Bienen, Blüten, Bienenweide Die Bienenweide im Jahresverlauf: der Trachtkalender und das Trachtfliessband Die Vorfrühlingstracht: Bereits im Spätwinter bietet sich das erste Nahrungsangebot. Es sind dies vor allem die wichtigen Pollenspender wie Hasel, Erle, Weide und Kornelkirsche. Dieser erste frische Pollen gibt den Honigbienen Anstoss zur Brutausdehnung im Volk. Die Frühlingstracht: Im eigentlichen Frühjahr (April bis Ende Mai) wird das Angebot der möglichen Trachtquellen grösser und mannigfaltiger. Jetzt bieten sich neben Pollen- auch ausgiebige Nektarspender an. Dazu zählen Weiden, Obstbäume, Bergahorn, Raps, Himbeere, Löwenzahn und Frühblüher in Feld und Garten. Das reiche Pollenangebot bringt das Bienenvolk zur vollen Entwicklung. Das Nektarangebot übersteigt den aktuellen Futterbedarf und ermöglicht so das Anlegen von Vorräten. Honigbienen frühmorgens auf einer Blüte des Schlafmohns. Foto F. Feigenwinter Was ist eine Bienenweide? Alle Rohstoffe, welche Honigbienen und Wildbienen zur eigenen Ernährung und zur Aufzucht ihrer Nachkommen benötigen, sind pflanzlicher Herkunft. Blütenstaub (Pollen) dient dank seines Eiweiss- und Vitamingehalts als „Kraftfutter“ für die Brut, der kohlehydrathaltige Nektar und der Honigtau liefern die notwendige Energie. Honigbienen bereiten durch Eindicken und Anreicherung aus Nektar und Honigtau den lange haltbaren Honigvorrat. Die Gesamtheit der für Bienen relevanten Pflanzenarten, die Trachtpflanzen, eines Gebietes, wird als Bienenweide oder Trachtgebiet bezeichnet. Die Existenz der Honig- und Wildbienen, aber auch vieler weiterer Insekten ist abhängig von einem ausreichenden, durchgehenden und lückenlosen Tracht- oder Nahrungsangebot innerhalb ihres Flugkreises, dem Trachtfliessband. Der Aktionsradius der Honigbiene liegt in der Regel bei maximal 4, derjenige bei Wildbienen je nach Art bei bis zu 1,5 Kilometern. Allein für die Eigenversorgung benötigt ein Bienenvolk etwa 50 kg Honig und 20 kg Pollen. Während von Honigbienen ein breites Artenspektrum an Blütenpflanzen genutzt werden kann, sind Wildbienen (dazu gehören auch die staatenbildenden Hummeln) je nach Art auf ein relativ enges Spektrum beschränkt. Einige Wildbienenarten sind gar nur auf eine Pflanzenart spezialisiert. Stirbt diese an einem Ort aus, wird dort auch dieser spezialisierten Bienenart die Lebensgrundlage entzogen. Die Sommertracht: Die Zusammensetzung der Bienenweide ändert sich mit dem Beginn des Sommers (Juni bis August) stark. Obst- und Waldbäume sind verblüht, an ihre Stelle treten Kultur- und Wiesenpflanzen, Unkräuter und die wichtige Honigtautracht. Honigtau ist ein zuckerhaltiges, flüssiges Ausscheidungsprodukt, das vor allem von verschiedenen Rinden-, Blatt- und Schildlausarten ausgeschieden wird. Diese ernähren sich vom Saft unterschiedlicher Baumarten. Da die Läuse nur gewisse Inhaltsstoffe für sich herausfiltern, wird der grosse, zuckerhaltige Rest in Form von sogenanntem Honigtau wieder abgegeben und steht anderen Insekten zur Verfügung. Honigtau ist reich an den Einfachzuckern Fructose und Glucose und enthält nur einen kleinen Anteil Mehrfachzucker wie Saccharose („Haushaltszucker“). Je nach Herkunft wird der daraus entstandene Honig als Blatt-, Wald- oder Tannenhonig bezeichnet. Für den Imker sind vor allem die von Tannen und Fichten stammenden Waldhonige von Bedeutung. Die Spättracht: Im Spätsommer und Herbst werden Pollen- und Nektarquellen spärlich. Die Pollenversorgung ist aber in dieser Zeit für die Honigbiene besonders wichtig, weil in den Völkern die Winterbienengeneration aufgezogen wird, welche nur bei guter Pollenernährung die für die Überwinterung nötigen Reserven anlegen kann. Zu den biologisch wirksamsten Spätpollensorten zählen Mais, Weiss- und Rotklee oder der Wegerich. Ausgiebige Nektarquellen sind zu dieser Zeit in der Schweiz rar. Zum Schliessen dieser Trachtlücken können reichhaltige Gärten, Balkone und Kleinstflächen einen entscheidenden Beitrag leisten. Blüten und bestäubende Insekten brauchen sich gegenseitig (Wild-)Bienen und die meisten Blütenpflanzen sind voneinander in unterschiedlichem Masse abhängig. Beide unterstützen sich in der wichtigsten Aufgabe aller Lebewesen, der Fortpflanzung. Durch den Nektar angelockt, übertragen die Bienen beim Blütenbesuch meist unbeabsichtigt den Pollen von Blüte zu Blüte und stellen so die Vermehrung der Pflanze sicher. Für diese Bestäubungsleistung „bezahlt“ die Pflanze mit einem, je nach Art an Qualität und Menge unterschiedlichem, Nektar- und Pollenangebot und stellt den Insekten so ein breites Spektrum an Nahrung zur Verfügung. Honigbienen und Wildbienen als Bestäuberinnen Allein der wirtschaftliche Wert der Bestäubungsleistung in der Landwirtschaft wird weltweit pro Jahr auf über 150 Millionen Euro geschätzt. Bienen und Wildbienen sind dabei die weitaus wichtigsten Bestäuberinnen, da sie selber grosse Mengen an Pollen und Nektar benötigen. Die Bedeutung der Wildbienen in der Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen wurde lange Zeit unterschätzt. Neuere Studien zeigen, dass die Honigbienen die Bestäubung durch Wildbienen lediglich ergänzen, jedoch nicht ersetzen können. Wildbienen gehören deshalb als essentielle Bestäuberinnen zahlreicher Wild- und Kulturpflanzen zu den sogenannten Schlüsselarten in einem Ökosystem, d.h. deren Verlust kann ernsthafte Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem haben. Die Vielfalt einer intakten Pflanzen- und Tierwelt ist eine wichtige Voraussetzung für einen funktionsfähigen Naturhaushalt. Erhalt und Förderung dieser Biodiversität sind für den Schutz von Honig- und Wildbienen von grosser Bedeutung. Bienen sind gefährdet Bienen, insbesondere Wildbienen, sind heute stark gefährdet. Seit den 1960er-Jahren ist ein drastischer Rückgang der Wildbienen zu beobachten, der mit Veränderungen in der Landschaft und in der Landnutzung einherging. Heute ist die Hälfte der in der Schweiz nachgewiesenen über 620 Wildbienenarten bedroht. Dafür gibt es mehrere Ursachen, fast alle sind menschgemacht. Einer der Hauptgründe für den starken Artenrückgang wird im Wandel der Landnutzung innerhalb der letzten 50 Jahre gesehen. Überbauung und Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion führten zum Verlust vieler kleinstrukturierter, artenreicher Lebensräume. Der Einsatz von Mineraldüngern, Herbiziden, der Wech- sel von Heu- und Emd- zu Silagenutzung und der vermehrte Einsatz von Maschinen führten zu blütenarmen, ausgeräumten Landschaften. Der Einsatz von Mähaufbereitern verursacht grosse Verluste bei Kleintieren: bis zu 60% der Heuschrecken und Bienen werden dabei getötet. Der steigende Einsatz von Insektizieden gegen Schädlinge zeigte nicht nur akute Nebenwirkungen in Form von Bienenvergiftungen, sondern hatte auch weniger sichtbare, aber ebenso gravierende Auswirkungen auf das Verhalten, die Fortpflanzung und das Nervensystem der Bienen. Gerade diese unterschwellig, chronisch wirkenden Substanzen sind daher immer mehr in den Fokus der heutigen Forschung gerückt. Weitere Gründe für den Rückgang der Bienen und Wildbienen sind der Verlust geeigneter Nistplätze, eingeschleppte Parasiten (z.B. Varroa-Milbe) und verschiedenste Bienenkrankheiten. Haben unsere Bienen eine Zukunft? Alarmierende Meldungen zum Bienensterben haben in den letzten Jahren weiten Kreisen der Bevölkerung bewusst gemacht, wie wichtig Bienen und ihre Verwandten für den Menschen sind. Auch der erfolgreiche Dokumentarfilm «More than Honey» des Schweizer Filmemachers Markus Imhoof hat dazu beigetragen. Ein Umdenken hat begonnen, sowohl in Politik und Landwirtschaft als auch in der Gesellschaft. Dies zeigt sich in der Förderung des biologischen Landbaus, in der Schaffung ökologischer Ausgleichsflächen, in Direktzahlungsbeiträgen an naturbelassene Lebensräume oder auch im Bestreben, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel zu reduzieren bzw. zu ersetzen. Weitere Massnahmen sind nötig, um Bienen zu fördern und zu schützen. Dabei kann jeder etwas für das Platz- und Nahrungsangebot der Bienen tun. Unser Museumsgarten gibt hierzu vielleicht die eine oder andere Idee. Bereichern Sie den eigenen Garten mit Kleinstrukturen oder ergänzen Sie ihren Balkon oder Garten mit schönen und zugleich nützlichen Bienenpflanzen. Jede einzelne Pflanze hilft mit, die Lücken im Trachtfliessband zu schliessen. Dann haben „Biene Maja“ und ihre wilden Verwandten auch weiterhin eine Zukunft. Naturmuseum Thurgau www.naturmuseum.tg.ch