Bayerisches Landesamt für Umwelt Gefahrenhinweiskarte Jura Steinschlag – Rutschung – Erdfall Landkreis Neustadt a. d. Waldnaab Georisiken im Klimawandel Bayerisches Landesamt für Umwelt Gefahrenhinweiskarte Jura Steinschlag– Rutschung – Erdfall Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab Georisiken im Klimawandel UmweltSpezial Impressum Gefahrenhinweiskarte Jura Steinschlag – Rutschung – Erdfall Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab Georisiken im Klimawandel Herausgeber: Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) Bürgermeister-Ulrich-Straße 160 86179 Augsburg Tel.: 0821 9071 - 0 Fax: 0821 9071 - 5556 E-Mail: [email protected] Internet: www.lfu.bayern.de Bearbeitung/Text/Konzept: LfU, Referat 102, Hermann Reinartz, Christine Sandmeier, Peter Thom, Dr. Andreas von Poschinger Redaktion: LfU, Referat 102, Dr. Andreas von Poschinger Bildnachweis: Bayerisches Landesamt für Umwelt Druck: Eigendruck Bayerisches Landesamt für Umwelt Gedruckt auf Papier aus 100 % Altpapier. Stand: Januar 2017 Diese Druckschrift wurde mit großer Sorgfalt zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann dennoch nicht übernommen werden. Sofern in dieser Druckschrift auf Internetangebote Dritter hingewiesen wird, sind wir für deren Inhalte nicht verantwortlich. Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Untersuchte Geogefahren 3 3 Geologischer Überblick 5 4 Gefahrenhinweiskarte Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab 7 5 Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen 8 6 Grenzen und Einschränkungen der Anwendbarkeit 9 7 Rechtliche Aspekte 10 8 Bereitstellung der Ergebnisse 11 9 Anhang 12 A Beispielfotos aus dem Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab 12 B Blockgrößen der Sturzmodellierung 14 C Betroffene Kommunen- und Siedlungsflächen 15 Anlage: Gefahrenhinweiskarte Jura – Vorgehen und technische Details“ Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Beräumter und mit Netzen gesicherter Felsbereich aus Sandstein 2 Abb. 2: Sandsteine der Grafenwöhr-Formation 2 Abb. 3: Junge Bewegung an einer Rutschung nördlich Rathsberg (Landkreis ErlangenHöchstadt) 2 Abb. 4: Rutschhang nördlich Rathsberg (Landkreis Erlangen-Höchstadt) im Schattenbild 2 Abb. 5: Doline im Wald bei Kleingesee, Landkreis Forchheim 2 Abb. 6: Dolinenfeld 2 Abb. 7: Geologische Karte Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab 4 Abb. 8: Gefahrenhinweiskarte Neustadt a.d. Waldnaab 6 Abb. 9: Ablagerung einer Rutschung bei Heinersberg 12 Abb. 10: Rutschungen nordwestlich Heinersberg, an der Landkreisgrenze, im Schattenbild 12 Abb. 11: Sandsteine der Grafenwöhr-Formation 13 Abb. 12: Basalt in Neustadt a. Kulm. 13 Tabellenverzeichnis Tab. 1: Blockgrößentabelle der Bemessungsereignisse für den Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab 14 Tab. 2: Betroffene Kommunen- und Siedlungsflächen im Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab 15 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 1 Einleitung Naturgefahren sind natürliche Ereignisse, die zu Sach- oder Personenschäden führen können. Die Zunahme der Anzahl und der Werte von gefährdeten Objekten führt im Allgemeinen dazu, dass auch das Schadensausmaß durch Naturereignisse zunimmt. In den Hoch- und Mittelgebirgsräumen Deutschlands ist man sich oft aus Erfahrung bewusst, dass infolge des starken Reliefs grundsätzlich mit Schäden durch geogene Naturgefahren wie Steinschläge, Felsstürze und Hangrutschungen zu rechnen ist. Bestehende Kenntnisse über Gefährdungsbereiche gehen aber zunehmend verloren und Gefahrensituationen werden oftmals falsch eingeschätzt oder vernachlässigt. Um dem zu begegnen, sind seit vielen Jahren und in vielen benachbarten Ländern verschiedene Arten von Karten etabliert, welche die angesprochenen Geogefahren thematisieren. Diese Karten dienen als objektives und wertvolles Instrument für die Landesplanung. In Bayern wird hierzu die Gefahrenhinweiskarte herangezogen. Als thematische Karte bietet die Gefahrenhinweiskarte eine großräumige Übersicht der Gefährdungssituation durch verschiedene Geogefahren. Sie stellt die Verbreitung und Ausdehnung von möglichen Gefahrenbereichen dar. Sie enthält keine Aussagen zur Eintrittswahrscheinlichkeit und Häufigkeit, zur möglichen Intensität der Ereignisse oder zum Schadenspotenzial. Gefahrenhinweiskarten richten sich vor allem an die Entscheidungsträger vor Ort, um Gefahren für Siedlungsgebiete, Infrastruktur und andere Flächennutzungen frühzeitig zu erkennen und zu lokalisieren. Damit können präventive Maßnahmen zur Gefahrenminderung oder -vermeidung gezielt und nachhaltig geplant werden – sei es durch technischen Schutz, eine angepasste Nutzung oder ein angepasstes Verhalten. So leisten Gefahrenhinweiskarten einen wesentlichen Beitrag als Planungshilfe und sind Bestandteil einer zeitgemäßen nachhaltigen Bauleitplanung. Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 1 Abb. 1: Beräumter und mit Netzen gesicherter Felsbereich aus Sandsteinan der Straße zwischen Netzaberg und Grafenwöhr. Abb. 2: Sandsteine der Grafenwöhr-Formation in einem alten Steinbruch in Grafenwöhr. Abb. 3: Junge Bewegung an einer Rutschung nördlich Rathsberg (Landkreis Erlangen-Höchstadt). Deutlich zu sehen sind die stark unruhige Morphologie des Geländes und durch die Bewegung schief gestellte und säbelwüchsige Bäume. Abb. 4: Rutschhang nördlich Rathsberg (Landkreis Erlangen-Höchstadt) im Schattenbild. Zu erkennen ist u.a. die für Rutschungen typische unruhige Geländeoberfläche sowie mehrere Rinnen, die den Hang durchziehen und zu einer starken Durchfeuchtung und Destabilisierung führen. Abb. 5: Doline im Wald bei Kleingesee, Landkreis Forchheim. Abb. 6: Dolinenfeld auf dem Truppenübungsplatz im Schattenbild. 2 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 2 Untersuchte Geogefahren Bei den Arbeiten zur „Gefahrenhinweiskarte Jura“ wird das Projektgebiet auf Gefahren durch gravitative Massenbewegungen untersucht. Dies sind im Fränkischen Jura vor allem Stein- und Blockschläge, Rutschungen und Erdfälle. Steinschlag Steinschlag ist definiert als episodisches Sturzereignis von einzelnen Festgesteinskörpern (Steinschlag ≤ 1 m³, Blockschlag > 1 – 10 m³). Die Sturzblockgröße ist abhängig von den Trennflächen und der Schichtung im betroffenen Fels (Abb. 1 und Abb. 2). Die Ursachen für Stein- und Blockschlag liegen in der langfristigen Materialentfestigung und Verwitterung an diesen Trennflächen. Gefördert wird die Ablösung durch Frosteinwirkung, Temperaturschwankungen und Wurzelsprengung. Aufgrund ihres plötzlichen Eintritts und der hohen Energie und Geschwindigkeit können Sturzereignisse sehr gefährlich sein. Ein intakter Wald kann einen gewissen Schutz vor Steinschlag bieten. Rutschung Rutschungen sind gleitende oder kriechende Verlagerungen von Fest- und/oder Lockergestein (Abb. 3 und Abb. 4). Im Allgemeinen sind Geschwindigkeiten von wenigen Zentimetern pro Jahr bis zu mehreren Metern pro Minute und mehr möglich. Die Rutschmasse bewegt sich meist auf einer Gleitfläche oder entlang einer Zone intensiver Scherverformung im Untergrund. Diese entwickeln sich vorwiegend an bestehenden Schwächezonen wie Klüften, geologischen Grenzflächen oder innerhalb stark verwitterter Bereiche. Ihr Tiefgang reicht von wenigen Metern bis über 100 m. Ab einem Tiefgang von etwa 5 m wird in der Gefahrenhinweiskarte Bayern von einer tiefreichenden Rutschung gesprochen. Während flachgründige Rutschungen meist durch technische Maßnahmen stabilisiert werden können, ist dies bei tiefreichenden Rutschungen nur bedingt möglich. Wasser ist der häufigste Auslöser für Rutschungen. Vor allem langanhaltende Niederschläge lösen tiefreichende Rutschungen aus, daneben kann dies auch durch Starkregen, Schneeschmelze oder durch menschliches Zutun (z. B. Versickerung von Dachwasser, Einleitungen aus versiegelten Flächen, u.a.) erfolgen. Des Weiteren können Materialumlagerungen wie eine Erhöhung der Auflast (z. B. durch Aufschüttung) oder die Verringerung des Widerlagers (z. B. durch Abgrabungen am Hangfuß) Rutschkörper reaktivieren oder zur Neubildung von Rutschungen führen. Sie sind meist keine einmalig abgeschlossenen Ereignisse, sondern oft mehrphasig, das heißt, aktive und inaktive Phasen wechseln sich ab. Reaktivierungen können mit einer Ausweitung des Rutschgebietes verbunden sein. Erdfall Erdfälle entstehen durch den plötzlichen Einsturz unterirdischer Hohlräume infolge von Subrosion (Verkarstung). Zum unterirdischen Materialverlust führt meist die chemische Lösung (Korrosion) anfälliger Gesteine wie Salz, Gips, Anhydrit und Kalk aber auch Dolomit. Ein weiterer Entstehungsmechanismus ist die mechanische Auswaschung von Feinmaterial (Suffosion), die z. B. auch Sandsteine betreffen kann. Erdfälle sind rundliche Einbrüche der Erdoberfläche mit unterschiedlicher Tiefe. Durch seitliche Nachbrüche können sie sich sukzessive ausweiten. Dolinen (Abb. 5 und Abb. 6) sind typischerweise trichterförmige Geländeformen. Sie entwickeln sich aus Erdfällen, durch Korrosion oder durch das Auswaschen oder Nachsacken von Deckschichten in unterlagernde Hohlräume. Der Durchmesser von Erdfällen, Dolinen und Subrosionssenken reicht vom Meter- bis in den Kilometerbereich. Vor allem in ihrem Umfeld muss mit plötzlichen Nachbrüchen, neuen Einstürzen oder Setzungen gerechnet werden. Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 3 Abb. 7: Geologische Karte Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab (Datengrundlage: Geologische Karte von Bayern 1 : 500.000) 4 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 3 Geologischer Überblick Der westliche Teil des Landkreises Neustadt a. d. Waldnaab liegt im sogenannten Schichtstufenland, der östliche Teil im kristallinen Grundgebirge des Oberpfälzer Waldes. Das Untersuchungsgebiet liegt im Westen des Landkreises. Hier erstreckt sich ganz im Westen ein schmaler Streifen, welcher der Nördlichen Frankenalb zugerechnet wird, nach Osten folgt das Oberpfälzer Hügelland, das durch die Störung der Fränkischen Linie vom kristallinen Grundgebirge getrennt ist. Das Schichtstufenland wird von der Haidenaab nach Südosten entwässert, aus dem Kristallin fließt ihr die Waldnaab zu. Die ältesten Gesteine im Landkreis sind die des Grundgebirges. Die Entstehungsgeschichte der Gesteine im Schichtstufenland umfasst den Zeitraum ab dem Oberkarbon-Perm über die Trias und den Jura bis zur Kreide sowie die nachfolgenden Umlagerungs- und Verwitterungsphasen im Tertiär und Quartär. Die bearbeiteten Gebiete im Westen des Landkreises werden aus Gesteinen aufgebaut, die hauptsächlich das Resultat der Ablagerung von Meeressedimenten in einer Art Wanne zwischen sich verändernden Festlandbereichen sind. Infolge wechselnder Wassertiefe und sich änderndem Klima besitzen sie unterschiedliche Eigenschaften. Das betrachtete Gebiet befand sich lange Zeit am Rand eines solchen Beckens. Die Sedimente sind hier daher anders ausgebildet als weiter im Westen im ursprünglichen Beckeninneren. So sind nicht nur die Sedimente des Buntsandsteins, sondern auch die von Muschelkalk und Keuper größtenteils sandig ausgebildet – eine Folge der Transportreichweite der Sedimente. Gegen Ende des mittleren Keupers setzten sich dann in brackischem Flachwasser zum Teil mächtige Lagen tonreichen Material ab – der rötliche Feuerletten (Trossingen-Formation). Darüber liegt eine Wechselfolge von Sand- und Tonsteinen des oberen Keupers, die bis in den unteren Jura („Lias“) reichen (Rhätolias =Bayreuth- bis Exter-Formation). Die Gesteine des Jura (blaue Signaturen) treten im westlichen Teil des untersuchten Gebietes auf. Sie bestehen aus Ablagerungen eines sich ausbreitenden Meeres. Die Gesteine werden von unten nach oben entprechend ihrer Farbe in drei klassische Gruppen gegliedert: der Schwarzjura („Lias“), der Braunjura („Dogger“) und der Weißjura („Malm“). Vom Schwarzjura bis in den Braunjura hinein wurden in sauerstoffarmem, stillem Wasser weitestgehend weiche, dunkle Tone, Mergel- und Sandsteine abgelagert. Die wichtigsten von ihnen sind der Amaltheenton („Lias“) und der Opalinuston („Dogger“), die eine Mächtigkeit von 50 m bzw. 100 m erreichen. Nach oben hin geht die Schichtenfolge in den Eisensandstein über. Der geringmächtige, dunkle Ornatenton stellt den Abschluss der „Dogger“-Serie dar. Der Steilanstieg zu den Hochflächen der Frankenalb ist von widerstandfähigen Kalken und Dolomiten des Weißjura geprägt. Schon im ausgehenden Jura, speziell aber mit der Kreide begann eine anhaltende Verwitterungs- und Abtragungszeit unter zumeist festländischen Bedingungen. In diese Zeit fällt eine intensive Verkarstung der Malmkalke. In der Oberkreide fand erneut ein Meeresvorstoß statt. Es kam zur Auffüllung der Karsthohlformen und zu flächigen Ablagerungen von sandig-schluffigen, teilweise karbonatischen Sedimenten, welche in der Folge zum Teil verfestigt wurden. Im Tertiär erfolgte im Zuge der alpinen Gebirgsbildung die Hebung und gleichzeitige Erosion der Schwäbisch-Fränkischen Alb sowie die Einschneidung der Flussläufe. Quartäre Verwitterungsprodukte liegen vor allem in den Talbereichen in Form von fluvialen Ablagerungen (pleistozäne Terrassen und holozäne Auenablagerungen) und äolischen Ablagerungen (pleistozäner Flugsand und Löss) vor. Für weitere Informationen wird auf die Geologische Karte von Bayern 1 : 500.000 und die Geologischen Kartenblätter 1 : 25.000 mit Erläuterungen verwiesen (www.lfu.bayern.de/geologie/geo_daten/datenbanken). Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 5 Abb. 8: Gefahrenhinweiskarte Neustadt a.d. Waldnaab 6 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 4 Gefahrenhinweiskarte Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab Das bearbeitete Gebiet umfasst die Kommunen des Landkreises Neustadt a.d. Waldnaab, welche mindestens anteilig im Schichtstufenland der Fränkischen Alb liegen. In der Gefahrenhinweiskarte werden für jede untersuchte Geogefahr (Steinschlag, Rutschung, Erdfall) unabhängig voneinander Flächen mit Hinweis auf Gefährdung (rot) und Flächen mit Hinweis auf Gefährdung im Extremfall (orange) ausgewiesen. Hierbei wird die gesamte, zukünftig potenziell betroffene Fläche, bestehend aus Anbruch-, Transport- und Ablagerungsbereich, dargestellt. Je nach Gefahrentyp kommen entweder computerbasierte Modelle (Stein-/Blockschlag) oder empirische Methoden, basierend auf Expertenwissen (tiefreichende Rutschungen, Verkarstung), zum Einsatz (s. Kapitel 5). Die im Untersuchungsgebiet auftretenden Geogefahren hängen in ihrer räumlichen Verteilung von der Abfolge der geologischen Einheiten und ihrer morphologischen Ausprägung ab: Im Bearbeitungsgebiet des Landkreises sind verhältnismäßig wenige Steilwände ausgebildet. Daher sind nur wenige Bereiche potenziell durch Stein- und Blockschlag gefährdet. Potenzielle Anbruchbereiche liegen einerseits an natürlichen Steilwänden, wie sie vor allem in den Karbonatgesteinen des Weißjura auftreten, wie vor allem im Südwesten des Landkreises. Im Gegensatz dazu liegen mögliche Anbruchbereiche von Steinschlägen auch an durch menschliche Eingriffe entstandenen Wänden, wie beispielsweise in aufgelassenen Steinbrüchen – in Neustadt a.d. Waldnaab insbesondere im Sandstein – oder dort wo Hänge abgegraben wurden. Im Nordwesten des Bearbeitungsgebietes sind die herausragenden Basaltkuppen potenzielle Anbruchbereiche. Rutschungen bilden sich vor allem an Hängen aus, an denen wasserdurchlässige Gesteine, wie Sandsteine und Kalke, über wasserstauenden, meist tonigen Gesteinen liegen. In den „weichen“ tonigen Schichten bilden sich leicht Gleitflächen aus, auf denen kompaktere Gesteine abrutschen können. Die Verwitterung und gleichzeitige Entfestigung begünstigt diesen Prozess. Im Bearbeitungsgebiet führen solche Bedingungen nur im äußersten Nordwesten zu wenigen kleinräumigen Rutschungen. Eine Gefährdung für Erdfälle besteht insbesondere in den stark verkarsteten Kalken der Weißjuragruppe („Malm“) auf der Albhochfläche. Die intensive Lösungsverwitterung führte in tiefliegenden Schichten zur Entstehung großer Hohlräume. An der Erdoberfläche zeigt sie sich heute vor allem in Form zahlreicher Dolinentrichter, in deren Umkreis dementsprechend eine höhere Gefährdung für das Auftreten von Erdfällen besteht. Diese Einbruch- und Lösungsstrukturen können sich auch durch mächtige überlagernde Schichten durchpausen und zu Einbrüchen führen. Eine grundsätzliche Gefährdung durch verkarstungsfähigen Untergrund ist neben den Gebieten mit anstehendem Kalkgestein demnach auch für Bereiche mit kreidezeitlichen und tertiären bzw. quartären Überdeckungen über lösungsfähigen Gesteinen gegeben, wie im südwestlichsten Teil des Landkreises. Im Westen des Landkreises reicht die ehemalige Bergbautätigkeit um Auerbach i. d. Opf. bis in den Truppenübungsplatz von Grafenwöhr hinein. In der nahen Umgebung des Nigelmeierbergs beim ehemaligen Abbaufeld Nitzlbuch sind zahlreiche Tagbrüche und ausgedehnte Senkungen zu beobachten, die überwiegend mit Bergbau in Verbindung stehen. Darunter können jedoch ebenfalls auf natürliche Weise entstandene Erdfälle und Dolinen sein. Es ist nicht auszuschließen, dass sich diese Prozesse auf das benachbarte Gelände ausdehnen. Das Senkungsgebiet, das sich im Digitalen Geländemodell deutlich abzeichnet, ist deshalb in der Gefahrenhinweiskarte berücksichtigt. Einflüsse durch Bergbau werden generell nicht in der Gefahrenhinweiskarte dargestellt, es sei denn, dass die Deformationen so offensichtlich im Gelände zu erkennen sind und dass sie sich wahrscheinlich mit natürlichen Bewegungen überlagern, wie dies um Auerbach i. d. Opf. der Fall ist. Für den Landkreis liegen im Bodeninformationssystem Bayern (BIS-BY) derzeit detaillierte Informationen für 167 Massenbewegungsobjekte vor – davon 5 Rutschungen, 3 Sturzereignisse und 159 Dolinen und Erdfälle (Stand Dezember 2016). Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 7 5 Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen Die Ermittlung von Gefahrenhinweisbereichen erfolgt objektunabhängig, das heißt ohne Berücksichtigung potenziell betroffener Bauwerke/Infrastruktur. Zu dieser Objektunabhängigkeit gehört auch, dass bestehende Schutzmaßnahmen bei der Erstellung von Gefahrenhinweiskarten explizit nicht berücksichtigt werden. Der Zielmaßstab der Bearbeitung liegt bei 1 : 25.000. Grundlage für die Ausweisung von Gefahrenhinweisflächen ist neben dem Digitalen Geländemodell und verschiedenen Kartenwerken das GEORISK-Kataster, in dem seit 1987 Daten zu bekannten, auch historischen Ereignissen erfasst werden (online einsehbar unter www.bis.bayern.de). Für die Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche von Stein- und Blockschlag findet eine computerbasierte 3D-Modellierung statt. Potenzielle Anbruchbereiche sind dabei Hangbereiche mit einer Neigung ≥ 45°. Für jede geologische Einheit wird die relevante Blockgröße im Gelände bestimmt und der Berechnung als sogenanntes Bemessungsereignis zugrunde gelegt. Da ein intakter Wald einen guten Schutz vor Steinschlag bietet, jedoch eine veränderliche Größe ist, werden neben Berechnungen unter Berücksichtigung des bestehenden Waldbestands (rote Gefahrenhinweisbereiche) auch Reichweiten für ein Szenario ohne Waldbestand berechnet (orange Gefahrenhinweisbereiche). Dabei werden aktuell nicht in Abbau befindliche Steinbrüche bei der Steinschlagmodellierung mit berücksichtigt. Die Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche von tiefreichenden Rutschungen (> 5 m Tiefgang) basiert auf Expertenwissen. Gerade größere Rutschungen sind meist keine einmaligen Ereignisse – die Masse kommt nach einer Bewegungsphase zunächst wieder zur Ruhe, bis sie nach Jahren, Jahrzehnten oder sogar Jahrtausenden reaktiviert wird. Rote Gefahrenhinweisbereiche werden daher dort ausgewiesen, wo reaktivierbare tiefreichende Rutschungen vorliegen. Orange sind hingegen die Bereiche, wo es Anzeichen einer Anfälligkeit für die Bildung tiefreichender Rutschungen gibt (z. B. bestehende flachgründige Rutschungen, die sich zu tiefreichenden entwickeln können). Die Flächen entsprechen dem potenziell betroffenen Bereich bei Reaktivierung, beziehungsweise Neubildung einer tiefreichenden Rutschung. Die Gefahrenhinweisbereiche enthalten keine Information zu Alter oder Aktivität der Rutschungen. Für jede rote Gefahrenhinweisfläche und für einen Großteil der orangen Gefahrenhinweisflächen wurde ein GEORISK-Objekt angelegt, das Detailinformationen enthält (s.o.). Das Auftreten von Erdfällen ist schwer vorherzusagen. Es kann aber von einer gewissen Erhöhung des Gefahrenpotenzials in der Umgebung bereits bestehender Dolinen ausgegangen werden. Rote Gefahrenhinweisbereiche werden daher im Umkreis von 50 m um bekannte bestehende oder verfüllte Dolinen/Erdfälle ausgewiesen. Da Erdfälle auch in Gebieten auftreten können, in denen bisher keine Dolinen bekannt sind, weist die Gefahrenhinweiskarte zusätzlich Flächen des verkarstungsfähigen Untergrunds aus (orange schraffiert). Dazu werden neben den löslichen Gesteinen auch kreidezeitliche, tertiäre und quartäre Überdeckungen gezählt, durch die sich Verkarstungsphänomene bis an die Oberfläche übertragen können. Die Ausweisung beruht auf der Geologischen Karte 1 : 200.000 sowie auf Abschätzungen der Überdeckungsmächtigkeit und liefert einen groben, regionalen Überblick. Detaillierte Informationen zur Methodik bei der Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen können dem Bericht „Gefahrenhinweiskarte Jura – Vorgehen und technische Details“ in der Anlage entnommen werden. 8 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 6 Grenzen und Einschränkungen der Anwendbarkeit Die vorliegende Gefahrenhinweiskarte beinhaltet eine großräumige Übersicht über die Gefährdungssituation mit Angaben der Gefahrenart, jedoch nicht zu Intensität und Eintrittswahrscheinlichkeit. Sie wurde für den Zielmaßstab 1 : 25.000 erarbeitet. Sie stellt keine parzellenscharfe Einteilung von Gebieten in unterschiedliche Gefahrenbereiche dar. Die Abgrenzung der Gefahrenhinweisflächen ist als Saum und nicht als scharfe Grenze zu verstehen. Auch erheben die ermittelten Gefahrenhinweisbereiche keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dies betrifft sowohl bereits erfolgte als auch zukünftige Massenbewegungsereignisse. Es handelt sich um eine Darstellung von Gefahrenverdachtsflächen, die zum Zeitpunkt der Bearbeitung auf Basis der verfügbaren Informationen und mit Hilfe zeitgemäßer Methoden ermittelt werden konnten. Bei der Bearbeitung werden Massenbewegungsereignisse herangezogen bzw. modelliert, die häufiger auftreten, damit repräsentativ sind und als Risiko empfunden werden. Selten auftretende Extremereignisse sind nicht aufgenommen, müssen aber als nicht zu vermeidendes Restrisiko in Kauf genommen werden. Die Gefahrenhinweiskarte dient als Grundlage für die Bauleitplanung zu einer ersten Erkennung von Gefahrenverdachtsflächen und möglichen Interessenskonflikten. Sie ist eine nach objektiven, wissenschaftlichen Kriterien erstellte Übersichtskarte mit Hinweisen auf Gefahren, die identifiziert und lokalisiert, jedoch nicht im Detail analysiert und bewertet werden. Sie gibt den aktuellen Bearbeitungsstand wieder und wird fortlaufend aktualisiert. Die Gefahrenhinweiskarte dient nicht der Detailplanung, sondern der übergeordneten (regionalen) Planung. Gefahrenhinweiskarten sollen nicht als Bauverbotskarten wirken, sondern nur in allen kritischen Fällen den Bedarf nach weitergehenden Untersuchungen offen legen. Gegebenenfalls muss dann in diesen Fällen in einem Detailgutachten festgestellt werden, ob im Einzelfall eine Sicherung notwendig, technisch möglich, wirtschaftlich sinnvoll und im Sinne der Nachhaltigkeit tatsächlich anzustreben ist. Die Gefahrenhinweiskarte kann unmöglich alle Naturgefahrenprozesse auf der Maßstabsebene 1 : 25.000 enthalten. Weder werden jemals alle Prozesse bekannt sein, noch hat man die Möglichkeit, sich der Vielfältigkeit der Ereignisse ohne Generalisierungen anzunähern. Die Gefahrenhinweiskarte hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ist ein „lebendes Produkt“, welches vor allem durch Berichte über stattgefundene Naturgefahrenprozesse seine Aktualität beibehält. Das LfU wird auch zukünftig die Erfassung neuer und die fortlaufende Bewertung bereits bestehender Gefahrenhinweisflächen vornehmen. Ein bayernweites, aktuelles GEORISK-Kataster, das diese Ereignisse enthält und Basis für die Gefahrenhinweiskarte ist, kann allerdings nicht alleine durch die Feldarbeit oder die historische Recherche erreicht werden. Da Berichte aus den Medien über kleinere Ereignisse aber oft nur eine lokale Reichweite besitzen, sind Hinweise und Daten aus den örtlichen Ämtern und Verwaltungen oder sogar von Privatpersonen von hoher Bedeutung. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit: melden Sie Ereignisse per E-Mail an [email protected]. Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 9 7 Rechtliche Aspekte In einem interministeriell abgestimmten Rundschreiben vom 17.08.2010 („Hinweise zur Umsetzung der Gefahrenhinweiskarte für den Verwaltungsvollzug“; www.lfu.bayern.de/geologie/georisiken) wurden Hinweise für den rechtlichen Umgang mit Gefahrenhinweiskarten gegeben. Kurzgefasst ist folgendes festzustellen: Sicherheitsrecht Anordnungen nach dem Sicherheitsrecht können nur bei Vorliegen einer konkreten Gefahr erfolgen. Eine konkrete Gefahr liegt dann vor, wenn in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann. Die Einstufung in der Gefahrenhinweiskarte allein lässt in der Regel keinen Rückschluss auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr zu. Für die Annahme einer konkreten Gefahr bedürfte es weiterer Anhaltspunkte und ggf. spezieller Gutachten. Baurecht Bauleitplanung Bei der Aufstellung von Bauleitplänen sind insbesondere die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit zu berücksichtigen. Daher muss sich eine Gemeinde, die eine Fläche in einem gekennzeichneten Hinweisbereich für Geogefahren überplanen will, im Rahmen der Abwägung mit den bestehenden Risiken auseinandersetzen. Hierzu kann im Rahmen der Behördenbeteiligung das LfU hinzugezogen werden. Dieses kann Hinweise für den jeweiligen Einzelfall geben, ggf. geeignete Schutzmaßnahmen empfehlen oder auch an einen spezialisierten Gutachter verweisen. Einzelbauvorhaben Auch bei Vorhaben im nicht überplanten Innenbereich und bei Außenbereichsvorhaben müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben. Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans sind Anlagen unzulässig, wenn sie Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden, die nach der Eigenart des Baugebiets unzumutbar sind. Zudem muss das jeweilige Grundstück nach seiner Beschaffenheit für die beabsichtigte Bebauung geeignet sein und Anlagen sind so zu errichten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit nicht gefährdet werden. Die bloße Lage eines Grundstücks in einem Gefahrenhinweisbereich ist kein Grund, ein Bauvorhaben abzulehnen. Es bedarf ggf. weiterer Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr hindeuten (z. B. Kenntnis über regelmäßige Steinschläge in dem Bereich). Liegen diese der Bauaufsichtsbehörde vor, so sind weitere Nachforschungen anzustellen und ggf. das LfU oder ein Privatgutachter hinzuzuziehen. Verkehrssicherungspflicht Entsprechend dem Zitat eines BGH-Urteils kann zusammengefasst werden: Wer sich an einer gefährlichen Stelle ansiedelt, muss grundsätzlich selbst für seinen Schutz sorgen. Er kann nicht von seinem Nachbarn verlangen, dass dieser nunmehr umfangreiche Sicherungsmaßnahmen ergreift. Der Nachbar ist lediglich verpflichtet, die Durchführung der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen auf seinem Grundstück zu dulden. Für allein von Naturkräften ausgelöste Schäden kann der Eigentümer nicht verantwortlich gemacht werden. Der Eigentümer ist nur dann haftbar, wenn z. B. ein Felssturz durch von Menschenhand vorgenommene Veränderungen des Hanggrundstücks, zum Beispiel durch die wirtschaftliche Nutzung, verursacht wurde. 10 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 8 Bereitstellung der Ergebnisse Während die Daten auf der bereitgestellten CD-ROM den Ist-Zustand der Gefahrenhinweiskarte zum Zeitpunkt der Fertigstellung darstellen, werden die Daten im Internet bei Änderungen fortlaufend aktualisiert. Es wird daher empfohlen diese als Grundlage für weitere Planungen zu verwenden. Bereitstellung auf CD-ROM Auf der beigefügten CD-ROM sind die Gefahrenhinweiskarten sowohl als sogenanntes geo pdf als auch im Dateiformat Shapefile aufbereitet. Das geo pdf lässt sich mit Hilfe geeigneter Software öffnen, die dargestellten Gefahrenhinweisflächen können über Sichtbarkeitsschalter aktiviert werden. Die Dateien im Format Shapefile lassen sich in gängige Geographische Informationssysteme einbinden. Bereitstellung der Ergebnisse im Internet Die im Rahmen des Projektes ermittelten Gefahrenhinweiskarten sind im Internet öffentlich zugänglich. Eine Übersicht zu den vorhandenen Daten und Links (Gefahrenhinweiskarten, GEORISKObjekte, Berichte etc.) findet sich unter: www.lfu.bayern.de/geologie/georisiken_daten/massenbewegungen Über folgende Quellen kann online auf die Daten zugegriffen werden: UmweltAtlas Bayern (www.umweltatlas.bayern.de) Im Themenbereich Angewandte Geologie ist unter Inhalt (Geogefahren) die Gefahrenhinweiskarte für alle Geogefahren zu aktivieren. Zudem sind unter Massenbewegungen alle bestehenden GEORISK-Objekte und ihre Detailinformationen abzurufen. Unter dem Menüpunkt mehr lässt sich die Standortauskunft abrufen, die umfassende Beschreibungen zu den Gefahrenhinweiskarten und Georisiken an einer ausgewählten Lokalität in Bayern enthält. Die Standortauskunft ist auch über die Homepage des Landesamts für Umwelt (www.lfu.bayern.de) unter Themen Geologie Georisiken Standortauskunft Georisiken zu erreichen. Über die Angabe einer Adresse oder eine Punktauswahl in der Karte werden die für diesen Ort vorliegenden Informationen zu Geogefahren in einem PDF-Dokument zusammengefasst. Dies kann einige Minuten dauern. Geodatendienste des Landesamts für Umwelt Darüber hinaus stehen die Ergebnisse der Gefahrenhinweiskarte als WebMapService (wms) und als Downloaddienst zu Verfügung. Der Abruf der Dienste erfolgt unter folgenden Quellen: wms-Dienst und Metadaten http://www.lfu.bayern.de/gdi/wms/geologie/georisiken? http://www.lfu.bayern.de/umweltdaten/geodatendienste/index_detail.htm?id=03f453e2-198a-3fed-b690-5650053ee4fe&profil=WMS Download-Dienst und Metadaten http://www.lfu.bayern.de/gdi/dls/georisiken.xml http://www.lfu.bayern.de/umweltdaten/geodatendienste/index_detail.htm?id=d142f7ea-7c25-4a28-abaa-52fef201cc61&profil=Download Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 11 9 A Anhang Beispielfotos aus dem Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab Abb. 9: Ablagerung einer Rutschung bei Heinersberg. Rechts und im Bildvordergrund ist die Aufwölbung des Hanges durch die Rutschmasse zu erkennen. Undeutlich kann man auch Vernässungen im Bereich des Rutschkörpers erkennen. Abb. 10: Rutschungen nordwestlich Heinersberg, an der Landkreisgrenze, im Schattenbild. An den Hängen ist eine unruhige Oberflächenmorphologie zu erkennen. Die Rutschungen sind vor allem durch Fließprozesse gekennzeichnet, welche zur Ausbildung von Rutschungsloben führen. 12 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 Abb. 11: Sandsteine der Grafenwöhr-Formation. Zur Vermeidung von Blockschlag, der durch im Wind wackelnde Bäume verursacht werden kann, wurden die Bäume in diesem Bereich gefällt. Der aufkommende Jungwuchs ist gut geeignet, kleinere Steine aufzuhalten. Abb. 12: Basalt in Neustadt a. Kulm. Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 13 B Blockgrößen der Sturzmodellierung Tab. 1: Blockgrößentabelle der Bemessungsereignisse für den Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab Geologische Einheit Frankenalb-Formation Blockgrößenklasse Abmessung [cm] Hartmannshof-Formation, Rifffazies I Stuttgart-Formation, Schilfsandstein 200 X 200 X 200 Unterer Burgsandstein Unterer Muschelkalk, Pflanzensandstein Grafenwöhr-Formation Oberer Buntsandstein Basalt Jena-Formation Eisensandstein-Formation Benk-Formation II 150 X 180 X 200 III 120 X 120 X 160 Fläche am Gesamtanbruchgebiet [%] 60,2 6,6 18,6 Hartmannshof-Formation, Bankfazies Hassberge-Fm, Blasensandstein Mittlerer Buntsandstein Basaltische Schlotbreccie künstliche Aufschüttung IV 30 X 40 X 50 14,6 rudimentäre Kreidesedimente Arzberg-Formation 14 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 C Betroffene Kommunen- und Siedlungsflächen Tab. 2: Betroffene Kommunen- und Siedlungsflächen im Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab; gerundet auf erste Dezimale: GHK = Fläche der Gefahrenhinweisbereiche je Geogefahr in der betroffenen Kommune; Betroffene ® Fläche in % = Anteil betroffener Kommunen- (Kom.) bzw. Siedlungsfläche nach ATKIS Bayern, Maßstab 1 : 25.000 (mit einbezogene Layer: Fläche gemischter Nutzung, Fläche besonderer funktionaler Prägung, Friedhof, Industrie- und Gewerbefläche, Sport-, Freizeit- und Erholungsfläche, Wohnbaufläche) Steinschlag (mit Wald) Rutschung Kommune Tiefreichende Rutschung Betroffene Fläche in % GHK (ha) Kom. Siedlung Erdfall Rutschanfälligkeit Betroffene Fläche in % Betroffene Fläche in % GHK (ha) Kom. Siedlung GHK (ha) Kom. Siedlung Kom. Siedlung - - - 0,1 153,5 0,7 - - - - - - 4,2 <0,1 0,7 14,5 0,2 - - 3,2 0,2 0,2 - - - - - 0,1 <0,1 <0,1 - - - - - - 0,1 <0,1 <0,1 - - - - - - - 0,3 <0,1 <0,1 - - - - - - - - - - - - - Eschenbach i.d.OPf. - - - - - - 2,9 <0,1 <0,1 Grafenwöhr - - - - - - 38,1 0,2 1,2 0,2 - 1,8 0,3 - - - - - 1,1 <0,1 - - - - - - Schlammersdorf - - - - Speinshart - - - Speinsharter Forst - - Vorbach - - Heinersreuther Forst Kirchenthumbach Neustadt am Kulm Bayerisches Landesamt für Umwelt 2017 GHK (ha) Betroffene Fläche in % 15 Bayerisches Landesamt für Umwelt Gefahrenhinweiskarte Jura Vorgehen und technische Details Georisiken im Klimawandel UmweltSpezial Impressum Gefahrenhinweiskarte Jura Vorgehen und technische Details Georisiken im Klimawandel Herausgeber: Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) Bürgermeister-Ulrich-Straße 160 86179 Augsburg Tel.: 0821 9071 - 0 Fax: 0821 9071 - 5556 E-Mail: [email protected] Internet: www.lfu.bayern.de Bearbeitung/Text/Konzept: LfU, Referat 102, Hermann Reinartz, Martina Reinwald, Christine Sandmeier, Peter Thom, Dr. Andreas von Poschinger Redaktion: LfU, Referat 102, Dr. Andreas von Poschinger Bildnachweis: Bayerisches Landesamt für Umwelt Druck: Eigendruck Bayerisches Landesamt für Umwelt Gedruckt auf Papier aus 100 % Altpapier. Stand: März 2015 Diese Druckschrift wurde mit großer Sorgfalt zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann dennoch nicht übernommen werden. Sofern in dieser Druckschrift auf Internetangebote Dritter hingewiesen wird, sind wir für deren Inhalte nicht verantwortlich. Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Datengrundlage 1 3 Stein-/Blockschlag 3 3.1 Vorbereitende Arbeiten – Datenbasis für die Steinschlagmodellierung 4 3.2 Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche – Modellierung 6 4 Rutschung 8 4.1 Vorbereitende Arbeiten – Rutschungskartierung 9 4.2 Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche 9 5 Erdfall 11 5.1 Vorbereitende Arbeiten – Erfassung von Erdfällen und Dolinen 11 5.2 Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche 12 6 Literaturverzeichnis 13 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abgleiten eines Felsblocks 3 Abb. 2: Abstürze durch Kippen 3 Abb. 3: Abstürze aus Überhängen 3 Abb. 4: Kalibrierte Sekundärparameter Dämpfung und Rauigkeit 5 Abb. 5: Erstellung der Gefahrenhinweiskarte für Steinschlaggefahr 7 Abb. 6: Entscheidungsbaum zur Beurteilung der Gefährdung durch tiefreichende Rutschungen Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 10 Einleitung 1 Einleitung Für die als besonders sensibel gegenüber geogenen Naturgefahren eingestuften Bereiche in den bayerischen Alpen, im Alpenvorland und im Schwäbisch-Fränkischen Jura werden Gefahrenhinweiskarten erstellt. Sie sollen als Grundlage für Planungen dienen und werden für den Maßstab 1 : 25.000 erstellt. Die Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen erfolgt objektunabhängig, das heißt ohne Berücksichtigung potenziell betroffener Bauwerke. Zu dieser Objektunabhängigkeit gehört auch, dass bestehende Schutzmaßnahmen explizit ignoriert werden. Die Karte stellt keine parzellenscharfe Einteilung von Gebieten in unterschiedliche Gefahrenbereiche dar. Die Abgrenzung der Gefahrenhinweisflächen ist als Saum und nicht als scharfe Grenze zu verstehen. Auch erheben die ermittelten Gefahrenhinweisbereiche keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dies betrifft sowohl bereits erfolgte als auch zukünftige Massenbewegungsereignisse. Es handelt sich um eine Darstellung von Gefahrenverdachtsflächen, die zum Zeitpunkt der Bearbeitung auf Basis der verfügbaren Informationen und mit Hilfe zeitgemäßer Methoden ermittelt werden. Bei der Bearbeitung werden Massenbewegungsereignisse herangezogen bzw. modelliert, die häufiger auftreten, damit repräsentativ sind und als Risiko empfunden werden. Selten auftretende Extremereignisse sind nicht berücksichtigt und müssen aus geologischer Sicht als nicht zu vermeidendes Restrisiko bezeichnet werden. Für jeden untersuchten Prozess werden Flächen mit Hinweis auf Gefährdung (rot) und Flächen mit Hinweis auf Gefährdung im Extremfall (orange) ausgewiesen. Jeder Gefahrenprozess wird dabei unabhängig betrachtet, so dass sich die Gefahrenhinweisbereiche der Prozesse überlagern können. 2 Datengrundlage Topographische Karten Als topographische Grundlage dient die Topographische Karte des Bayerischen Landesamts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV) im Maßstab 1 : 25.000 (TK 25). Der Ausgangspunkt ® des Karteninhalts ist das Digitale Landschaftsmodell (DLM 25) des ATKIS Bayern (Amtliches Topographisch-Kartographisches Informationssystem). Geologische Karten Die Geologische Karte im Maßstab 1 : 25.000 (GK 25) des Bayerischen Landesamts für Umwelt ist eine wichtige Grundlage für die meisten Fragestellungen im Hinblick auf geogene Naturgefahren. Unveröffentlichte Manuskriptkarten dienen als Ergänzung. Des Weiteren kommt die Geologische Karte im Maßstab 1 : 200.000 (GK 200) zur Ausweisung des verkarstungsfähigen Untergrundes zum Einsatz. Orthophotos Digitale Orthophotos liegen bayernweit in den Auflösungsstufen 1 m, 40 cm und 20 cm vor. Sie sind einerseits hilfreich für die Orientierung, andererseits können sie auch zusätzliche Hinweise zu den Verhältnissen vor Ort liefern. Digitales Geländemodell Das Digitale Geländemodell (DGM) ist die wesentliche Basis für die Ausweisung von Gefahrenhinweisbereichen. Es ist die Grundlage für die computergestützten Modellierungen und in verschiedenen Visualisierungen (Schattenbild, Geländeschnitte) bietet es große Vorteile für die Interpretation des Geländes hinsichtlich Rutschungen und Erdfälle. Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 1 Datengrundlage Das LDBV erstellt mittels Airborne-Laserscanning-Verfahren hoch aufgelöste Punktwolken in diskreten Abständen, die zu einem Digitalen Geländemodell umgerechnet werden. Dargestellt wird die Höhe der Geländeoberfläche pro Messpunkt. Messpunkte, die Reflexionen von Gebäuden oder Vegetation enthalten, werden entfernt und das Modell an dieser Stelle interpoliert und geglättet. Resultat ist dann die eigentliche Geländeoberfläche. Stellenweise führt dieser automatisierte Ablauf zu sogenannten Artefakten (Fehlern). Solche Artefakte bleiben zum Beispiel dann erhalten, wenn die Interpolation der Geländeoberfläche unter dichtem Wald oder Schnee nicht die reale Geländeoberfläche abbildet und nicht korrigiert wird. Die Fehler halten sich räumlich und bezogen auf die Gesamtfläche des Untersuchungsraums im Rahmen. Seitens des LDBV sind bayernweit Daten in den Auflösungsstufen 1 m, 2 m und 5 m verfügbar, allerdings nicht in allen Auflösungsstufen flächendeckend. Für die verschiedenen Anwendungen werden unterschiedliche Auflösungsstufen des DGM benutzt. Für die Steinschlagsimulation werden die Eingangsdaten auf Basis der 2 m-Daten aufbereitet. Für die Beurteilung von tiefreichenden Rutschungen und die Erhebung von Gefährdungen durch Erdfälle wird die bestmögliche Auflösungsstufe verwendet. Aus den reinen Höheninformationen des DGM werden für die Bearbeitung weitere Darstellungen erzeugt. Die bedeutendste ist die Visualisierung als Schattenbild. Dabei werden für eine Beleuchtung aus bestimmten Winkeln (45° und 315°) Schatten auf der virtuellen Geländeoberfläche berechnet. Resultat ist ein Pseudo-3-D-Bild. Des Weiteren liefern Hangneigungs- und Expositionskarten sowie Geländeschnitte einen wertvollen Beitrag als Interpretationshilfe. Tatsächliche Nutzung Die für die Sturzmodellierung verwendeten Wald- bzw. Forstflächen entstammen dem Digitalen Land® schaftsmodell (DLM 25) des ATKIS Bayern. Es werden Laubwald, Nadelwald, Mischwald und Gehölz unterschieden. Des Weiteren werden landwirtschaftliche Nutzflächen berücksichtigt. Gebäude Die Gebäudedaten werden der aktuellen Digitalen Flurkarte (DFK) entnommen (www.ldbv.bayern.de). Die Gebäude sind unterteilt in bewohnte und unbewohnte Objekte. GEORISK-Kataster Das Bodeninformationssystem Bayern (BIS-BY) ist die zentrale Datenbank des LfU zu Geofachdaten. Große Anteile der Datenbestände sind öffentlich über das Internet zugänglich. Darin sind die bereits seit 1987 im Rahmen des Programms GEORISK gesammelten Informationen zu Massenbewegungen standardisiert abgelegt. Im BIS-BY werden alle Arten von Massenbewegungen systematisch erfasst und mit allen verfügbaren Informationen ergänzt. Für jedes einzelne Objekt ist dadurch eine detaillierte Beschreibung zur Art der Massenbewegung und ihrer räumlichen Ausdehnung festgehalten. Ergänzende Erläuterungen umfassen Angaben zum Zeitpunkt der Aktivität, zum Alter und Zustand sowie eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung der Massenbewegung. Ebenso wird eine Informationsqualität angegeben und ein Quellennachweis geführt, so dass Herkunft und Qualität der Daten nachvollzogen werden können. Wenn bekannt, werden auch Anbruch- und Ablagerungsbereiche der Massenbewegung als Geometrie digitalisiert und aussagekräftiges Bildmaterial hinterlegt. Die GEORISK-Datenbank ist die Katastergrundlage für die Ausweisung der Gefahrenhinweisflächen von Rutschungen und Erdfällen. Auch bei der Modellierung von Stein- und Blockschlag werden die Informationen über bekannte Ereignisse genutzt, um die modellierten Anbruchbereiche zu ergänzen und die Sturzmodellierung zu überprüfen. Da vor Projektbeginn vor allem Daten für den Bayerischen Alpenraum vorlagen, musste die Datengrundlage für die Bearbeitung der sensiblen Gebiete des Schwä- 2 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 Stein-/Blockschlag bisch-Fränkischen Juras und des Alpenvorlands größtenteils erst geschaffen werden. Hierzu wurden im Rahmen des Projektes für alle bearbeiteten Landkreise historische Recherchen durchgeführt, um möglichst alle bei anderen Stellen bekannten oder schriftlich festgehaltenen Ereignisse zu sammeln. Es wurde eine flächendeckende Erfassung von Rutschungen anhand von Kartenauswertungen und Geländebegehungen durch Projektpartner an Universitäten und durch das LfU durchgeführt (Kapitel 4). Zudem wurden Dolinen anhand des DGMs 1 m, durch Signaturen in bestehenden topographischen und geologischen Karten und zum Teil Geländebegehungen flächendeckend erfasst (Kapitel 5). 3 Stein-/Blockschlag Eine potenzielle Steinschlaggefahr geht generell von steilen und exponierten Felswänden aus. Mögliche Sturzkörper können außerdem im Hang liegen und zum Beispiel durch den Anstoß fallender Steine remobilisiert werden. Die Mechanismen, welche die Sturzkörper in Bewegung bringen, sind vielfältig. Entscheidend für die finale Ablösung sind die Lage des Schwerpunkts des Sturzkörpers sowie dessen Verbindung zum umliegenden Fels. Kritische Lageeigenschaften resultieren vor allem aus einer ungünstigen Kombination des Trennflächensystems im Fels und der Geländeoberfläche (Abb. 1 bis Abb. 3). Diese Disposition beeinflusst die Größe, Form und damit die Bewegungseigenschaften des Blocks. Meist kommen folgende Situationen vor: Abb. 1: Abgleiten eines Felsblocks erfolgt dann, wenn die treibenden Kräfte die haltenden Kräfte überschreiten. (W YLLIE, D. C. & MAH, C. W. (2004)) Abb. 2: Abstürze durch Kippen erfolgen, wenn der Schwerpunkt der Felspartie durch Rotation um einen Scharnierpunkt vom Hang weg verlagert wird. (W YLLIE, D. C. & MAH, C. W. (2004)) Abb. 3: Abstürze aus Überhängen entstehen durch die Rückverlegung einer schneller verwitternden Gesteinsschicht unterhalb einer harten Felspartie. (W YLLIE, D. C. & MAH, C. W. (2004)) Das Gefahrenpotenzial von Sturzprozessen hängt maßgeblich von der Masse und der Beschleunigung des Sturzkörpers ab, welche die Kraft des Aufschlags bestimmen. Die Eigenschaften der Geländeoberfläche (Rauigkeit) beeinflussen den Transport und die Ablagerungsposition (Reichweite). Beim Sturz führen Energieverluste beim Aufschlag auf den Untergrund (Dämpfung) und Kontakte mit Hindernissen (Ablenkung) zur Veränderung der Bewegung – weite Sprünge und Rollen wechseln sich ab. Jeder Sturzkörper bewegt sich daher auf einer eigenen Bewegungsbahn (Trajektorie) und erreicht somit eine individuelle Reichweite. Die Reichweite ist das Maß für die Ausweisung der Gefahrenhinweisbereiche unterhalb von Felswänden. Aktuelle Experimente zeigen, dass bei sonst gleichen Bedingungen runde bzw. radförmige Steine eher anfangen zu rollen und größere Distanzen zurücklegen als eckige. Hingegen springen eckige Blöcke höher und besitzen damit größere Aufprallkräfte (vgl. WSL, 2014). Für die Gefahrenhinweiskarte wird das deterministische 3D-Steinschlagmodell nach ZINGGELER & GEOTEST (KRUMMENACHER, B. ET AL. (2005); ZINGGELER, A. & PFEIFER, R. (2009)) verwendet, das die Vielfalt der Faktoren bei Steinschlagprozessen berücksichtigt. Das numerische Modell simuliert eine Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 3 Stein-/Blockschlag Abfolge von Sturzparabeln mit dazwischenliegenden Kontaktreaktionen auf Grundlage der Topographie (DGM) und in Abhängigkeit vorher fixierter Parameter für die Sturzblockform und Geländeeigenschaften (ZINGGELER, A. & PFEIFER, R. (2009)). Im Modell werden die physikalischen Gesetze der Bewegungsarten Fallen, Springen und Rollen berücksichtigt. Außerdem kann das Modell die bremsende Wirkung von Wäldern als Folge von Kollisionen und Ablenkungen an Baumstämmen abbilden. Die Ausweisung von Gefahrenhinweisbereichen berücksichtigt keine bestehenden baulichen Schutzmaßnahmen. Ein Wald hat natürlicherweise eine bremsende Wirkung auf stürzende Steine und soll mit seiner langfristigen Schutzwirkung berücksichtigt werden. Zwei Szenarien werden in der Gefahrenhinweiskarte dargestellt: Rote Gefahrenhinweisbereiche kennzeichnen ein realitätsnahes Szenario, in dem die Prozessräume von Stürzen mit den dämpfenden Effekten des aktuellen Waldbestands modelliert werden. In Bereichen ohne Waldbestand werden keine Stoßreaktionen zwischen Sturzblock und Bäumen simuliert. In einem zweiten, pessimistischen Szenario wird der Steinschlagprozess ohne Einfluss eines Waldes berechnet (orange Gefahrenhinweisflächen). Als „Worst-Case-Szenario“ trägt es zukünftigen Veränderungen des Waldbestands Rechnung, die sich möglicherweise durch Kahlschlag, Waldbrand, Durchforsten oder Schädlingsbefall ergeben. Das erste Szenario entspricht dem zweiten an allen Stellen, an denen kein Wald vorliegt. Der Vergleich der Szenarien ermöglicht eine Einschätzung der Bedeutung des Waldes als Schutz vor Steinschlag. 3.1 Vorbereitende Arbeiten – Datenbasis für die Steinschlagmodellierung Für die Sturzmodellierung gilt es gebietsspezifische Eingabeparameter zu ermitteln, von denen die beiden wichtigsten die Ablöseposition (Anbruchbereiche) und die Sturzblockgröße (Bemessungsereignis) sind. Grundlage dafür sind primär das Digitale Geländemodell (DGM) und die Geologische Karte 1 : 25.000 (GK 25). Dazu kommen Sekundärparameter, die über die Primärdaten (DGM, etc.) abgeleitet werden (vgl. Abb. 5). Ausweisung der Anbruchbereiche Als potenzielle Anbruchbereiche für Stein- und Blockschlag werden im DGM 2 m (Weite der Rasterzellen 2 m) alle Hangbereiche mit einer Neigung ≥ 45° angenommen. Hiermit sind erfahrungsgemäß alle steilen Felsbereiche abgedeckt, die auch im Gelände als Anbruchbereiche für Steinschläge verifiziert werden können. Unterhalb 45° findet vorwiegend der Prozess des Rollens statt (DORREN, L. K. A. (2003)). Die Ablösung von Sturzblöcken aus diesen Bereichen wird nicht im Modell erfasst. Bestimmung der Bemessungsereignisse Durch den Verschnitt der Anbruchbereiche mit der Geologischen Karte werden die potenziell von Sturzereignissen betroffenen Gesteinseinheiten ermittelt. Im Gelände wird jeder Einheit eine zu erwartende Blockgröße (repräsentatives Bemessungsereignis) zugewiesen. Die Dimensionierung nach Achsenlängen (X, Y, Z) ist das Ergebnis der Abwägung zwischen der zu erwartenden Sturzblockgröße und der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Absturzes dieser Blockgröße. Für das Modell folgt eine Generalisierung der im Gelände ermittelten Blockgröße in vier Blockgrößenklassen (I-IV), in denen vergleichbar dimensionierte Einheiten zusammengefasst sind. Die stratigraphischen Einheiten mit großen Flächenanteilen an den potenziellen Anbruchbereichen werden vorrangig differenziert. Damit wird vermieden, dass flächenmäßig unterrepräsentierte Einheiten bei der Festlegung der Klassengrenzen überbewertet werden. Attribuierung und Korrektur der Anbruchbereiche Sind die Bemessungsereignisse ermittelt, werden die Anbruchflächen je nach geologischer Einheit mit diesen Werten attribuiert. Da die stratigraphischen Grenzen der GK 25 eine maßstabsabhängige Unschärfe bezüglich der Lagegenauigkeit aufweisen, wird die Attribuierung mit Hilfe des Schattenbildes 4 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 Stein-/Blockschlag an die Geländemorphologie angepasst. Nicht plausible oder irrelevante Anbruchbereiche (z.B. Brückenwiderlager, Stützmauern oder Steinbruchwände) werden bereinigt. Eine Ergänzung zu den rechnerisch ermittelten Anbruchflächen liefern die kartierten Anbruchkanten der GEORISK-Objekte (BIS-BY), die ebenfalls mit den Angaben zur Blockgrößenklasse attribuiert werden. Diese Daten werden zum Beispiel dort wichtig, wo die Interpolation der Laserscan-Punkte das DGM glättet und schmale Felsnadeln oder -türme nicht differenziert sind. Festlegung von Sekundärparametern Die aus den Primärdaten abgeleiteten Modellierungsparameter sind die Rauigkeit der Geländeoberfläche sowie die Dämpfungseigenschaften des Untergrunds, die auf empirischen Analysen beruhen (Abb. 4). Für das erste Szenario (rot) werden außerdem Angaben zum Wald- und Gehölzbestand aus ® dem ATKIS ermittelt. Abb. 4: Kalibrierte Sekundärparameter Dämpfung und Rauigkeit, abgeleitet von der Hangneigung und den Untergrundeigenschaften (DOLF, F. ET AL. (2014)). Der Parameter Rauigkeit (Werte zwischen 1 und 19) ergibt sich aus Geländeformen, wie zum Beispiel Schutthalden, die im Zentimeter- bis Dezimeterbereich liegen („Mikrotopographie“) und setzt sich aus der Entfernung einzelner Rauigkeitsformen zueinander und deren Durchmesser zusammen. Die Dämpfung des Untergrunds entscheidet über die Stoßreaktion (Eindringtiefe) und den Energieverlust (plastische Deformation) während des Kontakts von Sturzkörper und Oberfläche sowie den Abprall und die resultierende Transportgeschwindigkeit (Geometrie der Rampe, Hebelwirkung). Als Eingabeparameter für das Modell gelten Werte zwischen 1 (sehr gering) und 5 (sehr hoch). Für die Gefahrenhinweiskarte können aufgrund der großen Untersuchungsgebiete die Rauigkeit der Geländeoberfläche und die Dämpfung des Untergrundes nicht im Gelände kartiert werden, sondern müssen aus den im Untersuchungsgebiet vorhandenen Daten abgeleitet werden. Sie setzen sich aus den Hangneigungswerten und der Oberflächenbeschaffenheit zusammen, die aus den vorliegenden Daten (DGM, Waldflächen, Gewässer/Seen) ermittelt werden können. Kontakte zwischen Sturzkörper und Baumstämmen sorgen einerseits für einen Energieverlust und andererseits für eine Ablenkung aus der Bewegungsrichtung. Die Kontaktreaktion hängt von einigen Zufälligkeiten ab: unterschiedliche Bestandsdichten, wechselnde Baumtypen und Baumstammdicken sowie variierende Trefferhöhen. Der Waldparameter für die Verteilung der Stammdurchmesser wird Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 5 Stein-/Blockschlag auf Grundlage der Stammzahl pro Hektar abgeleitet. Die Werte variieren zwischen 100 Stämme / ha (Nadelwald) und 275 Stämme / ha (Laubwald) und sind eine pessimistische Annahme (lichter Bestand). Die mittleren Stammdurchmesser werden nach einer Zufallsverteilung berechnet. Die Werte variieren zwischen 28 cm (Nadelwald) und 18 cm (Laubwald). Das Modell berechnet statistisch einen Faktor für die mittlere Trefferdistanz in Abhängigkeit von der Blockgröße mit der zufällig ein Stamm des definierten Waldtyps getroffen wird. 3.2 Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche – Modellierung Basis für die Steinschlagmodellierung ist das DGM 5 m des Untersuchungsgebietes (i. d. R. ein Landkreis). Der Puffer von 500 m um das Untersuchungsgebiet trägt Steinschlägen von außerhalb des eigentlichen Bearbeitungsraums Rechnung. Die beiden Szenarien (rot: mit Wald, orange: ohne Wald) werden getrennt voneinander modelliert. Der Ursprung der Sturzbahnmodellierung liegt in den Anbruchpunkten, aus denen im Modell die Sturzkörper jeweiliger Ausdehnung und Masse mit geringer Anfangsgeschwindigkeit gestartet werden. Da die Sturzkörper keine Quader sind, wird ein Rundungsgrad (81% des Quaders) angenommen. Darüber hinaus wird der Radius der Sturzkörper berücksichtigt, um dem Größenverhältnis zwischen Sturzblock und Rauigkeit gerecht zu werden. Kleine Blöcke werden bei gleicher Rauigkeit stärker beeinflusst (Skaleneffekt), was zu einer Reduktion der Geschwindigkeit führt. Unter Einhaltung der Bewegungsprozesse Fallen, Springen, Rollen und Stillstand mit Translations- und Rotationsanteilen werden folgende Teilprozesse modelliert: Kontaktreaktionen Im Modell werden beim Bodenkontakt des Sturzkörpers (1) der Eindringprozess und (2) der Absprungprozess in Abhängigkeit von der Rauigkeit und Topographie getrennt berechnet: (1) Beim Aufprall auf den Untergrund finden Energieverlustreaktionen statt, die aus der Deformation des Untergrundmaterials resultieren. Der Sturzblock wird dabei vereinfacht als Kugel angenommen, die volumenkonform zur ursprünglichen Abmessung ist. Der Aufschlagimpuls führt zur Bildung eines spezifischen Aufschlagtrichters. Eine elastische „Rückgabe“ der Energie erfolgt nicht, sodass Energie verloren geht – beim Erstaufschlag beträgt dieser Verlust etwa 75 - 86 % (DORREN, L. K. A. (2003)). (2) Der Abprallprozess hängt dann von der restlichen Bewegungsenergie des Blocks ab sowie von der Geometrie des Aufschlagtrichters, der als eine Art Rampe den Absprungwinkel beeinflusst. Das Modell geht davon aus, das der Sturzkörper (Kugel) eine Richtungskomponente erhält, die von der Form des Trichters abhängt. Der Absprungprozess beinhaltet wieder die eigentlichen Achsenabmessungen des Blockes, damit die resultierende Rotationsbewegung in Abhängigkeit von der Hebelwirkung an den Achsen, berechnet werden kann. Baumtreffer Baumtreffer werden durch Zufallsvariablen in der Fläche berechnet. Findet im Modell ein Einschlag statt, werden die Eigenschaften des Holzes pauschal berücksichtigt. Bei der Betrachtung des Einschlags ist die Trefferhöhe entscheidend, da mit der Entfernung zum Boden die dynamischen Effekte (Schwungverhalten) und die Stammmächtigkeit variieren. Je nach Zentralität des Aufschlags, die im Modell zufällig bestimmt wird, führt der Impuls auf den Baumstamm nur zu einer Ablenkung oder zum Bruch des Baumstammes. Baumtreffer sind mit Geschwindigkeitsreduktionen verbunden. 6 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 Stein-/Blockschlag Abb. 5: Erstellung der Gefahrenhinweiskarte für Steinschlaggefahr Schaffung der Datenbasis (grün) und Modellierungsablauf (blau) für die zwei Szenarien „mit Wald“ und „ohne Wald“. Primärdaten (dunkelgrau), Sekundärparameter (hellgrau), Arbeitsschritte (weiß) und Ergebnisse (unten). Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 7 Rutschung Ergebnisformate und Aussage der Gefahrenhinweisflächen Sobald Kontakte stattfinden, werden im Modell Stützpunkte gesetzt. In diesen werden die Bewegungsdaten des Sturzes zwischengespeichert. Der Bewegungsprozess läuft so lange springend oder rollend fort, bis die Bewegung stoppt. Die Trajektorien (Sturzbahnen) sind das Ergebnis der Verbindung dieser Punkte, entlang der die Werte von Sprunghöhe und Sturzenergie interpoliert werden. Die Prozessräume, welche die Reichweiten darstellen, werden abschließend mit einem Sicherheitssaum versehen, welcher der hohen Variabilität der Sturzbahnen Rechnung tragen soll. Im Modell gibt es Hangbereiche ≥ 45°, für die keine Trajektorien errechnet werden. Aus diesen Hangbereichen können real allerdings trotzdem Steine herausgelöst werden und kurze Strecken (2 - 5 m) stürzen. Dieser Sachverhalt liegt einerseits darin begründet, dass die vorliegende Blockgröße auf den sich unterhalb anschließenden flachen Hangbereichen keine für den Weitertransport ausreichende Geschwindigkeit erreicht. Andererseits führt die grobe Auflösung des DGMs innerhalb der Modellierungsumgebung zu einer künstlichen Verflachung des Geländes; im Modell wird der Sturz direkt gestoppt. Die Folge ist, dass stellenweise nur die Anbruchbereiche in der Gefahrenhinweiskarte ausgewiesen sind. Aufgrund einer großzügigen Darstellung wird deren Gefährdungspotenzial berücksichtigt. 4 Rutschung Die ausgewiesenen Gefahrenhinweisflächen zum Prozess Rutschung beziehen sich auf tiefreichende Rutschungen. Damit sind Rutschungen mit einem Tiefgang von in der Regel mehr als 5 m gemeint. Eine Gefährdung durch flachgründige Rutschungen ist explizit nicht Inhalt dieses Themenbereichs innerhalb der Gefahrenhinweiskarte. Da Rutschprozesse von sehr vielen Faktoren abhängen, sind Aussagen über eine Gefährdung grundsätzlich schwer zu treffen und bisher nicht durch Modelle abzubilden. Die Ausweisung der Gefahrenhinweisflächen für Rutschungen beruht daher auf einer empirischen Herangehensweise mit Einzelfallbeurteilung. Rote Gefahrenhinweisbereiche werden dort ausgewiesen, wo eine Gefährdung durch tiefreichende Rutschungen besteht. Dies ist zum einen dort der Fall, wo anhaltend aktive, tiefreichende Rutschungen vorhanden sind. Zum anderen kann eine erhöhte Gefährdung aber auch durch momentan inaktive tiefreichende Rutschungen gegeben sein. Nach bisherigen Erfahrungen ereignen sich tiefreichende Rutschungen meist in Gebieten, die bereits in der Vergangenheit von entsprechenden Ereignissen betroffen waren. Dies liegt daran, dass Rutschungen meist mehrphasige Prozesse sind, die nach einer Zeit der Inaktivität wieder in eine aktive Phase übergehen können. Die ausgewiesenen Flächen beinhalten dabei den potenziellen Prozessraum, das heißt es wird berücksichtigt, in welche Richtung sich der Prozess bei anhaltender Aktivität oder Reaktivierung voraussichtlich ausweiten kann (rückschreitende Prozesse, Reaktivierungen innerhalb der Rutschmassen, seitliche und talwärtige Ausweitung). Eine Rutschanfälligkeit (orange Flächen) wird für Geländebereiche ausgewiesen, in denen eine erhöhte Anfälligkeit für die Bildung eines tiefreichenden Rutschprozesses erkennbar ist. Eine solche Anfälligkeit äußert sich beispielsweise im Zusammenspiel von Faktoren wie rutschanfälligem Untergrund, Vorhandensein flachgründiger Rutschungen, unruhiger Morphologie, Vernässungen und weiteren mehr. An Blockschollenbewegungen sind alte Zerrspalten und Nackentälchen, an denen derzeit keine erheblichen Vertikalbewegungen von Blöcken erkennbar sind, möglicherweise als Vorbereitung für zukünftige tiefreichende Bewegungen zu sehen. Eine solche Entwicklung ist insbesondere in Extremfällen zu erwarten, wie zum Beispiel beim Zusammentreffen mehrerer ungünstiger Umstände (Starkregen nach langer Niederschlagsperiode). 8 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 Rutschung 4.1 Vorbereitende Arbeiten – Rutschungskartierung Wichtigste Grundlage für die Ausweisung der Gefahrenhinweisflächen ist die vollständige, flächendeckende Erfassung von tiefreichenden Rutschprozessen im Gelände. Für die Abgrenzung der Gefahrenhinweisflächen ist daher eine detaillierte Beschreibung jedes einzelnen bekannten Rutschprozesses hinsichtlich Tiefgang, Reaktivierbarkeit und Ausdehnung des potenziellen zukünftigen Prozessraumes unerlässlich. Die Qualität der Gefahrenhinweiskarte hängt entscheidend von der Qualität der Datengrundlage ab. Viele wichtige Informationen, wie die Aktivität des Prozesses oder auftretende Schäden, können nur im Gelände erhoben werden. Diese Informationen werden in das GEORISKKataster (BIS-BY) übernommen. Die Visualisierungen des digitalen Geländemodells als Schattenbild, Höhenlinienkarte und Hangneigungskarte sind die Basis für die Festlegung der zu begehenden Flächen, da sie eine detaillierte Darstellung der Geländemorphologie ermöglichen. Typische Rutschungsformen, wie nischenförmige Abrisskanten oder zungenförmige Ablagerungen sind auf dem Schattenbild meistens sehr deutlich zu erkennen. Auch undeutlichere Zeichen, wie eine unruhige Morphologie, eine Abweichung vom verbreiteten, ungestörten Hangprofil oder Verflachungen im Hang, können Indizien für Rutschungen sein. Des Weiteren werden Bereiche begangen, welche bei der historischen Recherche ermittelt wurden und es wird Hinweisen aus den Geologischen Karten nachgegangen. Im Gelände werden einerseits morphologische Indizien erfasst, die für eine Rutschbewegung und deren Ausdehnung sprechen (Abrisse, Zerrspalten, Spalten, Nackentälchen, Doppelgrate, Geländestufen etc.). Andererseits werden weitere Anzeichen erfasst, die Aufschluss über die Aktivität, die aktuelle Bewegungsrate sowie die weitere Entwicklung der Bewegung geben. Dies können aufgetretene Schäden, Bodenrisse mit gespannten Wurzeln, säbelwüchsige oder schiefe Bäume, Senkungen und Vernässungen des Untergrunds oder Fließloben und Stauchwülste sein. Die Anzeichen sind vor dem Hintergrund der Geologie, der Nutzung und im Zusammenhang mit technischen Maßnahmen (Stützmauern, Drainagen, etc.) zu bewerten. Die Geländeaufnahme erfolgte zum Teil von ausgewählten Auftragnehmern. Die historische Recherche übernahm die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt. Die Rutschungskartierung inklusive aussagekräftiger Fotografien und die Dateneingabe ins GEORISK-Kataster erfolgten durch die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und die Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Deren Ergebnisse wurden für die Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen herangezogen. 4.2 Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche Für die Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen werden die vorhandenen Daten aus dem GEORISKKataster ausgewertet, bei denen es sich weitgehend um im Gelände erhobene Daten handelt. Daneben liefern auch geotechnische Gutachten, Diplomarbeiten und Dissertationen relevante Informationen. Beurteilung der Gefährdung Die erfassten Rutschungen werden zunächst nach ihrem Tiefgang bewertet. Handelt es sich um eine tiefreichende Rutschung, also eine mit einem Tiefgang von mindestens 5 m, so wird im nächsten Schritt die Reaktivierbarkeit beurteilt. Ist die Rutschung aktiv oder reaktivierbar oder kann dies nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, so wird die zugehörige Gefahrenhinweisfläche als rote Fläche ausgewiesen. Nur wenn die Rutschung nicht reaktvierbar ist, wird auf die Ausweisung einer Gefahrenhinweisfläche verzichtet. Alle roten Gefahrenhinweisflächen basieren auf GEORISK-Objekten, bei denen eine Geländebegehung durchgeführt wurde (vgl. Abb. 6). Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 9 Rutschung Abb. 6: Entscheidungsbaum zur Beurteilung der Gefährdung durch tiefreichende Rutschungen Handelt es sich bei der erfassten Rutschung um eine flachgründige Bewegung und liegen im Umfeld weitere derartige Rutschungen vor, wird anhand der vorhandenen Daten beurteilt, ob diese sich zukünftig zu einem tiefreichenden Prozess entwickeln kann. Ist dies der Fall, etwa weil sich tiefreichende Rutschungen in ähnlichen geologischen Einheiten und morphologischen Positionen in der Umgebung finden, so wird die Fläche als orange Fläche ausgewiesen. Außerdem werden sie dort ausgewiesen, wo eine Rutschanfälligkeit durch ein Zusammenspiel von Faktoren wie rutschanfälliger Untergrund, unruhige Morphologie und Vernässungen gegeben ist und Bewegungen bereits stattgefunden haben. Flachgründige Rutschungen, die sich nicht zu tiefreichenden entwickeln können, werden nicht als Gefahrenhinweisflächen ausgewiesen (vgl. Abb. 6). Ermittlung des potenziellen Prozessraumes tiefreichender Rutschungen Die Ausdehnung der Gefahrenhinweisflächen basiert auf einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung der Rutschung und stellt den wahrscheinlichen zukünftigen Prozessraum dar. Alle Rutschungen werden in der Regel mit einem Sicherheitssaum von 20 - 30 m versehen. Dieser muss den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden und ist vor allem von den geologischen und bodenmechanischen Randbedingungen abhängig. Die Bewegungsbereiche bekannter Ereignisse können sich bei anhaltender Aktivität oder bei einer Reaktivierung verändern. Eine Ausweitung kann beispielsweise im Anbruchbereich oder im Ablagerungsbereich der Rutschmasse stattfinden. Der sogenannte Prozessraum der Rutschung kann sich also mitunter stark vergrößern. Andererseits können auch Bewegungen innerhalb eines festen Prozessraums stattfinden. Hinweise zu einer möglichen Ausweitung finden sich im Gelände und müssen bei der Ausweisung der Gefahrenhinweisfläche berücksichtigt werden. Bei der potenziellen Ausweitung des Prozessraumes im Anbruchbereich sind im Wesentlichen die morphologische Situation sowie die boden- und felsmechanischen Eigenschaften des Untergrunds maßgeblich. Im Extremfall reicht der Prozessraum bis an den nächstliegenden Bergrücken, Grat (Kamm) oder an markante Geländestufen und Rinnen im Umfeld der Rutschungen. Zur Bestimmung der potenziellen Reichweite einer aktiven oder reaktivierbaren Rutschung wird zunächst die bisherige Reichweite auf der Basis von Datenbankinhalten, dem Schattenbild und Geländedaten (stumme Zeugen) bestimmt. Liegen beispielsweise Anzeichen für aktive Bewegungen an der 10 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 Erdfall Rutschungsstirn vor, muss davon ausgegangen werden, dass bei einer Reaktivierung die Reichweite der „alten“ Rutschmasse lokal übertroffen wird. Der Gefahrenhinweisbereich wird dann entsprechend der geomorphologischen Gegebenheiten evaluiert. Reichen die Gefahrenhinweisbereiche für tiefreichende Rutschungen bis in ein wasserführendes Gerinne, werden sie dort abgegrenzt, wenn davon auszugehen ist, dass die sich dort ansammelnden Lockergesteinsmassen vom Bach abgetragen und weitertransportiert werden. 5 Erdfall Subrosion infolge Lösung (Verkarstung) ist die Ursache für die Entstehung oberirdischer Hohlformen (Dolinen oder Senkungsmulden) und unterirdischer Hohlräume (Höhlen). Auch durch die Auswaschung von Feinmaterial (Suffosion) kann es zum Materialverlust im oberflächennahen Untergrund kommen. Der plötzliche Einsturz so entstandener Hohlräume (Erdfall) hinterlässt an der Erdoberfläche mehr oder weniger große und tiefe Löcher. Je nach Landnutzung bleiben diese zum Teil offen oder werden rasch verfüllt. Die Gefährdung durch Erdfälle besteht also in einem plötzlichen Einbruch, dem Nachbruch oder einer langsamen Senkung des Untergrunds. Grundsätzlich ist die Gefährdung durch Erdfälle schwer vorherzusagen, da es bislang keine verlässliche Methode gibt mit der man von der Oberfläche aus beurteilen kann, ob im Untergrund potenziell einsturzgefährdete Hohlräume vorhanden sind oder nicht. Daher werden in der Gefahrenhinweiskarte zwei unterschiedliche Ansätze gewählt: Rote Gefahrenhinweisbereiche werden dort ausgewiesen, wo Dolinen/Erdfälle im Gelände sichtbar oder Daten über offene oder verfüllte bekannt sind. An den Strukturen oder in deren unmittelbarem Randbereich muss tendenziell mit Nachbrüchen gerechnet werden. Die Dolinen müssen nicht durch Erdfälle entstanden sein. In vielen Fällen handelt es sich auch um sogenannte Lösungsdolinen, bei denen eine allmähliche Einsenkung durch die Lösung des verkarstungsfähigen Gesteins im Untergrund stattfindet. Ohne detaillierte Untersuchungen kann die Entstehungsursache einer Doline nicht beurteilt werden. Die Gefahrenhinweisflächen sind als allgemeiner Hinweis darauf zu verstehen, dass lokal Dolinen vorhanden sind oder Erdfälle stattgefunden haben, welche sich möglicherweise durch Nachstürze oder neue Erdfälle erweitern. Zudem besteht prinzipiell überall dort eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Erdfällen, wo im Untergrund verkarstungsfähige Gesteine vorhanden sind. Es werden zusätzlich die Gebiete, in denen Verkarstungs- oder Auslaugungsvorgänge potenziell möglich sind, als orange Gefahrenhinweisbereiche ausgewiesen und nach den petrologischen Gesteinseigenschaften unterschieden. 5.1 Vorbereitende Arbeiten – Erfassung von Erdfällen und Dolinen Die Erfassung von Dolinen erfolgt mit Hilfe der hochauflösenden Schattenbilder sowie anhand der Geologischen und Topographischen Karten (1 : 25.000). Zusätzlich werden auch Daten aus Dolinenkatastern, von Wasserwirtschaftsämtern, aus Gemeindearchiven und von Bauämtern übernommen. Die so gewonnenen Punktdaten werden im Anschluss an ihre Aufnahme anhand der Eigenschaften des geologischen Untergrunds auf ihre Plausibilität geprüft. Ergänzend erfolgt eine Abgrenzung von Dolinen als Flächengeometrie, wenn sie einen Durchmesser größer als 25 m besitzen. Eine Einschränkung in der flächenhaften Erfassung ergibt sich vor allem daraus, dass Dolinen/Erdfälle in Siedlungsgebieten und auf landwirtschaftlichen Nutzflächen oftmals rasch verfüllt werden und ihr Auftreten nicht dokumentiert wird. Manchmal können Informationen über diese Verfüllung noch aus Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 11 Erdfall Archivdaten gewonnen werden. Die in der Gefahrenhinweiskarte ausgewiesenen Flächen zur Gefährdung durch Erdfälle haben somit keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Die erfassten Daten werden in das GEORISK-Kataster des LfU eingepflegt und als Basis für die Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen herangezogen. In Einzelfällen wird eine Geländebegehung zur Überprüfung der Daten durchgeführt. Nicht plausible potenzielle Dolinen werden im GEORISKKataster als „Negativobjekte“ attribuiert und erscheinen nicht in der Gefahrenhinweiskarte. 5.2 Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche Sowohl die Punkte als auch die Flächen der Dolinen und Senkungsmulden aus dem GEORISKKataster werden zur Darstellung als Gefahrenhinweisfläche mit einem 50 m breiten Puffer (Sicherheitssaum) versehen. Zur Ausweisung des verkarstungsfähigen Untergrundes werden aus der Geologischen Karte 1 : 200.000 (GK 200) alle potenziell verkarstungs- oder auslaugungsfähigen geologischen Einheiten extrahiert und nach ihrer Subrosionsursache (Karbonatkarst / Sulfatkarst / Suffosion) bewertet. Eine zusätzliche Kategorisierung nach der Subrosionsanfälligkeit der verschiedenen Gesteinsarten wird nicht vorgenommen. Des Weiteren werden aus der GK 200 Flächen nicht verkarstungs- oder auslaugungsfähigen oberflächennahen Untergrunds extrahiert, bei denen es sich um vermutlich geringmächtige Deckschichten über verkarstungs- oder auslaugungsfähigem Gestein handelt. Hier können sich Subrosionsstrukturen bis an die Oberfläche durchpausen. Suffusion findet im Gegensatz zur Subrosion in Lockergesteinen statt, die nicht eigens als karstanfällig ausgewiesen werden. 12 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 Literaturverzeichnis 6 Literaturverzeichnis DOLF, F. ET AL. (2014): Technischer Bericht "Flächendeckende 3-D Modellierung von Steinschlagereignissen und kleineren Felsstürzen auf einer Gesamtfläche von 7.000 km² im Schwäbisch-Fränkischen Jura" im EU-Projekt GHK Jura. - 13, Davos. DORREN, L. K. A. (2003): A review of rockfall mechanics and modelling approaches. - In: Progress in Physical Geography, 27(1), 69-87. KRUMMENACHER, B. ET AL. (2005): Modellierung von Stein- und Blockschlag; Berechnung der Trajektorien auf Profilen und im 3-D Raum unter Berücksichtigung von Waldbestand und Hindernissen. - In: anlässlich Fan-Forum ETH Zürich, 9. W YLLIE, D. C. & MAH, C. W. (2004): Rock Slope Engineering: Civil and Mining. - 4, London (Spon Press). EIDGENÖSSISCHE FORSCHUNGSANSTALT FÜR W ALD, SCHNEE UND LANDSCHAFT WSL (2014): Rolling stones am Oberalppass. - http://www.wsl.ch/medien/news/steinschlag_oberalppass/index_DE (Abruf am 17. März 2015). ZINGGELER, A. & PFEIFER, R. (2009): Steinschlagmodellierung GEOTEST & Zinggeler: Modellbeschreibung. - 21, Zollikofen. Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 13