VO L L I M T R E N D … TO U R I S M U S Wenn König Kunde Der Wettbewerb in der Tourismuswirtschaft wird härter. Immer ausgefeiltere Produkt-, Vertriebsund Marketingstrategien sind nötig, wenn es um den Verkauf von Reisen geht. Dabei steht der Kunde mit seinen Wünschen und Bedürfnissen mehr und mehr im Mittelpunkt. abi interessierte sich dafür, welche Anforderungen an die Mitarbeiter in der dynamischen Branche gestellt werden und welche Qualifikationen künftig an Bedeutung gewinnen werden. pen zusammen. Er füllt Buchungskarten aus und leitet telefonische Anfragen weiter. Denn die Telefonschulung hat der Auszubildende bei seinem Arbeitgeber Lotus Travel Service GmbH schon hinter sich gebracht. Dieser werden noch unzählige Schulungen folgen, die die neuen Mitarbeiter mit allem nötigen Wissen zu Buchungssystemen, Reiseangeboten und Gesundheitsreisen wie Ayurveda-Kuren versorgen. „Kunden beraten kann ich definitiv noch nicht selbst“, gibt der 23-jährige Patrick Grübener zu, „das machen die erfahreneren Kollegen unseres Reisebüros, die die Produkte genau kennen und abschätzen können, was der Kunde will und was sie diesem anbieten müssen.“ Mit diesem hohen Beratungsaufwand reagiert der Münchner Reiseveranstalter und -vermittler Lotus Travel Service auf den sich immer stärker ausprägenden Trend der Individualisierung in der Touristik: Sein Konzept sieht maßgeschneiderte Reisen vor, die die Berater im firmeneigenen Reisebüro mit dem Kunden Baustein für Baustein individuell zusammenstellen. Bei Lotus Travel versuchen alle Mitarbeiter, der Firmenphilosophie „Reisen zu sich und anderen“ treu zu bleiben und sich genügend Zeit zu nehmen, auf die persönlichen Wünsche und Bedürfnisse der Kunden einzugehen. „Im Gesundheitsbereich kann man mindestens von einer Stunde Anfangsberatung ausgehen“, erklärt Silvia Leibacher, die zusammen mit ihrem Mann die Geschäfte von Lotus Travel führt und die Reise-Produkte designt. Pauschalreisen und Baukastensysteme sind die beiden Reisevarianten, die derzeit am häufigsten vermarktet werden. Da jedoch immer mehr Kunden ihren Urlaub individuell gestalten wollen, geht der Trend zum Baukastensystem. „Die großen Reiseveranstalter haben in der Vergangenheit zum Teil an den Kundenwünschen vorbeigearbeitet. Bei uns bleibt kaum eine Reise so, wie sie in unserem Katalog beispielhaft ausgewiesen ist“, verrät Silvia Leibacher. Kundenorientierung ist das A und O „Kundenorientierung ist eigentlich für alle Bereiche in der Touristik ein Muss, für den Reiseberater, den -begleiter und auch für den -designer, 14 abi 2/2006 Foto: Archiv Möller Medien D Bisher stellt Patrick Grübener nur die Unterlagen für Kunden in Map- der die Produkte entwickelt“, bestätigt Henriette Freikamp vom Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung Halle-Leipzig gGmbH (isw). Das isw-Institut gehört dem Forschungsnetzwerk zur Früherkennung von Qualifikationserfordernissen FreQueNz an und hat vor allem junge und dynamische Branchen auf Trends in der Berufsausbildung hin abgeklopft. Im Branchenbericht „Qualifikationsentwicklung im Tourismus“ (2002) haben Dr. Lothar Abicht, Henriette Freikamp und Barbara Preuss dokumentiert, dass alles, was Marketing, Vertrieb, Beratung und Betreuung stärkt, in der Touristik gefragt ist. So wurde Patrick Grübener bei Lotus Travel nicht nur deshalb eingestellt, weil er reisebegeistert ist, fließend Englisch spricht und sich ein halbes Jahr in Neuseeland aufhielt: Mit das wichtigste Argument war seine bereits absolvierte Ausbildung zum Mediengestalter, durch die er selbstständiges Arbeiten gewohnt ist und sich bereits eine gewisse „Marketingdenke“ zu Eigen gemacht hat. „Lust aufs Reisen reicht nicht aus, um in der Tourismusbranche Fuß zu fassen“, betont Manuela Dittmann Bereichsleiterin Personal und Or- Schwerpunkt: Tourismus reisen will … Foto: Privat Patrick Grübener ist reisebegeistert, eine wichtige Voraussetzung für seine Ausbildung bei Lotus Travel. Foto: Lotus Travel Silvia Leibacher stellt mit einer PR-Agentur und einem Grafikbüro, die auf Tourismus spezialisiert sind, akribische Produktbeschreibungen der Lotus-Reisebausteine zusammen, um Reisebüros optimale Informationen an die Hand zu geben. Früherkennung von Qualifikationstrends abi-Reihe „Voll im Trend“ Beliebte Urlaubsformen (Marktpotenzial 2005-2007) Angaben in Prozent Konsumentenumfrage: Interesse an bestimmten Urlaubsformen in den nächsten 3 Jahren 44 31 17 16 12 All-Inclusive Städtereisen Kur im Urlaub Quelle: Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen Wellness Kulturreise 12 Kreuzfahrt Mehrfachnennungen waren möglich Die Früherkennungsforschung des Netzwerks FreQueNz hat ihren Schwerpunkt bislang auf Branchen oder Tätigkeitsfelder gelegt, die durch eine hohe Dynamik gekennzeichnet sind. Dies sind neben der Tourismuswirtschaft zum Beispiel die Gesundheits- und Wellnessbranche, sicherheitsorientierte Dienstleistungen, die IT- und Multimediabranche sowie Finanzdienstleistungen. Außerdem werden Bereiche untersucht, in denen umfangreiche Forschungsleistungen erbracht werden, wie zum Beispiel in Nano- und Biotechnologie oder in den Erneuerbaren Energien. Die Reihe des abi-Magazins „Voll im Trend“ wird diese Forschungsergebnisse nach und nach aufgreifen und zeigen, welche Qualifikationen in welchen Branchen oder Technologieumfeldern künftig gefragt sein werden. Neben wichtigen Ausbildungen und Berufsprofilen werden auch einschlägige Studiengänge vorgestellt. Die Reihe startete 2005 mit einem Beitrag zur Nanotechnologie. abi 10/2005 Nanotechnologie – Kleinigkeiten mit großer Wirkung http://www.abi-magazin.de/rubrik/schwerpunkt200510.jsp Weitere Informationen auf den Seiten des Forschungsnetzwerks FreQueNz: http://www.frequenz.net abi 2/2006 15 Schwerpunkt: Tourismus ganisation bei DERTOUR, ein Individualreiseanbieter, der zur Unternehmensgruppe des Rewe-Konzerns gehört. Denn der Großteil der Arbeit werde vom Schreibtisch aus erledigt. Der Kontakt zu fremden Kulturen und die internationale Zusammenarbeit seien jedoch weiterhin die häufigsten Motive, sich in der Touristik zu bewerben. Schon immer waren Fremdsprachen-, Geografiekenntnisse und Auslandserfahrungen von großem Vorteil für Bewerber in dieser Branche. Zu den Trendqualifikationen, die sich nun zunehmend als wichtig erweisen, zählen psychologisches Geschick im Umgang mit Menschen, Verkaufstalent, Kreativität beim Zusammenstellen von Reisebausteinen und lebenslange Lernbereitschaft, um sich mit viel Allgemein- und Hintergrundwissen, vor allem über die Reiseprodukte und Zielgebiete und deren kulturelle, religiöse und politische Eigenheiten ausstatten zu können. 2,8 Millionen Beschäftigte Die Tourismuswirtschaft zählt mit zirka 2,8 Millionen Beschäftigten, davon zirka eine Million im Gastgewerbe, zu den größten Arbeitgebern in einem ausgeprägten Preisbewusstsein der Kunden wirtschaftlich erfolgreich agieren zu können. Touristik-Trends Daher gingen 30 Tourismusexperten aus 13 Ländern im vergangenen Jahr auf die Suche nach dem Tourismus von morgen. Die Erkenntnisse aus dem Workshop, den das isw-Institut durchführte, bestätigten die oben genannte Studie von 2002: „Neue Trends, die die Entwicklung neuer Produkte antreiben, ergeben sich vor allem durch ein verändertes Freizeitverhalten, eine zunehmende Individualisierung, die demografische Entwicklung und ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein“, fasst Henriette Freikamp vom isw-Institut die wichtigsten Ergebnisse zusammen, „und das trifft im Grunde auf alle von uns untersuchten Dienstleistungsbranchen zu.“ Die Deutschen neigen zu Kurzurlauben, weil sie beruflich enger eingebunden sind oder eine flexiblere Freizeitgestaltung bevorzugen. Wenn der Urlaub kürzer ist, dann sollte er wenigstens effektiv oder erlebnis- Foto: Seifert Das wichtigste Instrument, das vom isw-Institut zur Früherkennung von Qualifikationstrends herangezogen wird, ist das so genannte „Branchenscouting“: Im Zuge von Recherchen wurden zuerst alle möglichen Eckdaten zur Tourismusbranche zusammengetragen. Dann sprach man mit Brancheninsidern und -experten, Vertretern von Verbänden und Forschungseinrichtungen und stellte Kontakte zu repräsentativen Unternehmen her. Dort wurden Interviews mit Geschäftsführern, Personalverantwortlichen und Mitarbeitern geführt, in denen versucht wurde, zukunftsweisende strategische Konzeptionen und für diese notwendige Qualifikationen von Fachkräften zu ermitteln. Genau das entspricht der Definition von „Trendqualifikation“: eine Qualifikation, an der bereits Bedarf besteht und die künftig stark an Bedeutung gewinnen wird. Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung Halle-Leipzig gmeinnützige GmbH (isw) http://www.isw-institut.de Safaris gehören bei individuell zusammengestellten Fernreisen nach Afrika zu den beliebtesten Reisebausteinen. Foto: Obermeyer/Willmy CC Branchenscouting Zahlreiche All-Inclusive- und WellnessAngebote locken Urlauber in die Karibik. Abgeschlossene Ausbildungsverträge zum Reiseverkehrskaufmann/-frau reich sein, lautet die DeDeutschland. Die Deutvon 1998 bis 2004 vise von vielen Reisewilschen waren auch im ligen, die deshalb immer Jahre 2004 wieder Rei- 4.500 4.093 4.015 seweltmeister: 48,1 Mil- 4.000 mehr Event- oder Städ3.885 tereisen, Kultur-, Semilionen Menschen sind 3.500 3.314 nar- oder Sprachreisen mindestens vier Tage auf 3.019 3.000 buchen. Das Bedürfnis Reisen gegangen und 2.679 2.678 nach Regeneration und haben dabei 120,2 Milli- 2.500 2.362 2.247 2.098 arden Euro ausgegeben, das gesteigerte Gesund1.975 2.000 so der Deutsche Tourisheitsbewusstsein zeigen 1.516 1.395 1.500 1.293 musverband. Die Fußsich durch die starke 1.000 Nachfrage im Wellnessballweltmeisterschaft, und Gesundheitstourisdie dieses Jahr auf deut500 mus, was sicher auch schem Boden stattfin0 det, wird den Touristenmit der älter werdenden 2004 1998 1999 2000 2001 2002 2003 strom noch einmal verGesellschaft zusammenQuelle: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) mit Abitur/FHS anderer Schulabschluss größern. hängt. „Diese Klientel“, In den achtziger und neunziger Jahren hatte die Touristikindustrie Ulrich Rüter, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Tourismuswirtschaft, spricht hier von über Sechzig- und Siebzigjährigen, ihren bisherigen Höhepunkt und wuchs in manchen Jahren doppelt so „verfügt über ein hohes Einkommen, hat Zeit für ausgedehnte Reisen schnell wie das Bruttoinlandsprodukt. Doch die goldenen Zeiten sind und möchte exklusiv betreut werden.“ Nicht selten sind Ältere aber in vorbei: Terrorismus, Naturkatastrophen, politische Unruhen, Krankihrer Mobilität eingeschränkt und stellen höhere Ansprüche an die meheiten wie SARS und nicht zuletzt die wirtschaftliche Unsicherheit der dizinische Versorgung. Programme müssen so gestaltet werden, dass Bürger haben dazu geführt, dass die Touristikunternehmen den Gürtel Reisen für diesen Personenkreis nicht zur Tortur wird. Dasselbe trifft in enger schnallen mussten. So muss die Tourismuswirtschaft als Dienstnoch stärkerem Maße für Behinderte zu. Wie sich kleinere Reiseveranleistungsbranche auf gesellschaftliche Trends reagieren, um auch bei 16 abi 2/2006 Schwerpunkt: Tourismus 200 den Unternehmen selbst gesteuert: Bei großen Konzernen gibt es deshalb Business Travel-Fachkräfte, die den Reiseverkehr des gesamten Personals unter Kostengesichtspunkten managen. Das reicht von der Kommunikation mit Reisebüros und -veranstaltern bis hin zur Betreuung des Firmenfuhrparks. Wie anspruchsvoll eine solche Tätigkeit als „Travel-Manager“ ausfallen kann, wird im Porträt auf Seite 22 dargestellt. 150 Klassischer Berufseinstieg Tourismuswachstum in Deutschland in Milliarden Euro 300 Privater Tourismus 250 Business Travel 100 50 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2015 Quelle: World Travel & Tourism Council, The 2005 Travel & Tourism Economic Research Der klassische Berufseinstieg in die Tourismuswirtschaft ist noch immer die Ausbildung: Reiseverkehrs-, Hotel- und Luftverkehrskaufleute, Hotel- und Restaurantfachleute, Köche und Berufskraftfahrer sind die gängigsten Ausbildungsberufe der Branche, die weitgehend mittelständisch geprägt ist. 190.000 Restaurants und Gaststätten, 54.000 Hotels und Pensionen, knapp 20.000 Reisebüros und -agenturen und 6.000 Busunternehmen beschäftigen vorwiegend Auszubildende und Absolventen einer Berufsausbildung, aber auch ungelernte Kräfte. Tourismus-Studiengänge Einen Überblick über sämtliche tourismusbezogenen Studiengänge in Deutschland bietet die „TourismusAusbildungsAnalyse 2005“, ein Wegweiser für Studienanfänger. In Trägerschaft der Technischen Universität Dresden und der Fachhochschule Worms wurde sie vom Tourismus Interessen Kreis (TIK) in Zusammenarbeit mit dem Dachverband touristischer Arbeitsgemeinschaften FUTURISTA durchgeführt. Erhältlich ist sie bei diesen Institutionen gegen eine Schutzgebühr von 2 Euro. Foto: Archiv Möller Medien Kostenloser Download beim Tourismus Interessen Kreis Dresden: http://www.tik-dresden.de Orte mit historischen Sehenswürdigkeiten, wie die Schiller- und Goethe-Stadt Weimar, üben auf Touristen aus dem In- und Ausland, vor allem im Rahmen von Kultur- oder Seminarreise angeboten, große Anziehungskraft aus. Marktanteile der größten deutschen Reiseveranstalter nach dem Umsatz (2004) übrige 17,8 % FTI 3,4 % TUI Deutschland 28,2 % Öger 4,4 % Alltours 7,1 % Rewe-Touristik 19,1 % Thomas Cook 20,0 % Quelle: FVW International stalter auf diese Zielgruppe spezialisieren, ist Thema des Porträts auf Seite 23. Ein weiterer boomender Bereich ist der Geschäftsreiseverkehr, auf den Petra Hedorfer, Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Zentrale für Tourismus e.V., hinweist: „Die Geschäftsreisenden sind für den Tourismus ein wichtiges Standbein. Deutschland ist weltweit Messestandort Nummer eins und auch bei den Tagungen und Kongressen in Europa auf Platz eins, weltweit hinter den USA auf Rang zwei.“ Geschäftsreisen nehmen in der globalisierten Wirtschaft zu und werden immer mehr von Insbesondere für den Bereich Reisebüro ist die Berufsausbildung der Königsweg in die Branche. So ist es auch beim auf Asien spezialisierten Lotus Travel Service: „Die meisten der Lotus-Berater sind Reiseverkehrskaufleute“, so die Personalverantwortliche Silvia Leibacher. In den drei Jahren der Ausbildung werden die kaufmännischen Grundlagen und das Wissen, wie man mit den fachlichen Tools wie Buchungs- und Reservierungssystemen umzugehen hat oder sich im Büro organisiert, vermittelt. Zudem gibt es drei Einsatzgebiete in der Ausbildung: Reiseveranstaltung, Reisevermittlung Touristik und Reisevermittlung Beförderung. „Die Unternehmen legen fest, in welchen Einsatzgebieten sie ausbilden wollen“, erläutert Bettina Trappmann-Webers vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Das garantiert die für diesen Beruf unverzichtbare Praxisnähe. Henriette Freikamp hält den „Reiseverkehrskaufmann“ auf der Grundlage der isw-Auswertungen für eine solide Basisqualifikation: „Alles Weitere kann zum Großteil über betriebsinterne Weiterbildungen abgedeckt werden.“ Diese Auffassung wird von den großen Reiseveranstaltern bestätigt, die sehr individuell ausbilden und ihre Mitarbeiter mit betriebsinternen Schulungen und Kursen zielgerichtet auf verschiedene Einsatzgebiete und Funktionsbereiche vorbereiten. Trotz der passgenauen Berufsausbildung findet es Silvia Leibacher schwer, die richtigen Mitarbeiter zu bekommen: „Bei vielen Bewerbern lassen Bildungsniveau und soziale Kompetenz zu wünschen übrig.“ Aber genau das braucht es für eine beratungsintensive Tätigkeit in einer Branche, die sich immer mehr durch Kundenorientierung auszeichnet. „Wenn abi 2/2006 17 Schwerpunkt: Tourismus Berater ungenau arbeiten, kommt es häufiger zu Reklamationen, Umbuchungen oder Stornierungen, was wir dann auch finanziell zu spüren bekommen“, so Silvia Leibacher. Sport, Event, Gesundheit und IT Auch andere kaufmännische Ausbildungsberufe sind gerne in der Branche gesehen, Tendenz steigend: Sport- und Fitnesskaufleute statten immer mehr die beliebten Sporttrips aus; Veranstaltungskaufleute – eventuell sollen sie frühestens ab 2007 direkt bei der DER-Gruppe (Deutsches Reisebüro GmbH, DERTOUR und Meier’s Weltreisen) ausgebildet werden – sorgen für den Eventcharakter von Reisen und organisieren große und kleine Veranstaltungen für Gruppen oder Individualisten; die Kaufleute im Gesundheitswesen sind die Spezialisten für Programme mit Wellness- oder Gesundheitskomponente; Groß- und Außenhandelskaufleute bringen den Auslandsbezug und die Fremdsprachenkompetenz mit; und Informatikkaufleute kümmern sich beispielsweise um die mehr und mehr frequentierten Internetbooking-Systeme, bei denen noch ein im- lang im Außendienst als Reiseleiter arbeiten, und dann erst eine Weiterqualifizierung (zum Beispiel ein BWL-Studium) draufsatteln.“ Ziele sind das Produktmanagement (siehe Porträt Seite 20), die Betreuung von Reisebüros (Seite 21) oder sonstige Controlling-, Vertriebsund Marketingpositionen. „Die Produktmanager kaufen zum Beispiel Hotel- und Mietwagenkontingente in den Urlaubsländern ein, verhandeln mit den Anbietern vor Ort über Wellness-Pakete oder Golfkurse und aktualisieren dadurch beständig ihr Angebot“, erklärt Manuela Dittmann von DERTOUR. Im Traveldesign kommt es auf eine gehörige Portion Kreativität an: „Es genügt dabei nicht, einfach auf Trends aufzuspringen“, betont Katrin Hörner von Thomas Cook, „sondern man muss selbst Trends setzen können.“ Während die DER-Gruppe bei der Fortbildung momentan noch auf den Touristik-Fachwirt setzt, eine berufsbegleitende Maßnahme, die direkt an den Reiseverkehrskaufmann anschließt, wird es bei der TUI Deutschland GmbH ab 2006 zusätzlich Bachelor-Studiengänge geben. „Bachelor werden bei uns in den touristischen Kernbereichen sowie im Die Tourismuswirtschaft 2004 Umsatz Tourismusindustrie gesamt: 140 Milliarden Euro (+2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) Foto: Dertour Anzahl der Gäste und Übernachtungen: 116 Millionen Gäste, 339 Millionen Übernachtungen Quelle: Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Die deutschen Urlauber bevorzugen immer mehr Kurztrips, dann aber mit viel Kultur oder Action, wie hier beim Rafting in den deutschen Alpen. menses Entwicklungspotenzial vorhanden ist. Die Bedeutung der Informatik ist gar nicht hoch genug für die Tourismuswirtschaft einzuschätzen: Bei der DER-Gruppe werden im Hard- und Softwarebereich für Buchungs-, Reservierungs- und Verwaltungssysteme 120 Spezialisten eingesetzt. Natürlich hat auch Thomas Cook eine eigene IT-Abteilung, „weswegen es großen Bedarf an Fachinformatikern gibt“, wie die Ausbildungsleiterin der Thomas Cook AG, Dr. Katrin Hörner, betont. Bei aller Weiterentwicklung von Online- und IT-Systemen kann es sich Henriette Freikamp nicht vorstellen, dass der Beratungsbedarf geringer werden wird. Deshalb sieht das isw künftig auch bei OnlineBeratung und -verkauf von touristischen Produkten und Dienstleistungen den Einsatz von speziell geschulten Fachkräften: Online Travel Agents sind kommunikationsstarke Leute, die per E-Mail oder Telefon mit den Kunden in Kontakt treten. Bachelor im Kommen Wer in der Tourismuswirtschaft beruflich vorankommen und Budgetverantwortung tragen will, wählt meistens eine der branchenspezifischen Weiterbildungen oder Aufbaustudiengänge an Fachhochschulen oder Berufsakademien, um sich fit fürs Management oder Marketing zu machen. Die Personalentwicklerin der Thomas Cook AG, Daniela Brandt, beschreibt den idealen beruflichen Werdegang wie folgt: „Zuerst die Ausbildung zum/zur Reiseverkehrskaufmann/-frau, danach eine Zeit 18 abi 2/2006 Foto: Archiv Möller Medien Umsatz der Reiseveranstalter: 19 Milliarden Euro (+5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) Italien zählte 2004 nach Spanien zu den beliebtesten Reisezielen deutscher Urlauber. Insbesondere Städtereisen stehen hoch im Kurs. Finanz- und Rechnungswesen beziehungsweise im Controlling eingesetzt“, sagt Bettina Gläser-Krahn, Leiterin Ausbildung bei der TUI Deutschland GmbH. „In Zukunft werden vermehrt Absolventen mit Bachelor- oder sogar Master-Abschluss gefragt sein, die ein praxisorientiertes Studium durchlaufen haben“, weiß Hans Doldi, Vizepräsident des Deutschen Reisebüro und Reiseveranstalter Verbandes: „Der Bachelor ist die ideale Möglichkeit zur Weiterbildung für Reiseverkehrskaufleute, die über die Vermittlung von Reisen hinaus Führungsaufgaben in der Branche übernehmen wollen.“ Vor allem die internationale Ausrichtung und Vergleichbarkeit des Bachelor-Abschlusses wird von Vertretern einer Branche, die weltweit agiert und ihre Mitarbeiter in verschiedenste Länder delegiert, positiv aufgenommen. Frisch von der Uni Akademisierung wird aber nicht nur als berufsbegleitende Weiterbildung an Berufsakademien und Fachhochschulen verstanden. Die Branche hat auch begrenzte Kapazitäten für Neueinsteiger, die direkt von der Hochschule kommen, dies am ehesten wohl bei den Großen der Branche: TUI, Rewe Touristik und Thomas Cook. Gute Chancen haben Betriebswirtschaftler, die bereits während ihres Studiums einen Schwerpunkt auf Tourismus, Controlling oder Marketing gelegt haben. Sie sind aufgrund ihrer Ausbildung vielfältig einsetzbar: in Produktmanagement, Werbung oder Marketing, aber auch im Controlling und in der Personalabteilung – Schwerpunkt: Tourismus denn wie alle anderen Unternehmen brauchen auch Touristikkonzerne, ebenso wie mittelständische Firmen, Mitarbeiter für ihre zentrale Funktionen. Die Akademisierung im Tourismus hat im Vergleich mit anderen Branchen spät eingesetzt und wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen, darüber sind sich Insider und Experten einig. „Auf der Führungsebene finden sich bereits meistens Akademiker“, sagt Prof. Dr. Peter Voigt, Dozent am Fachbereich Tourismus der Fachhochschule München: „Fachhochschulabsolventen sind überall einsetzbar, haben sich gerade in mittelständischen und kleineren Unternehmen durchgesetzt, wo eine kompakte, umfassende und praxisorientierte Ausbildung gefragt ist.“ Auch Peter Voigt spricht sich für die Kombination von Berufsausbildung und Studium aus, wenn angestrebt wird, in spezifisch touristischen Tätigkeitsfeldern zu arbeiten. In großen Konzernen herrscht zusätzlich Bedarf an Spezialisten nicht-touristischer Fachbereiche wie Jura oder Volkswirtschaft, die von Universität kommen. Prof. Dr. Edgar Kreilkamp, verantwortlich für den Studiengang Tourismusmanagement an der Uni- Produkt- oder Umweltmanagement, eingesetzt zu werden. Bei den großen Veranstaltern versucht man durch die Bildung interdisziplinärer und gemischter Teams den komplexen Anforderungen bei Reisedesign und -vermarktung gerecht zu werden. Da finden sich nicht selten ein studierter Sinologe, ein Reiseverkehrskaufmann, ein BWLer mit Controlling oder Marketing-Know-how, ein Sport- und Fitnesskaufmann und ein Vertreter eines IT-Berufs zusammen, um gemeinsam die optimale Lösung für ein Reiseprodukt zu finden, beispielsweise eine Asien-Rundreise mit kombiniertem Tauchkurs. Ú „Hohes Einfühlungsvermögen ist gefragt“ Ulrich Rüter, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Tourismuswirtschaft, im Gespräch mit abi. Foto: Obermeyer/WillmyCC Foto: Privat abi: Welche beruflichen Qualifikationen werden in der Tourismusbranche immer wichtiger? Bei kulturell sensitiven Reisen, wie hier ins indianische Hinterland des mexikanischen Bundesstaates Chiapas, versuchen spezialisierte Reiseveranstalter die richtige Balance zwischen Kundenwünschen und Respekt vor den Einwohnern zu finden. versität Lüneburg, schätzt die Situation folgendermaßen ein: „Ein Studium im Tourismusbereich ist immer auch praxisorientiert. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit Problemen der Branche.“ In dem in Lüneburg angebotenen Masterstudiengang Tourismusmanagement setzen sich die Studierenden vertieft mit tourismusspezifischen Inhalten auseinander, so dass sie für den harten internationalen Wettbewerb der großen Unternehmen mit einer vielschichtigen Problemlösungskompetenz ausgestattet sind. „Für solche eher strategischen Aufgaben reicht eine Ausbildung nicht aus. Und Quereinstieg wird immer seltener“, weiß Edgar Kreilkamp. Quereinsteiger? Trotzdem gibt es sie noch, die Quereinsteiger, vor allem im Bereich Reiseleitung: Im Gegensatz zu vielen anderen Wirtschaftsbranchen sind deshalb auch Geisteswissenschaftler wegen ihres kulturellen Allgemeinwissens in der Tourismusbranche gut aufgehoben. „Da sich Sprachwissenschaftler während ihres Studiums nicht nur mit der Sprache, sondern auch der Kultur der jeweiligen Länder beschäftigt haben, sind sie besonders gut dafür geeignet, Reisegruppen durchs Land zu führen“, so Dr. Klaus Dietsch, Sprecher der Unternehmensgruppe Studiosus. Bei dem Touristikkonzern TUI zum Beispiel durchlaufen Kulturwissenschaftler – wie alle anderen Einsteiger auch – ein Traineeprogramm und haben anschließend die Möglichkeit, in den verschiedensten Bereichen, wie Ulrich Rüter: Neben der schon immer notwendigen ausgeprägten Dienstleistungsmentalität, ist durch die immer individuelleren Wünsche der Kunden sehr hohes Einfühlungsvermögen erforderlich. Der Touristiker muss ein Gefühl dafür entwickeln, was für ein Reisetyp der Kunde ist und auf was er besonderen Wert legt. Dabei sind vor allem die Anforderungen gewachsen, sich im Produktdschungel zurechtzufinden, und auch technisches Wissen – beispielsweise bezüglich der Buchungssysteme – wird immer wichtiger. Die rein touristische Sachkenntnis rückt dabei ein bisschen in den Hintergrund und ist nicht mehr so wichtig, wie etwa noch vor zehn Jahren. abi: Wie sollte darauf in der Ausbildung im Tourismus reagiert werden? Ulrich Rüter: Die existierenden Berufsbilder decken die touristischen Aufgaben ziemlich gut ab. Doch sollten die Ausbildungsinhalte, beispielsweise beim Reiseverkehrskaufmann, flexibler den Bedürfnissen des Marktes angepasst werden können. Zu diesem Zweck ist es beispielsweise auch sehr sinnvoll, einen Blick ins benachbarte Ausland zu werfen. Man könnte Ausbildungsinhalte, die ohnehin schon eine hohe Überschneidungsquote haben, vereinheitlichen. So sind die Leute leichter europaweit einsetzbar. Im akademischen Bereich wird bezüglich Auslandskooperationen sehr viel gemacht, bei der nicht-akademischen Erstausbildung sehe ich hier einen großen Nachholbedarf. abi: Mit welcher Art von Ausbildung hat man die besten beruflichen Chancen im Tourismus? Ulrich Rüter: Generell ist eine touristische Berufsausbildung oder ein breit angelegtes wirtschaftswissenschaftliches Studium, idealerweise kombiniert mit einschlägigen Praktika, eine gute Ausgangsposition. Einen Königsweg in die Tourismusbranche gibt es allerdings nicht. Problematisch ist der unübersichtliche Ausbildungsmarkt mit einer Vielzahl an Instituten für Aus- und Weiterbildung. Hier gibt es doch einige schwarze Schafe, wodurch das Ansehen der Tourismusausbildung teilweise gelitten hat. Deswegen sollte man auf etablierte Ausbildungswege und Institute zurückgreifen. abi 2/2006 19 Schwerpunkt: Tourismus PRODUK TMANAGEMENT FÜR ASIEN/CHINA Mehrere Wochen im Jahr um die Welt jetten und exotische Orte entdecken: Wer träumt nicht von einem solchen Leben? Für Petra Herget gehört das zum beruflichen Alltag. Die 35-Jährige ist als Produktmanagerin bei DERTOUR für die Planung und Organisation von Reisen nach Asien zuständig. Petra Herget lachend ihre Arbeitstage, die sie abwechselnd in ihrem Büro in Frankfurt oder auf Reisen durch Asien verbringt. Dort ist sie immer Anfang des Jahres auf Einkaufsreise unterwegs. Dabei inspiziert sie die Unterkünfte, informiert sich über die angebotenen Ausflüge und sucht nach neuen interessanten Reisezielen. Diese Informationen lassen Petra Herget und ihr fünfköpfiges Team jeweils im Frühjahr und Herbst in die Katalogherstellung für die Winter- und Sommersaison einfließen. Damit ist sie insgesamt etwa sechs Monate im Jahr beschäftigt. Nach der Katalogherstellung ist sie mehrere Wochen unterwegs, um das neue Programm bundesweit in Reisebüros vorzustellen. Zwischendurch stehen Produktschulungen in den Zielgebieten auf dem Programm oder der Besuch von Fachmessen im In- und Ausland, um sich über Trends im Asientourismus zu informieren und das eigene Programm zu präsentieren. In den „Bürozeiten“ kümmert sich Petra Herget vor allem um den Hoteleinkauf; das heißt, sie plant das benötigte Bettenkontingent und verhandelt über Preise und Rückgabemodalitäten. Außerdem müssen Anfragen von Hotels und Reisebüros bearbeitet werden. In Krisensituationen ist die Produktmanagerin auch Ansprechpartnerin für die Reisenden in den Zielgebieten, Stichwort Vogelgrippe oder Tsunami. Neue Ideen einbauen Was Petra Herget an ihrer Tätigkeit besonders schätzt, ist die kreative Seite. Immer wieder ist ein neues Reisedesign gefragt, um auf veränderte Rahmenbedingungen oder Kundenwünsche einzugehen. So wurde beispielsweise eine Rundreise durch das Hochland von Sumatra neu konzipiert, da sie nach ihrer Teilnahme festgestellt hatte, wie stressig der Ablauf ist. „Es gibt vor allem zwei Trends, die ich versuche umzusetzen: Wellness und Exklusi- 20 abi 2/2006 vität. So achte ich beispielsweise bei meinen Einkaufsreisen sehr darauf, ob das Hotel einen Spa (Wellness-Einrichtungen wie Sauna, Heilbad, Fitnessbereich, Massagen etc.) hat. Exklusivität heißt, dass zum einen mehr Luxusreisen im Fünfund Sechs-Sternebereich gefragt sind, zum anderen individuelle Reisen mit persönlicher Betreuung. Gerade nach Asien bieten wir fast alle Rundreisen auf Zwei-Personen-Basis mit privatem Reiseleiter an.“ An der Zeit, die Petra Herget für die Informationssuche, das Testen der Touren und Hotels und die Einarbeitung der Änderungen in den Katalog aufwendet, kann man ablesen, wie wichtig die Anpassung und Optimierung der Reiseprodukte ist. Da die Reisenden eine immer größere Auswahl an Hotels und Touren verlangen, arbeitet sie mit externen Agenturen zusammen, denn um alle Verträge vor Ort abzuschließen, fehlt ihr die Zeit. Dadurch verlagert sich ihre Arbeit zunehmend an den Schreibtisch. Foto: Privat D „Man weiß nie, was kommt“, beschreibt Foto: Obermeyer/WillmyCC Im Büro und auf Bali Der Weg ins Produktmanagement Dass sie in der Tourismusbranche arbeiten möchte, stand für Petra Herget aufgrund ihrer Reiseleidenschaft schon früh fest. Nach Abitur und Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau sammelte sie bei einem Stuttgarter Reiseveranstalter einige Jahre Berufserfahrung. Anschließend plante sie bei Ikarus Tours als Produktmanagerin Reisen nach Nordamerika und Mexiko. Mit dem Wechsel zu DERTOUR musste sie sich neu einarbeiten, denn es war nur eine Position in dem ihr unbekannten Bereich Asien/China frei. Mit der Zeit wuchs der Wunsch, ihre beruflichen Kenntnisse zu vertiefen und mehr Verantwortung zu übernehmen. Um ihre Berufstätigkeit nicht unterbrechen zu müssen, machte sie ein neunmonati- ges Managementstudium an der Fernuniversität Hagen. „Ich hatte zwar täglich mit Bereichen wie Personalwesen, Marketing oder Controlling zu tun, aber diese Begriffe waren bis dahin kaum definiert für mich“, so Petra Herget. Diese Weiterqualifizierung trug dazu bei, dass sie seit Mitte 2003 das Produktmanagement für Asien/China leitet. Neben der Reiseorganisation hat sie nun auch die Personalverantwortung über ihr Team und die Kontrolle über das Budget. Ú Schwerpunkt: Tourismus VERTRIEBSMARKETING FÜR REISEBÜROS Kommunikationsverstärker Foto: Manchan/Photodisc/Getty Images Foto: Dörfel Fotodesign Foto: Privat Wie bringe ich ein Reiseprodukt am besten an den Mann? Diese Frage ist für jeden Reiseveranstalter von großer Bedeutung und bei über 12.600 Reisebüros deutschlandweit auch nicht so leicht zu beantworten. Dabei ist vor allem geschickte Kommunikation mit den Reisebüros und ein ausgeklügeltes Marketing gefragt. D Bei der Thomas Cook AG sitzt der Leiter des Vertriebsmarketing, Thomas Kloubert (33), an der Schnittstelle zwischen dem Konzern und den Reisebüros: „Meine Aufgabe ist es, unsere Veranstalter-Produkte so zu vermarkten, dass Reisebüros an unseren Reisen interessiert sind und alles Wissenswerte parat haben, um sie verkaufen zu können.“ Dass er einmal in der Tourismusbranche arbeiten würde, hätte Thomas Kloubert nicht gedacht. Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten in Aachen und Köln richtete er auf Marketing, Organisation und Finanzierung aus. Das Thema Marketing vertiefte er noch zusätzlich in seiner Doktorarbeit. Als er sich bei der Thomas Cook AG als Vorstandsassistent bewarb, konnte er also keine touristischen Fachkenntnisse vorweisen. Doch für die geforderten Projektaufgaben waren sein spezialisiertes Marketingwissen und gerade die kaufmännischen Kenntnisse wichtiger als der touristische Praxisbezug. Ein breit angelegtes Studium wie BWL sieht er deshalb auch als geeigneten Einstieg in die mittlere und höhere Führungsebene in der Tourismusbranche: „Natürlich ist touristisches Wissen wichtig, aber sehr viel kann man sich direkt im Berufsleben aneignen.“ Individuelle Marketingaktionen Thomas Kloubert nutzt verschiedene Mittel und Wege, um alle Verkaufsstellen mit Produktinformationen zu versorgen und beim Verkauf zu unterstützen. Zusammen mit seinem 16-köpfigen Team plant er Werbekampagnen, um die verschiedenen Veranstaltermarken der Thomas Cook AG, wie zum Beispiel Neckermann Reisen, bundesweit in Reisebüros und die 150 firmeneigenen Reisebüros zu vermarkten. Um den Verkauf der Thomas Cook-Veranstalterprodukte zu fördern, überlegt sich Thomas Kloubert, welche Werbemittel am besten eingesetzt werden können; von Plakaten über Pappaufsteller und Schaufensterdekora- tionen bis hin zu kleinen Werbegeschenken. Hier sind Gestaltungs- und Präsentationskenntnisse gefragt. Und großes Organisationstalent, denn Thomas Kloubert hat insgesamt 12.600 Reisebüros und -agenturen zu betreuen. Dabei ist die Absprache mit anderen Abteilungen und Unternehmen sehr wichtig, um die Kampagnen den Kunden und einzelnen Zielländern individuell anzupassen. Mit den Leitern des Außendienstes, der die Reisebüros direkt vor Ort betreut, und dem Produktmanagement bespricht Thomas Kloubert die Inhalte der Marketingmaßnahmen. Bei der Gestaltung der Werbemittel arbeitet er eng mit Werbeagenturen zusammen, und um die reibungslose Verteilung an die Reisebüros zu garantieren, kooperiert er mit externen Logistikund Vertriebsdienstleistern. Dass die Vermarktung der Thomas CookProdukte nicht den einzelnen Reisebüros überlassen wird, beweist die Wichtigkeit der Aufgabe. Über gezieltes Marketing will der Konzern näher an Endkunden heranrücken und sich an deren Wünschen orientieren. Thomas Klouberts Arbeit geht deshalb mittlerweile weit über eine reine Marketingtätigkeit hinaus: „Ich sehe mich als ein Kommunikationsverstärker im Vertrieb.“ So kümmert er sich darum, dass die Verkäufer mit neuen Reiseprodukten vertraut gemacht werden. Zu diesem Zweck organisiert er jährlich eine Veranstaltung, die der Produktinformation und -schulung für Fernreisen dient: die Thomas Cook World Tour. Auch die Präsentation des Reiseprogramms aller Marken des Unternehmens im Rahmen der eigenen Touristik-Fachmesse „Premiere Reisesommer“, gehört zu Thomas Klouberts Job. Ú abi 2/2006 21 Schwerpunkt: Tourismus Reiseeinkauf für die Firma Foto: Privat T R AV E L M A N A G E R Beim Stichwort Reisen denkt man in erster Linie an Ferien, weniger an Geschäfte. Dabei erwirtschaftet der Bereich Business Travel mittlerweile fast ein Drittel des Jahresumsatzes der deutschen Tourismusbranche. 33 Millionen Mal waren Deutsche 2004 geschäftlich im In- und Ausland unterwegs. 50.000 dieser Dienstreisen hat Andreas Konkel, Travel Manager bei der Carl Zeiss AG, eingekauft. D „Bei Carl Zeiss steigt die Anzahl der Dienstreisen aufgrund des Firmenwachstums. Um dennoch Geld zu sparen, braucht man einen Travel Manager“, erklärt Andreas Konkel. Dieser sorgt dafür, dass die Mitarbeiter des Unternehmens schnell und bequem an ihr Reiseziel kommen, sich jedoch die Kosten im Rahmen halten. Er ist verantwortlich für den Einkauf von Flug- und Bahntickets, von Mietwagenund Bettenkontingenten sowie für die Kostenplanung und -kontrolle dieser Dienstleistungen. Die Globalisierung stellt erhöhte Ansprüche an die Mobilität, deshalb ist der Travel Manager in den letzten zehn Jahren zu einem unentbehrlichen Mitarbeiter in großen Unternehmen geworden. Einkauf ist bei der Beschreibung der Tätigkeit eines Travel Managers das wichtigste Stichwort, denn für die Buchung der Dienstreisen ist er nicht verantwortlich. Das übernimmt ein Reisebüro, welches im Haus des Unternehmens sitzt oder wie bei Carl Zeiss von einem zentralen Standort aus alle Niederlassungen und Tochterunternehmen betreut. Andreas Konkel dagegen sitzt an einer übergeordneten Stelle, an der der Bedarf an den einzelnen Reiseleistungen analysiert und umfassende Einkaufsstrategien erarbeitet werden: „Früher hieß meine Abteilung schlicht ‚Reisestelle‘ und tat nichts anderes, als eine reine Dienstleistung zu erbringen. Die moderne Bezeichnung ‚Travel Management‘ verrät, dass die Aufgabe viel komplexer geworden ist und nun auch Dinge wie Controlling und Beratung von Mitarbeitern und Geschäftsführung dazu gehören.“ Kalkulation und Einkauf Der Einkauf der Reisedienstleistungen läuft vor allem über weltweite Ausschreibungen, 22 abi 2/2006 mit denen nach geeigneten Anbietern wie beispielsweise Mietwagenfirmen oder Reisebüros gesucht wird. Mit diesen schließt Andreas Konkel dann einen Vertrag für eine begrenzte Laufzeit. Die Abkommen mit den Dienstleistern macht er im firmeneigenen Intranet publik, wo einzelne Leistungen auch gleich von den Mitarbeitern gebucht werden können. Als Hilfestellung dienen dabei die von dem Travel Manager mit entwickelten Reiserichtlinien, die festlegen, welche Rechte und Pflichten jeder Mitarbeiter auf einer Dienstreise hat. Auf diese Weise werden die Kosten von vornherein begrenzt. Die Abrechnung aller Reisen liegt ebenfalls in der Verantwortung von Andreas Konkel und seinem Team. Und das besteht nicht, wie man annehmen könnte, vor allem aus Reiseverkehrskaufleuten – schon während der Ausbildung in diesem Beruf kann man einen Schwerpunkt auf Geschäftsreiseverkehr legen – sondern aus Industriekaufleuten. Laut Andreas Konkel bereitet die touristische Berufsausbildung nicht ausreichend auf eine Tätigkeit als Travel Manager vor: „Es fehlt vor allem an ControllingWissen, Managementfähigkeiten und Kenntnissen im Personalwesen. Ich sehe deshalb sogar Bedarf an einem ganz neuen Ausbildungsberuf.“ Als gelernter Hotelkaufmann konnte Andreas Konkel zwar praktische Erfahrungen im Tourismusbereich sammeln, die ihm heute noch bei Hotelverhandlungen sehr nützlich sind, doch viele kaufmännische Grundlagen fehlten ihm. Deshalb machte er eine zweijährige Weiterbildung zum TouristikFachwirt, die von den Industrie- und Handelskammern angeboten wird. „So konnte ich mein praktisches Know-how mit theoretischem Wissen unterfüttern“, erklärt Andreas Konkel seine Motivation. Ú !nfo BERUFEnet Datenbank für Ausbildungs- und Tätigkeitsbeschreibungen der Bundesagentur für Arbeit (Suchwort: Tourismus) http://www.arbeitsagentur.de KURS Datenbank für Aus- und Weiterbildung der Bundesagentur für Arbeit (Suchwort: Tourismus) http://www.arbeitsagentur.de Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft e.V. (BTW) Am Weidendamm 1a 10117 Berlin Tel. 0 30/72 62 54-0 http://www.btw.de Fachverband für touristische Aus- und Weiterbildung e.V. (AJT) Graurheindorfer Straße 73 53111 Bonn Tel. 02 28/3 90 43 79 http://www.ajt-fachverband.de Deutsches Seminar für Tourismus (DSFT) Berlin e.V. http://www.dsft-berlin.de Deutscher Tourismusverband e.V. (DTV) Bertha-von-Suttner-Platz 13 53111 Bonn Tel. 02 28/9 85 22-0 http://www.deutschertourismusverband.de Schwerpunkt: Tourismus R E I S E L E I T E R I N F Ü R M O B I L I TÄT S E I N G E S C H R Ä N K T E M E N S C H E N Foto: Lebenshilfe Dresden e.V. Die Barrieren werden niedriger Jana Liebau (Dritte von links) arbeitet neben dem Studium bei der Lebenshilfe und bei mare nostrum als Reiseleiterin für Menschen mit Behinderung. Im wachsenden Bereich des Reisens für mobilitätseingeschränkte Personen sieht sie nicht nur für sich eine große Zukunft. Foto: Fiedler/WillmyCC D Die 23-Jährige ist gerade im zehnten Se- Ökologischer Tourismus in Europa e.V. (Ö.T.E.) Am Michaelshof 8-10 53177 Bonn Tel. 02 28/35 90 08 http://www.oete.de Deutscher Reisebüro und Reiseveranstalter Verband e.V. (DRV) Albrechtstraße 10 10117 Berlin Tel. 0 30/2 84 06-0 http://www.drv.de Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (DZT) Beethovenstraße 69 60325 Frankfurt/Main Tel. 0 69/9 74 64-0 http://www.dzt.de Nationale Koordinationsstelle Tourismus für Alle e.V. Kötherhofstraße 4 55116 Mainz Tel. 0 61 31/25 04 10 Fax: 0 61 31/21 48 48 E-Mail: [email protected] http://www.natko.de Stellenmärkte für die Tourismusbranche http://www.travelkarriere.de http://www.wilbers-jobservice.de http://www.fvw-online.de Literaturtipp Tourismus. Ausbildung und Studium in Deutschland, Österreich und der Schweiz Von Anneliese Donhauser; Verlag Bildung und Wissen 2004; Euro 14,80 mester des Studiengangs Tourismus-Betriebswirtschaft in Dresden. Neben dem Studium hat sie bei Städtereisen Erfahrungen als Reiseleiterin für Senioren gesammelt, später auch mit körperlich und geistig behinderten Menschen. Bei der Lebenshilfe hat sie an einer Schulung zu Pflege und Umgang mit Behinderten teilgenommen. Wie sie heute weiß, ist für diese Gruppe von Reisenden eines besonders wichtig: Barrierefreiheit. Barrierefrei sind nach dem Gesetz Einrichtungen, die „für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“ Mit diesem Thema beschäftigt sich Jana Liebau auch gerade in ihrer Diplomarbeit. Seit Dezember 2005 ist sie Praktikantin beim Stuttgarter Reiseveranstalter mare nostrum, der spezielle Angebote für Menschen mit Behinderung im Programm hat. Ihre erste Aufgabe war es, gemeinsam mit einer anderen Praktikantin die Nord- und Ostsee nach barrierefreien Hotels für das Reiseangebot 2006 zu erkunden. Im Moment bereitet sie sich auf eine 14-tägige Individualreise nach Djerba vor. Die zu betreuende Person ist eine 31-jährige Frau, die an den Rollstuhl gefesselt ist. Ein ausgearbeitetes Urlaubsprogramm wünscht sie nicht: „Sie möchte einen ruhigen Urlaub machen, lesen, einkaufen und auch Leute kennen lernen“, weiß Jana Liebau. Pflegekenntnisse wichtiger als Entertainment Viel wichtiger als große Planung, um die sich andere Mitarbeiter von mare nostrum kümmern, ist für Jana Liebau, dass sie ihren Schützling schon vorab kennen lernt, um auf der Reise besser auf ihn eingehen zu können. Deshalb hat sie die zu Betreuende zuhause besucht. Es wurde besprochen, was diese sich von der Reise erwartet und was vermieden werden soll. Da die Betreute auch Diabetikerin ist, gilt es außerdem genaue Pflegeanweisungen zu berücksichtigen. Bei Anfahrt, Check-in und Boarding ist Jana Liebau bereits die allein Verantwortliche. Da sie schon in mehreren Bereichen des Tourismus gejobbt hat, weiß sie, dass bei Reisen mit behinderten Menschen vor allem medizinische und pflegerische Aspekte im Vordergrund stehen und dass genaues Beobachten erforderlich ist, zum Beispiel wenn man mit Epilepsie-Kranken verreist. „Außerdem benötigt man viel Geduld, denn alles dauert etwas länger“, erzählt sie. Ein Aspekt, den man leicht unterschätzt, ist die teilweise vorherrschende Intoleranz anderer Touristen, mit der Jana Liebau umgehen können muss. Das Schönste an ihrer Tätigkeit als Reiseleiterin für Menschen mit Behinderung ist für sie die Dankbarkeit, die ihr entgegengebracht wird. „Man hat einfach den Eindruck, dass die eigene Arbeit den Betreuten etwas bedeutet und nicht nur einfach so entgegengenommen wird.“ Auch im Zuge der Vorbereitung auf ihre Diplomarbeit hat Jana Liebau festgestellt, dass in den letzten Jahren die Barrieren für mobilitätseingeschränkte Reisende immer weniger geworden sind. Davon profitieren nicht nur körperlich behinderte Menschen, sondern auch Senioren, die allgemein als „Reisegruppe 50+“ gehandelt werden und immer mehr in den Fokus der Veranstalter geraten. „Allgemein lässt sich feststellen, dass Urlaubsanbieter und Urlaubsregionen aufgeschlossener werden gegenüber Menschen, die mobil eingeschränkt sind.“ Ú abi 2/2006 23