B08 1. Stirling-Motor B08 EIN MOTOR LÄUFT MIT HEIßER LUFT Stellt man den Kolben in Abb. 1 von dem kalten in das heiße Wasserbad, so dehnt sich die Luft im Kolben aus. Der Stempel kann eine Last hochheben – Physiker sagen: Das Gas gibt Arbeit ab. Stellt man anschließend den Kolben in das kalte Wasserbad zurück, so zieht sich die Luft wieder zusammen. Die Last komprimiert das Gas, dem Gas wird Arbeit zugefügt. Abb. 1 Lit.: Dorn/Bader, Schroedel Verlag Abb. 2 Abb. 3 Der Stirlingmotor im Praktikum Prinzipieller Aufbau In einem Stirlingmotor übernimmt dieses umständliche Umstellen des Kolbens ein Verdrängerkolben. Er schiebt das Arbeitsgas (in Abb. 2 grau) periodisch zwischen dem kalten ( TK ) und dem heißen Bereich ( TH ) des Glaszylinders hin und her. Der Stempel wird im Stirlingmotor durch den Arbeitskolben ersetzt. Über ein Gestänge setzt er ein Schwungrad auf der Achse in Rotation. Die Kolben bewegen sich um 90° versetzt zueinander: Wenn der Arbeitskolben seine größte Geschwindigkeit hat, befindet sich der Verdrängerkolben in einem Umkehrpunkt und ändert seine Lage nur wenig und umgekehrt. 2. THEORIE Sie sollten das Allgemeine Gasgesetz, die Zustandsänderungen von Gasen (insbesondere: isotherme und isochore) und die beiden Hauptsätze der Wärmelehre kennen. Lesen Sie in einem Lehrbuch die Kapitel über Kreisprozesse nach. 1. Was ist an dem Carnot-Prozess so bemerkenswert, dass er in allen Lehrbüchern aufgeführt und diskutiert wird? Wie groß ist der Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses? Was ist beim Stirling-Prozess anders? 2. Warum sind die beiden Wärmen Q23 und Q41 in Abb. 4 betragsmäßig gleich groß. 3. Erklären Sie mit dem 1. Hauptsatz der Wärmelehre, wofür die zugeführte Wärme bei einer isothermen Expansion genutzt wird und wofür nicht. 4. Ist die Arbeit W12, wenn das Gas in Abb. 4 expandiert, größer oder kleiner als die Arbeit W34, mit der das Gas komprimiert wird? 04.06.2006 1 Physikalisches Anfängerpraktikum Universität Hannover B08 B08 2.1. Der ideale Stirling-Prozess lässt sich durch vier Zustandsänderungen im pV-Diagramm wie in Abb. 4 beschreiben. I. 1 → 2 Isotherme Expansion, TH = const., bei der Wärme Q12 aufgenommen und Arbeit W12 abgegeben werden II. 2 → 3 Isochore Abkühlung, V2 = const., bei der Wärme Q23 abgegeben wird III. 3 → 4 Isotherme Kompression, TK = const., bei der Wärme Q34 abgegeben und Arbeit W34 zugeführt werden IV. 4 → 1 Isochore Erwärmung, V1 = const., bei der Wärme Q41 aufgenommen wird Abb. 4 Sie finden diese Prozesse I – IV näherungsweise an den Motorstellungen in Abb. 5 dargestellt: zu I. Der Verdrängerkolben ist bei der isothermen Expansion im linken Teil des Glaszylinders, das meiste Gas daher im rechten, heißen Teil auf der Temperatur TH. Es nimmt Wärme auf, expandiert und treibt dabei den Arbeitskolben nach oben (dicker Pfeil). Argumentieren Sie analog die anderen Zustandsänderungen II, III und IV anhand der Abb. 5. Warum werden die Eckpunkte 1 - 4 in Abb. 3 in Wirklichkeit nie erreicht? Abb. 5 2 B08 B08 2.2. Warum kann der Motor Arbeit abgeben? Während der isothermen Expansion bei der hohen Temperatur TH nimmt das Gas Wärme auf und wandelt sie vollständig in Arbeit um. Der Druck p des Gases erzeugt dabei auf die Fläche A des Arbeitskolben eine Kraft F = p A . Bewegt sich dieser Kolben um Δs nach oben, so beträgt die dabei abgegebene Arbeit: /W/ = F Δs = p A Δs = p ΔV . Im pV-Diagramm Abb. 4 findet man diese abgegebene Arbeit anschaulich als Fläche 1256 unter der Isothermen TH wieder. Während der isothermen Kompression bei der niedrigen Temperatur TK muss weniger Arbeit zugeführt werden, die Fläche 4356 unter der Isothermen TK ist kleiner. Bei einer Umdrehung des Motors ist daher die vom Kreislauf umschlossene Fläche 1234 gerade die Arbeit WpV, die insgesamt abgegeben wird. Je größer diese Fläche ist, desto mehr Arbeit kann der Motor abgeben und desto besser ist sein Wirkungsgrad. 3. VERSUCHE Bevor Sie mit den Versuchen hier beginnen, muss zunächst das pVnT-Messgerät, mit dem alle physikalischen Größen des Motors erfaßt werden, kalibriert werden. Warten Sie auf Ihren Assistenten und setzten Sie bitte nicht schon vorher den Spirituskocher in Betrieb. 3.1. Stirlingmotor im Leerlauf Stellen Sie den Spiritusbrenner unter den Glaszylinder und beobachten Sie die Temperaturanzeige. Wenn die Temperaturdifferenz etwa 40°C beträgt, geben Sie dem Schwungrad einen Schubs im Uhrzeigersinn. Die Maschine startet. Warten Sie mit Ihren Messungen, bis die Temperaturen und die Drehzahl nahezu konstant bleiben. Notieren Sie bitte die Temperaturen und die Drehzahl n am pVnT-Messgerät. Die Druck- und Volumenänderungen nehmen Sie mit dem Messwertsystem CassyLab und einem PC auf. Eine Anleitung dazu finden Sie am Arbeitsplatz. Drucken Sie das pV-Diagramm aus und notieren Sie den Umrechnungsfaktor zwischen der gemessenen Spannung und dem Druck, damit Sie später die Fläche des Umlaufs bestimmen können. Abb. 6 3 B08 B08 Auswertung Wie groß ist die mechanische Energie WpV ( = geschlossene Fläche des pV-Diagramms), die der Motor aus Wärme bei einer Umdrehung umwandelt? Sie werden die Fläche nicht genau bestimmen können. Konstruieren Sie zunächst ein Parallelogramm wie in Abb. 6 (Parallelen zu AB), und nehmen Sie 70% der Fläche als Näherungswert. Die Volumen Vmin = 32 cm3 und Vmax = 44 cm3 sind vom Motor vorgegeben. Die Größe Δ ppV , die Sie für die Berechnung der Parallelogrammfläche außerdem noch benötigen, ermitteln Sie aus der gemessenen Druckdifferenz Δ pmax . 3.2. Stirlingmotor unter Last Bei mechanischer Belastung verringert sich natürlich die Drehzahl. Wie aber ändern sich Druck, Temperatur und das pV-Diagramm? Und bei welcher Last gibt der Motor seine größte Leistung ab? Um das zu untersuchen, bremst man den Motor kontinuierlich an seiner Achse mit einem Reibring (Abb. 7). Entfernen Sie zunächst den Spiritusbrenner. Wenn die Temperaturdifferenz etwa 50°C beträgt, halten Sie den Motor an. Befestigen Sie die Drehmomentskala auf der Grundplatte und schieben Sie den Reibring von vorn auf die Achse des Motors. Die Stärke der Reibung kann mit einer Stellschraube verändert werden. Abb. 7 Der Drehmomentmesser zeigt das eingestellte Drehmoment M in 10-3 Nm direkt an. Die abgegebene mechanische Arbeit für eine Umdrehung beträgt daher Wmech = 2 π M und die abgegebene mechanische Leistung Pmech bei der Frequenz f (in Hz) : Pmech = Wmech f (in W). 1. Fassen Sie wie in Tabelle 1 für acht verschiedene Einstellungen des Drehmomentes M die Messwerte M, n, TH, TK zusammen: M in 10-3 Nm 0 18,3 n in min-1 982 555 TH in °C 163 192 TK in °C 74,8 75,5 Wmech in mJ 0 115 f=n/60 in Hz 16,4 9,3 Pmech in mW 0 1064 ... Beispiel ... Beispiel Tabelle 1 2. Nehmen Sie für ein Drehmoment (Wert am Arbeitsplatz) das pV-Diagramm wie in 3.1 auf und drucken Sie es aus. Auswertung Vergleichen Sie Ihre beiden pV-Diagramme. Ist die mechanische Energie WpV größer / kleiner geworden? Können Sie die Änderungen verstehen und interpretieren? 1. Wo bleibt der Anteil W = WpV - Wmech ? 2. Zeichnen Sie den Graphen Pmech ( n ). 3. Bei welcher Drehzahl gibt der Motor in etwa seine größte Leistung ab? 4 B08 B08 3.3. Stirlingmotor mit Generator 1. Die Leistung des Stirlingmotors reicht aus, einen kleinen elektrischen Motor mit einem Keilriemen anzutreiben. Der Motor wirkt dann als Generator, die angeschlossene Lampe leuchtet (Schaltbild Abb. 3.3.1. am Arbeitsplatz). Probieren Sie die anderen Lampen aus. Warum ist der Erfolg so unterschiedlich? Welche Lampe leuchtet am hellsten? 2. Ersetzen Sie die Lampe durch einen Drehwiderstand und schließen Sie die beiden Messgeräte, wie in Schaltbild Abb. 3.3.2. am Arbeitsplatz angegeben, mit an. Drehen Sie den Widerstand zunächst auf seinen höchsten Wert (Motor läuft schnell). Wenn die Temperaturen und die Drehzahl konstant bleiben, notieren Sie Ihre Messwerte wie in Tabelle 2. Wiederholen Sie die Messung für neun weitere verschiedene Widerstandswerte. n in min-1 TH in °C T I in mA TK in °C T U in V Pelt in mW Tabelle 2 Auswertung Die elektrische Leistung berechnet sich aus Pelt = U I . Stellen Sie Pelt (n) graphisch dar. Bei welcher Drehzahl ist die elektrische Leistung am größten? Welche optimalen Werte für Strom und Spannung ergeben sich damit für die Lampe? 4. VERGLEICH THEORIE UND PRAXIS Es gibt eine Reihe von Gründen, warum der hier benutzte Stirlingmotor nicht dem idealen Stirlingprozess folgt. Welche Argumente fallen Ihnen hierzu ein? Er hat dennoch enorme technische Vorteile: Er besteht aus einem kompakten, abgeschlossenen System, er läuft sehr ruhig ohne Explosionen und er kann mit beliebigen Wärmequellen betrieben werden. 5. BERECHNUNG DER WIRKUNGSGRADE Die Heizleistung des Spiritusbrenners beträgt etwa PHeiz = 167 W. Mit den Beispielwerten aus der Tabelle 1 oben erhält man den: - theoretisch maximalen Wirkungsgrad (Carnot): mit = TK = 349 K und TH = 465 K ergibt sich ηtheo = (TH - TK ) / TH = (465 K – 349 K) / 465 K = 0,25 - tatsächlichen Wirkungsgrad: mit Wmech = 115 mJ und WHeiz = PHeiz / f = 167 W / 9,3 Hz = 18 J ergibt sich ηreal = Wmech / WHeiz = 115 mJ / 18 J = 0,006 - mechanischen Wirkungsgrad mit Wmech = 115 mJ und WpV = 245 mJ ergibt sich ηmech = Wmech / WpV = 115 mJ / 245 mJ = 0,47 Welche Energien pro Umlauf werden hier verglichen? Berechnen Sie bitte diese Wirkungsgrade mit Ihren eigenen Werten für das pV-Diagramm unter Last aus 3.2.2. 5