Editorial © Schattauer 2010 Vorkongress-Symposium Strahlenbiologie Wissen verbindet Nuklearmedizin und Radioonkologie J. Kotzerke1,3,4; M. Baumann2,3 1Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden; 2Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden; 3OncoRay – National Center for Radiation Research in Oncology, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden; 4PET-Zentrum, Forschungszentrum Dresden-Rossendorf Die Entdeckung von Röntgenstrahlung und Radioaktivität liegt über 100 Jahre zurück. Radioonkologie, Nuklearmedizin und diagnostische Radiologie haben sich zu eigenständigen Fächern entwickelt. Neue diagnostische und strahlentherapeutische Methoden erlauben eine individuell optimierte Therapie und berücksichtigen zunehmend biologische Charakteristika von Tumoren für eine (regionale) Dosiseskalation unter Schonung von umgebendem Normalgewebe und kombinierte Radiochemotherapien. Bildgestützte (IGRT) und intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) werden inzwischen klinisch eingesetzt. Die Visualisierung strahlenbiologischer Resistenzfaktoren und die hierauf basierende biologisch adaptierte Strahlentherapie oder die Kombination von Strahlentherapie mit molekular wirksamen Substanzen sind der nächste Schritt bei der Entwicklung der biologisch individualisierten Strahlentherapie. Die Therapie mit offenen Radionukliden wird seit über 50 Jahren mit Erfolg bei benignen und malignen Erkrankungen angewendet und stellt eine effektive Therapie mit geringer Nebenwirkungsrate dar. Tumor-affine Radiopharmaka können diagnostisch und therapeutisch eingesetzt werden. In der vergangenen Dekade haben radiopharmazeutische Neuentwicklungen das Spektrum therapierbarer Erkrankungen erweitert, wodurch Einflussfaktoren auf die Dosis-Wirkungsbeziehung auch für den Nuklearmediziner stärker in den Blickpunkt gerückt sind. Nuklearmedizinische und radioonkologische Therapieansätze unterscheiden sich hinsichtlich der zeitlichen Applikation (Dosis-Leistung, Fraktionierung, Wieder- holung), der Dosis(in)homogenität und Reichweite der Strahlung, der Therapieplanung und Möglichkeiten der Dosismessung in vitro und in vivo. Nuklearmedizin und Radioonkologie arbeiten bereits bei der bildgestützten Definition von Therapievolumina eng zusammen. Die Planung und Durchführung einer gemeinsamen Radiotherapie, die Kombination von interner und externer Radiotherapie (CIERT), stellt weitere hohe Anforderungen an das Verständnis für- und an die Kommunikation miteinander. Begriffe wie Dosis, Targeting oder Radioimmuntherapie rufen für beide Disziplinen unterschiedliche Assoziationen hervor, die gegenseitiger Erläuterung bedürfen. Zunächst ist der Dosisbeitrag beider Modalitäten zu bestimmen, in einem gemeinsamen Algorithmus darzustellen und biologisch zu verifizieren. Die Erforschung der strahlenbiologischen Wirksamkeit beider Verfahren sowie der Kombination ist dann der nächste Schritt der Entwicklung kombinierter Therapieverfahren. Grundlegende strahlenbiologische Mechanismen müssen dazu weiter aufgeklärt werden, eine Kombinationstherapie könnte zusätzliche Aspekte umfassen. Die interdisziplinäre Darstellung der Strahlenbiologie soll hierzu ein gegenseitiges vertieftes Verständnis schaffen. Dazu wird ● die Wirkung unterschiedlicher Strahlenqualitäten auf intrazelluläre Signalwege untersucht, ● die Interaktion des Tumors mit dem Mikromilieu und dem umgebenden Stroma dargestellt sowie ● die Möglichkeiten zellulärer Radiotracer-Akkumulation analysiert. Prof. Dr. Jörg Kotzerke, Dresden Prof. Dr. Michael Baumann, Dresden Nuklearmedizin 6a/2010 Downloaded from www.nuklearmedizin-online.de on 2017-06-06 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. S1 S2 Editorial Referenten des Vorkongress-Symposiums unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Jörg Kotzerke und Prof. Dr. Michael Baumann (von links nach rechts): W. Dörr, D. Zips, M. Atkinson, M. Lassmann, H. Scherthan, S. Reske, U. Haberkorn, M. Baumann, C. Friesen, M. Gotthardt, M. Hindemith, W. Müller-Klieser, J. Kotzerke, N. Cordes, O. Prante, P. Friedl Die Visualisierung radiobiologischer Phänomene bedarf einer Translation von der funktionellen Histologie und Autoradiographie zur präklinischen und klinischen Bildgebung mit stark unterschiedlicher physikalischer Auflösung. Biologische Ursachen von Radiotracer-Anreicherungen (FDG ebenso wie FMISO) müssen aufgeklärt werden, ehe diese Surrogat-Parameter in eine Bestrahlungsplanung überführt und die verschriebene Dosis-Verteilung an ihnen orientiert werden kann. Sowohl im präklinischen wie auch im klinischen Bereich muss letztendlich der Wert von Bio-Imaging-Untersuchungen für die Strahlentherapie mittels Interventionsstudien mit geeigneten Endpunkten (in der Regel permanente lokale Tumorkontrolle) prospektiv gesichert werden, bevor diese Methoden in die allgemeine klinische Anwendung übernommen werden können. Die nuklearmedizinische Dosimetrie muss neben der Pharmakokinetik differenziert die Reichweite der jeweiligen Strahlenqualität und ihre biologische Wirkung an Tumor- und Normalgewebe, bei Anwendung von Alphastrahlern oder Auger-Elektronen-Emittern bis auf zelluläre oder subzelluläre Ebene, berücksichtigen und einen gemeinsamen Algorithmus mit der externen Radiotherapie entwickeln. Nebenwirkungen unterscheiden sich wiederum in zeitlicher und regionaler Dosis-Applikation und somit ggf. auch in Möglichkeiten der Prävention. Die Radioonkologie hat in der Vergangenheit konsequenter und strukturierter die biologische Strahlenwirkung untersucht und dokumentiert, während die nuklearmedizinische Therapie aufgrund der intensiven Akkumulation von Radiotracern im Zielgebiet und der geringen Reichweite der Strahlung im Gewebe dieses Erfordernis nicht in gleicher Notwendigkeit gesehen hat. Im Rahmen gemeinsamer Radiotherapien werden jedoch gemeinsame Prozeduren und Qualitätsstandards zu entwickeln und einzuhalten sein. Dies kann nur auf der Basis enger Kooperationen unter Einbeziehung von Strahlenbiologen, die sich in „beiden Welten“ auskennen, zum Erfolg führen. Ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch durch gemeinsame Veranstaltungen, wie das hier zusammengefasste Symposium „Strahlenbiologie – Wissen verbindet Nuklearmedizin und Radioonkologie“, ist dafür eine wichtige Grundlage. J. Kotzerke, M. Baumann, Dresden Nuklearmedizin 6a/2010 © Schattauer 2010 Downloaded from www.nuklearmedizin-online.de on 2017-06-06 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.