Das erste Jodelmusical

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Das erste Jodelmusical
«Stilli Zärtlichkeite»
Das Musical ist eine sehr beliebte Theaterform, in welcher sich Text und Musik
vereinen und zu emotionalen Höhenflügen führen. Im Gegensatz zum altbackenen
Singspiel hat die Bezeichnung Musical eine schon fast mysteriöse Anziehungskraft
auf das allgemeine Publikum. Ganz allgemein erlebt die moderne Ausführung
der Operette eine Hohezeit. Und jetzt meldet sich auch die Jodelszene
mit einem ersten Musical!
Text – Hanspeter Eggenberger
Fotos – Toggenburger Magazin
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Ab dem 1. Oktober kommt das
erste Jodelmusical der Schweiz auf
die Bühne und bringt eine neue
Facette ins beliebte Genre.
Die Schweiz gehört zu jenen Ländern,
in welcher eine Vielzahl von Musicals
laufend aufgeführt werden. Dabei ist der
Erfolg seit Jahrzehnten anhaltend, wodurch die Schweizer Musicalszene auf
eine längere Tradition stolz sein kann.
«Der schwarze Hecht» aus dem Jahr
1939 dürfte der Pionier gewesen sein,
dem schon 1951 mit der «Kleinen Niederdorfoper» das erste Musical in Mundart folgte. Konzentrierte sich die Szene
in der Anfangszeiten hauptsächlich auf
die Städte Zürich, Basel und Bern, so erlebte sie in den letzten zwei Jahrzehnten eine deutliche Ausdehnung auf das
ganze Land. Dazu beigetragen haben si-
cher auch Aufführungsorte wie die Thunerseespiele, die Seebühne Walenstadt
sowie weitere saisonale Openair-Bühnen. Die moderne Zeit begann 1994 mit
«Space Dream», 2004 folgte das Musical «Ewigi Liebi», nach welchem die
Szene explodierte. «Heidi – Das Musical», «Dällebach Kari», «Gotthelf – Das
Musical» oder «Mein Name ist Eugen»,
«Stägeli uf, Stägeli ab» und «Io senza
te» sind nur einige der bekannten und
erfolgreichen Produktionen. Besonders
mit diesen Mundart-Musicals reihte sich
das Musicalangebot für das Schweizer Publikum in die weltweiten Erfolge
wie «Die Schöne und das Biest», «König der Löwen», «Phantom der Oper»,
«Starlight Express», «Mamma mia»
und viele mehr ein. Musikalisch beinhalteten diese Unterhaltungs-, Pop- und
Schlagerlieder. Es war aber nur eine Frage der Zeit, bis sich die kompositorisch
sehr aktive Jodelszene auch zum Wort
meldete. Hinderliche Gründe waren die
schwierige Suche nach geeigneten Darstellern, Jodlerinnen und Jodlern in einer verhältnismässig kleinen Szene, und
der enorme Aufwand für die Proben sowie das Absorbieren der Laiendarsteller
aus ihren jährlich wiederkehrenden Auftritten.
Bubas Traum
Der Freiburger Erwin «Buba» Bertschy
ist auf verschiedenen Schauplätzen der
Musik- und Theaterwelt tätig. Als Dar-
steller, Sänger, Autor und Eventmanager
hatte er schon einschlägige Erfahrungen. Während er sich für alle gute Musik begeistern kann, schlug sein Herz
aber immer am meisten für das Jodeln.
Schon langte hegte der eifrige Musical-Besucher den Traum, einmal selber
ein Jodel-Musical auf die Beine zu stellen. 2012 machte er sich tiefere Gedanken darüber und schrieb die Geschichte
und das Grundkonzept. Dieses legte er
einigen Komponisten vor, die dann zwar
allesamt von der Idee überzeugt waren,
sich aber nicht zum Mitmachen entscheiden konnten. Auch in seinem nahen Beziehungsfeld, in welchem sich
etliche hervorragende Jodlerinnen und
Jodler befinden, spürte er Zuspruch.
Dazu gehört auch die Jodlerin Barbara
Klossner, welche Buba den entscheidenden Tipp gab, sich mit dem Toggenburger Jodler, Komponisten und Dirigenten
Ruedi Roth in Verbindung zu setzen.
Ruedi, der auch in der lokalen Theaterwelt Erfahrungen sowohl als Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor
hatte, stand gerade in einer Phase der
beruflichen Neuorientierung. Als freier
Mitarbeiter von verschiedenen Medien – auch in «Land&Musig» sind seine
Artikel regelmässig zu lesen – kannte er
die Arbeit in der Schreibstube. Bubas
Idee erfasste ihn sofort und schon einige Tage später steckten die beiden Väter
des ersten Jodelmusicals die Köpfe zusammen. Ruedi hatte sofort weitere Ide-
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Die Probenarbeit für ein
Musical sieht nicht ganz gleich
aus wie eine normale Jodelprobe.
Musicalorganisator Erwin «Buba» Bertschy
Erwin Bertschy wurde 1968 in Tafers geboren, wo er als drittes Kind mit zwei
sieben und neun Jahre älteren Geschwistern aufwuchs.Die Familie war sehr volks­
tümlich und hielt sich in der Freizeit gerne in der nahen Bergwelt auf. Dort und
zuhause wurde auch viel gesungen, obwohl die Eltern nicht in einem Jodlerklub
aktiv waren. So wuchs «Buba» ganz natürlich in die Welt der Volks- und Jodellieder
hinein.
Zunächst lernte er den Beruf des Spenglers und dann wurde er auch Dachdecker.
Anschliessend absolvierte er die Bauleiterschule und arbeitete während zehn
Jahren als solcher in einem Architekurbüro. In der Gemeinde Schmitten über­nahm er alsdann die Verantwortung als Chef des Bauamtes. Nicht nur beruflich
hat «Buba» gerne die Zügel in der Hand. Als Organisator von kleinen Vereinsreisen
bis zu grossen Ferienreisen mit mehreren hundert Teilnehmern, als OK-Präsident
von verschiedenen anderen Anlässen und als Manger von Theater- und Musical­auf­führungen kann er dieser Leidenschaft Raum geben. Gleichzeitig ist er auch
gerne selber auf der Bühne in Aktion und machte schon in diversen Festspielen
und Musicals mit.
In seiner Freizeit interes­
siert er sich stark für Sport,
für den Fussball im örtlichen
FC, für das Bergsteigen und
für Skitouren. Nach seiner
Zeit als Fussballer trat er in
den Jodlerklub Tafers ein, wo
seine helle Jodelstimme sehr
willkommen war. Am Kon­
servatorium Freiburg und in
Privatstunden bildete er sich
sängerisch in verschiede­
nen Sparten aus und machte
neben den Aktivitäten im Jodlerklub auch in einem Rock- und Gospelchor mit. Die
Ausbildung zum Dirigenten im Jodelfach schloss er 2009 ab und seit 2015 leitet er
den Jodlerklub Flamatt.
Neben diesen vielen Engagements liebt er auch das Familienleben. Mit seiner Frau
Andrea und den beiden Kindern Flavio (9) und Ramona (6) nutzt er die Ferienzeit
gerne für längere Aufenthalte, in denen er sich ausschliesslich der Familie widmet.
Trotz erfolgreicher beruflicher Laufbahn hat sich Erwin Bertschy vor knapp fünf
Jahren entschieden, seine Leidenschaften und Fähigkeiten in einer Firma zu verei­
nen. Seither besteht die «Buba Events GmbH», die jetzt auch für das Jodelmusical
verantwortlich ist. Geblieben ist auch seine Freude am Bergsport, den er beispiels­
weise als Skitourenleiter oder dem Projekt «Wandern und Jodeln» auslebt.
www.buba-events.ch, Telefon 026 492 55 07
en zur Geschichte und konnte sich schon
vorstellen, welche Musik dazu verwendet werden konnte. Von Anfang an war
den beiden klar, dass die Darstellenden
nicht völlig aus ihrem eigenen Jodelumfeld gezogen werden konnten. Deshalb entschiedenen sie sich dazu, neben
wenigen Neukompositionen vor allem
bestehende Lieder und Naturjodel zu
verwenden. Eines davon ist Ruedi Roths
Lied «Stilli Zärtlichkeite», das zugleich
hervorragend zur Geschichte des Musicals passte und diesem somit den Titel
und Inhalt lieferte: «Es lebät uf em Erdeball en Huuffe Sorte Lütli. S’git Riichi,
Armi, öberall, de Underschied isch dütlich. Doch öppis isch bi allne gliich, cha
jedem Freud bereite: Öb chlii, öb gross,
sie wünschet sich: So stilli Zärtlichkeite!».
Eine Liebesgeschichte
Das Musical lebt von verschiedenen ineinandergreifenden Elementen. Zentral
natürlich von der Geschichte, die von
einer Liebe erzählt, die nicht sein durfte und somit in die Welt der Träume
und Fantasien verbannt ist – eben stille Zärtlichkeiten: «Sepp, der als Waise
bei seinem Götti auf einem Berggasthof
aufwächst, und die aus katholischem
Hause stammende Annemarie lernen
sich kennen und leidenschaftlich lieben. Annemarie wird schwanger. Bevor
sie dies Sepp aber kundtun kann, legen
ihre Eltern ein vehementes Veto ein und
verbieten ihrer Tochter, sich an diesen
reformierten Burschen zu binden. Annemarie wird zu einer Familie ins Wallis geschickt, wo sie ihr Kind, weit weg
von allen Bekannten, grossziehen soll.
Sepp erfährt dies nie und das vergebliche Warten auf seine Liebe hinterlässt
in ihm eine nachhaltige Verbitterung.
Annemarie heiratet und bekommt eine
zweite Tochter. Die lieblose Ehe ist aber
von kurzer Dauer und Annemarie zieht
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Ein Teil der Darsteller bei der Probenarbeit: Drehbuchautor und Komponist Ruedi Roth als Erzähler, Res Mathys als kauziger Heiri,
Initiant und Manager Erwin «Buba» Bertschy als Pfarrer und Barbara Klossner als Engel (von links).
ihre Töchter alleine auf. Über zwanzig
Jahre vergehen. Von ihrer älteren Tochter gedrängt, endlich ihren leiblichen
Vater kennenzulernen, rafft sich Annemarie auf. Trotz ihres schlechten Gewissens gegenüber ihrer einzigen grossen
Liebe macht sie sich mit ihren Töchtern
auf den Weg …»
Diese Geschichte wird in zwei Zeiten erzählt und spielt in den Jahren 1973 und
1995. Da die Darstellenden aus verschiedenen Regionen der Schweiz stammen,
wird sie auch in diversen Mundarten
erzählt, was dem Musical einen zusätzlichen Reiz verleiht. Um den Altersunterschied der Darstellenden auch
umsetzen zu können, werden die meisten Rollen zweifach besetzt; einmal als
junge Leute und einmal 22 Jahre älter.
Auf die Frage, wie aktuell denn das Thema der Geschichte sei, antwortet Erwin
«Buba» Bertschy: «Neben der Aktualität des Themas Liebe glaube ich schon,
dass vorallem die verhinderten Lieben
etwas sind, das die Leute beschäftigt.
Denken wir nur an die Problematik des
Zölibats!» Wie schon beschrieben, haben die Autoren neben neuen Partien
verschiedene bereits bestehende Lieder eingebaut, die sie teilweise noch etwas der Geschichte anpassten und die
jeweils nur kurz angesungen werden.
Als musikalischen Leiter konnte Willi Valotti verpflichtet werden, der dazu
auch mit seiner «Wyberkapelle» spielt.
Ausserdem ist der Toggenburger Ländlermusikant Simon Lüthi Teil des Begleitensembles. Die Tatsache, dass an
den zehn Aufführungsorten jeweils der
örtliche Jodlerklub mitspielt, brachte
dem musikalischen Konzept eine weitere Nuance.
Jodelnde Laiendarsteller
«Ich wusste, dass gute Jodlerinnen und
Jodler auch gute Darsteller sind», erzählt Erwin Bertschy. «Sie haben als
Solistinnen und Solisten Aufführungserfahrung und erzählen in ihren Liedern ja auch laufend Geschichten, wozu
sie auch die passende Mimik anwenden müssen. Ausserdem konnten wir
damit rechnen, dass diese auch ein gutes Rhythmusgefühl haben und somit
die choreographischen Teile auch beherrschen werden». Diese Personen zu
finden war jedoch eine nicht einfache
Aufgabe. Letztlich aber konnten Bertschy und Roth eine gut funktionierende
Truppe mit sehr inspirierten Darstellerinnen und Darstellern zusammenstellen. Sie alle hier vorzustellen, würde
den Rahmen dieses Artikel sprengen.
Wer sich darum interessiert, findet auf
der Website des Musicals viele Infos.
Erwähnenswert ist jedoch, dass alle ein
enormes Pensum mit dem Lernen der
Rollen und Lieder, mit Szenen-, Chorund Tanzproben geleistet haben. Da
sie aus verschiedenen Gegenden der
Schweiz stammen, eine grosser Anteil
aber in der Ostschweiz lebt, und weil
Ruedi Roth in seiner Heimatgemeinde
über eine perfekte Infrastruktur von der
Bühne bis zu Verpflegungs- und Übernachtungsmöglichkeiten verfügt, fanden
die meisten Proben in Hemberg statt.
Da die Laiendarsteller auch ihrem Beruf
nachgehen müssen, wurden dazu etwa
zehn Wochenenden reserviert. Weitere Proben fanden aber auch etwas zentraler in Olten statt. Die Aufgaben der
Regie und der Choreographie wurden
ausgewiesenen Profis übertragen. Re-
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gisseur ist Peter Zimmermann, der im
ganzen deutschsprachigen Raum wirkt
und als Schauspieler bezüglich Musical beispielsweise auch im «Dällenbach
Kari» zu sehen war. Für die Choreographie zeichnet Franziska Flückiger verantwortlich.
Das Ensemble freut sich auf eine tolle Première von «Stilli Zärtlichkeite» am 1. Oktober!
Eine grosse Herausforderung
Zu einer erfolgreichen Aufführung gehört in der heutigen Zeit ein nicht unbeträchtliches Equipement. «Wir haben
versucht, die erforderlichen technischen
Massnahmen für Kulissen, Bild und Ton
in einem finanziell machbaren Rahmen
zu halten und wussten natürlich, dass
es schwierig sein wird, bezüglich technischem Aufwand mit den grossen Musical-Aufführungen konkurrieren zu
können», erklärt Manager Erwin Bertschy. Als Trägerschaft wurde der Verein «Jodel Musical Freunde» mit Sitz in
Hemberg gegründet. Neben den Sponsoren, die einen grossen Teil der Wünsche
ermöglicht haben, mussten die Organisatoren auch mit dem Ticketverkauf
rechnen. Dieser wurde den Gewohnheiten des Zielpublikums entsprechend
niedrig gehalten. Als Aufführungsorte
wurden Säle aus dem Umfeld der mitmachenden Jodlerklubs gewählt, die jeweils auch für die örtliche Organisation
zuständig ssowie als Betreiber der Gastwirtschaft mitbeteiligt sind. Die Première findet am 1. Oktober 2016 in Wattwil
statt und die Dernière wird am 2. April
2017 im freiburgischen Wünnewil über
die Bühne gehen. Dazwischen gastiert
das Ensemble in Entlebuch, Burgdorf,
Mümliswil, Reichenbach, Kägiswil, Naters, Schwyz und Herisau (siehe auch
Inserat).
Ergänzung statt Konkurrenz
Abgesehen der im Vorderrund stehenden Unterhaltung des geneigten Publikums wollen die Initianten weitere Ziele
erreichen. Sie wollen aufzeigen, dass
ein traditionelles Genre wie das Jodeln
auch in modernen Aufführungsarten
funktionieren kann. Dass die Stimmen
der Solistinnen und Solisten jenen der
Musicalstars ebenbürtig sind und dass
Jodlerklubs aus der ganzen Schweiz am
gleichen Strick ziehen können. Damit
soll die bekannte Art von Konzert und
Theateraufführungen der lokalen Vereine überhaupt nicht konkurrenziert, sondern um ein weiteres Angebot ergänzt
werden. So wird das Jodelfach einem
neuen Publikum zugänglich gemacht,
was gerade für die Nachwuchsförderung
in den Klubs nicht unerheblich ist.
Bereits sind über die Hälfte der Tickets
verkauft, was darauf hinweist, dass
«Stilli Zärtlichkeite» zu einem weitere
Musicalerfolg in der Schweizer Theaterlandschaft wird.
Tickets und weitere Infos
www.jodelmusical.ch
Telefon 0900 441 441
Ein Teil der der Bühneneinrichtung wird bei den Muscalproben bereits eingesetzt.
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