4.1 Ströme in öffentlichen Netzen Currents in Public Grids 46 4 Versorgung mit elektrischer Energie Tabelle 1: Stromarten in Versorgungsnetzen 4.1 Ströme in öffentlichen Netzen Einphasennetze 4.1.1 Stromarten für die Stromversorgung Frequenz in Hz typische Spannungen Anwendung, Vorkommen 50 230 V, 15 kV in Europa Kleinstabnehmer, selten Bahnnetz 60 100 V bis 15 kV in Amerika Kleinabnehmer, Bahnnetz Die Verbrauchsanlagen werden von den VNB (Verteilungsnetzbetreiber) je nach Alter der Stromversorgung, Lage und Bedarf mit unterschiedlichen Stromarten versorgt (Tabelle 1). 16 2/3 15 kV Bahnnetz in D, A und CH 50 400 V, 10 kV, 20 kV, 110 kV bis 380 kV übliche Netze in Europa für NS, MS und HS Meist erfolgt die Versorgung über Drehstromnetze (Dreiphasennetze). Freileitungen sind dann Dreileiternetze für Hochspannung (Bild 1) und Vierleiternetze für Niederspannung (Bild 2). Die Versorgung einer Anlage über Einphasennetze kommt fast nur beim Fahrdrahtnetz für Schienenfahrzeuge vor. Hier gelangt der Strom über den Fahrdraht zur Lokomotive und von dort zurück über Erde bzw. Schiene zur Stromquelle. 60 180 V bis 660 V, 110 kV bis 500 kV übliche Netze für NS, MS und HS in Amerika 16 2/3 110 kV Verteilungsnetz für die Bahn in D, A und CH Die Versorgung der Verbraucheranlagen erfolgt meist über ein Drehstromnetz. Die eigentümliche Frequenz der Bahnnetze von 16 2/3 Hz = 50/3 Hz wurde bei Beginn der Elektrifizierung der Bahn gewählt, weil bei den damaligen Motoren die Stromwendung von 50 Hz nicht beherrscht wurde. Das ist durch die Stromrichtertechnik überholt worden, sodass Neuanlagen oft mit Einphasenstrom von 50 Hz arbeiten. Drehstromnetze Gleichstromnetze 0 220 V, 440 V, 15 kV Traktion von Schienenfahrzeugen, in F auch Bahnnetz A Österreich, CH Schweiz, D Deutschland, F Frankreich. HS Hochspannung, MS Mittelspannung, NS Niederspannung. Traktion Fortbewegen (Ziehen) von Schienenfahrzeugen, z. B. durch eine Lokomotive (von tractus = gezogen). Die Frequenz von 60 Hz ist vor allem in den Netzen von Nordamerika verbreitet. Sie kam dadurch zustande, dass die Elektrifizierung dort später als in Europa stattfand. Bei 60 Hz sind die Transformatoren und Motoren etwas kleiner als bei 50 Hz. 4.1.2 Erzeugung von Drehstrom Beim Drehstromgenerator (Bild 1, folgende Seite) wird ein Läufer, genannt auch Polrad, von einer Kraftmaschine, z. B. einer Turbine, angetrieben. Der Läufer besteht im Prinzip aus drei Magneten, und zwar Permanentmagneten (Dauermagneten) oder Elektromagneten mit je einem Nordpol und einem Südpol. Infolge der Läuferdrehung ändert sich in jeder Spule der Ständerwicklung dauernd der magnetische Fluss. Nach dem Induktionsgesetz entsteht also in jeder Spule dauernd eine Wechselspannung. Sind die drei Spulen räumlich um 120° gegeneinander versetzt, so haben auch die drei Wechselspannungen Phasenverschiebungen von je 120°. 1 Dreileiternetz für 10 kV 2 Vierleiternetz für 400 V 4.1 Ströme in öffentlichen Netzen Currents in Public Grids Schaltzeichen U1 } 120 U1 U2 N Dreiphasenwechselspannung besteht aus drei miteinander verketteten Einphasenspannungen, zwischen denen Phasenverschiebungen von 120° bestehen. Aufbau (Prinzip) V2 V1 S Die drei Wechselspannungen kann man einem Verbraucher mit drei Wicklungssträngen zuführen, z. B. einer gleichartig gebauten zweiten Maschine (Bild 2). Dazu wären im Grunde sechs Leiter erforderlich, nämlich für jeden Strang zwei. Man kann aber die Stränge so miteinander verbinden, dass die Rückleitung aller drei Stränge gemeinsam erfolgt. Dann sind nur vier Leiter erforderlich. Infolgedessen sind die drei Wechselspannungen aneinander „gekettet“. Zwischen zwei Leitern eines derartigen Vierleitersystems besteht eine Spannung. In der gemeinsamen Rückleitung, dem Neutralleiter, ist die Stromstärke wegen der Phasenverschiebung zwischen den Sinusströmen in den Außenleitern höchstens so groß wie in einem Außenleiter. Bei symmetrischer Last bleibt der Neutralleiter sogar stromlos. 47 W1 1 Drehstromgenerator Außenleiter L1 U1 U1 Neutralleiter (Mittelleiter) N W1 Wegen der Fähigkeit, ein magnetisches Drehfeld zu erzeugen, wird der Dreiphasenwechselstrom meist Drehstrom genannt. Das Drehfeld bildet sich jedoch nur, wenn Spulen geeignet angeordnet sind. V1 M Außenleiter L2 M: Motor Außenleiter L3 2 Vierleitersystem L1 Dreieckspannung Sternspannung U1 U31 U3N N L3 W1 U1N U2N V1 U23 U1N U31 U12 U12 U3N L2 U2N 30} Fließt Dreiphasenwechselstrom durch drei gegeneinander räumlich versetzte Wicklungsstränge, so wird dort ein magnetisches Drehfeld erzeugt. W1 V1 G G: Generator Schließen wir an ein derartiges Dreiphasennetz als Motor eine Maschine an, die wie ein Drehstromgenerator gebaut ist (Bild 2), so fließen in den drei Ständersträngen drei Wechselströme, und zwar sowohl im Generator als auch im Motor. Nach der Lenz’schen Regel (siehe Abschnitt 3.8) ist die Richtung des Stromes so, dass die Ursache gehemmt wird. Die Ursache ist aber beim Generator das magnetische Drehfeld des Läufers. Infolgedessen muss der Strom im Generator so fließen, dass vom Ständerstrom ebenfalls ein Drehfeld hervorgerufen wird, welches dieselbe Drehrichtung wie das Läuferdrehfeld hat. Da nun derselbe Strom wie im Generator auch im Motor fließt, entsteht dort ebenfalls ein magnetisches Drehfeld. Sind am Motor die Außenleiter wie am Generator angeschlossen, so haben beide Drehfelder dieselbe Drehrichtung. Vertauschen von zwei Außenleitern am Motor führt zur Änderung der Drehrichtung des Motor-Drehfeldes. V1 W2 W1 U23 3 Spannungen am Drehstromnetz 4.1.3 Spannungen beim Drehstromnetz Bei Niederspannung besteht ein Drehstromnetz (Bild 2) aus drei Außenleitern und dem Neutralleiter. Der Neutralleiter ist geerdet, sodass er in einer ungestörten Anlage keine oder fast keine Spannung gegen Erde führt. Das Zeigerdiagramm der Spannungen bildet wegen der Phasenverschiebung von 120° einen Stern (Bild 3). Dadurch ist die Spannung zwischen den Außenleitern (Dreieckspannung) jeweils das 12 3-Fache der Spannung zwischen Außenleiter und Neutralleiter (Sternspannung). 4.1 Ströme in öffentlichen Netzen Currents in Public Grids 48 Beim Vierleiternetz können drei Dreieckspannungen und drei Sternspannungen entnommen werden. Die Dreieckspannung ist das 12 3-Fache der Sternspannung. 1 U Spannung (Dreieckspannung) UY Sternspannung U2 V2 W1 Die drei Stränge eines Drehstromverbrauchers lassen sich so schalten, dass ihre Enden miteinander verbunden sind oder jeweils der Anfang eines Stranges mit dem Ende des vorhergehenden Stranges (Bild 1). Nach der Form der symmetrisch gezeichneten Schaltung sprechen wir von Sternschaltung (Y) oder von Dreieckschaltung (™). In der Sternschaltung liegt am Strang die Sternspannung des Netzes, in der Dreieckschaltung liegt die Dreieckspannung am Strang. Da die Stränge für eine bestimmte Spannung bemessen sind, ist die Schaltung nicht beliebig vorzunehmen. Sind die Stränge für 230 V geeignet, so muss der Verbraucher am 400-V-Netz in Stern geschaltet werden, z. B. bei einem Elektroherd. Sollen die Stränge 400 V erhalten, so muss die Schaltung im Dreieck vorgenommen werden. Strangspanung bei Schaltung Y: UStr = U UStr Strangspannung U Netzspannung UY Sternspannung UStr = U/ 12 3 W1 U2 V2 W2 L2 L1 W2 L1 U1 L3 L3 U1 V1 W1 U2 V2 W2 oder L2 U2 W1 L2 V1 Schaltungen bei Drehstrom. Oben: Sternschaltung, unten: Dreieckschaltung Auch bei den Strömen sind je nach Schaltungen die Strangströme verschieden. Bei der Sternschaltung sind die in der Zuleitung fließenden Leiterströme so groß wie die Strangströme (Bild 1). Dagegen tritt in der Dreieckschaltung eine Stromverzweigung auf. Hier ist der Strangstrom aus dem Leiterstrom durch Teilen mit 12 3 zu berechnen. Wenn bei einem Dreiphasennetz vom Strom die Rede ist, so ist damit der Leiterstrom gemeint. Strangstrom bei Schaltung ™: I IStr = –––– 12 3 IStr = I/1,73 Strangstrom bei Schaltung Y: IStr = I 4 5 3 Beispiel 1: Ein Drehstrommotor trägt die Angabe auf dem Leistungsschild ™ 400 V. Er ist am 400-V-Netz anzuschließen. a) Welche Schaltung ist anzuwenden? b) Wie groß ist die Strangspannung? Lösung: a) Dreieckschaltung b) UStr = U = 400 V V1 IStr Strangstrom I Stromstärke (Leiterstrom) UStr = UY 2 U1 1 Schaltungen bei Drehstrom Strangspannung bei Schaltung ™: L3 V1 V2 4.1.4 L2 oder L3 Spricht man bei Dreiphasenwechselspannung nur von Spannung, so ist die Dreieckspannung gemeint. Am üblichen Vierleiternetz ist die Spannung 400 V. Aus einem derartigen Netz können je nach Anschluss 400 V oder 230 V entnommen werden. L1 U1 W2 U = 12 3 · UY U = 1,73 · UY L1 Beispiel 2: Ein Motor ist in Dreieck geschaltet und nimmt eine Stromstärke von 17,3 A auf. Wie groß ist der Strangstrom? Lösung: IStr = I/ 12 3 = 17,3 A/12 3 = 10 A Bei Drehstrommotoren sind die Anschlüsse am Klemmenbrett so angeordnet, dass je nach Lage der auswechselbaren Brücken die Sternschaltung oder die Dreieckschaltung vorliegt (Bild 1, folgende Seite). 4.1 Ströme in öffentlichen Netzen Currents in Public Grids Leistungen bei Drehstrom Brücken Man berechnet aber die Leistungen mithilfe des in der Zuleitung fließenden Stromes (Leiterstrom) und der Netzspannung (Dreieckspannung). Dann gelten unabhängig von der Schaltung dieselben Berechnungsformeln. Bei symmetrischer Last: Scheinleistung S = 12 3U·I P = 12 3 U · I · cos j S P Q U I cos j sin j Q = 12 3 U · I · sin j U2 V2 W1 U1 V1 W1 L3 V1 W2 V2 1 Anordnung der Brücken am Klemmenbrett. Links: Sternschaltung, rechts: Dreieckschaltung leistung, sodass bei einem für die Dreieckschaltung vorgesehenen Motor in der Sternschaltung der Strom im Wicklungsstrang auf den Leiterstrom der Dreieckschaltung und damit auf das 12 3-Fache wie in der Dreieckschaltung ansteigt. Beispiel 2: Ein Drehstrommotor mit der Angabe ™ 400 V 15 A wird am 400-V-Netz versehentlich in Y-Schaltung betrieben und mit seiner Bemessungsleistung belastet. 2 a) Wie groß wäre in Schaltung ™ der Strangstrom? Blindleistung Q = S · sinj U1 U2 1 Wirkleistung P = S · cosj W2 L2 Für die Leistungen in den einzelnen Strängen gelten die Gesetzmäßigkeiten des Einphasenwechselstromes, weil in jedem Strang Einphasenwechselstrom fließt. Dabei ist aber zu beachten, dass je nach Schaltung die Dreieckspannung oder die Sternspannung am Strang liegt. Die Gesamtleistung eines Drehstromverbrauchers ist gleich der Summe aller Strangleistungen. L1 4.1.5 49 b) Wie groß ist in der Schaltung Y der Strangstrom? 3 Scheinleistung Wirkleistung Blindleistung Spannung (Dreieckspannung) Stromstärke (Leiterstrom) Leistungsfaktor Blindfaktor Lösung: a) IStr™ = I//12 3 = 15 A/12 3 = 8,67 A b) IStrY = IStr™ · 12 3 = 8,67 A · 12 3 = 15 A Bei Drehstrommotoren muss in jedem Fall die vorgesehene Schaltung angewendet werden, da sonst die Stromaufnahme unzulässig hoch werden kann. Beispiel 1: Am 400-V-Netz ist ein Drehstrommotor angeschlossen, der 10 A aufnimmt, cos j = 0,8. Wie groß sind a) Scheinleistung, b) Wirkleistung? Lösung: a) S = 12 3 · U · I = 12 3 · 400 V · 10 A = 6930 VA b) P = 12 3 · U · I · cos j = 6930 VA · 0,8 = 5544 W Ändert man bei einem Verbraucher die Schaltung, z. B. von Stern in Dreieck, so liegt an den Strängen eine um den Faktor 12 3 = 1,73 geänderte Spannung. 2 Wegen P = U /R ändert sich dann die Leistung um den Faktor 12 3 · 12 3 = 3. Im gleichen Umfang ändert sich der Strom, weil ja die Netzspannung gleich bleibt. Das wird u. U. vom Verbraucher nicht ausgehalten. Bei Verbrauchern mit konstantem Widerstand, z. B. bei Heizgeräten, sind Leistung und Stromstärke bei gleicher Netzspannung in der Dreieckschaltung dreimal so groß wie in der Sternschaltung, in der Sternschaltung also nur ein Drittel wie in der Dreieckschaltung. Bei Motoren dagegen erzwingt die mechanische Belastung die erforderliche Motoren- Wiederholung und Vertiefung: 1. Warum besteht bei Drehstrom zwischen den Wechselströmen eine Phasenverschiebung von 120°? 2. Wie nennt man beim Drehstrom die Magnetfelder in einem Generator und in einem Motor? 3. Welche Ströme fließen in einem einzelnen Außenleiter? 4. Welche Aussage kann man über die Stromstärke im Neutralleiter machen, wenn in den Außenleitern Sinusströme fließen? 5. Wie groß ist die Strangspannung in einem Drehstromnetz 400 V a) bei Sternschaltung, b) bei Dreieckschaltung? 6. Bei welcher Schaltung liegt am Strang eines Drehstrommotors die größere Spannung eines Dreiphasennetzes mit der Bemessungsspannung 400 V/230 V? 7. Welche Folge tritt ein, wenn am 400-V-Netz ein für die Dreieckschaltung bemessener Motor von 6 kW versehentlich bei einer mechanischen Dauerlast von 4 kW in Sternschaltung betrieben wird? 4.4 Regenerative Stromerzeugung Renewable Power Generation 4.4 Regenerative Stromerzeugung Einlaufrechen 55 Generator Kaplanturbine Man spricht von regenerativer (erneuerbarer) Stromerzeugung, wenn der Energieträger sich durch Naturkräfte ständig erneuert. Den größten Anteil dabei haben im öffentlichen Versorgungsnetz der EU (Europäische Union) mit etwa 94 % der regenerativen Stromerzeugung die seit langem bewährten Wasserkraftwerke. In Deutschland übersteigt die Leistung der Windkraftwerke die Leistung der Wasserkraftwerke um etwa ein Zehntel. 4.4.1 Wasserkraftwerke Bei den Wasserkraftwerken wird die mechanische Energie des Wassers in einer Turbine in Bewegungsenergie zum Antrieb eines Generators umgesetzt. Laufkraftwerke Laufkraftwerke benötigen dauernd fließendes Wasser, z. B. eines Flusses (Bild 1). Meist haben Laufkraftwerke eine nach dem Erfinder benannte Kaplanturbine mit senkrechter Welle oder mit waagerechter Welle. Kaplanturbinen mit waagerechter Welle ermöglichen den unauffälligen Einbau der Anlage in das Gewässer. Der Höhenunterschied (die Fallhöhe) kann bis etwa 30 m betragen. Laufkraftwerke können die Grundlast in einem Netz übernehmen, solange genügend Wasser zur Verfügung steht. 1 Laufkraftwerk mit Kaplanturbine 1 2 3 4 oberes Becken Turbine Motor-Generator Speicherpumpe Schieber Druckschacht 4 1 2 3 unteres Becken elektrische Energie 2 Pumpspeicherkraftwerk im Pumpbetrieb Speicherkraftwerke und Pumpspeicherkraftwerke Bei Speicherkraftwerken und Pumpspeicherkraftwerken sind durch eine Staumauer gebildete Stauseen als oberes Becken vorhanden, das von einem unteren Becken einen großen Höhenunterschied von z. B. 300 m hat (Bild 2). Als Turbinen werden bei Fallhöhen bis 700 m die nach dem Erfinder benannten Francisturbinen mit waagerechter Welle und bei sehr großen Fallhöhen die Peltonturbinen mit senkrechter Welle verwendet. Die Turbinen sind direkt mit dem Generator gekuppelt. Bei den Pumpspeicherkraftwerken ist zusätzlich am Generator eine Pumpe angekuppelt. Die Turbinen und Generatoren von Speicherkraftwerken und Pumpspeicherkraftwerken können innerhalb von etwa 1 min mit voller Leistung ans Netz geschaltet werden. Sie können nach Fortfall des Bedarfs unverzüglich abgeschaltet werden. Speicherkraftwerke und Pumpspeicherkraftwerke werden für die Spitzenlastdeckung verwendet. Bei den Pumpspeicherkraftwerken wird bei Stromüberschuss, z. B. aus Atomkraftwerken, das Wasser vom unteren Becken in das obere Becken gepumpt. Das ist möglich, da der Generator als Motor arbeiten kann. Im Pumpbetrieb läuft die Turbine leer mit. Leider ist der Wirkungsgrad der Speicherung nicht sehr hoch, da die Energie mehrfach umgesetzt wird. Bei hohen Einzelwirkungsgraden von 0,9 für Motor, Pumpe, Turbine und Generator beträgt der Gesamtwirkungsgrad ohne Berücksichtigung der Reibungsverluste der Wasserführung nur n = 0,9 · 0,9 · 0,9 · 0,9 = 0,66 (= 66 %). 56 4.4 Regenerative Stromerzeugung Renewable Power Generation Pumpspeicherkraftwerke bieten bisher die einzige Möglichkeit, große elektrische Energien wirtschaftlich zu speichern. Zeitpunkt 1 Gelenk 1 3 5 4 2 Gezeitenkraftwerke Welle Gezeitenkraftwerke entnehmen der Rotationsenergie der Erde die Energie für den Turbinenantrieb. Sie sind an Stellen mit einem großen Unterschied der Meereshöhe zwischen Ebbe und Flut in Betrieb. Zeitpunkt 2 4 2 3 1 5 Welle Wellenkraftwerke Wellenkraftwerke nutzen die vom Wetter hervorgerufene Wellenenergie der Meere. Der World Energy Council (Welt-Energie-Rat) schätzt das Potenzial für die Wellenkraftwerke auf etwa 1 Terawatt, also auf 1000 Kraftwerke zu jeweils 1000 MW. Die Energie ist aber nur aufwendig zu erfassen und der Strom ist nur begrenzt planbar. 1 Prinzip des Wave Energy Converters Kraftwerk Bei der OWC-Technik (OWC von Oscillating Water Column = schwingende Wassersäule) rollt die Welle in eine große, gegen die Atmosphäre geschlossene Betonkammer. Die in der Kammer befindliche Luft wird dadurch nacheinander zusammengepresst und entspannt. Über eine Luftturbine wird ein Generator angetrieben. Beim Wave Energy Converter werden als Segmente Bojen von z. B. 3 m Durchmesser verwendet, die zu Dritt einer Riesenschlange ähneln (Bild 1). Die miteinander mit Gelenken verbundenen Segmente liegen auf der Wasseroberfläche quer zu den Wellenkämmen. Nahe der Gelenke zwischen den Segmenten liegen hydraulische Motoren, welche die Wellenbewegung in eine Strömung der Hydraulikflüssigkeit umsetzen. Die Flüssigkeit treibt einen Generator. www.eon.com Für den Umweltschutz sind Wasserkraftwerke vorteilhaft, weil sie keine Emissionen hervorrufen. Wenn das Wasser gespeichert werden kann, z. B. bei den Speicherkraftwerken, dann können sie Strom erzeugen, wenn dafür Bedarf besteht. Ihre Stromerzeugung ist meist planbar. 200 }C bis 300 }C Durch Einpressen von Wasser erzeugte Spalten Bei der Wave-Dragon-Technik (Wellen-DrachenTechnik) wird durch zwei V-förmig angeordnete Barrieren die Welle auf eine Rampe geleitet. Von dort aus fließt das Wasser über eine Turbine ins Meer zurück. Die gesamte Anlage kann schwimmend vor der Küste betrieben werden. 2500 m bis 4500 m Gezeitenkraftwerke und Wellenkraftwerke können nur zeitweise Strom liefern. 2 Prinzip des geothermischen Kraftwerks 4.4.2 Regenerative thermische Stromerzeugung Geothermische Kraftwerke verwenden den Wärmevorrat des Erdinneren zur Dampferzeugung (Bild 2). Der Dampf treibt über eine Dampfturbine den Generator. Diese Kraftwerke können vor allem dort gebaut werden, wo die Erdkruste dünn ist, z. B. in der Nähe von Vulkanen. In den deutschsprachigen Ländern sind keine in Betrieb, jedoch wird für einige Standorte die Errichtung untersucht. Geothermische Kraftwerke haben gegenüber den meisten regenerativen Energien den Vorteil, dass die Energiequelle ständig zur Verfügung steht, sodass die Stromerzeugung planbar ist. 4.4 Regenerative Stromerzeugung Renewable Power Generation 5,4 6,8 3,0 6,7 6,4 4,1 1,6 13,9 13,8 17,8 5,1 4,3 2,2 4,0 2,3 6,0 5,9 13,1 9,8 11,1 5,0 6,4 3,9 4,3 3,4 32,0 17,1 13,6 Restholz 15,1 17,0 14,0 2,1 7,6 6,8 3,8 3,4 1,9 3,1 2,6 11,7 Stroh 6,8 6,0 Biogas-Kraftwerke gehören ebenso zu den regenerativen thermischen Kraftwerken mit ständiger Strom-Verfügbarkeit. Sie arbeiten wie mit Erdgas beschickte GUD-Kraftwerke (GUD von Gas und Dampf), nämlich Verbrennung in Gasturbinen, deren Abgas zur Dampferzeugung verwendet wird. Das brennbare Biogas, hauptsächlich Methan CH4, entsteht in Faultürmen, die mit Biomasse, z. B. Gülle oder landwirtschaftlichen Abfälle, beschickt werden. 13,5 22,3 11,0 Holz-befeuerte Kraftwerke gehören zu den regenerativen Stromerzeugern mit dauernder Strom-Lieferfähigkeit. Man verwendet Holzschnitzel oder Holz-Pellets. Damit kann sonst wertloses Abfallholz, z. B. aus der Waldpflege, nutzbringend verwertet werden. 2,0 8,7 4,4 Biomasse-Kraftwerke nutzen die gespeicherte Energie der Biomasse durch Verbrennen in Wärmekraftwerken. Das Potenzial dazu ist in Form von Restholz, Stroh, Gülle und sonstigen Bioabfällen ziemlich groß (Bild 1). Beim Verbrennen der Biomasse entsteht nur so viel Kohlenstoffdioxid, wie von Pflanzen vorher aus der Atmosphäre aufgenommen wurde. Bei vollständiger Erfassung könnten durch Biomasse etwa 9 % der Stromerzeugung gedeckt werden. 57 Biogas Sonstiges Angaben in PJ 1 PJ = 278 Mio kWh 1 Potenzial an Biomasse in Deutschland Sonnenstrahlen Solarturm mit Absorber Stromerzeugung in Biomasse-Kraftwerke hat den Vorteil, dass der Energieträger gespeichert werden kann, sodass die Stromerzeugung jederzeit möglich ist. Solarthermische Kraftwerke arbeiten mit der von der Sonne herrührenden Strahlungswärme. Beim Solarturmkraftwerk ist ein Absorber mit einer Brennerkammer mit Dampfkessel auf einem Turm angeordnet (Bild 2). Hunderte von Spiegeln sind auf einer großen Fläche aufgestellt und werden fortlaufend so eingestellt, dass die Sonnenstrahlung auf den Absorber gerichtet ist. Die sehr hohe Erwärmung erzeugt wie in einem Verbrennungskraftwerk Wasserdampf, der über eine Turbine den Generator treibt. Beim Parabolrinnen-Kraftwerk sind ParabolrinnenKollektoren (Rinnen mit Parabel-Profil) von bis 150 m Länge auf einer großen Fläche angeordnet (Bild 3). Diese Rinnen bündeln die Sonnenstrahlen. In der Brennlinie der Kollektoren verläuft ein Rohr als Absorber mit einem Wärmeträger. Wenn als Wärmeträger Wasser verwendet wird, dient das Absorberrohr als Dampfkessel. Meist wird aber ein Thermoöl (wärmebeständiges Öl verwendet, sodass Temperaturen von bis 300 °C möglich sind. Das heiße Öl gibt dann in einem Wärmetauscher die Wärmeenergie an den Dampfkessel ab, sodass ein hoher Druck möglich ist. 2 Solarturmkraftwerk AbsorberRohr Parabel Parabelrinne (Reflektor) von der Dampfturbine Parabolrinnen-Kraftwerk zur Dampfturbine 3 4.4 Regenerative Stromerzeugung Renewable Power Generation 58 Solarthermische Kraftwerke erfordern eine große Grundfläche zum Aufbau der die Sonnenstrahlung gezielt reflektierenden Spiegel. Solarthermische Kraftwerke sind vor allem in sonnenreichen Gegenden möglich, wenn dort große Flächen zur Verfügung stehen, z. B. in Nevada (USA), Marokko, Ägypten. Die Aufstellung solarthermischer Kraftwerke in der Sahara könnte theoretisch einen großen Teil des europäischen Strombedarfs decken. Zum Transport über die große Entfernung müsste wegen der Übertragungsverluste mit HGÜ (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, Abschnitt 12.5.4) gearbeitet werden. Wiederholung und Vertiefung 1. Welche Turbinenart wird meist in Laufkraftwerken verwendet? Tabelle 1: Leistungsdichten P t’ Energieträger P t’ in W/m2 Wasser bei v = 6 m/s 108 000 Wind bei v = 6 m/s 130 Sonne in Deutschland 120 v Windgeschwindigkeit A Fläche, Querschnitt Pt theoretisch mögliche Pt = P t’ · A Leistung 1 P t’ theoretische P = Pt · n Leistungsdichte 2 P reale Leistung n Wirkungsgrad Pt = 0,5 · r · v 3 · A r Dichte des Mediums 3 v Geschwindigkeit der Strömung 2. Welche Last wird von Laufkraftwerken übernommen? 3. Zu welchen Kraftwerken sind Staumauern erforderlich? 4. Auf welche Weise kann elektrische Energie im Umfang von Megawattstunden wirtschaftlich gespeichert werden? 5. Nennen Sie drei regenerative Verfahren, die mit Dampfturbinen arbeiten. 6. Wie ist ein Parabolrinnen-Kraftwerk aufgebaut? 7. Welches Gas ist im Biogas enthalten? 4.4.3 Windkraftwerke Beispiel 2: Ein Windkraftwerk erfasst eine Strömungsfläche von A = 75 m2. Wie groß ist bei einer Windgeschwindigkeit von v = 6 m/s die theoretisch mögliche Leistung bei einer Luftdichte von 1,2 kg/m3? Lösung: Pt = 0,5 · r · v 3 · A = 0,5 · 1,2 kg/m3 · (6 m/s)3 · 75 m2 = 9720 W Der kleine Unterschied bei den Ergebnissen der Beispiele ist durch die Rundung der Zahlenwerte hervorgerufen. Die Leistungsdichte gibt die Fähigkeit eines Energieträgers an, wie viel Leistung je m2 der maßgebenden Fläche, z. B. des Strömungsquerschnittes, theoretisch erzielt werden kann (Tabelle 1). Die theoretisch mögliche Leistung wächst linear mit der Dichte des Mediums und in der 3. Potenz mit der Strömungsgeschwindigkeit. Damit wird erkennbar, dass Windkraftanlagen vor allem in Gegenden mit hoher und oft gleich bleibender Windgeschwindigkeit sinnreich sind (Bild 1, folgende Seite). Beispiel 1: Windenergiekonverter Ein Windkraftwerk erfasst eine Strömungsfläche von A = 75 m2 und hat einen Wirkungsgrad von 45 %. Wie groß ist bei Wind mit der Geschwindigkeit v = 6 m/s a) die theoretisch mögliche Leistung, b) die reale Leistung? Windenergiekonverter (Windenergieumsetzer, Windkraftkonverter) bestehen aus einem Turm mit oben angebautem Windrotor nebst Gondel mit Generator und oft mit Bremse (Bild 2, folgende Seite). Ein Stromrichter zur Anpassung an das 50Hz-Netz ist entweder in der Gondel oder am Fuß des Turmes in der Schaltanlage mit Transformator für den Netzanschluss. Leistungsdichte Lösung: Nach Tabelle 1 ist P t’ = 130 W/m2 a) Pt = P t’ · A = 130 W/m2 · 75 m2 = 9750 W b) P = Pt · n = 9750 W · 0,45 = 4388 W Bei Strömungsmaschinen, z. B. Wasserturbinen oder Windturbinen von Windkraftwerken, kann die theoretisch erzielbare Leistung auch mithilfe der Dichte des Strömungsmediums berechnet werden. Windenergiekonverter werden mit Nennleistungen bis 6 MW hergestellt. Die elektrische Leistung von z. B. 6 MW wird nur dann erreicht, wenn der Wind mit seiner Nenngeschwindigkeit weht. Die Nabenhöhe derartig großer Windenergiekonverter kann etwa 160 m betragen. 4.4 Regenerative Stromerzeugung Renewable Power Generation 59 Windenergiekonverter haben Nennleistungen bis 6 MW und Nabenhöhen bis 160 m. Kiel Windrotoren gibt es in verschiedenen Bauformen (Bild 1, folgende Seite). Der nach dem Hersteller in Heidelberg benannte H-Rotor und der nach dem Erfinder benannte Darrieus-Rotor arbeiten bei jeder Windrichtung. Dagegen muss bei den Zweiflüglern und Dreiflüglern dafür gesorgt sein, dass der Wind möglichst senkrecht auf die Rotorblätter trifft. Deshalb ist die Gondel mit dem Rotor am Turm drehbar angeordnet. Rostock Hamburg Bremen Berlin Hannover Magdeburg Kassel Köln Dresden Leipzig Jahresmittel der Windgeschwindigkeit Frankfurt Meist verwendet man Windrotoren mit drei Rotorblättern. Bei Dreiflüglern unterscheidet man Leeläufer und Luvläufer (Bild 2, folgende Seite). Beim Leeläufer dreht sich der Rotor auf der vom Wind abgewandten Seite des Turmes. Das hat den Vorteil, dass die Rotorblätter von selbst die Lage quer zum Wind einnehmen. Der Windschatten des Turmes setzt aber den Wirkungsgrad herab. Beim Luvläufer dreht sich der Rotor nicht von selbst auf der Seite des Turmes, die dem Wind zugewandt ist. Deshalb muss die Gondel mit dem Rotor durch eine Windrichtungsnachführung in die günstigste Position gebracht werden. Die Drehzahl von Windrotoren ist je nach Baugröße und Windstärke sehr verschieden. Kleine Windrotoren mit Nennleistung von 1 kW haben eine Nenndrehzahl von 500 /min, große mit 3 MW etwa 18/min. Zur Einspeisung in das VNB-Netz mit 50 Hz muss zwischen Rotorwelle und Generator entweder ein Getriebe vorhanden sein oder der Generator muss sehr viele Pole haben. Saarbrücken Nürnberg Stuttgart > 5 m/s 4 m/s - 5 m/s < 4 m/s München 1 Gebiete mit nutzbarer Windenergie Getriebe Bremse Sensoren für Wind Generator Gondel Blattverstellung für PitchingRegelung Rotornabe Windrichtungsnachführung Rotorblatt Aufstieg Turm Windenergiekonverter enthalten in der Gondel entweder einen Getriebe-Generator oder einen Generator mit sehr vielen Polen. Die Windgeschwindigkeiten reichen von 0 m/s bis über 100 m/s. Zur Erzielung einer möglichst großen Leistung muss die Drehzahl des Rotors an die Windgeschwindigkeit angepasst werden, also geregelt werden. Netzanschluss Fundament 2 Aufbau eines Windenergiekonverters Bei der Stall-Regelung (von engl. Stall = das Abwürgen) reißt bei großer Windgeschwindigkeit die Windströmung an den Rotorblättern ab, sodass der Wirkungsgrad sinkt und die Drehzahl ziemlich konstant bleibt. Bei der aktiven Stallregelung werden die Rotorblätter ein wenig gedreht, sodass der Abrisspunkt der Strömung einstellbar ist. 60 4.4 Regenerative Stromerzeugung Renewable Power Generation Bei der Pitch-Regelung (von Pitch = Neigung) werden die Rotorblätter je nach Wind so weit gedreht, dass die Leistung möglichst groß ist (Bild 3). Die Drehzahl ändert sich dabei je nach Wind. Neue Anlagen arbeiten meist mit der Pitch-Regelung. H-Rotor Zwei- und Dreiflügler Darrieus-Rotor Bei den Stall-Regelungen ist die Regelgröße die Drehzahl, bei der Pitch-Regelung aber die Leistung. 1 Bei der älteren Stall-Regelung haben der Rotor und der Generator ziemlich starre Drehzahlen. Deshalb verwendet man als Generator den Asynchrongenerator. Dieser wird direkt mit dem 50-Hz-Netz verbunden. Bei dieser Regelung liegt zwischen Rotorwelle und Generator ein Getriebe zur Erhöhung der Generatordrehzahl. Außerdem ist eine mechanische Bremse zum Abbremsen bei zu hoher Windgeschwindigkeit erforderlich. Bei der Pitch-Regelung haben Rotor und Generator je nach Wind variable Drehzahlen. Entweder ist ein Getriebe vorhanden oder der Generator hat eine sehr hohe Polzahl. Das Bremsen kann durch entsprechende Einstellung der Rotorblätter bewirkt werden. Moderne Windenergiekonverter haben die PitchRegelung und arbeiten bei einer Nenn-Windgeschwindigkeit von 9 m/s ab der Einschaltgeschwindigkeit von etwa 3 m/s bis zur Abschaltschwelle von z. B. 60 m/s. Bei anderen Windgeschwindigkeiten bleiben sie abgeschaltet. Generatoren für Windenergiekonverter mit PitchRegelung können wegen der wechselnden Windgeschwindigkeit nicht direkt an das 50-Hz-Netz angeschlossen werden, weil sich mit wechselnder Drehzahl bei üblichen Generatoren Spannung und Frequenz stark ändern. Generatoren mit Pitch-Regelung arbeiten immer mit einem Umrichter. Bei kleinen Anlagen kann ein permanenterregter (durch Dauermagnet erregter) Synchrongenerator mit Zwischenkreis-Umrichter verwendet werden (Bild 1, folgende Seite). Durch die Permanenterregung ist der Wirkungsgrad groß. Jedoch wird die gesamte elektrische Leistung über den Umrichter geführt, der dann groß und teuer ist. Formen von Windrotoren Rotorblatt Wind Generator 2 Leeläufer und Luvläufer 1,2 1,0 Rotorleistung PR /Pn Es sei ausdrücklich vermerkt, dass die Regelung des Rotors die Regelung des Generators nicht ersetzt. Windgeschw. v W 12 m/s 0,8 11 0,6 10 0,4 8 0,2 6 0 9 0 0,2 0,4 0,6 7 0,8 1,0 1,2 1,4 Rotordrehzahl nR /nn 1,6 1,8 3 Abhängigkeit der Rotorleistung vom Wind Bei Anlagen über 100 kW nimmt man Asynchrongeneratoren als untersynchrone Stromrichterkaskade oder meist als doppelt speisende DrehstromAsynchrongeneratoren DSA. Dabei handelt es sich um rotierende Generatoren in der Form eines Schleifringläufers, die mit einem Umrichter in der Weise arbeiten, dass über den Umrichter nur etwa 30 % der Leistung geführt werden (Abschnitte 11.10.9 und 11.10.10). 4.5 Stromtransport Power Transport Stromtransport 4.5.1 Zweck der Spannungstransformation Die Erzeugung elektrischer Energie erfolgt in Kraftwerken. Die in den Generatoren entstehende Spannung beträgt meist 6 kV bis 30 kV. Diese Spannung ist zu niedrig, um den erzeugten Strom über größere Strecken möglichst verlustfrei transportieren zu können. Das liegt daran, dass Leitungen einen elektrischen Widerstand besitzen. Um die Verlustleistung Pv möglichst klein zu halten, müssen entweder der elektrische Widerstand oder die Stromstärke verringert werden (Abschnitt 4.5.6). Um den elektrischen Widerstand der Leitung zu verringern, verwendet man Werkstoffe mit kleinem spezifischem Widerstand oder der Leitungsquerschnitt wird erhöht. Aus wirtschaftlichen Gründen sind diese Maßnahmen jedoch nicht sinnvoll. Durch die Erhöhung der Spannung auf ein Vielfaches des ursprünglichen Wertes, z. B. auf eine Spannung von 380 kV, wird jedoch die Stromstärke ebenfalls verringert (Bild 1). Dadurch wird die Verlustleistung deutlich kleiner. Faustregel: Strom kann mit einer Bemessungsspannung von 380 kV ohne Zwischenstationen über eine Entfernung von etwa 380 Kilometern transportiert werden. Da die Übertragungsspannung von 380 kV für den Endverbraucher viel zu hoch ist, muss die Spannung schrittweise auf die Niederspannung von 400 V/230 V herunter transformiert werden (Bild 2). 4.5.2 6 kA 5 4 Stromstärke Ü 4.5 69 3 10 MVA 3 AC UN Ü 1 kV 6 kV 10 kV 60 kV 110 kV 5774 A 962 A 577 A 96 A 53 A 2 1 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 kV 110 Spannung U 1 Stromstärken bei Drehstrom für 10 MVA Höchstspannung Æ 380 kV Braunkohlekraftwerke und Kernkraftwerke Höchstspannung 220 kV Steinkohlekraftwerke und Wasserkraftwerke Industriekraftwerke Hochspannung 110 kV Spannungsebenen In modernen Stromnetzen unterscheidet man vier Spannungsebenen: Höchstspannungsnetz, Hochspannungsnetz, Mittelspannungsnetz und Niederspannungsnetz. Das Höchstspannungsnetz dient zum Transport des in Kraftwerken erzeugten Stromes über große Entfernungen. Die Spannung in diesem Netz beträgt 220 kV bzw. 380 kV. Über dieses Netz sind die Länder der EU untereinander verbunden (Europäisches Verbundnetz). Für HGÜ (HochspannungsGleichstrom-Übertragung) werden auch Spannungen von 500 kV bzw. 750 kV verwendet. Über das Hochspannungsnetz werden größere Gebiete, z. B. das Stadtgebiet von Stuttgart, und auch die Großindustrie versorgt, z. B. die Firma BSW (Badische Stahlwerke). Die Spannung beträgt z. B. 110 kV. Mittelspannung 10 kV bis 30 kV Freileitung oder Kabel Niederspannung Freileitungsnetz 0,4 kV Kabelnetz 2 Spannungsebenen der Stromversorgung Der Energiebedarf erfolgt entweder aus Kraftwerken, die nicht in das Höchstspannungsnetz einspeisen, oder über Umspannwerke aus dem 380kV-Netz bzw. 220-kV-Netz. 4.5 Stromtransport Power Transport 70 Mittelspannungsnetze haben eine Spannung von 10 kV bis 30 kV. Sie werden meist über Umspannwerke aus dem 110-kV-Netz gespeist. Diese Umspannwerke befinden sich innerhalb der Stadtgebiete und sind meist als Innenraumschaltanlage oder aber als Freiluftschaltanlage ausgeführt. Durch die relativ kleine Spannung von z. B. 10.000 V können auch Industriebetriebe über kundeneigene Stationen direkt versorgt werden. Über Ortsnetzstationen wird die elektrische Energie in Stadtteilen oder Ortschaften auf Niederspannung (400 V/230 V) transformiert und in das Niederspannungsnetz eingespeist. Die vierte Ebene ist das Niederspannungsnetz mit 400 V/230 V. Über dieses Netz werden Gebäude oder Haushalte mit Strom versorgt. Das zugehörige Verteilungsnetz kann im Erdreich als Kabelnetz aber auch im Freien als Freileitungsnetz aufgebaut sein. Transformator Trennschalter 1 Freiluftanlage 110 kV Leiterseile Isolatoren Wiederholung und Vertiefung: 1. Warum muss zum Transport von elektrischer Energie über längere Strecken die Spannung heraufgesetzt werden? 2. Welche anderen Möglichkeiten gibt es, um a) die Verlustleistung auf Leitungen gering zu halten und b) warum werden sie beim Stromtransport nicht angewendet? 3. Auf welche Entfernung kann man Strom mit einer 380kV-Leitung ohne Zwischenstationen transportieren? 4. Nennen Sie die vier Spannungsebenen mit ihrer Netzbezeichnung und geben Sie die jeweilige Netzspannung an. 4.5.3 2 Gerüst zum Abspannen der Leiterseile Metallrohr (Leiter) Isolator Trennschalter Umspannwerke Umspannwerke nennt man auch die Knotenpunkte der Energieverteilung. Sie wandeln durch Transformatoren die elektrische Energie auf die für die Übertragung notwendigen Spannungsebenen um. Zusätzlich erfolgt von Umspannwerken aus die Verteilung auf weitere Streckenabschnitte durch Schalter. Umspannanlagen Umspannanlagen sind für Hochspannung und Höchstspannung vorgesehen und meist als Freiluftanlagen ausgeführt (Bild 1). Die einzelnen Betriebsmittel wie Trennschalter und Leistungsschalter der Umspannanlagen sind an Schaltgerüsten befestigt. Stromwandler und Spannungswandler sowie Umspanner werden auf Sockeln befestigt. Die Leiterseile der Hochspannungsleitungen werden an einem Gerüst abgespannt (Bild 2). Die Verbindungsleitungen zwischen zwei Abspanngerüsten bezeichnet man als Überspannungen. 3 Sammelschienensystem Meist verlaufen unterhalb der Überspannungen Sammelschienensysteme (Bild 3). Die einzelnen Leitungen können über Sammelschienen miteinander verbunden werden. Anstelle von Leiterseilen werden in Umspannwerken meist Metallrohre als Leiter verwendet. 4.5 Stromtransport Power Transport 71 Mithilfe von Trennschaltern (Trennern) oder von Leistungsschaltern kann man die Leitung von Umspannwerken trennen. Niederspannungsverteilung mit Wandler W und Zählern Z Trennschalter dürfen nur ohne Last geschaltet werden. Z Z 400 kVA W Das Schalten erfolgt meist von der Steuerwarte aus. Die Trenner können aber auch von Hand betätigt werden. In dicht besiedelten Gebieten werden Umspannwerke meist als Innenraumanlage ausgeführt und vor allem im Mittelspannungsnetz (MS-Netz) bis 30 kV eingesetzt. Auf engstem Raum sind dort Schaltfelder (Zellen) für ankommende und abgehende Kabel, Stromwandler und Spannungswandler, Trennschalter und Lasttrennschalter sowie die Zuleitungen und Ableitungen für den Transformator untergebracht. Da diese Stationen sehr kompakt gebaut sind, nennt man sie auch KompaktUmspannstation (Bild 1). Im Freileitungsnetz werden Innenraumanlagen als Turmstation ausgeführt (Bild 2). Unterhalb von Öltransformatoren müssen sich Öl-Auffangwannen befinden. Für einzeln stehende Gehöfte oder kleine Häusergruppen erfolgt die Versorgung auch über Maststationen mit Transformatoren von z. B. 10 kV/400 V und 100 kVA (Bild 3). Mittelspannungsanlage (Schaltzellen) Transformator 1 Kompakt-Umspannstation 10-kV-Netz Überspannungsableiter 400-VNetz 2 Turmstation 10-kV-Netz Größere Innenraumanlagen werden meist als gekapselte gasisolierte Schaltanlagen ausgeführt (Bild 4). Dabei wird als Gasisolierung Schwefelhexafluorid SF6 verwendet. Durch das vollständige Kapseln der Kontakte wird das Bedienen ungefährlich, eine Berührung durch das Bedienpersonal ist somit nicht möglich. Trennschalter 400-V-Netz Schalter in Hochspannungsanlagen Man unterscheidet in Hochspannungsanlagen zwischen Trennschalter, Lasttrennschalter und Leistungsschalter. Die Auswahl der Schalter und Anlage erfolgt nach ihrer Bemessungsspannung (Nennspannung) und ihrer erforderlichen Schutzart. Schalter für Hochspannung können mit Federspeicherantrieb oder elektromotorischem Antrieb ausgestattet sein. Trennschalter haben die Aufgabe, Anlagenteile, z. B. bei Revisionsarbeiten, sichtbar abzutrennen, um Arbeiten im spannungslosen Zustand gefahrlos durchführen zu können (Bild 1, folgende Seite). Dabei sind die fünf Sicherheitsregeln (Seite 364) zu beachten. Das Bedienpersonal kann sich wegen der sichtbaren Trennstelle ständig vom Spannungszustand überzeugen. 3 Maststation 4 Gasisolierte SF6-Schaltanlage 4.5 Stromtransport Power Transport 72 In Schaltanlagen werden Trennschalter immer auf der einspeisenden Seite eingebaut. Werden Anlagen doppelseitig eingespeist, sind auf beiden Seiten Trennschalter erforderlich (Bild 2). 1 3 5 Trennstelle Trennschalter dürfen elektrische Stromkreise nur leistungslos oder nur bei einem vernachlässigbar kleinen Strom schalten und wenn zwischen den Schalteranschlüssen keine Spannungsunterschiede bestehen. Es werden im Hochspannungsbereich je nach Spannungsebene unterschiedliche Bauformen von Trennschaltern verwendet. Im Höchstspannungsbereich werden Scherentrennschalter oder Greifertrennschalter eingesetzt. Beim Schaltvorgang kommt es bei diesen Schaltern häufig zu Funkenüberschlägen. Die Ursache dieser Überschläge liegt in der Kapazität der Anlage. Mit einem Lasttrennschalter kann man Umspanner sowie Kabelleitungen und Freileitungen unter Last vom Netz trennen (Bild 3). Diese Schalter finden oft in Mittelspannungsnetzen (10 kV bis 30 kV) Anwendung. Sie schalten Ströme von etwa 40 kA bis 63 kA. Lasttrennschalter werden auch zum Öffnen und Schließen von Ringleitungen verwendet und sind mit einem Federspeicherantrieb ausgestattet. Mithilfe einer Fernschaltung kann eine mechanische Auslösung erfolgen. Mit Leistungsschaltern können Ströme (z. B. 80 kA bis 160 kA) geschaltet werden. Sie können Anlagenteile auch bei Kurzschluss schalten. Dabei löst ein Schutzrelais selbsttätig aus. Sowohl die Auslösezeit als auch der Auslösestrom werden am Schutzrelais eingestellt. Wiederholung und Vertiefung: Antrieb Schaltmesser 2 4 6 1 Trennschalter Einspeisung A 110 kV/20 kV Anlage 20 kV/400 kV Ortsnetz 110 kV/20 kV Einspeisung B 2 Doppelseitige Einspeisung einer Anlage 1 3 5 4 6 Löschkammer 1. Für welche zwei Spannungsebenen werden Umspannungsanlagen vorgesehen? 2. Worauf ist beim Schalten von Trennschaltern bezüglich der Last zu achten? 3. Welche fünf elektrischen Betriebsmittel sind in Kompakt-Umspannstationen untergebracht? 4. In welcher Form wird die Schaltanlage einer Innenraumanlage meist ausgeführt? 5. In Hochspannungsanlagen unterscheidet man drei Schalterarten. Nennen Sie diese. 6. Welche Aufgabe haben Trennschalter? 7. Nennen Sie mindestens zwei Bauformen von Trennschaltern im Hochspannungsbereich. 8. Nennen Sie einen Vorteil eines Lasttrennschalters gebenüber einem Trennschalters. 2 Lasttrennschalter (www.driescher-wegberg.de) 3 4.5 Stromtransport Power Transport 4.5.4 73 Leitungen und Kabel Mantelleitung NYM Für den Stromtransport werden elektrische Leiter verwendet, deren stromleitender Teil ganz oder im Wesentlichen aus Kupfer oder aus Aluminium besteht. Begriffe in der Energieverteilung Cu - Leiter Mantel PVC Leiter ist der stromleitende Teil einer Leitung mit der unmittelbaren Isolierung. Eine vieradrige Leitung enthält z. B. vier Leiter. Aderumhüllung Isolierung PVC, grün - gelb, schwarz, blau, braun Aderleitung H 07 V-U 1,5 BK Cu PVC, z. B. schwarz Eine Leitung enthält einen oder mehrere Leiter. 1 Mantelleitung und Aderleitung Freileitungen sind Systeme aus elektrischen Leitern oder Leitungen, Isolatoren und deren Haltevorrichtungen, z. B. Freileitungsmasten (Abschnitt 12.2.1). Leitungen sind Systeme aus einem oder mehreren elektrischen Leitern mit umgebenden Isolierstoffen. Im Gegensatz zu Kabeln sind Leitungen nicht zur direkten Verlegung im Erdboden geeignet. Die Bemessungsspannung der üblichen Leitungen, z. B. für die Elektroinstallation, beträgt höchstens 1 kV. Das gilt nicht für spezielle Leuchtröhrenleitungen. Kabel sind im Prinzip wie Leitungen aufgebaut, jedoch ist die Isolierung erheblich aufwendiger, sodass die Verlegung auch im Erdboden erfolgen kann. Deshalb spricht man auch von Erdkabeln. Die Bemessungsspannung der üblichen Kabel beträgt je nach Bauart bis 60 kV, bei speziellen Hochspannungskabeln sogar bis 500 kV. H 07 V - U 1,5 BK schwarz (BLACK) 1,5 mm2 eindrähtig PVC - Isolierung Bemessungsspannung 700 V harmonisierte Leitung 2 Bedeutung von H07-U Tabelle 1: Buchstaben nach H bei Leitungen für feste Verlegung (Auswahl) Buchstabe Bedeutung V U R F G X PVC eindrähtig mehrdrähtig feindrähtig mit Schutzleiter ohne Schutzleiter + N Y M - J 4 2,5 Leitungen für die Energieverteilung Es gibt viele verschiedene Leitungsarten. Als elektrischer Leiter wird fast ohne Ausnahme Kupfer verwendet. Bei vor 1950 verlegten Leitungen kommen auch Leiter aus Aluminium vor. Von den Leitungen für feste Verlegung sind besonders wichtig die Mantelleitungen und die Aderleitungen (Bild 1). Die Mantelleitungen gibt es mehradrig oder einadrig. Sie werden verlegt auf Putz, über Putz, im Putz und unter Putz. Aderleitungen werden als Verdrahtungsleitungen in Schaltschränken verwendet und sonst in Isolierrohren oder Leitungskanälen. Leider sind für die Leitungsbezeichnungen zwei verschiedene Systeme üblich. Die jüngere Bezeichnung gilt für europaweit harmonisierte (also vereinheitlichte) Leitungen und beginnt mit H (von harmonisiert, Bild 2). Die daran anschließende Zahl gibt verschlüsselt die Bemessungsspannung an. Danach folgen weitere Buchstaben für den Isolierstoff und die Leiterart (Tabelle 1). 2,5 mm2 4 Adern mit PE Mantelleitung Kunststoff (PVC) Normen 3 Bedeutung von NYM-J 4 x 2,5 Tabelle 2: Buchstaben nach N bei Leitungen für feste Verlegung (Auswahl) Buchstabe Bedeutung Y M -J -O Aderisolierung PVC Mantelleitung Schutzleiter vorhanden ohne Schutzleiter Die ältere Bezeichnung gilt für nicht harmonisierte Leitungen, gilt also nicht europaweit. Sie beginnt mit N (von Norm) und die folgenden Buchstaben geben den Isolierstoff und die Art der Leitung an (Bild 3, Tabelle 2). 4.5 Stromtransport Power Transport 74 Kabel für die Energieverteilung Niederspannungskabel haben Bemessungsspannungen bis 1 kV. Sie haben meist Aluminiumleiter und bei Querschnitten bis 10 mm2 Kupferleiter. Die Leiter können rund oder sektorförmig sein (Bild 1) und aus Einzeldraht oder aus mehreren Drähten bestehen. Beim dreiadrigen Kabel dient ein konzentrischer, außen liegender Leiter als PEN-Leiter und als mechanischer Schutz, z. B. bei Verlegung im Erdboden (Bild 2). Oft werden vieradrige Kabel verwendet (Bild 3). Die Leiterisolierung besteht aus Polyvinylchlorid PVC oder aus vernetztem Polyethylen VPE, der Mantel aus PVC oder aus PE. Die Bezeichnung der Kabel beginnt mit N (von Norm). Die folgenden Buchstaben haben aber eine andere Bedeutung als bei den Leitungen (Tabelle 1). Tabelle 1: Buchstaben nach N bei Kabeln Buchstabe Bedeutung A Y C W S 2X 2Y -J Aluminiumleiter Isolierung PVC konzentrischer Cu-Leiter wellenförmiger Cu-Leiter Schirm aus Kupfer Isolierung VPE Isolierung PE grün-gelber Schutzleiter 1 Leitertypen konzentrische Cu-Leiter, wellenförmig Mantel, PVC Wendel aus Cu-Band Aluminium Aderumhüllung VPE, braun, schwarz, blau 2 Kabel NA2XCWY 0,6/1 kV Aluminium Für die Kabelbezeichnung sind die Kennbuchstaben von innen nach außen anzugeben. Für das Niederspannungsnetz 400/230 V werden meist Vierleiterkabel (Kabel mit vier Leitern) verwendet. Mittelspannungskabel haben Bemessungsspannungen bis 36 kV. Es gibt Dreileiterkabel und Einleiterkabel. Als Aderisolierung wird meist VPE verwendet (Bild 4). Anders als bei den Niederspannungskabeln sind Leitschichten vorhanden, die für eine gleichmäßige elektrische Feldstärke an den Leitern sorgen. Dadurch wird verhindert, dass eine Gasentladung an den Kanten der Leiterdrähte erfolgt, die zur Zerstörung der Isolation führen würde. Über der äußeren Leitschicht liegt ein Kupferschirm und darüber eine Trennschicht. Der darauf folgende Mantel besteht aus PVC oder VPE. Für Neuanlagen werden nur Kabel mit VPE-Isolierung bzw. PVC-Isolierung verwendet. In bestehenden Anlagen sind auch ältere Massekabel mit Papierisolierung und Bleimantel vorhanden. Hochspannungskabel haben je nach Bauart Bemessungsspannungen bis 500 kV. Sie sind immer Einleiterkabel. Mantel, PE Aderumhüllung VPE, grün-gelb, braun, schwarz, blau 3 Kabel NA2X2Y-J 0,6/1 kV AluminiumLeiter Cu-Wendel PE-Mantel Trennschicht äußere Leitschicht VPE innere Leitschicht Cu-Schirm 4 Kabel NA2X2Y 10 kV bis 30 kV 5.5 Zeigerdiagramm des belasteten Transformators Vector Diagram of Transformers under Load 5.5 Zeigerdiagramm des belasteten Transformators ¡1 Mithilfe des Kapp‘schen Dreiecks lässt sich die bei Belastung auftretende Spannungsänderung eines Transformators berechnen. Zur rechnerischen Erfassung zeichnen wir das Kapp‘sche Dreieck vergrößert heraus (Bild 2). Wir können erkennen, dass der Spannungsunterschied bei Belastung nach folgender Formel berechnet werden kann. DU = Uw · cos j2 + Us · sin j2 1 DU Spannungsunterschied bei Belastung Uw Spannungsfall am Wirkwiderstand Us Spannungsfall am Blindwiderstand j2 induktiver Phasenverschiebungswinkel der Last U1 XL Uw UÛ ¡2 U'2 U2 Last Z 1 Vereinfachte Ersatzschaltung eines Transformators für die Energietechnik Fehler ƒ2 Das vollständige Zeigerbild des allgemeinen, realen Transformators (Tabelle 1, vorhergehende Seite) ist so kompliziert, dass es fast nicht angewendet werden kann. Bei einem belastetem Transformator der Energietechnik spielt der Magnetisierungsstrom nur eine untergeordnete Rolle. Deshalb lässt man die Querinduktivität weg und fasst die verbleibenden Wirkwiderstände und die durch die Streuung verursachten Blindwiderstände zusammen (Bild 1). Wird der Transformator auf der Ausgangsseite mit I2 belastet, so stellt sich auf der Eingangsseite ein Strom I1 ein. Je nach Art des Belastungsstromes sieht das Zeigerdiagramm verschieden aus (Bild 3). Bei Belastung mit demselben Strom, z. B. dem Bemessungsstrom, ist aber das Dreieck aus den Zeigern Uw, Us und U gleich. Man nennt es das Kapp’sche Dreieck. R 93 UÛ UÛ • sin ƒ2 #U U U1 Uw • cos ƒ2 Uw ƒ2 U'2 2 Berechnung des Spannungsunterschiedes bei Belastung mithilfe des Kapp’schen Dreiecks Bei Wirklast und bei induktiver Last führt die Spannungsänderung DU zur Verkleinerung der Ausgangsspannung U2, bei kapazitiver Last aber zur Vergrößerung gegenüber der Ausgangs-Leerlaufspannung U20 (Bild 3). U2 = U20 8 DU 2 Beispiel 2: Bei einem Transformator beträgt cos j2 = 0,5. Der Spannungsfall am Wirkwiderstand beträgt 10 V, am Blindwiderstand 20 V. Wie groß ist die Spannungsänderung bei Belastung? Bei einem Transformator ist bei kapazitiver Last infolge Überkompensation cos j2 = 0,5. Der Spannungsfall am Wirkwiderstand ist 10 V, am Blindwiderstand 20 V. Die im Leerlauf gemessene Ausgangsspannung ist U20 = 230 V. Wie groß ist die Lastspannung? Lösung: cos j2 = 0,5 π sin j2 = 0,866 DU fi Uw · cos j2 + Us · sin j2 = 10 V · 0,5 + 20 V · 0,866 = 22,3 V Lösung: Nach Beispiel 1 ist DU fi 22,3 V U2 = U20 + DU = 230 V + 22,3 V = 252,3 V Beispiel 1: Last U2 = U20 – DU U1 Uw U U'2 U'2 ¡'2 ƒ2 = 0 U UÛ #U U UÛ 3 #U UÛ Last Uw #U Last Uw U1 U'2 U1 ƒ 2 ¡'2 ¡'2 U2 = U20 + DU 4 ƒ2 Zeigerdiagramm des Transformators für verschiedene Belastungsfälle mit Kapp’schem Dreieck 3 5.6 Kurzschlussstrom und Einschaltstrom Short-circuit Current and Turn-on Current Der Spannungsfall Uw am Wirkwiderstand und der Spannungsfall Us am Streu-Blindwiderstand können aus der auf die Bemessungsspannung bezogenen Kurzschlussspannung berechnet werden, wenn aus dem Kurzschlussversuch der cos jk bekannt oder berechenbar ist. Stoßkurzschlussstrom is abklingender Gleichstromanteil Stromstärke 94 Dauerkurzschlussstrom ¡kd Beispiel 1: Ein Einphasentransformator mit uk = 15 %, cos jk = 0,4, U20 = 400 V und SN = 5 kVA wird mit 4 kVA bei einem induktiven Leistungsfaktor von 0,6 belastet. Wie groß sind a) Uw, b) Us, c) Spannungsunterschied bei Belastung, d) Ausgangsspannung bei Belastung? Lösung: cos jk = 0,4 π sin jk = 0,917 a) Uw fi S/SN · uk · cos jk · U20 = 4/5 · 0,15 · 0,4 · 400 V = 19,2 V Zeit Laststrom 1 Stromverlauf beim ausgangseitigen TransformatorKurzschluss Spannungsfälle S Uw fi –––– · uk · cos jk · U20 SN b) Us fi S/SN · uk · sin jk · U20 = 4/5 · 0,15 · 0,917 · 400 V = 44 V S Us fi –––– · uk · sin jk · U20 SN c) cos j2 = 0,6 π sin j2 = 0,8 DU fi Uw · cos j2 + Us · sin j2 = 19,2 V · 0,6 + 44 V · 0,8 = 46,7 V d) U2 fi U20 – DU = 400 V – 46,7 V = 353,3 V 5.6 Kurzschlussstrom und Einschaltstrom Uw Us S SN uk jk 1 2 Spannungsfall am Wirkwiderstand Spannungsfall am Streu-Blindwiderstand Ausgangsleistung Bemessungsleistung des Transformators bezogene Kurzschlussspannung Kurzschlussstrom beim Transformator Phasenverschiebungswinkel beim Kurzschlussversuch U20 Ausgangs-Leerlaufspannung Entsteht auf der Ausgangsseite eines in Betrieb befindlichen Transformators eine fast widerstandslose Verbindung zwischen den Anschlüssen, so liegt ein Kurzschluss vor. Der Transformator liefert den Kurzschlussstrom. Dauerkurzschlussstrom Ikd Dauerkurzschlussstrom IN Ikd = ––– IN Bemessungsstrom uk uk bezogene Kurzschlussspannung 3 Der einige Perioden nach der Entstehung des Kurzschlusses fließende Strom heißt Dauerkurzschlussstrom Ikd. Er ist bei Transformatoren mit kleiner Kurzschlussspannung groß und bei Transformatoren mit großer Kurzschlussspannung klein. Große Kurzschlussströme können zur Zerstörung von Schaltern, Verteilungen, Sammelschienen und anderen Betriebsmitteln führen. Kurzschlüsse an Transformatoren sind gefährlich, wenn die Kurzschlussspannung des Transformators klein ist. Beispiel 2: Auf der Unterspannungsseite eines Transformators 400 V/50 V, 1,3 A/9 A, uk = 15 % entsteht ein Kurzschluss. Wie groß ist der Dauerkurzschlussstrom? Lösung: uk = 15 % π uk = 0,15 Ikd = IN/uk = 9 A /0,15 = 60 A Man unterscheidet den Dauerkurzschlussstrom und den Stoßkurzschlussstrom. Der sofort nach dem Entstehen des Kurzschlusses fließende Strom ist der Stoßkurzschlussstrom is (Bild 1). Die Stärke des Stoßkurzschlussstromes hängt vom Dauerkurzschlussstrom ab und von dem Augenblickswert der Spannung im Zeitpunkt des Kurzschlusses. Besonders groß ist der Stoßkurzschlussstrom, wenn der Kurzschluss in dem Augenblick entsteht, in dem die Ausgangsspannung durch die Nulllinie geht. Dann haben Magnetisierungsstrom und magnetische Flussdichte ihre Höchstwerte. Nach der Lenz’schen Regel sucht der nun einsetzende Kurzschlussstrom die Abnahme der Flussdichte zu hemmen. Die kurzgeschlossene Ausgangswicklung sucht also den Magnetismus beizubehalten, der im Augenblick der Entstehung des Kurzschlusses vorhanden war. Dadurch überlagert sich 5.6 Kurzschlussstrom und Einschaltstrom Short-circuit Current and Turn-on Current während mehrerer Perioden dem Dauerkurzschlussstrom ein abklingender Gleichstrom. Im ungünstigsten Fall könnte der Stoßkurzschlussstrom beim verlustlosen Transformator doppelt so groß sein wie der Scheitelwert des Dauerkurzschlussstromes, also is = 2 · 12 2 · Ikd. Wegen der Dämpfung rechnet man mit is = 1,8 · 12 2 · Ikd. Ï, i’ 95 i’ Ï Stoßkurzschlussstrom is Stoßkurzschlussstrom Ikd Dauerkurzschlussstrom is = 1,8 · 122 · Ikd t 1 Beispiel: Bei einem Transformator beträgt der aus der Kurzschlussspannung berechnete Dauerkurzschlussstrom 200 A. Wie groß kann der Stoßkurzschlussstrom im ungünstigsten Fall sein? Lösung: is = 1,8 · 12 2 · Ikd = 2,54 · Ikd = 2,54 · 200 A = 508 A Verlauf des magnetischen Flusses G und des Magnetisierungsstromes iµ beim Einschalten 2Ï Ï Ï Ï Einschaltstrom beim Transformator Die Spannung des Transformators hat gegen den magnetischen Fluss G bzw. gegen den Magnetisierungsstrom iµ eine Phasenverschiebung von 90°. Wird ein spannungsloser Transformator im Augenblick des Höchstwertes der Netzspannung eingeschaltet, so müssen der magnetische Fluss im Transformatorkern und der Magnetisierungsstrom wegen der Phasenverschiebung gleich null sein. Das trifft bei diesem Transformator tatsächlich zu. Die Netzspannung ändert sich nun sinusförmig. Entsprechend ändert sich dann der magnetische Fluss von null an ebenfalls sinusförmig und der Transformator nimmt einen dem magnetischen Fluss entsprechenden Magnetisierungsstrom auf. In diesem Fall erfolgt die Einschaltung des Transformators nicht anders als die Einschaltung eines Widerstands. Der günstigste Zeitpunkt für die Einschaltung eines Transformators liegt vor, wenn die Netzspannung gerade ihren Höchstwert hat. Ganz anders erfolgt der Einschaltvorgang, wenn das Einschalten beim Augenblickswert null der Netzspannung erfolgt. Hier müsste der magnetische Fluss wegen der Phasenverschiebung seinen Höchstwert haben, besitzt aber im spannungslosen Transformator noch den Wert null. i’ i’1 øt = ¢ t i’2 2 Ermittlung des Einschalt-Magnetisierungsstromes Für den Augenblickswert der Netzspannung gilt u = N · dG/dt = u: · sin (wt ) wenn man diese Differenzialgleichung nach G auflöst, so erhält man : · cos (wt ) + C G = – u: · cos (wt )/(N · w) + C = – G Dabei ist C die Integrationskonstante. Aus der Einschaltbedingung mit G = 0 für t = 0 kann man die Integrationskonstante berechnen. Man erhält C = G. Dadurch erreicht eine Halbperiode nach dem Einschalten der magnetische Fluss einen Höchstwert: : G=2·G Das bedeutet, dass dem normalen magnetischen Wechselfluss, ein Gleichfluss von der Größe bis zum Scheitelwert des magnetischen Wechselflusses überlagert ist (Bild 1). Wird ein Transformator eingeschaltet, so kann der magnetische Fluss im Transformator doppelt so groß sein wie der Scheitelwert des magnetischen Flusses. 5.7 Wirkungsgrad und Nutzungsgrad von Transformatoren Efficiency and Utilization Ratio of Transformers Dieser große magnetische Fluss wird eine halbe Periode nach dem Einschalten erreicht. Damit dieser große magnetische Fluss erreicht wird, muss der Magnetisierungsstrom entsprechend groß sein. Wegen der magnetischen Sättigung des Eisens ist aber der Magnetisierungsstrom weit größer als das Doppelte seines normalen Wertes (Bild 2, vorhergehende Seite). Noch ungünstiger werden die Verhältnisse, wenn der Eisenkern im Augenblick des Einschaltens einen magnetischen Remanenzfluss besitzt, der dieselbe Richtung wie der erforderliche magnetische Fluss hat. Dann wird der Magnetisierungsstrom außerordentlich groß, weil er sich jetzt fast ganz im Bereich der Sättigung einstellt. Der Stromstoß beim Einschalten eines Transformators kann bis zum 80-fachen Wert des normalen Magnetisierungsstroms betragen. Im ungünstigsten Fall kann demnach der Einschaltstromstoß über das Zehnfache des normalen Bemessungsstroms betragen. Deshalb müssen die Überstrom-Schutzeinrichtungen von Transformatoren diesen Einschaltstromstoß aushalten. 5.7 Wirkungsgrad und Arbeitsgrad von Transformatoren Der Wirkungsgrad ist das Verhältnis von abgegebener zur zugeführten Wirkleistung. Die aufgenommene Wirkleistung ist um die Eisenverlustleistung (Eisenverluste) und die Wicklungsverlustleistung (Wicklungsverluste) größer als die abgegebene Wirkleistung. Beispiel: Ein Transformator mit 250 kVA ist bei einem Leistungsfaktor 0,7 voll belastet. Seine Eisenverlustleistung beträgt 2 kW, seine Wicklungsverlustleistung 3 kW. Wie groß ist der Wirkungsgrad? Lösung: Pab = Sab · cos j = 250 kVA · 0,7 = 175 kW n = Pab/(Pab + VFe + VCu) = 175 kW/(175 kW + 2 kW + 3 kW) = 0,97 Im Eisenkern ist unabhängig von der Belastung der magnetische Fluss ungefähr gleich bleibend. Deswegen ist die Eisenverlustleistung dauernd gleich. In der Wicklung fließen je nach Belastung verschiedene Ströme. Die Wicklungsverlustleistung nimmt quadratisch mit der Belastung zu. Netztransformatoren sind meist so bemessen, dass der Wirkungsgrad am größten ist, wenn beide Verlustleistungen gleich groß sind (Bild 1). 1 cos ƒ = 1 0,9 Wirkungsgrad 96 0,8 0,7 cos ƒ = 0,2 0,6 0,5 0 0 0,6 0,2 0,4 0,8 Leistung/Bemessungsleistung 1 1,2 1 Wirkungsgrad eines Transformators n Wirkungsgrad Pab Leistungsabgabe VFe Eisenverlustleistung VCu Wicklungsverlustleistung Pab n = –––– Pzu Wirkungsgrad Pab n = –––––––––––––– Pab + VFe + VCu Der Wirkungsgrad eines Transformators hängt von der Belastung ab. Die Verluste im Transformator hängen von der Stromaufnahme und damit von der Scheinleistung des angeschlossenen Verbrauchers ab. Dadurch ist der Wirkungsgrad auch vom cos j des Verbrauchers abhängig (Bild 1) und nicht nur von seiner Wirkleistung. Bei einem unbelasteten Transformator entstehen in der Ausgangswicklung keine Wicklungsverluste. Da er nur einen sehr schwachen Strom aufnimmt, entstehen auch in der Eingangswicklung fast keine Wicklungsverluste. Die vom Transformator im Leerlauf aufgenommene Leistung ist also die Verlustleistung des Eisenkerns. Eisenverluste werden im Leerlaufversuch gemessen. Beim Messen der Kurzschlussspannung fließen in der Wicklung (Eingangswicklung und Ausgangswicklung) die Bemessungsströme und rufen die Wicklungsverlustleistung hervor. Im Eisenkern ist beim Messen der Kurzschlussspannung der magnetische Fluss sehr klein, da der Transformator an einer kleinen Spannung liegt und kurzgeschlossen ist. Im Eisenkern entsteht beim Kurzschlussversuch keine Eisenverlustleistung. Die vom Transformator im Kurzschlussversuch aufgenommene Leistung ist also die Verlustleistung der Wicklung bei Bemessungslast. Die Wicklungsverlustleistung bei Bemessungslast wird im Kurzschlussversuch gemessen.