Mädchen eher andere Faktoren als frühe Traumatisierung
eine Rolle spielen. Allerdings unterscheidet sich die Studie von Krischer & Sevecke (2008)
von der von Wolfe et al. (2001) nicht nur im Hinblick auf die Stichprobe (inhaftierte
Jugendliche vs. Schüler) und die angewendeten Verfahren; eine Erklärung für die
unterschiedlichen Ergebnisse findet sich sicherlich auch in dem von Krischer & Sevecke
erhobenen Konstrukt „Psychopathie“: Psychopathische Persönlichkeitsmerkmale stellen
eine mögliche Ursache delinquenten Verhaltens dar, so dass die Ergebnisse von Krischer
& Sevecke (2008) darauf hinweisen könnten, dass der Zusammenhang zwischen Trauma
und Delinquenz bei männlichen Jugendlichen unter anderem in der Entwicklung
psychopathischer Persönlichkeitsmerkmale begründet ist. Allerdings besteht in der
relevanten Literatur Uneinigkeit über den Zusammenhang zwischen traumatischen
Erfahrungen und Psychopathie. Blair et al. (2006) schlussfolgern in ihrem Review von
Studien zur Entwicklung von Psychopathie, dass psychopathische
Persönlichkeitsmerkmale eher genetisch determiniert sind und weniger auf physische oder
sexuelle Missbrauchserfahrungen in der Kindheit zurückzuführen sind.
Theorie
20
Lewis (1993) zieht aus ihren Untersuchungen die Schlüsse, dass Jungen, die neben
Missbrauchserfahrungen auch psychiatrische, neurologische und kognitive
Einschränkungen haben, mit größerer Wahrscheinlichkeit aggressives Verhalten zeigen als
Jungen ohne bzw. mit nur einer der genannten Einschränkungen.
Art und Schwere der traumatischen Erlebnisse spielen in diesem Zusammenhang natürlich
eine wichtige Rolle. Chronischer sexueller und körperlicher Missbrauch durch eine
bekannte Bezugsperson beinhaltet ein größeres Risiko für negative Folgen als
beispielsweise eine einmalige Traumatisierungen durch eine unbekannte Person bzw. einen
Unfall (Cicchetti & Toth, 1995; Ford et al., 2006). Mehr noch als die Art der
Traumatisierung erhöhen das über einen langen Zeitraum wiederholte Auftreten von
traumatischen Stressoren sowie das Erleben vieler verschiedener traumatischer Ereignisse
das Risiko und die Schwere posttraumatischer Probleme (Briere et al., 2008; Finkelhor et
al., 2007a, 2007b; Green et al., 2000; Tarren-Sweeney, 2008). Terr (1991) unterscheidet
zwischen einmaligen Traumatisierungen (z. B. Unfälle oder Naturkatastrophen (Typ I))
und sequentiellen Traumatisierungen (z. B. Vernachlässigung und Kindesmisshandlung
(Typ II)), die oft durch nahe stehende Personen über einen langen Zeitraum erfolgen.
Während Traumata vom Typ I eher mit den klassischen Symptomen einer
Posttraumatischen Belastungsstörung einhergehen, können Typ-II-Traumata häufig
Störungen der gesamten Persönlichkeitsentwicklung zur Folge haben (Terr, 1991; Terr,
1995). In der Untersuchung von Manly et al. (2001) zum Einfluss von
Misshandlungszeitpunkt und -art zeigte sich, dass sowohl die Schwere der emotionalen
Misshandlungserfahrungen im Kleinkindalter als auch körperlicher Missbrauch im
Vorschulalter eine Rolle in der Entwicklung von externalem und aggressivem Verhalten
spielen. Dagegen hing die Schwere der körperlichen Misshandlung besonders während der
Vorschulphase mit internalisierenden Symptomen und sozialem Rückzug zusammen:
Kinder mit chronischen Misshandlungserfahrungen zeigten häufiger unangepasste
Verhaltensweisen. In einigen Studien wurde zur Bildung von Gruppen, die sich in Art und
Schwere traumatischer Erlebnisse unterscheiden, eine Latente Klassenanalyse
(McCutcheon 1998) verwendet. Hebert et al. (2007) fanden auf diese Art und Weise in
einer Stichprobe von 149 straffälligen erwachsenen Frauen zwei Klassen, die sich nicht in
der Art, sondern in der Häufigkeit traumatischer Erlebnisse unterschieden. In der Gruppe
der Frauen, die häufiger belastende Erfahrungen gemacht hatten, zeigten sich u. a. größere
Einschränkungen im Funktionsniveau sowie mehr Alkohol- und Drogenprobleme. Romano
et al. (2006) untersuchten die Missbrauchserfahrungen in einer Stichprobe aus
Theorie
21
schwangeren Jugendlichen und fanden mit einer Latenten Klassenanalyse ebenfalls zwei
Gruppen: Hier zeigte sich, dass die Gruppe der Jugendlichen mit multipler
Traumatisierung ein vierfach erhöhtes Risiko für eine Störung des Sozialverhaltens
aufwies.
Interessante Ergebnisse zur Rolle des Zeitpunkts fanden Thornberry et al. (2001) in ihrer
Längsschnittstudie, in der sie die Gruppen „Misshandlung nur im frühen Kindesalter (bis 5
Jahre)“, „nur im späten Kindesalter (6–11 Jahre)“, „nur in der Adoleszenz (12–17 Jahre)“
und „chronische Misshandlung“ mit einer Gruppe von Kindern ohne
Misshandlungserfahrungen verglichen. Die Outcomes, die im frühen und späten
Jugendalter gemessen wurden, waren selbstberichtete Delinquenz, Substanzmissbrauch,
Alkoholmissbrauch, depressive Symptome, Teenager-Schwangerschaften, Schulabbrüche
sowie internalisierende und externalisierende Verhaltensauffälligkeiten im Fremdurteil. Es
zeigte sich, dass diejenigen, die „nur“ in der frühen Kindheit Misshandlung
(Vernachlässigung, körperlicher bzw. sexueller Missbrauch) erlebt hatten, sich im späten
Jugendalter nicht weiter von Kindern ohne Misshandlungserfahrungen unterschieden.
Dagegen fanden sich bei der Gruppe „Misshandlung im späten Kindesalter“ höhere Raten
externalisierender Probleme sowie mehr Schulabbrüche; erlebte Misshandlung in der
Adoleszenz brachte ein erhöhtes Risiko von delinquentem Verhalten und von
externalisierenden und internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten im späten Jugendalter
mit sich. Die Gruppe der Kinder mit chronischer Missbrauchserfahrung wies eine erhöhte
Delinquenz, einen höheren Substanzmissbrauch sowie mehr Teenager-Schwangerschaften
auf. Bei der Interpretation muss jedoch berücksichtigt werden, dass nur eine Auswahl
möglicher Outcomes erhoben wurde und Kurzzeiteffekte nicht gemessen wurden. In der
Untersuchung von Keiley et al. (2001) finden sich dagegen Hinweise darauf, dass
körperliche Misshandlung in der frühen Kindheit (unter 5 Jahren) im Gegensatz zu
Misshandlung in der späten Kindheit (älter als 5 Jahre) ein größeres Risiko für
externalisierendes und internalisierendes Verhalten in sich birgt. Allerdings wurde in
dieser Studie nicht die Gruppe der Kinder mit chronischer Missbrauchserfahrung
differenziert.
Weitere Studien konnten zeigen, dass etwa ethnische Identität (Bruce & Waelde, 2008)
sowie wahrgenommene internale Kontrolle (Bolger & Patterson, 2001) als
Resilienzfaktoren wirken, während Kontakte zu delinquenten Gleichaltrigen bei
traumatisierten Kindern die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass diese selbst kriminell
werden (Maschi et al., 2008). Bei Heimkindern fanden Ryan & Testa (2005), dass
Theorie
22
Instabilität in der Platzierung – d.h. häufige Wechsel zwischen Institutionen – bei
männlichen Kindern mit Misshandlungserfahrungen das Risiko von delinquentem
Verhalten erhöhen. Bei misshandelten Mädchen fand sich ein solcher Effekt nicht; für sie
war das Risiko von delinquentem Verhalten im Vergleich zu Mädchen, die in ihrer Familie
bleiben konnten, bereits mit einer Platzierung erhöht.
Die Reaktion auf traumatische Erlebnisse scheint zudem durch Persönlichkeitsvariablen
moderiert zu werden, zumal diese die individuelle Wahrnehmung der Ereignisse und damit
die Schwere der posttraumatischen Stresssymptome beeinflussen (Yehuda & McFarlane,
1995). Schnurr et al. (1993) zeigten bei ihrer Untersuchung von Vietnam-Veteranen, die
vor ihrem Militär-Dienst den MMPI (Minnesota Multiphasic Personality Inventory)
ausgefüllt hatten, dass die Skalen „Hypochondrie“, „Psychopathie“, „Männliche vs.
Weibliche Interessen“ und „Paranoia“ durch Kriegserfahrungen bedingte PTBS-Symptome
vorhersagten. Ruchkin et al. (2002) stellten fest, dass bei männlichen delinquenten
Jugendlichen ein erhöhtes Neugierverhalten (gemessen mit dem Junior Temperament and
Character Inventory (JTCI, Cloninger, 1994)) mit einem erhöhten Risiko für
Gewalterfahrungen einherging. Von den Jugendlichen, die traumatische Erfahrungen
angaben, zeigten diejenigen häufiger PTBS-Symptome, die hohe Werte in der Skala
„Schadensvermeidung“ und niedrige Werte in der Skala „Selbstlenkung“ erreichten. Die
Autoren ziehen hieraus den Schluss, dass hohes Neugierverhalten (explorative Aktivität) in
Verbindung mit niedriger Schadensvermeidung (Verhaltenshemmung) möglicherweise zu
einer Desensibilisierung gegenüber Gewalt und damit zu antisozialem Verhalten führen
kann, während hohes Neugierverhalten in Kombination mit hoher Schadensvermeidung die
Vulnerabilität bei traumatischen Erfahrungen und damit die Wahrscheinlichkeit für
internalisierende Probleme erhöhen kann. Ebenso bedeutet eine niedrige
Selbstlenkungsfähigkeit, die Ausdruck psychischer Unreife und mangelnder CopingStrategien ist, dass ein Individuum sensibler auf Umwelteinflüsse reagiert (Ruchkin et al.,
2002).
Die Liste möglicher Variablen, die den Zusammenhang zwischen traumatischen
Erlebnissen und ihren Folgen moderieren, ist mit der obigen Darstellung sicher nicht
vollständig behandelt. Sie soll einen ersten Einblick in die Komplexität der Thematik
geben, die sich aus der Individualität und besonderen Geschichte jedes einzelnen Kindes
ergibt. Angesichts der quantifizierenden und damit automatisch „vereinfachenden“
Ergebnisse von Studien sollte an diese Komplexität immer wieder erinnert werden.
Theorie
1.4
23
Das schweizerische Jugendstrafrecht und die Reform vom 1.1.2007
Da die vorliegende Studie in deutschweizerischen Heimeinrichtungen mit sowohl zivil- als
auch strafrechtlich untergebrachten Jugendlichen durchgeführt wurde, soll das
schweizerische Jugendstrafgesetz mit seiner Reform im Jahr 2007 im Folgenden kurz
dargestellt werden.
Das schweizerische Jugendstrafrecht ist seit dem 1.1.2007 nicht mehr Bestandteil des
schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB), sondern in einem selbständigen Gesetz
(Jugendstrafgesetz, JStG) geregelt. Es ist als Sonderstrafrecht jedoch nach wie vor dem
Erziehungs- und Betreuungsgedanken verpflichtet und legt somit den Schwerpunkt auf die
Spezialprävention (entsprechende Erziehungsmaßnahmen statt Maßnahmenvollzug). Im
neuen schweizerischen Jugendstrafgesetz (nJStG) sind Veränderungen im Umgang mit
jugendlichen Straftätern festgelegt, wie z. B. die Forderung nach Abklärung der
persönlichen Verhältnisse mit Beobachtung und Begutachtung (Artikel 9 nJStG), nach
Begutachtung vor der Unterbringung (Artikel 15 nJStG) und nach jährlicher Überprüfung
und Evaluation der Schutzmaßnahmen (Artikel 19 nJStG). Die Neuerungen sollen dazu
beitragen, den adäquaten Einsatz von geeigneten Maßnahmen bei straffälligen
Jugendlichen sicherzustellen. Dies bedeutet, dass im Falle der Straffälligkeit eines
Jugendlichen neben der Ermittlung des Sachverhaltes unter Einbezug von Fachpersonen
eine eingehende Abklärung zur Person des Jugendlichen sowie zu seinen persönlichen,
familiären, schulischen, beruflichen und freizeitlichen Verhältnissen durchgeführt wird.
Weiterhin wird geprüft, ob der Jugendliche irgendwelcher Erziehungs-, Betreuungs- oder
Therapiemaßnahmen bedarf. Ist dies der Fall, so ordnet die Jugendstrafbehörde eine
Schutzmaßnahme an (Aufsicht, persönliche Betreuung, ambulante Maßnahme oder
Unterbringung). Sind Schutzmaßnahmen nicht notwendig, so spricht die
Jugendstrafbehörde eine Strafe aus (Freiheitsentzug von bis zu einem Jahr – in
Ausnahmefällen von bis zu vier Jahren –, eine Buße oder persönliche Leistung oder ein
Verweis). Zu jeder Schutzmaßnahme ist zusätzlich eine Strafe auszusprechen, wenn die
Tat schuldhaft begangen wurde (so genannter Dualismus: Strafe und Erziehung). Die
Bestrafung soll auf den Täter maßgeschneidert sowie erzieherisch und präventiv
ausgerichtet sein. Das Strafmündigkeitsalter wurde mit der Reform von 7 auf 10 Jahre
hoch gesetzt. Buße und Freiheitsentzug können jedoch nur dann ausgesprochen werden,
wenn der Jugendliche zum Tatzeitpunkt 16 Jahre alt war. Alle Schutzmaßnahmen enden
spätestens mit dem zurückgelegten 22. Lebensjahr.
Theorie
24
Der Erziehungsgedanke im schweizerischen Jugendstrafrecht stand bereits vor der
Strafrechtsreform im Vordergrund. Trotz der zuvor niedrig gesetzten Strafmündigkeit (ab 7
Jahre) wurde bis zur Reform auf eine Inhaftierung von Jugendlichen fast gänzlich
verzichtet; stattdessen wurden Platzierungen in Heimen oder Pflegefamilien vorgezogen.
Fast alle Einrichtungen in der Deutschschweiz haben eine „gemischtes“ Klientel: Es
werden sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich eingewiesene Jugendliche betreut. Nur
wenige Einrichtungen werden geschlossen geführt bzw. halten eine bestimmte Anzahl an
Plätzen für eine geschlossene Platzierung bereit. Einige Einrichtungen – Beobachtungsund Durchgangsheime genannt – nehmen Jugendliche „nur“ zur näheren Abklärung auf.
Hier werden Jugendliche für maximal 3 Monate in Krisensituationen platziert, um das
weitere Vorgehen zu klären. Des Weiteren gibt es Einrichtungen nur für männliche,
straffällige junge Erwachsene ab 18 Jahren, die so genannten „Maßnahmenzentren“.
Vergleichbare Einrichtungen für junge Frauen existieren dagegen nicht.
1.5
Zusammenfassung des theoretischen Hintergrunds
Es ist deutlich geworden, dass Kinder und Jugendliche in stationären
Jugendhilfeeinrichtungen eine Hochrisikopopulation darstellen, die angesichts einer
Prävalenz psychischer Störungen von um die 60 % massiv belastet scheint. Die
Studienlage zeigt zudem, dass Heimkinder mehrheitlich mindestens ein traumatisches
Erlebnis in ihrer Vergangenheit angeben und dass etliche sogar unter traumatisierenden
Bedingungen (z. B. chronische Misshandlung oder Vernachlässigung) aufgewachsen sind.
Ähnliche, zum Teil sogar noch höhere Prävalenzraten psychischer Störungen und
Traumatisierungen lassen sich bei straffälligen Jugendlichen in Haft finden. Je nach
Untersuchung und Definition von traumatischem Stress geben bis zu 96 % der befragten
Jugendlichen an, mindestens ein traumatisches Erlebnis gehabt zu haben.
Folglich handelt es sich bei Kindern und Jugendlichen in stationären
Jugendhilfemaßnahmen und straffälligen Jugendlichen in Haft um eine hoch belastete,
vulnerable Population. Betrachtet man die möglichen Folgen traumatischer Erlebnisse, so
wird deutlich, dass ein Großteil der erlebten Belastungen und Verhaltensauffälligkeiten bei
Heimkindern auf traumatischen Stress zurückzuführen ist. In Kapitel 1.3 wurde gezeigt,
dass es sich bei den möglichen Folgen um psychische Störungen,
Anpassungsschwierigkeiten, Bindungsentwicklungsstörungen, selbstverletzendes und
suizidales Verhalten sowie Suchtproblematiken handelt; doch auch aggressives und
Theorie
25
delinquentes Verhalten, moduliert durch affektive Dysregulation und kognitive
Verzerrungen, steht mit einer traumatisierenden Vergangenheit in Zusammenhang.
Allerdings ist bei der Interpretation solcher Zusammenhänge zu berücksichtigen, dass viele
weitere Faktoren die jeweils individuelle Reaktion auf traumatischen Stress und damit
dessen mögliche Folgen moderieren. Solche Moderatoren sind vielfältig und umfassen
neben Variablen wie Geschlecht sowie Art, Schwere und Zeitpunkt des Traumas
beispielsweise auch Faktoren wie Genotyp, Persönlichkeit oder ethnische Identität.
Die Theorierecherche ergab zudem, dass bisher in nur wenigen Studien statistische
Verfahren (z. B. Cluster-Analysen oder Latente Klassenanalysen) zur Bildung von
Subgruppen auf Basis von berichteten traumatischen Erlebnissen eingesetzt wurden
(Hebert et al., 2007; Romano et al., 2006; Shevlin & Elklit, 2008). Keine der Studien, in
der diese Verfahren angewendet wurden, bezieht sich auf Heimjugendliche bzw.
straffällige Jugendliche. Ebenfalls wurden bislang keine Zusammenhänge zwischen den
gebildeten Gruppen und Delinquenz untersucht.
1.6
Ableitung der Fragestellungen
Vor dem Hintergrund der aktuellen Studienlage leiten sich für die vorliegende Arbeit
mehrere Fragestellungen ab:
(1) Wie hoch liegt die Prävalenz traumatischer Erlebnisse sowie der Posttraumatischen
Belastungsstörung bei Heimkindern und -jugendlichen in der Deutschschweiz?
Zeigen sich Unterschiede nach Geschlecht (a)?
(2) Gibt es Gruppen von Kindern und Jugendlichen, die eine ähnlich traumatische
Vergangenheit haben, also ein ähnliches „Profil“ im Hinblick auf Art und Anzahl
der erlebten traumatischen Ereignisse aufweisen? Unterscheiden sich die Kinder
und Jugendlichen mit unterschiedlichen „Traumaprofilen“ in Psychopathologie und
Funktionseinschränkung (a) sowie in Delinquenz (b)?
(3) Wirken sich unterschiedliche „Traumaprofile“ von Kindern und Jugendlichen in
Heiminstitutionen auf die stationäre Maßnahme aus? Das bedeutet: Hat die
jeweilige traumatische Vergangenheit Auswirkungen auf die Zufriedenheit mit der
Maßnahme (a), auf die Häufigkeit vorheriger Institutionswechsel (b), den aktuellen
kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlungsstatus und die Einschätzung der
Betreuer nach Behandlungsbedarf (c)?
Theorie
26
Aus diesen Fragestellungen ergeben sich folgende Hypothesen:
Bisher existiert keine epidemiologische Erfassung der Prävalenz von traumatischen
Erlebnissen und Posttraumatischen Belastungsstörungen in der Heimpopulation der
Deutschschweiz. In der vorliegenden Arbeit soll dieser Themenkomplex umfassend
dargestellt werden. Dabei wird angenommen, dass sowohl die Lebenszeitprävalenz
traumatischer Erlebnisse als auch die Prävalenz der PTBS bei der Heimpopulation höher
als bei Kindern und Jugendlichen aus der Allgemeinbevölkerung liegen (Hypothese 1).
Während kein Unterschied in der Prävalenz traumatischer Erfahrungen zwischen Jungen
und Mädchen erwartet wird (Hypothese 1a), wird eine höhere Prävalenz der PTBS bei
weiblichen Kindern und Jugendlichen angenommen (Hypothese 1b).
Es wird erwartet, dass sich die Kinder und Jugendlichen der Stichprobe in dem Ausmaß, in
dem sie in der Vergangenheit traumatischen Erfahrungen ausgesetzt waren, unterscheiden,
so dass sich auf Basis von Art und Anzahl erlebter traumatischer Ereignisse Subgruppen
bilden lassen (Hypothese 2). Da die Zusammenhänge zwischen traumatischen
Erfahrungen, Psychopathologie und Delinquenz von der Art und Anzahl der erlebten
traumatischen Ereignisse beeinflusst werden, wird zudem angenommen, dass sich die
gebildeten Subgruppen hinsichtlich der folgenden Parameter unterscheiden:
Psychopathologie und Funktionseinschränkung (Hypothese 2a), Delinquenz (Hypothese
2b)
Außerdem wird davon ausgegangen, dass sich die Kinder und Jugendlichen in den
verschiedenen „Trauma-Subgruppen“ in ihrer Zufriedenheit (Selbst- und
Fremdbeurteilung) mit der aktuellen stationären Maßnahme (Hypothese 3a) unterscheiden
und in unterschiedlicher Häufigkeit bereits eine vorherige Fremdunterbringung erlebt
haben (Hypothese 3b). Ebenso wird angenommen, dass sich die Subgruppen in ihrem
kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlungsstatus (Hypothese 3c) voneinander
unterscheiden.
Methoden
27
2 Methoden
2.1
Ziel des Modellversuchs
Die Daten der vorliegenden Arbeit wurden im Rahmen des Modellversuchs zur Abklärung
und Zielerreichung bei Jugendlichen in stationären Maßnahmen (MAZ.) erhoben. Dieser
wird im Folgenden dargestellt.
Im Modellversuch werden zwei psychometrische Verfahren implementiert, mit deren Hilfe
die zentralen Anforderungen des neuen Jugendstrafrechts (siehe Kapitel 1.4) nach
Abklärung und jährlicher Verlaufsbeurteilung in die Praxis umgesetzt werden können: Mit
dem Screeningverfahren BARO (Basis Raads Onderzoek) (Gutschner & Doreleijers, 2004)
liegt ein strukturiertes und für die Schweiz adaptiertes Untersuchungsinstrument vor, mit
dem geklärt werden kann, wann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine psychische Störung
vorliegt, wann eine intensivere psychologische oder kinder- und jugendpsychiatrische
Abklärung oder die Begutachtung zu platzierender Jugendlichen indiziert ist (Art. 9 nJStG)
und/oder welche strafrechtlichen Schutzmassnahmen notwendig sind (Art. 12 bis 20
nJStG).
Mit einem speziell für den Modellversuch weiterentwickelten Zielerreichungsinstrument
wird den Maßnahmevollzugsinstitutionen ein Instrument angeboten, das es unter
Einbeziehung der Jugendlichen und des sozialpädagogischen Personals ermöglicht, die
Wirkung der angeordneten Maßnahmen zu überprüfen (Singer et al., 2009). Mit dem
Zielerreichungsinstrument können sowohl allgemeingültige pädagogische Ziele von
Maßnahmen als auch individuelle Ziele operationalisiert werden. Auf diese Weise können
bei Beginn einer Maßnahme für jeden Jugendlichen individuelle Ziele definiert werden, die
seine spezifische Situation und die Möglichkeiten der jeweiligen Einrichtung
berücksichtigen. Im weiteren Verlauf kann dann das Erreichen dieser Ziele in
regelmäßigen Abständen überprüft werden, um den Vollzugsbehörden eine
Entscheidungshilfe zur Klärung der Frage anzubieten, „ob und wann die Maßnahme
aufgehoben werden kann“ (Artikel 19 nJStG).
Ein wesentliches Ziel des Modellversuchs ist es daher, die Praktikabilität der beiden
angewendeten Verfahren zu überprüfen. Durch den Einsatz weiterer psychometrischer
Instrumente soll zudem die Stichprobe im Hinblick auf Psychopathologie,
Persönlichkeitsmerkmale, psychiatrische Diagnosen sowie Substanzmissbrauch und
Delinquenz genau beschrieben werden. Durch die Anwendung der Verfahren zu zwei
Methoden
28
Messzeitpunkte (in einem Abstand von einem Jahr) können außerdem die Effekte der
stationären pädagogischen Maßnahmen in der untersuchten Stichprobe abgebildet werden.
2.2
Studiendesign und Prozedere
Alle teilnehmenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen (siehe Kapitel 2.3) sowie ihre
pädagogischen Betreuer wurden zu zwei Messzeitpunkten im Abstand von maximal einem
Jahr bzw. bei Beendigung oder Abbruch der Maßnahme befragt. Zwischen den beiden
Messzeitpunkten fand eine vertiefte Diagnostik statt, bei der durch ein strukturiertes
Interview unter anderem das Vorliegen einer psychiatrischen Diagnose abgeklärt wurde.
Die vertiefte Diagnostik wurde von geschulten Diplom-Psychologen/-innen bzw. einem
Kinder-/Jugendpsychiater in den Heimeinrichtungen selbst durchgeführt.
Die erste Erhebung und die vertiefte Diagnostik fanden zwischen Herbst 2007 und Herbst
2008 statt und sind bereits abgeschlossen. Die zweite Messung wird zurzeit beendet.
Für die Selbst- und Fremdeinschätzungen stand den Heimeinrichtungen eine dafür
entwickelte Computerdatenbank zur Verfügung, so dass die Teilnehmer und Betreuer den
Zeitpunkt ihrer Eingaben selbst wählen konnten. Da viele verschiedene Verfahren
eingesetzt wurden, erhielten die Jugendlichen die Möglichkeit, Pausen einzulegen bzw. die
Dateneingabe auf mehrere Tage zu verteilen. Die Teilnehmer konnten bei einigen
Verfahren nach dem Ausfüllen auf einen „Anonym“-Button klicken, so dass die
Ergebnisse für die Betreuer der jeweiligen Institution nicht sichtbar waren. Bei anderen
Verfahren war die Anonymität von vorneherein festgelegt, um Einflüsse wie soziale
Erwünschtheit zu reduzieren und damit die Ehrlichkeit der Teilnehmer zu erhöhen. Dies
war besonders bei der Erhebung der Dunkelfelddelinquenz wichtig, bei der Jugendliche
alle begangenen Delikte angeben sollten. In den jeweiligen Testanleitungen wurden die
Jugendlichen über Anonymität bzw. die Möglichkeit zur anonymen Auswertung
informiert. Erst nach Bestätigung, dass die jeweilige Erklärung gelesen und verstanden
wurde, konnte der Test ausgefüllt werden.
Bei der Auswahl der Verfahren wurden sowohl Fremd- als auch
Selbstbeurteilungsinstrumente berücksichtigt, da sich der kombinierte Einsatz dieser
Instrumente für eine sichere Abschätzung der Psychopathologie bei Kindern und
Jugendlichen bewährt hat (Achenbach, 1991; Achenbach & McConaughy, 1987; Plück et
al., 1997).
Methoden
29
Die Termine für die vertiefte Diagnostik wurden mit den Teilnehmern jeweils individuell
vereinbart. Die Befragung dauerte bis zu 4 Stunden.
2.3
Stichprobenrekrutierung und Repräsentativität
Das Bundesamt für Justiz (BJ) subventioniert in allen Sprachregionen der Schweiz 177
Heime mit insgesamt 3.793 Heimplätzen. Alle Einrichtungen sind im Heimverzeichnis des
BJ aufgeführt. Das Verzeichnis beinhaltet Erziehungseinrichtungen für Kinder und
Jugendliche sowie Institutionen für junge Erwachsene, die aufgrund des Bundesgesetzes zu
den Leistungen des Bundes für den Straf- und Maßnahmenvollzug anerkannt sind.
Kriterien für die Rekrutierung der Stichprobe
•
Möglichst viele Einrichtungen aus der gesamten deutschsprachigen Schweiz mit stark
unterschiedlichen Altersstrukturen, Konzepten und Klienteln.
•
Weibliche und männliche Jugendliche und junge Erwachsene in stationären
Einrichtungen, unabhängig von der Rechtsgrundlage der Maßnahmen (zivil- sowie
strafrechtlich).
Kriterien für die Selektion der Stichprobe
•
Jugendliche aus vom Bundesamt für Justiz zertifizierte und subventionierte
Einrichtungen in der deutschsprachigen Schweiz.
•
Teilnehmer im Alter zwischen 10 und 26 Jahren (bei Mädchen aufgrund der früher
einsetzenden Vorpubertät auch jüngeres Alter möglich – je nach individuellem
Entwicklungsstand).
•
Voraussichtliche Aufenthaltsdauer mindestens 1–3 Monate.
•
Unterhaltung muss auf Deutsch möglich sein.
•
Schriftliche Einverständniserklärung (bei Unter-18-Jährigen Einwilligung der
Sorgeberechtigten erforderlich).
Von den insgesamt 177 Einrichtungen des Heimverzeichnisses des BJ mit ihren knapp
3.800 Plätzen wurden alle 91 Einrichtungen der Deutschschweiz zu
Informationsveranstaltungen eingeladen. 71 der 91 Einrichtungen zeigten daraufhin
Interesse an der MAZ.-Studie; 32 Einrichtungen verpflichteten sich letztlich zur
Teilnahme. Eine Einrichtung beendete während der Erhebungsphase zum ersten
Methoden
30
Messzeitpunkt aufgrund fehlender personeller und zeitlicher Ressourcen die Teilnahme. So
nehmen derzeit insgesamt 31 Einrichtungen mit einem Platzangebot von 773 Plätzen an
der MAZ.-Studie teil. Nach der Rekrutierungsphase konnten in den Einrichtungen 329
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zur Teilnahme motiviert werden. Die
Rekrutierungsrate von ca. 43 % der Jugendlichen war somit zufrieden stellend. Teilweise
gestaltete es sich schwierig, eine Einverständniserklärung der Eltern zu erhalten: Eltern,
deren Kinder nach vielfachen Beziehungsabbrüchen in einer Institution untergebracht sind,
fällt es meist schwer, ihre formal noch vorhandenen Elternrechte auszuüben. In den
Untersuchungen hierzu zeigte sich jedoch im anonymen Erzieherurteil, dass die
Nichtteilnahme aufgrund der nicht vorhandenen Einwilligung der Eltern nicht zu
systematischen Verzerrungen der Stichprobe in Heimkinderpopulationen führt (Schmid
2007).
Die Rekrutierungsrate innerhalb der Institutionen variiert stark. In einigen Institutionen
konnte nur ein relativ kleiner Teil der Probanden mit einbezogen werden. Insbesondere bei
Beobachtungsstationen mit sehr kurzen und oft nicht genau absehbaren Aufenthaltsdauern
war es trotz hoher Motivation schwierig, die zusätzlichen Ressourcen für das Projekt über
längere Zeiträume hinweg bereitzustellen. Zudem zeigte sich, dass Institutionen, die viele
Jugendliche rekrutierten, eine größere Sicherheit im Umgang mit dem erforderlichen
Computerprogramm entwickelten und dann tendenziell noch mehr Teilnehmer
rekrutierten. Institutionen, die nur wenige Jugendliche stellten, konnten dagegen keine
Routine mit dem Computerprogramm entwickeln. In einigen Institutionen war es nicht
möglich, mehrere Computer zeitgleich zu verwenden, was intensive Absprachen erforderte
und ebenfalls dazu führte, dass nicht mehr Jugendliche innerhalb der teilnehmenden
Institutionen rekrutiert werden konnten.
Die Einrichtungen repräsentieren die Palette des institutionellen Erziehungsangebots in der
Deutschschweiz im Hinblick auf das pädagogische und therapeutische Angebot, die Art
der Erziehungsmaßnahmen, die geplante Aufenthaltsdauer sowie die Institutionsgröße und
die Anzahl der stationären Plätze: Die größte Einrichtung verfügt über 56, die kleinste über
7 Plätze. Die durchschnittliche Anzahl der Plätze liegt bei 24. Geographisch sind die
Einrichtung über neun Kantone der Deutschschweiz und den deutschsprachigen Teil des
Wallis verteilt.
Methoden
31
Gründe für Nichtteilnahme
Die Resonanz in der Heimlandschaft kann insgesamt als sehr positiv beschrieben werden.
Insgesamt 25 von 71 interessierten Einrichtungen meldeten sich nach den
Informationsveranstaltungen für die Heimleiter/-innen ab, davon 17 unter Angabe von
Gründen, die im Folgenden in der Reihenfolge der Häufigkeit der Nennung aufgelistet
werden:
•
Keine zeitlichen und personellen Ressourcen für MAZ. (16 Einrichtungen)
•
Fehlende EDV-Infrastruktur (3 Einrichtungen)
•
Eigene Abklärungsinstrumente und „Bewohnernachuntersuchung“, auch in
interdisziplinärer Zusammenarbeit (Pädagogen/Therapeuten) (3 Einrichtungen)
•
Zeitliche Anforderung an die Jugendlichen wird als zu große Belastung eingeschätzt (2
Einrichtungen)
•
Eigene Qualitätserfassung und -entwicklung implementiert (2 Einrichtungen)
•
Skepsis gegenüber MAZ.: Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer statistischen Erfassung
von „Entwicklungsprozessen“; Kritik an fehlender Nachhaltigkeit und Befürchtung,
dass wenig Rückschlüsse möglich sind (2 Einrichtungen)
Art der Einrichtungen
Die an der Studie teilnehmenden Einrichtungen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich
ihrer Größe bzw. der Anzahl der stationären Plätze, sondern auch in der Art des
therapeutischen und pädagogischen Angebots bzw. der Erziehungsmaßnahmen. So nahmen
sowohl Erziehungsheime für schulpflichtige Kinder mit Grundschule als auch
Maßnahmenzentren für straffällige junge Erwachsene teil.
Die Institutionstypologie entspricht der vom BJ vorgenommenen Einteilung. Da in der
Studie nicht alle Institutionstypen vertreten sind (Heim für schulentlassene Jugendliche
ohne internes Beschäftigungs- und Ausbildungsangebot, Untersuchungshaft,
Freiheitsentzug, begleitetes Wohnen), werden diese im Folgenden auch nicht aufgeführt.
Zudem handelt es sich bei einigen Einrichtungen um Kombinationen aus verschiedenen
Institutionstypen; in diesem Fall treten sie bei den Aufzählungen mehrfach auf. 2
Einrichtungen werden nicht vom BJ finanziert (Kategorie „andere/trifft nicht zu“), wurden
jedoch aufgrund ihres großen Interesses an der Studie mit aufgenommen.
32
Methoden
2.4
Beschreibung der verwendeten Verfahren
2.4.1 Erfassung des psychosozialen Funktionsniveaus: Kinder-GAS
(Children’s Global Assessment Scale) / ICD-10, Achse VI
Die Kinder-GAS wurde aus der Global Assessment Scale for Adults entwickelt (Shaffer et
al., 1983) und dient der globalen Erfassung des Grades des Funktionsniveaus bei Kindern
und Jugendlichen. Die Skala zwischen 0 und 100 Punkten beschreibt ein hypothetisches
Kontinuum zwischen Gesundheit und Krankheit und bezieht sich auf
Funktionsbeeinträchtigungen, die als Folge einer psychischen Störung, einer spezifischen
Entwicklungsstörung oder einer intellektuellen Beeinträchtigung entstanden sind. Die
Bewertung bezieht sich auf den letzten Monat. Im Folgenden werden die Skala und ihre
Übersetzung in die Achse VI der ICD-10 beschrieben. Letztere dient ebenfalls der globalen
Beurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus.
100–91 (ICD-10 = 0)
Hervorragende Funktionsfähigkeit
90–81 (ICD-10 = 0)
Gute Funktionsfähigkeit
80–71 (ICD-10 = 1)
Leichte Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit
70–61 (ICD-10 = 2)
Leichte Schwierigkeiten auf einem Gebiet
60–51 (ICD-10 = 3)
Wechselnde Funktionsfähigkeit
50–41 (ICD-10 = 4)
Mäßige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit
40–31 (ICD-10 = 5)
Erhebliche Funktionsbeeinträchtigung
30–21 (ICD-10 = 6)
Funktionsbeeinträchtigung in fast allen Bereichen
20–11 (ICD-10 = 7)
Benötigt erhebliche Beaufsichtigung
10–1
Benötigt ständige Beaufsichtigung (24-Stunden-Pflege)
(ICD-10 = 8)
2.4.2 Erfassung traumatischer Lebensereignisse und der
posttraumatischen Symptombelastung: Das Essener Trauma-Inventar
(ETI)
Das Essener Trauma-Inventar wurde von Tagay et al. (2007) auf der Grundlage von
Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Psychotraumatologie entwickelt (Tagay et al.,
2004, 2005).
Das Inventar ist ein Selbstbeurteilungsverfahren und setzt sich aus 58 Items zusammen, die
aus den Kriterien des DSM-IV für die Posttraumatische Belastungsstörung (Post Traumatic
Stress Disorder, PTSD) und die Akute Belastungsstörung (Acute Stress Disorder, ASD)
abgeleitet sind. Der Fragebogen besteht aus fünf Teilen: Im ersten Teil werden 14
Methoden
33
Traumata vorgegeben, bei denen der Befragte angeben soll, ob er sie entweder
„persönlich“ oder „als Zeuge“ jemals erlebt hat. Als 15. Punkt wird die Möglichkeit
gegeben, noch ein anderes, in der Liste nicht enthaltenes Ereignis kurz zu beschreiben.
Werden mehrere Traumata angegeben, muss anschließend die Nummer desjenigen
Ereignisses genannt werden, das den Befragten am meisten belastet. Im zweiten Teil wird
mit Hilfe von 6 Antwortvorgaben eine zeitliche Einordnung dieses Ereignisses
vorgenommen. Schließlich werden 6 Ja-Nein-Fragen zu den DSM-IV-Stressorkriterien (AKriterien) in Bezug auf dieses Trauma gestellt um festzustellen, ob das „schlimmste
Ereignis“ diese Stressorkriterien erfüllt. Im dritten Teil wird über 23 Items die
posttraumatische Symptomatik erhoben: 5 Items zu Symptomen des Wiedererlebens, 7
Items zum Vermeidungsverhalten, 5 Items zum Hyperarousal und 6 Items zur
Dissoziation. Diese Items entsprechen den verschiedenen Symptomclustern von PTSD und
ASD im DSM-IV. Die Antwortmöglichkeiten zu den Items sind vierfach abgestuft, von
„überhaupt nicht (0)“ bis „sehr oft (3)“ – hohe Werte bedeuten somit eine größere
posttraumatische Symptomatik. Im vierten Teil werden Symptome körperlicher
Beschwerden und die Schwere der aktuellen Gesamtsymptomatik abgefragt; ebenso wird
der zeitliche Rahmen der posttraumatischen Symptomatik spezifiziert. Im fünften Teil
werden über acht Ja-Nein-Fragen Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen und anderen
wichtigen Funktionsbereichen erhoben.
In einer Studie von Tagay et al. (2007) fanden sich für die einzelnen Skalen
Reliabilitätskennwerte zwischen r = .82 und r = .87. Die Gesamtskala (23 Items) wies eine
innere Konsistenz (Chronbachs α) von α = .95 auf. Die 4-Faktoren-Struktur (Intrusion,
Vermeidung, Hyperarousal und Dissoziation) konnte bestätigt werden. Hinweise auf eine
sehr gute Konstruktvalidität zeigten sich durch signifikante Korrelationen des ETI mit
weiteren Traumaskalen und Maßen der psychischen Befindlichkeit.
2.4.3 Erfassung der Delinquenz: Kriminologische Fragen im Selbsturteil
Zur Erhebung des delinquenten Verhaltens der Jugendlichen in der MAZ.-Stichprobe
wurden Fragen aus der Münsteraner Längsschnittstudie zum Dunkelfeld von Delinquenz in
einer Schülerpopulation herangezogen (Boers & Reinecke, 2007), wobei noch drei Fragen
zu sexuellen Delikten sowie weitere 10 Fragen zu Gesetzeswidrigkeiten im Medienbereich
(z. B. Internetraubkopien) hinzugefügt wurden. Die Jugendlichen wurden befragt, ob sie
die jeweiligen Delikte jemals begangen haben. Vor Beantwortung der Fragen wurden sie
darauf hingewiesen, dass ihre Antworten anonym bleiben; die Fragen konnten erst nach
Methoden
34
abgegebener Bestätigung, dass dieser Hinweis gelesen und verstanden wurde, ausgefüllt
werden.
Die kriminologischen Fragen erfassen sowohl leichte Vergehen wie den Konsum von
Gewaltfilmen, Ladendiebstahl oder Sachbeschädigung als auch schwere Delikte wie KfzDiebstahl und Körperverletzung mit und ohne Waffen.
Um eine Einteilung der Jugendlichen aufgrund der von ihnen begangen Delikte vornehmen
zu können, wurde eine bereits bestehende Kategorisierung bezüglich des Schweregrads der
Delikte aus der Münsteraner Längsschnittstudie übernommen und um Kategorien zu
sexuellen Delikten erweitert. Diese Kategorienbildung orientiert sich an einigen
Überlegungen zu Prävalenz und Inzidenz, hauptsächlich jedoch am Strafrahmen, der für
die jeweiligen Delikte im deutschen Strafgesetzbuch bzw. Betäubungsmittelgesetz
festgelegt ist. Die sexuellen Delikte, die in der vorliegenden Stichprobe zusätzlich zu den
anderen Delikten abgefragt wurden, wurden nach Strafrahmen in die jeweiligen Gruppen
eingefügt, woraus sich folgende Deliktklassen ergeben:
•
Leichte Delikte: Graffitisprayen, Sachbeschädigung, Scratching, Ladendiebstahl und
sexuelle Belästigung
•
Mittelschwere Delikte: Körperverletzung ohne Waffen, Zwang zu Prostitution,
Hehlerei, Fahrraddiebstahl und Drogenhandel
•
Schwere Delikte: Automatenaufbruch, Kfz-Aufbruch, Kfz-Diebstahl,
Einbruchsdiebstahl, Körperverletzung mit Waffen, Raub, Handtaschenraub und Zwang
bzw. Nötigung zu sexuellen Handlungen mit jüngeren bzw. gleichaltrigen oder älteren
Opfern
Die Einordnung eines Jugendlichen in eine der beiden Gruppen erfolgt nach dem
„schwersten“ angegebenen Delikt. Wird keines der Delikte angegeben, zählt der
Jugendliche zur Gruppe „keine Delikte“.
2.4.4 Erfassung psychopathischer Merkmale: Youth Psychopathic Traits
Inventory (YPI)
Der YPI ist ein Selbstbeurteilungsverfahren, das zur Messung psychopathischer
Persönlichkeitsmerkmale für Jugendliche ab 12 Jahren entwickelt wurde (Andershed et al.,
2002). Er besteht aus 50 Items, die über eine 4-stufige Skala von „stimmt überhaupt nicht“
bis „stimmt genau“ eingeschätzt werden; jeweils 5 Items bilden eine der 10 folgenden
Subskalen (mit jeweils einem Beispielitem):
Methoden
•
35
Oberflächlicher Charme („Mir fällt es leicht, andere zu beeindrucken und zu verführen,
um das zu bekommen, was ich von ihnen will.“)
•
Grandiosität („Ich bin in fast allem besser als alle anderen.“)
•
Lügen („Manchmal lüge ich, nur weil es Spaß macht.“)
•
Manipulation („Ich kann Leute dazu bringen, mir fast alles zu glauben.“)
•
Hartherzigkeit („Schuld und Bedauern zu empfinden, wenn man etwas falsch gemacht
hat, ist Zeitverschwendung.“)
•
Geringe Emotionalität („Nervös und ängstlich zu sein, ist ein Zeichen von
Schwäche.“)
•
Gefühlskälte („Ich bin oft traurig oder bewegt, wenn ich traurige Dinge im Fernsehen
oder im Kino sehe.“)
•
Reizsuche („Ich bin gerne da, wo aufregende Dinge passieren.“)
•
Impulsivität („Es passiert oft, dass ich zuerst rede und dann nachdenke.“)
•
Verantwortungslosigkeit („Ich bin oft zu spät zur Arbeit oder zur Schule gekommen.“)
Anhand exploratorischer und konfirmatorischer Faktorenanalysen wurden die Subskalen
zu drei Faktoren zusammengefasst, die mit dem theoretischen Wissenstand zu
Psychopathie übereinstimmen und entsprechend benannt wurden (Andershed et al., 2002):
•
Interpersonaler Faktor (Oberflächlicher Charme, Grandiosität, Lügen, Manipulation)
•
Affektiver Faktor (Hartherzigkeit, Geringe Emotionalität, Gefühlskälte)
•
Behavioraler Faktor (Reizsuche, Impulsivität, Verantwortungslosigkeit)
Die internen Konsistenzen der Subskalen (Cronbachs α) reichen von α = .61 bis α = .84;
für die 3 übergeordneten Faktoren wurden Konsistenzen von α = .82 (Interpersonal),
α = .81 (Affektiv) und α = .68 (Behavioral) nachgewiesen (Andershed et al., 2007).
Für die Auswertung kann aus den 3 Oberskalen durch Aufsummierungen der Rohwerte
zudem ein Gesamtwert gebildet werden. Eine Normierung existiert bisher nicht.
Methoden
36
2.4.5 Screening der psychischen Symptombelastung: Massachusetts Youth
Screening Instrument – Second Version (Maysi-2)
Der Maysi-2 ist ein kurzes Screeninginstrument, das entwickelt wurde, um Jugendliche mit
psychischen Belastungen bei Eintritt in den Jugendstrafvollzug zu identifizieren (Grisso et
al., 2001). Es besteht aus 52 Items, die der Jugendliche selbst mit „Ja“ oder „Nein“
beantworten muss – je nachdem, ob die Frage auf ihn in den letzten Monaten zutrifft oder
nicht. Die Items werden 7 Skalen zugeordnet (mit Beispielitem):
•
Alkohol- und Drogengebrauch („Bist du in Schwierigkeiten geraten, als du betrunken
oder high warst?“)
•
Ärgerlich-Reizbar („Hast du dich schnell aufgeregt?“)
•
Depressiv-Ängstlich („Hast du dich die meiste Zeit sehr einsam gefühlt?“)
•
Somatische Beschwerden („Hattest du starke Kopfschmerzen?“)
•
Suizidgedanken („Hattest du das Gefühl, dass das Leben nicht mehr lebenswert sei?“)
•
Denkstörungen („Hast du Dinge gesehen, von denen andere sagen, dass sie nicht
wirklich vorhanden sind?“)
•
Traumatische Erlebnisse („Ist dir in deinem gesamten Leben einmal etwas sehr
Schlimmes oder Schreckliches passiert?“)
Für jede Skala (außer „Traumatische Erlebnisse“) wurden zwei Cut-offs entwickelt, die
eine mögliche klinische Auffälligkeit („Caution“-Cut-off) bzw. ein Ergebnis im deutlich
auffälligen Bereich („Warning“-Cut-off) anzeigen (Grisso et al., 2001). Aufgrund der
Faktorstruktur und der psychometrischen Eigenschaften wurde die Skala „Denkstörungen“
nur für Jungen konzipiert; die Skala „Traumatische Erlebnisse“ besteht aus
geschlechtsspezifischen Items. Bisher existieren nur amerikanische Normen für die
Altersgruppe 12–17 Jahre. Die Normierung des Maysi-2 fand anhand einer großen
amerikanischen Stichprobe (N = 749) im Jugendstrafrechtssystem statt (Grisso & Barnum,
2006).
Die internen Konsistenzen (Cronbachs α) der Subskalen des Maysi-2 liegen zwischen
α = .61 und α = .86; die Retest-Reliabilität der meisten Skalen ist mit r = .73 bis r = .89
zufrieden stellend, für die Skalen „Somatische Beschwerden“, „Ärgerlich-Reizbar“ und
„Denkstörungen“ liegen sie zwischen r = .53 und r = .67 (Grisso et al., 2001). Die
faktorielle Validität ließ sich in derselben Studie nachweisen.
Methoden
37
2.4.6 Erfassung psychiatrischer Diagnosen: Schedule for Affective
Disorders and Schizophrenia for School-Aged Children, Present and
Lifetime Version (Kiddie-SADS-PL)
Bei dem Kiddie-SADS-PL handelt es sich um ein semistrukturiertes diagnostisches
Interview, das der Erfassung gegenwärtiger und zurückliegender Episoden psychischer
Störungen bei Kindern und Jugendlichen nach DSM-III-R und DSM-IV dient (Chambers
et al., 1985). Anhand vorformulierter fakultativer Fragen und obligatorisch zu erfassender
Symptomkriterien können folgende Diagnosen und Störungen erfragt werden:
Major Depression, Dysthymie, Manie, Hypomanie, Zyklothymie, bipolare Störung,
schizoaffektive Störung, Schizophrenie, schizophrenieforme Störung, kurze reaktive
Psychose, Panikstörung, Agoraphobie, Störung mit Trennungsangst, Vermeidungsstörung
im Kindes- und Jugendalter, einfache Phobie, soziale Phobie, Überängstlichkeit,
generalisierte Angststörung, Zwangsstörung, Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung,
Verhaltensstörung, oppositionelles Trotzverhalten, Enuresis, Enkopresis, Anorexia
nervosa, Bulimie, vorübergehende Tic-Störung, Tourette-Syndrom, chronische motorische
oder vokale Tics, Alkoholmissbrauch, Substanzmissbrauch, posttraumatische Stressstörung
und Anpassungsstörung.
Es werden sowohl gegenwärtige Episoden psychischer Störungen als auch die schwerste
Episode in der Vergangenheit beurteilt und codiert. Anhand eines anfänglichen ScreeningInterviews werden zunächst die Hauptsymptome für jede Störung erfragt. Zeigt das Kind
Symptome einer Störung, folgt das jeweilige diagnostische Erweiterungsinterview.
Die Codierung der meisten Items des Kiddie-SADS-PL erfolgt über eine Skala von 0 bis 3.
Eine 0 bedeutet dabei, dass keine Angaben gemacht wurden; eine 1 bedeutet, dass das
Symptom nicht vorhanden ist. Mit einer 2 werden unterschwellige und mit einer 3
überschwellige Symptomausprägungen codiert. Die übrigen Items werden auf einer Skala
von 0 bis 2 eingeschätzt: Die 0 bedeutet „keine Informationen“, die 1 gibt an, dass ein
Symptom nicht vorhanden ist, und mit der 2 wird das Vorhandensein des Symptoms
codiert.
Bei der vorliegenden Studie wurden die Interviews von geschulten Psychologinnen bzw.
von einem Kinder- und Jugendpsychiater und einer Sozialpädagogin durchgeführt.
Methoden
38
2.4.7 Erfassung von Persönlichkeitsstörungen: Strukturiertes klinisches
Interview für DSM-IV, Achse II: Persönlichkeitsstörungen (SKID II)
Das SKID II dient der Diagnostik der auf Achse II sowie der zwei im Anhang des DSM-IV
aufgeführten Persönlichkeitsstörungen: selbstunsichere, dependante, zwanghafte,
negativistische, depressive, paranoide, schizotypische, schizoide, histrionische,
narzisstische und antisoziale Persönlichkeitsstörung sowie Borderlinestörung.
Die Anwendung erfolgt in zwei Stufen: Zuerst wird ein Fragebogen eingesetzt, dessen
Items die Kriterien des DSM-IV repräsentieren und die mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet
werden müssen. Die Items sind sehr allgemein formuliert, so dass für die Erfassung der
Kriterien eine hohe Sensitivität besteht. Im nachfolgenden Interview müssen dann nur noch
diejenigen Fragen gestellt werden, die im Fragebogen mit „Ja“ beantwortet wurden. Auf
einer 3-stufigen Skala von 1 = „Kriterium nicht erfüllt“ bis 3 = „Kriterium erfüllt“ werden
die Kriterien codiert.
Ein „Cut-off“ gibt an, wie viele Kriterien für die jeweilige Persönlichkeitsstörung erfüllt
sein müssen: „Anzahl erfüllt“ enthält die Anzahl der mit „3“ („Kriterium erfüllt“) codierten
Kriterien. Bei der Auswertung zeigt sich anhand des „Cut-off“ und der Anzahl der erfüllten
Kriterien, ob die Diagnose der jeweiligen Persönlichkeitsstörung zu vergeben ist oder nicht
(„Diagnose-Index“). Des Weiteren kann ein dimensionaler Score – der „D-Score“ –
berechnet werden, der sich aus der Summe der Codierungen auf Kriterienebene ergibt.
Bei der vorliegenden Studie wurden die Interviews von geschulten Psychologinnen bzw.
von einem Kinder- und Jugendpsychiater und einer Sozialpädagogin durchgeführt.
2.4.8 Biographische Daten
Die soziodemographischen Daten wurden in einem eigens entwickelten Anamnesebogen
im Fremdurteil durch die Betreuer der Institutionen erfasst. Da den Betreuern oftmals
Informationen zu einzelnen Jugendlichen fehlten bzw. nur lückenhafte Informationen
vorhanden waren, wurde ihnen die Möglichkeit gegeben, einzelne Anamnesebögen notfalls
unvollständig auszufüllen. Aus diesem Grund sind fehlende Werte bei den biographischen
und anamnestischen Daten möglich.
Die Fragen zu „Ursache der Maßnahme“ wurden auf einer Skala von 1 (nicht zutreffend)
bis 4 (zutreffend) erhoben. Für die Stichprobenbeschreibung wurde die Skala
dichotomisiert in „nicht zutreffend“ (Skalenpunkte 1 und 2) sowie „zutreffend“
(Skalenpunkte 2 und 3).
Methoden
39
2.4.9 Fragen zur Zufriedenheit
Die Fragen zur Zufriedenheit wurden von Keller et al. (2003) entwickelt: In 5 Fragen wird
der Jugendliche nach seiner Zufriedenheit mit der Maßnahme befragt, 2 weitere Fragen
dienen der Einschätzung der Zufriedenheit des Jugendlichen durch den Betreuer. Die
Einschätzungen findet auf einer 5-stufigen Skala von „stimmt nicht“ (1) bis „stimmt
vollkommen“ (5) statt.
2.5
Datenaufbereitung und statistische Verfahren
Die statistische Datenauswertung erfolgte mit Hilfe der Software-Programmpakete SPSS
(Statistical Package for Social Sciences – Version 16.0) und Latent GOLD (Version 4.5).
Nach Plausibilitätsprüfung wurden die Rohdaten aus den eingesetzten Fragebögen anhand
der Normwerte in Standardwerte überführt.
2.5.1 Deskriptive Statistiken und Mittelwertsvergleiche
Neben deskriptiven Statistiken (Mittelwerte, Standardabweichungen,
Häufigkeitsverteilungen) wurden Mittelwertsvergleiche zwischen Gruppen mit t-Tests für
unabhängige Stichproben durchgeführt. Zur Überprüfung von Gruppenunterschieden in der
Verteilung von nominalskalierten Variablen wurdenχ²-Tests eingesetzt. Bei allen Analysen
wurde ein zweiseitiges Signifikanzniveau von 5 % zugrunde gelegt, bei multiplen Tests
wurden zudem Alpha-Korrekturen nach Bonferroni durchgeführt. Bei Varianzanalysen
wurde im Falle nicht homogener Varianzen der Welch-Test und bei Post-HocMehrfachvergleichen der Tamhane-T2 eingesetzt.χ²-Tests wurden bis zu einer erwarteten
Zellenbesetzung von mindestens 20 % ausgewertet, bei geringeren Zellenbesetzungen
wurde der Exakte Test nach Fisher verwendet. Bei schiefen Verteilungen wurden
nonparametrische Tests (Mann-Whitney-U-Test bei zwei Stichproben, Kruskal-WallisTest bei mehr als zwei Stichproben) gerechnet.
Zum Vergleich der gebildeten „Trauma-Klassen“ wurden (je nach Skalenniveau der
Variablen) Varianzanalysen, Chi-Quadrat-Tests sowie nichtparametrische Tests (KruskalWallis-Test) eingesetzt.
2.5.2 Latente Klassenanalyse
Eine Latente Klassenanalyse (Latent Class Analysis (LCA)) (McCutcheon, 1987; Vermunt
& Magidson, 2002) wurde mit Hilfe der Software Latent GOLD (Version 4.5) (Vermunt &
Magidson, 2000) durchgeführt um zu testen, ob sich in der Stichprobe Klassen von
Methoden
40
Teilnehmern mit ähnlichen Profilen traumatischer Erlebnisse finden.
Der Latenten Klassenanalyse liegt die Annahme zugrunde, dass Personen aufgrund einer
unbeobachteten (latenten) Variablen ähnliche Profile im Hinblick auf kategoriale
Indikatoren aufweisen und somit zu Klassen zusammengefasst werden können. In der
vorliegenden Studie wurde mithilfe der Latenten Klassenanalyse die Hypothese getestet,
dass sich auf Basis ähnlicher „Traumaprofile“ Gruppen von Teilnehmern bilden lassen.
Dafür wurden die im ETI (Essener Trauma-Inventar, siehe Kap. 2.4.2) erhobenen 12
traumatischen Erlebnisse, die mit „Ja“ (erlebt) bzw. „Nein“ (nicht erlebt) beantwortet
wurden, in die Analyse einbezogen. Die Latente Klassenanalyse berechnet über die
Maximum-Likelihood-Schätzung zwei Parameter: Die Prozentanteile der Personen, die
den jeweiligen Klassen zugeordnet werden, sowie die Wahrscheinlichkeiten dafür, dass ein
Item von den Personen innerhalb einer Klasse mit „Ja“ beantwortet wird (McCutcheon,
2002).
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, das Modell mit der besten Anpassung und der
größten Sparsamkeit zu identifizieren. Dafür wurden 1- bis 4-Klassen-Modelle für die 10
Trauma-Items berechnet und anhand verschiedener Parameter hinsichtlich ihrer
Modellpassung und ihrer theoretischen Aussagefähigkeit verglichen. Folgende Parameter
wurden dabei verwendet: Bayesian Information Criterion (BIC, Schwarz, 1978), und
Bozdogan’s CAIC (Consistent Akaike's Information Criterion, Bozdogan, 1987).
2.6
Studienteilnahme
Es konnten nur diejenigen Teilnehmer, die das Essener Trauma-Inventar (ETI) ausgefüllt
hatten, in die Berechnungen einbezogen werden. Daher mussten 84 Jugendliche von den
Analysen ausgeschlossen werden. Aufgrund der generell bei Mädchen früher einsetzenden
Pubertätsentwicklung wurden 2 Mädchen im Alter von 8 Jahren sowie 2 Mädchen im Alter
von 9 Jahren angesichts ihres Entwicklungsstandes in die Stichprobe mit aufgenommen.
Männliche Teilnehmer mussten dagegen das Aufnahmekriterium „Mindestalter 10“
erfüllen. Insgesamt wurden 245 Jugendliche in die allgemeinen Auswertungen
aufgenommen.
41
Methoden
Latente Klassenanalyse
Für die Latente Klassenanalyse wurden weitere Teilnehmer ausgeschlossen. Das
Flussdiagramm (Abbildung 1) gibt einen Überblick über die Anzahl der Studienteilnehmer
329 Jugendliche aus insgesamt 31 Einrichtungen rekrutiert
Ausgeschlossen: 84 Jugendliche (ETI nicht ausgefüllt)
Ausgeschlossen: 5 Jugendliche, da
über 20 Jahre alt
Ausgeschlossen: 11
Jugendliche, die ausschließlich
eines der Ereignisse 10, 11 oder
15 angegeben haben
Weitere
Ausschlüsse für
die Latente
Klassenanalyse
Ausgeschlossen: 19 Jugendliche, da in
Maßnahmezentrum
Ausgeschlossen: 2
Jugendliche, da nur 11 der
12 ETI-Items beantwortet
208 Jugendliche
werden in die
Bildung der
Traumaklassen
eingeschlossen
Ab b i l d u n g 1 : F l u s s d i a g r a m m d e r e i n g e s c h l o s s e n e n F a l l z a h l e n
und die Selektion für die Bildung der Trauma-Klassen. Da in den Institutionstyp
„Maßnahmezentrum“ ausschließlich männliche junge Erwachsene über 18 Jahre mit
strafrechtlicher Einweisung aufgenommen werden, wurden dieser bei der Klassenbildung
nicht berücksichtigt, um entsprechende Verzerrungen zu vermeiden. Damit waren in der
Stichprobe nur noch 5 Jugendliche über 20 vertreten, die ebenfalls ausgeschlossen wurden,
um die Altersverteilung homogener zu gestalten und den Altersbereich einzugrenzen. Das
ETI gibt bei 14 Items vordefinierte belastende Lebensereignisse vor, bei Item 15 haben die
Teilnehmer die Möglichkeit, ein „anderes belastendes Ereignis“ selbst zu beschreiben. Um
Methoden
42
die Jugendlichen in ihren Angaben vergleichen zu können, wurden in die Bildung der
Trauma-Klassen nur diejenigen mit aufgenommen, die eines der ETI-Items 1 bis 9 und 12
beantwortet hatten – in diesen Items werden eindeutige traumatische Ereignisse
vorgegeben. Die Items 13 („als Erwachsener sexueller Angriff durch fremde Person“) und
14 („als Erwachsener sexueller Angriff durch jemanden aus dem Familien- oder
Bekanntenkreis“) wurden in der ausgewählten Stichprobe aufgrund des Altersbereiches
ausgeschlossen; zudem wurden diese Items von keinem Teilnehmer mit „ja“ beantwortet.
Weiterhin wurden die Items 10 („Kampfeinsatz im Krieg oder Aufenthalt im
Kriegsgebiet“) und 11 („Folter“) nicht in die Latente Klassenanalyse mit aufgenommen, da
nur sehr wenige Jugendliche bei diesen Items „Ja“ angekreuzt hatten, weshalb sie für die
Differenzierung der Klassen keine Rolle spielten. Weitere10 Jugendliche wurden aus den
Auswertungen ausgeschlossen, das sie zwar ein „anderes belastendes Ereignis“
beschreiben, jedoch keines der Items 1 bis 9 und 12 mit „Ja“ beantwortet hatten. Ein
Jugendlicher, der zwar bei Item 10, jedoch bei keinem anderen Item „Ja“ angegeben hatte,
wurde ebenfalls ausgeschlossen. Weitere 2 Jugendliche konnten ebenfalls nicht
aufgenommen werden, da sie jeweils nur 9 der 10 Items beantwortet hatten; bei der
Klassenanalyse ist jedoch das Profil über die 10 Items hinweg interessant. Insgesamt
wurden somit 208 Jugendliche in die Latente Klassenanalyse aufgenommen.
43
Ergebnisse
3 Ergebnisse
3.1
Allgemeine Stichprobenbeschreibung
3.1.1 Soziodemographische Merkmale
Von den 245 Jugendlichen, die das ETI ausgefüllt haben, sind über ein Viertel weiblich
(N = 64, 26 %). Der Altersbereich reicht von 8 bis 25 Jahre mit einem Mittelwert von
16,84 Jahren (SD = 2,83); Jungen (MW = 17,3, SD = 2,7) und Mädchen (MW = 15,4,
SD = 2,6) unterscheiden sich in ihrem durchschnittlichen Alter signifikant voneinander
(t = 4,91 (243), p <= 0,000).
30%
25%
männlich
(N= 181)
20%
15%
weiblich
(N= 64)
10%
5%
0%
8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
Ab b i l d u n g 2 : A l t e r s v e r t e i l u n g n a c h G e s c h l e c h t
In Abbildung 2 wird deutlich, dass dieser Unterschied auf die im Altersbereich über 20
Jahre unterrepräsentierten weiblichen Teilnehmer zurückzuführen ist. Die meisten
männlichen Teilnehmer in diesem Altersbereich stammen aus Maßnahmezentren, in denen
ausschließlich junge männliche Erwachsene mit strafrechtlicher Einweisung untergebracht
sind. Eine entsprechende Einrichtung für junge Frauen existiert in der Deutschschweiz
bisher nicht. In Tabelle 2 sind die wichtigsten soziodemographischen Merkmale
dargestellt.
44
Ergebnisse
Tabelle 2: Soziodemographische Merkmale
Soziodemographische Merkmale
(N = 245)
N
%
männlich
weiblich
181
64
73,9
26,1
8 – 13
14 – 15
16 – 17
18 – 20
älter als 20
21
69
81
58
16
8,6
28,2
33,1
23,7
6,5
31
55
34
12,7
22,4
13,9
105
42,9
19
7,8
1
0,4
64
27,4
M
SD
96,19
14,4
Geschlecht
Alter
Institution
Durchgangs-/Beobachtungsheim
Erziehungsheim (mit Grundschule)
Erziehungsheim (ohne Grundschule)
Erziehungsheim (schulentl. Jgdl.
mit internem Beschäftigungs-/
Ausbildungsangebot
Maßnahmenzentrum
andere
Ausländerstatus
IQ (N = 219)
Der mittlere Intelligenzquotient (IQ) in der Stichprobe liegt mit 96,19 signifikant unter
dem Bevölkerungsdurchschnitt (MW = 100) (t = -3,92 (218), p <= 0,000); zwischen den
verschiedenen Institutionstypen und den Geschlechtern ergaben sich keine Unterschiede
im mittleren IQ. Genauere Analysen zeigen, dass ein größerer Anteil der Teilnehmer im
unterdurchschnittlichen Intelligenzbereich (18 %) sowie im Bereich der Debilität (3 %)
liegt als in der Allgemeinbevölkerung (14 % bzw. 2 %). Es fällt auf, dass der Anteil der
Jugendlichen im weit überdurchschnittlichen Intelligenzbereich (2,7 %) über dem der
Allgemeinbevölkerung (2 %) liegt.
Etwas mehr als ein Viertel der Jugendlichen hat einen Ausländerstatus, der damit unter
dem Durchschnitt der Angaben des Bundesamts für Statistik in der Schweiz für Personen
mit Jugendstrafurteil (30,3 %; Bundesamt für Statistik Schweiz, 2008) liegt.
45
Ergebnisse
Familiäre Situation
Knapp 64 % (N = 169) der Teilnehmer stammen aus Familien, deren Eltern geschieden
bzw. getrennt sind. Nur in ca. einem Viertel der Fälle sind die Eltern verheiratet bzw. leben
unverheiratet zusammen. Dennoch ist fast die Hälfte (47 %) der Jugendlichen bei beiden
Eltern aufgewachsen (Tabelle 3). Das Sorgerecht bis zur Volljährigkeit der Teilnehmer lag
zum Zeitpunkt der Erhebung zu 50 % bei der Kindsmutter.
Tabelle 3: Familiäre Situation
Familiäre Situation (N = 243)
N
%
67
27,6
155
63,8
17
7
Tod beider Elternteile
3
1,2
unbekannt
1
0,4
Eltern
114
46,9
Mutter
86
35,4
Vater
11
4,5
4
1,6
13
5,3
Heim
6
2,5
anderes
9
3,7
beiden Eltern
74
30,2
Vater
15
7,8
122
49,8
27
11
2
0,8
Eltern verheiratet/ unverheiratet
zusammen lebend
Eltern getrennt lebend/ geschieden
Tod eines Elternteils
Aufgewachsen bei
Pflegefamilie
Verwandte/ Bekannte
Sorgerecht bei
Mutter
Vormund
unbekannt
Die Daten zu familiären Auffälligkeiten (Tabelle 4) sind insgesamt sehr unvollständig.
Neben einem großen Anteil an fehlenden Werten, gaben die Betreuer in vielen Fällen (40 –
60 %) an, dass entsprechende Informationen über den Jugendlichen „nicht bekannt“ seien.
Häufiger konnten Aussagen über die Mutter gemacht werden als über den Vater oder die
46
Ergebnisse
Geschwister. So war bei 28 % (N = 32) der Jugendlichen, über die Angaben vorliegen,
dem Betreuer eine Suchterkrankung der Mutter sowie bei 35 % (N = 41) eine
psychiatrische Auffälligkeit der Mutter bekannt. Während nur bei 2 Teilnehmern (2 %)
eine bekannte Delinquenz der Mutter angegeben wurde, wussten die Betreuer in 22 Fällen
(19 %) von einer Delinquenz des Vaters.
Tabelle 4: Familiäre Auffälligkeiten
Familiäre Auffälligkeiten (N = 116)
N
%
nicht bekannt
Suchterkrankung
Delinquenz
Inhaftierung
Psychiatrische Auffälligkeit
40
22
16
16
34,5
19
13,8
15
50 (43,1 %)
58 (50 %)
61 (52,6 %)
69 (59,5 %)
Stationäre Behandlung wegen
psychiatrischer Auffälligkeit
6
5,2
72 (62,1 %)
Suchterkrankung
Delinquenz
Inhaftierung
Psychiatrische Auffälligkeit
32
2
1
41
27,6
1,7
0,9
35,3
41 (35,3 %)
52 (44,8 %)
46 (39,7 %)
42 (36,2 %)
Stationäre Behandlung wegen
psychiatrischer Auffälligkeit
18
15,5
46 (39,7 %)
8
20
14
6,9
17,2
12,1
59 (50,9 %)
52 (44,8 %)
58 (50 %)
Vater
Mutter
Geschwister
Suchterkrankung
Delinquenz
Psychiatrische Auffälligkeit
Schule und Ausbildung
Laut Angaben der Betreuungspersonen bilden die Jugendlichen mit Realschulbesuch
(28 %) bzw. in Berufslehre (23 %) die größten Anteile in der Stichprobe; nur 3 Jugendliche
(1 %) besuchen aktuell das Gymnasium (Abbildung 3).
47
Ergebnisse
4%
1%
Realschule
9%
Sekundarschule
28%
Gymnasium
Anlehre
15%
Berufslehre
Internat
Heiminterne Schule
0%
kein Schulbesuch
13%
andere
1%
23%
unbekannt
6%
Ab b i l d u n g 3 : A k t u e l l e r S c h u l b e s u c h
Ca. 9 % der Teilnehmer besucht aktuell keine Schule bzw. befindet sich auch in keiner
Ausbildung oder Lehre. Dreiviertel haben bereits mindestens einen Schulwechsel hinter
sich, für den in 51 % der Fälle disziplinarische Probleme verantwortlich waren (Tabelle 5).
Tabelle 5: Gründe für Schulwechsel
Gründe für Schulwechsel (N = 238)
mind. einen Schulwechsel
Disziplinarische Probleme
Wohnortwechsel
Schulleistungen
3.2
N
%
182
93
62
26
76,5
51,4
34,3
14,4
Aktuelle stationäre Maßnahme
Knapp ein Drittel der Jugendlichen in der vorliegenden Stichprobe hat einen
strafrechtlichen Einweisungshintergrund in die jeweilige Institution. Die meisten der
zivilrechtlichen Einweisungen (48 %) stellen Erziehungsbeistandschaften nach
schweizerischem ZGB Art. 308 dar (Tabelle 6). 43 % der Teilnehmer (N = 105) ist in
einem Erziehungsheim für schulentlassene Jugendliche mit internem Beschäftigungs/Ausbildungsangebot untergebracht; insgesamt 19 junge Erwachsene (8 %) leben in einem
Maßnahmenzentrum (Tabelle 2). Das durchschnittliche Alter zu Beginn der jetzigen
Maßnahme liegt bei ca. 15 Jahren (SD = 2,9).
48
Ergebnisse
Tabelle 6: Einweisungshintergrund
Einweisungshintergrund (N = 241)
N
%
Zivilrechtlich insgesamt
ZGB Art. 307, Abs. 1-3 (Kindesschutz, geeignete
Maßnahme)
115
47,7
8
3,3
ZGB Art. 308, Abs. 3 (Erziehungsbeistandschaft)
50
20,7
ZGB Art. 310 (Aufhebung der elterlichen Obhut)
46
19,1
ZGB Art. 314a (Bei fürsorglichem Freiheitsentzug)
5
2,1
5
2,1
1
0,4
75
30,1
10
4,1
aStGB Art. 91 (Erziehungsmaßnahmen für
Jugendliche, altes Jugendstrafrecht)
26
10,8
aStGB Art. 100 (Einweisung in eine
Arbeitserziehungsanstalt, altes Jugendstrafrecht)
8
3,3
JStG Art. 15 (Unterbringung, gemäß neuem
Jugendstrafrecht)
21
8,7
JStG Art. 61 (Einweisung in ein Maßnahmezentrum,
gemäß neuem Strafrecht)
10
4,1
Andere
51
21,2
ZGB Art. 405a (Bei fürsorglichem Freiheitsentzug
bei Vormundschaft)
ZGB Art. 406 (Bei Entmündigung)
Strafrechtlich insgesamt
aStGB Art. 84 (Erziehungsmaßnahmen für Kinder,
altes Jugendstrafrecht)
Ursache der Maßnahme
Als Maßnahmen-Ursachen werden von den Betreuern am häufigsten „Überforderung der
elterlichen Bezugspersonen“ (93 %) sowie „Verhaltensauffälligkeiten des Jugendlichen“
(88 %) angegeben. Bei knapp 60 % der Jugendlichen spielte „Delinquentes Verhalten“
eine Rolle bei der Entscheidung für eine Maßnahme; nur in 11 bzw. 3 Fällen wurde eine
„Körperliche Beeinträchtigung“ bzw. eine „Körperliche Behinderung“ als Grund für die
Einweisung genannt (Tabelle 7).
Tabelle 7: Ursachen der aktuellen Maßnahmen
Maßnahmen-Ursache (N = 221)
Elterliche Bezugspersonen scheinen
überfordert
Soziale oder finanzielle Probleme der
Herkunftsfamilie
N
%
unbekannt
206
93,2
4 (1,8 %)
121
54,8
14 (6,3 %)
49
Ergebnisse
Körperliche Erkrankung in der
Herkunftsfamilie
Suchproblematik oder psychische
Erkrankung der Eltern/Bezugsperson
41
18,6
45 (20,4 %)
98
44,3
39 (17,6 %)
181
81,9
10 (4,5 %)
69
31,2
37 (16,7 %)
11
3
5
1,2
24 (10,9 %)
18 (8,1 %)
61
27,6
30 (13,6 %)
Schulische/berufliche Leistungsprobleme
160
72,4
2 (0,9 %)
Verhaltensauffälligkeiten des Jugendlichen
194
87,8
2 (0,9 %)
Delinquentes Verhalten des Jugendlichen
131
59,3
6 (2,7 %)
Konflikthafte Eltern-Kind-Interaktion
Vernachlässigung oder Missachtung
kindlicher Bedürfnisse
Körperliche Beeinträchtigung
Körperliche Behinderung
Kinder- und jugendpsychiatrische
Symptomatik ADHS
Lebenssituation vor der Maßnahme und vorherige Fremdunterbringungen
Über die Hälfte (54 %) der teilnehmenden Jugendlichen lebte vor Beginn der Maßnahme
bei den Eltern, während 23 % in einem anderen Heim untergebracht worden waren. 19
Jugendliche (8 %) befanden sich vor der jetzigen Maßnahme in der Kinder- und
Jugendpsychiatrie bzw. in der Psychiatrie.
Tabelle 8: Lebenssituation vor der Maßnahme
Lebenssituation vor der Maßnahme
(N = 243)
N
%
132
7
54,3
2,9
2
0,8
Pflegefamilie
14
5,8
Heim/ betreute Wohnform
55
22,6
Kinder- und Jugendpsychiatrie
18
7,4
Psychiatrie
1
0,4
Untersuchungshaft
4
1,6
ohne festen Wohnsitz
1
0,4
andere
9
3,7
117
47,8
69
29
Eltern
Verwandte/Bekannte
eigene Wohnung
vorherige Fremdunterbringung
vorherige Fremdunterbringung > 1
Knapp die Hälfte (48 %) der Teilnehmer hat laut Angaben der Heimbetreuer bereits eine
50
Ergebnisse
vorherige Fremdunterbringung hinter sich; ca. 29 % sind mehr als einmal vor der jetzigen
Maßnahme stationär untergebracht worden (Tabelle 8).
Delikte
Im Anamnesebogen wurden die Betreuer nach begangenen Delikten – benannt wie im
Strafregister – der teilnehmenden Jugendlichen befragt. Für 239 Jugendliche konnten die
Fragen nach einem Delikt beantwortet werden, bei 6 Jugendlichen sind die Antworten
fehlend. Bei 130 (54 %) Jugendlichen wurde vom ausfüllenden Betreuer ein Delikt nach
Strafregister angegeben. Am häufigsten wurden dabei strafbare Handlungen gegen das
Vermögen (38 %) – insbesondere Diebstahl (29 %) – Verstöße gegen das
Betäubungsmittelgesetz (29 %) oder strafbare Handlungen gegen die Freiheit (17 %)
bejaht (Tabelle 9). Zwei Jugendliche wurden wegen vorsätzlicher Tötung, 1 Jugendlicher
wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. 81 % (N = 105) der 130 Jugendlichen mit Delikt
haben mehrere unterschiedliche Delikte begangen, 95 % (N = 124) sind insgesamt mehr als
einmal straffällig geworden. Das angegebene Alter bei erstem Delikt liegt durchschnittlich
bei 14,6 (SD = 2,15) und reicht von 6 bis 20 Jahren. Geschlechtsunterschiede sind
ebenfalls in Tabelle 9 dargestellt.
Tabelle 9: Begangene Delikte (Einteilung nach Strafregister)
N
(Total)
%
Jungen
(N = 176)
%
Mädchen
(N = 63)
%
χ² (df), p
41
17,2
22,2
3,2
11,8 (1),
0,001**
Drohung
Nötigung
Freiheitsberaubung und
Entführung
Hausfriedensbruch
Strafbare Handlung gegen das
Vermögen
Unrechtmäßige Aneignung
Veruntreuung
Raub
Diebstahl
28
15
11,7
6,3
14,8
8
3,2
1,6
0
0
0
0
22
9,2
12,5
0
90
37,7
44,3
19
37
2
29
69
15,5
0,8
12,1
28,9
18,8
1,1
15,9
33
6,3
0
1,6
17,5
Sachbeschädigung
54
22,6
27,3
9,5
Erpressung
8
3,3
4,5
0
Betrug
8
3,3
3,4
3,2
Hehlerei
7
2,9
4
0
Delikte (N = 239)
Strafbare Handlung gegen die
Freiheit
12,6 (1),
0,000**
51
Ergebnisse
Strafbare Handlung gegen die
Ehre
16
6,7
8
3,2
Beschimpfung
Gemeingefährliche Verbrechen
und Vergehen
Brandstiftung
Strafbare Handlung gegen die
sexuelle Integrität
Sexuelle Nötigung
16
6,7
8
3,2
9
3,8
4,5
1,6
10
3,8
4,5
1,6
17
7,1
9,7
0
10
4,2
5,7
0
Sexuelle Belästigung
10
4,2
5,7
0
Sexuelle Handlung mit Kindern
7
2,9
4
0
Versuchte Vergewaltigung
3
1,2
1,7
0
Vergewaltigung
Strafbare Handlung gegen Leib
und Leben
Vorsätzliche Tötung
0
0
0
0
33
13,8
16,5
6,3
2
0,8
1,1
0
Mord
0
0
0
0
Totschlag
0
0
0
0
Fahrlässige Tötung
1
0,4
0,6
0
Einfache Körperverletzung
16
6,7
8
3,2
Schwere Körperverletzung
8
3,3
4
1,6
Fahrlässige Körperverletzung
5
2,1
2,3
1,6
Tätlichkeiten
21
8,8
10,2
4,8
Raufhandel
9
3,8
5,1
0
Angriff
11
4,6
5,1
3,2
4
1,7
1,1
3,2
68
28,5
29
27
68
28,5
29
27
15
6,3
8
1,6
32
13,4
17
3,2
20
8,4
10,8
1,6
Fahren in fahrunfähigem Zustand
12
5
6,2
1,6
Entwendung zum Gebrauch
Fahren ohne Führerausweis oder
trotz Entzug
23
9,6
11,9
3,2
25
10,5
13,1
3,2
Irreführung der Rechtspflege
Verstoß gegen das
Betäubungsmittelgesetz
Konsum von Betäubungsmitteln
Handel mit Betäubungsmitteln
Verstoß gegen das
Straßenverkehrsgesetz
Verletzung der Verkehrsregeln
a Mindestens 25 % der Zellen haben eine erwartete Häufigkeit kleiner 5.
a
a
a
3,6 (1),
0,059
a
0,2 (1),
0,763
7,7 (1),
0,006*
52
Ergebnisse
Aufgrund der Annahme von 5 Tests muss hier streng genommen von einem korrigierten
Signifikanzniveau von p < 0,01 ausgegangen, unter dem die in Tabelle 9 dargestellten
Unterschiede signifikant bleiben.
Prognose
Befragt nach der Prognose der gesamten Maßnahme für den einzelnen Jugendlichen zeigt
sich der Großteil der Betreuer optimistisch (Abbildung 4). Bei 65 % der teilnehmenden
Jugendlichen ist der jeweilige Betreuer der Meinung, dass die Prognose mindestens „eher
gut“ ausfällt.
0%
8%
1%
5%
9%
sehr schlecht
0% 2%
4%
schlecht
29%
eher schlecht
20%
mittel
34%
40%
eher gut
gut
23%
sehr gut
25%
Ab b i l d u n g 4 : P r o g n o s e d e r M a ß n a h m e i n s g e s a m t ( l i n k e D a r s t e l l u n g ) s o w i e
Legalprognose (rechte Darstellung) nach Einschätzung der Betreuer
Nur in 6 % der Fälle ist der Betreuer der Annahme, dass die Prognose „eher schlecht“ oder
„schlecht“ ist. Ein ähnliches Bild, wenn auch etwas verhaltener, zeigt sich bei der
Legalprognose. Für 53 % der Teilnehmer wird diese als mindestens „eher gut“, nur für
knapp 6 % als „eher schlecht“ und schlechter eingeschätzt.
Alters- und Geschlechtseffekte fanden sich nicht.
Zufriedenheit
Die Auswertung der Fragen zur Zufriedenheit mit der Maßnahme zeigt, dass die
Teilnehmer auf der Skala von 1 („stimmt nicht“) bis 5 („stimmt vollkommen“) ihre
Zufriedenheit mit mittleren Werten von 3,2 bis 3,6 einschätzen. Das gleiche gilt für die
Beurteilung durch die Betreuer (Tabelle 10).
53
Ergebnisse
Tabelle 10: Zufriedenheit m it der Maßnahm e im Frem d- und Selbsturteil
M
SD
Jungen
(N = 172)
M (SD)
Mädchen
(N = 64)
M (SD)
Zufriedenheit insgesamt
3,59
1,1
3,63 (1,1)
3,47 (1,1)
Konnte Dinge mitgestalten/
mitbestimmen
3,38
1,1
3,33 (1,1)
3,5 (0,8)
Fühlte sich ernst genommen
3,57
1,2
3,62 (1,2)
3,42 (1,1)
Zufriedenheit (N = 236)
t (df), p
Selbstbeurteilung
1,1 (234),
0,292
-1,3 (234),
0,209
1,2 (234),
0,236
Fühlte sich über Maßnahme
informiert
Sinnvoll, weiterhin in der
Einrichtung zu bleiben
Fremdbeurteilung
3,5
1,2
3,5 (1,2)
3,5 (1)
0 (234), 1
3,15
1,5
3,29 (1,5)
2,77 (1,5)
2,4 (234),
0,018*
Wirkt zufrieden mit sich
3,29
1
3,42 (1)
2,92 (0,9)
Ist motiviert, in der Einrichtung
zu bleiben
3,46
1
3,49 (1)
3,35 (1)
3,5 (233),
0,001**
0,9 (233),
0,358
Ein Geschlechtervergleich verdeutlicht, dass die Mädchen es durchschnittlich für
signifikant weniger sinnvoll halten, weiterhin in der jeweiligen Institution zu bleiben als
die Jungen (t = 2,4 (234), p = 0,018). Weiterhin beurteilen die Betreuer die weiblichen
Teilnehmer im Mittel als signifikant weniger zufrieden mit sich als die männlichen
Jugendlichen (t = 3,5 (233), p < 0,001). Es muss allerdings bedacht werden, dass diese
Ergebnisse exploratorisch sind. Aufgrund der Annahme von 7 Tests muss hier streng
genommen von einem korrigierten Signifikanzniveau von p < 0,007 ausgegangen werden
(siehe sowohl fett als auch mit Sternchen markierte Wahrscheinlichkeiten), unter dem nur
der Geschlechtsunterschied bezüglich des Items „Wirkt zufrieden mit sich“ signifikant
wird.
Alterseffekte fanden sich nicht.
3.3
Kinder-
und
jugendpsychiatrischer
bzw.
psychotherapeutischer
Behandlungsstatus
Die Frage nach einer aktuellen kinder- und jugendpsychiatrischen bzw. –
psychotherapeutischen Behandlung wurde für 62 % der Teilnehmer bejaht (Tabelle 11).
40 % dieser Behandlungen werden intern in der jeweiligen Institution durchgeführt. Es
zeigt sich, dass von denjenigen Jugendlichen, die keine aktuelle Behandlung bekommen,
54
Ergebnisse
der Großteil (88 %) bereits eine Therapie abgebrochen hat. Werden diese Zahlen der
Einschätzung der Heimbetreuer gegenübergestellt, ob sie den entsprechenden Jugendlichen
für behandlungsbedürftig halten, finden sich große Differenzen (Tabelle 11).
T abelle 11: Ak tueller k inder- und jugendpsyc hiatrischer/
p s yc h o t h e r a p e u t i s c h e r B e h a n d l u n g s s t a t u s
Behandlungsstatus
N (%)
N
%
9
3,7
2
0,8
80
33,1
60
24,8
extern, bei
niedergel.
Kinder- und
JugPsych/
Psychoth.
91
37,6
1 Med.
23
9,4
2 Med.
8
3,3
3 Med.
4
1,6
5 Med.
1
0,4
Aktuelle kinder- und
jugendpsychiatrische Behandlung
(N = 242)
Nein
Ja
91 (37,6)
151 (62,4)
Keine
installiert
Therapie
regulär
beendet
Therapie
abgebrochen
intern
Halten Sie den Jugendlichen für
kinder- und jugendpsychiatr./
psychotherapeutisch
behandlungsbedürftig? (N = 239)
Nein
79 (33,1)
Ja
160 (66,9)
Nein
209 (85,3)
Ja
36 (14,7)
Aktuelle medikamentöse
Behandlung (N = 245)
Insgesamt werden 160 Jugendliche für behandlungsbedürftig eingestuft, von diesen
erhalten aktuell jedoch nur 79 (49 %) tatsächlich eine Behandlung. Dagegen werden 70
(89 %) der Jugendlichen behandelt, die nach Auffassung der jeweiligen Betreuungsperson
nicht behandlungsbedürftig sind.
Eine aktuelle medikamentöse Behandlung erhalten insgesamt nur 36 (15 %) Teilnehmer.
Von diesen nehmen 36 % mehr als ein Medikament, 1 Jugendlicher wird aktuell sogar mit
55
Ergebnisse
5 verschiedenen Medikamenten behandelt. 15 Jugendliche mit medikamentöser
Behandlung erhalten zusätzlich eine kinder- und jugendpsychiatrische bzw. –
psychotherapeutische Behandlung.
3.4
Psychische Symptombelastung – Ergebnisse des Maysi-2
Im Selbstbeurteilungsverfahren Maysi-2 beschreiben die Jugendlichen der Stichprobe sich
insgesamt als sehr belastet. Werden die auf der amerikanischen Normstichprobe
(straffällige Jugendliche in Haft) beruhenden Cut-offs angelegt, zeigt sich in allen Skalen,
dass ein Großteil der Jugendlichen im klinisch auffälligen „Caution“-Bereich oder sogar
im „Warning“-Bereich liegt. Letzterer gibt an, ob sich ein Teilnehmer mit seinem
Skalenwert im Bereich der 10 % auffälligsten Jugendlichen der Normstichprobe befindet.
72 % derjenigen, die den Maysi-2 ausgefüllt haben, sind in mindestens einer Maysi-Skala
auffällig. Der größte Anteil über dem Caution-Cutoff zeigt sich mit 45 % in der Skala
„Ärgerlich-Reizbar“.
Tabelle 12: Mittelwerte sowie Anteile der Jugendlichen im auffälligen Bereich
j e n a c h S u b s k a l a d e s M a ys i - 2
Maysi (N = 234)
Caution Cut-off Warning Cut-off
(%)
(%)
M
SD
Alkohol –Drogengebrauch
(AD)
2,83
2,9
36,3 ≥ 4
17,5 ≥ 6
Ärgerlich – Reizbar (ÄR)
4,08
2,7
44,9 ≥ 5
12,8 ≥ 8
Depressiv – Ängstlich (DÄ)
2,37
2,3
37,6 ≥ 3
11,1 ≥ 6
Somatische Beschwerden (SB)
1,57
1,5
23,9 ≥ 3
2,1 ≥ 6
Suizidgedanken (SG)
1,46
1,8
38,9 ≥ 2
26,9 ≥ 3
Denkstörungen (nur Jungen)
(DS)
0,66
1,1
36,8 ≥ 1
4,1 ≥ 2
Traumatische Erlebnisse (TE)
2,16
1,5
Mindestens 1 Skala auffällig
keine Cut-offs
72,2
38,9
In allen anderen Skalen findet sich ein Anteil von 24 bis 39 % auffälliger Teilnehmer.
Diese Ergebnisse liegen in den meisten Skalen leicht höher als in der amerikanischen
Normstichprobe; insbesondere der große Anteil an Jugendlichen mit auffälligen Werten in
der Skala „Suizidgedanken“ (39 %) ist bemerkenswert, bei den weiblichen Teilnehmern
liegt dieser Anteil sogar bei 57 % (im Vergleich die weibliche amerikanische
Normstichprobe: 35 %). Allein im Warning-Bereich der Skala „Suizidgedanken“ befinden
sich insgesamt 27 % aller teilnehmenden Jugendlichen.
56
Ergebnisse
Ein Mittelwertsvergleich zeigt Geschlechtsunterschiede in den Skalen „DepressivÄngstlich“ (F = 23,05 (1, 232), p <= 0,000), „Somatische Beschwerden“ (F = 32,63 (1,
232), p <= 0,000) sowie „Suizidgedanken“ (F = 23,25 (1, 232), p <= 0,000) mit jeweils
signifikant höheren mittleren Werten bei den Mädchen (Abbildung 5).
mittlerer Skalenwert
5
4
3
männlich
(N= 171)
2
weiblich
(N= 63)
1
0
AD
ÄR
DÄ
SB
SG
TE
Ab b i l d u n g 5 : M i t t e l w e r t e i n d e n S u b s k a l e n d e s M a y s i - 2 n a c h G e s c h l e c h t
Ein Alterseffekt findet sich in der Skala „Alkohol- und Drogengebrauch“, in der sich die
über 20 jährigen (MW = 4,62, SD = 2,34) von den unter 14 jährigen (MW = 1,43,
SD = 2,79) und den 14-15 jährigen (MW = 2,18, SD = 2,73) signifikant unterscheiden
(F = 4,44 (4, 229), p = 0,002), sowie in der Skala „Somatische Beschwerden“, in der sich
die 16 bis 17 jährigen mit MW = 2,03 (SD = 1,67) als signifikant belasteter einschätzen als
die über 20 jährigen (MW = 1,28, SD = 1,08) (F = 3,153 (4, 67), p = 0,019).
Ein direkter Vergleich der Mittelwerte der vorliegenden Stichprobe mit denen der
amerikanischen Normstichprobe (Grisso et al. 2001) zeigt in einigen Skalen signifikante
Unterschiede (Abbildung 6). Hierbei ist zu bedenken, dass die Normierung an einer
Stichprobe von 12-17 jährigen Jugendlichen bei Eintritt in das amerikanische
Jugendstrafsystem stattfand.
57
Ergebnisse
mittlerer Skalenwert
5
Heimstichprobe
männlich (N= 171)
4
Normstichprobe
männlich (N= 862)
3
2
Heimstichprobe
weiblich (N= 63)
1
Normstichprobe
weiblich (N= 408)
0
AD
ÄR
DÄ
SB
SG
TE
DS
Ab b i l d u n g 6 : V e r g l e i c h d e r M i t t e l w e r t e i n d e n S u b s k a l e n d e s M a y s i - 2 d e r
Heim stichprobe m it denen der am erik anischen Norm stichprobe
Die männlichen Teilnehmer der vorliegenden Stichprobe beurteilen sich im Mittel höher
belastet in der Skala „Suizidgedanken“ (t = -6,12 (884), p < 0,050), sowie weniger
auffällig in der Skala „Somatische Beschwerden“ (t = 4,4 (884), p < 0,050). Die Mädchen
liegen dagegen höher in den Skalen „Depressiv-Ängstlich“ (t = -2,39 (469), p < 0,050) und
„Suizidgedanken“ (t = -4,65 (469), p < 0,50) als die Mädchen der amerikanischen
Stichprobe.
Ein anderes Bild zeigt sich bei einem Vergleich mit einer Studie, in der der Maysi-2 von
österreichischen Jugendlichen von 14 bis 21 in Untersuchungshaft ausgefüllt wurde
(Plattner et al. 2007) (Abbildung 7). In der Skala „Suizidgedanken“ ergeben sich hier keine
Unterschiede.
mittlerer Skalenwert
6
Heimstichprobe
männlich (N= 171)
5
Stichprobe
"Plattner" männlich
(N= 265)
4
3
Heimstichprobe
weiblich (N= 63)
2
1
0
AD
ÄR
DÄ
SB
SG
TE
DS
Stichprobe
"Plattner" weiblich
(N= 53)
Ab b i l d u n g 7 : V e r g l e i c h d e r M i t t e l w e r t e i n d e n S u b s k a l e n d e s M a y s i - 2 d e r
Heimstichprobe mit denen einer Stichprobe straffälliger
Jugendlicher in Österreich
58
Ergebnisse
Dagegen weisen die Jungen der vorliegenden Stichprobe im Mittel signifikant höhere
Werte auf als die männlichen österreichischen Jugendlichen in der Skala „ÄrgerlichReizbar“ (t = -2,01 (434), p < 0,050) und liegen niedriger in den Skalen „DepressivÄngstlich“ (t = 3,25 (434), p < 0,050), „Somatische Beschwerden“ (t = 6,58 (434),
p < 0,050), „Denkstörungen“ (t = 2,1 (434), p < 0,050), sowie „Traumatische Erlebnisse“
(t = 5,8 (434), p < 0,050). Die weiblichen Teilnehmer der vorliegenden Stichprobe
unterscheiden sich mit durchschnittlich niedrigeren Ergebnissen in den Skalen „Alkoholund Drogengebrauch“ (t = 2,98 (114), p < 0,050), und „Somatische Beschwerden“
(t = 3,06 (114), p < 0,050) von den österreichischen weiblichen Jugendlichen.
3.5
Ergebnisse der psychiatrischen Interviews
3.5.1 Prävalenz psychischer Störungen
Tabelle 13 gibt einen Überblick der auf Basis der psychiatrischen Interviews gestellten
Diagnosen. Insgesamt weisen 75 % der Teilnehmer mindestens eine ICD-10 Diagnose auf.
Mädchen (72 %) und Jungen (76 %) unterscheiden sich in dieser Häufigkeit nicht. Die mit
Abstand am häufigsten diagnostizierte Diagnose sowohl für männliche als auch weibliche
Jugendliche war mit 53,5 % die Störung des Sozialverhaltens (F90.1, F91, F92
zusammengefasst), davon 18 % als kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der
Emotionen (F 92). An zweiter Stelle folgen die Persönlichkeitsstörungen mit 23 %, von
denen es sich in 45 % der Fälle um eine „Persönlichkeitsstörung, nicht näher bezeichnet“
handelte (F60.9). Weitere, häufiger diagnostizierte Störungen waren die
substanzgebundene Störung (20 %), Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen (8,2 %), Depressive Störungen (7,3 %), Angststörungen (7,3 %)
sowie ADHS (5,7 %).
T abelle 13: Ps ychiatr ische Diagnosen erhoben m it Kiddie-SAD S
Diagnosen (N = 245)
Mindestens eine ICD-10 Diagnose
Substanzgebundene Störung (F10-F14)
Störungen aus dem schizophrenen
Formenkreis (F2x)
Depressive Störungen (F23, F33,F38,
F39)
Jungen Mädchen
(N = 181)
(N = 64)
%
%
N
(Total)
%
184
75,1
76,2
71,9
49
20
21,5
15,6
3
1,2
1,7
0
a
18
7,3
7,2
7,8
a
χ² (df), p
0,5 (1),
0,487
1 (1),
0,309
59
Ergebnisse
Zyklothymia (F34)
Angststörungen (F40 – F42)
Reaktionen auf schwere Belastungen
und Anpassungsstörungen (F43)
Posttraumatische Belastungsstörung
(F43.1)
Dissoziative, Somatisierungs- und
sonst. Neurotische Störungen (F44,
F45, F48)
a
9
18
3,7
7,3
3,9
5,5
3,1
12,5
20
8,2
6,1
14,1
10
4,1
7 (3,9 %)
3 (4,7 %)
2
0,8
0,6
1,6
a
2
0,8
0
3,1
a
1
0,4
0,6
0
a
14
5,7
6,1
4,7
a
44
18
21,5
7,8
64
26,1
28,2
20,3
23
9,4
7,2
15,6
3
1,2
1,7
0
a
1
0,4
0,6
0
a
2
0,8
1,1
0
a
56
23
24,4
18,8
Paranoide (F60.0)
3
1,3
1,7
0
a
Schizoide (F60.1)
1
0,4
0,6
0
a
Dissoziale (F60.2)
12
5
6,9
0
a
Emotional instabile (F60.3)
8
3,4
1,7
7,9
a
Ängstliche (F60.6)
1
0,4
0,6
0
a
25
10,5
12
6,3
Kombinierte (F61.0)
5
2,1
1,1
4,8
a
Andere spezifische
Persönlichkeitsstörung
(negativistische, depressive,
schizotypische, narzisstische)
2
0,8
1,1
0
a
Persönlichkeitsänderung (F62)
1
0,4
0,6
0
a
Essstörungen (F50)
Sexuelle Störungen (F52, F64, F65,
F66)
ADHS (F90.0, F90.8-F90.9)
Hyperkinetische Störung des
Sozialverhaltens (F90.1)
Störung des Sozialverhaltens (F91)
Kombinierte Störung des
Sozialverhaltens (F92)
Ticstörung (F95)
Ausscheidungsstörungen (F98.0,
F98.1)
Sonstige psychische Störung
Persönlichkeitsstörung (mind. eine)
Nicht näher bezeichnete (F60.9)
a
4 (1),
0,045*
0,08 (1),
0,724
6,1 (1),
0,014*
1,5 (1),
0,218
4 (1),
0,047*
0,87 (1),
0,352
1,6 (1),
0,210
a mindestens 25 % der Zellen haben eine erwartete Häufigkeit kleiner 5.
Geschlechtsunterschiede fanden sich mit einer signifikant größeren Häufigkeit an
erkrankten Mädchen bei der kombinierten Störung des Sozialverhaltens (χ² = 4 (1), p
= 0,047); dagegen wurde bei den männlichen Jugendlichen signifikant häufiger eine
hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens diagnostiziert (χ² = 6,1 (1), p = 0,014). Bei
den Persönlichkeitsstörungen wiesen die weiblichen Jugendlichen eher eine Emotional-
60
Ergebnisse
Instabile Persönlichkeitsstörung auf (7,9 %), die männlichen Jugendlichen dagegen eher
eine nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsstörung (12 %). Es muss allerdings bedacht
werden, dass diese Ergebnisse exploratorisch sind. Aufgrund der Annahme von 9 Tests
muss hier streng genommen von einem korrigierten Signifikanzniveau von p < 0,006
ausgegangen werden, unter dem kein Geschlechtsunterschied signifikant wird.
Insgesamt sind die Jugendlichen, die mindestens eine ICD-10 Diagnose aufweisen im
Mittel signifikant älter (MW = 17,1, SD = 2,9) als diejenigen ohne Diagnose (MW = 16,
SD = 2,6) (t = -2,6 (243), p = 0,009).
3.5.2 Komorbidität
Bei der Auswertung der Komorbidität (Abbildung 8), d.h. das Erfüllen der Kriterien für
mehr als eine Diagnose, wurden die im ICD-10 möglichen Kombinationsdiagnosen
(Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F.90.1), Störung des Sozialverhaltens und
der Emotionen (F. 92)) als jeweils zwei getrennte Diagnosen gerechnet. Von denjenigen
Teilnehmern, die mindestens eine Störung diagnostiziert bekamen, erfüllen 64 % (N = 118)
die Kriterien für mehr als eine Diagnose. Davon leidet fast die Hälfte (45 %) der
Jugendlichen an zwei verschiedenen Störungen, 27 % weisen drei Diagnosen auf.
35
30
Prozent
25
männlich
(N= 181)
20
15
weiblich
(N= 64)
10
5
0
keine
Diagn.
1 Diagn. 2 Diagn. 3 Diagn. 4 Diagn. 5 Diagn. 6 Diagn. 7 Diagn.
Ab b i l d u n g 8 : A n z a h l d e r p s y c h i a t r i s c h e n D i a g n o s e n n a c h G e s c h l e c h t
Im Mittel sind unter den Jugendlichen mit Diagnose die männlichen Teilnehmer an 2,34
(SD = 1,34), die weiblichen Jugendlichen an 2,15 (SD = 1,35) verschiedenen Störungen
erkrankt. Dieser Unterschied wird nicht signifikant (U = 5244, p = 0,249).
Alterseffekte zeigen sich bei der Komorbidität nicht.
61
Ergebnisse
3.5.3 Globale Beurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus
67 % der Teilnehmer weisen eine wechselnde Funktionsfähigkeit bis zu mäßigen sozialen
Beeinträchtigungen auf, 8 % sind erheblich beeinträchtigt in ihrem psychosozialen
Funktionsniveau (Abbildung 9). Nur 2 Jugendliche (0,8 %) bzw. 11 Jugendliche (5 %)
zeigen eine herausragende Funktion bzw. nur leichte Beeinträchtigungen.
50
Prozent
40
männlich
(N= 181)
30
20
weiblich
(N= 64)
10
erhebliche
Beeinträchtigung
mäßige
Beeinträchtigung
wechselnde
Funktionsfähigkeit
leichte Schwierigk.
auf einem Gebiet
leichte
Beeinträchtigung
hervorragend/ gut
0
Ab b i l d u n g 9 : S o z i a l e s F u n k t i o n s n i v e a u n a c h G e s c h l e c h t e r h o b e n ü b e r d i e
GAS
Geschlechts- und Altersunterschiede fanden sich nicht.
3.6
Traumatische Lebensereignisse – Ergebnisse des Essener Trauma
Inventars (ETI)
3.6.1 Prävalenz traumatischer Ereignisse
199 Jugendliche (81 %) geben an, mindestens eins der im ETI aufgeführten belastenden
Ereignisse erlebt zu haben. Jungen (81 %) und Mädchen (83 %) unterscheiden sich hierin
nicht signifikant voneinander (χ² = 0,1 (1), p = 0,705). Tabelle 14 gibt einen Überblick, in
welcher Häufigkeit die einzelnen Ereignisse auftreten. Es zeigt sich, dass mit 42 % unter
den Jugendlichen der Stichprobe am häufigsten „Tod oder Verlust einer wichtigen
Bezugsperson“ erlebt wurde, wobei mehr als die Hälfte der Mädchen (53 %) und 39 % der
Jungen davon berichten (χ² = 4 (1), p = 0,044). An zweiter Stelle folgt „gewalttätiger
Angriff durch eine fremde Person“ (37 %), ein Geschlechtsunterschied findet sich hier
nicht. Weitere 36 % beschreiben ein „anderes belastendes Ereignis“ (siehe unten). In nur 6
Fällen (3 %) wird „Folter“ bejaht, 8 (3 %) männliche Jugendliche geben „Kampfeinsatz im
Krieg oder Aufenthalt im Kriegsgebiet“ an.
62
Ergebnisse
Tabelle 14: Häufigkeiten traumatischer Erlebnisse erhoben über das ETI
N
(Total)
%
199
81,2
43
16,1
Persönlich
22
51,2
Zeuge
9
20,9
beides
Schwerer Unfall, Feuer oder
Explosion
Persönlich
12
27,9
69
28,2
25
36,2
Zeuge
27
39,1
beides
17
24,6
59
24,1
Persönlich
16
27,1
Zeuge
41
69,5
beides
Gewalttätiger Angriff (fremde
Person)
Persönlich
2
3,4
91
37,1
41
45,1
Zeuge
25
27,5
beides
25
27,5
Gewalttätiger Angriff (Person aus
dem Familien- oder
Bekanntenkreis)
77
31,4
Persönlich
38
49,4
Zeuge
16
20,8
beides
Tod oder Verlust einer wichtigen
Bezugsperson
Gefangenschaft
23
29,9
104
ETI (N = 245)
Mindestens ein traumatisches
Erlebnis
Naturkatastrophe
Jungen Mädchen
(N = 181)
(N = 64)
%
%
80,7
82,8
χ² (df), p
0,1 (1), 0,705
18,8
14,1
0,7 (1), 0,393
31,5
18,8
3,8 (1), 0,051
22,7
28,1
0,8 (1), 0,379
38,1
34,4
0,3 (1), 0,594
24,9
50
13,9 (1),
0,000**
42,4
38,7
53,1
4 (1), 0,044*
46
18,8
22,1
9,4
5 (1), 0,025*
Persönlich
32
69,6
Zeuge
9
19,6
beides
Als Kind/Jugendlicher sexueller
Missbrauch (fremde Person)
Persönlich
5
10,9
34
14,3
6,7
34,4
30,2 (1),
0,000**
23
67,6
Zeuge
5
14,7
beides
6
17,6
Schwere Krankheit
63
Ergebnisse
Als Kind/Jugendlicher sexueller
Missbrauch (Person aus dem
Familien- oder Bekanntenkreis)
18
7,3
Persönlich
16
88,9
Zeuge
1
5,6
beides
Kampfeinsatz im Krieg oder
Aufenthalt im Kriegsgebiet
Persönlich
1
5,6
8
3,3
7
87,5
Zeuge
1
12,5
beides
0
0
6
2,9
Persönlich
2
33,3
Zeuge
3
50
beides
1
16,7
56
22,9
Persönlich
42
75
Zeuge
5
8,9
beides
9
16,1
6
2,4
3
50
Zeuge
3
50
beides
0
0
5
2
1
4
20
80
0
0
88
35,9
Persönlich
46
52,3
Zeuge
18
20,5
beides
24
27,3
Folter
Vernachlässigung,
Verwahrlosung
Als Erwachsener sexueller
Missbrauch (fremde Person)
Persönlich
Als Erwachsener sexueller
Missbrauch (Person aus dem
Familien- oder Bekanntenkreis)
Persönlich
Zeuge
beides
Anderes belastendes Ereignis
3,3
18,8
16,5; 0,000**a
4,4
0
2,9; 0,116a
3,3
0
2,2; 0,345a
23,8
20,3
0,3 (1), 0,573
2,2
3,1
0,2; 0,653a
2,2
1,6
0,1; 1a
33,7
42,2
1,5 (1), 0,224
a Exkater Test nach Fisher
Signifikante Geschlechtsunterschiede fanden sich insbesondere bei den Erlebnissen
„gewalttätiger Angriff durch jemanden aus dem Familien- oder Bekanntenkreis“ sowie „als
Kind/Jugendlicher sexueller Missbrauch durch fremde Person“ und „als Kind/Jugendlicher
64
Ergebnisse
sexueller Missbrauch durch bekannte Person“. Der Anteil an weiblichen Jugendlichen liegt
jeweils höher. Aufgrund der Annahme von 16 Tests muss hier von einem korrigierten
Signifikanzniveau von p < 0,003 ausgegangen werden (siehe sowohl fett als auch mit
Sternchen markierte Wahrscheinlichkeiten), unter dem die beschriebenen
Geschlechtsunterschiede außer bezüglich der Ereignisse „Tod/Verlust einer wichtigen
Bezugsperson“ sowie „Gefangenschaft“ signifikant bleiben.
Die Teilnehmer, die mindestens eines der belastenden Ereignisse berichten, unterscheiden
sich in ihrem mittleren Alter (MW = 16,95, SD = 2,72) nicht von denjenigen, die kein
solches Erlebnis (Alter MW = 16,3, SD = 3,2) angeben.
Von denjenigen Teilnehmern, die ein belastendes Erlebnis angeben, berichtet jeweils ca.
ein Fünftel zwei oder drei verschiedene der im ETI aufgeführten Ereignisse (Abbildung
10). Weitere 41 % berichten 4 und mehr solche Erlebnisse. Die mittlere Anzahl belastender
Erlebnisse unterscheidet sich nicht nach Geschlecht (Mädchen MW = 3,96, SD = 2,45;
Jungen MW = 3,42, SD = 2,26) (U = 5104,5; p = 0,192).
20%
ein Trauma
41%
2 Traumata
19%
3 Traumata
≥ 4 Traumata
20%
Ab b i l d u n g 1 0 : A n z a h l v e r s c h i e d e n e r t r a u m a t i s c h e r E r f a h r u n g e n
Die im ETI möglichen Antworten, ein belastendes Ereignis zu bejahen, sind „persönlich“,
„als Zeuge“ oder „beides“. Die Daten zeigen, dass eine „schwere Krankheit“ häufiger als
Zeuge (70 %) erlebt wird als persönlich (27 %) oder beides (3 %); das gleiche gilt für
„schwerer Unfall“, „als Erwachsener sexueller Missbrauch durch eine bekannte Person“
und „Folter“ (Tabelle 14). Alle anderen Ereignisse wurden jeweils von 50 % bis 90 % der
Betroffenen als „persönlich“ oder „beides“ bejaht.
Anderes belastendes Ereignis
Neben den 14 vorgegebenen Ereignissen gibt es im ETI die Möglichkeit, ein weiteres
65
Ergebnisse
„anderes belastendes Ereignis“ (Item 15) anzugeben und zu beschreiben. Insgesamt 88
Jugendliche berichten, ein solches weiteres Erlebnis gemacht zu haben, 70 % nutzten die
Möglichkeit, das Erlebnis zu beschreiben. In einer genaueren Analyse dieser Angaben
zeigt sich, dass 27 % der 88 Teilnehmer „Scheidung bzw. Trennung“ der Eltern schildern,
weitere 11 % berichten von „Trennung/Tod/Verlust einer wichtigen Bezugsperson“, 10 %
von „Mobbing“. Die restlichen Angaben lassen sich kaum noch in Überkategorien fassen,
es finden sich etwa Erfahrungen wie „psychische und/oder Suchterkrankung der Eltern“,
„Selbstmord beobachtet“ oder „Krieg“ und „Bandenrivalität“; aber auch Angaben wie
„Liebeskummer“ oder „Verlust meiner Hunde“.
Schlimmstes Erlebnis
Im ETI wird gefragt, welches der angegebenen belastenden Erlebnisse das „schlimmste“
für den Teilnehmenden war. Tabelle 15 zeigt auf, wie viel Prozent derjenigen, die ein
jeweiliges Ereignis erlebt haben, dieses auch als das schlimmste bewerten. Es fällt auf,
dass die „Naturkatastrophe“ in 100 % der Fälle als das schlimmste Ereignis eingestuft
wurde, sofern es bejaht worden war. Ebenfalls häufig wurden „schwerer Unfall, Feuer oder
Explosion“ (73 %) und „schwere Krankheit“ (51 %) als das schlimmste Erlebnis berichtet.
Im Vergleich dazu werden Erfahrungen wie „als Kind/Jugendlicher sexueller Missbrauch
durch eine fremde Person“ (8,8 %), „als Kind/Jugendlicher sexueller Missbrauch durch
eine Person aus dem Familien- oder Bekanntenkreis“ (5,6 %) und „Vernachlässigung/
Verwahrlosung“ (5,4 %) eher selten als schlimmste Erlebnisse wahrgenommen.
Tabelle 15: Häufigkeit, in der eine jeweilige traum atische Erfahrung als
schlimmstes Erlebnis angegeben wurde
Schlimmstes Erlebnis (N = 199)
N
% von Teilnehmern,
die jeweiliges Trauma
erlebt
Naturkatastrophe
43
100
Schwerer Unfall, Feuer oder Explosion
50
72,5
Schwere Krankheit
30
50,8
Gewalttätiger Angriff (fremde Person)
Gewalttätiger Angriff (Person aus dem Familienoder Bekanntenkreis)
Tod oder Verlust einer wichtigen Bezugsperson
27
29,7
16
20,8
14
13,5
2
4,3
3
8,8
1
5,6
Gefangenschaft
Als Kind/Jugendlicher sexueller Missbrauch
(fremde Person)
Als Kind/Jugendlicher sexueller Missbrauch (Person
aus dem Familien- oder Bekanntenkreis)
66
Ergebnisse
Kampfeinsatz im Krieg oder Aufenthalt im
Kriegsgebiet
Folter
1
12,5
0
0
Vernachlässigung, Verwahrlosung
Als Erwachsener sexueller Missbrauch (fremde
Person)
Als Erwachsener sexueller Missbrauch (Person aus
dem Familien- oder Bekanntenkreis)
3
5,4
1
16,7
0
0
Anderes belastendes Ereignis
8
9,1
3.6.2 Klinische Auffälligkeit und PTSD – Symptome
Klinische Auffälligkeit
Von den 199 Jugendlichen, die mindestens ein belastendes Erlebnis berichtet und das
schlimmste Ereignis angegeben haben, beantworteten 194 Teilnehmer die weiteren Fragen
des ETI.
Die Gesamtpunktzahl des ETI setzt sich aus den Werten in den Skalen Intrusion,
Vermeidung, Dissoziation, und Übererregung zusammen. Der Cut-off zur klinischen
Auffälligkeit liegt bei 40 von 69 möglichen Punkten und wird von 7,7 % der 194
Jugendlichen erfüllt; 22 % liegen im Grenzbereich. Die Hälfte der Mädchen erreichen
Werte, die mindestens im Grenzbereich liegen und unterscheiden sich damit signifikant
von den Jungen (22 %) (χ² = 14,4 (2), p < 0,001).
In den Cut-off für einen Verdacht auf PTBS wird die Skala Dissoziation ausgenommen, da
diese kein DSM-IV Kriterium darstellt. Insgesamt 12 % der Jugendlichen erreichen diesen
Cut-off (=> 27 Punkte), dabei 23 % der Mädchen sowie 9 % der Jungen. Im Grenzbereich
liegen weitere 21 % der Teilnehmer (33 % der Mädchen, 17 % der Jungen). Der
Geschlechtsunterschied wird signifikant (χ² = 16,4 (2), p < 0,000).
Alterseffekte zeigen sich nicht.
Ergebnisse in den Subskalen
In die Subskalen Intrusion, Vermeidung, Übererregung und Dissoziation gehen jeweils
unterschiedlich viele Items ein, so dass sie miteinander in ihren Mittelwerten nicht direkt
vergleichbar sind. Es zeigt sich, dass die Mädchen in allen Skalen signifikant höhere Werte
erreichen als die Jungen. Ein Altersunterschied lässt sich dagegen nicht finden (Abbildung
11).
67
Ergebnisse
7
Mittelwert
6
männlich
(N= 142)
5
4
weiblich
(N= 52)
3
2
1
0
Intrusion
(max. 5)
Vermeidung Übererregung Dissoziation
(max. 7)
(max. 5)
(max. 6)
Ab b i l d u n g 1 1 : M i t t e l w e r t e i n d e n S u b s k a l e n d e s E T I n a c h G e s c h l e c h t
DSM-IV A Kriterium und Verdacht auf PTBS
Das DSM-IV A Kriterium umfasst die beiden Ereigniskriterien A1 (potenzielle oder reale
Todesdrohung, ernsthafte Verletzung oder Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit bei
sich oder anderen) und A2 (die Reaktion intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzens),
die das genannte Erlebnis erfüllen muss, um eine posttraumatische Belastungsstörung
diagnostizieren zu können.
Von den 194 Jugendlichen erfüllen über die Hälfte (54 %) das DSM-IV A Kriterium. Es
finden sich keine Unterschiede nach Alter und Geschlecht. Insgesamt wird das DSM-IVA2 Kriterium häufiger (77 %) erfüllt als das Kriterium A1 (68 %).
11 % (N = 21) der Teilnehmer liegen mit ihren Werten im ETI sowohl über dem Cut-off
zum Verdacht auf PTBS und erfüllen gleichzeitig das DSM-IV A Kriterium. Das bedeutet,
10 Mädchen (19 %) und 11 Jungen (7,7 %) erhalten nach den ETI-Ergebnissen die
Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung.
Sensitivität und Spezifität des ETI
Verglichen mit der Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung erhoben über
Kiddie-SADS, klassifiziert der ETI 44,4 % (Sensitivität) der Fälle richtig (Tabelle 16). Die
Sensitivität des ETI liegt damit eher niedrig. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass
nur sehr wenige Fälle von PTBS in der Stichprobe vorliegen. Die Spezifität von 91 % liegt
relativ hoch.
68
Ergebnisse
Tabelle 16: Sensitivität und Spezifität des ETI
PTBS (ETI)
Sensitivität/ Spezifität
(ETI) (N = 194)
Nein
Ja
Gesamt
Nein
168 (90,8 %)
17 (9,2 %)
185
Ja
5 (55,6 %)
4 (44,4 %)
9
Gesamt
173
21
PTBS
(K-SADS)
Wird die Variable „Verdacht auf PTBS“ des ETI herangezogen, zeigt sich, dass knapp
78 % der Jugendlichen mit einer diagnostizierten PTSB im mindestens grenzwertigen
Bereich des ETI liegen (Tabelle 17).
Tabelle 17: Sensitivität und Spezifität der Variable „Verdacht auf PTBS“ des
ETI
Sensitivität/ Spezifität
(ETI) (N = 199)
Nein
Ja
Gesamt
Nein
127 (68,6 %)
58 (36,4 %)
185
Ja
2 (22,2 %)
7 (77,7 %)
9
Gesamt
129
65
PTBS
(K-SADS)
3.7
Verdacht auf PTBS (ETI)
Delinquenz
Die Auswertung der kriminologischen Fragen im Selbsturteil (Tabelle 18) zeigt, dass
insgesamt 205 (87,6 %) Jugendliche angeben, mindestens eins der abgefragten Delikte
begangen zu haben. Mädchen (82,5 %) und Jungen (90 %) unterscheiden sich hierbei
nicht. Mit fast 83 % wurden am häufigsten Eigentumsdelikte verübt. Dieser hohe Anteil
erklärt sich vorwiegend durch das Delikt „Ladendiebstahl“, das von 73 % der weiblichen
und von 78,4 % der männlichen Jugendlichen mindestens einmal begangen worden ist. Es
folgen nach der Häufigkeit die „Mediendelikte“ (79 %), bei denen ein signifikanter
Geschlechtseffekt deutlich wird, indem fast doppelt so viele der männlichen (91 %) im
Vergleich zu den weiblichen Teilnehmern (48 %) eines dieser Vergehen, insbesondere
Konsum von Gewalt- oder Pornofilmen und Gewaltcomputerspiele, bejahen.
Sachbeschädigungen (62 %) und Gewaltdelikte (62 %) wurden in der Stichprobe ca. gleich
häufig verübt. Ein signifikanter Geschlechtsunterschied findet sich bei den schweren
69
Ergebnisse
Eigentumsdelikten (62 % der Jungen, 30 % der Mädchen) (χ² = 16,7 (1), p <= 0,000) sowie
bei den Mediendelikten (79 % der Jungen, 48 % der Mädchen) (χ² = 51,5 (1), p <= 0,000).
Die männlichen Teilnehmer geben außerdem an, insgesamt signifikant häufiger jemals
(MW = 85,8 SD = 138) eines der abgefragten Delikte verübt zu haben als die Mädchen
(MW = 37,78, SD = 56,81) (U = 4303, p = 0,018).
Tabelle 18: Häufigkeiten einzelner Deliktarten im Selbsturteil (kriminologische
Fragen)
%
Jungen
(N = 171)
%
Mädchen
(N = 63)
%
205
87,6
89,5
82,5
145
62
63,7
57,1
73
96
118
31,2
41
50,4
29,2
43,3
52
36,5
34,9
46
193
82,5
84,8
76,2
Ladendiebstahl
180
76,9
78,4
73
Fahrraddiebstahl
98
41,9
46,2
30,2
Sonstiger Diebstahl
79
33,8
36,3
27
Hehlerei
84
34,3
40,9
22,2
Kfz-Aufbruch
34
14,5
18,1
4,8
Automatenaufbruch
66
28,2
36,3
6,3
Kfz-Diebstahl
77
32,9
40,9
11,1
Einbruchsdiebstahl
schweres Eigentumsdelikt (s.o.
kursiv gedruckt)
89
38
43,9
22,2
122
52,1
60,2
30,2
144
61,5
65,5
50,8
Körperverletzung ohne Waffen
126
53,8
55,6
49,2
Körperverletzung mit Waffen
57
24,4
25,7
20,6
Handtaschenraub
28
12
14
6,3
Raub
55
23,5
27,5
12,7
schweres Gewaltdelikt (s.o.
kursiv gedruckt)
91
38,9
42,7
28,6
Sexuelles Delikt
18
7,7
10,5
0
13
5,6
7,6
0
0
0
0
0
1
0,4
0,6
0
Kriminologische Fragen
(N = 234)
N
(Total)
mind. 1 Delikt begangen
Sachbeschädigung
Graffiti
Scratching
Sachbeschädigung
Eigentumsdelikt
Gewaltdelikt
Sexuelle Belästigung
Zwang zu sexuellen Handlungen
(Opfer jünger)
Nötigung zu sexuellen
Handlungen (Opfer jünger)
χ² (df), p
2 (1),
0,153
0,9 (1),
0,356
2,4 (1),
0,125
16,7 (1),
0,000**
4,2 (1),
0,040*
3,9 (1),
0,049*
a
70
Ergebnisse
Zwang zu sexuellen Handlungen
(Opfer gleich alt oder älter)
Nötigung zu sexuellen
Handlungen (Opfer gleich alt
oder älter)
Zwang zu Prostitution
2
0,9
1,2
0
3
1,3
1,8
0
3
1,3
1,8
0
Mediendelikt
185
79,1
90,6
47,6
Internet Raubkopien
Konsum Gewaltfilme
(TV, Video)
Konsum Gewaltfilme (Computer)
101
43,2
46,8
33,3
154
65,8
71,3
50,8
122
52,1
59,6
31,7
Gewaltspiele (Computer)
122
52,1
62
25,4
Gewaltinhalte auf Handy
51
21,8
24,6
14,3
Filmen von Gewalt
47
20,1
22,2
14,3
Konsum Pornofilme
Konsum pornographische Inhalte
(Computer)
Pornographische Inhalte auf
Handy
Filmen von pornographischen
Szenen
134
57,3
69
25,4
120
51,3
62,6
20,6
62
26,5
33,9
6,3
35
15
18,1
6,3
51,5 (1),
0,000**
a Mindestens 25 % der Zellen haben eine erwartete Häufigkeit kleiner 5.
Aufgrund der Annahme von 8 Tests muss hier streng genommen von einem korrigierten
Signifikanzniveau von p < 0,0063 ausgegangen werden (siehe sowohl fett als auch mit
Sternchen markierte Wahrscheinlichkeiten), unter dem die im Text erwähnten
Geschlechtsunterschiede signifikant bleiben.
Ein Teil der Geschlechtseffekte könnte allerdings durch die ungleiche Altersverteilung bei
Jungen und Mädchen der Stichprobe erklärt sein, da die Jugendlichen, die Mediendelikte
bejahen durchschnittlich ein bis anderthalb Jahre älter sind als diejenigen, die angegeben,
bisher keines der Delikte aus diesen Gruppen begangen zu haben (Tabelle 19).
T abelle 19: Altersunterschiede (Mittelwert) in den Angaben zu einzelnen
Deliktarten (Kriminologische Fragen)
Kriminologische Fragen – Alter
(N = 234)
M
SD
Mind. 1 Delikt begangen
t (df), p
-1,9 (232), 0,056
nein
15,86
2,29
ja
16,94
2,91
Sachbeschädigung
-1,1 (232),0,269
nein
16,54
2,62
71
Ergebnisse
ja
16,96
2,99
Eigentumsdelikt
-2,5 (232), 0,012*
nein
15,79
2,35
ja
17,02
2,92
Gewaltdelikt
-3,3 (232), 0,001**
nein
16,05
2,41
ja
17,28
3,02
Sexuelles Delikt
-1 (232), 0,322
nein
16,75
2,91
ja
17,44
2,19
-2,9 (232), 0,004*
Mediendelikt
nein
15,77
2,25
ja
17,08
2,94
Abbildung 12 verdeutlicht, dass die männlichen Teilnehmer zudem eine höhere DeliktVariabilität aufweisen, indem sie deutlich mehr verschiedene Delikte insgesamt begangen
haben als die weiblichen Jugendlichen (U = 3935, p = 0,002). Dieser Unterschied zwischen
Jungen und Mädchen fällt ebenfalls für die einzelnen Deliktarten – außer
Sachbeschädigungen und (schwere) Gewaltdelikte - signifikant aus.
7
6
Anzahl
5
4
männlich
(N= 171)
3
2
1
weiblich
(N= 63)
0
e
e
e
te
te
te
te
ng
te)
likt
likt
li kt
elik
elik nhal
elik
eli k digu
de
de
d
d
de
D
t
t
D
i
l
s
l
s
n
r
ä
t
a
e
e
al
wa
tum Gew
sch entum
en
el le Medi
ew
Ge
en
xu
be
ed
i
G
r
g
g
(
e
h
i
i
h
e
s
c
r
E
te
rE
r sc
Sa
we
ve
elik
ere
ch
d
s
w
n
die
sch
Me
Ab b i l d u n g 1 2 : M i t t l e r e H ä u f i g k e i t b e g a n g e n e r D e l i k t a r t e n n a c h G e s c h l e c h t
(Kriminologische Fragen)
Delinquenz und Einweisungsgrund
Tabelle 20 stellt die Delinquenz – erhoben über die Kriminologischen Fragen im
Selbsturteil – dem Einweisungshintergrund (strafrechtlich vs. zivilrechtlich) gegenüber.
72
Ergebnisse
Tabelle 20: Delinquenz im Selbsturteil vs. Einweisungsgrund. Die
Prozentzahlen geben an, wie viele der jeweils zivilrechtlich bzw.
strafrechtlich eingewiesenen Teilnehm er angeben, das jeweilige
Delikt begangen zu haben.
Total
%
Zivilrechtlich
eingewiesen
(N = 113)
Strafrechtlich
eingewiesen
(N = 70)
χ² (2), p
mind. 1 Delikt begangen
87,6
96 (85 %)
68 (97 %)
6,9 (1), 0,009
Sachbeschädigung
62
31,2
41
50,4
69 (61 %)
37 (33 %)
47 (42 %)
57 (50 %)
48 (69 %)
26 (37 %)
34 (49 %)
38 (54 %)
1,1 (1), 0,304
0,4 (1), 0,543
0,8 (1), 0,356
0,23 (1), 0,613
82,5
91 (80 %)
65 (93 %)
5,2 (1), 0,022
Ladendiebstahl
76,9
88 (78 %)
60 (86 %)
1,7 (1), 0,190
Fahrraddiebstahl
41,9
43 (38 %)
39 (56 %)
5,4 (1), 0,020
Sonstiger Diebstahl
33,8
36 (32 %)
28 (40 %)
1,3 (1), 0,262
Hehlerei
34,3
36 (32 %)
38 (54 %)
9 (1), 0,003
Kfz-Aufbruch
14,5
12 (11 %)
19 (27 %)
8,4 (1), 0,004
Automatenaufbruch
28,2
27 (24 %)
30 (43 %)
7,2 (1), 0,007
Kfz-Diebstahl
32,9
28 (25 %)
39 (56 %)
Einbruchsdiebstahl
38
39 (35 %)
41 (59 %)
schweres Eigentumsdelikt (s.o.
kursiv gedruckt)
52,1
50 (44 %)
53 (76 %)
Gewaltdelikt
61,5
63 (56 %)
57 (81 %)
Körperverletzung ohne Waffen
53,8
57 (50 %)
49 (70 %)
6,8 (1), 0,009
Körperverletzung mit Waffen
24,4
25 (22 %)
27 (39 %)
5,7 (1), 0,017
Handtaschenraub
12
10 (9 %)
13 (19 %)
3,7 (1), 0,054
Raub
schweres Gewaltdelikt (s.o. kursiv
gedruckt)
Sexuelles Delikt
23,5
23 (20 %)
24 (34 %)
4,4 (1), 0,036
38,9
39 (34 %)
38 (54 %)
6,9 (1), 0,008
7,7
9 (8 %)
8 (11 %)
0,6 (1), 0,433
Sexuelle Belästigung
Nötigung zu sexuellen Handlungen
(Opfer jünger)
Zwang zu sexuellen Handlungen
(Opfer gleich alt oder älter)
Nötigung zu sexuellen Handlungen
(Opfer gleich alt oder älter)
5,6
7 (6 %)
5 (7 %)
a
0,4
1 (1 %)
0
a
0,9
0
2 (3 %)
a
1,3
2 (2 %)
1 (1 %)
0,3 (1), 0,860
Zwang zu Prostitution
1,3
0
3 (4 %)
a
Kriminologische Fragen und
Einweisungsgrund (N = 138)
Graffiti
Scratching
Sachbeschädigung
Eigentumsdelikt
17,8 (1),
0,000**
10,2 (1),
0,001**
17,4 (1),
0,000**
12,6 (1),
0,000**
73
Ergebnisse
79,1
79 (70 %)
67 (96 %)
17,8 (1),
0,000**
Internet Raubkopien
43,2
40 (35 %)
39 (56 %)
7,3 (1), 0,007
Konsum Gewaltfilme (TV, Video)
65,8
68 (60 %)
57 (81 %)
9 (1), 0,003
Konsum Gewaltfilme (Computer)
52,1
53 (47 %)
49 (70 %)
9,3 (1), 0,002
Gewaltspiele (Computer)
52,1
45 (40 %)
50 (71 %)
Gewaltinhalte auf Handy
21,8
22 (20 %)
22 (31 %)
Filmen von Gewalt
20,1
24 (21 %)
15 (21 %)
Konsum Pornofilme
57,3
53 (47 %)
59 (84 %)
Konsum pornographische Inhalte
(Computer)
51,3
48 (43 %)
51 (73 %)
Pornographische Inhalte auf Handy
26,5
22 (20 %)
28 (40 %)
9,2 (1), 0,002
Filmen von pornographischen Szenen
15
9 (8 %)
29 (29 %)
13,8 (1),
0,000**
Mediendelikt
17,3 (1),
0,000**
3,4 (1), 0,066
0,001 (1),
0,976
25,4 (1),
0,000**
16,1 (1),
0,000**
a Keine Auswertung aufgrund zu kleiner Zellenbesetzung
Die Selbstangaben der Jugendlichen können als „Dunkelfeld“ definiert werden, da die
Kriminologischen Fragen unter Zusicherung von Anonymität beantwortet wurden, so dass
von ausreichend ehrlichen Angaben ausgegangen werden kann. Der Einweisungsgrund
stellt dagegen das „Hellfeld“ dar: Bei den strafrechtlich eingewiesenen Teilnehmern liegt
ein bekanntes „offizielles“ Delikt vor. Es zeigt sich, dass die Jugendlichen mit
strafrechtlichem Einweisungsgrund zwar signifikant häufiger mindestens ein Delikt
begangen haben (χ² = 6,9 (1), p = 0,009); jedoch bejahen mit 85 % über Dreiviertel der
zivilrechtlich untergebrachten Jugendlichen ebenfalls mindestens ein Delikt. Dieser hohe
Prozentsatz ergibt sich vorwiegend dadurch, dass 80 % der zivilrechtlich eingewiesenen
Teilnehmer das Begehen eines Ladendiebstahls angeben. Insgesamt zeigt sich vorwiegend
in der Häufigkeit der Angaben leichterer Delikte wie „Sachbeschädigungen“ kein
signifikanter Unterschied zwischen zivil- und strafrechtlich untergebrachten Jugendlichen
(χ² = 1,1 (1), p = 0,304). Allerdings findet sich ebenfalls kein signifikanter Unterschied im
Begehen „sexueller Delikte“ (χ² = 0,6 (1), p = 0,433); das bedeutet, Jugendliche mit
zivilrechtlichem Einweisungsgrund bejahen ein solches Delikt etwa gleich häufig wie
strafrechtlich eingewiesene Teilnehmer. Weiterhin wird deutlich, dass strafrechtlich
untergebrachte Jugendliche signifikant häufiger schwere Eigentums- und Gewaltdelikte
angeben; mit 44 % bzw. 34 % ist dieser Anteil jedoch auch bei den zivilrechtlich
eingewiesenen Teilnehmern sehr hoch. Insgesamt zeigt sich demnach, dass insbesondere
74
Ergebnisse
bei den leichten, jedoch auch deutlich bei den schweren Delikten ein großer Anteil an
begangen Taten entweder nicht zu einer strafrechtlichen Einweisung geführt hat oder
zumindest nicht „offiziell“ bekannt ist.
Es muss allerdings bedacht werden, dass diese Ergebnisse exploratorisch sind. Aufgrund
der Annahme von 38 Tests muss hier streng genommen von einem korrigierten
Signifikanzniveau von p < 0,0013 ausgegangen werden, unter dem nur ein Teil der
beschriebenen Unterschiede signifikant wird (siehe sowohl fett als auch mit Sternchen
markierte Wahrscheinlichkeiten).
3.8
Traumaklassen
3.8.1 Beschreibung der Teil-Stichprobe
Da für die Berechnung der Traumaklassen aus oben genannten Gründen die jungen
Erwachsenen aus den Maßnahmenzentren sowie weitere Teilnehmer über 20
ausgeschlossen wurden, unterscheidet sich die folgende Teil-Stichprobe leicht in Alter und
Geschlecht (Tabelle 21) von der Gesamtstichprobe. Die Jugendlichen sind durchschnittlich
etwas jünger (MW = 16,5 vs. MW = 16,8), der Altersbereich ist mit 10 bis 20 Jahren enger
gefasst; der Mädchenanteil liegt um 3 % höher (26 % vs. 29 %).
Tabelle 21: Beschreibung der Teilstichprobe, die zur Bildung der
Traum aklassen eingeschlossen wurde
Gesamt
(N = 245)
N
Stichprobenbeschreibung
%
Teilstichprobe
(N = 208)
N
%
Geschlecht
männlich
weiblich
181
64
73,9
26,1
148
60
71,2
28,8
8 – 13
14 – 15
16 – 17
18 – 20
älter als 20
21
69
81
58
16
8,6
28,2
33,1
23,7
6,5
14
67
80
47
0
6,7
32,2
38,5
22,6
0
31
55
34
12,7
22,4
13,9
25
61
25
12
29,3
12
105
42,9
96
46,2
19
7,8
0
0
Alter
Institution
Durchgangs-/Beobachtungsheim
Erziehungsheim (mit Grundschule)
Erziehungsheim (ohne Grundschule)
Erziehungsheim (schulentl. Jgdl.
mit internem Beschäftigungs-/
Ausbildungsangebot
Maßnahmenzentrum
75
Ergebnisse
andere
1
0,4
1
0,5
Strafrechtliche Einweisung
75
30,1
49
24
Ausländerstatus
64
27,4
52
26
Der Ausländeranteil in der Teilstichprobe (27,4 %) bleibt ähnlich hoch wie in der
Gesamtstichprobe (26 %), genauso wie der durchschnittliche IQ (MW = 96,2 vs.
MW = 96,7); dagegen sinkt der Anteil an Jugendlichen mit strafrechtlichem
Einweisungsgrund von 30 auf 24 % ab. Letzteres ist ebenfalls darauf zurückzuführen, dass
die jungen Erwachsenen aus den Maßnahmezentren, die allesamt einen strafrechtlichen
Einweisungsgrund haben, ausgeschlossen wurden.
3.8.2 Feststellung der Klassenanzahl
Für die Bildung der Traumaklassen mit Latenter Klassenanalyse wurde die Gruppe
derjenigen, die im ETI keines der aufgeführten Ereignisse bejahen, als „known class“
definiert. Damit wurden diese Teilnehmer von vorne herein zu einer festen Gruppe –
„Klasse 1“ – zusammengefasst. Die dafür vorgesehene Funktion „known class“ wird in
dem Software Programm LatentGold 4.5 zur Verfügung gestellt. Anschließend wurde eine
1 – 4 – Klassenlösung getestet. Der Vergleich der Modelle hinsichtlich ihres Fits ergab den
niedrigsten BIC-Wert für die 3-Klassenlösung (Tabelle 22) legt damit drei Subgruppen
nahe.
Tabelle 22: Modellindizes für die 1 – 4-Klassenlösung auf Basis der
traumatischen Erfahrungen
BIC(LL)
CAIC (LL)
Npar
df
Class.
Err
-1094,0077
2241,3908
2251,3908
10
198
0,0000
2 Kl.
-1062,6445
2237,3773
2258,3773
21
187
0,0000
3 Kl.
-1032,5200
2235,8412
2267,8412
32
176
0,0609
4 Kl.
-1007,5400
2244,5940
2287,5940
43
165
0,0753
Model
LL
1 Kl.
In der Literatur gilt der BIC als inzwischen gemeinhin als das beste
informationstheoretische Kriterium, um zu ermitteln, welches Modell das in Bezug auf die
Daten relativ beste ist (Hunter et al., in press; Uher et al., 2009).
Da der BIC-Wert für die 2-Klassenlösung nur knapp zwei Punkte höher liegt als für die
76
Ergebnisse
3-Klassenlösung, spielten des Weiteren theoretische Überlegungen bei der Modell-Wahl
eine Rolle. Eine 2-Klassenlösung teilt die Stichprobe nur in die Gruppen „kein Trauma
erlebt“ (die vorher definierte „known class“) und „Trauma erlebt“ und liefert somit keinen
weiteren Erkenntnisgewinn über mögliche Subgruppen traumatisierter Heimjugendlicher.
Abschließend wurde daher die 3-Klassenlösung als die insbesondere aus theoretischer
Sicht beste gewählt. Alle folgenden Analysen dienen zum Vergleich und damit auch der
Validierung der drei Gruppen.
3.8.3 Beschreibung der 3 Traumaklassen
Abbildung 13 zeigt die drei Klassen und die durch die latente Klassenanalyse berechneten
Auftretens-Wahrscheinlichkeiten für jedes Trauma.
Wahrscheinlichkeit
1
0,8
0,6
0,4
0,2
0
)
)
l
)
n
n)
e
ng
on
eit
on
af t
fal
on
so
so
ph
s
h
s
h
r
s
n
r
r
r
o
k
r
c
i gu
e
e
r
e
e
U
e
s
s
n
t
p
P
r
P
P
s
a
s
n
s
P
e
ta
te
Kr
te
ge
ug
hlä
ere
de
nn
rka
re
m d kann
ez
an
ac
m
f
hw
a
e
e
u
B
e
n
e
t
r
c
k
f
s
er
(fr
G
hw
be
be
en
Na
ff (
sc
ch
g/V
ff (
ti g
h(
i
gri
u
n
h
r
c
n
a
u
c
g
u
br
wi
ra
rA
los
An
iss
sb
er
hr
i ge i ger
s
n
t
a
i
M
i
ä
r
e
rw
lt t
rM
tät
ll e
st
Ve
ll e
wa
alt
ue
rl u
e
e
x
w
e
u
G
x
se
Ge
d/V
se
To
ohne
Traumatisierung
(Klasse 1, N=
41)
mittlere
Traumatisierung
(Klasse 2, N=
131)
schwere
Traumatisierung
(Klasse 3, N=
36)
Ab b i l d u n g 1 3 : A u f t r e t e n s - W a h r s c h e i n l i c h k e i t e n d e r e i n z e l n e n t r a u m a t i s c h e n
Erfahrungen je Klasse
Die größte Gruppe bildet mit 131 Jugendlichen (63 %) Klasse 2; ein Fünftel der
Teilnehmer befindet sich in Klasse 1, der „known class“, mit N = 41, die restlichen 36
(17 %) Jugendlichen wurden Klasse 3 zugeordnet. Klasse 2 erhielt aufgrund der von den
Jugendlichen im Mittel 2,4 (SD = 1,22) angegebenen Traumata das Label „Mittlere
Traumatisierung“; eine signifikant noch höhere Anzahl erlebter Traumata berichten die
Teilnehmer in Klasse 3 mit M = 5,4 (SD = 1,66) (χ² = 64,5 (1), p <= 0,000). Diese hohe
Trauma-Anzahl als auch die Art der häufig angegebenen Erlebnisse der Jugendlichen in
Klasse 3 führte zu dem Label „Schwere Traumatisierung“. Klasse 1 wird folgerecht „Ohne
Traumatisierung“ bezeichnet. In Tabelle 23 ist aufgeführt, wie häufig sich die jeweilige
77
Ergebnisse
Trauma-Anzahl in den einzelnen Klassen verteilt. Es wird deutlich, dass die Jugendlichen
der Klasse „mittlere Traumatisierung“ am häufigsten 1 bis 3 Traumata erlebt haben;
dagegen die „schwer traumatisierten“ Teilnehmer häufiger 5 bis 6 verschiedene Traumata
angeben.
Tabelle 23: Verteilung der Anzahl verschiedener Traumata je Klasse
Anzahl
Traumata
(N = 208)
Klasse 1
Ohne Traumatisierung
(N = 412)
Klasse 2
Multiple
Traumatisierung
(N = 131)
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 36)
0
41
0
0
1
0
38
0
2
0
39
0
3
0
29
5
4
0
17
5
5
0
7
11
6
0
1
6
7
0
0
3
8
0
0
5
9
0
0
1
Die Überprüfung des Zusammenhangs der 10 verschiedenen Traumata, die als Variablen in
die Latente Klassenanalyse eingegangen sind, ergab ein Cronbach’s alpha von 0,6.
Tabelle 24 zeigt, welche belastenden Ereignisse die Jugendlichen je nach zugeordneter
Klasse erlebt haben. Die Jugendlichen der Gruppe „Mittlere Traumatisierung“ geben am
häufigsten „Tod oder Verlust einer wichtigen Bezugsperson“ (41 %) an, gefolgt von
„Gewalttätiger Angriff durch eine fremde Person“ (39 %). Relativ wenige Jugendliche aus
dieser Klasse haben „sexuellen Missbrauch durch eine bekannte Person“ (2,3 %) oder
„sexuellen Missbrauch durch eine fremde Person“ (8,4 %) erlebt.
78
Ergebnisse
Tabelle 24: Unterschiede in den Häufigkeiten der einzelnen traumatischen
Erlebnisse zwischen den Klassen „Mittlere“ und „Schwere
Traum atisierung“
ETI (N = 208)
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 131)
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 36)
χ² (df), p
N
%
N
%
Naturkatastrophe
28
21,4
10
27,8
0,66 (1), 0,417
Schwerer Unfall,
Feuer, Explosion
46
35,1
11
30,6
0,26 (1), 0,609
Schwere Krankheit
34
26
18
50
7,62 (1), 0,006*
51
38,9
27
75
14,76 (1), 0,000**
33
25,2
33
91,7
52,21 (1), 0,000**
Tod/Verlust einer
wichtigen
Bezugsperson
54
41,2
36
100
39,26 (1), 0,000**
Gefangenschaft
21
16
11
30,6
3,85 (1), 0,050
11
8,4
21
58,3
45,46 (1), 0,000**
3
2,3
13
36,1
37,29 (1), 0,000**
31
23,7
16
44,4
6 (1), 0,014*
Gewalttätiger Angriff
(fremde Person)
Gewalttätiger Angriff
(bekannte Person)
sexueller Missbrauch
(fremde Person)
sexueller Missbrauch
(bekannte Person)
Vernachlässigung,
Verwahrlosung
Klasse 3 ist dadurch charakterisiert, dass alle Teilnehmer den „Tod oder Verlust einer
wichtigen Bezugsperson“ berichten. Weiterhin geben 92 % der „schwer traumatisierten“
Jugendlichen an, bereits einen „gewalttätigen Angriff durch eine bekannte Person“ erlebt
zu haben; 75 % berichten einen „gewalttätigen Angriff durch eine fremde Person“ und fast
60 % „sexuellen Missbrauch durch eine fremde Person“. Die Jugendlichen aus der Gruppe
„Schwere Traumatisierung“ haben die meisten belastenden Ereignisse signifikant häufiger
erlebt im Vergleich zu den Jugendlichen in der Klasse „Mittlere Traumatisierung“;
allerdings werden die Erlebnisse „Naturkatastrophe“ bzw. „schwerer Unfall“ in beiden
Klassen etwa gleich häufig berichtet. Der Unterschied bezüglich des Ereignisses
„Gefangenschaft“ wird ebenfalls nicht signifikant. Es muss allerdings bedacht werden,
dass diese Ergebnisse exploratorisch sind. Aufgrund der Annahme von 10 Tests muss hier
streng genommen von einem korrigierten Signifikanzniveau von p < 0,005 ausgegangen
werden (siehe sowohl fett als auch mit Sternchen markierte Wahrscheinlichkeiten), unter
79
Ergebnisse
dem die Unterschiede bezüglich der Ereignisse „Schwere Krankheit“ und
Vernachlässigung“ nicht signifikant werden.
Soziodemographische Merkmale
Die drei Klassen unterscheiden sich in Geschlecht und Alter (Tabelle 25). Mit 64 % findet
sich der größte Anteil weiblicher Teilnehmer in der Gruppe „Schwere Traumatisierung“,
während in den anderen beiden Klassen die weiblichen Teilnehmer 27 bzw. 20 %
ausmachen. Unter den Jugendlichen „Ohne Traumatisierung“ finden sich signifikant mehr
10-13 jährige als in der Klasse „Mittlere Traumatisierung“.
Tabelle 25: Unterschiede in soziodemographischen Merkmalen zwischen den
Traum aklassen
Soziodemographische
Merkmale
(N = 208)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 41)
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 131)
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 36)
χ² (df), p/
Post-HocVergleich
N
%
N
%
N
%
11
26,8
26
19,8
23
63,9
10 – 13
8
19,5
6
4,6
0
0
2<1
14 – 15
16
39
40
30,5
11
30,6
-
16 – 17
12
29,3
53
40,5
15
41,7
-
18 – 20
5
12,2
32
24,4
10
27,8
-
Geschlecht
(weiblich)
Alter
26,79 (2),
0,000**
1,2 < 3
17,73 (8)
0,007**
22,7;
0,002**a
Institution
Durchgangs/Beobachtungsheim
Erziehungsheim
(mit Grundschule)
Erziehungsheim
(ohne
Grundschule)
Erziehungsheim
(schulentl. Jgdl.
mit internem
Beschäftigungs-/
Ausbildungsang.)
andere
Strafrechtliche
Einweisung
(N = 227)
8
19,5
10
7,6
7
19,4
19
46,3
36
27,5
6
16,7
6
14,6
14
10,7
5
13,9
8
19,5
70
53,4
18
50
0
0
1
0,8
0
0
3<1
1 < 2,3
1,7 (4), 0,783
80
Ergebnisse
Zivilrechtlich
20
51,3
68
52,3
21
60
Strafrechtlich
8
20,5
34
26,2
7
20
anderes
Ausländerstatus
(N = 200)
11
28,2
28
21,5
7
20
12
32,4
33
26
7
19,4
N = 39
IQ
N = 116
1,6 (2), 0,449
N = 30
M
SD
M
SD
M
99,41
14,55
95,97
13,85
96,07
F (df1, df2),
p
0,93 (2, 182),
13,08
0,395
SD
a Exakter Test nach Fisher
Teilnehmer der Klassen „Mittlere Traumatisierung“ und „Schwere Traumatisierung“
befinden sich im Vergleich zu Jugendlichen „Ohne Traumatisierung“ signifikant häufiger
in Erziehungsheimen für schulentlassene Jugendliche mit internem Beschäftigungs-/
Ausbildungsangebot. Dagegen sind die Jugendlichen „Ohne Traumatisierung“ signifikant
häufiger in Erziehungsheimen mit Grundschule untergebracht.
Jugendliche mit einem strafrechtlichen Einweisungshintergrund wurden am häufigsten der
Klasse 2 zugeordnet, der Unterschied zu den anderen Klassen wird jedoch nicht signifikant
(χ² = 1,7 (4), p = 0,783).
Vorherige Fremdunterbringungen
Auffallend ist des Weiteren der hohe Anteil (61 %) von Teilnehmern in der Gruppe
„Schwere Traumatisierung“, für die eine vorherige Fremdunterbringung bejaht wird; dieser
Anteil fällt für die beiden anderen Klassen geringer aus, liegt jedoch für die Gruppe
„Mittlere Traumatisierung“ mit 49 % ebenfalls hoch (Tabelle 26). Der Post-Hoc Vergleich
zeigt einen signifikanten Unterschied der Klasse 1 zu den anderen beiden Gruppen.
Tabelle 26: Unterschiede in der Häufigkeit einer vorherigen
Frem dunterbringung zwischen den Traum aklassen
N = 208
vorherige Fremdunterbringung
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 41)
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 131)
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 36)
N
%
N
%
N
%
11
26,8
64
48,9
22
61,1
χ² (df), p/
Post-HocVergleich
9.75 (2),
0,008**
1 < 2,3
81
Ergebnisse
Kinder- und jugendpsychiatrischer/ –psychotherapeutischer
Behandlungsstatus
Tabelle 27 macht deutlich, dass sich die drei Traumagruppen hinsichtlich ihres kinder- und
jugendpsychiatrischen/ -psychotherapeutischen Behandlungsstatus signifikant
unterscheiden: Die Jugendlichen der Klasse 3 befinden sich seltener in aktueller
Behandlung als die der Klasse 2. Allerdings zeigt die Einschätzung der Heimbetreuer, dass
für die „schwer traumatisierten“ Jugendlichen (81 %) tendenziell häufiger ein
entsprechender Behandlungsbedarf gesehen wird verglichen mit den Jugendlichen in den
anderen beiden Klassen, auch wenn der Unterschied nicht statistisch bedeutsam ist.
Demzufolge hängt die aktuelle Versorgungssituation der Teilnehmer nicht mit der
Wahrnehmung der jeweiligen Betreuer - und wie nachfolgend aufgezeigt wird – ebenfalls
nicht mit der höheren psychopathologischen Belastung der Jugendlichen in den Klassen 2
und 3 zusammen.
T abelle 27: Unterschiede im ak tuellen k inder- und jugendps ychiatrischen/
p s yc h o t h e r a p e u t i s c h e n B e h a n d l u n g s s t a t u s z w i s c h e n d e n
Traum aklassen
Behandlungsstatus
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 41)
N
Aktuelle kinder/jugendpsychiatr.
oder
psychotherap.
Behandlung
(N = 206)
Aktuelle
medikamentöse
Behandlung
(N = 208)
Halten Sie den
Jgdl. für kinder-/
jugendpsychiatr.
oder
psychotherap.
behandlungsbedürftig?
(N = 204)
%
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 131)
N
%
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 36)
N
%
χ² (df), p/
Post-HocVergleich
7 (2), 0,030*
29
72,5
90
69,2
17
47,2
3<2
6
14,6
20
15,3
7
19,4
0,4 (2), 0,808
26
66,7
76
58,9
29
80,6
5,9 (2), 0,053
Es muss allerdings bedacht werden, dass diese Ergebnisse exploratorisch sind. Aufgrund
der Annahme von 3 Tests muss hier streng genommen von einem korrigierten
82
Ergebnisse
Signifikanzniveau von p < 0,02 ausgegangen werden, unter dem keiner der in Tabelle 27
dargestellten Unterschiede signifikant wird.
Prognose
Die Legalprognose, beurteilt durch die Heimbetreuer, fällt für die Jugendlichen der Klasse
„Schwere Traumatisierung“ schlechter aus als für die der anderen beiden Gruppen (F = 4,6
(2; 203), p < 0,011) (Abbildung 14). Der Post-Hoc Vergleich zeigt weiterhin, dass sich die
Klassen „Ohne Traumatisierung“ und „Mittlere Traumatisierung“ bezüglich der
legalprognostischen Einschätzung nicht unterscheiden. Keine Unterschiede zwischen den
einzelnen Klassen ergeben sich hinsichtlich der Prognose der Maßnahme insgesamt.
6
ohne
Traumatisierung
(Klasse 1, N= 40)
Mittelwert
5
4
mittlere
Traumatisierung
(Klasse 2, N= 130)
3
2
schwere
Traumatisierung
(Klasse 3, N= 36)
1
0
Prognose insgesamt
Legalprognose
Ab b i l d u n g 1 4 : P r o g n o s e d e r M a ß n a h m e i n s g e s a m t s o w i e d e r L e g a l p r o g n o s e
nach Einschätzung der Betreuer je Traum aklasse
Zufriedenheit
Abbildung 15 zeigt die Zufriedenheit der Teilnehmer im Selbst (S)- und Fremdurteil (F)
bezüglich ihrer Unterbringung und Maßnahme pro Klasse. Befragt nach der Zufriedenheit
in den letzten Wochen insgesamt finden sich keine Unterschiede zwischen den
Traumaklassen. Allerdings fühlen sich die „schwere traumatisierten“ Jugendlichen von den
Betreuern weniger ernst genommen (F = 6,1 (2; 196), p = 0,002) sowie schlechter über die
Maßnahme informiert (F = 3,4 (2; 196), p = 0,035).
83
Ergebnisse
4
Mittelwert
3
2
1
0
)
F)
S)
S)
(S )
( S)
( F)
t (S
n(
n(
n(
n
n
n
r
e
e
e
e
e
e
e
t
i
d
d
l
ib
ib
rm
mm
frie
fri e
sta
bl e
bl e
no
zu
zu
nfo
u
u
i
tge
e
t
z
i
z
k
g
h
r
r
st
em
wir
sic
hi e
hi e
ll,
er n
ing
lte
r t,
o
h
e
D
h
i
v
fü
n
te
tiv
sic
sin
nn
mo
lte
t
h
ko
s
ü
i
f
ohne
Traumatisierung
(Klasse 1, N= 41)
mittlere
Traumatisierung
(Klasse 2, N= 123)
schwere
Traumatisierung
(Klasse 3, N= 35)
Ab b i l d u n g 1 5 : Z u f r i e d e n h e i t m i t d e r a k t u e l l e n M a ß n a h m e j e T r a u m a k l a s s e
Die Einschätzung der Betreuer verdeutlicht, dass sie die Jugendlichen der Klasse „Schwere
Traumatisierung“ für insgesamt weniger zufrieden (F = 9,5 (2; 77), p <= 0,000) als auch
weniger motiviert (F = 3,2 (2; 196), p = 0,043) beurteilen als die Teilnehmer in den
Klassen „Mittlere Traumatisierung“ und „Ohne Traumatisierung“. Die Jugendlichen „ohne
Traumatisierung“ schätzen sie dagegen am meisten motiviert und zufrieden ein.
Schlimmstes Erlebnis
Eine beschreibende Auswertung der als „schlimmstes Erlebnis“ angegebenen Ereignisse in
den beiden Traumaklassen „Mittlere Traumatisierung“ und „Schwere Traumatisierung“ ist
in Tabelle 28 dargestellt. Es wird deutlich, dass diejenigen Jugendlichen, die schwere,
interpersonale Traumatisierungen wie etwa sexuellen Missbrauch oder Vernachlässigung
erlebt haben, diese seltener als andere Ereignisse als das „schlimmste Ereignis“ berichten.
In der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ gibt es keinen Teilnehmer, der ein solches
traumatisches Erlebnis als das „schlimmste“ kennzeichnet, obwohl in dieser Klasse diese
Ereignisse am häufigsten bejaht werden. Dagegen werden von den „schwer
traumatisierten“ Jugendlichen vorwiegend Erfahrungen wie „Naturkatastrophe“,
„Schwerer Unfall“ und „Schwere Krankheit“ als am „schlimmsten“ wahrgenommen.
84
Ergebnisse
Tabelle 28: Die Häufigkeit der Angabe der einzelnen traumatischen
Erfahrungen als schlimmstes Erlebnis in den beiden
Traum aklassen „Mittlere“ und „Schwere Traum atisierung“
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 131)
Schlimmstes Erlebnis (ETI)
(N = 167)
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 36)
N
%
N
%
Naturkatastrophe
28
21,4
10
27,8
schwerer Unfall
34
26
7
19,4
schwere Krankheit
22
16,8
7
19,4
gewalttätiger Angriff (fremde Person)
18
13,7
5
13,9
7
5,3
7
19,4
13
9,9
0
0
Gefangenschaft
2
1,5
0
0
als Kind sexueller Missbrauch (fremde Person)
3
2,3
0
0
als Kind sexueller Missbrauch (bekannte Person)
1
0,8
0
0
Vernachlässigung/Verwahrlosung
3
2,3
0
0
gewalttätiger Angriff (bekannte Person)
Tod oder Verlust (wichtige Bezugsperson)
DSM-IV A Kriterium und Verdacht auf PTBS im ETI
Die Gruppen „Mittlere Traumatisierung“ und „Schwere Traumatisierung“ wurden in den
weiteren ETI-Variablen, die sich auf das angegebene „schlimmste Erlebnis“ beziehen,
verglichen (Tabelle 29). Es zeigt sich, dass sich die beiden Klassen in der Häufigkeit des
erfüllten DSM-IV A Kriteriums unterscheiden: Während fast dreiviertel der „Schwere
Traumatisierung“ Jugendlichen das Kriterium erfüllen, gilt dies für immer noch viele
(46 %), aber signifikant weniger Teilnehmer aus der Gruppe „mittlere Traumatisierung“
(χ² = 7,7 (1), p = 0,006).
Tabelle 29: Unterschiede in der Erfüllung des DSM-IV A Kriteriums und der
Kriterien der PTBS erhoben über das ETI zwischen den
Traum aklassen „Mittlere“ und „Schwere Traum atisierung“
ETI Ergebnisse
(N = 164)
DSM-IV
Kriterium A
erfüllt
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 128)
Klasse 3
Schwere Traumatisierung
(N = 36)
N
%
N
%
59
46,1
26
72,2
χ² (df), p
7,7 (1), 0,006*
85
Ergebnisse
DSM-IV
Kriterium A 1
erfüllt
DSM-IV
Kriterium A 2
erfüllt
ETI Gesamtwert
80
62,5
30
83,3
5,5 (1), 0,019*
91
71,1
32
88,9
4,7 (1), 0,029*
22,9 (2), 0,000**
nicht auffällig
102
79,7
15
41,7
grenzwertig
22
17,2
14
38,9
klinisch auffällig
Verdacht auf
PTBS
nicht auffällig
4
3,1
7
19,4
98
76,6
14
38,9
grenzwertig
22
17,2
11
30,6
klinisch auffällig
8
6,2
11
30,6
7
5,5
10
27,8
PTBS (ETI)
22,7 (2), 0,000**
15,1 (1), 0,001**
Die Jugendlichen der Klasse „Schwere Traumatisierung“ erreichen zudem deutlich höhere
Werte in allen Subskalen des ETI und weisen demzufolge häufiger einen Verdacht auf
PTBS auf (χ² = 22,7 (2), p <= 0,000). Insgesamt erfüllen damit 28 % in der Gruppe
„Schwere Traumatisierung“ im ETI die Kriterien für eine PTBS, dagegen 5,5 % in der
Klasse „Mittlere Traumatisierung“ (χ² = 15,1 (1), p = 0,001). Geschlechtereffekte sind hier
zu diskutieren.
Aufgrund der Annahme von 6 Tests muss hier streng genommen von einem korrigierten
Signifikanzniveau von p < 0,008 ausgegangen werden, unter dem die meisten in Tabelle 29
dargestellten Unterschiede signifikant werden (siehe sowohl fett als auch mit Sternchen
markierte Wahrscheinlichkeiten).
3.8.4 Vergleich der Traumaklassen: Psychopathologie und psychiatrische
Diagnosen
Psychopathologie
Zur Berechnung der Unterschiede zwischen den Traumaklassen in den einzelnen
Subskalen des Maysi wurde „Geschlecht“ als zweiter Faktor in die Varianzanalyse mit
aufgenommen, um etwaige Interaktionseffekte prüfen zu können. Für keine der Skalen
ergab sich ein signifikanter Interaktionseffekt.
Die Jugendlichen der „Schwere Traumatisierung“ Gruppe beschreiben sich in fast allen
Maysi-2 Skalen als signifikant belasteter verglichen mit den anderen beiden Gruppen
86
Ergebnisse
(Tabelle 30). Post-Hoc Vergleiche zeigen, dass sich die drei Gruppen in den Skalen
„Alkohol- und Drogengebrauch“, „Ärgerlich-Reizbar“, „Depressiv-Ängstlich“ und
„Traumatische-Erlebnisse“ alle voneinander unterscheiden, indem die Skalenwerte von
Klasse 1 zu Klasse 3 hin ansteigen. In der Skala „Somatische Beschwerden“ zeigt sich
dagegen nur ein signifikanter Unterschied zwischen der Klasse „Schwere
Traumatisierung“ im Vergleich zu Klasse 1 und 2; in der Skala „Denkstörung“
unterscheiden sich die Klassen 1 und 2 signifikant.
T abelle 30: Mittelwer tsunterschiede in den Subsk alen des Mays i-2 zwischen
den Traum aklassen
Maysi-2
(N = 197)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 41)
M
Alkohol- und
Drogengebrauch
ÄrgerlichReizbar
DepressivÄngstlich
Somatische
Beschwerden
1,44
SD
2,21
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 122)
M
2,73
SD
2,9
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 34)
M
4,29
Post-HocSD Vergleich
2,74
7,9 (2, 191),
0,001**
1<2<3
2,8
2,26
4,01
2,77
5,65
2,39
7,6 (2, 191),
0,001**
1<2<3
1,22
1,51
2,15
2,03
4,06
2,69
10,09 (2,
191), 0,000**
1 < 2< 3
1,1
1,3
1,47
1,39
2,62
1,86
5,1 (2, 191),
0,007**
1, 2 < 3
Suizidgedanken
0,95
Denkstörungen
(Jungen)
0,33
0,66
0,85
1,2
0,36
0,92
Traumatische
Erlebnisse
1,05
1,28
2,09
1,35
3,41
1,23
1,6
1,29
1,71
2,79
2,04
5,7 (2, 191),
0,004**
1,2 < 3
3,1 (2, 191),
0,049*
1<2
27,63 (2,
191), 0,000**
1<2<3
N
Mind. 1 Skala
auffällig
F (df1, df2),
p/
20
%
48,8
N
85
%
69,7
N
33
%
97,1
χ² (df), p
20,7 (2),
0,000**
1<2<3
87
Ergebnisse
Psychiatrische Diagnosen und Komorbidität
Der Anteil an Teilnehmern, die mindestens eine psychiatrische Diagnose erfüllen, liegt mit
73 % in der Stichprobe insgesamt sehr hoch. Dennoch zeigt sich hier ein signifikanter
Unterschied zwischen den drei Gruppen: 89 % der „schwer traumatisierten“ Jugendlichen
erfüllen mindestens eine ICD-10 Diagnose, während dies für 73 % in der Klasse „Mittlere
Traumatisierung“ sowie 59 % in der Gruppe „Ohne Traumatisierung“ zutrifft (χ² = 9 (2),
p = 0,011) (Tabelle 31).
T a b e l l e 3 1 : U n t e r s c h i e d e i n d e n H ä u f i g k e i t e n p s yc h i a t r i s c h e r D i a g n o s e n
zwischen den Traum aklassen
Diagnosen
(N = 208)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 41)
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 131)
Klasse 3
Schwere
Traumatisier.
(N = 36)
χ² (df), p/
Post-HocVergleich
N
%
N
%
N
%
24
58,5
96
73,3
32
88,9
Substanzgeb. Störung
(F10-F14)
5
12,2
31
23,7
7
Depressive Störungen
(F23, F33, F38, F39)
3
7,3
5
3,8
7
19,4
a
Angststörungen
(F40 – F42)
1
2,4
12
9,2
4
11,1
a
Reaktionen auf
schwere Belastungen
und Anpassungsstör.
(F43)
4
9,8
7
5,3
6
16,7
a
Dissoziative,
Somatisierungs- und
sonst. Neurotische
Störungen (F44, F45,
F48)
0
0
0
0
2
5,6
a
3
7,3
8
6,1
2
5,6
a
5
12,2
22
16,8
5
13,9
0,6 (2),
0,747
7
17,1
38
29
7
19,4
3,1 (2), 0,
213
Mindestens eine
ICD-10 Diagnose
ADHD (F90.0, F90.8
- F90.9)
Hyperkinetische
Störung des
Sozialverhaltens
(F90.1)
Störung des
Sozialverhaltens
(F91)
9 (2),
0,011*
1<3
2,5 (2),
19,4
0,280
88
Ergebnisse
Kombinierte Störung
des Sozialverhaltens
(F92)
Persönlichkeitsstörung
(mind. eine)
Dissoziale (F60.2)
Emotional instabile
(F60.3)
Nicht näher
bezeichnete
(F60.9)
Kombinierte
(F61.0)
3
3
7,3
7,3
11
27
8,4
20,6
7
17
a
19,4
47,2
18,3 (2),
0,000**
1,2 < 3
0
0
6
4,7
1
2,8
a
1
2,8
2
1,6
5
13,9
a
1
2,8
13
10,1
7
19,4
a
0
0
1
0,8
3
8,3
a
a Mindestens 25 % der Zellen haben eine erwartete Häufigkeit kleiner 5.
Unterschiede in der gleichen Richtung finden sich für die Diagnose einer
Persönlichkeitsstörung. Auch hier weisen Teilnehmer, die der Klasse „Schwere
Traumatisierung“ zugeordnet sind, häufiger eine Persönlichkeitsstörung auf im Vergleich
zu den Jugendlichen in den anderen beiden Klassen (χ² = 18,3 (2), p <= 0,000).
Der Vergleich der Klassen in den häufigsten Störungsgruppen ist ebenfalls in Tabelle 31
aufgeführt. Da die Zellenbesetzungen hier zumeist sehr klein werden, können Unterschiede
in den Häufigkeitsverteilungen nicht statistisch ausgewertet werden.
Weiterhin findet sich unter den „schwer traumatisierten“ Jugendlichen eine höhere
Komorbidität, definiert durch die Erfüllung mehr als einer psychiatrischen Diagnose:
Durchschnittlich 2,33 (SD = 1,81) Störungen wurden in dieser Gruppe diagnostiziert,
dagegen signifikant weniger in den Klassen „Mittlere Traumatisierung“ (MW = 1,69,
SD = 1,53) und „Ohne Traumatisierung“ (MW = 1,1, SD = 1,2) (χ² = 10,6 (2), p = 0,005).
Abbildung 16 zeigt, für wie viele Jugendliche je Klasse die jeweilige Anzahl an Störungen
diagnostiziert wurde.
Allerdings muss bedacht werden, dass diese Ergebnisse exploratorisch sind. Aufgrund der
Annahme von 5 Tests, muss hier von einem korrigierten Signifikanzniveau von p < 0,01
ausgegangen werden, unter dem der in Tabelle 31 dargestellte Unterschied bezüglich der
Persönlichkeitsstörungen signifikant bleibt (siehe sowohl fett als auch mit Sternchen
markierte Ergebnisse).
89
Ergebnisse
50%
ohne
Traumatisierung
(Klasse 1, N= 41)
40%
mittlere
Traumatisierung
(Klasse 2, N= 131)
30%
20%
schwere
Traumatisierung
(Klasse 3, N= 36)
10%
0%
keine
1
2
3
4
5
6
7
Diagn. Diagn. Diagn. Diagn. Diagn. Diagn. Diagn. Diagn.
Ab b i l d u n g 1 6 : A n z a h l v e r s c h i e d e n e r D i a g n o s e n j e T r a u m a k l a s s e
Soziales Funktionsniveau
Die Einstufung der Teilnehmer auf der Globalen-Anpassungs-Skala (GAS) durch die
Projektmitarbeiter verdeutlichen eine im Mittel größere Einschränkung im sozialen
Funktionsniveau der Jugendlichen der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ verglichen mit
den Jugendlichen in den anderen Klassen (χ² = 8,6 (2), p = 0,013). Abbildung 17 zeigt, wie
viele Jugendliche je Klasse in den einzelnen GAS-Stufen eingeschätzt worden sind.
50%
ohne
Traumatisierung
(Klasse 1, N= 41)
40%
30%
mittlere
Traumatisierung
(Klasse 2, N= 131)
20%
10%
0%
rvo
he
t
gu
d/
n
ge
rra
it
g
g
ke
un
un
g
i
tig
h
t ig
h
h
ä
f
c
c
rä
em
rä
ns
tr
int
in
tio
int
ein
e
k
e
e
f
Be
un
Be
Be
au
te
k.
he
eF
ge
h
i
g
c
d
i
i
c
l
ß
r
ä
ie
lei
eln
eb
m
rh
hs
hw
c
e
c
e
S
w
te
ch
i
e
l
g
un
tig
h
äc
t
bie
e
G
schwere
Traumatisierung
(Klasse 3, N= 36)
Ab b i l d u n g 1 7 : S o z i a l e s F u n k t i o n s n i v e a u e r h o b e n ü b e r d i e G A S j e
Traum aklasse
3.8.5 Vergleich der Traumaklassen: Delinquenz und Psychopathie
Deliktart
Die drei Klassen unterscheiden sich signifikant darin, wie viele der Jugendlichen jeweils
90
Ergebnisse
angeben, mindestens eins der abgefragten Delikte begangen zu haben (χ² = 6,4 (2),
p = 0,041). Eine genauere Analyse der Deliktarten zeigt, dass weit über zwei Drittel der
Jugendlichen aus der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ die Tat einer Sachbeschädigung
(85 %) sowie ein Gewaltdelikt (71 %) angeben, während dieser Anteil in der Gruppe
„Ohne Traumatisierung (37 %) signifikant niedriger liegt (Tabelle 32). Ebenfalls
signifikant häufiger werden Sachbeschädigungen, Gewalt- und Eigentumsdelikte von
Jugendlichen mit „mittlerer Traumatisierung“ begangen als von denjenigen „ohne
Traumatisierung“. Bei schweren Gewaltdelikten zeigt sich, dass 24 % in Klasse 1 und
34 % in Klasse 2 berichten, ein schweres Gewaltdelikt begangen zu haben, während dies
für mehr als die Hälfte der Teilnehmer in Klasse 3 zutrifft. Signifikant wird der
Unterschied jedoch nur zwischen Klasse 1 und Klasse 3.
Tabelle 32: Unterschiede in der Deliktschwere sowie in den Häufigkeiten
einzelner Deliktarten zwischen den Traum aklassen
Kriminologische
Fragen (N = 197)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 41)
N
mind. ein Delikt
31
%
75,6 %
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 122)
N
108
%
88,5 %
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 34)
N
32
%
94,1 %
χ² (df), p/
Post-HocVergleich
6,4 (2),
0,041*
19,63 (4),
0,001**
Deliktschwere
Kein/leicht
22
53,7
28
23
4
11,8
mittel
4
9,8
20
16,4
6
17,6
schwer
15
36,6
74
60,7
24
70,6
Sachbeschädigung
Eigentumsdelikt
15
36,6
79
64,8
29
85,3
2,3 < 1
1 < 2,3
19,54 (2),
0,000**
1 < 2,3
26
63,4
107
87,7
28
82,4
12,13 (2),
0,002**
1<2
Eigentumsdelikt
(schwer)
Gewaltdelikt
14
15
34,1
36,6
66
78
54,1
63,9
18
24
52,9
5,1 (2), 0,080
70,6
11,65 (2),
0,003**
1 < 2,3
91
Ergebnisse
Gewaltdelikt
(schwer)
Sexuelle Delikte
Mediendelikte
10
24
41
33,6
19
8,57 (2),
0,014*
55,9
1<3
1
2,4
10
8,2
1
2,9
1,83; 0,389a
27
65,9
101
82,8
27
79,4
5,3 (2), 0,072
a Exakter Test nach Fisher
Es muss allerdings bedacht werden, dass diese Ergebnisse exploratorisch sind. Aufgrund
der Annahme von 9 Tests muss hier streng genommen von einem korrigierten
Signifikanzniveau von p < 0,006 ausgegangen werden (siehe sowohl fett als auch mit
Sternchen markierte Wahrscheinlichkeiten), unter dem die Unterschiede bezüglich
„schweres Gewaltdelikt“ sowie „mind. 1 Delikt“ nicht signifikant werden.
Die „schwer traumatisierten“ Jugendlichen weisen zudem eine höhere Variabilität in ihrer
Delinquenz auf. Durchschnittlich haben sie 6,4 (SD = 3,8) unterschiedliche Delikte
begangen, dagegen die Teilnehmer der Klassen „Ohne Traumatisierung“ (M = 3,2,
SD = 3,7) und „Mittlere Traumatisierung“ (M = 5,7, SD = 4) signifikant weniger (χ² = 16,2
(2), p <= 0,000) (Abbildung 18). Auf der Ebene der Anzahl verschiedener begangener
Delikte in den einzelnen Deliktarten werden die Unterschiede zwischen den Klassen
bezüglich Sachbeschädigungen, Eigentumsdelikten, (schwerer) Gewaltdelikten und
Mediendelikten signifikant. Die Teilnehmer „Ohne Traumatisierung“ bejahen jeweils im
Mittel am wenigsten verschiedene Delikte.
7
Mittelwert
6
5
4
3
2
1
mittlere
Traumatisierung
(Klasse 2, N= 122)
schwere
Traumatisierung
(Klasse 3, N= 34)
ve
rs
ch
ie
de
ne
Sa
D
ch
el
ikt
be
e
sc
hä
di
Ei
gu
sc
ge
ng
hw
nt
um
er
er
sd
Ei
el
ge
ik
te
nt
um
sd
el
ikt
G
e
sc
ew
hw
al
t
er
de
er
lik
G
te
ew
al
td
el
se
ikt
xu
e
el
le
rD
M
el
ed
ikt
M
ie
e
ed
nd
i
el
en
ik
de
te
lik
(G
te
ew
al
tin
ha
l te
)
0
ohne
Traumatisierung
(Klasse 1, N= 41)
Ab b i l d u n g 1 8 : M i t t l e r e A n z a h l v e r s c h i e d e n e r b e g a n g e n e r D e l i k t e ( j e D e l i k t a r t )
je Traum aklasse
Ergebnisse
92
Deliktschwere
Zur Beantwortung der Frage, ob die Heimjugendlichen in Abhängigkeit von Art und
Häufigkeit belastender Ereignisse nicht nur andere, sondern auch schwerere Delikte
begehen, wurden die Traumaklassen den Deliktschwere-Gruppen gegenübergestellt.
Die drei Klassen unterscheiden sich signifikant darin, wie viele der Jugendlichen jeweils
angeben, mindestens eins der abgefragten Delikte begangen zu haben (χ² = 6,4 (2),
p = 0,041). Eine genauere Analyse der Deliktarten zeigt, dass weit über zwei Drittel der
Jugendlichen aus der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ die Tat einer Sachbeschädigung
(85 %) sowie ein Gewaltdelikt (71 %) angeben, während dieser Anteil in der Gruppe
„Ohne Traumatisierung (37 %) signifikant niedriger liegt (Tabelle 32). Ebenfalls
signifikant häufiger werden Sachbeschädigungen, Gewalt- und Eigentumsdelikte von
Jugendlichen mit „mittlerer Traumatisierung“ begangen als von denjenigen „ohne
Traumatisierung“. Bei schweren Gewaltdelikten zeigt sich, dass 24 % in Klasse 1 und
34 % in Klasse 2 berichten, ein schweres Gewaltdelikt begangen zu haben, während dies
für mehr als die Hälfte der Teilnehmer in Klasse 3 zutrifft. Signifikant wird der
Unterschied jedoch nur zwischen Klasse 1 und Klasse 3 (Tabelle 32).
Es zeigt sich deutlich, dass über zwei Drittel der „schwer traumatisierten“ Jugendlichen
schwere Delikte bejahen; dies gilt für immer noch 61 % der Klasse „Mittlere
Traumatisierung“. Der Anteil schwerer Delikte sinkt dagegen bei den Teilnehmern „Ohne
Traumatisierung“ auf 37 %. Während die Jugendlichen mit einem mittelschweren Delikt in
den Gruppen „Ohne Traumatisierung“ und „Mittlere Traumatisierung“ den kleinsten
Anteil ausmachen, wurden von den „schwer traumatisierten“ Jugendlichen am seltensten
keine/leichte Vergehen (12 %) angegeben. Insgesamt unterscheiden sich damit die
Traumaklassen nach Deliktschwere signifikant (χ² = 19,63 (4), p = 0,001); der Post-Hoc
Vergleich verdeutlicht hier einen signifikanten Unterschied zwischen Klasse 1 zu den
beiden anderen Klassen.
Strafrechtlicher Einweisungsgrund
Kein signifikanter Unterschied zwischen den Traumaklassen zeigt sich bezüglich des
strafrechtlichen Einweisungsgrundes (Tabelle 33).
93
Ergebnisse
Tabelle 33: Unterschied in der Häufigkeit einer strafrechtlichen Einweisung
der Jugendlichen zwischen den Traum aklassen
Strafrechtliche
Einweisung
(N = 204)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 39)
Strafrechtliche
Einweisung
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 130)
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 35)
N
%
N
%
N
%
8
20
34
26
7
20
χ² (df), p/
Post-HocVergleich
0,9 (2), 0,639
Hier ist zu berücksichtigen, dass sich in der Gesamtstichprobe ein Geschlechtsunterschied
in der Häufigkeit der strafrechtlichen Platzierung findet. Nur 5 % der Mädchen, dagegen
32 % der Jungen weisen einen strafrechtlichen Einweisungshintergrund (χ² = 16,3 (1), p
<= 0,000) auf.
Psychopathie
Zur Überprüfung der Unterschiede zwischen den Traumaklassen in den Subskalen des YPI
wurde das Geschlecht als zweiter Faktor in die Varianzanalyse mit aufgenommen, um
Interaktionseffekte zu testen. Kein Interaktionseffekt wurde signifikant. In Tabelle 34 wird
deutlich, dass trotz eines Zusammenhangs zwischen den Traumaklassen und
Deliktschwere, keine Unterschiede zwischen den Klassen in der Ausprägung
psychopathischer Persönlichkeitsfaktoren besteht.
Tabelle 34: Mittelwertsunterschiede in den Skalen des YPI zwischen den
Traum aklassen
YPI
(N = 197)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 40)
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 122)
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 35)
Post-HocSD Vergleich
M
SD
M
SD
M
10,6
2,1
11,4
2,3
11,3
2,4
9,7
2,9
10,6
2,8
10,2
3,1
Affektiv
10,4
2,3
11,2
2,6
10,5
2,2
Behavioral
11,7
2,7
12,6
2,6
13,3
3,2
Gesamtwert
Interpersonal
F (df1, df2),
p/
2,2 (2, 191),
0,114
1,3 (2, 191),
0,264
1,4 (2, 191),
0,255
2,4 (2, 191),
0,098
94
Ergebnisse
3.9
Vergleich der Traumaklassen nach Geschlecht
Die Traumaklassen wurden für eine weitere Analyse nach Geschlecht getrennt und
verglichen. Allerdings werden hier – insbesondere bei den Mädchen – die Gruppen
teilweise sehr klein, so dass Unterschiede nur in ausgewählten, übergeordneten Variablen
statistisch getestet wurden. Speziell interessierte, ob die Zusammenhänge zwischen den
Traumaklassen und Psychopathologie, psychiatrische Diagnosen sowie Delinquenz
bestehen blieben.
3.9.1 Weibliche Traumaklassen
Die größte Gruppe der weiblichen Klassen - „Mittlere Traumatisierung“ - besteht aus 26
(43 %) weiblichen Teilnehmern; es folgt die „Schwere Traumatisierung“ Klasse mit 23
(38 %) Mädchen, 11 (18 %) weitere befinden sich in der Gruppe „Ohne Traumatisierung“.
Es zeigen sich keine Unterschiede in den soziodemographischen Variablen (Tabelle 35).
Tabelle 35: Soziodemographische Merkm ale der weiblichen Traum aklassen
Soziodemographische
Merkmale –
Mädchen
(N = 60)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 11)
N
%
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 26)
N
%
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 23)
N
%
χ² (df), p/
Post-HocVergleich
9,3; 0,112a
Alter
10 – 13
2
18,2
1
3,8
0
0
14 – 15
7
63,6
11
42,3
8
34,8
16 – 17
1
9,1
11
42,3
12
52,2
18 – 20
1
9,1
3
11,5
3
13
4,8; 0,849a
Institution
Durchgangs/Beobachtungsheim
Erziehungsheim
(mit Grundschule)
Erziehungsheim
(ohne
Grundschule)
Erziehungsheim
(schulentl. Jgdl.
mit internem
Beschäftigungs-/
Ausbildungsang.
andere
4
36,4
6
32,1
6
26,1
3
27,3
5
19,2
4
17,4
2
18,2
3
11,5
5
21,7
2
18,2
11
42,3
8
34,8
0
0
1
3,8
0
0
95
Ergebnisse
Strafrechtliche
Einweisung
1,1; 0,979a
Zivilrechtlich
8
72,7
20
76,9
17
77,3
Strafrechtlich
1
9,1
1
3,8
1
4,5
anderes
2
18,2
5
19,2
4
18,2
1
11,1
9
36
6
26,1
Ausländerstatus
N = 10
IQ
N = 24
2,1 (2), 0,349
N = 20
M
SD
M
SD
M
SD
102,6
19,56
94,29
11,55
92,3
12,8
F (df1, df2),
p
1,9 (2, 51),
0,153
a Exakter Test nach Fisher
Psychopathologie und psychiatrische Diagnosen
In den Maysi-2 Skalen bleiben die Unterschiede zwischen den Traumaklassen bei den
weiblichen Teilnehmern größtenteils bestehen (Tabelle 36). Durchgängig in jeder Skala
steigt der Wert von Klasse 1 zu Klasse 2 hin an; die „schwer traumatisierten“ Mädchen
beschreiben sich demnach belasteter verglichen mit den Mädchen der anderen Gruppen.
Außer in der Skala „Somatische Beschwerden“ werden die Unterschiede signifikant. Die
Post-Hoc Vergleiche verdeutlichen die klinische Auffälligkeit der weiblichen Jugendlichen
in der Klasse „Schwere Traumatisierung“.
T abelle 36: Mittelwer tsunterschiede in den Subsk alen des Mays i-2 je
Traum aklasse (weiblich)
Maysi-2 –
Mädchen
(N = 59)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 11)
M
Alkohol- und
Drogengebrauch
ÄrgerlichReizbar
DepressivÄngstlich
1,82
SD
2,6
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 25)
M
2,12
SD
2,68
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 23)
M
4,3
F (df1, df2),
p/
Post-HocSD Vergleich
2,85
4,9 (2, 56),
0,011*
1,2 < 3
3,27
1,74
4,16
2,85
5,83
2,39
6,34 (2, 32,2),
0,005**
1<3
1,91
1,87
2,84
2,46
4,65
2,64
5,7 (2, 56),
0,005**
1,2 < 3
96
Ergebnisse
Somatische
Beschwerden
1,91
1,76
2,24
1,48
2,87
1,91
1,4 (2, 56),
0,250
Suizidgedanken
1,82
2,09
1,84
1,8
3,17
2
3,4 (2, 56),
0,042*
Traumatische
Erlebnisse
0,82
1,08
2
1,41
3,3
14,1 (2, 56),
0,000**
1,33
1,2 < 3
Mind. 1 Skala
auffällig
N
%
N
%
N
%
χ² (df), p
6
54,5
18
72
23
100
12,3;
0,002**a
a Exakter Test nach Fisher
Tabelle 37 zeigt, für wie viele der Mädchen in den einzelnen Traumagruppen eine
psychiatrische Störung diagnostiziert wurde. Für den statistischen Vergleich werden die
Gruppen bereits sehr klein. Auch wenn der Anteil der Mädchen mit Diagnose von Klasse 1
(54 %) zu Klasse 3 (87 %) ansteigt, wird der Unterschied nicht signifikant (χ² = 4,7 (2),
p = 0,093). Dagegen zeigt sich für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung ein
signifikanter Unterschied zwischen den „schwer traumatisierten“ Mädchen (39 %) und den
Mädchen „ohne Traumatisierung“ (7,7 %). Dieser Unterschied bleibt auch unter einem
korrigierten Signifikanzniveau von p < 0,025 (bei einer Annahme von 2 Tests) signifikant.
T a b e l l e 3 7 : U n t e r s c h i e d e i n d e r H ä u f i g k e i t p s yc h i a t r i s c h e r D i a g n o s e n
zwischen den Traum aklassen (weiblich)
Diagnosen –
Mädchen
(N = 60)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 11)
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 26)
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 23)
N
%
N
%
N
%
6
54,5
17
65,4
20
87
Substanzgeb.
Störung
(F10-F14)
1
9,1
5
19,2
3
13
Depressive
Störungen (F23,
F33, F38, F39)
2
18,2
0
0
3
13
Mindestens eine
ICD-10 Diagnose
χ² (df), p/
Post-HocVergleich
4,7 (2), 0,093
97
Ergebnisse
Angststörungen
(F40 – F42)
Reaktionen auf
schwere
Belastungen und
Anpassungsstör.
(F43)
Dissoziative,
Somatisierungsund sonst.
Neurotische
Störungen (F44,
F45, F48)
ADHD (F90.0,
F90.8 – F90.9)
Hyperkinetische
Störung des
Sozialverhaltens
(F90.1)
0
0
5
19,2
3
13
1
9,1
2
7,7
5
21,7
0
0
0
0
1
4,3
0
0
2
7,7
1
4,3
1
9,1
0
0
4
14,4
Störung des
Sozialverhaltens
(F91)
2
18,2
8
30,8
2
8,7
Kombinierte
Störung des
Sozialverhaltens
(F92)
1
9,1
4
15,4
4
17,4
Persönlichkeitsstörung
(mind. eine)
Emotional
instabile (F60.3)
Nicht näher
bezeichnete
(F60.9)
Kombinierte
(F61.0)
1
9,1
2
7,7
9
39,1
7,64; 0,019*a
2<3
1
10
1
3,8
3
13
0
0
1
3,8
3
13
0
0
0
0
3
13
a Exakter Test nach Fisher
Die weiblichen Teilnehmer in der Klasse „Schwere Traumatisierung“ leiden
durchschnittlich an 2,04 (SD = 1,64) verschiedenen Störungen und zeigen damit eine
höhere Komorbidität als die der Gruppen „Mittlere Traumatisierung“ (MW = 1,31,
SD = 1,4) und „Ohne Traumatisierung“ (MW = 1,1, SD = 1,2), der Unterschied ist jedoch
nicht statistisch bedeutsam (χ² = 3,9 (2), p = 0,143).
Soziales Funktionsniveau
Die „schwer traumatisierten“ Mädchen werden in ihrem sozialen Funktionsniveau im
Mittel als beeinträchtigter (M = 3,6, SD = 0,8) eingeschätzt als diejenigen der Klassen
98
Ergebnisse
„Mittlere Traumatisierung“ (MW = 3,1, SD = 0,8) und „Ohne Traumatisierung“
(MW = 2,6, SD = 0,9) (χ² = 8,5 (2), p = 0,014).
Delinquenz
91 % der „schwer traumatisierten“ Mädchen geben an, bereits eins der abgefragten Delikte
begangen zu haben; dies gilt für 88 % der Klasse „Mittlere Traumatisierung“ sowie 55 %
der Mädchen „ohne Traumatisierung“. Damit unterscheiden sich die Klassen 1 und 3
signifikant voneinander. Die Klassen unterschieden sich zudem in den meisten Deliktarten
signifikant (Tabelle 38). Die weiblichen Teilnehmer der Gruppe „Schwere
Traumatisierung“ geben sowohl signifikant häufiger Sachbeschädigungen sowie Taten aus
dem Bereich der Medien an als die Mädchen „Ohne Traumatisierung“. Die Hälfte der
„schwer traumatisierten“ Mädchen bejaht zudem ein schweres Gewaltdelikt und damit
signifikant häufiger als diejenigen der Gruppen „Mittlere Traumatisierung“ (16 %) und
„Ohne Traumatisierung“ (9 %). Bei den Eigentumsdelikten zeigt sich ein etwas anderes
Bild: Mit 88 % findet sich in der Klasse „Mittlere Traumatisierung“ verglichen mit den
anderen Gruppen der größte Anteil von weiblichen Teilnehmern, die ein Eigentumsdelikt
angeben (χ² = 7,7 (2), p = 0,021). Dagegen bejahen mehr der Mädchen in der Klasse
„Schwere Traumatisierung“ (43 %) ein schweres Eigentumsdelikt als in den anderen
Klassen (27 bzw. 20 %), allerdings ohne statistisch bedeutsamen Unterschied.
Tabelle 38: Unterschiede in der Deliktschwere sowie der Häufigkeit einzelner
Deliktarten zwischen den Traum aklassen (weiblich)
Kriminologische
Fragen –
Mädchen
(N = 59)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 11)
N
%
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 25)
N
%
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 23)
N
%
χ² (df), p/
Post-HocVergleich
11,9, 0,15*a
Deliktschwere
Kein/leicht
7
63,6
10
40
3
13
mittel
1
7,1
8
32
5
21,7
schwer
3
27,3
7
28
15
65,2
Sachbeschädigung
4
Eigentumsdelikt
5
36,4
11
44
29
82,6
3<1
1<3
9,82 (2),
0,007*
1,2 < 3
45,5
22
88
18
78,3
7,7 (2),
0,021*
99
Ergebnisse
1<2
Eigentumsdelikt
(schwer)
Gewaltdelikt
3
3
27,3
27,3
5
11
20
44
10
16
43,5
3,2 (2), 0,204
69,6
6,1 (2),
0,046*
-
Gewaltdelikt
(schwer)
Mediendelikte
1
9,1
4
16
12
52,2
10,2 (2),
0,006*
1,2 < 3
2
18,2
11
44
16
69,6
8,3 (2),
0,016*
1<3
a Exakter Test nach Fisher
Des Weiteren weisen die „Schwere Traumatisierung“ Mädchen eine höhere DeliktVariabilität auf: Sie haben im Mittel 5,5 (SD = 3,5) verschiedene Delikte begangen,
während diese Angaben für Klasse 1 (MW = 2,6, SD = 3,7) und Klasse 2 (MW = 3,2,
SD = 2,7) niedriger liegen (χ² = 8,5 (2), p = 0,014).
Es zeigt sich außerdem, dass der Anteil der Mädchen in der Klasse „Schwere
Traumatisierung“, die ein schweres Delikt bejahen (65 %) signifikant höher ausfällt, als
der in der Klasse „Ohne Traumatisierung“ (27 %). Der größte Anteil derjenigen, die
keine/leichte Vergehen angeben, befindet sich unter den Mädchen „Ohne Traumatisierung“
(64 %). Es muss bedacht werden, dass diese Ergebnisse exploratorisch sind. Aufgrund der
Annahme von 9 Tests muss streng genommen ein korrigiertes Signifikanzniveau von
p < 0,006 angelegt werden, unter dem keiner der in Tabelle 38 dargestellten Unterschiede
signifikant wird.
Strafrechtlicher Einweisungsgrund
Kein signifikanter Unterschied zwischen den weiblichen Traumaklassen zeigt sich
bezüglich des strafrechtlichen Einweisungsgrundes (Tabelle 33).
100
Ergebnisse
Tabelle 39: Unterschied in der Häufigkeit einer strafrechtlichen Einweisung
der Jugendlichen zwischen den weiblichen Traum aklassen
Strafrechtliche
Einweisung
(N = 59)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 11)
Strafrechtliche
Einweisung
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 26)
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 22)
χ² (df), p/
N
%
N
%
N
%
1
9
1
4
1
5
Post-HocVergleich
0,5; 0,780a
a Exakter Test nach Fisher
3.9.2 Männliche Traumaklassen
Die männlichen Traumaklassen unterscheiden sich stark in ihren Größen: Während
insgesamt nur 13 (9 %) Jungen die Gruppe „Schwere Traumatisierung“ bilden, befinden
sich 71 % (N = 105) in der Gruppe „Mittlere Traumatisierung“; die restlichen 20 %
(N = 30) wurden der Klasse „Ohne Traumatisierung“ zugeordnet (Tabelle 40). In der
Klasse „Ohne Traumatisierung“ befinden sich signifikant mehr 10-13 jährige als in der
Klasse „Mittlere Traumatisierung“. Dagegen ist der Anteil der 18-20 jährigen bei den
„schwer traumatisierten“ Jungen signifikant höher als bei den Jungen „Ohne
Traumatisierung“.
Tabelle 40: Soziodemographische Merkm ale der m ännlichen Traum aklassen
Soziodemographische
Merkmale –
Jungen
(N = 148)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 30)
N
%
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 105)
N
%
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 13)
N
%
χ² (df), p/
Post-HocVergleich
12,26, 0,041*a
Alter
10 – 13
6
20
5
4,8
0
0
14 – 15
9
30
29
27,6
3
23,1
16 – 17
11
36,7
42
40
3
23,1
18 – 20
4
13,3
29
27,6
7
53,8
1<3
18,7;
0,002**a
Institution
Durchgangs/Beobachtungsheim
Erziehungsheim
(mit Grundschule)
2<1
4
13,3
4
3,8
1
7,7
16
53,3
31
29,5
2
15,4
2<1
101
Ergebnisse
Erziehungsheim
(ohne
Grundschule)
Erziehungsheim
(schulentl. Jgdl.
mit internem
Beschäftigungs-/
Ausbildungsang.
Strafrechtliche
Einweisung
4
13,3
11
10,5
0
0
6
20
59
56,2
10
76,9
2,84, 0,592a
Zivilrechtlich
12
42,9
48
46,2
4
30,8
Strafrechtlich
19
42,2
36
33,3
6
42,9
anderes
11
24,4
22
20,4
4
28,6
11
39,3
24
23,5
1
7,7
Ausländerstatus
N = 29
IQ
1 < 2,3
N = 92
5,2 (2), 0,074
N = 10
M
SD
M
SD
M
SD
98,31
12,63
96,41
14,41
103,6
10,53
F (df1, df2),
p
1,3 (2, 128),
0,274
a Exakter Test nach Fisher
Psychopathologie und psychiatrische Diagnosen
Auch die männlichen Teilnehmer in der „Schwere Traumatisierung“ Gruppe beschreiben
sich in allen Skalen, außer „Denkstörungen“, als durchschnittlich belasteter im Vergleich
zu den anderen Klassen (Tabelle 41). Statistisch bedeutsame Unterschiede ergeben sich
insgesamt für die Skalen „Alkohol- und Drogengebrauch“, „Ärgerlich-Reizbar“,
„Depressiv-Ängstlich“, „Somatische Beschwerden“, „Denkstörungen“, und „Traumatische
Erlebnisse“. Post-Hoc Vergleiche weisen auf eine signifikant höhere klinische
Auffälligkeit der Gruppe„Mittlere Traumatisierung“ in den Bereichen „Alkohol- und
Drogengebrauch“, „Depressiv-Ängstlich“, „Denkstörungen“ und „Traumatische
Erlebnisse“ verglichen mit den Jungen „Ohne Traumatisierung“ hin. In den Skalen
„Alkohol- und Drogengebrauch“, Ärgerlich-Reizbar“, „Somatische Beschwerden“ und
„Traumatische Erlebnisse“ unterscheiden sich außerdem die „Schwere Traumatisierung“
Jungen mit einer signifikant höheren Belastung.
102
Ergebnisse
T abelle 41: Mittelwer tsunterschiede in den Subsk alen des Mays i-2 zwischen
den Traum aklassen (m ännlich)
Maysi-2 –
Jungen
(N = 183)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 30)
M
Alkohol- und
Drogengebrauch
ÄrgerlichReizbar
DepressivÄngstlich
Somatische
Beschwerden
Suizidgedanken
Denkstörungen
Traumatische
Erlebnisse
1,3
2,1
M
2,89
SD
2,96
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 11)
M
4,27
F (df1, df2),
p/
Post-HocSD Vergleich
8 (2, 26),
0,002**
2,65
1 < 2,3
2,63
2,43
3,97
2,76
5,27
4,7 (2, 135),
0,010*
2,45
1<3
0,97
1,3
1,97
1,87
2,82
6,65 (2, 25),
0,005**
2,44
1<2
0,8
0,96
1,27
1,3
2,09
4,3 (2, 135),
0,016*
1,7
1<3
0,63
0,33
1,27
0,66
1,14
0,85
1,67
1,2
2
0,36
3 (2, 25),
0,070
1,95
4,6 (2, 28),
0,018*
0,92
1<2
1,13
1,36
2,11
1,34
3,64
1,03
15,2 (2, 135),
0,000**
1<2<3
N
Mind. 1 Skala
auffällig
SD
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 97)
14
%
46,7
N
67
%
69,1
N
10
%
χ² (df), p
90,9
8,44 (2),
0,015*
1<3
Tabelle 42 zeigt, für wie viele der Jungen in den einzelnen Traumaklassen eine
psychiatrische Störung diagnostiziert wurde. Der Anteil der Jungen mit Diagnose steigt
von Klasse 1 (60 %) über Klasse 2 (75 %) zu Klasse 3 (92 %) an, die Unterschiede sind
jedoch nicht statistisch bedeutsam. Für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung findet
sich ein deutlicheres Bild: 62 % der „schwer traumatisierten“ Jungen weisen eine
Persönlichkeitsstörung auf und damit signifikant häufiger als diejenigen der Klassen „Ohne
103
Ergebnisse
Traumatisierung“ (17 %) und „Mittlere Traumatisierung“ (24 %). Dieser Unterschied
bleibt auch unter einem korrigierten Signifikanzniveau von p < 0,025 (bei einer Annahme
von 2 Tests) signifikant.
T a b e l l e 4 2 : U n t e r s c h i e d e i n d e n H ä u f i g k e i t e n p s yc h i a t r i s c h e r D i a g n o s e n
zwischen den Traum aklassen (m ännlich)
Diagnosen –
Jungen
(N = 148)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 30)
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 105)
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 13)
N
%
N
%
N
%
18
60
79
75,2
12
92,3
4
13,3
26
24,8
4
30,8
1
3,3
5
4,8
4
30,8
1
3,3
7
6,7
1
7,7
3
10
5
4,8
1
7,7
0
0
0
0
1
7,7
3
10
6
5,7
1
7,7
4
13,3
22
21
1
7,7
Störung des
Sozialverhaltens
(F91)
5
16,7
30
28,6
5
38,5
Kombinierte
Störung des
Sozialverhaltens
(F92)
2
6,7
7
6,7
3
23,1
Mindestens eine
ICD-10 Diagnose
Substanzgeb.
Störung
(F10-F14)
Depressive
Störungen (F23,
F33, F38, F39)
Angststörungen
(F40 – F42)
Reaktionen auf
schwere
Belastungen und
Anpassungsstör.
(F43)
Dissoziative,
Somatisierungsund sonst.
Neurotische
Störungen (F44,
F45, F48)
ADHD (F90.0,
F90.8 – F90.9)
Hyperkinetische
Störung des
Sozialverhaltens
(F90.1)
Persönlichkeitsstörung
(mind. eine)
2
6,7
25
23,8
8
61,5
χ² (df), p/
Post-HocVergleich
5,3 (2), 0,069
15,1 (2),
0,001**
1,2 < 3
104
Ergebnisse
Dissoziale (F60.2)
Emotional
instabile (F60.3)
Nicht näher
bezeichnete
(F60.9)
Kombinierte
(F61.0)
0
0
6
5,8
1
7,7
0
0
1
1
2
15,4
1
3,8
12
11,7
4
30,8
0
0
1
1
0
0
Die männlichen Teilnehmer in der Klasse „Schwere Traumatisierung“ zeigen mit
durchschnittlich 2,85 (SD = 2) verschiedenen Störungen eine höhere Komorbidität auf als
die Jungen der Klassen „Mittlere Traumatisierung“ (MW = 1,79, SD = 1,6) und „Ohne
Traumatisierung“ (MW = 1,1, SD = 1,2). Der Unterschied wird signifikant (χ² = 9,5 (2),
p = 0,008).
Soziales Funktionsniveau
Die Beeinträchtigung im sozialen Funktionsniveau wird zwar für die Jungen der Gruppe
„Schwere Traumatisierung“ (MW = 3,6, SD = 1) größer eingeschätzt, ein signifikanter
Unterschied zu den anderen Klassen (Klasse 1: MW = 3, SD = 1; Klasse 2: MW = 3,
SD = 1,1) findet sich jedoch nicht (χ² = 2,9 (2), p = 0,231).
Delinquenz
100 % der „schwer traumatisierten“ Jungen geben an, bereits eins der abgefragten Delikte
begangen zu haben; dies gilt für 89 % der Klasse „Mittlere Traumatisierung“ sowie 83 %
der Jungen „ohne Traumatisierung“. Die Unterschiede werden nicht signifikant. Von den
männlichen Teilnehmern der Gruppen „Schwere Traumatisierung“ und „Mittlere
Traumatisierung“ geben signifikant mehr Sachbeschädigungen an als diejenigen „Ohne
Traumatisierung“. Zudem haben signifikant mehr Jungen der Klasse „Mittlere
Traumatisierung“ Eigentums- und Gewaltdelikte begangen als die der Klasse „Ohne
Traumatisierung“; bei den anderen Deliktarten zeigt sich zwar eine ähnliche Verteilung,
jedoch kein statistisch bedeutsamer Unterschied (Tabelle 43).
Des Weiteren weisen die „schwer traumatisierten“ Jungen mit durchschnittlich 8 und die
der Klasse „Mittlere Traumatisierung“ mit durchschnittlich 6 verschiedenen Delikten eine
höhere Delikt-Variabilität auf als die der Klasse „Ohne Traumatisierung“ (M = 3,4,
SD = 3,8). Der Unterschied wird signifikant (χ² = 14,7 (2), p = 0,001).
105
Ergebnisse
Tabelle 43: Unterschiede in der Deliktschwere sowie der Häufigkeit einzelner
Deliktarten zwischen den Traum aklassen (m ännlich)
Kriminologische
Fragen – Jungen
(N = 138)
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 30)
N
%
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 97)
N
%
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 11)
N
%
χ² (df), p/
Post-HocVergleich
12,6; 0,008*a
Deliktschwere
Kein/leicht
15
50
18
18,6
1
9,1
mittel
3
10
12
12,4
1
9,1
schwer
12
40
67
69,1
9
81,8
Sachbeschädigung
11
Eigentumsdelikt
21
70
85
87,6
10
90,9
Eigentumsdelikt
(schwer)
11
36,7
61
62,9
8
72,7
Gewaltdelikt
12
40
67
69,1
8
72,7
36,7
68
70,1
10
2<1
1<2
14,8 (2),
0,001**
90,9
1 < 2,3
5,1; 0,064a
7,5 (2),
0,023*
1<2
8,8 (2),
0,012*
1<2
Gewaltdelikt
(schwer)
9
30
37
38,1
7
63,6
3,9 (2), 0,145
Sexuelle Delikte
1
3,3
10
10,3
1
9,1
1,3; 0,596a
25
83,3
90
92,8
11
100
3; 0,208a
Mediendelikte
a Exakter Test nach Fisher
Zudem haben signifikant mehr Jungen der Klasse „Mittlere Traumatisierung“ (69 %)
bereits ein schweres Delikt begangen als diejenigen „Ohne Traumatisierung“ (40 %). Der
größte Anteil derjenigen, die keine/leichte Vergehen angeben, befindet sich unter den
Jungen „Ohne Traumatisierung“ (39 %); dagegen liegt der größte Anteil derjenigen, die
ein schweres Delikt begangen haben in der Klasse „Schwere Traumatisierung“ (82 %)
(Tabelle 43). Es muss bedacht werden, dass diese Ergebnisse exploratorisch sind.
Aufgrund der Annahme von 9 Tests muss streng genommen ein korrigiertes
Signifikanzniveau von p < 0,006 angelegt werden (siehe sowohl fett als auch mit Sternchen
106
Ergebnisse
markierte Wahrscheinlichkeiten), unter dem nur der Vergleich bezüglich
„Sachbeschädigungen“ signifikant bleibt.
Strafrechtlicher Einweisungsgrund
Kein signifikanter Unterschied zwischen den männlichen Traumaklassen zeigt sich
bezüglich des strafrechtlichen Einweisungsgrundes (Tabelle 44).
Tabelle 44: Unterschied in der Häufigkeit einer strafrechtlichen Einweisung
der Jugendlichen zwischen den m ännlichen Traum aklassen
Strafrechtliche
Einweisung
(N = 145)
Strafrechtliche
Einweisung
Klasse 1
Ohne
Traumatisierung
(N = 28)
Klasse 2
Mittlere
Traumatisierung
(N = 104)
Klasse 3
Schwere
Traumatisierung
(N = 13)
N
%
N
%
N
%
7
25
33
32
6
46
χ² (df), p
1,8 (2), 0,400
Diskussion
107
4 Diskussion
Im Folgenden werden die beschriebene Studie und ihre wichtigsten Ergebnisse diskutiert.
Nach einer kurzen Zusammenfassung werden einerseits die methodischen Grenzen und
andererseits die Stärken der Studie dargestellt. Anschließend werden die traumatischen
Belastungen der Kinder und Jugendlichen in deutschschweizerischen Heimeinrichtungen
und ihre Zusammenhänge mit Delinquenz und Psychopathologie erörtert. Anhand der zu
Anfang aufgestellten Hypothesen werden die beschriebenen Ergebnisse diskutiert und in
den aktuell wissenschaftlichen Forschungsstand eingeordnet. Die Einteilung der
Jugendlichen in Klassen anhand ihrer traumatischen Erlebnisse wird schließlich
hinsichtlich ihrer Nützlichkeit und Aussagefähigkeit betrachtet.
4.1
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Vor dem Hintergrund, dass bisher für die Deutschschweiz ein Überblick zur psychischen
Gesundheit sowie der traumatischen Erfahrungen der Jugendlichen in stationären
Maßnahmen fehlt, lag ein wichtiges Ziel der Studie in der Beschreibung der traumatischen
Belastungen deutschschweizerischer Heimjugendlicher. Weitergehend sollte durch die
Bildung von Gruppen auf Basis von selbstberichteten traumatischen Ereignissen geprüft
werden, ob sich Jugendliche mit ähnlichen „Trauma-Profilen“ zu Klassen zusammenfassen
lassen, die sich in Psychopathologie und Delinquenz unterscheiden. Es zeigte sich, dass die
Prävalenz traumatischer Erlebnisse in der Stichprobe sehr hoch liegt. Mindestens ein
traumatisches Ereignis erlebt zu haben gehört unter den Heimjugendlichen zur
„Normalität“; nur wenige verneinten alle der abgefragten Erlebnisse. Die Prävalenz der
Posttraumatischen Belastungsstörung fiel mit 4 % im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung
ebenfalls hoch aus. Bei der anschließenden Bildung der „Trauma-Klassen“ anhand der
Latenten Klassenanalyse fanden sich drei Gruppen mit sehr unterschiedlicher Größe: Die
meisten Teilnehmer wurden der Klasse mit „Mittlerer Traumatisierung“ zugeordnet und
gaben mindestens ein, oftmals jedoch mehr als zwei verschiedene traumatische Erlebnisse
an. Eine kleine Gruppe von Jugendlichen, die keines der abgefragten Ereignisse bejahten,
wurde zu der Klasse „Ohne Traumatisierung“ zusammengefasst. Die dritte Gruppe wurde
mit „Schwere Traumatisierung“ benannt, da die Jugendlichen hier mindestens 4
verschiedene traumatische Erlebnisse sowie oftmals interpersonale Traumata (z. B.
„sexueller Missbrauch“) angaben. Im anschließenden Vergleich fanden sich in den meisten
Maßen zur Psychopathologie Unterschiede zwischen den Klassen. So war die Klasse
Diskussion
108
„Schwere Traumatisierung“ durch das höchste Maß an psychopathologischer Auffälligkeit
gekennzeichnet. Insgesamt zeigten die Jugendlichen „Ohne Traumatisierung“ die geringste
Belastung von allen drei Gruppen. Weiterhin fanden sich Unterschiede zwischen den
Klassen im Hinblick auf Delinquenz: Auch hier stieg der Anteil der Jugendlichen, die
(schwere) Delikte begangen hatten, von der Klasse „Ohne Traumatisierung“ über die
Klasse „Mittlere Traumatisierung“ bis hin zu „Schwere Traumatisierung“ an. Die Klasse
„Schwere Traumatisierung“ fiel zudem dadurch auf, dass die dieser Gruppe zugehörigen
Jugendlichen häufiger bereits schwere Gewaltdelikte begangen hatten. Es zeigte sich
weiterhin, dass sich die Gruppen auch hinsichtlich der Zufriedenheit der Jugendlichen mit
der Maßnahme unterschieden sowie in ihrem aktuellen kinder- und jugendpsychiatrischen
Behandlungsstatus. In diesem Zusammenhang wurde deutlich, dass bei den Jugendlichen
der Klasse „Schwere Traumatisierung“ zwar häufiger ein Behandlungsbedarf gesehen
wird, sie sich jedoch seltener aktuell in Behandlung befinden.
4.2
Diskussion der methodischen Stärken und Schwächen der Studie
4.2.1 Selektionsprozesse
35 % der vom Bundesamt für Justiz geförderten Heimeinrichtungen in der Deutschschweiz
nahmen an der vorliegenden Studie teil, weshalb Selektionsprozesse nicht ausgeschlossen
werden können. So ist vorstellbar, dass sich vorwiegend jene Institutionen für eine
Teilnahme entschlossen, die sich insgesamt durch hohes Engagement der Mitarbeiter
sowie Kooperationsbereitschaft mit anderen Bereichen auszeichnen. Möglicherweise
fühlten sich auch einige der Einrichtungen zu einer Mitarbeit an dem Forschungsprojekt
„genötigt“, da es durch das Bundesamt für Justiz mitfinanziert wurde. Um
Selektionseffekte ausschließen zu können, müsste eine Zufallsstichprobe aus den nicht
teilnehmenden Einrichtungen gezogen und mit der Gesamtstichprobe verglichen werden.
Ein solches Vorgehen ist allerdings nicht nur mit einem hohen Aufwand verbunden,
sondern auch deshalb schwer realisierbar, weil bei den nicht teilnehmenden Einrichtungen
kaum mit der Motivation zur Mitarbeit gerechnet werden kann. Allerdings zeigen die
durch die Studie abgedeckten Institutionstypen, dass ein repräsentativer Querschnitt der
deutschschweizerischen Heimlandschaft erhoben werden konnte: Von 12 möglichen
Institutionstypen sind 11 in der Studie vertreten.
Weitere Selektionsprozesse betreffen die Jugendlichen, die ihr schriftliches Einverständnis
für eine Teilnahme an der Studie gaben. Insgesamt nahmen 43 % aller Jugendlichen teil,
Diskussion
109
die sich zum fraglichen Zeitpunkt in einer der teilnehmenden Einrichtungen aufhielten. Es
wäre möglich, dass nur diejenigen Jugendlichen zu einer Mitarbeit bereit waren, die sich
auch im Heimalltag kooperativer zeigen. Ebenso ist vorstellbar, dass die jeweiligen
Heimbetreuer nur einen Teil der Jugendlichen ihrer Institution für eine Teilnahme an dem
Projekt ansprachen. Folglich ist denkbar, dass eher unauffällige Jugendliche gewählt
wurden, bei denen eine Mitarbeit für wahrscheinlicher gehalten wurde; ebenso ist
vorstellbar, dass insbesondere sehr auffällige Jugendliche gefragt wurden, um im Rahmen
der Studie eine gründliche Abklärung ihrer Psychopathologie zu erhalten. Aufgrund der
insgesamt großen Anzahl von insgesamt 329 teilnehmenden Jugendlichen kann jedoch von
einer ausreichenden Repräsentativität ausgegangen werden.
4.2.2 Erfassung der traumatischen Erfahrungen
Kritisch zu betrachten ist, dass die traumatischen Erfahrungen nur über die
Selbstbeurteilung der Heimjugendlichen erhoben wurden. Da keine Fremdbeurteilung
vorliegt, können mögliche Verzerrungseffekte nur diskutiert, jedoch nicht aufgedeckt
werden. Es ist möglich, dass einige Erfahrungen von den Jugendlichen nicht erinnert
wurden. Insbesondere traumatische Erlebnisse in der frühen Kindheit sind oftmals nicht
bewusst abrufbar; schwere traumatische Erfahrungen wie etwa sexueller Missbrauch
können Amnesien zur Folge haben. Dies würde für eine Unterschätzung der Prävalenz
traumatischer Erlebnisse in der vorliegenden Stichprobe sprechen. Ebenfalls ist möglich,
dass Erlebnisse fälschlicherweise bejaht wurden, was zu einer Überschätzung der
Prävalenz führen würde. Allerdings ist letzteres eher unwahrscheinlich, da sich die
vorliegenden Daten mit denen anderer Studien decken bzw. teilweise eher unter den
Zahlen anderer Untersuchungen liegen. McGee et al. (1995) konnten feststellen, dass die
Fremd- und Selbstbeurteilungen zum Vorliegen traumatischer Erfahrungen zwischen
Jugendlichen und ihren jeweiligen Betreuern teilweise stark voneinander abwichen, da die
Jugendlichen eher seltener entsprechende Erlebnisse bejahten. Insgesamt erwiesen sich
jedoch die Selbstbeurteilungen als die besseren Prädiktoren sowohl für internalisierende als
auch für externalisierende Symptome im Fremd- und Selbsturteil.
Weiterhin muss erwähnt werden, dass keine Daten zu Schwere, Dauer und Zeitpunkt der
traumatischen Erlebnisse erhoben wurden. Somit kann z. B. „sexueller Missbrauch“
sowohl von einer Jugendlichen mit chronischen Missbrauchserfahrungen angegeben
worden sein als auch von einer Person, die nur einmal sexuellen Missbrauch erlebt hat.
Auch der Zeitpunkt, zu dem eine bestimmte Erfahrung gemacht wurde, kann die Folgen
Diskussion
110
des Erlebnisses beeinflussen (Manly et al., 2001; Thornberry et al., 2001). Folglich können
keine Aussagen darüber getroffen werden, ob die Angaben der Jugendlichen zu
traumatischen Erlebnissen untereinander in Schwere, Dauer und Zeitpunkt vergleichbar
sind. Es kann nur vermutet werden, dass interpersonale Traumata wie etwa „sexueller
Missbrauch durch eine bekannte Person“ oder „Vernachlässigung/Verwahrlosung“ häufig
mehrfach oder chronisch erlebt wurden und seltener nur einmalig vorkamen.
4.2.3 Sonstige methodische Schwächen
Die Erfassung aller biographischen sowie anamnestischen Faktoren (wie z. B. der
Behandlungsstatus eines Jugendlichen) fand ausschließlich über die Betreuer statt. Dies
schließt mögliche Fehlerquellen bzw. die Gefahr fehlender Werte ein, da viele der
abgefragten Informationen über die Heimjugendlichen oft nicht bekannt waren. Besonders
auffällig zeigte sich dies bei den „familiären Auffälligkeiten“, die teilweise für bis zu 70 %
der Jugendlichen nicht beantwortet werden konnten. Neben den vielen fehlenden Werten
sind jedoch auch fehlerhafte Antworten möglich – z. B. wenn der jeweilige Betreuer falsch
informiert war. Eine zusätzliche Befragung der Eltern hätte hier entsprechende Lücken in
den biographischen Angaben schließen können; diese konnte jedoch aufgrund des
erheblichen Mehraufwands nicht realisiert werden.
Weiterhin ergibt sich aus den vielen eingesetzten Verfahren der Nachteil, dass nicht für
jeden Jugendlichen jeder Test ausgefüllt wurde. Viele Betreuer und Jugendliche
beantworteten nur einen Teil der gesamten Testbatterie. Dies bedeutet, dass bei der
Auswertung unterschiedlicher Tests – meist jedoch nur minimal – verschiedene
Stichproben vorliegen, so dass die Vergleichbarkeit untereinander leicht eingeschränkt sein
kann. So wurden etwa Tests wie der Maysi-2 von 234 Jugendlichen ausgefüllt – dagegen
liegen für die „Ursache der Maßnahme“ nur Daten zu 221 Jugendlichen vor. Dennoch kann
die Datenlage als sehr gut bewertet werden, da Ergebnisse für eine große Anzahl von
Verfahren für eine große Stichprobe vorliegen. Positiv ist zudem, dass aufgrund der
computerbasierten Erhebung in den Fragebogenverfahren keine Werte fehlen.
Eine methodische Schwäche, die allerdings zugleich eine Stärke darstellt, ist die große
Heterogenität der Stichprobe: Aufgrund der vielen verschiedenen Institutionstypen, der
großen Altersverteilung und insbesondere der sehr unterschiedlichen Maßnahmen, die in
Art und Dauer stark differieren, sind viele nicht zu kontrollierende Störvariablen möglich.
Entgegen einer standardisierten, experimentellen Laborsituation ist eine Kontrolle solcher
Faktoren in einem realen Setting, das zudem die breite Heimlandschaft der
Diskussion
111
Deutschschweiz abbilden soll, nicht möglich. Nur aufgrund der großen Heterogenität kann
die Stichprobe repräsentativ für dieses Feld sein, da die Heimjugendlichen sich in den
Gründen für ihre Einweisung stark voneinander unterscheiden. Dementsprechend stellt die
Heterogenität auch eine große Stärke der Studie dar, da sie Voraussetzung für die
Repräsentativität der Ergebnisse ist. Aufgrund der großen Stichprobe ist zudem damit zu
rechnen, dass sich etwa bei Gruppenvergleichen die Störvariablen gleich verteilen und
somit die Ergebnisse nicht verzerren.
Für kausale Schlussfolgerungen muss zudem einschränkend bedacht werden, dass es sich
in der vorliegenden Studie um Querschnittsdaten handelt. Alle Daten wurden zu einem
Messzeitpunkt erhoben, so dass ein kausaler Zusammenhang zwischen traumatischen
Erfahrungen und Psychopathologie bzw. Delinquenz nur mit Vorsicht hergestellt werden
darf. Theoretisch wäre es möglich, dass eine psychopathologische Auffälligkeit bereits vor
den traumatischen Erlebnissen existierte oder dass ein delinquentes Verhalten erst zu
traumatisierenden Erfahrungen geführt hat. Die zeitliche Abfolge ist demnach nicht
bekannt, zumal nicht gefragt wurde, wann ein entsprechendes Ereignis erlebt wurde bzw.
wann es zum ersten Mal erlebt wurde. Folglich kann nur aufgrund der Ergebnisse vieler
anderer Studien in diesem Bereich, insbesondere von Längsschnittstudien, der vorsichtige
Schluss gezogen werden, dass die in der vorliegenden Studie gefundenen Zusammenhänge
auch kausalen Charakter haben.
Weiterhin muss der Alters- und Geschlechtsunterschied zwischen den gebildeten Klassen
bei der Interpretation berücksichtigt werden. In einigen Maßen (z. B. zur
Psychopathologie) zeigten sich ebenfalls Alters- und Geschlechtsunterschiede, so dass bei
der Auswertung von Zusammenhängen zwischen den Klassen und den jeweiligen
abhängigen Variablen Konfundierungen möglich sind. Eine Möglichkeit zur Kontrolle
solcher „Störvariablen“ – in diesem Falle „Geschlecht“ und „Alter“ – ist die Berechnung
einer Kovarianzanalyse, bei der der auf die Kovariate zurückgehende Einfluss auf die
abhängige Variable herausgerechnet wird. Es wurde überlegt, die Variablen „Geschlecht“
und „Alter“ als Kovariate in die Analyse der Unterschiede zwischen den Klassen
einzufügen, um die Geschlechts- und Altersverteilung nachträglich auszugleichen. Da
jedoch die Gruppen aufgrund ihrer Bildung durch die Latente Klassenanalyse
logischerweise nicht randomisiert zusammengestellt wurden, kann nicht nachvollzogen
werden, ob die Gruppenunterschiede in Geschlecht und Alter zufällig oder „wahr“ sind. Da
jedoch sowohl das Geschlecht als auch das individuelle Alter Faktoren darstellen, die auf
natürliche Art und Weise mit der Erfahrung traumatischer Erlebnisse zusammenhängen, ist
Diskussion
112
von einer „wahren“ Differenz auszugehen. Ein statistisches „Gleichmachen“ der Klassen
würde somit nicht den natürlichen Bedingungen der Klassenzusammensetzung entsprechen
und zum Verlust der Repräsentativität der Ergebnisse führen. Unterscheiden sich nicht
randomisierte Gruppen in einer „Störvariable“ signifikant, kann die Kovarianzanalyse
demnach nicht das geeignete Verfahren darstellen, um die störende Kovariate zu
kontrollieren (Miller & Chapman, 2001). Die so genannte Störvariable ist unter Umständen
ein mit der abhängigen Variable wesentlich zusammenhängender Faktor, der nicht
künstlich auspartialisiert werden darf.
Die Bildung der Klassen ergab sehr ungleiche Gruppengrößen: Während der Klasse
„Mittlere Traumatisierung“ 63 % der Jugendlichen zugeordnet wurden, entfielen auf die
anderen beiden Klassen nur 20 % bzw. 17 % – somit fanden die statistischen Vergleiche
zwischen Klassen statt, die sich in ihrer Größe stark unterschieden. Da die kleinste Klasse
nur 36 Jugendliche enthielt, besteht die Möglichkeit, dass statistische Vergleiche aufgrund
der kleinen Substichproben nicht signifikant sind. Dies fällt insbesondere bei den nach
Geschlecht getrennten Trauma-Klassen ins Gewicht, da hier die Gruppengröße auf bis zu
11 Jugendliche in einer Klasse abfiel.
Es wurde auch überlegt, inwiefern die Verwendung des Maysi-2 – also eines
computerbasierten Verfahrens – Verzerrungen bewirkt haben könnte, da die zu diesem
Instrument vorliegenden Normen per „Paper and Pencil“ erhoben wurden. Hier besteht die
Möglichkeit, dass am Computer die Bereitschaft zum wahrheitsgemäßen Antworten anders
ausfiel als bei der Papierversion. So zeigte sich etwa in einer Studie mit männlichen
Jugendlichen, dass am Computer häufiger selbstschädigendes und riskantes Verhalten (wie
z. B. Alkohol- und Drogenmissbrauch oder Suizidgedanken) angegeben wurde als in den
Papierversionen der Fragebögen (Turner et al., 1998). Es ist denkbar, dass ein Computer
das Gefühl für die Anonymität der Untersuchungsergebnisse erhöht und die Beantwortung
der Fragen weniger Scham hervorruft ist als bei „Paper-and-Pencil“-Versionen. Allerdings
konnten Hayes et al. (2005) zeigen, dass die computerbasierte Audio-Version des Maysi-2
signifikant mit der Papierversion korreliert und ähnliche Alpha-Koeffizienten für die
einzelnen Skalen aufweist. Die Autoren kommen daher zu dem Schluss, dass die
Computer- und die Papierversion des Maysi-2 vergleichbare Instrumente sind. Allerdings
sind sie der Ansicht, dass die Computerversion zu bevorzugen ist, da fehlende Werte
reduziert werden, die Bereitschaft zur Angabe stigmatisierten Verhaltens steigt und
Auswertungen automatisch erstellt werden können (Hayes et al., 2005).
Diskussion
113
4.2.4 Diskussion der methodischen Aspekte der Klassenbildung durch die
Latente Klassenanalyse
Die Latente Klassenanalyse wurde mit einer „known class“ durchgeführt, da die Klasse
„Ohne Traumatisierung“ im Voraus als feste Gruppe definiert wurde. Andere Studien zur
Klassenbildung auf Basis von traumatischen Erlebnissen gehen in dieser Hinsicht anders
vor: Alle Jugendlichen – ob nun mit traumatischem Erlebnis oder ohne traumatisches
Erlebnis – werden in die Klassenbildung einbezogen, so dass „gemischte“ Klassen
entstehen (Hebert et al., 2007; Romano et al., 2006; Shevlin & Elklit, 2008). In der
vorliegenden Studie wurde gegen ein solches Vorgehen entschieden, da die Jugendlichen
ohne die Angabe eines traumatischen Ereignisses keine qualitative Information zur
Klassenbildung beitragen konnten. Um sie dennoch nicht vollständig aus der
Klassenanalyse ausschließen zu müssen, wurde die Funktion „known class“ verwendet:
Bei dieser Funktion werden auch diejenigen Personen, die aufgrund ihrer Item-Werte zur
„known class“ zusammengefasst werden, bei der Berechnung der
Auftretenswahrscheinlichkeiten der einzelnen Items mit einbezogen. Dies bedeutet, dass
auch für die Jugendlichen, die keines der Erlebnisse bejahten, geringe
Wahrscheinlichkeiten für das Erleben der einzelnen Ereignisse ausgegeben werden. Dieses
Vorgehen trägt zu einer schlechteren Vergleichbarkeit mit anderen Studien bei und
beeinflusst die Klassenbildung entscheidend. Dennoch wurde nach sorgfältiger Abwägung
für die Festlegung einer „known class“ entschieden, da sich Jugendliche ohne ein
traumatisches Ereignis aufgrund anderer Studienergebnisse und theoretischen
Vorannahmen von Jugendlichen mit solchen Erlebnissen unterscheiden.
Weiterhin wurde vor Klassenbildung die Verwendung von Kovariaten bei der Latenten
Klassenanalyse besprochen. Es wurde überlegt, Geschlecht und Alter als Kovariate in die
Analyse einzuschließen, da bei diesen Faktoren ein Einfluss auf die Anzahl verschiedener
und das Vorhandensein bestimmter traumatischer Erfahrungen angenommen wurde. Da es
sich bei ihnen jedoch um natürliche Einflussfaktoren (so genannte „organismische“
Faktoren) handelt, wurde davon abgesehen. Alter und Geschlecht hängen auf natürliche
Weise mit der Erfahrung traumatischer Erlebnisse zusammen – Mädchen erleben häufiger
andere Ereignisse als Jungen wie etwa sexuellen Missbrauch (z.B. Abram et al., 2004;
Adam & Peters, 2003; Ariga et al., 2008; Burton et al., 1994; Cauffman et al., 1998; Dixon
et al., 2005; Hepp et al., 2006b; Perkonigg et al., 2000; Ruchkin et al., 2002), ältere
Jugendliche haben häufig schon mehr Erfahrungen gemacht als jüngere – und sollten sich
daher entsprechend auf die Klassenbildung auswirken.
Diskussion
114
Weitere Überlegungen betrafen die Anzahl der verwendeten Items für die Bildung der
Klassen. Hier fiel letztlich die Entscheidung, nur diejenigen Items einzuschließen, die
qualitative Informationen zur Klassenbildung beitragen konnten, so dass Items wie
„Folter“ oder „Krieg“ ausgeschlossen wurden, da kaum ein Jugendlicher diese Erlebnisse
bejahte. Schwieriger gestaltete sich die Entscheidung bezüglich des Items
„Gefangenschaft“. Da viele der Jugendlichen aufgrund delinquenten Verhaltens
straffrechtlich in die jeweilige Institution eingewiesen wurden, ist eine Konfundierung des
Erlebnisses „Gefangenschaft“ mit der aktuell erlebten Gefangenschaft infolge von
Straffälligkeit möglich: Somit ist nicht klar, ob „Gefangenschaft“ bejaht wurde, weil sie
vor der Heimeinweisung erlebt wurde oder weil die aktuelle Situation bewertet wurde.
Ebenfalls ist möglich, dass auch ein zivilrechtlich eingewiesener Jugendlicher seine
Situation im Heim als eine Art Gefangenschaft empfindet. Der Aufenthalt in einem
geschlossenen Heim stellt durchaus eine traumatische Erfahrung dar – dementsprechend
wurde die Aufnahme des Items „Gefangenschaft“ in die Klassenbildung beschlossen,
zumal immerhin 19 % der Jugendlichen dieses Erlebnis bejahten. Allerdings wurde damit
in Kauf genommen, dass die Vergleiche der gebildeten Klassen in Delinquenz durch das
Item „Gefangenschaft“ konfundiert sind, da der Faktor „delinquentes Verhalten“ die
Klassenbildung indirekt beeinflusst haben könnte. Diese Möglichkeit muss demnach bei
der Interpretation der Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen den Klassen und
Delinquenz bedacht werden. Allerdings zeigte sich auch, dass sich die beiden TraumaKlassen „Mittlere Traumatisierung“ und „Schwere Traumatisierung“ bezüglich des
Erlebnisses „Gefangenschaft“ nicht signifikant unterschieden, so dass eine zu starke
Konfundierung ausgeschlossen werden kann.
4.2.5 Diskussion der methodischen Stärken
Eine wesentliche Stärke der vorliegenden Studie ist die Größe der Stichprobe. Mit
insgesamt 329 Jugendlichen konnten 43 % aller Heimjugendlichen der teilnehmenden
Einrichtungen rekrutiert werden; mit 266 Jugendlichen wurden psychiatrische Interviews
durchgeführt. Bisher liegt für die Deutschschweiz keine vergleichbare Stichprobe vor;
noch nie konnte eine so große Anzahl an Heimjugendlichen in der Schweiz für eine Studie
gewonnen werden. Somit können erstmals repräsentative Aussagen über Psychopathologie,
Delinquenz, traumatische Erfahrungen und viele weitere Faktoren bei Jugendlichen in
deutschschweizerischen Heimen getroffen werden. Die große Heterogenität der Stichprobe
kann ebenfalls als Stärke betrachtet werden, da sie die Heterogenität der Heimlandschaft in
der Schweiz widerspiegelt. Sowohl Jugendliche mit zivil- als auch mit strafrechtlichem
115
Diskussion
Einweisungshintergrund aus den unterschiedlichsten Institutionstypen nahmen an der
Studie teil, so dass mit den Ergebnissen eine Aussage über den größten Teil der
deutschschweizerischen Heime getroffen werden kann. Die Größe der Stichprobe zeigt
sich zudem eindrucksvoll im Vergleich zu internationalen Studien im Bereich der
Forschung zur Heimerziehung bzw. zu inhaftierten Jugendlichen: Eine Stichprobengröße
mit N > 200 wurde nur selten erreicht (z. B. Blower et al., 2004; Fazel et al., 2008;
Hellinckx & Grietens, 2003; Hukkanen et al., 1999; McCann et al., 1996; Meltzer et al.,
2003a; Mount et al., 2004). Wird dabei noch berücksichtigt, dass die Deutschschweiz im
Vergleich zu den meisten Ländern ein vergleichsweise kleines Gebiet umfasst, wird die
Dimension der Stichprobengröße in vorliegender Studie deutlich.
Eine weitere methodische Stärke stellt die Diagnosestellung der psychiatrischen Störungen
dar. Die Erhebung der Diagnosen anhand strukturierter klinischer Interviews, die durch
geschulte Psychologinnen bzw. einen Kinder- und Jugendpsychiater durchgeführt wurden,
stellt den Goldstandard kinder- und jugendpsychiatrischer Diagnostik dar. Viele
epidemiologische Studien nutzen zur Erhebung der psychischen Belastung dagegen meist
nur Fragebogen- und/oder Screeningverfahren (z. B. Blower et al., 2004; Burns et al.,
2004; Schmid et al., 2008). Gesicherte psychiatrische Diagnosen lassen sich jedoch nur
anhand strukturierter klinischer Interviews stellen. Die Prävalenzen der vorliegenden
Studie wurden demnach mit der derzeit besten verfügbaren Methode erhoben.
Weiterhin stellt die computerbasierte Erhebung der Daten einen methodischen Vorteil dar,
da in allen Fragebogenverfahren keine fehlenden Werte möglich sind. Um einen Test
abspeichern zu können, mussten alle Fragen beantwortet werden. Damit konnten
ausnahmslos alle ausgefüllten Fragebogen verwendet werden.
4.3
Diskussion der Lebenszeitprävalenz traumatischer Erlebnisse sowie
der
Prävalenz
der
Posttraumatischen
Belastungsstörung
bei
deutschschweizerischen Heimjugendlichen
Zur Einschätzung der Prävalenz traumatischer Erlebnisse sowie der Posttraumatischen
Belastungsstörung werden im Folgenden die zu Beginn aufgestellten Hypothesen bewertet.
Hypothese 1: Liegt die Lebenszeitprävalenz traumatischer Erlebnisse sowie die Prävalenz
der Posttraumatischen Belastungsstörung bei deutschweizerischen Heimjugendlichen
höher als bei Kindern und Jugendlichen aus der Allgemeinbevölkerung?
Diskussion
116
Erwartungsgemäß liegt in der Stichprobe deutschschweizerischer Heimjugendlicher eine
sehr hohe Lebenszeitprävalenz traumatischer Erlebnisse vor. 80 % der Jugendlichen
bejahen mindestens ein solches Erlebnis; 54 % erfüllen nach eigenen Angaben mit
mindestens einem Erlebnis das DSM-IV-A-Kriterium. Damit ist die Lebenszeitprävalenz
vergleichbar mit Daten aus anderen Heimkinder-Stichproben und zum Teil ähnlich hoch
wie in Studien mit straffälligen Jugendlichen (Burns et al., 2004; Hukkanen et al., 1999;
Richardson & Lelliott, 2003; Steiner et al., 1997). Im Vergleich zu den meisten Studien mit
inhaftierten Jugendlichen liegt sie jedoch niedriger (Abram et al., 2004; Carrion & Steiner,
2000; Chapman & Ford, 2008). Der Prävalenz traumatischer Erlebnisse von (je nach
Studie) ca. 20 % bis 30 % in der Allgemeinbevölkerung gegenübergestellt (Hepp et al.,
2006b; Perkonigg et al., 2000), fallen die Zahlen der vorliegenden Stichprobe
erwartungsgemäß sehr viel höher aus. Des Weiteren verdeutlicht die hohe Anzahl an
Jugendlichen, die multipel traumatisiert sind, die hohe Belastung und Benachteiligung der
Heimjugendlichen: Zwei Drittel geben mehr als ein traumatisches Ereignis an – bei
Jugendlichen aus der Allgemeinbevölkerung findet sich diesbezüglich ein Anteil von 21 %
(Perkonigg et al., 2000). Wird berücksichtigt, dass für einen jungen Menschen die
Einweisung in ein Heim (unabhängig vom Grund) bereits eine erhebliche Belastung
darstellt, veranschaulichen die hohen Prävalenzen weiterer belastender Erlebnisse die
große Vulnerabilität der Heimjugendlichen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht
erstaunlich, dass das Ausmaß der psychiatrischen Morbidität bei Heimjugendlichen dem
von klinischen Stichproben ähnelt (Schmid, 2007). Beim Vergleich spezifischer Ereignisse
zeigen sich in der vorliegenden Stichprobe niedrigere Raten von erlebtem sexuellen
Missbrauch (14 %), Gewalt durch jemanden aus dem Familien- oder Bekanntenkreis
(31 %) und Vernachlässigung (23 %) als in anderen Studien im Bereich der Jugendhilfe, z.
B. in Finnland oder den USA (Burns et al., 2004; Hukkanen et al., 2003). In den USA etwa
fanden sich Zahlen von 64 % für Vernachlässigung sowie 55 % für sexuellen Missbrauch
bei Kindern und Jugendlichen, die Kontakt mit dem Jugendamt hatten (Burns et al., 2004).
Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass diese Erlebnisse nicht über Selbstbeurteilungen
erhoben wurden, sondern von den jeweiligen Sozialarbeitern eingeschätzt wurde, ob ein
Ereignis vorlag oder nicht. McGee (1995) konnte feststellen, dass sich die Angaben zu
traumatischen Ereignissen zwischen Jugendlichen und Betreuern stark unterscheiden.
Insbesondere häusliche Gewalt, emotionaler Missbrauch und Vernachlässigung wurden
von den Jugendlichen selbst sehr viel seltener angegeben als von ihren jeweiligen
Betreuern; bei sexuellem Missbrauch lagen die Angaben der Jugendlichen dafür nur
Diskussion
117
geringfügig niedriger. Diese Unterschiede je nach Erhebungsart können mitunter erklären,
warum in der vorliegenden Stichprobe z. B. die Prävalenz von 23 % für erlebte
Vernachlässigung im Vergleich zu anderen Studien sehr „niedrig“ ausfällt. Es überrascht
kaum, dass Kinder und Jugendliche die eigene Vernachlässigung bzw. Verwahrlosung
nicht bewusst wahrnehmen, da sie oftmals in solchen Verhältnissen groß geworden sind.
Vernachlässigung ist somit nicht als ein klar umgrenztes Ereignis erinnerbar (wie z. B. ein
„Unfall“), so dass die Beurteilung, ob das „Ereignis“ eigentlich erlebt wurde, sehr viel
schwerer fallen muss. Studien in den USA zeigten, dass straffällige Jugendliche am
häufigsten Erlebnisse wie „Zeuge von häuslicher Gewalt“, „Zeuge eines
Gewaltverbrechens“ und „Bandengewalt“ angeben (Abram et al., 2004; Chapman & Ford,
2008; Steiner et al., 1997). Dies deckt sich insofern mit den vorliegenden Ergebnissen, als
die Ereignisse „Gewalttätiger Angriff durch eine fremde Person“ bzw. „…durch eine
bekannte Person“ ebenfalls zu den am häufigsten genannten Erlebnissen gehören. Noch
häufiger wurde allerdings der „Tod oder Verlust einer wichtigen Bezugsperson“ erlebt,
was in einer Stichprobe von Heimjugendlichen nicht verwundert.
Hypothesengemäß konnte weiterhin bestätigt werden, dass die Prävalenz der PTBS in der
vorliegenden Heimstichprobe mit ca. 4 % höher liegt als in der Allgemeinbevölkerung. So
fanden sich bei einer Untersuchung in der Schweizer Allgemeinbevölkerung
Prävalenzraten der PTBS (Diagnose einer subklinischen PTBS) von 0 % und 1,3 % (Hepp
et al., 2006b). Eine Schulstichprobe in Deutschland ergab Raten von ca. 0,7 % (Perkonigg
et al., 2000), in der Bremer Jugendstudie fand sich bei den 11- bis 17-Jährigen mit 1 %
eine ähnliche Häufigkeit (Essau et al., 1999). Allerdings liegt die Prävalenz in der
vorliegenden Stichprobe niedriger als bei Studien an straffälligen Jugendlichen: Hier
finden sich mit Raten von 0 % bis 65 % sehr starke Schwankungen zwischen den einzelnen
Studien. Die meisten Ergebnisse liegen jedoch zwischen 20 % und 35 % (Abram et al.,
2004; Ariga et al., 2008; Burton et al., 1994; Carrion & Steiner, 2000; Cauffman et al.,
1998; Chapman & Ford, 2008; Dixon et al., 2005; McMackin et al., 2002; Möller et al.,
2001; Ruchkin et al., 2002; Steiner et al., 1997). Studien mit genauen Prävalenzangaben
für Jugendliche in der stationären Jugendhilfe existieren bisher nicht. Die Prävalenz der
Posttraumatischen Belastungsstörung in einer so schwer belasteten Stichprobe, die aus
oftmals multipel traumatisierten Jugendlichen besteht, ist jedoch nur bedingt
aussagekräftig: Das Vollbild einer PTBS wird von traumatisierten Kindern nur selten
erfüllt, da sich die Diagnosekriterien an erkrankten Erwachsenen orientieren (Riedesser,
2005; Schmid, 2008; Simons & Herpertz Dahlmann, 2008). Zudem entsprechen viele
Diskussion
118
(interpersonelle) Traumata wie seelische Misshandlung, Vernachlässigung und Trennung
von den Eltern nicht dem DSM-IV-A Kriterium, das zunächst erfüllt sein muss, um eine
PTBS überhaupt diagnostizieren zu können (Simons & Herpertz Dahlmann, 2008).
Insbesondere multipel bzw. komplex traumatisierte Kinder unterscheiden sich in ihrer
Symptomatik von der PTBS-Diagnose nach ICD-10 oder DSM-IV, so dass mittlerweile
Vorschläge für die Symptomatik einer „komplexen PTBS“ bzw. eines „Developmental
Trauma Disorder“ zur Aufnahme in die einschlägigen Kategoriensysteme diskutiert
werden (Herman, 1992; Sack, 2004; van der Kolk, 2005). Die betroffenen Kinder leiden
eher an tief greifenden Ängsten und Misstrauen sowie an Defiziten in der Regulation von
Gefühlen und Verhalten als an Intrusionen (Simons & Herpertz Dahlmann, 2008). Generell
prädisponieren frühkindliche, insbesondere beziehungsabhängige Traumata wie
Missbrauch oder Vernachlässigung zu verschiedenen psychischen Störungen und nicht nur
zur PTBS, weshalb die PTBS auch üblicherweise mit einer umfangreichen Komorbidität
einhergeht. Die hohe Komorbidität in der vorliegenden Stichprobe (48 % der Jugendlichen
erfüllen die Kriterien für mehr als eine Diagnose), insbesondere bei Kindern mit
traumatischen Erfahrungen, kann als Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen
multiplen Traumatisierungen und der Entwicklung komplexer Störungsbilder gewertet
werden.
Fazit: Die zentrale Hypothese 1 kann als bestätigt angesehen werden. Sowohl die
Lebenszeitprävalenz traumatischer Erlebnisse als auch die Prävalenz der PTBS fallen bei
den Heimjugendlichen sehr viel höher aus als in der Allgemeinbevölkerung. Die im
Vergleich zur hohen Komorbidität dennoch niedrige Prävalenz der PTBS in der
vorliegenden Stichprobe könnte ein Hinweis darauf sein, dass die amerikanischen Kriterien
des DSM-IV der PTBS den komplexen Störungsbildern multipel traumatisierter Kinder
nicht gerecht werden (siehe auch Schmid et al., 2010).
Hypothese 1a: Ist die Lebenszeitprävalenz traumatischer Erfahrungen bei Jungen und
Mädchen in deutschschweizerischen Heimeinrichtungen ähnlich hoch?
Die Lebenszeitprävalenz traumatischer Erlebnisse unterscheidet sich in der vorliegenden
Stichprobe nicht nach Geschlecht. Jungen geben mit 81 % etwa gleich häufig wie Mädchen
(83 %) an, mindestens ein solches Ereignis erlebt zu haben. Dieses Ergebnis deckt sich
sowohl mit anderen Studien über straffällige Jugendliche (Abram et al., 2004; Ariga et al.,
2008; Cauffman et al., 1998; Chapman & Ford, 2008; Steiner et al., 1997) als auch mit
Zahlen im Hinblick auf die Allgemeinbevölkerung (Hepp et al., 2006b). Ebenfalls
Diskussion
119
vergleichbar zu anderen Studien ist, dass die weiblichen Teilnehmer sehr viel häufiger
sexuellen Missbrauch angeben als die männlichen Teilnehmer (Abram et al., 2004; Ariga
et al., 2008; Burton et al., 1994; Cauffman et al., 1998; Dixon et al., 2005; Ruchkin et al.,
2002; Steiner et al., 1997). Der in der vorliegenden Stichprobe höhere Anteil an Mädchen,
die Gewalt durch jemanden aus dem Familien- oder Bekanntenkreis erlebt haben, ist
allerdings in keiner anderen Studie beschrieben.
Fazit: Die Hypothese 1a ist bestätigt: Es finden sich keine Geschlechtsunterschiede bei der
Lebenszeitprävalenz traumatischer Erlebnisse deutschschweizerischer Heimjugendlicher.
Hypothese 1b: Ist die Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung bei weiblichen
Heimjugendlichen höher als bei männlichen?
Die Prävalenz der PTBS liegt mit 4,7 % bei den weiblichen Teilnehmern zwar etwas höher
als bei den männlichen (3,9 %), jedoch wird der Unterschied nicht signifikant. In der
Allgemeinbevölkerung fällt dieser Unterschied mit einer höheren Prävalenz für das
weibliche Geschlecht größer aus (Hepp et al., 2006b; Kessler et al., 1995; Perkonigg et al.,
2000); allerdings fand sich in der Bremer Jugendstudie eine ähnlich hohe Prävalenz für
beide Geschlechter (Essau et al., 1999). Werden Studien zu weiblichen straffälligen
Jugendlichen mit Untersuchungen zu männlichen jugendlichen Straftätern verglichen, so
finden sich meist höhere Prävalenzen der PTBS bei den weiblichen Jugendlichen (Burton
et al., 1994; Cauffman et al., 1998; Dixon et al., 2005; Möller et al., 2001; Ruchkin et al.,
2002). Dagegen konnten Abram et al. (2004) in ihrer gemischten Stichprobe inhaftierter
Jugendlicher keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen. Insgesamt
überwiegen damit die Studien, in denen die PTBS-Raten bei weiblichen Befragten höher
liegen; allerdings zeigen sich (je nach Stichprobe) auch gegenteilige Ergebnisse. Ein
möglicher Grund hierfür könnten die verschiedenen Diagnoseinstrumente sein, die in den
einzelnen Studien eingesetzt wurden – auch wenn in den meisten Untersuchungen die
Diagnose nach DSM-III oder DSM-IV gestellt wurde. Dennoch können die verschiedenen
Diagnoseinstrumente eine Ursache für unterschiedliche Abklärungen der zu erfüllenden
Kriterien darstellen. Hier besteht offensichtlich noch Forschungsbedarf: Der Einfluss von
Faktoren wie Stichprobenmerkmalen und Diagnoseinstrumenten auf die Erhebung von
Prävalenzen der PTBS muss weiter untersucht werden.
Fazit: Die Hypothese 1b muss zurückgewiesen werden. Es zeigt sich in der vorliegenden
Stichprobe zwar eine höhere Prävalenz für das weibliche Geschlecht, jedoch wird dieser
Unterschied nicht signifikant. Die Studienlage zu Geschlechterunterschieden bei der
Diskussion
120
Prävalenz der PTBS ist uneinheitlich; weitere Forschung zu den Einflussvariablen bei der
Diagnosestellung der PTBS scheint notwendig.
4.4
Diskussion der Klassenbildung auf Basis der traumatischen Erlebnisse
der Heimjugendlichen
Hypothese 2: Lassen sich auf Basis von Art und Anzahl der erlebten traumatischen
Ereignisse bei den untersuchten deutschschweizerischen Heimjugendlichen Subgruppen
bilden?
Erwartungsgemäß ließen sich die Jugendlichen anhand ihrer traumatischen Erlebnisse in
mehrere Gruppen einteilen. Die Latente Klassenanalyse ergab 3 Subklassen: Hierbei wurde
die Gruppe derjenigen, die keines der Erlebnisse bejahten, von vorneherein als eine feste
Klasse definiert und mit dem Namen „Ohne Traumatisierung“ versehen. Hierzu wurde die
Funktion „known class“ der Statistiksoftware Latent GOLD 4.5 verwendet: Die Items
wurden auf Null fixiert, wenn keines der Ereignisse erlebt worden war. Die meisten
Teilnehmer wurden der Klasse „Mittlere Traumatisierung“ zugeordnet und gaben
mindestens ein, oftmals jedoch mehr als zwei verschiedene traumatische Erlebnisse an. Die
dritte Gruppe erhielt den Namen „Schwere Traumatisierung“, da die Jugendlichen hier
mindestens 4 verschiedene traumatische Erlebnisse sowie oftmals interpersonale Traumata
(z. B. „sexueller Missbrauch“) angaben. Aufgrund der Bildung von drei Klassen
unterscheiden sich die Ergebnisse der vorliegenden Studie von denen zweier anderer
Studien, die ebenfalls mit Hilfe der Latenten Klassenanalyse Gruppen auf Basis erlebter
Traumata bildeten und jeweils zwei Subgruppen identifizieren konnten (Hebert et al.,
2007; Romano et al., 2006). Während in der Studie von Hebert at al. (2007) die
Teilnehmer in beiden Klassen traumatische Ereignisse berichteten – und sich die Gruppen
somit nur in der Häufigkeit dieser Erlebnisse unterschieden –, fand sich in der Studie von
Romano et al. (2006) dagegen eine Klasse mit weiblichen Jugendlichen, die keine
Misshandlungen in der Kindheit erlebt hatten. Allerdings untersuchten Hebert et al. (2007)
straffällige erwachsene Frauen, bei Romano et al. (2006) bestand die Stichprobe aus
schwangeren Jugendlichen, so dass die Studien sowohl untereinander als auch mit der
vorliegenden Stichprobe nicht verglichen werden können. Zudem wurden in den beiden
genannten Studien (im Gegensatz zur vorliegenden Untersuchung) Teilnehmer ohne
traumatisches Erlebnis nicht von vorneherein als feststehende Gruppe definiert. Außerdem
wurde die Wahl der Klassenlösung in der Studie von Hebert et al. (2007) nicht anhand des
Diskussion
121
niedrigsten BIC-Wertes getroffen, was in der vorliegenden Studie der Fall war. In einer
weiteren Studie mit einem ähnlichen Vorgehen, jedoch einer ebenfalls nicht vergleichbaren
Stichprobe, wurde bei dänischen Schülern eine Einteilung in vier Klassen vorgenommen
(Shevlin & Elklit, 2008). Allerdings wurde auch hier nicht der BIC-Wert zur
Identifizierung der Klassenanzahl eingesetzt. In dieser Studie zeigten sich nicht nur bei der
Anzahl der verschiedenen Erlebnisse, die von den Jugendlichen bejaht wurden, sondern
auch bei der Art der traumatischen Ereignisse Unterschiede zwischen den Klassen:
Jugendliche aus verschiedenen Klassen berichteten mit signifikant unterschiedlicher
Häufigkeit von bestimmten Erlebnissen. Allerdings fanden sich diese Unterschiede
vorwiegend bei schweren, interpersonalen Traumata und nicht bei öffentlichen, vermutlich
einmaligen Erlebnisse wie „Unfall“ oder „Tod einer bekannten Person“ (Shevlin & Elklit,
2008). Die vorliegende Stichprobe zeigt ein ähnliches Bild: Die Jugendlichen der Klasse
„Schwere Traumatisierung“ bejahten signifikant häufiger interpersonale Erlebnisse wie
„sexueller Missbrauch“, „Vernachlässigung“ oder „gewalttätiger Angriff“ als Jugendliche
in der Gruppe „Mittlere Traumatisierung“. Dagegen fanden sich zwischen den Gruppen
keine Unterschiede im Hinblick auf Erlebnisse wie „schwerer Unfall“ oder
„Naturkatastrophe“. Dies bedeutet, dass bei Heimjugendlichen mit traumatischen
Erfahrungen nicht nur quantitative (also die Anzahl der verschiedenen Erlebnisse
betreffende), sondern auch qualitative Unterschiede bestehen. Die beiden Klassen
„Mittlere Traumatisierung“ und „Schwere Traumatisierung“ weisen qualitativ
unterschiedliche „Trauma-Profile“ auf: Die (zu 64 % weiblichen) Jugendlichen in der
Klasse „Schwere Traumatisierung“ haben nicht nur eine höhere Anzahl verschiedener
Ereignisse, sondern auch besonders häufig interpersonale, vermutlich sequentielle
Traumata des Typ II (Terr, 1991; Terr, 1995) erlebt. Insbesondere dieser qualitative
Unterschied zwischen den Trauma-Profilen unterstreicht die Aussagefähigkeit der
Klassenbildung, da sonst auch eine Einteilung der Jugendlichen allein auf Basis der Anzahl
der verschiedenen Erlebnisse erfolgen könnte. Eine mögliche Erklärung dafür, dass die
Jugendlichen der Klasse „Schwere Traumatisierung“ nicht nur eine Art von Trauma,
sondern viele verschiedene schwere Traumatisierungen erlebt haben, liefern z. B. Widom
et al. (2008): Die Autoren konnten feststellen, dass Kinder mit erlebtem
körperlichen/sexuellen Missbrauch und/oder erlebter Vernachlässigung ein höheres
Lebenszeitrisiko für eine Retraumatisierung haben als Kinder ohne solche Erfahrungen. Zu
ähnlichen Ergebnissen kamen Classen et al. (2005) in ihrem Review zur Retraumatisierung
von Kindern mit frühen sexuellen Missbrauchserfahrungen. Die Gründe hierfür liegen
Diskussion
122
vermutlich unter anderem darin, dass Kinder mit frühen sexuellen Missbrauchserfahrungen
die adäquate Deutung von Hinweisreizen für „Gefahr“ nicht rechtzeitig erlernen und sich
daher nicht ausreichend selbst schützen können (z.B. Schmid et al., 2010).
Aus den Ausführungen wird deutlich, dass die Klassenanzahl je nach Studie und
Stichprobe schwankt. Damit ist die Bildung von Klassen auf Basis von traumatischen
Erfahrungen stark stichprobenabhängig; die in der vorliegenden Studie gefundenen drei
Subgruppen können demnach nicht als universal, sondern als spezifisch für stationär
untergebrachte Jugendliche in der Jugendhilfe bzw. für das Jugendstrafsystem der
Deutschschweiz angesehen werden. Da bisher keine vergleichbare Studie existiert, können
erst Replikationsstudien zeigen, ob sich dieses Ergebnis für Heimstichproben wiederholen
lässt.
Fazit: Hypothese 2 konnte bestätigt werden. Auf Basis der traumatischen Ereignisse der
Heimjugendlichen wurden drei Klassen festgestellt, die sich in Art und Anzahl
verschiedener Erlebnisse unterscheiden. Die Unterschiede zwischen den Klassen
hinsichtlich der Art der Erfahrungen fanden sich vorwiegend im Bereich der
interpersonalen Traumata des Typ II nach Terr (1991, 1995). In verschiedenen Studien
wurden unterschiedliche Klassenanzahlen festgestellt; allerdings scheint eine DreiKlassen-Lösung für die Gruppe der 10- bis 20-jährigen deutschschweizerischen
Heimjugendlichen eine zumindest vorläufige Gültigkeit zu besitzen.
Hypothese 2a: Unterscheiden sich die bei den Heimjugendlichen gebildeten „TraumaKlassen“ in Psychopathologie und Funktionseinschränkung?
Erwartungsgemäß unterscheiden sich die Trauma-Klassen in ihrem jeweiligen Ausmaß der
psychopathologischen Belastung, die mit dem Massachusetts Youth Screening Instrument
– Version 2 (Maysi-2) erhoben wurde. In den meisten Skalen des Maysi-2 zeigen sich
signifikante Unterschiede zwischen allen drei Klassen: Die psychische Belastung bzw.
Auffälligkeit steigt von der Gruppe „Ohne Traumatisierung“ über die Gruppe „Mittlere
Traumatisierung“ bis hin zur Gruppe „Schwere Traumatisierung“ stark an. Dieser
„Treppeneffekt“ veranschaulicht eindrucksvoll die Validität der Drei-Klassen-Lösung, da
nicht nur zwischen traumatisierten und nicht traumatisierten Jugendlichen ein Unterschied
in der psychischen Belastung besteht, sondern auch die beiden Klassen „Mittlere
Traumatisierung“ und „Schwere Traumatisierung“ differieren. Interessant ist, dass sich die
Jugendlichen in der Gruppe „Mittlere Traumatisierung“ auf den Skalen „Somatische
Beschwerden“ und „Suizidgedanken“ dagegen nicht von den Jugendlichen in der Gruppe
Diskussion
123
„Ohne Traumatisierung“ unterscheiden. Die Vulnerabilität insbesondere der Gruppe
„Schwere Traumatisierung“ zeigt sich zudem darin, dass fast 90 % der Jugendlichen
mindestens eine psychiatrische Diagnose aufweisen. Obwohl die Prävalenz psychiatrischer
Störungen in der vorliegenden Stichprobe insgesamt sehr hoch liegt, unterscheidet sich die
Gruppe „Schwere Traumatisierung“ (90 % mit mindestens einer Diagnose) signifikant von
der Gruppe „Ohne Traumatisierung“. Zudem weisen fast 50 % der Jugendlichen in der
Gruppe „Schwere Traumatisierung“ eine Persönlichkeitsstörung auf; mit diesem Anteil
unterscheiden sie sich signifikant von den Jugendlichen in den anderen beiden Gruppen.
Auch in ihrem sozialen Funktionsniveau sind die Jugendlichen der Gruppe „Schwere
Traumatisierung“ stärker beeinträchtigt als die Jugendlichen in den anderen Gruppen.
Etliche Studien konnten bereits zeigen, dass zwischen multipler Traumatisierung und
psychischer Belastung bzw. psychiatrischer Auffälligkeit ein Zusammenhang besteht
(Briere et al., 2008; Follette et al., 1996; Green et al., 2000; Tarren-Sweeney, 2008), zumal
multiple Traumatisierung zumeist die Erfahrung interpersonaler Traumata (also durch nahe
Bezugspersonen begangene Taten) beinhaltet. Allerdings gibt es insgesamt nur wenige
Studien, in denen die Auswirkungen von mehr als einem Trauma-Typ untersucht wurden:
Auch wenn in einigen Studien Teilnehmer mit verschiedenen Trauma-Typen verglichen
wurden, wurde dabei meist nicht berücksichtigt, dass viele der Probanden neben dem zu
untersuchenden Erlebnis weitere traumatische Erfahrungen gemacht hatten. Studien, in
denen die Folgen multipler Traumatisierung überprüft wurden, zielten meist auf Patienten
mit mehrjähriger Missbrauchserfahrung ab oder bildeten und verglichen die Gruppen
hinsichtlich der Anzahl erlebter traumatischer Erfahrungen. Allerdings werden derartige
Vorgehen nicht der Tatsache gerecht, dass Individuen sich nicht nur in der Anzahl von
erlebten Traumata, sondern auch in den Erlebnisarten unterscheiden. Die Ergebnisse der
vorliegenden Studie zeigen, dass Heimjugendliche zu Gruppen mit ähnlichen TraumaProfilen zusammengefasst werden können, bei denen sowohl die Anzahl der verschiedenen
Ereignisse als auch die Art der erlebten Ereignisse ähnlich sind, und dass sich diese
Gruppen in ihrer Psychopathologie und psychiatrischen Auffälligkeit voneinander
unterscheiden.
Somit verdeutlichen die vorliegenden Ergebnisse nicht nur, dass multiple Traumatisierung
eine größere psychopathologische Belastung zur Folge hat als eine einmalige
Traumatisierung, sondern auch, dass verschiedene Muster einer traumatisierenden
Vergangenheit in einem weiteren Unterschied resultieren: Heimjugendliche, die
interpersonale Traumata wie Missbrauch oder Vernachlässigung erlebt haben, sind
Diskussion
124
offenbar zumeist auch multipel traumatisiert, da sie mehrere verschiedene belastende
Ereignisse erlebt haben. Damit sind Studien, die die Auswirkungen einzelner
interpersonaler Trauma-Typen untersuchen, augenscheinlich nur schwer zu realisieren –
auch vor dem Hintergrund, dass frühkindliche Traumatisierung das Lebenszeitrisiko für
Retraumatisierungen wesentlich erhöht (Classen et al., 2005; Widom et al., 2008).
Insgesamt weisen diese Ergebnisse auf die Bedeutsamkeit einer sorgfältigen TraumaAnamnese hin, da diese wichtige Implikationen nicht nur für therapeutische
Interventionen, sondern auch für den pädagogischen Alltag im Heim beinhalten kann. Auf
die Bedeutung der Ergebnisse für den Heimalltag wird zu einem späteren Zeitpunkt näher
eingegangen.
Wie bereits in der Diskussion der methodischen Grenzen der Studie erwähnt,
unterscheiden sich die Klassen in Geschlecht und Alter, so dass diese Faktoren als
mögliche Einflussvariablen mit diskutiert werden müssen. In der Gruppe „Schwere
Traumatisierung“ finden sich mehr weibliche Jugendliche als in den anderen beiden
Gruppen. Dies kann auch ein Grund für die höhere Symptomausprägung in den Maysi-2Skalen „Depressiv-Ängstlich“, „Somatische Beschwerden“ und „Suizidgedanken“ bei der
Gruppe „Schwere Traumatisierung“ sein, da in diesen Skalen die Mädchen der Stichprobe
höhere Werte aufweisen als die Jungen. Interaktionseffekte zwischen Geschlecht und
Trauma-Klassen sowie bezüglich einzelner Skalen finden sich jedoch nicht. Weiterhin
befinden sich in der Gruppe „Mittlere Traumatisierung“ weniger Teilnehmer unter 14
Jahren als in der Gruppe „Ohne Traumatisierung“; dieser Altersunterschied kann bei den
höheren Werten der Jugendlichen in der Gruppe „Mittlere Traumatisierung“ auf der
Maysi-2-Skala „Alkohol- und Drogengebrauch“ im Vergleich zur Gruppe „Ohne
Traumatisierung“ eine Rolle spielen. Allerdings sind Geschlechts- und Altersunterschiede
auf natürliche Art und Weise eng verbunden mit der Erfahrung traumatischer Erlebnisse.
So ist gut belegt, dass Mädchen sehr viel häufiger sexuellen Missbrauch und
Vergewaltigung erfahren, Jungen dagegen öfter Unfälle erleben oder Zeuge von Gewalt
oder Tötung einer anderen Person werden (z.B. Hepp et al., 2006b; Kessler et al., 1995;
Perkonigg et al., 2000). In der vorliegenden Stichprobe zeigte sich, dass die weiblichen
Teilnehmer häufiger „sexuellen Missbrauch“, „gewalttätigen Angriff durch eine bekannte
Person“ sowie „Tod oder Verlust einer wichtigen Bezugsperson“ angeben. Auch
Altersunterschiede in der Häufigkeit traumatischer Erlebnisse sind insofern natürlich, als
ein älterer Jugendlicher über eine längere Zeitspanne die Möglichkeit zu entsprechenden
Erfahrungen hat als ein jüngeres Kind. Insofern müssen die Alters- und
Diskussion
125
Geschlechtsunterschiede zwischen den Trauma-Klassen als Folge eines natürlichen
Zusammenhangs zwischen diesen Faktoren und der Erfahrung traumatischer Erlebnisse
betrachtet werden. Eine Auspartialisierung dieser Effekte erscheint damit nicht sinnvoll –
hierauf wurde bei der Diskussion der methodischen Stärken und Schwächen der Studie
bereits eingegangen. Allerdings wurden die Trauma-Klassen in einer weiteren Analyse
nach Geschlecht getrennt verglichen: Viele der Unterschiede, die sich für die
Gesamtklassen zeigten, blieben auch hier bestehen. In den Maysi-2-Skalen zeigte sich
jedoch häufig nicht mehr der bereits beschriebene „Treppeneffekt“; meist ergab nur der
Vergleich der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ mit den anderen beiden Gruppen
signifikante Ergebnisse, indem diese Gruppe eine höhere Belastung aufweist. Die nach
Geschlecht gebildeten Gruppen unterscheiden sich nicht mehr in der Häufigkeit des
Vorliegens mindestens einer psychiatrischen Diagnose; das signifikant häufigere Auftreten
einer Persönlichkeitsstörung in der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ bleibt dagegen für
beide Geschlechter bestehen. Hierbei muss allerdings auch berücksichtigt werden, dass die
Gruppen bei der Trennung nach Geschlecht zum Teil sehr klein werden, so dass einige
Vergleiche möglicherweise mit einem größeren N signifikant werden würden.
Fazit: Die Hypothese 2a konnte bestätigt werden: Die gebildeten Trauma-Klassen
unterscheiden sich im Hinblick auf das Ausmaß, in dem die Jugendlichen
psychopathologisch belastet bzw. psychiatrisch auffällig und in ihrem Funktionsniveau
beeinträchtigt sind. Damit unterscheiden sich nicht nur traumatisierte von nicht
traumatisierten Jugendlichen, sondern traumatisierte Heimjugendliche zeigen auch
unterschiedliche Trauma-Profile, die mit unterschiedlichen psychopathologischen Folgen
einhergehen.
Hypothese 2b: Unterscheiden sich die bei den Heimjugendlichen gebildeten „TraumaKlassen“ in ihrer Delinquenz?
Erwartungsgemäß zeigten sich im Vergleich der verschiedenen Trauma-Klassen
Unterschiede in der Delinquenz. Bei der Schwere der Delinquenz fand sich wieder ein
„Treppeneffekt“, da die Jugendlichen in der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ häufiger
schwere Delikte begangen hatten. Allerdings unterschied sich hier die Gruppe „Schwere
Traumatisierung“ von der Gruppe „Mittlere Traumatisierung“ im Post-hoc-Vergleich nicht
signifikant; beide Gruppen gaben jedoch signifikant häufiger schwere Delikte an als die
Jugendlichen in der Gruppe „Ohne Traumatisierung“. Folglich ergab sich zwar insgesamt
ein Zusammenhang zwischen traumatischen Erlebnissen und Deliktschwere, jedoch
Diskussion
126
unterschieden sich die traumatisierten Jugendlichen nicht im Hinblick auf ihre TraumaProfile. Ein weniger einheitliches Bild fand sich bei den Deliktarten: Sachbeschädigungen
und Gewaltdelikte wurden sowohl in der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ als auch in
der Gruppe „Mittlere Traumatisierung“ häufiger angegeben als in der Gruppe „Ohne
Traumatisierung“. Anders verhielt es sich bei Eigentumsdelikten und schweren
Gewaltdelikten. Eigentumsdelikte wurden nur in der Gruppe „Mittlere Traumatisierung“
häufiger angegeben als in der Gruppe „Ohne Traumatisierung“, jedoch nicht in der Gruppe
„Schwere Traumatisierung“. Damit fällt die Gruppe „Mittlere Traumatisierung“ gegenüber
den anderen Gruppen durch eine erhöhte Nennung von Eigentumsdelikten auf. Allerdings
muss hierbei der Alterseffekt berücksichtigt werden: Zwischen den ersten beiden Gruppen
besteht ein Altersunterschied und die Jugendlichen mit Eigentumsdelikten in der
Gesamtstichprobe sind im Mittel älter als diejenigen ohne eine solche Tat. Die Gruppe
„Schwere Traumatisierung“ ist dagegen insbesondere durch die Angabe schwerer
Gewaltdelikte gekennzeichnet; ein Unterschied zeigte sich hier nur zwischen den Gruppen
„Schwere Traumatisierung“ und „Ohne Traumatisierung“. In der Stichprobe fand sich bei
den Angaben zu schweren Gewaltdelikten kein Geschlechtsunterschied, so dass dieser
Faktor trotz des hohen Mädchenanteils in der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ das
Ergebnis nicht wesentlich verzerrt haben kann. Da die Gruppe „Schwere Traumatisierung“
zu über 60 % weiblich ist, weist dieses Ergebnis vorwiegend auf einen Zusammenhang
zwischen schwerer, multipler Traumatisierung und schweren Gewaltdelikten bei Mädchen
hin – besonders angesichts der Tatsache, dass dieser Zusammenhang bei den ausschließlich
weiblichen Trauma-Klassen deutlich bestehen bleibt, bei den männlichen dagegen nicht.
Kein Unterschied zwischen den Trauma-Klassen zeigte sich bei der Häufigkeit einer
strafrechtlichen Platzierung. Allerdings muss hier der Geschlechtsunterschied
berücksichtigt werden, da sich nur bei wenigen weiblichen Jugendlichen ein
strafrechtlicher Einweisungsgrund fand; bei den männlichen Jugendlichen war dies
signifikant häufiger der Fall. Da zwischen den Trauma-Klassen ebenfalls ein
Geschlechtsunterschied besteht (die Gruppe „Schwere Traumatisierung“ ist zu 60 %
weiblich), ist der Zusammenhang zwischen den Trauma-Klassen und strafrechtlicher
Einweisung konfundiert. Bei den männlichen Trauma-Klassen zeigte sich zwar ein Anstieg
der Häufigkeit strafrechtlicher Einweisungen im Vergleich zwischen den Gruppen „Ohne
Traumatisierung“ und „Schwere Traumatisierung“, jedoch wird der Unterschied auch hier
nicht signifikant. Bei den weiblichen Trauma-Klassen fiel auf, dass insgesamt nur drei
Mädchen strafrechtlich platziert wurden, wodurch das Ergebnis wenig Aussagekraft hat.
Diskussion
127
Allerdings wirft es die Frage auf, ob delinquentes Verhalten bei Mädchen insgesamt
seltener strafrechtliche als zivilrechtliche Maßnahmen nach sich zieht. Insgesamt kann
festgehalten werden, dass sich ein Zusammenhang zwischen Delinquenz und TraumaKlassen nur im Hinblick auf das „Dunkelfeld“ (Selbstangaben der Teilnehmer), nicht
jedoch in Bezug auf das „Hellfeld“ (strafrechtliche Platzierung) zeigte.
Zahlreiche Studien konnten bereits zeigen, dass traumatische Erfahrungen – insbesondere
Missbrauch in der Kindheit – mit aggressivem und delinquentem Verhalten
zusammenhängen (z.B. Cicchetti & Toth, 1995; Jaffee et al., 2004; Manly et al., 2001;
Roy, 2005). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen allerdings darauf hin, dass
spezifische Trauma-Profile mit spezifischen Formen der Delinquenz einhergehen. Weitere
Forschung ist hier notwendig, um diese Ergebnisse zu bestätigen und zu erweitern. So gibt
es bereits Hinweise darauf, dass Kinder mit körperlichen und/oder sexuellen
Missbrauchserfahrungen insbesondere stärker zu reaktiver und verbaler Aggression neigen
als Kinder mit klinischer Auffälligkeit, jedoch ohne Missbrauchserfahrungen (Connor et
al., 2003). So wäre z. B. zu prüfen, ob der Zusammenhang zwischen Trauma-Profilen und
bestimmten Deliktarten durch die Neigung zu reaktiver vs. instrumentaler Aggression
(Dodge & Coie, 1987) moduliert wird. Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse, dass eine
sorgfältige Trauma-Anamnese dazu beitragen kann, Zusammenhänge zwischen Traumata
und delinquentem Verhalten aufzudecken und bessere Voraussetzungen für therapeutische
und pädagogische Interventionen zu schaffen – besonders auch im Hinblick auf das
Ergebnis, dass die legalprognostische Einschätzung der Betreuer für die Gruppe „Schwere
Traumatisierung“ schlechter ausfiel als für diejenigen der anderen Klassen.
Fazit: Die Hypothese 2b konnte teilweise bestätigt werden. Es zeigten sich Unterschiede
zwischen den Klassen und den Häufigkeiten von verübten Eigentumsdelikten und
schweren Gewaltdelikten. Während die Jugendlichen der Klasse „Mittlere
Traumatisierung“ häufiger Eigentumsdelikte angaben, fielen die Jugendlichen in der
Klasse „Schwere Traumatisierung“ insbesondere durch die Angabe schwerer
Gewaltdelikte auf. Dies weist – vor dem Hintergrund, dass die Klasse „Schwere
Traumatisierung“ zu über 60 % weiblich ist – insbesondere auf einen engen
Zusammenhang zwischen multipler, schwerer Traumatisierung und schweren
Gewaltdelikten bei Mädchen hin. Unterschiede in der Deliktschwere zeigten sich dagegen
nur zwischen traumatisierten („Mittlere Traumatisierung“ und „Schwere
Traumatisierung“) und nicht traumatisierten Jugendlichen, jedoch nicht zwischen den
Klassen „Schwere Traumatisierung“ und „Mittlere Traumatisierung“. Kein Unterschied
Diskussion
128
zwischen den Trauma-Klassen fand sich bei der Häufigkeit einer strafrechtlichen
Platzierung: Ein Zusammenhang zwischen Delinquenz und Trauma-Klassen zeigte sich
nur im Hinblick auf das „Dunkelfeld“ (Selbstangaben der Teilnehmer), nicht jedoch in
Bezug auf das „Hellfeld“ (strafrechtliche Platzierung). Allerdings ist zu berücksichtigen,
dass der Zusammenhang zwischen Platzierungsart und Trauma-Klassen vermutlich durch
eine unterschiedliche „Einweisungspraxis“ bei Jungen und Mädchen konfundiert ist.
Hypothese 3a: Unterscheiden sich die Trauma-Klassen in ihrer Zufriedenheit (Selbst- und
Fremdbeurteilung) mit der aktuellen stationären Maßnahme?
Die Jugendlichen in der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ zeigten sich weniger
zufrieden mit der aktuellen Maßnahme als die Jugendlichen in den anderen beiden
Gruppen. Sie fühlten sich laut Selbsturteil weniger gut über die Maßnahme informiert und
hielten es außerdem für weniger sinnvoll, weiterhin in der jeweiligen Einrichtung zu
bleiben. Im Fremdurteil wurde die Gruppe „Schwere Traumatisierung“ zudem als weniger
zufrieden mit sich selbst und als weniger motiviert eingeschätzt, weiterhin in der
Einrichtung zu bleiben. Bei zwei der Zufriedenheits-Items müssen allerdings
Geschlechtereffekte berücksichtigt werden, da die Mädchen der Stichprobe es insgesamt
für weniger sinnvoll hielten, weiterhin in der Einrichtung zu bleiben (Selbsturteil), und als
weniger zufrieden mit sich selbst eingeschätzt wurden (Fremdurteil). Dennoch
verdeutlichen die Ergebnisse, dass offensichtlich ein Zusammenhang zwischen der
Zufriedenheit mit der Maßnahme und dem spezifischen Trauma-Profil der Jugendlichen in
der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ besteht. Das Wissen um den Einfluss der
traumatischen Vergangenheit eines Jugendlichen auf die Maßnahme kann für den Betreuer
entlastend sein und zudem hilfreiche Ansätze für die pädagogische Arbeit liefern.
Gleichzeitig können die geringe Motivation der Jugendlichen in der Gruppe „Schwere
Traumatisierung“ und das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, auch Ausdruck
mangelnder pädagogischer Konzepte für multipel traumatisierte Jugendliche sein. In vielen
Einrichtungen besteht eine große Hilflosigkeit im Umgang mit hochauffälligen, psychisch
stark belasteten Heimjugendlichen, wobei diese Auffälligkeit meist das Resultat einer
schwer traumatisierenden Vergangenheit ist. Spezifische pädagogische Konzepte – z. B.
Trauma-Pädagogik (Schmid, 2008) – können Mitarbeitern in Heimeinrichtungen hier
wichtige Hilfestellungen bieten und das notwendige Verständnis für die Verhaltensweisen
der Betroffenen fördern.
Fazit: Die Hypothese 3a ließ sich teilweise bestätigen. Die Jugendlichen in der Gruppe
Diskussion
129
„Schwere Traumatisierung“ zeigten sich weniger zufrieden mit der Maßnahme als die
Jugendlichen in den anderen beiden Gruppen. Dies weist auf einen Zusammenhang
zwischen dem Trauma-Profil „Schwere Traumatisierung“ und der Zufriedenheit mit der
Maßnahme hin. Dagegen fanden sich keine Unterschiede in der Zufriedenheit zwischen
den Gruppen „Mittlere Traumatisierung“ und „Ohne Traumatisierung“.
Hypothese 3b: Haben die Heimjugendlichen je nach Trauma-Klasse in unterschiedlicher
Häufigkeit bereits eine vorherige Fremdunterbringung erlebt?
In der Studie zeigte sich, dass die Jugendlichen in den Gruppen „Schwere
Traumatisierung“ und „Mittlere Traumatisierung“ bereits häufiger eine vorherige
Fremdunterbringung erlebt hatten als die Jugendlichen in der Gruppe „Ohne
Traumatisierung“. Somit unterscheiden sich in dieser Hinsicht die (schwer/mittel)
traumatisierten von den nicht traumatisierten Jugendlichen. Allerdings fand sich kein
Unterschied innerhalb der Gruppe der traumatisierten Jugendlichen – auch wenn der
prozentuale Anteil der Jugendlichen mit vorheriger Fremdunterbringung bei der Gruppe
„Mittlere Traumatisierung“ mit 49 % niedriger liegt als bei der Gruppe „Schwere
Traumatisierung“ (61 %). Die Bewertung der Hypothese gestaltet sich jedoch vor dem
Hintergrund, dass die Jugendlichen in der Gruppe „Ohne Traumatisierung“ jünger sind als
die in der Gruppe „Mittlere Traumatisierung“, nicht unproblematisch: Ältere Jugendliche
haben schon allein aufgrund ihres Alters häufiger einen Institutionswechsel erlebt als
jüngere. Damit wird der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen durch den Faktor
„Alter“ beeinflusst. Dennoch wird deutlich, dass multipel traumatisierte Heimjugendliche
häufiger die Einrichtung wechseln als diejenigen ohne eine solche Vergangenheit. Vor dem
Hintergrund, dass Instabilität in der Platzierung, d. h. häufige Wechsel zwischen
Institutionen, bei männlichen Heimjugendlichen mit Misshandlungserfahrungen das Risiko
zu delinquentem Verhalten erhöhen können (Ryan & Testa, 2005), stellt dies ein wichtiges
Ergebnis dar. Angesichts der Tatsache, dass traumatisierte Kinder zum Schutz vor
Retraumatisierungen einen „sicheren Ort“ für ihren Rückzug benötigen und weitere
Beziehungsabbrüche die Bindungsproblematik noch verschärfen, erscheinen häufige
Institutionswechsel besonders folgenreich (Schmid, 2008). Möglicherweise sind
mangelnde pädagogische Konzepte für den Umgang mit schwer traumatisierten
Heimkindern und die damit einhergehende Überforderungen der Betreuer
mitverantwortlich für häufige Einrichtungswechsel.
Fazit: Die Hypothese 3b konnte teilweise bestätigt werden. Es zeigte sich, dass die
Diskussion
130
traumatisierten Jugendlichen der Stichprobe bereits häufiger einen Einrichtungswechsel
erlebt hatten als die nicht traumatisierten. Allerdings fand sich kein Unterschied zwischen
den Gruppen „Mittlere Traumatisierung“ und „Schwere Traumatisierung“.
Hypothese 3c: Unterscheiden sich die Trauma-Klassen in ihrem kinder- und
jugendpsychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsstatus?
Es fand sich ein Unterschied im kinder- und jugendpsychiatrischen bzw.
psychotherapeutischen Behandlungsstatus zwischen den Gruppen „Mittlere
Traumatisierung“ und „Schwere Traumatisierung“. Die Jugendlichen in der Gruppe „Ohne
Traumatisierung“ erhielten zwar mit einem Anteil von 73 % am häufigsten eine aktuelle
Behandlung, unterschieden sich jedoch nicht signifikant von den anderen beiden Gruppen.
Erstaunlich ist allerdings nicht nur, dass der Anteil der Jugendlichen mit einer aktuellen
Behandlung in der Gruppe „Ohne Traumatisierung“ am höchsten war, sondern auch, dass
die Jugendlichen der Gruppe „Mittlere Traumatisierung“ signifikant häufiger in
psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung waren als die Jugendlichen der
Gruppe „Schwere Traumatisierung“. Dies bedeutet, dass sich diese Gruppe trotz größter
psychopathologischer Auffälligkeit mit einem Anteil von 47 % von allen drei Gruppen am
seltensten in aktueller Behandlung befand. Auch wenn der Unterschied zwischen den
Klassen bei der Einschätzung der Behandlungsbedürftigkeit durch die Betreuer knapp nicht
signifikant wurde, wurden die Jugendlichen der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ mit
81 % am häufigsten von den Betreuern als behandlungsbedürftig eingeschätzt. Diese
Zahlen verdeutlichen sehr eindrücklich, dass der Behandlungsbedarf und die tatsächliche
Versorgung bei Heimjugendlichen oftmals stark auseinander gehen. Bereits andere Studien
konnten einen entsprechenden Mangel in der kinder- und jugendpsychiatrischen
Versorgung von Heimkindern aufzeigen. Schmid (2007) stellte in seiner Studie mit
Heimkindern in Deutschland fest, dass sich ca. 50 % der Kinder mit einer psychiatrischen
Diagnose auch in Behandlung befanden. Ähnliche Zahlen berichtet Meltzer et al. (2003a)
für Großbritannien. Angesichts dieser Versorgungslücke liefert die vorliegende Studie ein
interessantes Detail: Besonders Jugendliche mit besonders schweren Traumatisierungen
und damit einhergehenden komplexen Störungsbildern erhalten insgesamt seltener eine
Behandlung als weniger traumatisierte Jugendliche. Allerdings zeigte sich in der
vorliegenden Stichprobe auch, dass 88 % derjenigen, die aktuell keine Behandlung
erhielten, die Therapie abgebrochen hatten. Eine Erklärung für das oben beschriebene
Phänomen scheint also zu sein, dass insbesondere Jugendliche mit einer massiv
traumatisierenden Vergangenheit und komplexen Störungen schwer in der Behandlung zu
Diskussion
131
halten sind bzw. dass die Art der Behandlung der spezifischen Problematik traumatisierter
Jugendlicher nicht gerecht wird. Dies deckt sich mit der These von Blower et al. (2004),
dass die mangelnde kinder- und jugendpsychiatrische Versorgungssituation in Heimen ihre
Ursache vorwiegend in einer für Kinder mit massiven psychiatrischen Auffälligkeiten zu
geringen Behandlungskontinuität und -intensität hat. Ohne diese Behandlungskontinuität
und -intensität kann die besonders bei schwer traumatisierten Kindern und Jugendlichen
erforderliche Grundlage für eine vertrauensvolle und stabile Beziehung zwischen
Therapeut und Patient kaum geschaffen werden. Um diesen Anforderungen gerecht
werden zu können, ist eine engere Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Kinder- und
Jugendpsychiatrie/Psychotherapie erforderlich, was bereits Schmid (2007) in seiner Studie
zur psychischen Gesundheit von Heimkindern feststellte. Neben Behandlungskontinuität
und -intensität muss zudem die Art der Behandlung den spezifischen Anforderungen
traumatisierter Jugendlicher angepasst werden, indem die Schnittstelle zwischen
Jugendhilfe und Trauma-Therapie entsprechend ausgebaut wird.
Fazit: Die Hypothese 3c konnte teilweise bestätigt werden. Die Jugendlichen in den
Gruppen „Mittlere Traumatisierung“ und „Schwere Traumatisierung“ unterschieden sich in
ihrem aktuellen kinder- und jugendpsychiatrischen bzw. psychotherapeutischen
Behandlungsstatus. Trotz der psychopathologisch höheren Auffälligkeit der Gruppe
„Schwere Traumatisierung“ befanden sich die Jugendlichen der Gruppe „Mittlere
Traumatisierung“ signifikant häufiger in Behandlung. Keine signifikanten Unterschiede
zeigten sich dagegen im Vergleich zur Gruppe „Ohne Traumatisierung“. Eine Erklärung
für die im Vergleich seltenere Behandlung der Jugendlichen der Gruppe „Schwere
Traumatisierung“ liegt darin, dass hier die Therapien häufiger abgebrochen wurden und
dass diese Jugendlichen demnach schwerer in der Behandlung zu halten sind.
Diskussion
4.5
132
Schlussfolgerungen
Abschließend werden aus den vorliegenden Daten Schlussfolgerungen für die Jugendhilfe
und den Maßnahmenvollzug bei Jugendlichen gezogen.
4.5.1 Bedeutung der Ergebnisse für die Diagnosestellung einer
Posttraumatischen Belastungsstörung bei multipel traumatisierten
Heimjugendlichen
Die Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung wird seit einiger Zeit in
mehrfacher Hinsicht diskutiert: Zum einen zeigte sich, dass das Vollbild einer PTBS von
traumatisierten Kindern nur selten erfüllt wird, da sich die Diagnosekriterien an erkrankten
Erwachsenen orientieren (Riedesser, 2005; Schmid, 2008; Schmid et al., 2010; Simons &
Herpertz Dahlmann, 2008). Zum anderen wird das Symptomspektrum von Patienten mit
schwersten interpersonalen und sequentiellen Traumatisierungen vom Typ II (Terr, 1991;
Terr, 1995) durch die Diagnosekriterien der einfachen PTBS nur unzureichend erfasst.
Daher wurden neue Störungsbilder wie die „komplexe PTBS“ (Sack, 2004), die
„Developmental Trauma Disorders“ (van der Kolk, 2005; van der Kolk et al., 2009) und
die „Disorders of Extreme Stress Not Otherwise Specified (DESNOS)“ (Herman, 1992) für
die Aufnahme in die einschlägigen Kategoriensysteme vorgeschlagen. Die Ergebnisse der
vorliegenden Studie können als unterstützend für die Aufnahme solcher diagnostischen
Kategorien interpretiert werden. Die im Vergleich zur Lebenszeitprävalenz traumatischer
Erfahrungen relativ geringe Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung in der
vorliegenden Stichprobe ist auffällig. Die Komorbidität liegt dagegen sehr hoch – 48 % der
Jugendlichen erfüllen die Kriterien für mehr als eine Diagnose; insbesondere Jugendliche
mit traumatischen Erlebnissen weisen häufig mehr als eine psychiatrische Störung auf. Die
Schlussfolgerung liegt nahe, dass die oftmals multipel traumatisierten Heimjugendlichen
komplexe Störungsbilder entwickelt haben, die sich in einer hohen Komorbidität
psychischer Störungen äußern. Die Befürworter neuer Diagnosekategorien weisen vielfach
darauf hin, dass sich multipel bzw. komplex traumatisierte Kinder in ihrer Symptomatik
von der einer PTBS-Diagnose nach ICD-10 oder DSM-IV unterscheiden (Schmid et al.,
2010). So leiden die Kinder z. B. eher an tief greifenden Ängsten und Defiziten in der
Regulation von Gefühlen und Verhalten als an Erinnerungen an ein umschriebenes
belastendes Erlebnis (Simons & Herpertz Dahlmann, 2008). Zudem entsprechen viele
interpersonelle Traumata wie seelische Misshandlung, Vernachlässigung und Trennung
Diskussion
133
von den Eltern nicht dem DSM-IV-A Kriterium, das für die Diagnose einer PTBS nach
DSM-IV zunächst erfüllt sein muss (Simons & Herpertz Dahlmann, 2008). In ihrem
Vorschlag zur Aufnahme einer „Developmental Trauma Disorder (DTD)“-Diagnose für
Kinder und Jugendliche in das DSM-V schreiben van der Kolk et al. (2009), dass das
Ereigniskriterium der DTD nur einen Teil des DSM-IV-Ereigniskriteriums A1 enthält.
Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass die Prävalenz der PTBS in der vorliegenden
Stichprobe relativ niedrig liegt, da teilweise die traumatischen Erfahrungen der
Jugendlichen das Ereigniskriterium der PTBS nicht erfüllen, so dass im Weiteren auch
nicht die Symptome der PTBS abgefragt werden. Zudem weisen van der Kolk et al. (2009)
darauf hin, dass mit dem Erfüllen der Diagnose einer DTD nicht unbedingt auch eine
einfache PTBS in ihrem Vollbild verbunden sein muss. Herman (1992) schreibt hierzu:
This previously undefined syndrome may coexist with simple PTSD, but
extends beyond it. The syndrome is characterized by a pleomorphic
symptom picture, enduring personality changes, and high risk for repeated
harm, either self-inflicted or at the hands of others.
Die komplexe Störungssymptomatik (einschließlich einer hohen Prävalenz an
Persönlichkeitsstörungen) insbesondere bei den multipel traumatisierten Jugendlichen der
vorliegenden Stichprobe unterstreicht damit die Notwendigkeit einer neuen
Diagnosekategorie, mit der der speziellen Problematik dieser Jugendlichen Rechnung
getragen werden kann. Nicht umsonst ist Teil des Ereigniskriteriums A2 der
vorgeschlagenen „Developmental Trauma Disorders“, dass in der Versorgung des
Betroffenen eine bedeutende Unterbrechung von Schutz und Fürsorge aufgrund
wiederholter Wechsel von Bezugspersonen vorliegen müsse. Es ist davon auszugehen, dass
dieser Teil des Kriteriums vom größten Teil der Jugendlichen der vorliegenden Stichprobe
erfüllt wird. Wenn die Diagnose einer komplexen PTBS in die Diagnosesysteme
aufgenommen und gestellt werden kann, so ist dies auch von großer Bedeutung für die
weitere Therapie, da bereits spezielle psychotherapeutische Behandlungsverfahren zur
Verfügung stehen (Sack, 2004; van der Kolk, 2002). Oftmals erhalten z. B. extrem
aggressive Kinder mit traumatisierender Vergangenheit die Hauptdiagnose „Störung des
Sozialverhaltens“; diese Diagnose vernachlässigt allerdings die Komplexität der sich hinter
dem aggressiven Verhalten verbergenden emotionalen Prozesse und führt unter Umständen
zu einem unpassenden Therapieangebot. Zudem können die für die einfache PTBS
vorliegenden Behandlungskonzepte bei einer komplexen Problematik kontraindiziert sein
(van der Kolk, 2003). Auch für die Forschung zu den Folgen und der Behandlung von
schwerer multipler Traumatisierung kann eine neue diagnostische Kategorie als
Diskussion
134
Referenzpunkt dienen. Weitere Vorteile und Nachteile der Einführung einer TraumaEntwicklungsstörung werden bei Schmid et al. (2010) diskutiert.
4.5.2 Bedeutung der Ergebnisse für die stationäre Jugendhilfe
Die Ergebnisse verdeutlichen eindrucksvoll die hohe Lebenszeitprävalenz traumatischer
Erfahrungen bei deutschschweizerischen Heimjugendlichen. Die Erkenntnis der hohen
Prävalenz bei Heimkindern ist im internationalen Vergleich nicht neu und wurde bereits in
anderen Studien belegt (z.B. Burns et al., 2004; Hukkanen et al., 2003; Hukkanen et al.,
1997). Die – in den meisten Fällen multipel – traumatisierende Vergangenheit von
Heimjugendlichen schafft Anforderungen an Heimeinrichtungen und ihre Mitarbeiter,
denen aufgrund der gegenwärtigen Strukturen meist nicht ausreichend entsprochen werden
kann. Konzepte traumapädagogischer Behandlungsstrukturen in Heimeinrichtungen sind
eine relative neue Entwicklung der letzten Jahre (Boyd Webb, 2006; Schmid, 2008). Sie
berücksichtigen die spezifische Entwicklungspsychopathologie sequentieller
Traumatisierungen und früher Vernachlässigung, indem strukturelle und personelle
Veränderungen geschaffen werden, die es den Heimmitarbeiter ermöglichen, den
pädagogischen Herausforderungen besser zu begegnen. Vor dem Hintergrund der
Bindungsproblematik traumatisierter Heimjugendlicher, die meist mehrere
Beziehungsabbrüche erlebt haben, steht die Gewährleistung einer hohen
Beziehungskontinuität im Mittelpunkt: Häufige Institutionswechsel sollten vermieden und
dem Jugendlichen viele verschiedene Bindungen angeboten werden, so dass er ein ganzes
Netzwerk sicherer Beziehungen knüpfen kann. Die Einrichtung muss einen „sicheren Ort“
bieten, an dem der Jugendliche Verlässlichkeit und Transparenz erfährt und positive
Beziehungserfahrungen machen kann (Schmid, 2008). Die vorliegenden Ergebnisse lassen
den Schluss zu, dass in der stationären Jugendhilfe ein großer Bedarf an solchen
Konzepten besteht, da die Mehrheit der Heimjugendlichen bereits traumatische
Erfahrungen gemacht und in den Heimen häufig noch Institutionswechsel und
Therapieabbrüche erfahren hat. Dies erfordert die Etablierung „milieutherapeutischer“
Einrichtungen mit Mitarbeitern, die in der pädagogischen Betreuung komplex
traumatisierter Kinder geschult sind. Die Unterbringung in einer Heimeinrichtung sollte
zudem vor weiteren traumatischen Erfahrungen schützen, da gerade Kinder mit frühen
Missbrauchserfahrungen ein höheres Lebenszeitrisiko für Retraumatisierungen aufweisen
(Classen et al., 2005; Widom et al., 2008). Die Gewährleistung von Schutz und
Beziehungskontinuität in einer Heimeinrichtung stellt daher für traumatisierte Kinder eine
wichtige Voraussetzung für ihre weiteren Entwicklungsmöglichkeiten dar. In diesem
Diskussion
135
Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass die Platzierung von Kindern und
Jugendlichen in Heimen nicht zwangsläufig zu einer Entlastung des/der Betroffene/n
führen muss, sondern durchaus auch weitere Traumatisierung bedeuten kann. Nicht selten
beginnt – wie bereits erwähnt – mit einer Platzierung eine regelrechte „Heimkarriere“ mit
häufigen Institutionswechseln und den daraus resultierenden Beziehungsabbrüchen. Die
Vergangenheit hat zudem gezeigt, dass die Unterbringung in einer Heimeinrichtung nicht
immer Schutz und Fürsorge für das Kind bedeutet. So kam z. B. im Jahr 2003 der Film
„Die unbarmherzigen Schwestern“ (Regie: Peter Mullan) in die Kinos, in dem
Menschenverachtung und Sadismus in einer irischen Fürsorgeanstalt während der 60erJahre eindrücklich dargestellt werden. Der Film gilt als ein wesentlicher Auslöser für die
Debatte um die Fürsorgeerziehung während der 50er-, 60er- und 70-Jahre. Wensiersiki
(2006) lässt in seinem Buch „Schläge im Namen des Herrn. Die verdrängte Geschichte der
Heimkinder in der Bundesrepublik“ Betroffene zu Wort kommen, die während dieser
Jahrzehnte in Deutschland institutionell untergebracht waren: Neben dem Einsatz als
unentgeltliche Arbeitskräfte waren körperliche Züchtigung sowie emotionale Erniedrigung
häufig an der Tagesordnung. Wer ins Heim kam, musste durch „Zucht und Ordnung“
wieder gesellschaftsfähig gemacht werden; die hierfür eingesetzten „Erziehungsmethoden“
waren meist menschenverachtend. Die Debatte um die Führsorgeerziehung in der alten
Bundesrepublik dauert somit weiterhin an. In den letzten beiden Jahren erarbeitete der
AFET (Bundesverband für Erziehungshilfe e.V.) gemeinsam mit dem Deutschen Institut
für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) auf Bitte des Petitionsausschusses des
Deutschen Bundestags eine Rahmenkonzeption zur Aufarbeitung der Thematik (AFET Bundesverband für Erziehungshilfe e.V., 2008, 2009). Ziel der Bemühungen ist es,
baldmöglichst mit einer fundierten Bearbeitung „individueller Entschädigungsformen“ für
die Betroffenen zu beginnen (AFET - Bundesverband für Erziehungshilfe e.V., 2009, S.1).
Heimerziehung steht jedoch nicht erst seit dieser Debatte immer wieder im Fokus
kritischer Reflektion. Zurzeit wird diese zudem angeheizt durch die Enthüllungen über
Gewalt und Missbrauch in kirchlichen Institutionen wie Schulen und Internaten in
Deutschland (z. B. Mohr, 2010). Umso bemerkenswerter sind die Bereitschaft zu Mitarbeit
und Transparenz sowie das große Engagement der Einrichtungen, die an dieser Studie
teilnehmen.
Die vorliegende Studie konnte weiterhin zeigen, dass innerhalb der Gruppe traumatisierter
Heimjugendliche Unterschiede bestehen. Durch die Einteilung der Jugendlichen in
Gruppen auf Basis ihrer traumatischen Erfahrungen konnten neben der Gruppe „Ohne
Diskussion
136
Traumatisierung“ zwei weitere Gruppen mit unterschiedlichen Trauma-Profilen gebildet
werden: „Mittlere Traumatisierung“ und „Schwere Traumatisierung“. Die Jugendlichen in
der Gruppe „Schwere Traumatisierung“ wiesen eine größere psychopathologische
Belastung und ein teilweise unterschiedliches Delinquenzverhalten auf, befanden sich
seltener in kinder- und jugendpsychiatrischer bzw. psychotherapeutischer Behandlung und
zeigten zudem eine größere Unzufriedenheit mit der aktuellen Maßnahme. Diese
Ergebnisse können als Hinweis darauf gewertet werden, dass insbesondere für schwer
traumatisierte Jugendliche in Heimeinrichtungen bisher kein adäquates
Behandlungsangebot besteht. Insgesamt zeigte sich in der Stichprobe, dass Jugendliche
ohne aktuelle Behandlung die Therapie in den meisten Fällen abgebrochen hatten. Eine
Erklärung hierfür kann sein, dass insbesondere Jugendliche mit einer massiv
traumatisierenden Vergangenheit und komplexen Störungen schwer in der Behandlung zu
halten sind bzw. dass die Art der Behandlung der spezifischen Problematik traumatisierter
Jugendlicher nicht gerecht wird. Die notwendige Therapiemotivation kann – erst recht bei
Jugendlichen mit einer Bindungsproblematik – nur dann geschaffen werden, wenn eine
tragfähige und vertrauensvolle Beziehung zum Therapeuten aufgebaut wird. Blower et al.
(2004) führen die mangelnde kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung in Heimen
gerade auf eine zu geringe Behandlungskontinuität und -intensität zurück. Ohne diese
Komponenten kann die erforderliche Grundlage für eine vertrauensvolle und stabile
Beziehung zwischen Therapeut und Patient kaum gelegt werden. Die Schlussfolgerung
muss also zum einen sein, dass ein Großteil der Heimjugendlichen mit traumatischen
Erfahrungen spezieller traumapädagogischer Konzepte bedarf. Zum anderen gibt es noch
eine Untergruppe multipel traumatisierter Jugendlicher, die besondere
Behandlungsbedingungen benötigt, damit kinder- und jugendpsychiatrische bzw.
psychotherapeutische Maßnahmen erfolgreich durchgeführt werden können. Dies gilt
insbesondere vor dem Hintergrund des alarmierenden Ergebnisses, dass die
legalprognostische Einschätzung der Betreuer für die Gruppe der schwer traumatisierten
Jugendlichen schlechter ausfiel als für die anderen Gruppen. Neben traumapädagogischen
Konzepten ist somit eine engere Verknüpfung der stationären Jugendhilfe mit der Kinderund Jugendpsychiatrie bzw. Psychotherapie durch aufsuchende Behandlungskonzepte
erforderlich, um die erforderliche Behandlungskontinuität und -intensität gewährleisten zu
können. Besier (2008) konnte bereits zeigen, dass ein aufsuchendes, multimodales
ambulantes Behandlungsprogramm für Heimkinder stationäre kinder- und
jugendpsychiatrische Aufenthalte verringern kann. Eine Vermeidung solcher Aufenthalte
Diskussion
137
in der Psychiatrie ist gerade bei traumatisierten Kindern hilfreich, da bei Krisen nicht das
unterstützende Beziehungsnetz im Heim verlassen werden muss. Neben der Kontinuität
und Intensität der Behandlung muss zudem die Art der Behandlung der spezifischen
Problematik traumatisierter Jugendlicher angepasst werden. Zentral ist dabei der Ausbau
der Schnittstelle zwischen Trauma-Pädagogik und Trauma-Therapie, da hierdurch
wirksame psychotherapeutische Interventionen mit der traumapädagogischen Arbeit im
Heimalltag besser verknüpft werden können. Die psychotherapeutischen Interventionen
können langfristig nur dann zum Erfolg führen, wenn sie im Heimalltag durch die Betreuer
mitgetragen werden. Der Bereich der traumatherapeutischen Interventionen bei Kindern
und Jugendlichen hat sich besonders während der letzten Jahre erfolgreich
weiterentwickelt. Einen Überblick zur Wirksamkeit von Behandlungsansätzen der PTBS
bei Kindern und Jugendlichen findet sich beispielsweise bei Kraft et al. (2006).
Insbesondere die Ansätze von Cohen et al. (Cohen et al., 2009; Cohen et al., 2004;
Deblinger et al., 2006) werden für die Behandlung selbst komplex traumatisierter Kinder
und Jugendlicher erfolgreich eingesetzt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass für einen
Großteil der betroffenen Heimkinder/-jugendlichen solche Behandlungskonzepte bisher
noch nicht zugänglich sind.
Aus den vorliegenden Daten lässt sich weiterhin schlussfolgern, dass bei der Arbeit mit
schwer traumatisierten Kindern Konzepte für den Umgang mit delinquentem Verhalten
entwickelt werden müssen. Die hinter der Delinquenz verborgenen emotionalen Prozesse
müssen im pädagogischen und psychotherapeutischen Umgang Berücksichtigung finden,
um nicht durch unangemessene Maßnahmen Retraumatisierungen auszulösen.
Insbesondere schwere Gewaltdelikte bei Mädchen sollten auf ihren Zusammenhang mit
eigenen Missbrauchserfahrungen überprüft werden: Wie bereits erwähnt, fiel insbesondere
bei der Gruppe „Schwere Traumatisierung“, die durch das Begehen schwerer
Gewaltdelikte gekennzeichnet ist, die Legalprognose durch die Betreuer sehr viel
schlechter aus als für die anderen Gruppen.
Die Relevanz der Thematik des Umgangs mit Traumatisierungen im Bereich der
Jugendhilfe zeigt sich zudem in der Tatsache, dass sie bereits auf politischer Ebene
diskutiert wird. Im „13. Kinder- und Jugendbericht“, der zum Thema
„Gesundheitsbezogene Prävention und Gesundheitsförderung in der Kinder- und
Jugendhilfe“ als Bundestagsdrucksache der Bundesregierung veröffentlicht wurde, wird
auch auf das Thema „Traumatisierte Kinder und Jugendliche“ eingegangen (Deutscher
Bundestag - 16. Wahlperiode, 2009). In dem Bericht wird festgestellt, dass traumatisierte
Diskussion
138
Kinder und Jugendliche in Deutschland bisher noch viel zu wenig Beachtung und
Unterstützung erhalten. Zudem wird explizit auf die notwendige Sensibilisierung der
jeweiligen Fachkräfte für Traumatisierungen (Traumasensibilität, siehe z.B. Schmid, in
press) sowie die Berücksichtigung der Umsetzung traumapädagogischer Konzepte in der
Jugendhilfe hingewiesen. Am Ende steht das Fazit, dass die hierfür notwendigen
Strukturen noch nicht geschaffen sind:
Diese Grenzen der normalen Fachpraxis verweisen einerseits auf die bislang
nur unzureichend vorhandenen interdisziplinären und -professionellen
Angebote, in denen sich stabile pädagogische Settings und therapeutische
Unterstützung gegenseitig ergänzen. Zum anderen wird erheblicher
Weiterbildungs- und Beratungsbedarf aufseiten der Fachkräfte sichtbar.
(Deutscher Bundestag - 16. Wahlperiode, 2009)
Es ist nicht neu, dass Heimeinrichtungen mit einer psychisch stark belasteten,
verhaltensauffälligen Klientel konfrontiert sind. Erst in den letzten Jahren reifte sowohl auf
wissenschaftlicher und pädagogisch/psychologischer als auch auf politischer Ebene die
Erkenntnis, dass viele Einrichtungen und Mitarbeiter auf die Folgen der massiv
traumatisierenden Erfahrungen vieler Heimjugendlicher und der darauf folgenden
Psychopathologie nicht ausreichend vorbereitet sind, so dass strukturelle und personelle
Veränderungen geschaffen werden müssen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie
unterstreichen diese Notwendigkeit eindrücklich.
Zusammenfassung
139
5 Zusammenfassung
Die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen in der stationären Jugendhilfe
sowie im Jugendstrafsystem ist groß; je nach Studie erfüllen 44–96 % der Heim- und
Pflegekinder die Diagnosekriterien für mindestens eine psychische Störung. Ähnlich hohe
Prävalenzraten psychischer Auffälligkeiten schildern Studien mit jugendlichen Straftätern.
Vor dem Hintergrund der oftmals extrem traumatisierenden Vergangenheit vieler
Jugendlicher im Jugendhilfe- und Jugendstrafsystem erscheint dies nicht verwunderlich.
Die Lebenszeitprävalenz traumatischer Erfahrungen liegt bei mindestens 60–70 %; bei
straffälligen Jugendlichen finden sich teilweise Prozentsätze von über 90 %. Da für die
Deutschschweiz bisher Angaben zur Häufigkeit traumatischer Erfahrungen sowie zur
Posttraumatischen Belastungsstörung sowohl bei zivil- als auch bei strafrechtlich
eingewiesenen Heimjugendlichen fehlen, sollte mit der vorliegenden Studie ein
entsprechender Überblick geschaffen werden. Ein weiteres Ziel bestand darin, auf Basis
der Angaben der Jugendlichen zu traumatischen Erlebnissen verschiedene Muster bzw.
Profile traumatisierender Vergangenheiten zu identifizieren und diese in Zusammenhang
mit Psychopathologie, Delinquenz und Merkmalen der aktuellen Maßnahme zu setzen.
Die traumatischen Erfahrungen wurden über das Selbsturteil der Jugendlichen erhoben; die
Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung wurde anhand eines strukturierten
klinischen Interviews durch geschulte Mitarbeiter gestellt. Eine Latente Klassenanalyse
wurde auf Basis der angegebenen traumatischen Erfahrungen durchgeführt, um so Klassen
von Jugendlichen zu bilden, die ein ähnliches „Trauma-Profil“ aufweisen. Weiterhin
wurden Daten zu Psychopathologie über das Massachusetts Youth Screening Instrument
Version 2 (Maysi-2), Daten zu delinquentem Verhalten über die kriminologischen Fragen
sowie Daten zur Zufriedenheit mit der Maßnahme erhoben. Biographische und
anamnestische Informationen wurden von den jeweiligen Betreuern erfragt. Insgesamt 245
Jugendliche aus 31 Einrichtungen füllten das Essener Trauma-Inventar (ETI) aus. Der
Altersbereich reichte von 8 bis 25 Jahre, mit einem Mittelwert von 16,8. Ein Viertel der
Jugendlichen war weiblich. 75 Jugendliche (30 %) wiesen einen strafrechtlichen
Einweisungshintergrund auf.
Wie erwartet gab der Großteil (81 %) der Heimjugendlichen an, bereits mindestens eine
traumatische Erfahrung gemacht zu haben; 54 % erfüllten nach eigenen Angaben mit
mindestens einem Ereignis das DSM-IV-A-Kriterium. Damit liegt die Lebenszeitprävalenz
traumatischer Erfahrungen bei deutschschweizerischen Heimjugendlichen sehr viel höher
Zusammenfassung
140
als in der Allgemeinbevölkerung. Mit 4 % (Mädchen 4,7 %, Jungen 3,9 %) liegt die
Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung ca. viermal höher als in der
Allgemeinbevölkerung. Im Vergleich zur hohen Lebenszeitprävalenz traumatischer
Erfahrungen erscheint die Prävalenz der PTBS jedoch gering. Dagegen lag die Prävalenz
psychischer Störungen mit 75 % insgesamt sehr hoch. Zudem zeigte sich eine sehr hohe
Komorbidität: 48 % der Jugendlichen wiesen mehr als eine Diagnose auf. Bei der Bildung
von „Trauma-Klassen“ durch die Latente Klassenanalyse fanden sich drei Gruppen, die
„Ohne Traumatisierung“, „Mittlere Traumatisierung“ und „Schwere Traumatisierung“
benannt wurden. Die Jugendlichen der Klasse „Schwere Traumatisierung“ waren durch das
höchste Maß an psychopathologischer Auffälligkeit sowie insbesondere durch das
Begehen schwerer Gewaltdelikte charakterisiert. Es wurde außerdem deutlich, dass bei den
Jugendlichen in dieser Gruppe zwar häufiger ein Behandlungsbedarf gesehen wird, sie sich
jedoch seltener in aktueller Behandlung befinden.
Die Prävalenz der PTBS erwies sich im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung als sehr hoch
– angesichts der hohen Lebenszeitprävalenz traumatischer Erfahrungen bei
Heimjugendlichen fiel sie allerdings relativ niedrig aus. Im Hinblick auf die hohe
Komorbidität sowie die hohe Prävalenz psychischer Störungen insgesamt (insbesondere
bei den schwer traumatisierten Jugendlichen) scheinen die Diagnosekriterien der einfachen
Posttraumatischen Belastungsstörung den komplexen Störungsbildern massiv
traumatisierter Jugendlicher nicht gerecht zu werden. Die Bildung der drei TraumaKlassen verdeutlicht, dass sich Heimjugendliche mit ähnlichen „Trauma-Profilen“ zu
Gruppen zusammenfassen lassen. Die Unterschiede zwischen den Gruppen im Hinblick
auf Psychopathologie, Delinquenz und Merkmale der Maßnahme belegen eindrucksvoll
die Aussagefähigkeit der Klassenbildung. Der Großteil der traumatisierten Jugendlichen in
der stationären Jugendhilfe benötigt spezifische pädagogische Konzepte, um den
Jugendlichen den notwendigen Halt bieten zu können und die Betreuer vor Überforderung
zu schützen. Der Anteil an schwer traumatisierten Heimjugendlichen in kinder- und
jugendpsychiatrischer Behandlung weist auf die Notwendigkeit einer engeren
Verknüpfung zwischen Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie hin; nur so kann
die notwendige Behandlungskontinuität und -intensität für massiv belastete Jugendliche
gewährleistet werden. Sinnvoll erscheinen zudem spezifische pädagogische Konzepte für
Untergruppen traumatisierter Heimjugendlicher. Eine Entwicklung traumapädagogischer
Konzepte sollte demnach mögliche Subgruppen traumatisierter Heimjugendlicher
berücksichtigen.
Literatur
141
6 Literatur
Abram, K. M., Teplin, L. A., Charles, D. R., Longworth, S. L., McClelland, G. M., &
Dulcan, M. K. (2004). Posttraumatic Stress Disorder and Trauma in Youth in
Juvenile Detention. Arch Gen Psychiatry, 61(4), 403-410.
Abram, K. M., Teplin, L. A., McClelland, G. M., & Dulcan, M. K. (2003). Comorbid
psychiatric disorders in youth in juvenile detention. Archives of General
Psychiatry, 60(11), 1097-1108.
Achenbach, T. M. (1991). Manual of the Youth Self Report and 1991 Profile. Burlington:
University of Vermont Department of Psychiatry.
Achenbach, T. M., & McConaughy, S. H. (1987). Empirically based assessment of Child
and Adolescent psychopathology. Newbury Park: Sage.
AFET - Bundesverband für Erziehungshilfe e.V. (2008). Fürsorgeerziehung der 1950er
und 1960er Jahre. Stand und Perspektiven der (fach-)historischen und politischen
Bearbeitung. Retrieved 29.01., 2010, from http://www.afetev.de/aktuell/AFET_intern/2009/Expertenges-50er-60er.pdf
AFET - Bundesverband für Erziehungshilfe e.V. (2009). Position des AFET zur aktuellen
Debatte um die Fürsorgeerziehung der jahre 1950 bis ca. 1970 in der alten
Bundesrepublik. Retrieved 29.01., 2010, from
http://www.dvjj.de/download.php?id=1033
Afifi, T. O., Boman, J., Fleisher, W., & Sareen, J. (2009). The relationship between child
abuse, parental divorce, and lifetime mental disorders and suicidality in a nationally
representative adult sample. Child Abuse & Neglect, 33(3), 139-147.
Ainsworth, M. D., Blehar, M. C., Waters, E., & Wall, S. (1978). Patterns of attachment: A
psychological study of the strange situation. Hillsdale: Erlbaum.
Alessandri, S. M. (1991). Play and social behavior in maltreated preschoolers.
Development and Psychopathology Vol 3(2) 1991, 191-205.
Andershed, H., Hodgins, S., & Tengstrom, A. (2007). Convergent Validity of the Youth
Psychopathic Traits Inventory (YPI): Association With the Psychopathy Checklist:
Youth Version (PCL:YV). Assessment, 14(2), 144-154.
Andershed, H., Kerr, M., Stattin, H., & Levander, S. (2002). Psychopathic traits in nonreferred youths: Initial test of a new assessment tool. In E. Blaauw & L. Sheridan
(Eds.), Psychopaths: Current international perspectives (pp. 131-158). The Hague,
The Netherlands: Elsevier.
APA - American Psychiatric Association. (1994). Diagnostic and Statistical Manual of
Mental Disorders, 4th ed. Washington, D.C.: American Psychiatric Association.
Ariga, M., Uehara, T., Takeuchi, K., Ishige, Y., Nakano, R., & Mikuni, M. (2008). Trauma
exposure and posttraumatic stress disorder in delinquent female adolescents.
Journal of Child Psychology and Psychiatry Vol 49(1) Jan 2008, 79-87.
Baur, D., Finkel, M., Hamberger, M., & Kühn, A. D. (1998). Leistungen und Grenzen der
Heimerziehung. Ergebnisse einer Evaluationsstudie stationärer und teilstationärer
Erziehungshilfen (Vol. 170). Stuttgart: Kohlhammer.
Belsky, J. (1993). Etiology of child maltreatment: A developmentalEuro cological analysis.
Psychological Bulletin Vol 114(3) Nov 1993, 413-434.
Literatur
142
Bergen, H. A., Martin, G., Richardson, A. S., Allison, S., & Roeger, L. (2003). Sexual
Abuse and Suicidal Behavior: A Model Constructed From a Large Community
Sample of Adolescents. Journal of Amer Academy of Child & Adolescent
Psychiatry, 42(11), 1301-1309.
Bernstein, D. P., Fink, L., Handelsman, L., Foote, J., Lovejoy, M., Wenzel, K., et al.
(1994). Initial reliability and validity of a new retrospective measure of child abuse
and neglect.[see comment]. American Journal of Psychiatry, 151(8), 1132-1136.
Besier, T. (2008). Evaluation eines aufsuchenden, multimodalen ambulanten
Behandlungsprogramms für Heimkinder zur Vermeidung stationärer kinder- und
jugendpsychiatrischer Behandlungsaufenthalte. University of Ulm, Ulm.
Blair, R. J. R., Peschardt, K. S., Budhani, S., Mitchell, D. G. V., & Pine, D. S. (2006). The
development of psychopathy. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 47(3-4),
262-276.
Blake, D. D., Weathers, F. W., Nagy, L. M., Kaloupek, D. G., Gusman, F. D., Charney, D.
S., et al. (1995). The development of a Clinician-Administered PTSD Scale.
Journal of Traumatic Stress, 8(1), 75-90.
Blower, A., Addo, A., Hodgson, J., Lamington, L., & Towlson, K. (2004). Mental Health
of 'Looked After' Children: A Needs Assessment. Clinical Child Psychology and
Psychiatry, 9(1), 117-129.
Boers, K., & Reinecke, J. (Eds.). (2007). Delinquenz im Jugendalter: Erkenntnisse einer
Münsteraner Längsschnittstudie. Münster: Waxmann.
Bolger, K. E., & Patterson, C. J. (2001). Pathways from child maltreatment to internalizing
problems: Perceptions of control as mediators and moderators. Development and
Psychopathology, 13(04), 913-940.
Bowlby, J. (1982). Attachment and loss: Retrospect and prospect. American Journal of
Orthopsychiatry Vol 52(4) Oct 1982, 664-678.
Boyd Webb, N. (Ed.). (2006). Working with traumatized youth in child welfare. New
York: Guilford Press.
Bozdogan, H. (1987). Model-selection and Akaike's information criterion (AIC):The
general theory and its analytical extensions. Psychometrika, 52, 345-370.
Braham, L., Jones, D., & Hollin, C. R. (2008). The Violent Offender Treatment Program
(VOTP): Development of a treatment program for violent patients in a high security
psychiatric hospital. International Journal of Forensic Mental Health Vol 7(2) Fal
2008, 157-172.
Briere, J., Kaltman, S., & Green, B. L. (2008). Accumulated childhood trauma and
symptom complexity. Journal of Traumatic Stress, 21(2), 223-226.
Brodsky, B. S., Oquendo, M., Ellis, S. P., Haas, G. L., Malone, K. M., & Mann, J. J.
(2001). The Relationship of Childhood Abuse to Impulsivity and Suicidal Behavior
in Adults With Major Depression. Am J Psychiatry, 158(11), 1871-1877.
Bruce, E., & Waelde, L. C. (2008). Relationships of ethnicity, ethnic identity, and trauma
symptoms to delinquency. Journal of Loss & Trauma Vol 13(5) Oct-Dec 2008,
395-405.
Bundesamt für Statistik Schweiz. (2008). Jugendstrafurteile - Daten, Indikatoren.
Retrieved 2.02., 2010, from
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/19/03/04/key/ueberblick/wicht
Literatur
143
igste_zahlen.html
Burns, B. J., Phillips, S. D., Wagner, H. R., Barth, R. P., Kolko, D. J., Campbell, Y., et al.
(2004). Mental Health Need and Access to Mental Health Services by Youths
Involved With Child Welfare: A National Survey. Journal of the American
Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 43(8), 960-970.
Burton, D., Foy, D. W., Bwanausi, C., Johnson, J., & et al. (1994). The relationship
between traumatic exposure, family dysfunction, and post-traumatic stress
symptoms in male juvenile offenders. Journal of Traumatic Stress Vol 7(1) Jan
1994, 83-93.
Carlson, E. A., Egeland, B., & Sroufe, L. A. (2009). A prospective investigation of the
development of borderline personality symptoms. Development &
Psychopathology, 21, 1311-1334.
Carrion, V. G., & Steiner, H. (2000). Trauma and dissociation in delinquent adolescents.
Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry Vol 39(3) Mar
2000, 353-359.
Caspi, A., McClay, J., Moffitt, T., Mill, J., Martin, J., Craig, I. W., et al. (2002). Role of
genotype in the cycle of violence in maltreated children. Science Vol 297(5582)
Aug 2002, 851-854.
Cauffman, E. (2004). A statewide screening of mental health symptoms among juvenile
offenders in detention. Journal of the American Academy of Child and Adolescent
Psychiatry, 43(4), 430-439.
Cauffman, E., Feldman, S., Waterman, J., & Steiner, H. (1998). Posttraumatic stress
disorder among female juvenile offenders. Journal of the American Academy of
Child & Adolescent Psychiatry Vol 37(11) Nov 1998, 1209-1216.
Chambers, W. J., Puig-Antich, J., Hirsch, M., Paez, P., Ambrosini, P. J., Tabrizi, M. A., et
al. (1985). The Assessment of Affective Disorders in Children and Adolescents by
Semistructured Interview: Test-Retest Reliability of the Schedule for Affective
Disorders and Schizophrenia for School-Age Children, Present Episode Version.
Arch Gen Psychiatry, 42(7), 696-702.
Chapman, J. F., & Ford, J. D. (2008). Relationships between suicide risk, traumatic
experiences, and substance use among juvenile detainees. Archives of Suicide
Research Vol 12(1) Jan 2008, 50-61.
Cicchetti, D., & Barnett, D. (1991). Attachment organization in maltreated preschoolers.
Development and Psychopathology, 3(4), 397-411.
Cicchetti, D., & Cohen, D. J. (1995). Developmental Psychopathology. New York: Wiley.
Cicchetti, D., & Rogosch, F. A. (2002). A developmental psychopathology perspective on
adolescence. Journal of Consulting and Clinical Psychology Vol 70(1) Feb 2002,
6-20.
Cicchetti, D., & Toth, S. L. (1995). A developmental psychopathology perspective on child
abuse and neglect. Journal of the American Academy of Child & Adolescent
Psychiatry Vol 34(5) May 1995, 541-565.
Cicchetti, D., & Toth, S. L. (2000). Developmental processes in maltreated children. In D.
J. Hansen (Ed.), Nebraska Symposium on Motivation: Vol. 46. Child maltreatment.
(pp. 85-160). Lincoln, NE: University of Nebraska Press.
Classen, C. C., Palesh, O. G., & Aggarwal, R. (2005). Sexual Revictimization: A Review
Literatur
144
of the Empirical Literature. Trauma Violence Abuse, 6(2), 103-129.
Cloninger, C. R. (1994). Temperament and personality. Current Opinion in Neurobiology,
4(2), 266-273.
Cohen, J., Mannarino, A. P., & Deblinger, E. (2009). Traumafokussierte kognitive
Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen. Berlin: Springer.
Cohen, J. A., Deblinger, E., Mannarino, A. P., & Steer, R. A. (2004). A multisite,
randomized controlled trial for children with sexual abuse-related PTSD symptoms.
Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 43(4), 393402.
Connor, D. F., Doerfler, L. A., Volungis, A. M., Melloni, R. H., Jr., & Steingard, R. J.
(2003). Aggressive Behavior in Abused Children. Annals of the New York Academy
of Sciences, 1008(1), 79-90.
Copeland, W. E., Keeler, G., Angold, A., & Costello, E. (2007). Traumatic events and
posttraumatic stress in childhood. Archives of General Psychiatry Vol 64(5) May
2007, 577-584.
Day, A. (2009). Offender emotion and self-regulation: Implications for offender
rehabilitation programming. Psychology, Crime & Law Vol 15(2-3) Feb 2009, 119130.
Deblinger, E., Mannarino, A. P., Cohen, J. A., & Steer, R. A. (2006). A follow-up study of
a multisite, randomized, controlled trial for children with sexual abuse-related
PTSD symptoms. Journal of the American Academy of Child & Adolescent
Psychiatry, 45(12), 1474-1484.
Desai, R. A., Goulet, J. L., Robbins, J., Chapman, J. F., Migdole, S. J., & Hoge, M. A.
(2006). Mental Health Care in Juvenile Detention Facilities: A Review. Journal of
the American Academy of Psychiatry and the Law Vol 34(2) 2006, 204-214.
Deutscher Bundestag - 16. Wahlperiode. (2009, 30.04.). Bericht über die Lebenssituation
junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland 13. Kinder- und Jugendbericht. from
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/128/1612860.pdf
Dixon, A., Howie, P., & Starling, J. (2005). Trauma Exposure, Posttraumatic Stress, and
Psychiatric Comorbidity in Female Juvenile Offenders. Journal of the American
Academy of Child & Adolescent Psychiatry Vol 44(8) Aug 2005, 798-806.
Dodge, K. A., Bates, J. E., & Pettit, G. S. (1990a). Mechanisms in the cycle of violence.
Science Vol 250(4988) Dec 1990, 1678-1683.
Dodge, K. A., & Coie, J. D. (1987). Social-information-processing factors in reactive and
proactive aggression in children's peer groups. Journal of Personality & Social
Psychology, 53(6), 1146-1158.
Dodge, K. A., Lansford, J. E., Burks, V. S., Bates, J. E., Pettit, G. S., Fontaine, R., et al.
(2003). Peer rejection and social information-processing factors in the development
of aggressive behavior problems in children. Child Development Vol 74(2) MarApr 2003, 374-393.
Dodge, K. A., Price, J. M., Bachorowski, J.-A., & Newman, J. P. (1990b). Hostile
attributional biases in severely aggressive adolescents. Journal of Abnormal
Psychology Vol 99(4) Nov 1990, 385-392.
Dodge, K. A., & Schwartz, D. (1997). Social information-processing mechanisms in
Literatur
145
aggressive behaviour. In D. M. Stoff, J. Breiling & J. D. Maser (Eds.), Handbook of
antisocial behaviour (pp. 171-180). New York: Wiley.
Drabick, D. A., Beauchaine, T. P., Gadow, K. D., Carlson, G. A., & Bromet, E. J. (2006).
Risk Factors for Conduct Problems and Depressive Symptoms in a Cohort of
Ukrainian Children. Journal of Clinical Child and Adolescent Psychology Vol
35(2) Jun 2006, 244-252.
Essau, C. A., Conradt, J., & Petermann, F. (1999). Häufigkeit der Posttraumatischen
Belastungsstörung bei Jugendlichen: Ergebnisse der Bremer Jugendstudie.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 27, 37-45.
Famularo, R., Fenton, T., Kinscherff, R., & Augustyn, M. (1996). Psychiatric comorbidity
in childhood post traumatic stress disorder. Child Abuse & Neglect, 20(10), 953961.
Famularo, R., Kinscherff, R., & Fenton, T. (1992). Psychiatric diagnoses of maltreated
children: Preliminary findings. Journal of the American Academy of Child &
Adolescent Psychiatry Vol 31(5) Sep 1992, 863-867.
Fink, L. A., Bernstein, D., Handelsman, L., Foote, J., & Lovejoy, M. (1995). Initial
reliability and validity of the childhood trauma interview: a new multidimensional
measure of childhood interpersonal trauma. American Journal of Psychiatry,
152(9), 1329-1335.
Finkelhor, D., Ormrod, R. K., & Turner, H. A. (2007a). Poly-victimization: a neglected
component in child victimization. Child Abuse & Neglect, 31(1), 7-26.
Finkelhor, D., Ormrod, R. K., & Turner, H. A. (2007b). Polyvictimization and trauma in a
national longitudinal cohort. Development & Psychopathology, 19(1), 149-166.
Finkelhor, D., Ormrod, R. K., & Turner, H. A. (2009). Lifetime assessment of polyvictimization in a national sample of children and youth. Child Abuse & Neglect,
33(7), 403-411.
Follette, V. M., Polusny, M. A., Bechtle, A. E., & Naugle, A. E. (1996). Cumulative
trauma: the impact of child sexual abuse, adult sexual assault, and spouse abuse.
Journal of Traumatic Stress, 9(1), 25-35.
Ford, J. D. (2002). Traumatic victimization in childhood and persistent problems with
oppositional-defiance. Journal of Aggression, Maltreatment & Trauma Vol 6(1)
2002, 25-58.
Ford, J. D., Stockton, P., Kaltman, S., & Green, B. L. (2006). Disorders of Extreme Stress
(DESNOS) Symptoms Are Associated With Type and Severity of Interpersonal
Trauma Exposure in a Sample of Healthy Young Women. Journal of Interpersonal
Violence Vol 21(11) Nov 2006, 1399-1416.
Ford, T., Vostanis, P., Meltzer, H., & Goodman, R. (2007). Psychiatric disorder among
British children looked after by local authorities: Comparison with children living
in private households. British Journal of Psychiatry Vol 190(4) Apr 2007, 319-325.
Freyd, J. J., DePrince, A. P., & Gleaves, D. H. (2007). The state of betrayal trauma theory:
Reply to McNally--Conceptual issues and future directions. Memory Vol 15(3) Apr
2007, 295-311.
Goodman, M., & Yehuda, R. (2002). The relationship between psychological trauma and
borderline personality disorder. Psychiatric Annals, Vol.32(6), pp.
Gordon, H. W. (2002). Early environmental stress and biological vulnerability to drug
Literatur
146
abuse. Psychoneuroendocrinology Vol 27(1-2) Jan/Feb 2002, 115-126.
Green, B. L., Goodman, L. A., Krupnick, J. L., Corcoran, C. B., Petty, R. M., Stockton, P.,
et al. (2000). Outcomes of single versus multiple trauma exposure in a screening
sample. Journal of Traumatic Stress Vol 13(2) Apr 2000, 271-286.
Greenwald, R. (2002). The Role of Trauma in Conduct Disorder. Journal of Aggression,
Maltreatment & Trauma, 6(1), 5-23.
Grisso, T., & Barnum, R. (2006). The MAYSI-2: Manual and Technical Report. Sarasota:
Professional Resource Press.
Grisso, T., Barnum, R., Fletcher, K. E., Cauffman, E., & Peuschold, D. (2001).
Massachusetts Youth Screening Instrument for mental health needs of juvenile
justice youths. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry
Vol 40(5) May 2001, 541-548.
Grisso, T., Vincent, G., & Seagrave, D. (2005). Mental Health Screening and Assessment
in Juvenile Justice. New York: Guilford.
Gutschner, D., & Doreleijers, T. A. H. (2004). Das Screeninginstrument BARO.ch.
Nervenheilkunde, 23, 326-331.
Guttmann-Steinmetz, S., & Crowell, J. A. (2006). Attachment and externalizing disorders:
A developmental psychopathology perspective. Journal of the American Academy
of Child & Adolescent Psychiatry Vol 45(4) Apr 2006, 440-451.
Hanson, R. F., Self-Brown, S., Fricker-Elhai, A., Kilpatrick, D. G., Saunders, B. E., &
Resnick, H. (2006). Relations among parental substance use, violence exposure and
mental health: The national survey of adolescents. Addictive Behaviors Vol 31(11)
Nov 2006, 1988-2001.
Hare, R. D. (2003). The Hare Psychopathy Checklist-Revised manual (2nd ed.). Toronto:
Multi-Health Systems, Inc.
Haskett, M. E., & Kistner, J. A. (1991). Social interactions and peer perceptions of young
physically abused children. Child Development Vol 62(5) Oct 1991, 979-990.
Hayes, M. A., McReynolds, L. S., & Wasserman, G. A. (2005). Paper and voice MAYSI2: format comparability and concordance with the voice DISC-IV. Assessment,
12(4), 395-403.
Hebert, M. R., Rose, J. S., Rosengard, C., Clarke, J. G., & Stein, M. D. (2007). Levels of
trauma among women inmates with HIV risk and alcohol use disorders: Behavioral
and emotional impacts. Journal of Trauma & Dissociation Vol 8(2) 2007, 27-46.
Hepp, U., Gamma, A., Milos, G., Eich, D., Ajdacic-Gross, V., Rossler, W., et al. (2006a).
Inconsistency in reporting potentially traumatic events. British Journal of
Psychiatry Vol 188(3) Mar 2006, 278-283.
Hepp, U., Gamma, A., Milos, G., Eich, D., Ajdacic-Gross, V., Rossler, W., et al. (2006b).
Prevalence of exposure to potentially traumatic events and PTSD: The Zurich
Cohort Study. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience Vol
256(3) Apr 2006, 151-158.
Herman, J. L. (1992). Complex PTSD: A syndrome in survivors of prolonged and repeated
trauma. Journal of Traumatic Stress, 5(3), 377-391.
Hohm, E., & Petermann, F. (2000). Sind die Effekte erzieherischer Hilfen stabil?
Ergebnisse einer 1-Jahreskatamnese. Kindheit und Entwicklung, 9(4), 212-221.
Literatur
147
Hollin, C. R., & Palmer, E. J. (2009). Cognitive skills programmes for offenders.
Psychology, Crime & Law Vol 15(2-3) Feb 2009, 147-164.
Hukkanen, R., Sourander, A., & Bergroth, L. (2003). Suicidal ideation and behavior in
children's homes. Nordic Journal of Psychiatry, Vol 57(2) Mar 2003, 131-137.
Hukkanen, R., Sourander, A., Bergroth, L., & Piha, J. (1997). Behavior problems and
sexual abuse in residential care in children's homes. Nordic Journal of Psychiatry
Vol 51(4) 1997, 251-258.
Hukkanen, R., Sourander, A., Bergroth, L., & Piha, J. (1999). Psychosocial factors and
adequacy of services for children in children's homes. European Child and
Adolescent Psychiatry, 8(4), 268-275.
Hunter, A. M., Muthén, B. O., Cook, I. A., & Leuchter, A. F. Antidepressant response
trajectories and quantitative electroencephalography (QEEG) biomarkers in major
depressive disorder. Journal of Psychiatric Research, In Press, Corrected Proof.
Ihle, W., & Esser, G. (2002). Epidemiologie psychischer Störungen im Kindes- und
Jugendalter: Prävalenz, Verlauf, Komorbidität und Geschlechtsunterschiede.
Psychologische Rundschau, 53, 159-169.
Ihle, W., Esser, G., Schmidt, M. H., & Blanz, B. (2002). Die Bedeutung von
Risikofaktoren des Kindes- und Jugendalters für psychische Störungen von der
Kindheit bis ins frühe Erwachsenenalter. Kindheit und Entwicklung, 11(4), 201211.
IKJ - Institut für Kinder und Jugendhilfe Mainz. (2002). Evas - Auswertung:
Gesamtbericht 2/02. Mainz: Eigenverlag.
Jaffee, S. R., Caspi, A., Moffitt, T. E., Dodge, K. A., Rutter, M., Taylor, A., et al. (2005).
Nature x nurture: Genetic vulnerabilities interact with physical maltreatment to
promote conduct problems. Development and Psychopathology Vol 17(1) Win
2005, 67-84.
Jaffee, S. R., Caspi, A., Moffitt, T. E., Polo-Tomas, M., & Taylor, A. (2007). Individual,
family, and neighborhood factors distinguish resilient from non-resilient maltreated
children: A cumulative stressors model. Child Abuse & Neglect Vol 31(3) Mar
2007, 231-253.
Jaffee, S. R., Caspi, A., Moffitt, T. E., & Taylor, A. (2004). Physical Maltreatment Victim
to Antisocial Child: Evidence of an Environmentally Mediated Process. Journal of
Abnormal Psychology Vol 113(1) Feb 2004, 44-55.
Joshi, P. K., & Rosenberg, L. A. (1997). Children's behavioral response to residential
treatment. Journal of Clinical Psychology, 53(6), 567-573.
Kaplow, J. B., & Widom, C. S. (2007). Age of onset of child maltreatment predicts longterm mental health outcomes. Journal of Abnormal Psychology Vol 116(1) Feb
2007, 176-187.
Keiley, M. K., Howe, T. R., Dodge, K. A., Bates, J. E., & Pettit, G. S. (2001). The timing
of child physical maltreatment: A cross-domain growth analysis of impact on
adolescent externalizing and interalizing problems. Development and
Psychopathology Vol 13(4) Fal 2001, 891-912.
Kessler, R. C., Sonnega, A., Bromet, E., Hughes, M., & et al. (1995). Posttraumatic stress
disorder in the National Comorbidity Survey. Archives of General Psychiatry Vol
52(12) Dec 1995, 1048-1060.
Literatur
148
Kim, J., & Cicchetti, D. (2004). A Longitudinal Study of Child Maltreatment, MotherChild Relationship Quality and Maladjustment: The Role of Self-Esteem and Social
Competence. Journal of Abnormal Child Psychology Vol 32(4) Aug 2004, 341-354.
Kim, J., & Cicchetti, D. (2006). Longitudinal trajectories of self-system processes and
depressive symptoms among maltreated and nonmaltreated children. Child
Development, 77(3), 624-639.
Kim, J., Cicchetti, D., Rogosch, F. A., & Manly, J. T. (2009a). Child maltreatment and
trajectories of personality and behavioral functioning: implications for the
development of personality disorder. Development & Psychopathology, 21(3), 889912.
Kim, J., Talbot, N. L., & Cicchetti, D. (2009b). Childhood abuse and current interpersonal
conflict: the role of shame. Child Abuse & Neglect, 33(6), 362-371.
Klein, J., Erlacher, M., & Macsenaere, M. (2003). Die Kinderdorf-Effekte-Studie. Mainz:
Institut für Kinder- und Jugendhilfe.
Kopp, L. M., & Beauchaine, T. P. (2007). Patterns of psychopathology in the families of
children with conduct problems, depression, and both psychiatric conditions.
Journal of Abnormal Child Psychology Vol 35(2) Apr 2007, 301-312.
Kraft, S., Schepker, R., Goldbeck, L., & Fegert, J. M. (2006). Behandlung der
posttraumatischen Belastungsstörung bei Kindern und Jugendlichen. Eine
Übersicht empirischer Wirksamkeitsstudien. Nervenheilkunde, 25, 709-716.
Krischer, M. K., & Sevecke, K. (2008). Early traumatization and psychopathy in female
and male juvenile offenders. International Journal of Law and Psychiatry, 31(3),
253.
Kupersmidt, J. B., Coie, J. D., & Dodge, K. A. (1990). The role of poor peer relationships
in the development of disorder. In S. R. Asher & J. D. Coie (Eds.), Peer rejection
in childhood (Vol. xii, pp. 274-305). NY, US: Cambridge University Press.
Lansford, J. E., Malone, P. S., Dodge, K. A., Crozier, J. C., Pettit, G. S., & Bates, J. E.
(2006a). A 12-Year Prospective Study of Patterns of Social Information Processing
Problems and Externalizing Behaviors. Journal of Abnormal Child Psychology Vol
34(5) Oct 2006, 715-724.
Lansford, J. E., Malone, P. S., Stevens, K. I., Dodge, K. A., Bates, J. E., & Pettit, G. S.
(2006b). Developmental trajectories of externalizing and internalizing behaviors:
Factors underlying resilience in physically abused children. Development and
Psychopathology Vol 18(1) Win 2006, 35-55.
Lansford, J. E., Miller-Johnson, S., Berlin, L. J., Dodge, K. A., Bates, J. E., & Pettit, G. S.
(2007). Early Physical Abuse and Later Violent Delinquency: A Prospective
Longitudinal Study. Child Maltreat, 12(3), 233-245.
Laucht, M., Esser, G., & Schmidt, M. H. (2001). Differential development of infants at risk
for psychopathology: The moderating role of early maternal responsivity.
Developmental Medicine & Child Neurology Vol 43(5) May 2001, 292-300.
Lewis, D. O. (1993). From abuse to violence: Psychophysiological consequences of
maltreatment. Annual Progress in Child Psychiatry & Child Development 1993,
507-527.
Loeber, R., & Farrington, D. P. (1998). Serious & violent juvenile offenders: Risk factors
and successful interventions (Vol. xxv). Thousands Oaks, CA, US: Sage
Literatur
149
Publications, Inc.
Luntz, B. K., & Widom, C. S. (1994). Antisocial personality disorder in abused and
neglected children grown up. American Journal of Psychiatry Vol 151(5) May
1994, 670-674.
Macsenaere, M., & Herrmann, T. (2004). Stationäre Erziehungshilfen - Klientel,
Ausgangslage und Wirkungen in den Hilfen zur Erziehung - eine
Bestandesaufnahme bei EVAS. Unsere Jugend, 8(1), 32-42.
Main, M., Kaplan, N., & Cassidy, J. (1985). Security in infancy, childhood, and adulthood:
A move to the level of representation. Monographs of the Society for Research in
Child Development Vol 50(1-2) 1985, 66-104.
Main, M., & Solomon, J. (1990). Procedures for identifying infants as
disorganized/disoriented during the Ainsworth Strange Situation. In M. T.
Greenberg, D. Cicchetti & E. M. Cummings (Eds.), Attachment in the preschool
years: Theory, research and intervention. Chicago, IL, US: University of Chicago
Press.
Malinosky-Rummell, R., & Hansen, D. (1993). Long-term consequences of childhood
physical abuse. Psychological Bulletin, 114(1), 68-79.
Manly, J. T., Kim, J. E., Rogosch, F. A., & Cicchetti, D. (2001). Dimensions of child
maltreatment and children's adjustment: Contributions of developmental timing and
subtype. Development and Psychopathology, 13(04), 759-782.
Margolin, G., & Gordis, E. B. (2000). The effects of family and community violence on
children. Annual Review of Psychology Vol 51 2000, 445-479.
Maschi, T., Bradley, C. A., & Morgen, K. (2008). Unraveling the link between trauma and
delinquency: The mediating role of negative affect and delinquent peer exposure.
Youth Violence and Juvenile Justice Vol 6(2) Apr 2008, 136-157.
Mazza, J. J., & Reynolds, W. M. (1999). Exposure to Violence in Young Inner-City
Adolescents: Relationships With Suicidal Ideation, Depression, and PTSD
Symptomatology. Journal of Abnormal Child Psychology, 27(3), 203-213.
McCann, J. B., James, A., Wilson, S., & Dunn, G. (1996). Prevalence of psychiatric
disorders in young people in the care system. British Medical Journal, 313(7071),
1529-1530.
McCutcheon, A. L. (1987). Latent Class Analysis. Sage University Paper series on
Quantitative Applications in the Social Sciences. Newbury Park, CA: Sage.
McCutcheon, A. L. (2002). Basic Concepts and Procedures in Single and Multiple Group
Latent Class Analysis. In J. A. Hagenaars & A. L. McCutcheon (Eds.), Applied
Latent Class Analysis (pp. 56-88). New York: Cambridge university Press.
McGee, R. A., Wolfe, D. A., Yuen, S. A., Wilson, S. K., & Carnochan, J. (1995). The
measurement of maltreatment: a comparison of approaches. Child Abuse &
Neglect, 19(2), 233-249.
McGuire, J., Bilby, C. A., Hatcher, R. M., Hollin, C. R., Hounsome, J., & Palmer, E. J.
(2008). Evaluation of structured cognitive-behavioural treatment programmes in
reducing criminal recidivism. Journal of Experimental Criminology Vol 4(1) Mar
2008, 21-40.
McMackin, R., Leisen, M., Cusack, J., LaFratta, J., & Litwin, P. (2002). The relationship
of trauma exposure to sex offending behavior among juvenile offenders. Journal of
Literatur
150
Child Sexual Abuse, 11(2), 25-40.
Meltzer, H., Corbin, T., Gatward, R., Goodman, R., & Ford, T. (2003a). The mental health
of young people looked after by local authorities in England: summary report.
London: The Stationery Office.
Meltzer, H., Gateward, R., Goodman, R., & Ford, T. (2000). The mental health of children
and adolescents in Great Britain: summary report. London: The Stationery Office.
Meltzer, H., Lader, D., & Corbin, T. (2004a). The Mental Health of Young People Looked
after in Scotland. TSO (The Stationery Office).
Meltzer, H., Lader, D., & Corbin, T. (2004b). The Mental Health of Young People Looked
After in Wales. TSO (The Stationery Office).
Meltzer, H., Lader, D., Corbin, T., Goodman, R., & Ford, T. (2003b). The mental health of
young people looked after by local authorities in Scotland: summary report.
Edinburgh: The Stationery Office.
Miller, G. M., & Chapman, J. P. (2001). Misunderstanding analysis of covariance. Journal
of Abnormal Psychology Vol 110(1) Feb 2001, 40-48.
Möller, A., Andreae, A., Meier, R., Urbaniok, F., & Hell, D. (2001). Psychiatrischdiagnostische Befunde bei männlichen Insassen zweier schweizerischer
Arbeitserziehungsanstalten. Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie, 152,
19-26.
Natsuaki, M. N., Cicchetti, D., & Rogosch, F. A. (2009). Examining the developmental
history of child maltreatment, peer relations, and externalizing problems among
adolescents with symptoms of paranoid personality disorder. Development &
Psychopathology, 21(4), 1181-1193.
Nelson, E. C., Heath, A. C., Madden, P. A. F., Cooper, M. L., Dinwiddie, S. H., Bucholz,
K. K., et al. (2002). Association Between Self-reported Childhood Sexual Abuse
and Adverse Psychosocial Outcomes: Results From a Twin Study. Arch Gen
Psychiatry, 59(2), 139-145.
Othmer, E., Penick, E. C., Powell, B. J., Read, M. R., & Othmer, S. C. (1981). Psychiatric
Diagnostic Interview Revised (PDI-R). Los Angeles: Western Psychological
Services.
Paivio, S. C., & Laurent, C. (2001). Empathy and emotion regulation: Reprocessing
memories of childhood abuse. Journal of Clinical Psychology, 57(2), 213-226.
Penn, J. V., Esposito, C. L., Schaeffer, L. E., Fritz, G. K., & Spirito, A. (2003). Suicide
Attempts and Self-Mutilative Behavior in a Juvenile Correctional Facility. Journal
of Amer Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 42(7), 762-769.
Perkonigg, A., Kessler, R., Storz, S., & Wittchen, H.-U. (2000). Traumatic events and
post-traumatic stress disorder in the community: Prevalence, risk factors and
comorbidity. Acta Psychiatrica Scandinavica Vol 101(1) Jan 2000, 46-59.
Plattner, B., Karnik, N., Jo, B., Hall, R. E., Schallauer, A., Carrion, V., et al. (2007). State
and trait emotions in delinquent adolescents. Child Psychiatry & Human
Development Vol 38(2) Aug 2007, 155-169.
Plück, J., Döpfner, M., Berner, W., Fegert, J. M., Huss, M., Lenz, K., et al. (1997). Die
Bedeutung unterschiedlicher Informationsquellen bei der Beurteilung psychischer
Störungen im Jugendalter - Ein Bergleich von Elternurteil und Selbsteinschätzung
der Jugendlichen. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 46(8), 566-
Literatur
151
582.
Putnam, F. W. (2003). Ten-year research update review: Child sexual abuse. Journal of the
American Academy of Child & Adolescent Psychiatry Vol 42(3) Mar 2003, 269278.
Pynoos, R., Frederick, C. J., & Nader, K. (1987). Life threat and post-traumatic stress in
school-age children. Archives of General Psychiatry, 44, 1057-1063.
Remschmidt, H., Schmidt, M. H., & Poustka, F. (2001). Multiaxiales
Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach
ICD-10 der WHO. Göttingen: Hogrefe.
Richardson, J., & Lelliott, P. (2003). Mental health of looked after children. Adv Psychiatr
Treat, 9(4), 249-256.
Riedesser, P. (2005). Entwicklungspychopathologie von Kindern mit traumatischen
Erfahrungen. In K. H. Brisch & T. Hellbrügge (Eds.), Bindung und Trauma (pp.
160-171). Stuttgart: Klett-Cotta.
Rogosch, F. A., & Cicchetti, D. (2004). Child maltreatment and emergent personality
organization: perspectives from the five-factor model. Journal of Abnormal Child
Psychology, 32(2), 123-145.
Romano, E., Zoccolillo, M., & Paquette, D. (2006). Histories of Child Maltreatment and
Psychiatric Disorder in Pregnant Adolescents. Journal of Amer Academy of Child
& Adolescent Psychiatry, 45(3), 329-336
310.1097/1001.chi.0000194563.0000140418.0000194581.
Roy, A. (2005). Childhood Trauma and Impulsivity. Possible Relevance to Suicidal
Behavior. Archives of Suicide Research Vol 9(2) Jun 2005, 147-151.
Ruchkin, V. V., Schwab-Stone, M., Koposov, R., Vermeiren, R., & Steiner, H. (2002).
Violence Exposure, Posttraumatic Stress, and Personality in Juvenile Delinquents.
Journal of Amer Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 41(3), 322-329.
Rutter, M., Kim-Cohen, J., & Maughan, B. (2006). Continuities and discontinuities in
psychopathology between childhood and adult life. Journal of Child Psychology
and Psychiatry Vol 47(3-4) Mar-Apr 2006, 276-295.
Rutter, M., & Quinton, D. (1977). Psychiatric disorders - ecological factors and concepts
of caution. In M. Gurk (Ed.), Ecological factors in human development (pp. 173177). Amsterdam: North-Holland.
Ryan, J. P., & Testa, M. F. (2005). Child maltreatment and juvenile delinquency:
Investigating the role of placement and placement instability. Children and Youth
Services Review Vol 27(3) Mar 2005, 227-249.
Sack, M. (2004). Diagnostische und klinische Aspekte der komplexen posttraumatischen
Belastungsstörung. Nervenarzt, 75, 451-459.
Salzman, J. P., Salzman, C., Wolfson, A. N., Albanese, M., Looper, J., Ostacher, M., et al.
(1993). Association between borderline personality structure and history of
childhood abuse in adult volunteers. Comprehensive Psychiatry, 34(4), 254-257.
Sass, H., Wittchen, H. U., & Zaudig, M. (2003). Diagnostisches und Statistisches Manual
Psychischer Störungen - Textversion - DSM-IV-TR. Göttingen: Hogrefe.
Schaffer, D., Fisher, P., Lucas, C. P., Dulcan, M. K., & Schwab-Stone, M. E. (2000).
NIMH Diagnostic Interview Schedule for Children Version IV (NIMH DISC-IV):
Literatur
152
description, differences from previous versions, and reliability of some common
diagnoses. Journal of Amer Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 39(1), 2838.
Schleiffer, R., & Muller, S. (2002). Attachment representations of adolescents in
residential care. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie Vol 51(10)
Dec 2002, 747-765.
Schmid, M. (2007). Psychische Gesundheit von Heimkindern. Eine Studie zur Prävalenz
psychischer Störungen in der stationären Jugendhilfe. Weinheim und München:
Juventa Verlag.
Schmid, M. (2008). Entwicklungspathologische Grundlagen einer Traumapädagogik.
Trauma & Gewalt, 2(4), 2-23.
Schmid, M. (in press). Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen in der
stationären Jugendhilfe. "Traumasensibilität und "Traumapädagogik".
Schmid, M., Fegert, J. M., & Petermann, F. (2010). Traumaentwicklungsstörung: Pro und
Contra. Kindheit und Entwicklung, 19(1), 1-17.
Schmid, M., Goldbeck, L., Nuetzel, J., & Fegert, J. M. (2008). Prevalence of mental
disorders among adolescents in German youth welfare institutions. Child and
Adolescent Psychiatry and Mental Health 2 Jan 2008 ArtID 2.
Schmidt, M. H., Petermann, F., Macsenaere, M., Knab, E., Schneider, K., Hölzl, H., et al.
(2002). Effekte erzieherischer Hilfen und ihre Hintergründe (Vol. 219). Stuttgart:
Kohlhammer.
Schmidt, M. H., Schneider, K., Hohm, E., Pickartz, A., Macsenaere, M., Petermann, F., et
al. (2000). Effekte, Verlauf und Erfolgsbedingungen unterschiedlicher
erzieherischer Hilfen. Kindheit und Entwicklung, 9(4), 202-211.
Schnurr, P. P., Friedman, M. J., & Rosenberg, S. D. (1993). Preliminary MMPI scores as
predictors of combat-related PTSD symptoms. American Journal of Psychiatry Vol
150(3) Mar 1993, 479-483.
Schore, A. N. (2001). The effects of early relational trauma on right brain development,
affect regulation, and infant mental health. Infant Mental Health Journal Vol 22(12) Jan-Apr 2001, 201-269.
Schore, A. N. (2003). Early Relational Trauma, Disorganized Attachment, and the
Development of a Predisposition to Violence. In M. F. Solomon & D. J. Siegel
(Eds.), Healing Trauma. Attachment, mind, body, and brain. (pp. 107-167): Norton
Verlag.
Schwarz, G. (1978). Estimating the dimensions of a model. Annals of Statistics, 6, 461464.
Shaffer, D., Gould, M. S., Brasic, J., Ambrosini, P., Fisher, P., Bird, H., et al. (1983). A
Children's Global Assessment Scale (CGAS). Arch Gen Psychiatry, 40(11), 12281231.
Shahinfar, A., Kupersmidt, J. B., & Matza, L. S. (2001). The relation between exposure to
violence and social information processing among incarcerated adolescents.
Journal of Abnormal Psychology Vol 110(1) Feb 2001, 136-141.
Sheehan, D. V., Lecrubier, Y., Sheehan, K. H., Amorim, P., Janavs, J., Weiller, E., et al.
(1998). The Mini-International Neuropsychiatric Interview (M.I.N.I.): the
development and validation of a structured diagnostic psychiatric interview for
Literatur
153
DSM-IV and ICD-10. Journal of Clinical Psychiatry, 59 Suppl 20, 22-33;quiz 3457.
Shevlin, M., & Elklit, A. (2008). A latent class analysis of adolescent adverse life events
based on a Danish national youth probability sample. Nordic Journal of Psychiatry
Vol 62(3) 2008, 218-224.
Shields, A., & Cicchetti, D. (1998). Reactive aggression among maltreated children: The
contributions of attention and emotion dysregulation. Journal of Clinical Child
Psychology Vol 27(4) Dec 1998, 381-395.
Shields, A., Ryan, R. M., & Cicchetti, D. (2001). Narrative representations of caregivers
and emotion dysregulation as predictors of maltreated children's rejection by peers.
Developmental Psychology Vol 37(3) May 2001, 321-337.
Simons, M., & Herpertz Dahlmann, B. (2008). Traumata und Traumafolgestörungen bei
Kindern und Jugendlichen - eine kritische Übersicht zu Klassifikation und
diagnostischen Kriterien. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und
Psychotherapie, 36(3), 151-161.
Singleton, N., Meltzer, H., Gatward, R., Coid, J., & Deasy, D. (1998). Psychiatric
morbidity among prisoners in England and Wales. In S. Office (Ed.). London.
Smith, C. A., Ireland, T. O., & Thornberry, T. P. (2005). Adolescent maltreatment and its
impact on young adult antisocial behavior. Child Abuse & Neglect Vol 29(10) Oct
2005, 1099-1119.
Steiner, H., Garcia, I. G., & Matthews, Z. (1997). Posttraumatic stress disorder in
incarcerated juvenile delinquents. Journal of the American Academy of Child and
Adolescent Psychiatry, 36(3), 357-365.
Stouthamer-Loeber, M., Wei, E. H., Homish, D., & Loeber, R. (2002). Which family and
demographic factors are related to both maltreatment and persistent serious juvenile
delinquency? Children's Services: Social Policy, Research, & Practice Vol 5(4) Oct
2002, 261-272.
Stouthamer, Loeber, M., Loeber, R., Homish, D. L., & Wei, E. (2001). Maltreatment of
boys and the development of disruptive and delinquent behavior. Development and
Psychopathology, 13(04), 941-955.
Tagay, S., Erim, Y., Stoelk, B., Möllering, A., Mewes, R., & Senf, W. (2007). Das Essener
Trauma-Inventar (ETI) - Ein Screeninginstrument zur Identifikation traumatischer
Ereignisse und posttraumatischer Störungen. Zeitschrift für Psychotraumatologie,
Psychotherapiewissenschaft, Psychologische Medizin, 5(1), 75-89.
Tagay, S., Herpertz, S., Langkafel, M., & Senf, W. (2004). Trauma, Post-Traumatic Stress
Disorder and Somatization. Psychotherapie Psychosomatik Medizinische
Psychologie Vol 54(5) May 2004, 198-205.
Tagay, S., Herpertz, S., Langkafel, M., & Senf, W. (2005). Posttraumatic stress disorder in
a psychosomatic outpatient clinic Gender effects, psychosocial functioning, sense
of coherence, and service utilization. Journal of Psychosomatic Research Vol 58(5)
May 2005, 439-446.
Tarren-Sweeney, M. (2008). Retrospective and concurrent predictors of the mental health
of children in care. Children and Youth Services Review Vol 30(1) Jan 2008, 1-25.
Teplin, L. A., Abram, K. M., McClelland, G. M., Dulcan, M. K., & Mericle, A. A. (2002).
Psychiatric disorders in youth in juvenile detention. Archives of General
Literatur
154
Psychiatry, 59(12), 1133-1143.
Terr, L. C. (1991). Childhood traumas: An outline and overview. American Journal of
Psychiatry Vol 148(1) Jan 1991, 10-20.
Terr, L. C. (1995). Childhood traumas: An outline and overview. In G. S. Everly & J. M.
Lating (Eds.), Psychotraumatology: Key Papers and Core Concepts in Posttraumatic Stress (pp. 301-319). New York: Plenum.
Thompson, R. A. (1990). Emotion and self-regulation. Thompson, Ross A (Ed), (1990).
Nebraska Symposium on Motivation, 492 pp.
Thornberry, T. P., Ireland, T. O., & Smith, C. A. (2001). The importance of timing: The
varying impact of childhood and adolescent maltreatment on multiple problem
outcomes. Development and Psychopathology, 13(04), 957-979.
Trupin, E. W., Stewart, D. G., Beach, B., & Boesky, L. (2002). Effectiveness of dialectical
behaviour therapy program for incarcerated female juvenile offenders. Child and
Adolescent Mental Health Vol 7(3) 2002, 121-127.
Turner, C. F., Ku, L., Rogers, S. M., Lindberg, L. D., Pleck, J. H., & Sonenstein, F. L.
(1998). Adolescent sexual behavior, drug use, and violence: increased reporting
with computer survey technology.[see comment]. Science, 280(5365), 867-873.
Turner, H. A., Finkelhor, D., & Ormrod, R. (2006). The effect of lifetime victimization on
the mental health of children and adolescents. Social Science & Medicine, 62(1),
13-27.
U. S. House of Representatives Committee on Government Reform, M. S., Special
Investigations Division. (2004). Incarceration of Youth Who Are Wating for
Community Mental Health Services in the United States.
Uher, R., Muthén, B., Souery, D., Mors, O., Jaracz, J., Placentino, A., et al. (2009).
Technical Appendix: Methods and Results of Groth Mixture Modelling.
Psychological Medicine, published online October 29, 2009.
Ullman, S. E. (2007). Relationship to Perpetrator, Disclosure, Social Reactions, and PTSD
Symptoms in Child Sexual Abuse Survivors. Journal of Child Sexual Abuse Vol
16(1) 2007, 19-36.
van der Kolk, B. A. (2002). The assessment and treatment of complex PTSD. In R. Yehuda
(Ed.), Traumatic stress (pp. 1-29). New York: American Psychiatric Press.
van der Kolk, B. A. (2003). Posttraumatic Stress Disorder and the Nature of Trauma. In M.
F. Solomon & D. J. Siegel (Eds.), Healing trauma. Attachment, mind, body, and
brain (pp. 168-195): Norton.
van der Kolk, B. A. (2005). Developmental trauma disorder: A new, rational diagnosis for
children with complex trauma histories. Psychiatric Annals, 35, 401-408.
van der Kolk, B. A., Pynoos, R. S., Cicchetti, D., Cloitre, M., D'Andrea, W., Ford, J. D., et
al. (2009). Proposal to include a Developmental Trauma Disorder diagnosis for
children and adolescents in DSM-V.
Vermunt, J. K., & Magidson, J. (2000). Latent GOLD user's guide. Boston: Statistical
Innovations Inc.
Vermunt, J. K., & Magidson, J. (2002). Latent class cluster analysis. In J. A. Hagenaars &
A. L. McCutcheon (Eds.), Applied Latent Class Analysis (pp. 89-106). Cambridge:
University Press.
Literatur
155
Vreugdenhil, C., Doreleijers, T. A., Vermeiren, R., Wouters, L. F., & van den Brink, W.
(2004). Psychiatric disorders in a representative sample of incarcerated boys in the
Netherlands. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry
Vol 43(1) Jan 2004, 97-104.
Wallis, P., & Steele, H. (2001). Attachment representations in adolescence: Further
evidence from psychiatric residential settings. Attachment & Human Development
Vol 3(3) Dec 2001, 259-268.
Wasserman, G. A., McReynolds, L. S., Lucas, C. P., Fisher, P., & Santos, L. (2002). The
voice DISC-IV with incarcerated male youths: Prevalence of disorder. Journal of
the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 41(3), 314-321.
Weinfield, N. S., Sroufe, L. A., & Egeland, B. (2000). Attachment from infancy to early
adulthood in a high-risk sample: Continuity, discontinuity, and their correlates.
Child Development, 71(3), 695-702.
Wensierski, P. (2006). Schläge im Namen des Herrn. Die verdrängte Geschichte der
Heimkinder in der Bundesrepublik. München: Spiegel Verlag.
Widom, C. S., Czaja, S. J., & Dutton, M. A. (2008). Childhood victimization and lifetime
revictimization. Child Abuse & Neglect, 32(8), 785.
Wittchen, H. U., & Frydrich, T. (1990). Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV.
Manual zum SKID-I und SKID-II. Göttingen: Hogrefe.
Wolfe, D. A., Scott, K., Wekerle, C., & Pittmann, A. L. (2001). Child Maltreatment: Risk
of Adjustment Problems and Dating Violence in Adolescence. J Am Acad Child
Adolesc Psychiatry, 40(3), 282-289.
Yehuda, R., & McFarlane, A. C. (1995). Conflict between current knowledge about
posttraumatic stress disorder and its original conceptual basis. American Journal of
Psychiatry Vol 152(12) Dec 1995, 1705-1713.
Zanarini, M., Frankenburg, FR, Hennen, J, Reich, DB, Silk, KR. (2006). Prediction of the
10-Year Course of Borderline Personality Disorder. Am J Psychiatry, 163, 827-832.
Zegers, M. A., Schuengel, C., Van Ijzendoorn, M. H., & Janssens, J. M. (2008).
Attachment and problem behavior of adolescents during residential treatment.
Attachment & Human Development Vol 10(1) Mar 2008, 91-103.
Ziegenhain, U., & Fegert, J. M. (2004). Frühkindliche Bindungsstörung. In C. Eggers, J.
M. Fegert & F. Resch (Eds.), Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und
Jugendalters (pp. 875-890). Heidelberg: Springer.
Zlotnick, C., Mattia, J., & Zimmerman, M. (2001). Clinical features of survivors of sexual
abuse with major depression. Child Abuse & Neglect Vol 25(3) Mar 2001, 357-367.
Danksagung
156
7 Danksagung
Ich möchte mich herzlich beim Bundesamt für Justiz in der Schweiz bedanken, das durch
seine Förderung den Modellversuch zur Abklärung und Zielerreichung in stationären
Maßnahmen erst ermöglicht hat.
Bedanken möchte ich mich weiterhin bei meinem Erstgutachter Herrn Prof. Dr. Ferdinand
Keller für die übernommene Betreuung und den wichtigen Input insbesondere zu allen
statistischen Belangen.
Mein besonderer Dank gilt auch Herrn PD Dr. med. Michael Kölch für seine
Unterstützung in jeder Hinsicht während der gesamten Zeit sowie seine Bereitschaft,
immer wieder auch nur einzelne Teile meiner Arbeit zu lesen und mit vielen Tipps zur
Entwicklung beizutragen.
Mein herzlicher Dank gilt ebenso Herrn Dr. Marc Schmid - die „Seele“ der Studie -, ohne
dessen großes Engagement die Studie nicht so erfolgreich verlaufen würde, der stets ein
offenes Ohr hatte und mich inhaltlich mit vielen sehr wertvollen Anregungen und
Literaturquellen bedeutend unterstützt hat.
Herrn Prof. Dr. med. Jörg M. Fegert danke ich herzlich für das Lesen meiner Arbeit in
Rekordzeit und den wertvollen inhaltlichen Input.
Mein besonderer Dank geht an meine Kollegin und Freundin Anja Prestel, die mir über die
letzten Jahre ein sehr wichtiger Mensch geworden ist und deren emotionale und auch
inhaltliche Unterstützung die gesamte Zeit leichter und heiterer werden ließ.
Bedanken möchte ich mich außerdem bei meinen Kolleginnen und Kollegen in der
Schweiz, die in unermüdlichem Einsatz die Heimeinrichtungen vor Ort betreut und immer
wieder zur Mitarbeit motiviert haben und in ausführlichen Interviews mit den Jugendlichen
viele Daten gesammelt haben. Mein Dank gilt hier Bettina Breymaier, Sarah Jäggi, Kaspar
Scheidegger, Hilde Rapprich, Nils Jenkel und Pia Niklaus.
Danksagung
157
Rita Kleinrahm möchte ich herzliche danken, die durch kollegiale und freundschaftliche
Begleitung seit Anbeginn immer wieder zur Aufmunterung beigetragen hat.
Mein besonderer Dank geht nicht zuletzt an meine Familie und Freunde, die mir mit lieben
Worten und einem immer offenen Ohr eine wichtige Stütze waren und sind. Hier gilt mein
Dank ganz besonders Benjamin Duncker, der mich mit viel Verständnis und emotionalem
Beistand die ganze Zeit begleitet hat. Bedanken möchte ich mich auch bei meiner
Schwester Lena, die zu jeder Tag- und Nachtzeit für mich erreichbar ist sowie bei meinen
Eltern, die mich mit dem Korrekturlesen des Manuskripts und wertvollen Hinweisen
unterstützten.
Abschließend möchte ich mich ganz besonders bei all denen bedanken, ohne die diese
Studie gar nicht erst möglich gewesen wäre: Den Heimleitern und –leiterinnen für ihre
Bereitschaft zur Mitarbeit, bei allen Mitarbeitern in den Heimeinrichtung, die neben ihrer
Arbeit viele Fragebögen beantwortet haben sowie bei den Kindern und Jugendlichen, die
an der Studie teilgenommen haben. Mein Dank gilt hier:
Jugendstation Alltag, Summaprada
Arxhof, Niederdorf
Jugendstätte Bellevue, Altstätten
Sozialpädagogische Jugendwohngruppe Anderledy, Brig
Jugendheim Schenkung Dapples, Zürich
Schulheim Effingen, Effingen
Erlenhof, Reinach
Foyer Neubad, Basel
Kinder- und Jugendheim Sunnehus, Frutigen
Jugenddorf Knutwil, Knutwil Bad
Jugendheim Lory, Münsingen
Victoria-Stiftung, Richigen
Danksagung
Schulheim Röserental, Liestal
Stiftung Juvenat der Franziskaner, Flüeli-Ranft
Massnahmenzentrum Uitikon, Uitikon-Waldegg
Kantonales Jugendheim, Aarburg
Basler Aufnahmeheim, Basel
Bürgerliches Weisenhaus, Basel
Foyer in den Ziegelhöfen, Basel
Foyer Rütimeyerstrasse, Basel
BEO Heimgarten, Bern
Kantonale BEObachtungsstation, Bolligen
Schlössli Ins, Ins
Therapieheim Sonnenblick, Kastanienbaum
Kinder- und Jugendheim Laufen, Laufen
Kantonales Jugendheim Platanenhof, Oberuzwil
Foyer d’education, Prèles
Durchgangswohngruppe Sennwald, Sennwald
Durchgangsstation Winterthur, Winterthur
Modellstation Somosa, Winterthur
Sozialpädagogisches Zentrum, Zürich
158
Anhang
159
8 Anhang
8.1
Essener Trauma – Inventar (ETI)
Instruktion: Sie finden nachstehend eine Liste von belastenden Ereignissen, die
Menschen irgendwann einmal in Ihrem Leben erleben können. Bitte kreuzen Sie für jedes
der folgenden Ereignisse an, ob Sie es erlebt haben (JA) oder nicht (NEIN). Wenn Sie mit
JA antworten können, kreuzen Sie bitte an, ob Sie es entweder persönlich oder als
Zeuge erlebt haben. Haben Sie ein belastendes Ereignis sowohl persönlich als auch als
Zeuge erlebt, kreuzen Sie bitte beides an. Es sei hier noch einmal darauf hingewiesen,
dass alle Ihre Antworten der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Bitte beantworten Sie
jede Frage.
1. Naturkatastrophe (z.B. Flutkatastrophe, Gewittersturm, Erdbeben)
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
2. schwerer Unfall, Feuer oder Explosion (z.B. Verkehrsunfall, Arbeitsunfall,
Flugzeug- oder Schiffsunglück)
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
3. schwere Krankheit (z.B. Schlaganfall, Krebs, Herzinfarkt, schwere Operation)
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
4. gewalttätiger Angriff durch fremde Person (z.B. körperlich angegriffen,
ausgeraubt, mit einer Schusswaffe bedroht werden)
NEIN: |JA: Persönlich.. Zeuge
5. gewalttätiger Angriff durch jemanden aus dem Familien- oder Bekanntenkreis
(z.B. körperlich angegriffen, ausgeraubt, mit einer Schusswaffe bedroht werden)
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
6. Tod einer wichtigen Bezugsperson (z.B. durch Unfall, Suizid, Mord)
NEIN: |JA: Zeuge
7. Gefangenschaft (z.B. Strafgefangener, Kriegsgefangener, Geisel)
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
8. als Kind/Jugendlicher sexueller Missbrauch durch fremde Person (z.B.
ungewollter oder aufgedrängter sexueller Kontakt, Vergewaltigung)
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
9. als Kind/Jugendlicher sexueller Missbrauch durch eine Person aus dem
Familien- oder Bekanntenkreis (z.B. ungewollter oder aufgedrängter sexueller
Kontakt, Vergewaltigung)
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
10. Kampfeinsatz im Krieg oder Aufenthalt im Kriegsgebiet
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
11. Folter (z.B. tagelanger Schlafentzug, Elektroschocks, Erstickungsversuche)
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
12. Vernachlässigung, Verwahrlosung (z.B. ständige Ablehnung erfahren, wenig
Zuwendung von den Eltern bekommen)
Anhang
160
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
13. als Erwachsener sexueller Angriff durch fremde Person (z.B. Vergewaltigung
oder versuchte Vergewaltigung)
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
14. als Erwachsener sexueller Angriff durch jemanden aus dem Familien- oder
Bekanntenkreis (z.B. Vergewaltigung oder versuchte Vergewaltigung)
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
15. anderes belastendes Ereignis
NEIN: |JA: Persönlich Zeuge
Welches:________________________________________
16.
Welches war Ihr schlimmstes Erlebnis? (Frage bezieht sich auf eines der oben
aufgelisteten Ereignisse; bitte die entsprechende Nummer angeben. Wenn Sie vorher nur
für eines der Ereignisse JA angekreuzt haben, ist mit „schlimmstes Erlebnis“ dieses
Ereignis gemeint. Falls Ihr „schlimmstes Erlebnis“ nicht oben aufgelistet ist, geben Sie es
bitte hier an)
Bitte beantworten Sie nun die folgenden Fragen FÜR DIESES SCHLIMMSTE
ERLEBNIS.
17. Wann hat dieses schlimmste Ereignis stattgefunden?
Tage: Wochen: Monate: Jahre:
18. Während dieses schlimmsten Erlebnisses…?
(bitte jeweils JA oder NEIN ankreuzen)
A1. Wurden Sie körperlich verletzt……………………………………………………
A2. Dachten Sie, dass Ihr Leben in Gefahr war…………………………………….
A3. Wurde jemand anderes körperlich verletzt……………………………………...
A4. Dachten Sie, dass das Leben einer anderen Person in Gefahr war.…………
A5. Fühlten Sie sich hilflos……………………………………………………………..
A6. Hatten Sie starke Angst……………………………………………………………
A7. Waren Sie voller Entsetzen ………………………………………………………
A8. Fühlten Sie sich machtlos…………………………………………………………
Instruktion: Im Folgenden finden Sie eine Reihe von Problemen, die Menschen
manchmal nach sehr belastenden Erlebnissen haben. Bitte lesen Sie sich jedes der
Probleme sorgfältig durch. Wählen Sie diejenige Antwortmöglichkeit (Gar nicht (0), Selten
(1), Häufig (2), Sehr oft (3)) aus, die am besten beschreibt, wie stark Sie IM LETZTEN
MONAT (d.h. in den letzten vier Wochen bis einschließlich heute) von diesem Problem
betroffen waren. Die Fragen sollten sich dabei auf Ihr schlimmstes Erlebnis beziehen.
1. Hatte das Geschehene belastende Gedanken oder Erinnerungen in Ihnen
hervorgerufen, die ungewollt auftraten und Ihnen durch den Kopf gingen, obwohl
Sie nicht daran denken wollten?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
2. Haben Sie versucht, nicht an das Geschehene zu denken, nicht darüber zu reden
oder damit verbundene Gefühle zu unterdrücken?
Anhang
161
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
3. Hatten Sie Schwierigkeiten, ein- oder durchzuschlafen?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
4. Hatten Sie Momente, in denen Sie nicht mehr wussten, was vor sich ging oder
fühlten Sie sich so, als ob Sie nicht Teil von dem waren, was passierte?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
5. Hatten Sie Alpträume über das Geschehene?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
6. Haben Sie versucht Situationen zu vermeiden, die Sie an das Erlebnis erinnern
(z.B. Aktivitäten, Menschen oder Orte)?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
7. Hatten Sie Wutausbrüche oder waren Sie häufiger gereizt?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
8. War Ihr Zeitgefühl verändert, so als ob alles wie im Zeitlupentempo zu passieren
schien?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
9. War es so, als würden Sie das Ereignis plötzlich noch einmal durchleben?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
10. Konnten Sie sich an einen wichtigen Bestandteil des Geschehenen nicht
erinnern?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
11. Hatten Sie Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren (z.B. vergessen, was Sie
gerade tun wollten, vergessen, was Sie gerade gelesen oder im Fernsehen gesehen
haben)?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
12. Erschien Ihnen das Geschehene unwirklich, so als ob Sie in einem Traum seien
oder einen Film oder ein Theaterstück sehen?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
13. Belastete es Sie, wenn Sie an das Geschehene erinnert wurden (fühlten Sie sich
z.B. hilflos, wütend, traurig, schämten Sie sich)?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
14. Hatten Sie starkes Interesse an Aktivitäten, die vor dem Geschehenen für Sie
wichtig waren, verloren?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
15. Waren Sie übermäßig wachsam (z.B. Leute in der Umgebung prüfen, die
verdächtig aussehen, ein Telefon in der Nähe haben, um schnell Hilfe rufen zu
können)?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
16. Erlebten Sie gelegentlich, dass Sie in den Spiegel schauen und sich nicht
erkennen?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
Anhang
162
17. Hatten Sie körperliche Reaktionen, wenn Sie an das Geschehene erinnert
wurden (z.B. innere Unruhe, Zittern oder Herzrasen)?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
18. Fühlten Sie sich Menschen Ihrer Umgebung gegenüber entfremdet oder
isoliert?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
19. Waren Sie leicht zu erschrecken oder sehr unruhig (z.B. durch laute
Geräusche)?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
20. Fühlten Sie sich desorientiert? Gab es Momente, in denen Sie sich unsicher
waren, wo Sie sich befanden und welche Zeit es gerade war?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
21. Hatten Sie das Gefühl von emotionaler Taubheit (z.B. nicht weinen können,
keine positiven Gefühle erleben können)?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
22. Hatten Sie das Gefühl, dass sich Ihre Zukunftspläne und Hoffnungen nicht
erfüllen werden (z.B. dass Sie keine Familie haben werden, weniger Glück im Leben
oder Beruf als andere haben werden)?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
23. Hatten Sie manchmal das Gefühl, dass Ihr Körper nicht zu Ihnen zu gehören
scheint?
Gar nicht 0 Selten 1 Häufig 2 Sehr oft 3
24. Hatten Sie nach diesem Erlebnis vermehrt körperliche Beschwerden? Wenn ja
welche? (Mehrere Kreuze sind möglich)
Bauchschmerzen a Kopfschmerzen b Übelkeit c
Durchfall d
Zittern e
Schwindel f Herzrasen g Atemnot h
Krampfanfälle i
Weitere /Sonstige: Wenn ja,
Welche?:_______________________________________________
25. Wie belastend fühlt sich das Geschehene für Sie zur Zeit an?
gar nicht belastend……………………………………… 1
sehr wenig belastend…………………………….………2
wenig belastend ………………………………………… 3
mittelmäßig belastend ………………………………… 4
stark belastend ………………………………………… 5
extrem stark belastend ………………………………… 6
26. Wie lange haben Sie die oben angegebenen Beschwerden (Frage 1-23)?
(bitte eine Antwortmöglichkeit ankreuzen)
weniger als einen Monat…………..……... 1
bis 3 Monate………………………........... 2
über 3 Monate…………………………… 3
27. Wann nach dem traumatischen Erlebnis traten diese Beschwerden auf
Frage 1- 23)? (bitte eine Antwortmöglichkeit ankreuzen)
innerhalb der ersten 6 Monate……….…. 1
163
Anhang
nach 6 Monaten oder später………….… 2
Instruktion: Bitte geben Sie an, ob die oben angegebenen Probleme Sie IM LETZTEN
MONAT in den unten aufgeführten Bereichen beeinträchtigt haben. Wählen Sie die
Antwort, die am besten beschreibt, welche Schwierigkeiten Sie in den jeweils genannten
Bereichen hatten (gar keine, wenige, mittelmäßige, starke).
28.
Schwierigkeiten
Mittel / gar keine / wenige / mäßige / starke
a. Schule/ Ausbildung / Beruf……………..…………………………
b. Hausaufgaben und Aufgaben im Haushalt…………………
c. Hobbies und Freizeitaktivitäten…………………………………
d. Beziehungen zu Freunden, Kollegen, Mitschülern……….
e. Beziehungen zu Familienmitgliedern…………………………
f. Sexualität…………………………………………………………………
164
Anhang
8.2
Nr.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Massachusetts Youth Screening Instrument - Version 2 (MAYSI-2)
Frage
Haben Sie mit Einschlafen oder Durchschlafen häufig Schwierigkeiten
gehabt?
Haben Sie leicht Ihre Fassung verloren oder Wutausbrüche gehabt?
Haben Sie nervöse oder beunruhigende Gefühle daran gehindert,
Dinge zu tun, die Sie eigentlich tun wollten?
Hatten sie große Probleme, sich zu konzentrieren oder Ihre
Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten?
Haben Sie es genossen zu kämpfen oder turnte Sie das Kämpfen
an?
Haben Sie sich schnell aufgeregt?
Haben Sie oft daran gedacht, sich an jemandem zu rächen, auf den
Sie wütend waren?
Waren Sie motorisch sehr unruhig, zappelig oder hyperaktiv?
Haben Sie Dinge gesehen, von denen andere sagen, dass sie diese
Dinge nicht gesehen haben?
Haben Sie etwas gemacht, als Sie betrunken oder high waren, das
10.
Sie nicht zu tun gewünscht haben?
Haben Sie sich gewünscht, tot zu sein?
11.
9.
12.
13.
Haben Sie in der Schule viele Tagträume gehabt?
Waren Sie besonders häufig in schlechter Stimmung?
Hatten Sie so starke Alpträume, dass Sie Angst vor dem
Schlafengehen hatten?
Haben Sie sich zu müde gefühlt, um sich zu vergnügen/Spass zu
15.
haben?
Hatten Sie das Gefühl, dass das Leben nicht mehr lebenswert sei?
16.
14.
17.
18.
19.
Haben Sie sich die meiste Zeit sehr einsam gefühlt?
Hatten Sie das Bedürfnis, sich selbst zu verletzten?
Haben Ihre Eltern oder Freunde gedacht, dass Sie zuviel trinken?
Haben Sie Stimmen oder Dinge gehört, die andere Menschen nicht
hören konnten?
Gab es den Anschein, als ob ein Körperteil von Ihnen ständig
21.
schmerzt?
Hatten Sie das Bedürfnis, sich umzubringen?
22.
20.
23.
24.
Sind Sie in Schwierigkeiten gekommen, während Sie high oder
betrunken waren?
Falls, ja wurden Sie in Schlägereien verwickelt?
Konnten andere Personen Ihr Gehirn oder Ihre Gedanken
25. kontrollieren?
Ja
Nein
165
Anhang
Hatten Sie das unangenehme Gefühl, dass Dinge nicht real
erscheinen, sondern als ob Sie sich in einem Traum befänden?
Wenn sie sich nervös oder ängstlich fühlten:
27.
Fühlten Sie sich dann zitterig oder schwindelig?
Hatten Sie Herzrasen?
28.
26.
29.
30.
31.
Fühlten Sie sich kurzatmig?
Wurden Ihre Hände feucht oder taub?
Verspürten Sie Übelkeit im Bauch?
Waren Sie in der Lage, allein durch Ihre Gedanken andere Menschen
dazu zubringen, bestimmte Dinge zu tun?
Haben Sie Drogen genommen oder Alkohol getrunken, um sich
33.
besser zu fühlen?
Hatten Sie das Gefühl, dass Sie keinen Spass mit Ihren Freunden
34.
mehr haben?
Haben Sie sich häufig wütend gefühlt?
35.
32.
Hatten Sie das Gefühl, nicht mehr zur Schule / zum Ausbildungsplatz
gehen zu wollen?
Waren Sie betrunken oder unter dem Einfluss von Drogen in der
37.
Schule oder an Ihrem Arbeitsplatz?
Hatten Sie das Gefühl, dass Sie nichts richtig machen können?
38.
36.
39.
40.
41.
42.
43.
Wurden Sie oft frustriert?
Haben Sie Alkohol und Drogen zur gleichen Zeit konsumiert?
Fiel es Ihnen schwer, sich Personen ausserhalb Ihrer Familie
emotional verbunden oder nahe zu fühlen?
Wenn Sie wütend waren, blieben Sie dann über längere Zeit wütend?
Haben Sie starke Kopfschmerzen gehabt?
Haben Sie verletzt oder absichtlich etwas zerstört, (nur) weil Sie
wütend waren?
Waren Sie schon so betrunken oder high, dass Sie sich nicht mehr
45.
daran erinnern konnten, was geschehen war?
Haben andere Menschen viel über Sie geredet, wenn Sie nicht dabei
46.
waren?
Haben Sie die Hoffnung für Ihr Leben aufgegeben?
47.
44.
Ist Ihnen in ihrem gesamten Leben einmal etwas sehr Schlimmes
oder sehr Furcht Einflössendes passiert?
Waren Sie jemals schwer verletzt oder in Gefahr, schwer verletzt oder
49.
getötet zu werden?
Wurden Sie jemals vergewaltigt oder waren in Gefahr, vergewaltigt zu
50
werden?
Haben Sie viele schlechte Gedanken oder Träume über ein
51.
schlimmes oder beängstigendes Ereignis, das Ihnen widerfahren ist?
Haben Sie jemals jemanden gesehen, der ernsthaft verletzt oder
52.
getötet worden ist (in echt, nicht im Film)?
48.
166
Anhang
8.3
Kriminologische Fragen
Nr.
Frage
Ist es dir persönlich jemals passiert, dass dir jemand mit Gewalt, oder
indem er mit Gewalt drohte, etwas weggenommen hat oder dich
gezwungen hat, etwas herauszugeben? Damit ist auch das
„Abziehen“ gemeint.
Bist du jemals so geschlagen oder getreten worden, dass du eine
Verletzung hattest? Dabei wurden aber keine Waffe und kein
Gegenstand verwendet.
Bist du jemals mit einem Gegenstand (z. B. Knüppel) oder einer Waffe
(z. B. Messer, Tränengas) angegriffen und verletzt worden, oder
wurde dabei versucht, dich zu verletzen?
Es kommt manchmal vor, dass man von anderen Personen in
sexueller Absicht auf unverschämte Art belästigt wird (z. B. durch
verbale „Anmache“ oder durch „Grapschen“). Das kann in der Schule,
zu Hause oder anderswo passieren. Hat dies jemand jemals mit dir
persönlich gemacht?
Hast du jemals an verbotenen Orten Graffitis gesprayt oder Tags
gesetzt?
Hast du jemals etwas absichtlich zerkratzt, um es zu zerstören oder zu
beschädigen (scratchen)?
Es kommt vor, dass Telefonzellen, Bushaltestellen, Fahrzeuge,
Briefkästen, Sitze in Bus oder Bahn, Parkbänke, Schulmöbel oder
Ähnliches beschädigt oder zerstört werden. Hast du jemals solche
oder auch andere Sachen, die dir nicht gehörten, absichtlich
beschädigt oder zerstört?
Hast du schon einmal einen Automaten oder ein Münztelefon
geknackt und Geld oder Waren rausgenommen?
Hast du jemals etwas aus einem Supermarkt, einem Laden oder
Kaufhaus mitgenommen, ohne zu bezahlen?
Hast du jemals ein fremdes Fahrrad weggenommen, um es für dich zu
behalten, es zu verkaufen oder kaputt zu fahren?
Hast du jemals ein fremdes Auto, Motorrad, Moped oder ein Mofa
weggenommen, um es für dich zu behalten, es zu verkaufen oder
kaputt zu fahren?
Hast du jemals ein Auto geknackt und irgendwelche Sachen
herausgenommen (z. B. Radio, Geld, Handy oder anderes)?
Hast du jemals einer Person eine Handtasche, Einkaufstasche oder
einen Geldbeutel aus der Hand oder vom Arm gerissen?
Hast du jemals jemandem mit Gewalt Geld oder irgendwelche Sachen
abgenommen oder jemanden gezwungen, Geld oder Sachen
herauszugeben? Damit ist auch das „Abziehen“ gemeint.
Bist du jemals in ein Gebäude eingebrochen, um etwas zu stehlen?
Zum Beispiel: Wohnung, Laden, Kiosk, Garage, Gartenhaus,
Wochenendhaus, Schule, Kindergarten, Baubaracke, Werkstatt, Büro
oder Ähnliches?
Hast du jemals etwas anderes gestohlen, was bis jetzt noch nicht
erwähnt wurde? Zum Beispiel eine Jacke oder Tasche beim Sport.
Hast du jemals etwas verkauft, gekauft oder getauscht, von dem du
wusstest, dass es gestohlen war?
Hast du jemals jemanden so geschlagen oder getreten, dass er
verletzt wurde? Aber ohne eine Waffe oder einen anderen
Gegenstand zu benutzen. Damit meinen wir jedoch nicht solche
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
Ja
Nein
167
Anhang
Situationen, bei denen Jugendliche nur aus Spaß miteinander raufen.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
Hast du jemals jemanden mit einem Gegenstand (z. B. Knüppel) oder
einer Waffe (z. B. Messer oder Tränengas) angegriffen und verletzt
oder versucht, ihn zu verletzen?
Hast du jemals Drogen wie Ecstasy, Haschisch, Marihuana, Heroin,
Kokain usw. genommen oder geraucht (Zigaretten und Alkohol sind
hier nicht gemeint)?
Hast Du jemals Drogen wie Ecstasy. Haschisch, Marihuana, Kokain
usw. verkauft?
Hast du jemals Raubkopien von Musikstücken, Filmen, Fotos,
Computerprogrammen (Software) usw. aus dem Internet
heruntergeladen, von denen du also wusstest, dass diese Kopien
gegen den Willen des Künstlers oder Herstellers ins Internet gestellt
worden sind?
Hast du jemals am TV (Video, DVD) aussergewöhnlich gewalttätige
Filme konsumiert?
Hast du jemals am Computer Bilder oder Filme mit Gewaltinhalten
konsumiert?
Hast du jemals am Computer Gewaltspiele gespielt, in welchen der
Spieler den Eindruck haben kann, selbst zu töten (Ego-Shooter)?
Hast du dir jemals Material mit Gewaltinhalten auf dein Handy
geladen?
Hast du jemals gewalttätige Übergriffe gefilmt oder photographiert
(Handy, Kamera etc.)?
28.
Hast du jemals am TV pornografische Filme konsumiert?
29.
Hast du jemals am Computer Bilder oder Filme mit pornografischen
Inhalten konsumiert?
30.
Hast du dir jemals pornografisches Material auf dein Handy geladen?
31.
Hast du jemals pornografische Szenen gefilmt oder photographiert
(Handy, Kamera etc.)?
32.
Hast du jemals andere Personen sexuell belästigt?
33.
Hast du jemals unter Androhung von Gewalt unter 16jährige (und
mindestens 3 Jahre jüngere Jugendliche oder Kinder) zu sexuellen
Handlungen gezwungen?
34.
Falls Ja, kam es dabei zur Penetration?
35.
36.
37.
38.
39.
Hast du jemals unter 16jährige (und mindestens 3 Jahre jüngere
Jugendliche oder Kinder) zu sexuellen Handlungen genötigt?
Hast du jemals unter Androhung von Gewalt einen anderen
gleichaltrigen oder älteren Menschen (weniger als 3 Jahre jünger) zu
sexuellen Handlungen gezwungen?
Hast du jemals unter Androhung von Gewalt einen anderen
gleichaltrigen oder älteren Menschen (weniger als 3 Jahre jünger) zum
sexuellen Verkehr (Penetration) gezwungen?
Hast du jemals einen anderen gleichaltrigen oder älteren Menschen
(weniger als 3 Jahre jünger), der von dir abhängig war, zu sexuellen
Handlungen gezwungen?
Hast du jemals andere Menschen zur Prostitution genötigt?
Herunterladen