Störung

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Entwicklungspsychopharmakologie
DGKJP-Kongress 2017 Ulm
Michael Kölch
25.3.2017
Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane
coi
Forschungsunterstützung: BMBF, BMFFSJ, BMG, Schweizer Bundesamt für
Justiz, EU, Eli Lilly International Foundation, Boehringer Ingelheim, Servier
Klinische Studien (letzte 5 Jahre): Servier, Lundbeck, Pascoe
Vortragstätigkeit Industrie : keine in den letzten 5 Jahren
Beratertätigkeit Industrie: keine in den letzten 5 Jahren
Mitgliedschaften: Kinderarzneimittelkommission BfArM, SAG Psychiatry EMA
ECNP, AACAP, DGKJP, BAG
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Inhalte
•
•
•
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•
•
Grundlagen
Recht und Entwicklungen
AHDS
Affektive Störungen
Bipolare Störungen
Sucht - Entzug
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Problemlage
•
•
•
•
•
Systematische Erfassung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen in klinischen
Prüfungen
Zulassungsstudien sollen einen „minimal burden“ und „minimal harm“ bei
Minderjährigen beinhalten.
Möglichst geringe Wahrscheinlichkeit von SAE wird angestrebt.
Folge 1: bestimmte Populationen oder Patienten, bei denen evt. ein erhöhtes
Risiko für das Auftreten von AE oder SAE besteht, werden oft anhand definierter
strenger Ausschlußkriterien nicht in die Studie aufgenommen.
Folge 2: Studienergebnisse stimmen nicht oder nur begrenzt mit der „realen Welt“,
also der klinischen Behandlungspraxis überein.
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SAE und AE in klinischen Studien
•
SAE (schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis ): jedes in einer
genehmigungspflichtigen klinischen Prüfung oder einer genehmigungspflichtigen
Leistungsbewertungsprüfung auftretendes ungewolltes Ereignis, das unmittelbar
oder mittelbar zum Tod oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des
Gesundheitszustands eines Probanden/Anwenders geführt hat/haben
könnte/führen könnte, ohne zu berücksichtigen, ob das Ereignis vom
Medizinprodukt verursacht wurde. (§ 2 Nr. 5 MPSV).
•
AE (unerwünschtes Ereignis): Ereignis, das nicht erwartet oder erwünscht ist,
ohne Kausalzusammenhang
Bewertungslogik
MEDRA
•
•
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Definitionen: Häufigkeiten
Sehr häufig: mehr als 1 Behandelter von 10 (> 10 %)
Häufig: 1 bis 10 Behandelte von 100 (1 – 10 %)
Gelegentlich: 1 bis 10 Behandelte von 1.000 (0,1 – 1 %)
Selten: 1 bis 10 Behandelte von 10.000 (0,01 – 0,1 %)
Sehr selten: weniger als 1 Behandelter von 10.000 (< 0,01 %)
Beispiel einer Studie mit Guanfacin:
338 Randomisierte Patienten, davon beendeten 272 (80.5%) Patienten die Studie
Häufig:
2,7-27 Patienten
Gelegentlich:
0,2-2,7 Patienten
Selten:
0,2-0,2 Patienten
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Anzahl eingeschlossener Patienten: Beispiel OCD I
Skapinakis et al. 2016
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Anzahl eingeschlossener Patienten: Beispiel OCD II
Skapinakis et al. 2016
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Anzahl eingeschlossener Patienten: Beispiel OCD III
Skapinakis et al. 2016
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Aripiprazol: Findling et al. 2009
•
296 Patienten:
–
–
–
•
•
237 (80%) beendeten die 4 wöchige Studie
SAE
–
–
–
•
bei 5.1% (n = 5) in 10 mg Gruppe
2.0% (n = 2) 30 mg Gruppe
5.2% (n = 5) PBO.
10mg- Gruppe SAE:
–
–
–
–
–
•
Aripiprazol 10 mg/d (n = 98),
Aripiprazol 30 mg/d (n = 99),
Placebo (n = 99)
1 Pat. Überdosierung, Grand-mal und Atemstillstand: not related;
1 Pat. ODD: not related
1 Pat. Suizidale Gedanken: not likely related
1 Pat. Agression: not related to treatment
1 Pat. Aggressionen und Erschöpfung: probably related
30mg und PBO Gruppe SAE
–
“Exazerbation der bipolaren Störung: unrelated or not likely related to study medication.
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Findling et al. 2009: Aripipirazol Adverse Events
•
•
•
•
•
AE in mind. 5% der Patienten:
12 Pat. (Aripiprazol 10 mg, n = 4; Aripiprazole 30 mg, n = 7; PBO, n = 2) beendeten aufgrund
AE Studienteilnahme vor Woche 4
4 Pat. (Aripiprazol 10 mg, n = 2, Aripiprazol 30 mg, n = 1; PBO, n = 1) beendeten bevor
Extension.
AE 10 mg: Erschöpfung (n = 2), Sedierung (n = 2), Akathisie (n = 1), Aggression (n = 1),
suizidale GEdanken (n = 1).
AE 30 mg: EPS (n = 3), Verschlechterung BP (n = 2), Erbrechen (n = 1), Dystonie (n = 1),
Somnolenz (n = 1)
Was würde häufig und was gelegentlich bedeuten?
• 0,1-1% entspräche 2,3-2,9 Patienten! = gelegentlich
• 0,01-0,1% entspräche 0,02-0,2 Patienten! = selten
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Problem Einschlußkriterien
• Um möglichst klare Effekte zu ermöglichen werden Populationen
selektiert, die möglichst wenig Komorbidität zeigen
• Problem aber auch: ethische Überlegungen (minimal harm)
• Beispiel depressive Störungen und Häufigkeit suizidaler Gedanken in
Population Jugendlicher
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Suizidalität: Häufigkeit suizidaler
Gedanken in Population Jugendlicher
• Heidelberger Schulstudie: (n= 5759, mittleres Alter: 14.9, SD: 0.73)
– Suizidgedanken: 14.4 %
– Suizidversuche: 7.9 %
– Suizidpläne: 6.5 %
• Ulmer Schulstudie (n=665, Alter: 14-17)
– Suizidversuche: 6,5 %
– Suizidgedanken: 35.9 %
Brunner et al., 2007, Plener et al., 2009
Trotzdem in Studien zu depressiven Störungen: Suizidalität typisches
Ausschlußkriterium
Beispiel TADS Studie: Ausschlußkriterien
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Findling et al. 2009: Aripiprazol bei Bipolar I Störung
Ausschlußkriterium :
“Subjects who attempted suicide in the past 6 months, had a score > 3 on the
Suicidal Ideation item of the Children’s Depression Rating Scale-Revised
(CDRS-R) or were determined by the investigator to be at risk of suicide were
excluded.”
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ADHD
• Hohe Komorbidität mit SSV…..
• Hohe Komorbidität mit Ticstörung/Tourette
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Ausschlußkriterien einer Studie mit einem NichtStimulans gegen ADHS Symptomatik
Clinically significant illness, including a clinically significant abnormal
screening visit; current, comorbid psychiatric diagnosis (except
oppositional defiant disorder [ODD]); history/presence of cardiac
abnormalities,cardiovascular or cerebrovascular disease, serious heart
rhythm abnormalities, syncope, tachycardia, cardiac conduction problems,
exercise-related cardiac events or clinically significant bradycardia; orthostatic
hypotension and/or aknown history of hypertension; seizures; and glaucoma.
A family history of sudden cardiac death, ventricular arrhythmia or QT
prolongation, a patient history of alcohol or substance abuse and
those patients with serious tic disorder, including Tourette's
syndrome, were excluded.
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Länderspezifität bei Studien
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Teil II: Zulassung, Aufklärung
Aufklärung und das Patientenrechtegesetz
• Seit Februar 2013
• §§630e BGB
• Aufklärung mündlich und verständlich
• Rechtzeitig
• Ergänzend kann auf Unterlagen in Textform Bezug
genommen werden
• Abschriften von Unterlagen zur Aufklärung und
Einwilligung, die unterzeichnet wurden sind
auszuhändigen!!
§ 630e: Aufklärungspflichten
• (1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die
Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören
insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und
Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung
und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei
der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen,
wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche
Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder
Heilungschancen führen können.
§ 630e: Aufklärungspflichten
• (2) Die Aufklärung muss
• 1. mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen,
die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung
verfügt; ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden,
die der Patient in Textform erhält,
• 2. so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die
Einwilligung wohlüberlegt treffen kann,
• 3. für den Patienten verständlich sein.
• Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die er im
Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat,
auszuhändigen
.
§ 630f: Dokumentation der Behandlung
• (1) Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in
unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine
Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen
und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig,
wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie
vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte
Patientenakten sicherzustellen.
• (2) Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus
fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen
Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen…
Beweislast
Der Arzt/die Ärztin oder der Krankenhausträger trägt die
Beweislast für die Aufklärung des Patienten, bzw. der
Sorgeberechtigten
Zu beachten:
Einwilligungsfähige Jugendliche
Eltern in Trennungs-und
Scheidungssituationen
voice effect
• Mitsprachemöglichkeiten im Entscheidungsprozess erhöhen
die wahrgenommene Fairness, selbst dann wenn keine
Kontrolle hinsichtlich des Ergebnisses der Entscheidung
besteht
• Mitsprache führt zu höherer Akzeptanz und Bindung an die
Folgen der Entscheidung
ADHD
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Prävalenz von ADHS-Diagnosen bei Kindern und Jugendlichen in
Deutschland nach Alter und Geschlecht in den Jahren 2006 und 2012
(KiGGS)
Hinweis: Deutschland; 2003 bis 2012; 3 bis 17 Jahre; 17.641 (2006); 12.368 (2012)
Quelle: Robert Koch-Institut; Uni Duisburg-Essen; ID 375162
Krankenhausstatistik Hyperkinetische Störungen (F90)
Patienten, stationär
Krankenhauspatienten mit F90-Diagnose im Alter
von unter einem Jahr bis unter 18 Jahren
9000
8000
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Männlich
2006
2007
Weiblich
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Insgesamt
Geschlechterwendigkeit (m:w): 4:1
Quelle: Plener, eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2016
BARMER GEK Arztreport: MPH Verschreibungen
Alter/Jahr
2006
2011
Alle Altersgr.
0,3%
0,4%
0-19 Jahre
1,5%
2,0%
BARMER GEK Arztreport, 2013
Wer diagnostiziert und behandelt?
Arztgruppe
Prävalenz
Pädiater
54,0%
Hausärzte
35,8%
Kinderpsychiater
27,9%
Nervenheilkunde/Neurologen
6,2%
Psychol. Psychotherapeuten
5,7%
Psychiater, Psychosomatiker
3,3%
BARMER GEK Arztreport, 2013
Altersverteilung Medikation bei AHDS
Medikamentöse Überversorgung?
•
•
•
•
•
MPH Verschreibung: 1,1% (AOK Hessen)
MPH Verschreibung (5-14 Jahre): 3,2% (Zi KV)
Medikation im ersten Jahr nach Diagnose: 37% (GePaRD)
Medikation im Follow-up (3;4 Jahre): 52% (GePaRD)
Aktuell kein Hinweis auf generelle Überversorgung in Deutschland
Schubert et al., Dt. Ärztebl, 2010; Hering et al., ZiKV, 2014; Lindemann et al., J Child
Adolesc Psychopharmacol, 2012; Garbe et al., J Child Adolesc Psychopharmacol, 2012;
Franke et al. 2016
Methlyphenidat-Verschreibungen
Diagnosen: F90
2006-2011
10,5% der Bevölkerung D
8,6 Millionen Versicherte
1,3 Millionen: 0-19 Jahre
MPH Verschreibungen
2006-2011
BARMER GEK Arztreport, 2013
Kernsymptome und Folgen
•
Unaufmerksamkeit
•
Hyperaktivität
•
Impulsivität
• Schulversagen
• Soziale Probleme
• Erhöhtes Risiko für
Substanzmissbrauch
•
Medikamentöse Therapie soll die Risiken minimieren und primär
das psychosoziale Funktionsniveau verbessern; medikamentöse
Therapie bedeutet nicht „Ruhigstellung“, Sedierung o.ä.
•
Bis zu 75% der Kinder mit ADHS sprechen auf Stimulanzien an
•
Stimulanzien reduzieren das Risiko, komorbide psychiatrische
Störungen zu entwickeln, einschl. Substanzmissbrauch (Uchida et
al., 2015)
•
Stimulanzien verbessern das psychosoziale Funktionsniveau (Uchida
et al., 2015)
ADHS und komorbide Störungen: Kinder und
Jugendliche
(MTA-Study, n=579)
Oppositionelles
Trotzverhalten
“reines”
ADHS
31%
40%
Tics
11%
Angst-
Störung des
Sozialverh.
14%
Affektive Störungen
4%
Störungen
34%
MTA Cooperative Group.
Arch Gen Psychiatry
1999; 56:1088–1096
ADHS und komorbide Störungen: Erwachsene
Generalisierte Angststörung
53%
PanikStörung
15%
Alkoholabh.
34%
Drogenabhäng.
30%
OCD
13%
Dysthymie
25%
Zyklothymie
25%
Shekim et al. Compr.
Psychiatry 1990, 31(5):41625.
“reines”
ADHS
14%
ADHS im Längsschnitt
• N=251, 10 Jahre FU, 7-16a zur baseline
• Growth mixture modeling
• „Persisting ADHD“: mehr Depression und ODD, mehr Alkohol- und
Marijuanakonsum, weniger Durchhaltevermögen: 22,3%
Tandon et al., 2016
ADHS und Depression
• Pittburgh ADHD Longitudinal Study
• N=394: Depressionsrating jährlich 18-15 Jahre
• ADHS im Kindesalter: Prädiktor für höhere Depressionswerte mit 18 und
danach
• Zusammenhang verschwindet wenn f. aktuelles ADHS kontrolliert
32,5% über cut-off
19,2% über cut-off
Meinzer et al., 2016
Verlauf von ADHS
•
•
•
Massachusettes General Hospital Longitudinal Study
N=280 mit ADHS, 242 ohne ADHS: 6-17 Jahre; 11 Jahre FU
35% Vollbild mit ca. 22 Jahren, 43% Teilsymptomatik oder unter Medikation
remittiert
Uchida et al., Epub 2015
Hechtmann et al., J Am Acad Child Adolesc
Psychiatry 2016;55(11):945–952.
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Swanson et al. 2017: MTA long-term
follow-up
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„Erwachsenen ADHS?“
•
•
•
•
Dunedin study: n=1037, 38a FU
ADHS in Kindheit: 6%, in Erwachsenenalter: 3% (ausgeglichenes
Geschlechterverhältnis)
KEINE Überlappung bei 90%
Nur 5% mit ADHS im Kindesalter: ADHS mit 38 Jahren
Moffitt et al., 2015
„Erwachsenen ADHS?“
• Geburtskohorte: n=5249, FU: bis 19 Jahre
• ADHS mit 11: 8,9%: mehr m; ADHs mit 18/19 Jahren: 6,3%: mehr w
• 17,2% childhood onset: adult ADHD, nur 12,6% adult ADHD hatte
childhood ADHD
• Vergleichbare Defizite: Verkehrsunfälle, kriminelles Verhalten, Gefängnis,
Suizidversuche, Depression, Substanzkonsum
Caye et al., 2016
„Erwachsenen ADHS?“
•
•
•
•
E-risk Longitudinal Twin Study: 2232 Zwillinge, GB und Wales
ADHS im Kindesalter (5-12 Jahre): 12,1% und ADHS mit 18 Jahren: 8,1%
21,9% mit childhood ADHD auch adult ADHD: mehr Symptome, geringerer IQ
Adult ADHD: 67,5% nie ADHS im Kindesalter, höherer IQ, weniger
externalisierende Verhaltensstörungen
Höhere Raten:
GAD
Marihuana Konsum
SSV
Agnew-Blais et al,. 2016
Stabilität von ADHS bei Erwachsenen
•
•
•
•
•
7-Jahres-FU in Erwachsenen mit ADHS (18-68 Jahre)
N=344, FU: N=227
Stabil: 69,8%
Kein ADHS Vollbild: 30,2%: 17,8% Teilremission, 12,4% Vollremission
Prädiktoren f. Persistenz: Symptomzahl, soziale Phobie, ODD
Karam et al., 2015
Medikamentöse Möglichkeiten
• Psychostimulanzien im engeren Sinn
– Methylphenidat, Amphetamin
• SNRI
– Atomoxetin
• Alpha-Sympathomimetika
– Guanfacin
• „vorderes“ Aufmerksamkeitssystem
• „hinteres“ Aufmerksamkeitssystem
Psychostimulanzien –
Wirkmechanismus
• Blockade der synaptischen Dopamin-Rückaufnahme im Striatum und im
Kortex, so dass mehr Dopamin zur neuronalen Erregungsweiterleitung und
damit zur besseren Verhaltenssteuerung zur Verfügung steht (?).
• Amphetamin führt zur Ausschüttung von zytosolischen, vesikulären und
neu synthetisierten „Pools“ von Dopamin (Sulzer 2011).
• Der Unterschied zwischen Methylphenidat und Amphetamin liegt
vermutlich darin, dass Methylphenidat nicht direkt wie Amphetamin die
Freisetzung von Katecholaminen beeinflusst, was die geringere
Nebenwirkungsrate von Methylphenidat erklären würde. Bei
Amphetaminen findet sich eine direkte Inhibition der MAO (Anghelescu u.
Heuser 2008).
Stimulanzien – Regeln
• Beginn (i.d.R.): Start mit Methylphenidat (inzwischen auch
retardiert)
• Dosis: 0,5-1mg/kgKG
• einschleichend eindosieren
• Sicherheits- und Verlaufsuntersuchungen beachten
– Größe, Gewicht
– Anamnese zu kardialen Vorerkrankungen – auch in der Familie
– EKG EEG BE
• Wirkungseintritt: bereits nach wenigen Stunden
• Bei retardierten Präparaten: PK-Profil beachten und ggfs.
anpassen
Stimulanzien – UAW
• Appetitlosigkeit, gastrointestinale Störungen und Gewichtsverlust
• Traurigkeit, gesteigerte Reizbarkeit, anklammernd-ängstliches
Verhalten, Einschlafschwierigkeiten oder Appetitlosigkeit
• Am späten Nachmittag oder Abend kann es bei Absinken der
Wirkspiegel zu Wiederauftreten bzw. verstärktem Auftreten der
Zielsymptomatik kommen; eine zusätzliche niedrigdosierte
Medikamentengabe am Nachmittag oder der Wechsel auf ein
Retardpräparat kann Abhilfe schaffen
• Wirkungen auf das Längenwachstum (laut heutigem Kenntnisstand:
Verzögerung möglich, aber keine bleibende Reduktion)
• Selten reversible Exazerbation von Tics
• Auslösung von Psychosen bei prädisponierten Personen.
Kardiovaskuläre Ereignisse
• Nach 14 Monaten: höhere Hf b. MPH und MPH+CBT (84,2 u. 84,6) vs. CBT
od. TAU (79,1 u.78,9)
• Nach 10 Jahren kein Effekt mehr auf Hypertension
• Kumulativ höhere Stimulanzienexposition: höhere Hf: nach 8 Jahren
Vitiello et al., 2012
Vorgehen bei Nonresponse oder
Kontraindikationen gegen MPH
• Atomoxetin
• Amphetamin
• Guanfacin
Atomoxetin – UAW
• Kopfschmerzen, Rhinitis, Husten, Schmerzen
im Epigastrium, Übelkeit, Erbrechen,
Schwindel, Müdigkeit, Stimmungslabilität,
Blutdruckanstieg u.a.
• Zu Beginn der Behandlung Appetitminderung
und Gewichtsverlust, später Zunahme des
Körpergewichts
Amphetamine: Dexamphetamin und LisAmphetamin
•
•
•
Alternativen bei Nonresponse auf MPH: Amfetaminpräparate
Zugelassen für Kinder ab 6 Jahren
Bedingungen: unzureichendes Ansprechen auf MPH und Behandlung muss
unter Aufsicht eines Spezialisten für Verhaltensstörungen b. Kdrn. durchgeführt
werden.
Dexamfetamin
• Dexamphetamin: initial 5-10 mg tgl., wöchentliche Steigerung um 5 mg:
maximale Dosis 20 mg
• In seltenen Fällen bei älteren Kindern: 40 mg/d
Lisdexamfetamindimelisat
• 30/50/70 mg (8,9/14,8/20,8 mg)
• UAW: Sehr häufig (>10%): verminderter Appetit, Schlafstörungen,
Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Oberbauchschmerzen, Gewichtsabnahme
Guanfacin
• Alpha2A-Rezeptor-Agonist
• Initialdosis 1mg/d, Steigerung der Dosis 1 mg/w auf max. 4
mg/d.
• Erwarteter Effekt bei 0,05-0,08mg/kg/d, Benefit bei
Dosissteigerung bis max. 0,12mg/kg/d
• Bei Absetzen: Ausschleichen durch Dosisreduktion von
1mg/3-7d
• Metabolisierung via CYP 3A4
Full Prescribing Information, INTUNIV® , 2013
Zusammenfassung UAW
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Besonderheiten bei jüngeren Kinder
• Bei Kindern im Vorschulalter treten
unerwünschte Wirkungen häufiger auf,
gleichzeitig wirken Elterntraining und andere
Maßnahmen besser; eine Stimulanziengabe ist
daher nur im Ausnahmefall notwendig und
sinnvoll
Medikamente vs. Psychotherapie
• Medikamente waren in einer großen Studie
bezüglich der Kernsymptome
Unaufmerksamkeit und
Hyperaktivität/Impulsivität überlegen
(Swanson et al., 2008)
• Wirkung von Verhaltenstherapie zeigte sich
nur in nicht verblindeten Studien, nicht aber in
verblindeten (Sonuga-Barke et al., 2013)
Wirksamkeit nicht-pharmakologischer
Therapieoptionen
Alternativen?
•
•
•
Marginale Effekte (nach Verblindung):
Omega-3-6-FS
Künstliche Lebensmittelfarbstoffe (Tartrazin, div. Farbstoffe)
SMD für MPH: 0,9
Sonuga-Barke et al., Am J Psychiatry, 2012
Alternativen?
•
Nach Verblindung kein sign. Effekt für kognitives Training, Diäten,
Neurofeedback oder Verhaltenstraining
SonugaBarke et al.,
Am J
Psychiatry,
2012
Fazit: Wirksamkeit nicht-pharmako-logischer
Therapieoptionen
• Deutlich geringere Effekte im Vergleich zu
Pharmakotherapie
• Evidenzbasis auf die ADHS-Kernsymptomatik
gegenwärtig limitiert bzw. Evidenzlage
unzureichend, wenn strenge methodische Kriterien
zugrunde gelegt werden
ADHS in Erwachsenenalter
• Symptomatik deutlich prominenter im Bereich Aufmerksamkeit und
Impulsivität, weniger motorische Unruhe
• Methylphenidat: aktuell nur ein zugelassenes Präparat in
Deutschland
• Atomoxetin: nur wenn es auch schon vor dem 18. Lebensjahr
verordnet worden war
• Initiierung: Medikinet® adult
• Fortführung: Atomoxetin, Concerta®, Elvanse®, MPH-HClneuraxpharm®
• Psychotherapeutisch wird eine Verhaltenstherapie empfohlen
Antidepressiva
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AD: Pharmakoepidemiologie
•
•
•
•
•
BARMER GEK Daten: 2005-2012
N=1,4-1,6 Millionen Kinder und
Jugendliche
Anstieg: 49,2% (von 0,32 auf 0,48)
Signifikanter Anstieg nur in
Altersgruppe 15-19
Anstieg der SSRIs, Abnahme der TCAs
2005
%
2012
%
1
Fluoxetin
12,2
Fluoxetin
24,3
2
Johanniskraut
11,0
Citalopram
15,7
3
Opipramol
10,0
Opipramol
7,6
4
Citalopram
9,4
Mirtazapin
7,3
5
Imipramin
8,1
Amitryptilin
5,5
Hoffmann et al.,
Pharmacoepidemiol
Drug Saf, 2014
Fazit: Antidepressiva
• Anstieg der Antidepressiva Verordnungen 2005-2012: 49%
(von 0,32% auf 0,48%)
• Im internationalen Vergleich noch relativ zurückhaltende
Verschreibungspraxis
• Trend zu evidenzbasierter Psychopharmakologie
Pharmakotherapeutische Behandlung
– Antidepressiva bei Minderjährigen
Tricyclika
SSRIs
Phytopharmaka
•
MPH
MDD
Fettsäuren
Zwangsst.
Angstst.
Neuroleptika
Essstörungen
Die Daten zu SSRI-Studien wurden inzwischen reanalysiert und
Metaanalysen durchgeführt,
►bisher außer für Fluoxetin kein überzeugender Wirknachweis
für die SSRI
(Whittington et al. 2004, Hammad et al. 2006).
• Autoren fanden hohen
Anteil Verordnungen (Es-)
Citalopram und
Mirtazapin
• Dosis sei in vielen Fällen
nicht entsprechend LL
SSRI: Fluoxetin Zulassung bei mittelschwerer bis schwerer
Depression ab 8 Jahre
•
•
•
•
Dosissteigerung bis 40-60mg; oftmals 20mg ausreichend
Wirklatenz
Besonders zu beachtende Nebenwirkung: Aktivierung
Selten Serotonerges Syndrom bei Absetzen
Pharmakodynamik:
• Wirkung: Wiederaufnahme-Hemmung von Serotonin in Synapsen
• Inhibitor von CYP2D6: Interaktion mit anderen AM!! (Benzos, Neuroleptika)
• Keine anticholinergen/antihistaminergen Eigenschaften
Pharmakokinetik:
• Hauptmetabolit: Nor-Fluoxetin
• Lange HWZ 1-3 Tage: kumuliert
• Vorteil: Vergessen einer Dosis hat kaum Auswirkung
• Nachteil: Absetzen dauert lange, Gefahr von Interaktionen auch nach Absetzen
• CAVE: Kombination mit MAO-Hemmern
• Autoinhibition der Metabolisierung
Spiegel-Dosis-Beziehung
Koelch M, Pfalzer A, Kliegl K, Rothenhöfer S, Ludolph AG, Fegert JM, Burger R, Mehler-Wex C, Stingl J, Gerlach M.
(2012) Therapeutic drug monitoring of children and adolescents using fluoxetine, Pharmacopsychiatry, 45(2):72-76.
Sertralin
• Zulassung für Zwangsstörungen ab 6 Jahre
• Beginn mit 25mg/d; Aufdosierung bis max. 250mg/d
Pharmakokinetik:
• HWZ: 26h
• Metabolit: N-Desmethylserin
• CYP2C19 Polymorphismus: 50% höhere Plasmaspiegel
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Fluvoxamin
• Zwangsstörungen ab 8 Jahren
• 25mg/d Dosiserhöhung im 25mg max. 200mg
• Verteilung auf 2 Dosen
Pharmakokinetik
• HWZ: 15,6h
• Stoffwechsel: CYP2D6 & CYP1A2
• Metabolite: Fluvoxaminsäure, N-Acetyl-Fluvoxamin
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Probleme der Pharmakotherapie bei
MDD
Altersspezifische Unterschiede bei Nebenwirkungen von SSRI (Safer & Zito 2006):
•Erbrechen: Kinder > Jugendliche
•Aktivierung/“beh. toxicity“: Kinder > Jugendliche > Erwachsene
•Risiko für „Suizidalität“: SSRI 4%, Placebo 2%
Metaanalyse Daten Committee on Safety of Medicines (CSM) + Literatursuche
2004-2005: Self-harm/suicide related behaviour bei knapp 5% (71) Jugendlichen vs.
3% (38) Pbo (Hammad 2006 & Mosholder et al. 2006)
Suizidale Gedanken/suizidale Impulse nicht statist. signifikant häufiger (Dubicka
et al. 2006)
Abnahme der Suizidraten – Zunahme der Antidepressivaverordnungen
Grunebaum et al., 2004
Gusmão et al., 2013
• Die deutliche Abnahme der Suizidraten in den meisten westlichen Industrieländern
korreliert negativ mit einem Anstieg der Verordnungsraten von Antidepressiva
• AD-Verordnung ist der beste Prädiktor, nicht aber Bruttosozialprodukt, Alkohol,
Arbeitslosigkeit. Auch Scheidungsrate weist eine Beziehung auf (Gusmão et al., 2013).
Suizidalität und Suizidrisiko US- Jugendliche 1991-2011
(Lowry et al. 2014)
•
•
•
2011: , compared with students with no suicidal thoughts or attempts, the health-risk
behaviors most strongly associated with suicide attempts among
female students injection drug use (APR ¼ 12.8), carrying a weapon on school property (APR
¼ 9.7), and methamphetamine use (APR ¼ 8.7);
among male students, the strongest associations were for IDU (APR ¼ 22.4), using
vomiting/laxatives for weight control (APR ¼ 17.1), and having been forced to have sex (APR
¼ 14.8).
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Suizide bei Jüngeren in Deutschland
2015 DESTATIS
Altersgruppe
total
m
w
Unter 10
-
-
-
10 bis 15
19
6
13
15 bis 20
196
133
63
20 bis 25
316
243
73
25 bis 30
427
340
87
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Comparative efficacy and tolerability of antidepressants for major
depressive disorder in children and adolescents: a network meta-analysis
Cipriani A, Zhou X, Del Giovane C, Hetrick SE, Qin B, Whittington C, Coghill D, Zhang Y, Hazell P,
Leucht S, Cuijpers P, Pu J, Cohen D, Ravindran AV, Liu Y, Michael KD, Yang L, Liu L, Xie P.
Lancet. 2016 Aug 27;388(10047):881-90. doi: 10.1016/S0140-6736(16)30385-3.
•
•
•
•
Netzwerk Meta-Analyse : “direct and indirect evidence from relevant trials”.
PubMed, the Cochrane Library, Web of Science, Embase, CINAHL, PsycINFO,
LiLACS, regulatory agencies' websites, and international registers for published and
unpublished, double-blind RCT (bis 31.5. 2015)
Indikation: MDD bei Kindern und Jugendlichen
Substanzen:
–
–
•
Kriterien:
–
–
–
•
Amitriptylin, Nortriptylin, Clomipramin, Desipramin, Imipramin, Nefazodon,
Fluoxetin, Citalopram, Escitalopram, Sertralin, Duloxetin, Mirtazapin, Venlafaxin, Paroxetin
Dauer mehr als 4 Wochen,
mehr als 10 Teilnehmer,
keine “treatment-resistant depression” (also TORDIA nicht inklusive),
Primary outcomes:
–
–
efficacy (change in depressive symptoms)
tolerability (discontinuations due to adverse events)
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Comparative efficacy and tolerability of antidepressants for major
depressive disorder in children and adolescents: a network meta-analysis
Cipriani A, Zhou X, Del Giovane C, Hetrick SE, Qin B, Whittington C, Coghill D, Zhang Y, Hazell P,
Leucht S, Cuijpers P, Pu J, Cohen D, Ravindran AV, Liu Y, Michael KD, Yang L, Liu L, Xie P.
Lancet. 2016 Aug 27;388(10047):881-90. doi: 10.1016/S0140-6736(16)30385-3.
•
•
•
•
34 Studien ausgewählt: 5260 Studienpatienten
14 Antidepressiva (bedeutete ca.375/AD; cave: keine Gleichverteilung)
“Quality of evidence was rated as very low in most comparisons”
Efficacy: nur Fluoxetin sign. PBO überlegen (standardised mean difference
−0·51, 95% credible interval [CrI] −0·99 to −0·03).
• Tolerability: FLX besser
– DLX (odds ratio [OR] 0·31, 95% CrI 0·13 to 0·95)
– Imipramine (0·23, 0·04 to 0·78).
– Imipramine, Venlafaxine, DLX mehr Abbrüche aufgrund AE verglichen mit PBO (5·49,
1·96 to 20·86; 3·19, 1·01 to 18·70; and 2·80, 1·20 to 9·42, respectively).
Schlussfolgerung der Autoren:
“When considering the risk–benefit profile of antidepressants in the acute treatment of
major depressive disorder, these drugs do not seem to offer a clear advantage for
children and adolescents. Fluoxetine is probably the best option to consider when a
pharmacological treatment is indicated.”
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Tatsächlich Todesfälle und OR unter AD – kein Minderjähriger
betroffen (Sharma et al. 2016)
Suizidalität SSRI/SNRI (Sharma et al. 2016)
Aggressives Verhalten und SSRI/SNRI
(Sharma et al. 2016)
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• Fragestellung: Lösen AD
besondere Phänomene wie
Suizidalität, Aggression etc.
aus?
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Bielefeldt et al. 2016: Ergebnisse bei gesunden
Erwachsenen
Verdoppeltes Risiko Suizidaliät und Aggression: odds ratio 1.85 (95% CI 1.11 to 3.08,
p=0.02, I2=18%)
NNH (Gesunde) = 16 (95% CI 8 to 100; Mantel-Haenszel risk difference 0.06)
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Antipsychotika
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AP Verordnungen
Bachmann et al., Dt. Ärzteblatt Int.; 2014
AP Verordnungen
Bachmann & Hoffmann, 2013:
Barmer Arzneimittelreport
AP Verordnungen
60
50
HA
40
PÄD
30
KJP
20
NP
SON
10
0
0-4
5-9
10-14
15-19
Ca. je 30% der Verordnungen durch KJP/Pädiater
Bachmann & Hoffmann, 2013:
Barmer Arzneimittelreport
AP Verordnungen
Diagnose
%
Hyperkinetische Störungen
48,0
Störungen des Sozialverhaltens
29,3
Depression
25,7
Angst- und emotionale Störungen
19,1
IQ-Minderung
18,2
Autismus-Spektrum-Störung
13,4
Ticstörungen
10,6
Teilleistungsstörungen
9,9
Somatoforme Störungen
9,1
Persönlichkeitsstörungen
8,9
Anpassungsstörungen
8,3
Schizophrenie
6,1
N=4.433
Bachmann & Hoffmann, 2013:
Barmer Arzneimittelreport
Fazit: Antipsychotika
• Deutlicher Anstieg von AP-Verordnungen bei Kindern
und Jugendlichen in D in den letzten Jahren: + 41%(von
0,23% auf 0,32%)
• Anstieg vor allem bei Jungen im Alter von 10-14 und 1519 Jahren
• Häufigste Diagnosen: Externalisierende Störungen
• Prävalenz in D im Vergleich mit USA niedriger, im
europäischen Vergleich eher höher
Tic-Störungen und Tourette Syndrom
•
•
•
•
•
Indikation für Medikation nur der subjektive Leidensdruck und das Ausmaß der
Einschränkung durch Tics
Cave temporäre Tics vs. chronische Ticstörung
Behandlung an Ticverlauf anpassen: undulierender Verlauf bedeutet auch
undulierende Dosis der Medikation
NW können Behandlung limitieren
Prolaktinmessung vor Medikationsbeginn!
Ludolph et al. 2012
Second generation antipsychotics
(SGA)
Olanzapin, Risperidon, Quetiapin, Ziprasidon etc.
Verträglichkeit und NW-Profil: + bis – (im Vergleich zu FGA)
aber: Wirksamkeit Ø /+
Typische schwere NW:
– Gewichtszunahme
– Kreislauf
– Metabolisches Syndrom /Diabetes
– EPS
Sonderfall Aripiprazol: „dritte“ Generation
Zulassung für Minderjährige
Name
Indikation
Alter in Jahren
Aripiprazol
Schizophrenie
15
Clozapin
Schizophrenie
16
Sulpirid
Schizophrenie
6
Haloperidol
Schizophrenie
3 (noch)
Historisch:
Pimozid: Erhaltungstherapie bei chronischen Psychosen ab 3 Jahre
Benperidol: indirekte Indikation in Abschnitt 4.4: "Zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von
Benperidol bei Kindern und Jugendlichen liegen keine
ausreichenden Studien vor. Deshalb sollte Glianimon bei Kindern und Jugendlichen unter 18
Jahren nur unter besonderer Berücksichtigung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses verordnet
werden."
Fluphenazin: Kontraindikation bei Kindern < 12 Jahre. Ab 12 Jahren: nur nach Nutzen-RisikoAbwägung
Perazin: indirekte Indikation in Abschnitt 4.4: Kinder unter 16 Jahren sind von der Behandlung
auszunehmen
Besonderheit Aripiprazol (Zulassung
Schizophrenie ab 15 Jahren)
•
•
•
•
•
Aripiprazol = Partialagonist:
bei Dopaminüberfluss antagonistisch,
bei Dopaminmangel dagegen agonistisch
serotonerge 5-HT1A-Rezeptoren partiell agonistisch
serotonerge 5-HT2A-Rezeptoren antagonistisch
•
•
•
HWZ= 75 Stunden
Steady state: 14 d
Wird über CYP2D6 und CYP3A4, cave: poor metabolizer
•
Erhaltungsdosis: 1* täglich 15 mg/d
Sonderfall Clozapin
Erstes SG AP, hat „beste“ Wirkung,
aber Agranulozytosegefahr
Deshalb: nie erste Wahl, sondern nur nach Versagen zweier/dreier anderer NL
Strenge Überwachung (wöchentliche BB-Kontrollen 16 Wochen lang), Patienten- und
Elternaufklärung (bzw. auch Rehainstitutionen)
weitere NW: Gewichtszunahme
Neuere Daten zur Wirksamkeit (Zhang et al. 2013, Int J
Neuropsychopharm, Fraguas et al. European Neuropsychopharm 2010)
•
•
Wirkung FGA und SGA vergleichbar (bei schizophrenen Psychosen)
Insgesamt Wirkung SGA besser, weil geringere Raten an Therapieabbrüchen bei
schizophrenen Psychosen
•
Mit typischen AP verglichen:
– EPS seltener mit Olanzapin, Risperidon, Clozapin
– Gewichtszunahme: größer mit Clozapin, Olanzapin, Risperidon (insgesamt
höher bei SGA: p<0.05–0.01)
•
Fazit: Olanzapin, Amisulprid und - deutlich geringer Risperidon und Quetiapin
- höhere Effektivität, da längere Behandlungskontinuität und weniger EPS
Nebenwirkungen bei Minderjährigen: Gewichtszunahme
Antagonismus an H1 und 5-HT2c Rezeptoren
Stärker ausgeprägt gegenüber Erwachsenen
Mittlere Gewichtszunahme
– Olanzapin (n=353): 3.8 kg-16.2 kg
– Clozapin (n=97):
0.9 kg -9.5 kg
– Risperidon (n=571): 1.9 kg -7.2 kg
– Quetiapin (n=133): 2.3 kg -6.1 kg
– Aripiprazol (n=451) : 0.0 kg -4.4 kg
Fraguas et al. 2010
Mittlerer Gewichtszuwachs:
Olanzapin 3.45 kg (95 % CI 2.93-3.98)
Risperidon 1.77 kg (95 % CI 1.35-2.20)
Aripiprazol 0.94 kg (95 % CI 0.65-1.24)
Almandil et al. 2013
Komedikation (Stimmungsstabilisatoren)
►Fazit für die Praxis: bester Prädiktor für Gewichtszunahme ist Binge-eating und frühe
Gewichtszunahme in den ersten Behandlungswochen (2-3 Wochen)
„neue“ Therapie- oder
Präventionsformen?
•
•
•
Omega-3-Fettsäuren
Mehrfach ungesättigte FS (PUFA=polyunsaturated fatty acids):
Omega 6 FS: Arachidonsäure, Linolensäure
Omega 3 FS: Eicosapentaensäure (EPA), Docosahexaensäure (DHA), Alpha-Linolensäure
(ALA=metabolischer Vorläufer f. EPA und DHA)
In der Diskussion bei Schizophrenie:
• Amminger et al. (2010):
– RCT mit 81 high-risk Patienten 12 Wochen O-3FS: sign. niedrigere Rate an
Psychosemanifestation
• Fusar-Poli & Berger (2012): Metaanalyse:
– 167Pbo und 168 Verum Patienten (EPA): kein Effekt
• Aber: Bentsen et al (2013): RCT Omega 3-FS + Vitamin E+C:
– EPA allein/Vitamine allein: verschlechterter Verlauf im PANNS/Symptomatik
– EPA + Vitamine: neutral
– Patienten mit niedrigem PUFA-Werten: profitierten nicht von PUFA allein!
Aktuell laufen mehrere Replikationsstudien: Ergebnisse in 3-4 Jahren (also dann bitte noch
mal nachsehen!)
Bipolare Störungen
Antipsychotika
•
•
•
Zugelassen in D sind für die Indikation Manie z.B.
Aripiprazol (Zulassung bipolar ab 13 Jahre)
Ziprasidon (Zulassung bipolar ab 10 Jahre)
•
•
Erfahrungen insbesondere zu NW bestehen über Einsatz bei Schizophrenie
Bei BP: SGA größere Effektstärken als mood stabilizer (ES = 0.65, CI: 0.53-0.78 versus
0.24, CI: 0.06-0.41) (Corell et al. 2010)
teilweise keine Vollremission (Tohen et al. 2007;Findling et al. 2009; Haas et al.
2009).
Langzeitdaten fehlen
•
•
•
Aripirazol: Effektivität:
– 6-w, randomisierte, doppel-blinde Studie mit Aripiprazol (n = 196) vs PBO (n = 98)
– Jugendliche 13 - 17 y
– Wenn Effekt: Reduktion Symptome: 50% nach 2 Wochen, 75% nach 3 Wochen
– Wenn nach 3 Wochen Ansprechen: positiver Prädiktor (Corell et al. 2013)
Lithium
Deutlich geringe Bedeutung in KJP
Problem: therapeutische Breite
Problem: Alltag von Jugendlichen (Sport etc.)
Wirksamkeit:
• „Langzeituntersuchung“ (16-Wochen) : Dosis-Mittel: 28.2 (6.7)
mg/kg/d (Findling et al. 2012)
• häufige NW (≥20%): Erbrechen, Kopfschmerzen, Bauchscherzen,
Tremor, aber immerhin 17% der Patienten hatten eine Enuresis als
AE (Findling et al. 2012),
• Aber: 60% erhielten eine weitere Medikation
• Dosis: >30kg:600mg/900mg als Startdosis
•
•
Akuttherapie bei bipolaren Störungen im Kindes- und Jugendalter:
Lithiumspiegel: 0,6 -1,2 mmol/l
Rezidivprophylaxe: Lithiumspiegel: 0,8 mmol/l (Gerlach et al.
2006)
Stimmungsstabilisierer – Teratogenes Risiko
Verfügbare Studien (überwiegend bei Epilepsiepatienten): siehe:
Tomson und Battino, Lancet Neurology 2012, Moolgard-Nielsen et al., 2010:
Derzeitiger Wissensstand: Lamotrigin scheint am wenigsten
Fehlbildungen zu verursachen
Valproat deutlich erhöhtes Risiko für spina bifida
Neurodevelopmental Effects of Antiepileptic Drugs (NEAD) Studie:
Hinweise die geringsten Effekte auf IQ Entwicklung hat Lamotrigin, dann
Carbamazepin, Valproat (ca. 3, bzw 6 IQ Pkt Diff.)
Stimmungsstabilisierer – Spezifische teratogene
Risiken
Valproat:
 Spina bifida:
OR 12,7 (95 % CI: 7,7 – 20,7)
 Vorhofseptumdefekt: OR 2,5 (95 % CI: 1,4 – 4,4)
 Gesichtsspalte:
OR 5,2 (95 % CI: 2,8 – 9,9)
 Hypospadie
OR 4,8 (95 % CI: 2,9 – 8,1)
 Polydaktylie
OR 2,2 (95 % CI: 1,0 – 4,5)
 Kraniosynostose
OR 6,8 (95 % CI: 1,8 – 18,8)
Carbamazepin:  Spina bifida
Lamotrigin
Lithium
OR 2,6 (95 % CI: 1,2 – 5,3)
 Gesichtsspalte
OR ~ 10
(Holmes et al., Neurology 2008)
 keine spezifischen Fehlbildungen bekannt (EUROCAT)
 Ebstein-Anomalie
OR ~ 10
 Absolutes Risiko unter Lithium: 0,01%
Tomson and Battino, Lancet Neurology 2012
Therapie der akuten Manie – Erwachsene S3 LL
Phasenprophylaxe der bipolaren Störungen –
Erwachsene S3LL
Therapie der bipolaren Depression – Erwachsene S3 LL
EKT
Pharmakotherapie (S3 Leitlinie, DGPPN, 2012)
Manie
• Lithium (ca. 900-1350 mg, Spiegel: 0.8-1,0 mmol/l)
• Antikonvulsiva (Valproat)
• Atypische Neuroleptika (Olanzapin, Quetiapin, Risperidon, Aripiprazol, Ziprasidon)
• initial evtl. zusätzlich Benzodiazepine und/oder Haloperidol
• Bei ausbleibendem Erfolg -> Kombinationstherapie -> EKT
Rezidivprophylaxe
• Lithium (Spiegel: 0,6–0,8 mmol/l), Aripiprazol, Olanzapin, Risperidon, Valproat
• bei fehlendem Erfolg: Kombitherapie, auch mit Quetiapin
• bei Rapid Cycling: Versuch mit Lamotrigin
• Reduktion der Suizidalität nur für Lithium nachgewiesen
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