Programmheft »¡Viva Beethoven! - Elbphilharmonie Laeiszhalle

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¡VIVA
BEETHOVEN!
FESTIVAL
19. – 23. MÄRZ 2017
ELBPHILHARMONIE
GROSSER SAAL
DIRIGENT.
DER NEUE BMW 7er MIT GESTIKSTEUERUNG.
DER ANSPRUCH VON MORGEN.
WILLKOMMEN
Anfang des 19. Jahrhunderts revolutionierte Ludwig van
Beethoven die klassische Musik. Seine Streichquartette und
Klaviersonaten, vor allem aber seine neun Sinfonien sprengten alle Formen und Korsette, wiesen den Weg in eine große
Zukunft und sind in ihrer visionären Kraft und Wirkungsmacht
unübertroffen. Die jüngste Revolution der klassischen Musik
hat allerdings nicht in Wien stattgefunden, sondern in Venezuela. »El Sistema« heißt das Projekt, das Tausenden von Kindern
Instrumente in die Hand gibt – und damit eine Zukunftsperspektive. Die Aushängeschilder dieser weltweit bewunderten Bewegung heißen Gustavo Dudamel und Orquesta Sinfónica
Simón Bolívar de Venezuela – und sie stimmen nun in der Elbphilharmonie den Schlachtruf an: ¡Viva Beethoven!
19.03. Sinfonien Nr. 1 + 2
20.03. Sinfonien Nr. 3 + 4
21.03. Sinfonien Nr. 5 + 6
22.03. Sinfonien Nr. 7 + 8
23.03. Sinfonie Nr. 9
Principal Sponsor der Elbphilharmonie
BMW Hamburg
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Abbildung zeigt Sonderausstattungen.
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Niederlassung
Hamburg
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Freude am Fahren
DIE MUSIK
BEETHOVEN, DER REVOLUTIONÄR
Gedanken über einen politischen und musikalischen Freigeist
Zu den bekanntesten Anekdoten der Musikgeschichte gehört die Erzählung von
Ludwig van Beethoven und Napoleon Bonaparte: Beethoven habe den französischen General und Ersten Konsul der Republik so sehr bewundert, dass er
plante, ihm seine Dritte Sinfonie zu widmen. Als er dann aber von Napoleons Plänen, sich zum Kaiser zu krönen, erfahren habe, sei er vor Wut über den Verrat an
den Zielen der Französischen Revolution ausgerastet, habe das Widmungsblatt
von oben nach unten durchgerissen und der Sinfonie den Titel Eroica gegeben.
Überliefert ist diese Legende von Ferdinand Ries, einem Schüler Beethovens,
der sie elf Jahre nach Beethovens Tod veröffentlicht hatte. Sie wurde alsbald
zum Symbol für einen Beethoven, der mit den Obrigkeiten seine Probleme hatte,
der revolutionären Gedanken anhing, der die Herrschenden verachtete und nach
einer Musik suchte, die dem Gedankengut der Französischen Revolution, der Idee
von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit eine Stimme geben konnte.
Befeuert wurde dieser Mythos zusätzlich von Bettina von Arnim – jener leicht
überspannten, musik- und literaturbegeisterten Salondame, die sich mit ihren
Briefromanen später, als beide bereits gestorben waren, zur Vertrauten Goethes
und zur Geliebten Beethovens stilisierte. Von ihr stammt die andere, immer wieder gern kolportierte Anekdote über einen gemeinsamen Spaziergang Goethes
und Beethovens in Teplitz, wo der Weimarer Dichter und der Wiener Komponist
sich 1812 zur Kur aufhielten und Bekanntschaft miteinander machten. Als ihnen
auf der Promenade der Kaiser mit seinem Hofstaat entgegenkam, habe Goethe
beiseitetreten wollen, Beethoven aber habe ihn angewiesen: »Bleibt nur in meinem Arm hängen, sie müssen uns Platz machen, wir nicht!« Goethe sei dennoch
ausgewichen und habe den Hut gezogen, während Beethoven mit verschränkten
Armen mitten durch die Schar der Herzöge schritt und Goethe hinterher ob seiner Unterwürfigkeit rügte: »Auf Euch hab’ ich gewartet, weil ich Euch ehre und
achte, wie Ihr es verdient, aber jenen habt Ihr zu viel Ehre angetan!«
Wahr oder nicht: Ein Brief, den Beethoven kurz nach seiner Abreise aus
Teplitz an den Verleger Gottfried Christoph Härtel schrieb, lässt die Begegnung
zumindest möglich erscheinen. Und sie fügt sich nur allzu gut in das BeethovenBild, das uns bis heute prägt: das Bild eines Revolutionärs, sowohl in politischer
als auch in musikalischer Hinsicht.
¡ V I VA B E E T H OV E N !
An diesem Image hat Beethoven selbst hingebungsvoll gefeilt. Sein Wirken
fiel dabei in eine Zeit, in dem sich das Ansehen des Komponisten vom bloßen
Tonsetzer zum Tonkünstler wandelte. Und er selbst war diesem neuartigen
Genieverständnis gewiss nicht abgeneigt. »Mein Herz und mein Sinn waren von
Kindheit an für das zarte Gefühl des Wohlwollens; selbst große Handlungen zu
verrichten, dazu war ich immer aufgelegt«, ist etwa im Heiligenstädter Testament
zu lesen. Und auch wenn er nur ein »van« und kein »von« war und sein Name auf
Niederländisch eigentlich nur »von den Rübenhöfen« bedeutet – zumindest dem
Wesen nach hielt er sich dem Adel für ebenbürtig: »Ich kenne keine andern Vorzüge des Menschen als diejenigen, die ihn zu einem besseren Menschen machen.
Wo ich diese finde, dort ist meine Heimat.« Und an Fürst Lichnowsky, mit dem
er sich 1806 verkrachte, weil Beethoven nicht für dessen Gäste – französische
Offiziere – hatte spielen wollen, schrieb er voller Wut: »Fürst! Was Sie sind, sind
Sie durch Zufall und Geburt. Was ich bin, bin ich durch mich! Fürsten hat es und
wird es noch Tausende geben; Beethoven gibt’s nur einen!«
Obwohl er sich seines genialischen Geistes sehr bewusst gewesen ist: Für
Beethoven waren alle Menschen gleich. Sein Interesse an der Französischen
Revolution scheint daher weniger von seiner Bewunderung für Napoleon geleitet
gewesen zu sein als vielmehr von der humanitären Utopie, als die sie sich in der
Erinnerung in die der Geschichte einschrieb; eine Phase, in der für eine kurze
Zeit alles möglich gewesen zu sein schien. Mit der politischen Realität hatte
das wenig zu tun – das wusste auch Beethoven. Aber in seiner Musik konnte er
von der Idee einer aus den Fesseln der Unterdrückung befreiten Menschheit
schwärmen, die sich in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit unter der Flagge
einer weltumspannenden Humanität zusammenfindet.
In seinem Leben war Beethoven dagegen hin- und hergerissen zwischen
habsburgischem Patriotismus und französischen Revolutionsideen. Aufgewachsen im Umfeld des erzbischöflichen Hofes vom Boner Kurfürsten Maximilian
Franz, dem jüngsten Bruder Kaiser Josephs II., blieb er den Habsburgern zeit
seines Lebens verbunden, komponierte in Wien patriotische Lieder, litt mit den
Wienern unter dem österreichisch-französischen Krieg und der Belagerung ihrer
Stadt im Jahr 1809. Mit seinem sinfonischen Schlachtengemälde Wellingtons
Sieg feierte er 1814 den Sieg der britischen über die französische Armee in der
Schlacht von Vitoria.
So konkret wurde er in seiner Musik sonst jedoch nur selten, direkte politische Bekenntnismusik findet sich unter seinen überwiegend instrumentalen
Werken so gut wie keine. Vielmehr verstand er seine Kompositionen als Ausdruck
seiner Persönlichkeit. Und dazu gehörte eben eine stürmische Begeisterung
für den Freiheitsgedanken ebenso wie die Liebe zur Natur, der derbe Witz und
die Vorliebe für eine streng architektonische Kompositionsweise. Mit seinen daraus folgenden, kühnen musikalischen Entwicklungen (darunter etwa die schiere Länge von Werken wie
der Dritten oder die Einbindung eines Chores in der Neunten
Sinfonie) gilt Beethoven traditionell als Vollender der Klassik.
Gleichzeitig überwand er sie, eröffnete neue Ausdrucksbereiche und ebnete so den Übergang zur Romantik – man denke
nur an die berühmte Mondscheinsonate. Seine Werke haben
in der Musikgeschichte größere Wirkung ausgeübt als jede
andere Musik, und jeder bedeutende Komponist des 19. Jahrhunderts musste sich an ihm messen lassen. Berühmt wurde
etwa Johannes Brahms’ verzweifelter Ausruf: »Du hast keinen
Begriff davon, wie es unser einem zumute ist, wenn er immer
so einen Riesen hinter sich marschieren hört.«
Die Unabhängigkeit des Geistes zeigte sich auch in den äußeren Umständen, unter denen Beethoven seiner Arbeit nachging.
Jahrhundertelang waren Komponisten von adeligen oder kirchlichen Geldgebern abhängig gewesen; Haydn etwa war 30 Jahre
lang bei der Fürstenfamilie Esterházy angestellt. Mozart scheiterte
bei dem Versuch, nach dem Vorbild Händels dauerhaft als freier
Komponist und Opernunternehmer zu überleben. Erst Beethoven
gelang es, dank der Kaufkraft des erstarkenden Bürgertums und
eines bedingungslosen Stipendiums, das ihm befreundete Adelige
zahlten, als unabhängiger Künstler zu reüssieren.
Wieviel von der geistigen Freiheit des Menschen in seinen
Tönen steckt, drückte Beethoven einmal so aus: »Wem meine
Musik sich verständlich macht, der wird frei von all dem Elend,
womit sich die anderen schleppen.« Eine seiner Lieblingsfiguren aus der griechischen Mythologie war der Halbgott Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte und sie so zu
mündigen Geschöpfen machte – und den Beethoven mit einem
Ballett würdigte, dessen Musik er im vierten Satz der Dritten
Sinfonie erneut aufgriff. Er gab damit jenem Freiheitsgedanken
eine Stimme, der 1789 mit der Französischen Revolution in die
Welt gekommen war und unabhängig von den gegenläufigen
politischen Entwicklungen in seiner Musik weiterwirkte. All dies
macht den Revolutionär Beethoven zum wahren Komponisten
der Aufklärung – und diesen Impetus hört man in seiner Musik
bis heute.
SILKE LEOPOLD
EL SISTEMA
DIE REVOLUTION DER
KLASSISCHEN MUSIK
Das venezolanische Musikprogramm »El Sistema«
José Antonio Abreu
Die Fotoausstellung
13.–25. März | Mo–Sa | 11–19 Uhr |
Hamburger Zentralbibliothek am
Hauptbahnhof | Eintritt frei
Das Buch
Stefan Piendl / Michael Kaufmann:
»Das Wunder von Caracas«
(Irisiana Verlag)
Der Film
»El Sistema. Music to change life«
»In Venezuela habe ich die Zukunft der klassischen Musik gesehen« – große Worte, und sie stammen von niemand Geringerem
als Sir Simon Rattle, dem Chef der Berliner Philharmoniker. Die
Rede ist von dem weltweit beispiellosen Musikvermittlungs- und
Sozialprojekt Fundación del Estado para el Sistema de Orquesta
Juvenil e Infantil de Venezuela, kurz El Sistema. Ins Leben gerufen
wurde »Das System« vom venezolanischen Dirigenten und Visionär José Antonio Abreu. Das war 1975, zu einer Zeit, als in Venezuela gerade einmal zwei Sinfonieorchester existierten, überwiegend besetzt mit Instrumentalisten aus Europa und Nordamerika.
Klassische Musik war der reichen Elite vorbehalten.
Diese Strukturen wollte Abreu aufbrechen. Seine Vision
war es, die musikalische Ausbildung zu einem Grundrecht zu
machen und Kindern auf diese Weise eine Perspektive zu geben.
Er gründete das nach dem südamerikanischen Freiheitskämpfer Simón Bolívar benannte Jugendorchester und überzeugte
die Regierung, sein Projekt zu unterstützen – so entstand das
System der Kinder- und Jugendorchester. Die Nachfrage ist so
groß, dass die staatlich zur Verfügung gestellten Instrumente
manchmal knapp werden und die Kleinsten auf selbstgebauten
Instrumenten aus Pappe ihre ersten Griffe üben müssen. Der
Motivation schadet das nicht. Im Gegenteil: Fast täglich erhalten die Kinder kostenlosen Musikunterricht, und – das ist das
Besondere – vom ersten Tag an spielen sie in einem Orchester
ihrer Altersklasse.
Bis zum heutigen Zeitpunkt haben El Sistema sage und
schreibe 826.619 Kinder durchlaufen, die von 8.290 Lehrern
in 440 »núcleo« genannten Zentren unterrichtet werden und
in insgesamt 1.681 Orchestern spielen. Große Dirigenten wie
Claudio Abbado, Zubin Mehta oder eben Sir Simon Rattle dirigierten sie; einige der jungen Musiker machten sogar weltweit
Karriere. So wurde etwa der Kontrabassist Edicson Ruiz mit
17 Jahren das jüngste je aufgenommene Mitglied der Berliner
Philharmoniker. Die prominenteste Figur ist zweifellos Pultstar
Gustavo Dudamel, der 1999 im Alter von 18 Jahren Chefdirigent
des Simón-Bolívar-Jugendorchesters wurde – bis heute das Flaggschiff von El
Sistema und nun für eine Woche zu Gast in der Elbphilharmonie. Und auch wenn
Orchester und Dirigent inzwischen erwachsen geworden sind und das »Jugend«
aus dem Titel des Ensembles gestrichen haben: Die jugendliche Spielfreude hat
man sich bewahrt.
Doch bei allen musikalischen und künstlerischen Erfolgen: In einem Land,
in dem 80 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht sind, stellt El Sistema
nach wie vor in erster Linie ein soziales Projekt dar. »Ausgrenzung ist die Wurzel
allen Übels in der Gesellschaft«, diagnostizierte Abreu einmal. Und genau hier
kann ein Sinfonieorchester, dessen Aufbau mit der einer Gesellschaft in vielerlei
Hinsicht vergleichbar ist, ansetzen. Hier hat jeder seine Rolle und trägt eine
Verantwortung für das Gesamtergebnis. Der ideale Ort also, um Kompetenzen
wie Teamfähigkeit, Disziplin, Geduld und Toleranz zu lernen. Durch El Sistema
kommen die Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft
oder Hautfarbe zusammen, um sich gemeinsam für eine Sache zu engagieren.
Abreu ist dieser Fokus wichtig: »Das Projekt arbeitet zwar mit Mitteln der Musik,
ist aber zuvorderst ein soziales, zur Förderung menschlicher Qualitäten.« Auch
Gustavo Dudamel ist sich sicher: »Wenn jedes Kind einen Zugang zu Kultur hat,
wird die Welt ein sensiblerer und besserer Ort sein.« Für sein großes Engagement wurde José Antonio Abreu vielfach ausgezeichnet, unter anderem von der
Unesco und Unicef, mit dem Polar Music Prize, dem TED Prize, dem Yehudi
Menuhin Award und dem Frankfurter Musikpreis.
El Sistema sorgte für so viel Aufsehen, dass inzwischen zahlreiche Ableger
entstanden sind: in den USA, in Kanada, aber auch hierzulande. So stand es
Pate für Projekte wie »Jedem Kind ein Instrument«. Die Zukunft der klassischen
Musik hat begonnen – weltweit.
SIMON CHLOSTA
DIE KÜNSTLER
DIRIGENT
GUSTAVO DUDAMEL
Vom tiefen Glauben an die Macht der Musik angespornt, reichen Gustavo Dudamels musikalische Betätigungsfelder von den größten Konzertbühnen bis hin zu
Klassenräumen, Kinos und innovativen digitalen Plattformen. Als international
renommierter Konzert- und Operndirigent arbeitet er mit zahlreichen der bedeutendsten Musikinstitutionen der Welt zusammen: So tourt er in diesem Jahr mit
den Berliner Philharmonikern durch Europa und war zudem der jüngste Dirigent,
der jemals das berühmte Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker geleitet
hat, das jährlich von über 50 Millionen Menschen in 90 Ländern verfolgt wird.
Geboren 1981 in Barquisimeto, Venezuela, studierte Gustavo Dudamel Violine
am Jacinto Lara Conservatory und später an der Academia Latinoamericana de
Violín. 1996 begann er sein Dirigierstudium und noch im gleichen Jahr wurde er
zum Musikdirektor des Amadeus Chamber Orchestra ernannt. 1999 übernahm er
die Leitung des Orquesta Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela, bei dessem Gründer José Antonio Abreu er auch seine Dirigierstudien fortsetzte. 2004 erlangte er
internationale Aufmerksamkeit durch seinen Erfolg beim Gustav-Mahler-Dirigierwettbewerb der Bamberger Symphoniker. Von 2007 bis 2012 war er Chefdirigent
der Göteborger Sinfoniker, bei denen er noch immer Ehrendirigent ist.
Derzeit ist Gustavo Dudamel zudem Chefdirigent des Los Angeles Philharmonic, wo er seinen Vertrag jüngst bis zur Spielzeit 2021/2022 verlängert hat. Unter
seiner Leitung konnte das Orchester seinen Wirkungskreis weiter ausbauen,
besonders mit dem Youth Orchestra Los Angeles (YOLA), das stark von dem
erfolgreichen venezolanischen Musikprojekt El Sistema beeinflusst wurde. Mit
dem YOLA und weiteren Musikvermittlungsprojekten möchte er die Musik für
Kinder und Jugendliche aller Bevölkerungsgruppen zugänglich machen.
Gustavo Dudamel gehört zu den am meisten ausgezeichneten Dirigenten seiner Generation. Im vergangenen Jahr erhielt er den Cultural Achievement Award
der America Society, 2014 den Leonard Bernstein Lifetime Achievement Award.
Im Jahr 2013 wurde er vom Magazin Musical America zum Musiker des Jahres
gewählt, im selben Jahr wurde er in die Gramophone Hall of Fame aufgenommen. 2009 setzte ihn das Time Magazin auf die Liste der 100 einflussreichsten
Persönlichkeiten, ein Jahr zuvor erhielten er und das Orquesta Sinfónica Simón
Bolívar de Venezuela den spanischen Prince of Asturias Award for the Arts. 2008
wurde Dudamel außerdem von der Harvard University mit dem Q Prize für sein
außergewöhnliches Engagement in der Arbeit mit Kindern ausgezeichnet.
Um einen universellen Zugang zur Musik zu ermöglichen, beteiligt sich der
Dirigent mit Leidenschaft an Aufnahmen und musikalischen Sendungen. Zu
den Höhepunkten zählt unter anderem die Einspielung von John Adams’ Gospel
According to the Other Mary mit dem Los Angeles Philharmonic sowie die Übertragung von Gustav Mahlers Sinfonie der Tausend mit tatsächlich mehr als 1000
Choristen und Kindern aus Venezuela in zahlreiche Kinos der USA und Kanada.
DIE KÜNSTLER
ORQUESTA SINFÓNICA SIMÓN BOLÍVAR DE VENEZUELA
Das Orquesta Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela, gegründet 1975 von José
Antonio Abreu, ist das größte Orchester und Flagschiff des »National System of
Youth and Children’s Orchestras and Choirs of Venezuela«. Seine 170 Mitglieder,
die zu »UNESCO Artists for Peace« ernannt wurden, erhielten einen Großteil ihrer
Ausbildung im Orchesterprogramm von »El Sistema« sowie in Meisterkursen bei
international renommierten Künstlern wie Sir Simon Rattle, Claudio Abbado,
Daniel Barenboim, Krzysztof Penderecki, Esa-Pekka Salonen und Lorin Maazel.
Seit dem Jahr 2000 hat das Orchester of Venezuela zahlreiche erfolgreiche
Tourneen durch die ganze Welt unternommen. Es gastierte bei Festivals wie den
BBC Proms in London, dem Edinburgh International Festival, dem SchleswigHolstein Musik Festival, dem Lucerne Festival, den Salzburger Festspielen und
dem Istanbul Music Festival. Ebenso spielte das Orquesta Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela in international bedeutenden Häusern wie der Royal Festival
Hall in London, dem Wiener Konzerthaus, dem Teatro alla Scala in Mailand, der
Philharmonie in Paris, der Accademia Nazionale di Santa Cecilia und weiteren
Konzerthäusern in Köln, Oslo, Moskau, Warschau, Athen, Barcelona, Zürich,
Beijing, Seoul, Tokyo, Chicago, Philadelphia, Washington, San Francisco, Los
Angeles und Montreal.
2013 nahm das Orchester den von Gustavo Dudamel komponierten Soundtrack für den Film Libertador von Alberto Arvelo auf. Kurz darauf unternahm das
Orchester eine in Santo Domingo und dann über Buenos Aires, São Paulo und
Brasilia nach Bogota führende Südamerika-Tournee. Im selben Jahr durfte es als
erstes ausländisches Orchester die traditionelle Aufführung von Mozarts c-MollMesse bei den Salzburger Festspielen aufführen. Im Januar 2014 gastierten die
Musiker in Paris und gaben – als Debüt im Mittleren Osten – Konzerte in Oman
und Abu Dhabi. Im Anschluss reiste das Orchester nach Kalifornien, wo es eine
Residenz hatte und gemeinsam mit dem Los Angeles Philharmonic Konzerte
beim LA Phil Tchaikovsky Festival gab.
2015 war das Orquesta Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela in London,
Brüssel, Frankfurt, Barcelona, Valencia, Madrid und Paris zu hören. Im August
2015 spielte das Orchester acht Aufführungen von La Bohème am Teatro all Scala
in Mailand, wo es außerdem auch Antonio Estevez’ Cantata Criolla und Beethovens Neunte Sinfonie aufführte. Im Rahmen einer Residenz in Los Angeles
spielte das Orchester anschließend sämtliche Sinfonien von Beethoven.
Zu den Aufnahmen des Orchesters und Gustavo Dudamel zählen Beethovens
Sinfonien Nr. 5 und 7, das erfolgreiche Album Fiesta mit Werken lateinamerikanischer Komponisten, eine Tschaikowsky-CD mit der Fünften Sinfonie und
Francesca da Rimini sowie Auszüge aus Wagners Ring des Nibelungen.
BESETZUNG
Violine I
Alejandro Carreño
Boris Suárez
Carlos Vegas
Jesús Pinto
Eduardo Salazar
Douglas Isasis
Anna Virginia González
Ebert Ceballo
Emirzeth Henríquez
Felipe Rodríguez
Héctor Robles
Janeth Sapienza
Jorge Velásquez
Luis Adolfo González
Luis Barazarte
Luis Navarro
Nicole Rodríguez
Oriana Suárez
Verónica Balda
Violine II
Moises Medina
Alirio Vegas
William González
Gregory Mata
Adriana Von Buren
Alessandro Lugo
Anderson Briceño
Carlos Luís Perdomo
Daniel Herrera
Daniel Sánchez
Enrique Carrillo
Gleirys Gómez
Imanuel Sandoval
Israel Méndez
José Guedez
Juan Pérez
Oswaldo Martínez
Patricio Meriño
Ronnie Morales
William López
Jairo González
Viola
Ismel Campos
Luís Aguilar
Carlos Corales
David Peralta
Fabiana Alvarez
Greymar Mendoza
Luis Fernández
Luz Cadenas
Mary Francis Alvarado
Miguel Jeréz
Pedro González
Samuel Jiménez
Pedro Rondón
Richard Urbano
Violoncello
Edgar Calderón
Aimon Mata
Carlos Ereú
Abner Padrino
César Giuliani
Frank Valderrey
Jhonn Rujano
Juan Méndez
Leandro Bandrés
Mónica Frías
Ricardo Corniel
Yackson Sánchez
Kontrabass
Claudio Hernández
Jorge Ali Moreno
Freddy Adrian
Luis Peralta
Carlos Rodríguez
Nathaly Algindi
Manuel Ruíz
Miguel Jiménez
Carlos Sánchez*
Flöte
Alexis Angulo
Aron García
Diego Hernández
Engels Gómez
Fernando Martínez
Yaritzy Cabrera
Emily Ojeda
Oboe
Elly Saúl Guerrero
Hairin Colina
Luis González
Néstor Pardo
Daniel Vielma
Klarinette
David Medina
Ranieri Chacón
Víctor Mendoza
Henry Pérez
Fagott
Gonzalo Hidalgo
Daniel García
Edgar Monrroy
Aura Moreno
Werner Díaz
Aquiles Delgado (Kontrafagott)
Horn
Daniel Graterol
Danny Gutiérrez
Edgar Aragón
José Giménez
Reinaldo Albornoz
José León
Nelson Yovera
Javier Mijares
Trompete
Tomás Medina
Gaudy Sánchez
Andrés Ascanio
Arsenio Moreno
Jonathan Rivas
Leafar Riobueno
Luis Alfredo Sánchez
Miguel Tagliafico
Oscar López
Román Granda
Víctor Caldera
Werlink Casanova
Wilfrido Galarraga
Posaune
Pedro Carrero
Alejandro Díaz
Edgar García
Jackson Murillo
Leudy Inestroza
Lewis Escolante
Schlagwerk
Félix Mendoza
Ramón Granda
Acuarius Zambrano
Juan Carlos Silva
Simón González
Víctor Villarroel
* als Gast
Sonntag, 19. März 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal
19 Uhr | Einführung mit Lars Entrich im Großen Saal
ORQUESTA SINFÓNICA SIMÓN BOLÍVAR
DE VENEZUELA
DIRIGENT GUSTAVO DUDAMEL
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Ouvertüre zu »Egmont« op. 84 (1809–1810)
ca. 10 Min.
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21 (1799–1800)
Adagio molto – Allegro con brio
Andante cantabile con moto
Menuetto: Allegro molto e vivace
Adagio – Allegro molto e vivace
ca. 30 Min.
Pause
Ludwig van Beethoven
Ouvertüre c-Moll zu »Coriolan« op. 62 (1807)
Allegro con brio
ca. 10 Min.
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36 (1801–1802)
Adagio molto – Allegro con brio
Larghetto
Scherzo. Allegro
Allegro molto
ca. 35 Min.
Gefördert durch die Stiftung Elbphilharmonie
S I N FO N I E N R . 1 + 2
DIE MUSIK
EIN NEUES KAPITEL
IN DER MUSIKGESCHICHTE
Ouvertüre zu »Egmont« op. 84
Beethovens Geburtshaus in Bonn
Im Sommer 1812 wurde der böhmische Kurort Teplitz, gelegen
auf halber Strecke zwischen Prag und Dresden, zum Schauplatz eines denkwürdigen Gigantentreffens: Johann Wolfgang
von Goethe und Ludwig van Beethoven, zwei lebende Legenden, lernten sich endlich persönlich kennen. Mehrfach spielte
Beethoven dem Dichter am Klavier vor, der ob seines Talents
»in Erstaunen gesetzt war«, aber auch die »ungebändigte Persönlichkeit« des Komponisten bemerkte.
Bereits zwei Jahre zuvor war es Beethoven eine Ehre gewesen, für Goethes Trauerspiel Egmont eine Ouvertüre sowie neun
weitere Musiknummern zu komponieren – ohne Honorar, »bloß
aus Liebe zum Dichter«, wie er festhielt. Goethe hatte den Einsatz von Musik als Teil der Handlung selbst eingeplant, sich
um die praktische Umsetzung aber nie gekümmert. Beethoven
seinerseits nahm das Projekt sehr ernst – so ernst, dass er
nicht bis zur Premiere fertig wurde und die Musik erst ab der
vierten Aufführung des Theaterstücks erklang. Neben seiner
Bewunderung für Goethe lag das vermutlich am Thema: Egmont
ist ein niederländischer Fürst, der sich Mitte des 16. Jahrhunderts gegen die spanische Besatzung auflehnt und dabei den
Tod findet – für Beethoven eine Blaupause für den europäischen
Widerstandskampf gegen Napoleon. Entsprechend düster
beginnt die Ouvertüre, endet jedoch im (erhofften) Siegestaumel.
Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21
Ludwig van Beethoven, 1803
Das muss man sich erst einmal trauen – so anzufangen! Mit
einem Dominantseptakkord, einem dissonanten, spannungsgeladenen Akkord also, der weitergeführt, aufgelöst sein will,
beginnt Ludwig van Beethoven seine Erste Sinfonie. Selten ist in
der Musikgeschichte so unüberhörbar ein neues Kapitel aufgeschlagen worden wie an diesem 2. April 1800, als Beethoven das
Werk in seinem ersten privat finanzierten Akademie-Konzert im
Kaiserlich-Königlichen Burgtheater in Wien vorstellte.
Zuvor hatte der 29-jährige Beethoven, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit
acht Jahren in Wien lebte, vor allem als Pianist auf sich aufmerksam gemacht.
Seine Virtuosität und Improvisationskunst wurden allgemein bewundert,
und es ist nicht erstaunlich, dass er sich als Komponist zunächst auf Genres
beschränkte, die ihm aus der Praxis vertraut waren: Klaviersonaten und Kammermusik für Streicher (in der heimischen Bonner Hofkapelle hatte er Bratsche
gespielt). Durch die Komposition seiner ersten beiden Klavierkonzerte im zweckmäßigen Einsatz der Orchesterinstrumente geschult, wagte er sich schließlich
an seine allererste Sinfonie.
Stilistisch wird dieses Werk meist in den Kontext von Haydn und Mozart
gerückt. Sicher nicht zu Unrecht: Im Gegensatz zu Beethovens späteren Sinfonien
ist die Dimension der Ersten moderat, die Orchesterbesetzung entspricht der
seiner Wiener Vorgänger. Verglichen mit Mozarts melodischem Erfindungsreichtum wirken Beethovens Motive, die überwiegend aus Tonleitern oder Dreiklangsbrechungen bestehen, aber geradezu banal. Dennoch demonstriert Beethoven
hier bereits seinen sehr individuellen Umgang mit musikalischen Elementen
wie Motivik und Form und gibt damit eine Vorahnung auf jene Charakterzüge,
die – voll ausgeprägt – seine Musik so unverwechselbar auszeichnen.
Dem ersten Satz stellt Beethoven entsprechend der damaligen Konvention eine langsame Einleitung voran, die mit dem eingangs erwähnten Akkord
beginnt. Diese Eröffnung führt den Hörer aber weniger ins Stück ein als vielmehr
aufs Glatteis: Durch Trugschlüsse, Vorhalte und chromatische Verschiebungen
verschleiert Beethoven zunächst die eigentliche Grundtonart der Sinfonie. Nur
zögernd tastet sich die Musik voran. Umso energischer wirkt das Hauptthema,
das mit einer federnden Punktierung vorwärtsdrängt. Ihm gegenüber steht ein
ruhiges Seitenthema, das auf ähnlichen musikalischen Bausteinen basiert – eine
motivische Verzahnung, wie sie für Beethoven typisch ist.
Ein delikates Solo der Zweiten Geigen eröffnet den zweiten Satz, der – unerwartet an dieser Stelle der Sinfonie – an ein höfisches Menuett erinnert. Auch
in der Instrumentation beweist Beethoven Originalität, indem er Pauken und
Trompeten im Pianissimo als dezente Begleitung einsetzt. Der dritte Satz ist
dann zwar mit »Menuett« überschrieben, stellt in seinem schnellen ganztaktigen
Pulsieren jedoch unzweifelhaft ein Scherzo dar.
Für den vierten Satz hält Beethoven eine ähnliche Pointe bereit wie für den
Beginn der Sinfonie. Wieder spannt er den Hörer mit einer langsamen Einleitung
auf die Folter. In mehreren zaghaften Anläufen erklimmen die Violinen Ton für Ton
eine Tonleiter, die sich als Auftakt zu einem gut gelaunten Finalthema entpuppt.
So zeichnen sich unter der vermeintlich konventionellen Oberfläche bereits jene
Entwicklungen ab, die die Gattung der Sinfonie revolutionieren und Ludwig van
Beethoven seine einzigartige Stellung in der Musikgeschichte sichern sollten.
CLEMENS MATUSCHEK
S I N FO N I E N R . 1 + 2
GEGEN DAS SCHICKSAL REBELLIERT
Ouvertüre c-Moll zu »Coriolan« op. 62
Der römische Patrizier Coriolan ist wegen seiner Volksfeindlichkeit verbannt
worden. Nun verbündet er sich mit den Feinden Roms und belagert die Stadt.
Alle Vermittlungsversuche scheitern; erst die Mutter Coriolans schafft es, an
ihren Sohn zu appellieren und ihn zum Frieden zu bewegen. Rom entgeht der
Erstürmung, Coriolan aber begibt sich in den Tod. – Heinrich Joseph von Collins
Drama Coriolan von 1804 zeigt einen zwiespältigen Helden, hin- und hergerissen
zwischen äußerer Standhaftigkeit und innerer Verunsicherung. Genug Stoff also,
um daraus ein paar mitreißende Minuten Musik zu komponieren. Das dachte sich
auch Beethoven, der in seiner gleichnamigen Schauspielouvertüre an Dramatik
nichts ausließ: Gleich die drei mächtigen, lang gezogenen Orchesterschläge zu
Beginn, auf die ein stetig nach vorn drängendes Thema folgt, geben die Richtung
vor. Immer weitere Gefühlsausbrüche heizen die Stimmung an, bis das Geschehen irgendwann abrupt abbricht, sich immer weiter verlangsamt und schließlich
ganz auflöst – in einem für Beethoven gänzlich ungewöhnlichen PianissimoSchluss.
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36
In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts wurde es für Beethoven erstmals ernst
– sehr ernst. Zwar hatte er seine kurze Wunderkind-Phase einigermaßen unbeschadet überstanden und sich erfolgreich von seinem trunk- und ruhmsüchtigen
Vater emanzipiert. Doch ab 1800 machten sich erste Anzeichen einer Krankheit
bemerkbar, die für einen Komponisten normalerweise (mindestens künstlerisch)
einem Todesurteil gleichkommt: der Schwerhörigkeit beziehungsweise Taubheit.
Tatsächlich spielte er in dem berühmt gewordenen Heiligenstädter Testament
– einem Brief, den Beethoven an seinen Bruder Kaspar Karl schrieb, aber nie
abschickte – sogar mit Selbstmordgedanken: »So nehme ich den Abschied von
Dir, und zwar traurig. Geliebte Hoffnung, die ich mit hierher nahm, wenigstens
bis zu einem gewissen Punkte geheilt zu sein, sie muss mich nun gänzlich verlassen, wie die Blätter des Herbstes gewelkt sind, so ist auch sie für mich dürr
geworden. Fast wie ich hierher kam, gehe ich fort; selbst der hohe Mut, der mich
oft in den schönen Sommertagen beseelte, ist verschwunden. Wann, o Gottheit,
kann ich im Tempel der Natur und der Menschen ihn wieder fühlen? Nie? Nein,
es wäre zu hart.« Auch das Verhalten seinen Mitmenschen gegenüber versuchte
der Komponist hier zu erklären: »O ihr Menschen, die ihr mich für feindselig,
störrisch oder misanthropisch haltet, wie unrecht tut ihr mir!«
Liest man diese Worte, scheint es umso bemerkenswerter,
dass seine erst kurz zuvor entstandene Zweite Sinfonie rein gar
nichts von Beethovens Verzweiflung vermuten lässt. Im Gegenteil: Mit ihrem durchweg positiven, geradezu überschäumenden
Gestus ist sie ein heiteres und geradezu braves Werk geworden.
Ob die Sinfonie als eine Art Anti-Reaktion auf die Krankheit zu
verstehen ist, kann man jedoch nicht mit Gewissheit sagen,
die ersten Skizzen zu ihr reichen nämlich noch ein paar Jahre
zurück. Doch immerhin schrieb Beethoven während der Arbeit
an dem Werk an seinen Freund Franz Gerhard Wegeler: »Ich will
dem Schicksal in den Rachen greifen. Ganz niederbeugen soll
es mich gewiss nicht!«
Und so ist aus der Zweiten Sinfonie trotz – oder dank – ihres
positiven und leichten Charakters ein »kolossales Werk, von
einer Tiefe, Kraft und Kunstgelehrsamkeit wie sehr wenige«
geworden, wie es ein zeitgenössischer Rezensent beschrieb.
Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin ist sie durchweg raffinierter
und ungleich detailfreudiger, wenn auch melodisch und charakteristisch durchaus ähnlich. Beethoven liebäugelt hier nun
erstmals mit größeren Formen, allein der langsame zweite Satz
weist eine für damalige Verhältnisse außergewöhnliche Länge
auf; ebenso die breit angelegte Einleitung, die bereits viele motivische Bausteine der folgenden Musik enthält.
An dritter Stelle führt Beethoven zudem erstmals ein
Scherzo anstelle des eher bedächtigen Menuetts ein, das bisher
in Sinfonien vorherrschte. Wer zu dieser Musik zu tanzen versucht, kommt schon nach wenigen Sekunden aus dem Takt, und
Rhythmusverschiebungen und »falsche« Betonungen bringen
die Beine endgültig zum Stolpern.
Schwungvoll geht es auch im Finale weiter, das mit flinken
Trillern und großen Sprüngen Beethovens ganz eigenen Witz
offenbart und von einer ungeheuren Dynamik geprägt ist. Ein
verwunderter Rezensent befand diesen Satz denn auch als
»allzu bizarr, wild und grell«. Doch schon ein anderer war sich
sicher, dass »man dem Werke das Horoskop stellen kann, es
werde bleiben und mit immer neuem Vergnügen gehört werden,
wenn tausend eben jetzt gefeierte Modesachen längst zu Grabe
getragen sind«. Recht hatte er.
SIMON CHLOSTA
Die erste Seite des Heiligenstädter
Testaments, das sich heute in der
Staats- und Universitätsbibliothek
Hamburg befindet
Montag, 20. März 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal
19 Uhr | Einführung mit Clemens Matuschek im Großen Saal
Wir gratulieren der
Stadt Hamburg,
ihren Bürgern und
allen Beteiligten
zur gelungenen großartigen
Komposition der
Elbphilharmonie,
dem Konzerthaus von
weltweiter Bedeutung.
ORQUESTA SINFÓNICA SIMÓN BOLÍVAR
DE VENEZUELA
DIRIGENT GUSTAVO DUDAMEL
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 »Eroica« (1803)
Allegro con brio
Marcia funebre. Adagio assai
Scherzo. Allegro vivace
Finale. Allegro molto
ca. 50 Min.
Pause
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60 (1806)
Adagio: Allegro vivace
Adagio cantabile
Allegro vivace
Allegro ma non troppo
ca. 35 Min.
Gefördert durch die Stiftung Elbphilharmonie
Alles, was zählt.
Auch in der Elbphilharmonie.
Unser Beitrag zur Energieeinsparung über 10 Millionen Messgeräte in
der Betreuung.
Minol Messtechnik W. Lehmann GmbH & Co. KG | 70771 L.-Echterdingen | minol.de
Niederlassung Hamburg | Spaldingstraße 64 | 20097 Hamburg | Tel.: +49 40 25 40 33-0 | [email protected]
S I N FO N I E N N R . 3 + 4
MUSIKALISCHES DENKMAL
Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 »Eroica«
Beethovens Dritte Sinfonie, die Eroica, nimmt in der Musikgeschichte einen ganz
besonderen Platz ein. Nicht wenige Fachleute halten sie für die wichtigste Sinfonie, die jemals geschrieben wurde. Tatsächlich sprengt allein ihr Umfang alle
bis dato bekannten Maßstäbe. Und nur bei wenigen Werken greifen historische
Bedeutung und mythische Überhöhung so unmittelbar ineinander wie hier.
Da wäre die legendäre Widmung: Beethoven, glühender Bewunderer der
Französischen Revolution, hatte die Sinfonie ursprünglich zu Ehren von Napoleon
Bonaparte komponiert und dies auch auf dem Titelblatt vermerkt. Doch als sich
Napoleon am 2. Dezember 1804 selbst zum Kaiser krönte, schlug Beethovens
Verehrung in Verachtung um. »So ist er auch nichts anderes als ein gewöhnlicher
Mensch! Nun wird er alle Menschenrechte mit Füßen treten und nur seinem
Ehrgeiz frönen; er wird sich höher als alle anderen stellen, ein Tyrann werden!«
Mit diesen Worten, so berichtet Beethovens Schüler und Sekretär Ferdinand Ries,
habe Beethoven wütend das Titelblatt der Sinfonie zerrissen.
Nun ja, die Schnipsel sind nie gefunden worden. Offensichtlich hat Ries ein
bisschen zu dick aufgetragen, um am Mythos seines Idols zu stricken (dessen
Abglanz auch auf ihn fallen möge) und gleichzeig einen recht profanen Sachverhalt zu überspielen: Beethoven hatte mit dem Gedanken gespielt, Hofkomponist
in Paris zu werden und sich mit einer neuen Sinfonie entsprechend einzuführen.
Als sich diese Aussicht zerschlug und ihm gleichzeitig mehrere Wiener Mäzene
eine Pension garantierten, machte die Widmung an Napoleon keinen Sinn mehr
– und Beethoven änderte flugs die Titelseite, um vom neuen Widmungsträger,
dem Grafen Lobkowitz, nochmals eine Stange Geld zu kassieren.
Auf der sehr wohl existierenden, intakten (!) Titelseite der »Heroischen Sinfonie« ist die Widmung »intitolata Bonaparte« lediglich ausgekratzt – allerdings so
heftig, dass das Papier durchgescheuert wurde. An ihre Stelle setzte Beethoven
den Vermerk: »Komponiert, um das Andenken eines großen Mannes zu feiern.«
Bis heute bleibt rätselhaft, wen Beethoven damit gemeint haben könnte. Den
neuen Widmungsträger, Beethovens treuesten Mäzen? Oder den preußischen
Prinzen Louis Ferdinand, der den Befreiungskampf gegen die Franzosen organisierte und kurz zuvor im Gefecht gefallen war? Oder doch den griechischen
Halbgott Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte – die mythische
Personifizierung all jener Ideale der Aufklärung, für die Napoleon Bonaparte nun
nicht mehr stehen konnte? Musikalisch immerhin ist das plausibel: Das Thema
des letzten Satzes stammt aus einem Prometheus-Ballett, das Beethoven kurz
zuvor fertiggestellt hatte.
Andererseits ist die Sinfonie ein Musterbeispiel für die meisterhafte Handhabung abstrakter kompositorischer Prinzipien.
Zum Beispiel fußt der erste Satz (genau wie der der Fünften
Sinfonie) auf einem einzigen, denkbar simplen musikalischen
Motiv. Und genau wie in der Fünften stellt Beethoven das Material, mit dem er den Satz zu gestalten gedenkt, zu Beginn einmal isoliert vor. Es handelt sich um einen schlichten Dreiklang,
die Basis europäischer Kunstmusik – hier in Form von zwei
Akkordschlägen, die »wie ein Peitschenknall den eleganten
Formalismus des 18. Jahrhunderts zerschmettern« (Leonard
Bernstein). Folgerichtig besteht auch das anschließend von den
Celli vorgestellte Thema nur aus einem gebrochenen Dreiklang.
Ungeklärt bleibt nur, warum das Horn nach dem Mittelteil zu
früh mit dem Thema in das erwartungsvolle Streichertremolo
hineinplatzt – ein musikalischer Scherz?
Im zweiten Satz, überschrieben mit »Marcia funebre«, verwendet Beethoven zahlreiche Motive aus Trauermärschen der
Französischen Republik – ein Hinweis auf die ursprüngliche
Widmung. Es lassen sich aber auch persönliche Anknüpfungspunkte finden, immerhin verzweifelte Beethoven in dieser Zeit
an seiner fortschreitenden Taubheit. Der dritte Satz etabliert
eine Errungenschaft aus der vorheriger Sinfonie: Statt eines
gestelzten höfischen Menuetts saust ein quicklebendiges
Scherzo vorbei. Erinnerungen an adlige Jagdgesellschaften
wecken dagegen die übermütigen Hörner im eingeschobenen
Trio-Teil.
Mit einem grandiosen Effekt leitet Beethoven dann das
Finale ein: Dem großen Aufgalopp folgt eine Musik, die sich dank
der Pizzicati wie auf Zehenspitzen bewegt. Tatsächlich handelt
es sich um die erste einer Folge von Variationen – nur dass
Beethoven so frech ist, das eigentliche Thema erst in der dritten Variation vorzustellen: die erwähnte Ohrwurm-Melodie aus
dem Prometheus-Ballett. Fast zehn Minuten beziehungsweise
400 Takte lang beschäftigt sich Beethoven in einer einzigartigen Kombination aus fantasievoller Variation und kunstfertiger
Fugentechnik mit diesem Thema, bevor er die Sinfonie mit einer
großen Coda beendet. »Ich glaube«, schrieb Ferdinand Ries an
den Verleger Simrock, »Himmel und Erde müssen zittern bei
ihrer Aufführung.« Wem auch immer die Widmung der Eroica
gelten mag: Ludwig van Beethoven hat sich mit ihr selbst ein
Denkmal gesetzt.
Napoleon überschreitet die Alpen.
Gemälde von 1800
S I N FO N I E N N R . 3 + 4
CHARMANTE SCHWESTER
Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60
Ludwig van Beethoven, 1804
Beethovens Vierte Sinfonie stand von Beginn an im Schatten
ihrer groß gewachsenen Schwesternwerke Nr. 3 und Nr. 5 – wie
ein schüchternes Gänseblümchen zwischen zwei Mammutbäumen, oder, wie es Robert Schumann formulierte, wie eine
»schlanke griechische Maid zwischen zwei Nordlandriesen«.
Tatsächlich schließt die Vierte mit ihrem klassizistischen
Charakter eher an die ersten beiden Sinfonien als an ihre
unmittelbaren Nachbarn an. Musikwissenschaftler haben dafür
eine ganze Reihe von Erklärungen bemüht, die von beglückenden Liebschaften und einer damit einhergehenden Phase der
musikalischen Entspannung bis zu finanziellem Kalkül reichen. Dokumentiert ist jedenfalls, dass Beethoven nach einem
im Voraus bezahlten Kompositionsauftrag des Grafen Franz
von Oppersdorff unter Zugzwang stand und statt der Fünften
zunächst die übersichtlichere Vierte Sinfonie vollendete, um
der Bestellung nachkommen zu können. Vermutlich war es ihm
auch ganz recht, sich selbst und dem Publikum nach der Eroica
etwas Entspannung zu gönnen.
Die von Schumann konstatierte »Schlankheit« lässt sich in
mehrfacher Hinsicht nachvollziehen. Die Sinfonie dauert nur
etwa halb so lange wie ihre Schwesternwerke. Auch die Instrumentierung ist sehr reduziert; gerade die Holzbläser setzt Beethoven fast kammermusikalisch ein. Die motivisch-thematische
Arbeit ist längst nicht so ausufernd angelegt wie in anderen
Werken. So charakterisierte die Allgemeine Musikalische Zeitung die Sinfonie denn auch als »heiter, verständlich und sehr
einnehmend«.
Von diesen Charakterzügen ist zu Beginn allerdings nichts
zu spüren. Dunkel und nachdenklich wölbt sich die langsame
Einleitung. Achten Sie darauf, wie der Liegeton der Bläser seine
Färbung verändert, obwohl nicht er sich bewegt, sondern die
Streicher. Zögernd, wie schlaftrunken, tasten sich die Violinen
voran. Schon möchte man wieder in die Kissen zurücksinken
– da klingelt der Wecker, der Komponist springt hellwach aus
dem Bett, los geht’s!
Mit energischen Auftakten federn die Geigen voran, munter hopst das Fagott
nebenher. So gut gelaunt erleben wir Beethoven selten – ständig reiht er neue,
frische Gedanken aneinander, ohne das Schema des Sonatensatzes aus dem
Blick zu verlieren. Für den Mittelteil hat er sich eine besondere Idee einfallen
lassen: Grundiert von einem Pianissimo-Paukenwirbel kommt die Musik fast
zum Erliegen, bevor die Motive wieder zusammenwachsen und mit Macht die
Rückkehr des Hauptthemas feiern.
Der langsame Satz strömt als kantables Adagio dahin, fast wie ein »Lied ohne
Worte«. Dass die unendliche Melodie nicht in Schönheit erstarrt, ist dem Begleitmotiv zu verdanken, mit dem der Satz auch beginnt. Oft wird diese auftaktige
Figur als »Paukenmotiv« bezeichnet; am Ende verlegt Beethoven sie tatsächlich
in die Pauke. Gelegentlich erzwingt das Motiv ein Crescendo, ohne der seligen
Dur-Idylle ernsthaft etwas anhaben zu können. Nur kurzzeitig wendet sich die
Musik nach Moll, führt nach einem Geigenintermezzo aber zurück ins Licht.
Das derbe Scherzo lebt von der Spannung zwischen dem Dreiertakt und
einem thematischen Gedanken, der nicht in diesen Takt passen will. Beethovens
Kollege Hector Berlioz fand dafür eine schöne Formulierung: »Man empfindet
ein Vergnügen daran zu sehen, wie der Takt zermalmt wird und sich doch am
Ende jeder Periode wieder ganz herstellt; wie die musikalische Rede, vorübergehend widersinnig geworden, doch zu einem befriedigenden Schluss gelangt.«
Im Trio liefern sich Streicher und Holzbläser dann einen reizvollen melodischen
Schlagabtausch.
Im rastlosen Finale steht die Freude an der Bewegung im Vordergrund. Sechzehntelketten und eine stets pulsierende Begleitung treiben die Musik voran.
Dazu überstürzen sich die melodischen Ereignisse; fortwährend wendet sich
das Orchester dieser und jener Idee zu, sodass es schwer fällt, sich in diesem
musikalischen Strudel überhaupt an so etwas wie Themen festzuhalten.
Diese charmante Vierte Sinfonie war vor allem bei den Frühromantikern
beliebt, neben Schumann etwa bei Felix Mendelssohn Bartholdy, der sie auf das
Programm seines Einstandskonzertes als Kapellmeister am Leipziger Gewandhaus setzte. Offenbar schätzten sie die Eleganz, mit der Beethoven hier den
klassischen Formenkanon handhabt, wie er im Rahmen des etablierten Systems
größte Freiheiten gewinnt, anstatt es – wie in der Eroica oder in der Neunten –
radikal infrage zu stellen.
CLEMENS MATUSCHEK
BEI UNS
SIND
SIE
IMMER
AN DER
ALLER-
ERSTEN
ADRESSE
FÜR GUTEN
WEIN AUS
DER GANZEN
WELT!
Dienstag, 21. März 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal
19 Uhr | Einführung mit Lars Entrich im Großen Saal
ORQUESTA SINFÓNICA SIMÓN BOLÍVAR
DE VENEZUELA
DIRIGENT GUSTAVO DUDAMEL
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67 (1804–1808)
Allegro con brio
Andante con moto
Allegro
Allegro
ca. 35 Min.
Pause
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 »Pastorale« (1807–1808)
Erwachen heiterer Empfindungen bei der
Ankunft auf dem Lande: Allegro ma non troppo
Szene am Bach: Andante molto moto
Lustiges Zusammensein der Landleute: Allegro
Gewitter, Sturm: Allegro
Hirtengesang – Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm: Allegretto
ca. 40 Min.
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WEIN-KATALOG
AN UNTER TEL.
04122 50 44 33
Das Konzert wird aufgezeichnet und am Sonntag, 21. Mai 2017
ab 11 Uhr auf NDR Kultur ausgestrahlt.
Das Konzert wird im Live-Stream auf www.elbphilharmonie.de/worldwide
übertragen und bleibt im Anschluss dort abrufbar.
Gefördert durch die Stiftung Elbphilharmonie
S I N FO N I E N N R . 5 + 6
KOMPONIEREN MIT LEGOSTEINEN
Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67
Beethoven-Statue vor dem
Bonner Beethovenhaus
»So pocht das Schicksal an die Pforte!« Beethovens Sekretär
und Biograf Anton Schindler hat diesen Satz überliefert. Und
obwohl niemand weiß, bei welcher Gelegenheit der übereifrige
Protokollant ihn aufgeschnappt hat oder ob er ihn am Ende gar
selbst erfunden und seinem Chef bloß in den Mund gelegt hat,
prägt er seither das Bild Beethovens und seiner Fünften Sinfonie, der »Schicksalssinfonie«. Er passt ja auch so schön ins Bild
des grimmigen Künstlergenies, das mit seiner aufkommenden
Taubheit hadert und »dem Schicksal in den Rachen greifen« will.
Aus dieser Rezeptionshaltung heraus sind Statuen wie diese
entworfen worden, die vor dem Bonner Beethoven-Haus steht.
Dabei lohnt es sich, die Patina und das Pathos abzukratzen und
zu schauen, was es mit der Musik und dem berühmten »Klopfmotiv«, das jeder kennt und sofort mit ernster klassischer Musik
assoziiert, wirklich auf sich hat.
Worin besteht eigentlich Beethovens Genialität? Das Motiv
aus drei Achteln und einer Halben ist an sich ja nichts Besonderes; Haydn benutzt es schon 1765 in seiner 28. Sinfonie. Nun, die
Genialität besteht darin, einen ganzen Satz ausschließlich aus
diesem einen Motiv heraus zu entwickeln. In fast jedem der 500
Takte des Kopfsatzes ist es zu hören. Beethoven komponiert, wie
Kinder mit Legosteinen bauen – mit dem Unterschied, dass er
seine Bausteine immer selbst erfindet.
Auch die Eroica-Sinfonie (Dreiklang) oder das Violinkonzert (vier Viertel) basieren auf denkbar simplen musikalischen
Klötzchen, und auch bei diesen beiden Werken ist Beethoven so
zuvorkommend, uns ganz zu Beginn sein Material einmal isoliert vorzustellen, bevor er es ineinandergreifen lässt und damit
atemberaubende Konstruktionen auftürmt. Doch so konsequent
wie in der Fünften ist das Verfahren selten zu besichtigen. Die
erste »Melodie« beispielsweise entsteht zunächst nur durch das
Aneinanderreihen des Motivs auf verschiedenen Tonhöhen, dann
durch die Erweiterung der drei gleichen Achtel auf verschiedene
Tonhöhen und schließlich durch die Verknüpfung des Motivs zu
endlosen Achtelketten. Selbst die Begleitung des schlichten
Gegenthemas gestaltet Beethoven mit dem Ausgangsmotiv.
Die Wucht des vorandrängenden Kopfsatzes stockt nur ein einziges Mal: An
der Nahtstelle von Reprise (Wiederholung des Anfangsteils) und abschließender
Coda nimmt sich die Oboe Zeit für eine kleine Kadenz. Im rechteckigen Lego-Bau
ist dies die einzige »runde« Stelle. Sie nimmt die Atmosphäre des zweiten Satzes
vorweg, der mit seiner innigen Melodie einem beschaulichen Spaziergang gleicht.
Der dritte Satz tritt zunächst auf der Stelle. Die Streicher wirken unruhig,
suchend, fragend. Die »Antwort« ertönt in Form einer militärisch-zackigen
Fanfare, deren Rhythmus eindeutig auf das Motiv des ersten Satzes verweist.
Den Mittelteil bildet dann eine Fuge – wobei sich Beethoven zwischendrin den
Scherz erlaubt, das ruppige Thema der tiefen Streicher mehrfach unvermittelt
abbrechen zu lassen, als ob die Musiker sich verspielen würden.
Mindestens so genial wie der Kopfsatz ist dann der Übergang ins Finale. Die
Musik zieht sich bis ins Pianissimo zurück, scharrt mit den Hufen und scheint
nur auf den passenden Moment zu lauern, um ins strahlende Fortissimo auszubrechen. Zudem kippt die Musik vom finsteren Moll des Kopfsatzes in helles
Dur – eine Pointe, die als »per aspera ad astra« (wörtlich: durch das Raue zu den
Sternen oder sinngemäß: durch die Finsternis zum Licht) zu einem der wichtigsten ästhetischen Konzepte des Abendlandes geworden ist. Auch das Lego-Motiv
des ersten Satz kehrt hier – leicht abgewandelt – in strahlender Form zurück.
Nicht zufällig hat die schmissige Musik ihre Vorbilder in den Freiheitsliedern
der Französischen Revolution, die den glühenden Republikaner Beethoven
begeisterte. Auf diesen Zusammenhang verweisen auch einige typische Militärinstrumente, die bis dato noch nie im Konzertsaal zu hören waren und die
Beethoven gewissermaßen als Spezialeffekt verwendet. Stolz schreibt er dem
Widmungsträger, Graf Oppersdorff: »Der letzte Satz ist mit Piccoloflöte und drei
Posaunen besetzt – zwar nicht drei Pauken, wird aber mehr Lärm machen als
sechs Pauken, und zwar besseren Lärm.«
Die Uraufführung der Fünften Sinfonie im Jahr 1808 war allerdings ein legendäres Desaster. Das Konzert fand im Dezember bei sibirischen Temperaturen
im ungeheizten Theater an der Wien statt. Das in Pelzmäntel gehüllte Publikum
zitterte sich ganze vier Stunden lang durch ein wahres Mammutprogramm, denn
Beethoven hatte es sich in den Kopf gesetzt, einen Großteil der Werke aufzuführen, an denen er zuletzt parallel gearbeitet hatte: die Fünfte und Sechste
Sinfonie, das Vierte Klavierkonzert, Auszüge aus Chorwerken und mehr. Kein
Wunder, dass einem zeitgenössischen Rezensenten zur Fünften lediglich zwei
Wörter einfielen: »zu lang«. Dafür wurde ihr gut 100 Jahre später die Ehre zuteil,
als erstes Orchesterwerk überhaupt auf Schallplatte aufgenommen zu werden:
1913, von den Berliner Philharmonikern.
S I N FO N I E N N R . 5 + 6
KÜHE IM FAGOTT
Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 »Pastorale«
»Pastoral-Sinfonie, oder: Erinnerung an das Landleben. Mehr Ausdruck der
Emfindung als Malerei.« So lautet der vollständige Titel von Beethovens Sechster Sinfonie, und der Komponist legte größten Wert darauf, dass er auf dem
Deckblatt der Partitur vollständig abgedruckt wurde. Offenbar ahnte Beethoven
bereits, auf welch dünnes Eis er sich mit einer so konkreten Überschrift begeben
hatte, die er im Nachsatz quasi gleich wieder relativierte. Tatsächlich sah er sich
einer ästhetischen Grundsatzfrage gegenüber, die noch lange nach seinem Tod
für hitzige Debatten sorgen sollte.
Die Frage ist: Muss Musik immer für sich stehen, als abstraktes Kunstwerk
zum Selbstzweck? Diese Position einer »absoluten Musik« vertraten später etwa
Johannes Brahms oder der einflussreiche Kritiker Eduard Hanslick. Oder darf,
soll, muss Musik etwas ausdrücken, ein Gefühl, eine Szenerie, eine Romanhandlung? Eine solche »Programmmusik« favorisierten Komponisten wie Hector
Berlioz, Franz Liszt, Richard Strauss oder Richard Wagner – der am Ende konsequenterweise nur noch Musik mit Inhalt schrieb, Opern nämlich. Kurioserweise
beriefen sich beide Fraktionen (auch) auf Beethoven. Die eine rühmte seine konstruktivistische Kompositionsweise etwa in den Sinfonien 3 und 5 als Ausdruck
höchster Genialität. Die andere zog eine direkte Linie von Vivaldis Vier Jahreszeiten über Haydns Schöpfung bis hin zur Pastorale, der »Natur-Sinfonie«.
Dass Beethoven bei der Komposition tatsächlich sehr konkrete Bilder vor
Augen hatte, zeigen schon die Satzüberschriften. Wo sonst nur italienische
Tempobezeichnungen zu lesen sind, ist hier von einer »Szene am Bach« die
Rede, vom »Lustigen Zusammensein der Landleute«, einem »Gewitter« und
einem »Hirtengesang«. Und nicht nur das: All diese Dinge kann man in der
Musik wirklich direkt hören. So beginnt der zweite Satz mit dem leisen Murmeln
einer Quelle, die sich nach und nach zu einem munteren Bächlein entwickelt –
eine frühe Blaupause für Smetanas Moldau. Claude Debussy lästerte später, die
Fagotte stellten dann wohl die Kühe dar, die aus dem Bach tränken. Gegen Ende
des etwa zwölfminütigen Satzes imitiert Beethoven sogar ornithologisch korrekt
die Rufe von Nachtigall (Flöte), Wachtel (Oboe) und Kuckuck (Klarinette).
Auch die derben Bauerntänze der Landleute lassen sich bestens heraushören. Nach dem ersten schmetternden Einsatz der Hörner leistet sich Beethoven
einen seiner typischen Scherze: Die Oboe setzt mit ihrer tänzerischen Melodie
leider einen Schlag zu früh ein – was auch die energischen Basstöne des Fagotts
nicht auffangen können – und simuliert so einen Amateur-Dorfmusikus.
Plötzlich aber reißt die fröhliche Tanzmusik jäh ab. Ein
Gewittersturm zieht auf. Im Streichertremolo braut sich Unheil
zusammen, Blitze zucken durch die Geigen und die Pauke lässt
einen Donnerschlag nach dem nächsten durch den Saal rollen.
Aus meteorologischer Sicht ist Beethoven damit Vivaldis Sommersturm weit voraus, und Wagners Fliegender Holländer ist
nicht mehr weit. Schließlich beruhigen sich die Naturgewalten
und weichen dem Lied eines erleichterten Hirten, das auf den
Dankgesang in Beethovens Streichquartett op. 132 vorausweist.
Beethoven selbst war ein großer Naturliebhaber. Schon
damals muss in der Stadt ein infernalischer Lärm von Handwerkern, Pferdehufen und Marktschreiern geherrscht haben,
vor dem er nur allzu gerne in die Umgebung von Wien flüchtete.
»Mein Dekret: nur auf dem Lande bleiben«, notierte er einmal.
»Mein unglückseliges Gehör plagt mich hier nicht. Ist es doch,
als ob jeder Baum zu mir spräche auf dem Lande: heilig, heilig!
Im Walde Entzücken! Wer kann alles ausdrücken? Leicht bei
einem Bauern eine Wohnung gemietet, um die Zeit gewiss wohlfeil. Süße Stille des Waldes!« Kein Wunder, dass er das Bedürfnis verspürte, seinen Empfindungen und Beobachtungen in dem
ihm eigenen Metier, der Musik eben, Ausdruck zu verleihen.
Vielleicht ist Beethoven in seinem Mitteilungsbedürfnis dabei
ein wenig über das Ziel hinausgeschossen – wie jemand, der
seine Freunde mit einem ganzen Schwall von Urlaubsbildern
»beglückt«. Insofern mutet auch sein Versuch, die Satztitel
rückwirkend zu relativieren, eher leicht verschämt an: »Man
überlässt es dem Zuhörer, die Situationen auszufinden. Wer
jemals eine Idee vom Landleben bekommen hat, kann sich ohne
viele Überschriften selbst denken, was der Autor will.«
Der Schlüssel zu diesem Dilemma könnte im ersten Satz der
Sinfonie liegen. Schon sein Titel »Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande« zeigt ja, dass hier kein
Naturlaut porträtiert wird, sondern eine menschliche Emotion.
Entsprechend ließe sich die Musik durchaus auch als allgemein
positiv gestimmt hören, ohne Bezug zum Landleben. Sie können
im heutigen Konzert also entscheiden, ob Sie Beethovens musikalische Urlaubspostkarten als solche hören möchten – oder
als Spiegel eigener Erinnerungen, Stimmungen und Gefühle.
CLEMENS MATUSCHEK
Ludwig van Beethoven, 1820
Mittwoch, 22. März 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal
JAN LISIECKI
Es ist eine besondere Mischung aus Subtilität und Intensität,
die Jan Lisieckis Chopin-Spiel aufregende Faszination verleiht. BR Klassik
19 Uhr | Einführung mit Lars Entrich im Großen Saal
ORQUESTA SINFÓNICA SIMÓN BOLÍVAR
DE VENEZUELA
DIRIGENT GUSTAVO DUDAMEL
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92 (1811–1812)
Poco sostenuto – Vivace
Allegretto
Presto
Allegro con brio
ca. 40 Min.
Chopin: Works for
Piano & Orchestra
Pause
NDR Elbphilharmonie Orchester
Krzysztof Urbański
Jetzt überall im Handel
als CD, Download & Stream
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93 (1811–1812)
Allegro vivace e con brio
Allegretto scherzando
Tempo di Menuetto
Allegro vivace
ca. 25 Min.
Foto: Holger Hage / DG
Gefördert durch die Stiftung Elbphilharmonie
www.jan-lisiecki.de
S I N FO N I E N N R . 7 + 8
ORGIE DES RHYTHMUS
Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92
Ludwig van Beethoven, 1815
Wollten Sie nicht schon immer mal einem Komponisten bei der
Arbeit über die Schulter blicken? Dann können Sie entweder
nach Bonn ins Beethovenhaus fahren und dort die über hundert
erhaltenen Seiten studieren, die Beethoven mit Skizzen für seine
7. Sinfonie vollgeschrieben hat. Oder, noch besser: Sie spitzen
Ihre Ohren. Der Anfang dieser Sinfonie kommt nämlich einem
Besuch in der Werkstatt des Komponisten gleich.
Die Musik gehört zunächst den Holzbläsern, die sich
bedächtig vorantasten. Dann schleicht sich in den Streichern
eine Sechzehntelbewegung ein, die ruhelos die Tonleiter hinauf­
trippelt. Doch nach gut drei Minuten erreicht die Musik einen
toten Punkt, einen einzelnen Ton, den Flöten und Geigen ratlos
wiederholen. Was nun? Beethovens Lösung: Er belebt den Ton,
indem er ihn bewegt, ihm einen Puls verleiht. Das Resultat dieser kompositorischen Herzdruckmassage ist ein fröhlich hüpfender Rhythmus im 6/8-Takt.
Damit ist auch gleich das Thema dieser Sinfonie definiert:
Rhythmus! Für Melodien oder komplizierte Strukturmodelle
interessiert sich Beethoven in diesem Werk weit weniger als
sonst, weniger jedenfalls als für die rhythmische Komponente,
für die pure Energie der Vortriebskraft. Beethovens 7. Sinfonie
stellt in dieser Hinsicht eine radikale Weiterentwicklung seiner
Fünften dar. Hatte er dort den Kosmos des gesamten Werkes
aus einem einzelnen, ebenfalls rhythmisch profilierten Motiv
gewonnen, so ist es hier das Prinzip des Rhythmischen an sich,
das das Werk beherrscht. Noch nicht einmal an die klassische
Sonatenhauptsatzform hält sich der Komponist: Der erste Satz
wird von der Präsenz des tänzerischen 6/8-Taktes so vollständig
dominiert, dass sich kein kontrastierendes Thema durchsetzt.
Der Musikwissenschaftler Romain Rolland sprach in diesem
Zusammenhang gar von einer »Orgie des Rhythmus«.
Auch der zweite Satz reduziert sich auf ein rhythmisches
Modell, das einem Trauermarsch gut zu Gesicht stünde, hätte
Beethoven den Satz nicht mit Allegretto überschrieben. Formal handelt es sich um eine Folge von Variationen – aber eben
nicht über ein Thema, sondern über einen Rhythmus. Die berückend schönen
Kantilenen, die sich um dieses Gerüst ranken, und das Nebeneinander von Dur
und Moll verleihen dem Satz seine Schubert’sche Wehmut. Zweimal werden die
Variationen durch einen Abschnitt in Dur unterbrochen, der vor diesem harmonischen Hintergrund nur unter Tränen zu lächeln scheint. Und selbstverständlich
klingt auch in diesen Phasen der Kernrhythmus im Bass durch. Schon bei der
Uraufführung musste dieser Satz wiederholt werden, und vor einigen Jahren
erfuhr er als Untermalung der Schlüsselszene im oscarprämierten Film The
King’s Speech neue Popularität.
Unnötig zu sagen, dass auch das wilde Scherzo ganz auf die Kraft des Rhythmischen setzt. Für Ruhe sorgt hier lediglich das zweimal eingeschobene Trio als
B-Teil, das auf einem alten österreichischen Wallfahrtslied basiert. Am Schluss
gönnt sich Beethoven noch einen kleinen Scherz: Er tut so, als setze sich der
Wechsel zwischen A- und B-Teil unendlich fort – nur um den Satz mit einigen
kräftigen Hieben zu beenden. »Als ob der Komponist die Feder auf den Tisch
wirft«, empfand es Robert Schumann.
Der letzte Satz schließlich droht von seiner tänzerischen Energie fast erdrückt
zu werden. Möglich, dass Beethoven hier die zackige ungarische VerbunkosMusik imitiert. Seine Lust an knackigen Rhythmen und treibenden Offbeats ist
jedenfalls bis ins Exzessive gesteigert. Oft nimmt er sich noch nicht einmal Zeit
dafür, verschiedene Abschnitte durch geschmeidige Übergänge zu verbinden;
stattdessen lässt er die Musik lieber mit immer neuem Schwung einsetzen, oft
auf unvermuteten Harmoniestufen.
Die Wiener Uraufführung am 8. Dezember 1813 wurde ein voller Erfolg. Beethoven hatte das Konzert als Benefizgala zugunsten von Kriegsinvaliden deklariert; am selben Abend erklang auch seine Schlachtensinfonie Wellingtons Sieg
zum ersten Mal. Alle Welt wollte bei dieser musikalischen Feier von Napoleons
Niederlage dabei sein, und so konnte Beethoven als Dirigent auf die wohl prominenteste Orchesterbesetzung aller Zeiten zurückgreifen: Antonio Salieri, Louis
Spohr, Giacomo Meyerbeer, Johann Nepomuk Hummel, Ignaz Schuppanzigh
und Ignaz Moscheles spielten im Tutti mit. Beethoven äußerte denn auch »mit
innigster Rührung«, die Aufführung sei »das Nonplusultra der Kunst« gewesen.
Spätere Generationen waren dagegen geteilter Meinung über das Werk.
Clara Schumanns Vater Friedrich Wieck mutmaßte, die 7. Sinfonie könne »nur
in betrunkenem Zustand« komponiert worden sein, und der offenbar noch zarter
besaitete Carl Maria von Weber befand gar, Beethoven sei »reif fürs Irrenhaus«.
Auf offene Ohren stieß die Sinfonie dagegen bei Richard Wagner. Er bezeichnete
sie als »Verherrlichung des Tanzes« – insofern, als Beethoven hier die elementare Kraft des Rhythmischen zu etwas Göttlichem geadelt habe.
S I N FO N I E N N R . 7 + 8
MIT HERAUSGESTRECKTER ZUNGE
Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93
Ludwig van Beethovens wird ja gemeinhin als »Titan der Musikgeschichte« apostrophiert. Unser Bild von ihm ist geprägt vom heldischen Komponisten der Eroica,
der in der Fünften Sinfonie »dem Schicksal in den Rachen greift«, in der Neunten
die Menschheit verbrüdert und mit der Mondscheinsonate die Romantik begründet. Dabei vergisst man leicht: Beethoven hatte Humor! Und auch in seiner Musik
gibt es sie, die unerwartet lustige Seite, die Selbstironie, den musikalischen
Spaß – es ist die Seite der Achten Sinfonie.
Für Beethoven’sche Verhältnisse ist diese Sinfonie recht kurz und heiter geraten. Ein wenig harmlos wirkt sie nach der energischen Siebten Sinfonie, ähnlich
wie die Pastorale den ruhigen Gegenpol zur Fünften bildet. Doch der Eindruck
täuscht: Beethoven sprüht hier vor Witz, der seinem einstigen Lehrer, dem großen Musik-Humoristen Joseph Haydn, weder in Originalität noch in Pointierung
nachsteht.
Von Anfang an geht Beethoven munter zur Sache. Ganz ohne Einleitung
stürmt er mit einer gut gelaunten Geste voran und lässt sogar die Pauke die
übermütigen Achtelläufe der Violinen mitspielen. Aus diesem Impuls entwickelt
sich ein stattliches Thema mit einer charakteristischen Punktierung. Doch schon
nach wenigen Takten weiß die Musik offenbar nicht recht, wohin sie sich wenden
soll, verbeißt sich hoffnungslos in die punktierte Figur und gerät so völlig aus
dem Takt. Erst das ruhiger fließende Seitenthema bringt den Satz voran, wenn
auch in einer – nach strikter Auslegung der Sonatenform-Regeln – falschen
Tonart. Und so groß der Wirbel ist, den Beethoven am Ende des Mittelteils veranstaltet, wenn das Thema in den Celli und Bässen wummernd zurückkehrt, so
kokett lässt er den Satz im Pianissimo enden.
An zweiter Stelle einer Sinfonie steht ja üblicherweise ein getragener Satz.
In der Eroica platziert Beethoven hier sogar einen finsteren Trauermarsch. Und
nun? Ein Allegretto scherzando! Lange Zeit ging man davon aus, die charmante
Melodie dieses Satzes stamme von einem Kanon, den Beethoven spontan für den
befreundeten Ingenieur Johann Nepomuk Mälzel komponiert habe, als Dank für
die Erfindung des Metronoms. Inzwischen weiß man: Der Kanon entstand später,
und ob ihn Beethovens Biograf Anton Schindler, auf den diese Anekdote zurückgeht, nicht gleich selbst komponiert hat, lässt sich heute kaum nachvollziehen.
Tatsächlich aber erinnert die Musik an ein regelmäßig tickendes Uhrwerk. Oder
an einen klingelnden Wecker, mag man denken, wenn die Streicher plötzlich in
Vierundsechzigstelläufe ausbrechen.
Dass auf dieses Intermezzo ein geradezu archaisches
Menuett folgt, fällt ebenfalls weit hinter die Errungenschaften
früherer Sinfonien zurück. Die pompöse Musik wird allerdings
hörbar durch die Tatsache getrübt, dass die Holzbläser gleich
ihren ersten Einsatz zu verpassen scheinen.
Der Finalsatz beginnt im verheißungsvollen Flüsterton, nur
um dem Hörer unvermittelt einen äußerst unanständigen Ton im
Tutti-Fortissimo entgegenzuschleudern – »als ob jemand mitten
im Gespräch die Zunge herausstreckt«, empfand es Louis Spohr.
Auch im Verlauf des Satzes bleiben unvermittelte Kontraste das
zentrale kompositorische Mittel. Am Ende scheint sich Beethoven gar selbst zu persiflieren: Mit einer plumpen HalbtonRückung erreicht er eine Coda, die exemplarisch die Unfähigkeit
des Komponisten vorführt, zum Ende des Satzes auf den Punkt
zu kommen und den Schlussakkord zu erreichen.
Das Publikum der Wiener Uraufführung im Frühjahr 1814
wusste nicht recht, was von dieser Sinfonie zu halten sei. »Sie
machte keine Furore«, konstatierte ein Musikkritiker, nicht ohne
pflichtschuldigst anzumerken, dass die Konzentration der Hörer
und der Effekt der Sinfonie unter den vorangegangenen Werken
– unter anderem der Siebten und Wellingtons Sieg – gelitten
hätten. »Dabei ist sie viel besser«, kommentierte Beethoven
nach Überlieferung seines Schülers Carl Czerny brummelnd.
Der entspannte Grundton der Achten mutet umso merkwürdiger an, wenn man sich die damaligen Lebensumstände
Ludwig van Beethovens vergegenwärtigt. Die Sinfonie entstand
innerhalb weniger Monate im Sommer 1812. Sowohl Beethovens
Gehör als auch sein Magen hatten sich so sehr verschlechtert,
dass er den gesamten Sommer in verschiedenen böhmischen
Kurorten verbrachte. Andererseits schrieb er von dort am 6. und
7. Juli einen langen Liebesbrief an eine Frau, deren Identität bis
heute nicht vollständig geklärt ist (die meisten Biografen tippen
auf Antonie Brentano): »Schon im Bette drängen sich die Ideen
zu Dir, meine Unsterbliche Geliebte, hier und da freudig, dann
wieder traurig, vom Schicksale abwartend, ob es uns erhört.
Leben kann ich entweder nur ganz mit Dir oder gar nicht. Ja, ich
habe beschlossen, so lange in der Ferne herumzuirren, bis ich in
deine Arme fliegen kann.« Die Fröhlichkeit der Achten Sinfonie
könnte also auch diesen Grund haben: Beethoven war verliebt!
CLEMENS MATUSCHEK
Ludwig van Beethoven, Zeichnung von 1815
ELBPHILHARMONIE
REVISITED
10. FEBRUAR – 1. MAI 2017
Donnerstag, 23. März 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Hamburg | Großer Saal
19 Uhr | Einführung mit Lars Entrich im Großen Saal
HALLE FÜR AKTUELLE KUNST
#ELPHIREVISITED, WWW.DEICHTORHALLEN.DE
ORQUESTA SINFÓNICA SIMÓN BOLÍVAR
DE VENEZUELA
EUROPACHORAKADEMIE
EINE AUSSTELLUNG MIT BEITRÄGEN VON
BALTIC RAW ORG, MONICA BONVICINI,
PETER BUGGENHOUT, JEAN-MARC BUSTAMANTE,
JANET CARDIFF UND GEORGE BURES MILLER,
TACITA DEAN, LIAM GILLICK, HERZOG & DE MEURON
CANDIDA HÖFER, SARAH MORRIS, THOMAS RUFF,
TOMÁS SARACENO
JOSHARD DAUS EINSTUDIERUNG CHOR
JULIANNA DI GIACOMO SOPRAN
TAMARA MUMFORD MEZZOSOPRAN
JOSHUA GUERRERO TENOR
SOLOMAN HOWARD BASS
DIRIGENT GUSTAVO DUDAMEL
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 (1822–1824)
Allegro ma non troppo, un poco maestoso
Molto vivace – Presto
Adagio molto e cantabile – Andante moderato
Presto – Allegro assai – Recitativo – Allegro assai
ca. 70 Min.
Das Konzert wird im Live-Stream auf www.elbphilharmonie.de/worldwide
übertragen und bleibt im Anschluss dort abrufbar.
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ELBPHIL ERMÄSSIGTES
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AUSSTEL
Gefördert durch die Stiftung Elbphilharmonie
DEICHTOR
HALLEN
INTERNATIONALE KUNST
UND FOTOGRAFIE
HAMBURG
CANDIDA HÖFER: ELBPHILHARMONIE HAMBURG HERZOG & DE MEURON
HAMBURG 2016 (DETAIL) · © CANDIDA HÖFER / VG BILD-KUNST, BONN, 2016
IN KOOPERATION MIT
MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG VON
FÖRDERKREIS
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HAMBURG
PARTNER DER DEICHTORHALLEN
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S I N FO N I E N R . 9
MUSIKALISCHES WELTKULTURERBE
Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125
Finale! Es ist so weit: Beethovens Opus magnum, seine neunte und letzte Sinfonie steht auf dem Programm – und bildet gleichzeitig den würdigen Abschluss
einer außergewöhnlichen Konzertwoche in der Elbphilharmonie. Ein Werk, das
wie kein Zweites die Menschen zur Freude aufruft und daher nicht ohne Grund
immer dann erklingt, wenn es etwas zu feiern gibt, beispielweise an Silvester.
Doch birgt genau dies nicht auch eine Gefahr? Dass nämlich all das Pathos
schnell zur hohlen Phrase verkommt und Beethovens eigentliches Anliegen
– Freiheit und Gleichheit, Verbindung der Völker durch Musik – bereits beim
After-Concert-Drink vergessen ist?
Schon Claude Debussy musste 1901 einsehen, dass der Sockel, auf den Beethovens »Neunte« von der Nachwelt gehoben wurde und auf dem sie noch immer
steht, ihr gleichzeitig das Genick brach. »Man hat sie in einen Nebel von hohen
Worten und schmückenden Beiworten gehüllt. Sie ist – neben dem Lächeln der
Mona Lisa, dem mit seltsamer Beharrlichkeit das Etikett ›geheimnisvoll‹ anhaftet
– das Meisterwerk, über das am meisten Unsinn verbreitet wurde. Man muss sich
nur wundern, dass es unter dem Wust von Geschreibe, den es hervorgerufen hat,
nicht schon längst begraben liegt.«
Wo soll man also anfangen bei dieser Sinfonie, über die alles gesagt zu sein
scheint und die sich doch nicht in Worte fassen lässt? Mit der Leonard Bernstein
einst die Deutsche Wiedervereinigung untermalte (mit zwei Konzerten in Ost- und
West-Berlin einen Monat nach dem Fall der Mauer), aus der die Europa­hymne
hervorging, deren Originalmanuskript 2001 von der Unesco in das Weltdokumentenerbe aufgenommen wurde, die sogar Eingang in die Popkultur fand (auf
grandios-schockierende Weise in Stanley Kubricks Film A Clockwork Orange; auf
denkbar platteste Weise in Form des Schlagers A Song of Joy vom spanischen
Sänger Miguel Ríos) und nach deren Umfang einst die Länge der CD ausgerichtet
wurde (nämlich 74 Minuten, so lang dauerte Furtwänglers Aufnahme von 1951
aus Bayreuth)?
Geschichte eines Welterfolgs
Die Geschichte von Beethovens Neunter Sinfonie geht weit über ihren bloßen
Kompositionsprozess hinaus und umspannt mehrere Jahrzehnte. Bereits als
Ludwig van Beethoven, 1823
junger Komponist in seiner Heimatstadt Bonn begeisterte sich
Beethoven für die Ode des nur elf Jahre älteren Dichters Friedrich Schiller. »Lasst uns die Worte des unsterblichen Schiller
singen!« trug er in eines seiner Skizzenbücher ein. Und 1793
schrieb der Bonner Rechtsgelehrte und Beethoven-Freund
Bartholomäus Fischenich an Charlotte Schiller, er könne »von
einem jungen Mann berichten, dessen musikalische Talente allgemein gerühmt werden und den nun der Kurfürst nach Wien
zu Haydn geschickt hat. Er wird Schillers Freude, und zwar jede
Strophe, bearbeiten. Ich erwarte etwas Vollkommenes, denn so
viel ich ihn kenne, ist er ganz für das Große und Erhabene.«
Bis sich Beethoven dieser Aufgabe tatsächlich gewachsen sah,
verstrichen allerdings noch 30 weitere Jahre, und auch die Form
sollte sich ändern. 1817 trieb ihn dann der Gedanke um, eine
Sinfonie mit vokalen Elementen zu komponieren, doch erst aus
dem Jahr 1822 findet man in seinem Skizzenbuch den Eintrag
»Finale: Freude schöner Götterfunken«. Nun also stand die Idee
eines Chorfinales mit Schillers Ode fest.
Beethovens Entscheidung, für den Schlusschor seiner
Sinfonie Schillers Gedicht auszuwählen, war also weder einer
zufälligen Laune noch musikalischen Erwägungen geschuldet; sie war vielmehr das Bekenntnis zu einem Text, der ihn
ein Leben lang begleitete. Diese langjährige Beschäftigung
des Komponisten mit der Ode steht kurioserweise im Widerspruch zu deren eigener Entstehung: Es handelt sich »nur«
um ein Gelegenheitsgedicht eines 26 Jahre jungen Dichters,
geschrieben im Überschwang im Sommer 1785, das niemals
für die große Öffentlichkeit bestimmt war, sondern für einen
Freund und dessen Freimaurerloge. Zum Glück widersetzte sich
Beethoven dieser Vorgabe. Und so fanden »zwei Leidgeprüfte
und Schmerzerfahrene« zusammen, die »sich Trost zusingen in
einem Gemeinschaftswerk über das, was in ihrer beider Leben
gefehlt hat: die Freude«, wie es Dieter Hildebrandt in seinem
grandiosem Buch Die Neunte zusammenfasst.
Einmal zur Komposition entschlossen, ging alles plötzlich
ganz schnell, und Beethoven stellte seine Sinfonie im Jahr 1823
erstaunlich zügig fertig. Für das Finale hob er die zentralen
Aussagen des eigentlich neun Strophen (plus je einen Refrain)
umfassenden Gedichts heraus und ordnete sie in neuer Rei-
S I N FO N I E N R . 9
Beethovens Trauerfeier, 1827
henfolge an. Anfang 1824 lag die Sinfonie fertig vor, am 7. Mai 1824 konnte sie
im Wiener Theater am Kärntnertor zusammen mit der Ouvertüre zu Die Weihe
des Hauses und Teilen der Missa solemnis uraufgeführt werden. Die Reaktionen
der Zuhörer waren enthusiastisch, wobei man dem völlig ertaubten Beethoven
erst bedeuten musste, sich zum wild applaudierenden Publikum umzudrehen,
wie Augenzeugen berichteten. Die Aufführung wurde am 23. Mai wiederholt,
und schon bald erklang die Sinfonie in zahlreichen anderen Städten, darunter
auch in London, wo das Werk ursprünglich von der Philharmonic Society in Auftrag gegeben worden war. Im Gegensatz zum Publikum zeigten sich die Kritiker
nicht durchweg überzeugt. So monierte Giuseppe Verdi, das Finale sei »schlecht
gesetzt«, während Wagner in der Neunten »das menschliche Evangelium der
Kunst der Zukunft« sah. Lange Zeit sollte es das einzige Werk bleiben, dass
neben seinen Opern im Bayreuther Festspielhaus gespielt werden durfte.
Eine neue Welt durch Musik
Bei all der Fokussierung auf das Chorfinale, mit dem Beethoven die Grenzen
der eigentlich rein instrumentalen Gattung Sinfonie nachhaltig sprengte, wird
gern vergessen, dass diesem noch drei weitere Sätze vorausgehen. Und auch sie
stellten Beethovens bisheriges Schaffen in den Schatten: »Kein Kopfsatz, den
man sich monumentaler, kein Scherzo, das man sich wilder und
bacchantischer denken könnte, kein Adagio, dem ein größeres
Maß an Beseeltheit und Versunkenheit innewohnte«, fasst es
Martin Geck im Beethoven-Handbuch zusammen. Und in der
Tat, allein wie Beethoven zu Beginn des ersten Satzes die Musik
mit einem weder Dur noch Moll zuzuordnendem Intervall im
Pianissimo quasi aus dem Nichts entstehen lässt, gehört zu
den großartigsten Eingebungen des Komponisten überhaupt.
Doch spätestens bei dem Versuch, den vierten Satz zu
beschreiben, biss sich die Musikwissenschaft die Zähne aus.
»Die Form des Finales von Beethovens Neunter Sinfonie gibt es
nicht und kann es nicht geben«, resignierte etwa der amerikanische Forscher James Webster. Und besonders schön beschrieb
es bereits ein Kritiker der Uraufführung: »Das leidenschaftliche,
mit allen Elementen und Kräften der Musik kämpfende und ringende Wesen des Finales ist nun in der Tat nicht beim ersten
Anhören aufzufassen. Beethovens Genie hat sich nun einmal
hier an gar keine Schranken gekehrt, sondern sich seine ganz
eigene Welt geschaffen, und darin mit einer so gewaltigen Kraft
und Freiheit sich bewegt, dass man sieht, wie ihm die bisherige
Welt zu klein erscheint, und er sich eine mit ganz neuen Gestalten bauen musste.«
Beethoven selbst schien sich bei der Komposition des Finales zunächst un­sicher zu sein, ob die Einbeziehung des gesungenen Wortes wirklich die richtige Entscheidung war. Zumindest
fertigte er zusätzliche Skizzen zu einem rein instrumentalen
Finale an – obwohl sich allein die über 200 Takte umfassende,
rein orchestrale Einleitung des vierten Satzes schon als eigenes Finale betrachten ließe. Besonders die Frage, wie sich der
Einsatz der Singstimmen mit der berühmten Freude-Melodie
nach dem einleitenden Orchesterteil überzeugend gestalten
ließe, trieb ihn um. Er entschied sich schließlich für die Einfügung eines Rezitativs, für das er selbst den Text schrieb. Mit
den Worten »O Freunde, nicht diese Töne! Sondern lasst uns
angenehmere anstimmen und freudenvollere«, wird nun die
vorangehende bedrohliche, schrill-dissonante »Schreckensfanfare« (Richard Wagner) zurückgewiesen und dem Eintritt der
Freudenhymne der Weg bereitet. Und was dann folgt, spricht
für sich selbst.
SIMON CHLOSTA
Friedrich Schiller:
Ode an die Freude
O Freunde, nicht diese Töne!
Sondern lasst uns angenehmere
anstimmen und freudenvollere!
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum!
Deine Zauber binden wieder
Was die Mode streng geteilt;
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein;
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja, wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund!
Freude trinken alle Wesen
An den Brüsten der Natur;
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gab sie uns und Reben,
Einen Freund, geprüft im Tod;
Wollust ward dem Wurm gegeben,
Und der Cherub steht vor Gott.
Froh, wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmels prächt’gen Plan,
Laufet, Brüder, eure Bahn,
Freudig, wie ein Held zum Siegen.
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuss der ganzen Welt!
Brüder, überm Sternenzelt
Muss ein lieber Vater wohnen.
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahnest du den Schöpfer, Welt?
Such ihn überm Sternenzelt!
Über Sternen muss er wohnen.
Freude, schöner Götterfunken!
SOLISTEN
JOSHUA GUERRERO
JULIANNA DI GIACOMO
TENOR
SOPRAN
Aufgewachsen in Santa Monica, Kalifornien,
hat sich die Sopranistin Julianna Di Giacomo
mit ihren Auftritten in zahlreichen internationalen Opernhäusern den Ruf als einer der auf­
regendsten jungen lyrischen Soprane erworben. So sang sie bereits an der Bayerischen
Staatsoper, der Mailänder Scala, am Teatro
Real de Madrid und an der Opéra National de
Montpellier sowie in der Carnegie Hall in New
York.
In dieser Saison kehrt Julianna Di Giacomo
in der Rolle der Amelia in Un ballo in maschera
an das Teatro dell’Opera di Roma zurück.
Jüngst sang sie unter der Leitung von Gustavo
Dudamel die Titelrolle in Tosca auf der Freilichtbühne Hollywood Bow. Auch Beethovens
Neunte Sinfonie sang sie bereits unter Dudamels Leitung und zusammen mit den Wiener
Philharmonikern.
Julianna Di Giacomo ist Absolventin des
prestigeträchtigen Merola Program der San
Francisco Opera sowie des Apprentice Program der Santa Fe Opera.
TAMARA MUMFORD
MEZZOSOPRAN
Als Absolventin des Young Artist Development
Program der New Yorker Metropolitan Opera
gab Tamara Mumford dort ihr Debüt als Laura
in Luisa Miller und absolvierte seither mehr
als 140 Auftritte mit der Compagnie, darunter
in den Opern Anna Bolena, Rigoletto, Ariadne
auf Naxos, Parsifal, Idomeneo, Cavalleria rusticana, Die Zauberflöte sowie im kompletten
Ring-Zyklus.
In dieser Saison kehrt sie für eine neue
Produktion von Kajia Saariahos L’Amour de loin
an die Metropolitan Opera zurück. Darüber
hinaus gibt sie Konzerte mit dem New York
Philharmonic, Boston Symphony Orchestra,
San Francisco Symphony Orchestra und den
Berliner Philharmonikern.
Mit Gustavo Dudamel arbeitete sie bereits
bei der Uraufführung von John Adams’ Oratorium The Gospel According to the Other Mary
zusammen.
Joshua Guerrero ist Absolvent des DomingoColburn-Stein Young Artist Program, Preisträger des von Plácido Domingo ins Leben
gerufenen Wettbewerbs Operalia sowie Empfänger des Richard Tucker Career Grant.
In dieser Saison kehrte er als Macduff in der
Oper Macbeth zurück an die Los Angeles Opera,
eine Rolle, mit der er ab April erstmals auch
am Opernhaus Zürich zu erleben ist. Zudem
wird er sein London-Debüt an der English
National Opera als Duke in Rigoletto geben.
Im Konzertbereich stehen das Debüt beim
Baltimore Symphony Orchestra unter Marin
Alsop sowie sein Auftritt mit dem Los Angeles Philharmonic unter Gustavo Dudamel in
Haydns Die Schöpfung an. Mit dem Orquesta
Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela und
Dudamel arbeitete er bereits für eine Produktion von La Bohème zusammen. Zu den
weiteren Stationen seiner Laufbahn zählen
Auftritte an der Opéra National de Bordeaux,
dem Teatro de la Maestranza, der Santa Fe
Opera sowie bei den Salzburger Festspielen.
SOLOMAN HOWARD
BASS
Soloman Howard ist Absolvent der Manhattan
School of Music sowie der Morgan State University und wurde durch das Domingo-Cafritz
Young Artist Program der Washington National
Opera gefördert. Seine sonore Stimme wurde
von der Presse bereits als »übermenschlich«
(Denver Post) und als »Triumph« (The Guardian)
gefeiert.
Zu den Höhepunkten der aktuellen Saison
gehören seine Auftritte in Aida an der Metropolitan Opera in New York sowie sein Debüt an
der Santa Fe Opera als Commendatore in Don
Giovanni.
Mit Gustavo Dudamel und dem Orquesta
Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela nahm
er Beethovens Neunte Sinfonie bereits in
Caracas auf CD auf. Darüber hinaus sang er
die Titelrolle in der Oper Approaching Ali über
das Leben Muhammad Alis am Kennedy Center
Terrace Theater in Washinton D.C.
CHOR
EUROPACHORAKADEMIE
Chormusik auf höchstem Niveau präsentieren, Grenzen überwinden, die europäische Idee lebendig werden lassen und so einen einzigartigen Klangkörper formen
– das waren die Intentionen, mit denen Joshard Daus 1997 die EuropaChorAkademie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz ins Leben gerufen hat.
Inzwischen hat sich das Ensemble als einer der besten Chöre Europas etabliert
und ist international als eine herausragende Ausbildungsinstitution anerkannt.
Die EuropaChorAkademie vereint junge Menschen mit einer großen Begeisterung für die Musik, insbesondere für die europäische Musik. Joshard Daus hat
mit ihr ein breites Repertoire einstudiert, das von den klassischen Oratorien über
neu arrangierte deutsche Volkslieder bis hin zur Zwölftonmusik und musikalischen Avantgarde reicht. Seit kurzem hat die EuropaChorAkademie ihren Sitz in
Görlitz, wo auch ein Großteil der Probenarbeit erfolgt.
Neben der künstlerischen Arbeit engagiert sich die EuropaChorAkademie
in der Aus- und Weiterbildung junger Menschen. In Meisterkursen werden die
Chormitglieder von renommierten Gastdirigenten wie Sylvain Cambreling unterrichtet. Sie versteht sich als offenes Kulturprojekt, das sich bei seinen Proben für
das Publikum öffnet, Workshops und Mitsing-Konzerte veranstaltet. Chorpädagogische Arbeit mit Kindern ist seit Jahren ein fester Bestandteil des musikalischen Profils. Vor allem in der Nordwestregion und der Oberlausitz entwickeln
die Sängerinnen und Sänger gemeinsam mit den örtlichen Schulen regelmäßig
künstlerische Projekte.
Sopran
Annija Adamsone
Anna Alexandrowicz
Yulia Averina
Madara Boka
Margarita Dudcaka
Liga Džeriņa
Rasa Dzimidaite
Elzita Gircyte
Jolanta Kalnina
Ieva Kaveckaite
Antonina Kiepuszewska
Anna Jankowiak
Viktorija Narvidaite
Maris Pajuste
Viktorija Pakalniece
Beata Panfil
Anna Podgorska
Nina Rademacher
Gintare Ramanauskaite
Anne Richter
Aale Rosenstrauch
Santa Stalidzāne
Natalia Stawicka
Aleksandra Szerocka
Agnese Urka
Anete Viluma
Karoline Wlochowitz
Alt
Brigitta Ambs
Krista Audere
Gabriele Biveiniene
Christine Casselette
Egle Cincinskaite
Kristi Klopets
Corinna König
Gerlinde Lichtenberg
Heather Lupton
Karolina Macyte
Lucia Markus
Marta Panfil
Aline Rea
Õnne-Ann Roosvee
Kirsten Sievert
Karolina Sinkeviciute
Helena Sorokina
Laura Stancikaite
Ausra Stravinskaite
Cätly Talvik
Kadri Toomeste
Dārta Treija
Magdalini Tzavella
Māra Vaickovska
Tenor
Andrius Bartkus
Andre Cruz
Wieslaw Delimat
Holger Gläser
Michael Jahn
Kęstutis Jakeliūnas
Simon Jass
Darius Kairys
Maciej Marcinkowski
Daniel Martens
Mátyás Mészáros
Vilius Mineikis
Joachim Schmitz
Marc Schwämmlen
Matīss Tučs
Marius Turlajus
David Wesseler
Bass
Matīss Circenis
Ulf Grossmann
Manfred Hess
Mantas Jauniskis
Benedek Kaposi
Romanas Kudriašovas
Kārlis Kundrāts
Jānis Lapsa
Jānis Liepiņš
Evarts Melnalksnis
Arturas Miknaitis
Wolfgang Mindermann
Krzysztof Napierala
Michal Petrik
Ivo Rosenberg
Romanas Savickas
Gintautas Skliutas
Patriks Stepe
Enno Volckmer
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Montblanc
SAP
Coca-Cola
Hawesko
Lavazza
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Störtebeker
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Körber-Stiftung
Hans-Otto und
Engelke Schümann Stiftung
K. S. Fischer-Stiftung
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Ernst von Siemens Musikstiftung
Cyril & Jutta A. Palmer Stiftung
Mara & Holger Cassens Stiftung
Rudolf Augstein Stiftung
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Bankhaus Berenberg
Blohm+Voss
Commerzbank AG
DG HYP
Reederei F. Laeisz
Gossler, Gobert & Wolters Gruppe
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Hamburger Sparkasse
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HanseMerkur Versicherungsgruppe
HSH Nordbank
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Freundeskreis Elbphilharmonie
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BILDNACHWEIS
Che van Beethoven (Clemens Matuschek); Beethoven: zeitgenössische Karikatur (BeethovenHaus Bonn) José Antonio Abreu (unbezeichnet); Schüler von El Sistema (Fundación Musical
Simón Bolívar); Gustavo Dudamel (Gerardo Gomez); Orquesta Sinfónica Simón Bolívar de
Venezuela (Nohely Oliveros); Beethovens Geburtshaus, 1930 (Bilderbuch Bonn); Beethoven:
Porträt von Christian Hornemann, 1803 (Beethoven-Haus Bonn); Heiligenstädter Testament
(Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg); Napoleon überschreitet die Alpen: Gemälde
von Jacques-Louis David, 1800 (Schloss Charlottenburg); Beethoven: Porträt von Joseph
Willibrord Mähler, 1804 (Beethoven-Haus Bonn); Beethoven-Denkmal von Jakob Daniel
Burgschmiet, 1849 (unbezeichnet); Beethoven: Porträt von Joseph Karl Stieler, 1820; Porträt
von Willibrord Joseph Mähler, 1815; Zeichnung von Johann Theodor Lyser, 1815; Porträt
von Ferdinand Georg Waldmüller, 1823 (alle Beethoven-Haus Bonn); Beethovens Trauerfeier:
kolorierte Federzeichnung von Franz Stöber, 1827; Julianna Di Giacomo (Dario Acosta); Tamara
Mumford (Dario Acosta); Soloman Howard (Roy Cox); Joshua Guerrero (Gabriel Guzman);
EuropaChorAkademie (Felix Broede)
W W W. E L B P H I L H A R M O N I E . D E
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