schuhhandel Dielmann, Darmstadt Der Weg nach oben Sicherheitsdenken bewirkt vor allem eines: den sicheren Weg nach unten. Darin sind sich Dr. Thomas und Markus Dielmann einig und setzen auf das Gegenteil. Als dritte Generation einer Schuhhändlerfamilie rüsten sie ihr seit 75 Jahren bestehendes Unternehmen für die Zukunft – und gehen dabei ihren ganz eigenen Weg. schuhkurier sprach mit den beiden Branchenkennern. D Die Formel für den Erfolg heißt ’dielmann 2.0‘. Wer Thomas und Markus Dielmann kennt, weiß, dass es sich hier nicht um eine leere Worthülse handelt. 16 Vielmehr ist der zukunftsträchtige Name Programm. Und zwar eines, bestehend aus konkreten Maßnahmen, mit denen der Darmstädter Schuhfilialist Weichen stellen will. Es geht darum, Neues zu wagen. Das beginnt bei der Expansion. Die erfolgt zielstrebig, aber mit Augenmaß. „Unsere Maßgabe lautet: jedes Jahr mindestens eine neue Filiale“, gibt Thomas Dielmann die Marschrichtung vor. Lieber bedächtig, aber dafür stetig wachsen. Aktuell gehören 24 Filialen zum Portfolio des Schuhfilialisten; im Jubiläumsjahr wurden zwei Eröffnungen gefeiert (Heidelberg mit 400 qm und Hessen-Center, Frankfurt/Main, mit 350 qm). Wobei Wachstum niemals als reiner Selbstzweck betrachtet wird: Von nicht mehr rentablen Geschäften trennt man sich konsequent. Man sei permanent auf der Suche nach neuen Standorten, erklärt Thomas Dielmann. Und auch Übernahmen bestehender Geschäfte Dielmann – die Story Die Brüder Markus und Dr. Thomas Dielmann führen das Unternehmen in dritter Generation. 1935 übernahmen die Großeltern Frieda und Hermann Dielmann ein Darmstädter Schuhhaus, das sie nach Krieg und Zerstörung wieder aufbauten. Sohn Werner trat 1954 in die Firmenleitung ein. 1955 wurde ein zweites Geschäft eröffnet. 1963 übernahmen die Dielmanns ein Geschäft in Mannheim – der Startschuss für die Expansion über Darmstadt hinaus. 1985 wurde die Sporthaus Hübner GmbH übernommen und die Dielmann-Gruppe gegründet. Bis 1991 wurden zehn weitere Filialen eröffnet. In diesem Jahr übernahm Thomas Dielmann die Firmenleitung. Sein jüngerer Bruder folgte im Jahr 2001. Thomas Dielmann ist heute verantwortlich für die Bereiche Finanzen, Personal und Marketing. Markus Dielmann steuert Einkauf und Sortimentspolitik. Die Dielmann Gruppe mit Hauptsitz in Darmstadt führt Fachgeschäfte und -märkte an 36 Standorten. Das Unternehmen beschäftigt ca. 500 Mitarbeiter und erwirtschaftet nach eigenen Angaben einen Bruttoumsatz von 65 Mio. Euro. Der Schuhfilialist Dielmann ist ein Tochterunternehmen mit 24 Standorten und ca. 300 Mitarbeitern. sind gewünscht und gut möglich. Hier halten die beiden Unternehmer Augen und Ohren offen, um gegebenenfalls eine strategisch sinnvolle Ergänzung vorzunehmen. Eigenmarken werden prominent dargestellt – von der Website über ShopAnzeige Keine ’Ehe‘ mit der Industrie Apropos Strategie: Sie ist im Darmstädter Unternehmen auf allen Ebenen greifbar – auch und vor allem im Sortiment. Ganz gezielt pusht man bei Dielmann die sechs Eigenmarken, die auf Basis eines voll vertikalisierten Systems eigenständig entwickelt und vertrieben werden. Sommerkind etwa, eine junge, konsumige Kollektion, oder die feminineren Modelle der Marke Helén Billkrantz. Nicht nur, dass die ungewöhnlich anmutenden Markennamen auffallen – sie sind auch noch authentisch. So hat es eine Mitarbeiterin des Unternehmens namens Helén Billkrantz tatsächlich gegeben, und Sommerkind ist das ambitionierte Projekt zweier dem Hause nahe stehender Designstudentinnen. Alle in-Shop-Module bis hin zum Marketing. Durch gezielte Aktivitäten will man den Umsatzanteil der Eigenmarken von der- zeit 20% auf 30% erhöhen. Flächenpartnerschaften mit der Industrie erteilt man indes eine klare Absage. Auch das ist Teil der Dielmann-Strategie: Keine ’Ehe‘ mit Lieferanten. Maximal drin sind ’Lebensabschnitts-Beziehungen‘. Die wieder um werden intensiv betrieben. So ziemlich alles, was Rang und Namen hat, taucht auf im Dielmann-Sortiment. Buffalo, Gabor, Paul Green & Co. werden aufwändig in den Prospekten beworben; und speziell im Kinderschuhbereich setzt man auf starke, etablierte Marken. Immer geht es den Dielmanns um Fairness, wobei sie mit dem Begriff ’Partnerschaft‘ schon ihre Probleme haben, nicht immer seien die Interessen von Handel und Industrie gleich gelagert. Schließlich aber gelte es, Schuhe zu verkaufen – allein dieses Ziel verbinde Industrie und Handel. Dass dies aber miteinander besser funktioniert als gegeneinander, ist für Thomas und Markus Dielmann selbstverständlich. 17 schuhhandel Dr. Thomas Dielmann zum Thema... Konjunktur und Krise Online-Handel Antizyklisch denken – ein wichtiger Ansatz von Dielmann. Zu Beginn der Krise wurde das Sortiment der Geschäfte ganz bewusst frischer gestaltet, neue Farbvarianten hinzugenommen, um der Krise im wörtlichen Sinne Kontra zu geben. Zum Glück für die Branche hat sie sich bislang kaum auf die Kauflust der Verbraucher durchgeschlagen. Auch nicht in Deutschlands Südwesten, dessen Wirtschaftsleistung zeitweise besonders stark eingebrochen war und wo Dielmann mit seinem Filialnetz sehr präsent ist. Doch Entwarnung kann auch Dielmann nicht geben: Der knallharte Verdrängungswettbewerb gehe weiter. Gefragt nach Plänen zum Schuhverkauf per Internet antwortet Dielmann mit einem klaren Jein. Es sei richtig, dass E-Commerce ein ganz heißes Thema ist und bleiben wird – auch für die Schuhbranche. Doch noch überwiegt die Skepsis. Dielmann: „Online-Handel ist eine komplett andere Welt als der stationäre Einzelhandel. Für uns ist es nach wie vor Versandhandel. Man kann zwar viele Teilprozesse outsourcen. Aber das kostet viel Geld und unterm Strich bringt uns ein Web-Shop für das Gesamtunternehmen aktuell keine Prozesskostenvorteile.“ Unternehmerische ’Stellschrauben‘ „Ganz klar: Wir müssen künftig schneller werden“, so Dielmann. Geschwindigkeit sei DAS Generalthema in der Branche. Der Schuh-Profi meint damit nicht nur die Taktung von Lieferungen und Modethemen, sondern denkt auch an Mitarbeiterschulungen, die in einem schnelleren Rhythmus stattfinden müssen. Auch bei der internen Kommunikation, der Werbekontrolle und der Warensteuerung mit Hilfe moderner Informationstechnologie müsse Tempo gemacht werden. Dielmann: „Wir leben im digitalen Zeitalter. Das muss jetzt überall Einzug halten.“ Sortimentspolitik und Preislagen Die Dielmanns sprechen unterschiedliche Zielgruppen mit unterschiedlichen Ladenformaten an. Die Umsatzentwicklung der diversen Vertriebsschienen (Fachgeschäfte und preisgünstigere Fachmärkte) in den vergangenen Jahren sei weitgehend identisch gewesen. Dielmann: „Wir planen momentan keine Veränderungen in den Preislagen.“ Der Durchschnitts-Bon liege bei 50 Euro. Ziel sei es, statt Preisschlachten den Kunden ein Aha-Erlebnis zu bieten. Dielmann geht davon aus, dass man die Kunden auch heutzutage noch auf eher traditionelle Weise, nämlich mit einer besonders großen Auswahl an ’modisch richtigen‘ Schuhen beeindrucken kann. Das setzt die Bereitschaft voraus, ins modische Risiko zu gehen. 18 Lieferanten „Wir wollen starke deutsche Lieferanten weiter ­stärken. Wir brauchen diese Marken“, lautet das Credo von Dielmann. Tempo und Termintreue seien in diesem Zusammenhang entscheidende Faktoren. Dielmann kritisiert in diesem Zusammenhang das für die ­Branche geltende Konditionenkartell, das den Herstellern in ­Sachen Auslieferung „Gummitermine“ einräumt. Deren ­Aktivitäten mit Monomarken-Stores beobachtet Dielmann gelassen. „Manche laufen gut. Aber längst nicht alle“, sagt der Unternehmer. Warenpräsentation Bei Dielmann hat man eine Zeit lang mit Karton-Präsentation experimentiert. Aber: „Für uns ist das nichts“, ­musste Dielmann erkennen. Denn Kartons beeinträchtigen die Wertigkeit des Auftritts am Point of Sale. Die ­Dekoration erfolgt mit eigenen Kräften. Großfotos und Poster für die Rückwände werden hausintern produziert. „Wir sind stolz auf die gute Optik unserer Geschäfte.“ Außerdem: die ­Steuerung einer gut gemachten Kartonpräsentation ist extrem aufwändig und funktioniert nur mit modernster Informationstechnologie. In der Mitte zu Hause „Alle reden davon, dass die Mitte wegbricht – wir fühlen uns dort sehr wohl“, erklärt Markus Dielmann. Und um diese nach wie vor kauflustige Mitte immer wieder aufs Neue anzusprechen, gehören auch umfangreiche Werbemaßnahmen zum Programm ’dielmann 2.0‘. Nicht nur, dass Prospekte eine tragende Rolle im Konzept spielen: „Viele haben sich von Prospekten als Werbemittel verabschiedet – wir arbeiten damit nach wie vor sehr erfolgreich“, stellt Thomas Dielmann klar. Hinzu kommt der nun forcierte Ausbau webbasierter Marketing-Aktivitäten, um jüngere Kunden gezielt anzusprechen. Hier will man neue Wege beschreiten. „Die Kommunikation unter Jugendlichen folgt ihren eigenen Gesetzen. Diese Klientel erreicht man nur über neue Medien. Das wollen wir gezielt angehen“, so Markus Dielmann. Ganz konservativ verhält sich das Unternehmen allerdings im Umgang mit den Mitarbeitern. Aus- und Weiterbildung stehen ganz oben auf der ’To do‘-Liste. „Wir suchen motivierte, gute Mitarbeiter“, erklären die beiden Unternehmer und sind überzeugt, diesen Menschen „viele interessante, tolle Jobs bieten zu können.“ Wobei man auch hier keine Kompromisse macht, sondern sehr genau darauf achtet, dass jeder mit Begeisterung und Leidenschaft dabei ist – nur so schließlich können Kunden zu Stammkunden werden. Regelmäßig wird die Kompetenz der Mitarbeiter in Testkäufen ermittelt; und wo nötig, wird noch gefeilt. „Das ist mit enormem Aufwand verbunden, aber es lohnt sich“, ist Thomas Dielmann überzeugt. Und wer fit sei und weiter kommen wolle, der bekomme im Unternehmen auch immer eine Chance. Es sind also gute Voraussetzungen, mit denen das Darmstädter Traditionshaus in die Zukunft startet. Was wünscht man sich als Chef eines Hauses, das in der Branche als „gut aufgestellt“ bewertet wird? „Weiteres Wachstum, aber überschaubar“, erklären die beiden Unternehmer. Und: „Passende Rahmenbedingungen“. Im Klartext: Dass Manager zu ihrer Verantwortung – auch zu ihren Fehlern – stehen. Und die Freiheit, wirklich unternehmerisch handeln zu können. ¢ Petra Salewski, Bruno Reiferscheid