VOLL IM TREND … TOURISMUS

Werbung
VO L L I M T R E N D … TO U R I S M U S
Wenn
König Kunde
Der Wettbewerb in der Tourismuswirtschaft wird
härter. Immer ausgefeiltere Produkt-, Vertriebsund Marketingstrategien sind nötig, wenn es um
den Verkauf von Reisen geht. Dabei steht der
Kunde mit seinen Wünschen und Bedürfnissen
mehr und mehr im Mittelpunkt. abi interessierte
sich dafür, welche Anforderungen an die
Mitarbeiter in der dynamischen Branche gestellt
werden und welche Qualifikationen künftig an
Bedeutung gewinnen werden.
pen zusammen. Er füllt Buchungskarten aus und leitet telefonische Anfragen weiter. Denn die Telefonschulung hat der Auszubildende bei seinem Arbeitgeber Lotus Travel Service GmbH schon hinter sich gebracht.
Dieser werden noch unzählige Schulungen folgen, die die neuen Mitarbeiter mit allem nötigen Wissen zu Buchungssystemen, Reiseangeboten und Gesundheitsreisen wie Ayurveda-Kuren versorgen. „Kunden beraten kann ich definitiv noch nicht selbst“, gibt der 23-jährige Patrick
Grübener zu, „das machen die erfahreneren Kollegen unseres Reisebüros, die die Produkte genau kennen und abschätzen können, was der
Kunde will und was sie diesem anbieten müssen.“ Mit diesem hohen
Beratungsaufwand reagiert der Münchner Reiseveranstalter und -vermittler Lotus Travel Service auf den sich immer stärker ausprägenden
Trend der Individualisierung in der Touristik: Sein Konzept sieht maßgeschneiderte Reisen vor, die die Berater im firmeneigenen Reisebüro
mit dem Kunden Baustein für Baustein individuell zusammenstellen.
Bei Lotus Travel versuchen alle Mitarbeiter, der Firmenphilosophie
„Reisen zu sich und anderen“ treu zu bleiben und sich genügend Zeit
zu nehmen, auf die persönlichen Wünsche und Bedürfnisse der Kunden
einzugehen. „Im Gesundheitsbereich kann man mindestens von einer
Stunde Anfangsberatung ausgehen“, erklärt Silvia Leibacher, die zusammen mit ihrem Mann die Geschäfte von Lotus Travel führt und die
Reise-Produkte designt.
Pauschalreisen und Baukastensysteme sind die beiden Reisevarianten, die derzeit am häufigsten vermarktet werden. Da jedoch immer
mehr Kunden ihren Urlaub individuell gestalten wollen, geht der Trend
zum Baukastensystem. „Die großen Reiseveranstalter haben in der Vergangenheit zum Teil an den Kundenwünschen vorbeigearbeitet. Bei uns
bleibt kaum eine Reise so, wie sie in unserem Katalog beispielhaft ausgewiesen ist“, verrät Silvia Leibacher.
Kundenorientierung ist das A und O
„Kundenorientierung ist eigentlich für alle Bereiche in der Touristik ein
Muss, für den Reiseberater, den -begleiter und auch für den -designer,
14 abi
2/2006
Foto: Archiv Möller Medien
D Bisher stellt Patrick Grübener nur die Unterlagen für Kunden in Map-
der die Produkte entwickelt“, bestätigt Henriette Freikamp vom Institut
für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung Halle-Leipzig gGmbH (isw).
Das isw-Institut gehört dem Forschungsnetzwerk zur Früherkennung
von Qualifikationserfordernissen FreQueNz an und hat vor allem junge
und dynamische Branchen auf Trends in der Berufsausbildung hin abgeklopft. Im Branchenbericht „Qualifikationsentwicklung im Tourismus“
(2002) haben Dr. Lothar Abicht, Henriette Freikamp und Barbara Preuss
dokumentiert, dass alles, was Marketing, Vertrieb, Beratung und Betreuung stärkt, in der Touristik gefragt ist. So wurde Patrick Grübener
bei Lotus Travel nicht nur deshalb eingestellt, weil er reisebegeistert ist,
fließend Englisch spricht und sich ein halbes Jahr in Neuseeland aufhielt: Mit das wichtigste Argument war seine bereits absolvierte Ausbildung zum Mediengestalter, durch die er selbstständiges Arbeiten
gewohnt ist und sich bereits eine gewisse „Marketingdenke“ zu Eigen
gemacht hat.
„Lust aufs Reisen reicht nicht aus, um in der Tourismusbranche Fuß
zu fassen“, betont Manuela Dittmann Bereichsleiterin Personal und Or-
Schwerpunkt: Tourismus
reisen will …
Foto: Privat
Patrick Grübener ist reisebegeistert,
eine wichtige Voraussetzung für seine
Ausbildung bei Lotus Travel.
Foto: Lotus Travel
Silvia Leibacher stellt mit
einer PR-Agentur und einem
Grafikbüro, die auf Tourismus
spezialisiert sind, akribische
Produktbeschreibungen der
Lotus-Reisebausteine
zusammen, um Reisebüros
optimale Informationen an
die Hand zu geben.
Früherkennung von Qualifikationstrends
abi-Reihe
„Voll im Trend“
Beliebte Urlaubsformen (Marktpotenzial 2005-2007)
Angaben in Prozent
Konsumentenumfrage: Interesse an bestimmten Urlaubsformen
in den nächsten 3 Jahren
44
31
17
16
12
All-Inclusive
Städtereisen
Kur
im Urlaub
Quelle: Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen
Wellness
Kulturreise
12
Kreuzfahrt
Mehrfachnennungen waren möglich
Die Früherkennungsforschung des Netzwerks FreQueNz hat ihren Schwerpunkt bislang auf Branchen oder Tätigkeitsfelder gelegt, die durch eine hohe Dynamik gekennzeichnet sind. Dies sind
neben der Tourismuswirtschaft zum Beispiel die Gesundheits- und Wellnessbranche, sicherheitsorientierte Dienstleistungen, die IT- und Multimediabranche sowie Finanzdienstleistungen.
Außerdem werden Bereiche untersucht, in denen umfangreiche Forschungsleistungen erbracht
werden, wie zum Beispiel in Nano- und Biotechnologie oder in den Erneuerbaren Energien.
Die Reihe des abi-Magazins „Voll im Trend“ wird diese Forschungsergebnisse nach und nach
aufgreifen und zeigen, welche Qualifikationen in welchen Branchen oder Technologieumfeldern
künftig gefragt sein werden. Neben wichtigen Ausbildungen und Berufsprofilen werden auch
einschlägige Studiengänge vorgestellt. Die Reihe startete 2005 mit einem Beitrag zur Nanotechnologie.
abi 10/2005
Nanotechnologie – Kleinigkeiten mit großer Wirkung
http://www.abi-magazin.de/rubrik/schwerpunkt200510.jsp
Weitere Informationen auf den Seiten des Forschungsnetzwerks FreQueNz:
http://www.frequenz.net
abi
2/2006
15
Schwerpunkt: Tourismus
ganisation bei DERTOUR, ein Individualreiseanbieter, der zur Unternehmensgruppe des Rewe-Konzerns gehört. Denn der Großteil der Arbeit
werde vom Schreibtisch aus erledigt. Der Kontakt zu fremden Kulturen
und die internationale Zusammenarbeit seien jedoch weiterhin die häufigsten Motive, sich in der Touristik zu bewerben. Schon immer waren
Fremdsprachen-, Geografiekenntnisse und Auslandserfahrungen von
großem Vorteil für Bewerber in dieser Branche. Zu den Trendqualifikationen, die sich nun zunehmend als wichtig erweisen, zählen psychologisches Geschick im Umgang mit Menschen, Verkaufstalent, Kreativität beim Zusammenstellen von Reisebausteinen und lebenslange Lernbereitschaft, um sich mit viel Allgemein- und Hintergrundwissen, vor
allem über die Reiseprodukte und Zielgebiete und deren kulturelle, religiöse und politische Eigenheiten ausstatten zu können.
2,8 Millionen Beschäftigte
Die Tourismuswirtschaft zählt mit zirka 2,8 Millionen Beschäftigten, davon zirka eine Million im Gastgewerbe, zu den größten Arbeitgebern in
einem ausgeprägten Preisbewusstsein der Kunden wirtschaftlich erfolgreich agieren zu können.
Touristik-Trends
Daher gingen 30 Tourismusexperten aus 13 Ländern im vergangenen
Jahr auf die Suche nach dem Tourismus von morgen. Die Erkenntnisse
aus dem Workshop, den das isw-Institut durchführte, bestätigten die
oben genannte Studie von 2002: „Neue Trends, die die Entwicklung
neuer Produkte antreiben, ergeben sich vor allem durch ein verändertes Freizeitverhalten, eine zunehmende Individualisierung, die demografische Entwicklung und ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein“,
fasst Henriette Freikamp vom isw-Institut die wichtigsten Ergebnisse zusammen, „und das trifft im Grunde auf alle von uns untersuchten Dienstleistungsbranchen zu.“
Die Deutschen neigen zu Kurzurlauben, weil sie beruflich enger eingebunden sind oder eine flexiblere Freizeitgestaltung bevorzugen. Wenn
der Urlaub kürzer ist, dann sollte er wenigstens effektiv oder erlebnis-
Foto: Seifert
Das wichtigste Instrument, das vom isw-Institut zur Früherkennung von Qualifikationstrends herangezogen wird, ist das so genannte „Branchenscouting“: Im Zuge von Recherchen wurden zuerst alle möglichen Eckdaten zur Tourismusbranche zusammengetragen. Dann sprach man mit Brancheninsidern und -experten, Vertretern von Verbänden und Forschungseinrichtungen und stellte Kontakte zu repräsentativen
Unternehmen her. Dort wurden Interviews mit Geschäftsführern, Personalverantwortlichen und Mitarbeitern geführt, in denen versucht wurde, zukunftsweisende strategische Konzeptionen und für diese notwendige Qualifikationen von Fachkräften zu ermitteln. Genau das entspricht der Definition von „Trendqualifikation“: eine Qualifikation,
an der bereits Bedarf besteht und die künftig stark an Bedeutung gewinnen wird.
Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung Halle-Leipzig
gmeinnützige GmbH (isw)
http://www.isw-institut.de
Safaris gehören bei individuell zusammengestellten Fernreisen
nach Afrika zu den beliebtesten Reisebausteinen.
Foto: Obermeyer/Willmy CC
Branchenscouting
Zahlreiche All-Inclusive- und WellnessAngebote locken Urlauber in die Karibik.
Abgeschlossene Ausbildungsverträge zum Reiseverkehrskaufmann/-frau
reich sein, lautet die DeDeutschland. Die Deutvon 1998 bis 2004
vise von vielen Reisewilschen waren auch im
ligen, die deshalb immer
Jahre 2004 wieder Rei- 4.500
4.093
4.015
seweltmeister: 48,1 Mil- 4.000
mehr
Event- oder Städ3.885
tereisen, Kultur-, Semilionen Menschen sind
3.500
3.314
nar- oder Sprachreisen
mindestens vier Tage auf
3.019
3.000
buchen. Das Bedürfnis
Reisen gegangen und
2.679
2.678
nach Regeneration und
haben dabei 120,2 Milli- 2.500
2.362
2.247
2.098
arden Euro ausgegeben,
das gesteigerte Gesund1.975
2.000
so der Deutsche Tourisheitsbewusstsein zeigen
1.516
1.395
1.500
1.293
musverband. Die Fußsich durch die starke
1.000
Nachfrage im Wellnessballweltmeisterschaft,
und Gesundheitstourisdie dieses Jahr auf deut500
mus, was sicher auch
schem Boden stattfin0
det, wird den Touristenmit der älter werdenden
2004
1998
1999
2000
2001
2002
2003
strom noch einmal verGesellschaft zusammenQuelle: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)
mit Abitur/FHS
anderer Schulabschluss
größern.
hängt. „Diese Klientel“,
In den achtziger und neunziger Jahren hatte die Touristikindustrie
Ulrich Rüter, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Tourismuswirtschaft, spricht hier von über Sechzig- und Siebzigjährigen,
ihren bisherigen Höhepunkt und wuchs in manchen Jahren doppelt so
„verfügt über ein hohes Einkommen, hat Zeit für ausgedehnte Reisen
schnell wie das Bruttoinlandsprodukt. Doch die goldenen Zeiten sind
und möchte exklusiv betreut werden.“ Nicht selten sind Ältere aber in
vorbei: Terrorismus, Naturkatastrophen, politische Unruhen, Krankihrer Mobilität eingeschränkt und stellen höhere Ansprüche an die meheiten wie SARS und nicht zuletzt die wirtschaftliche Unsicherheit der
dizinische Versorgung. Programme müssen so gestaltet werden, dass
Bürger haben dazu geführt, dass die Touristikunternehmen den Gürtel
Reisen für diesen Personenkreis nicht zur Tortur wird. Dasselbe trifft in
enger schnallen mussten. So muss die Tourismuswirtschaft als Dienstnoch stärkerem Maße für Behinderte zu. Wie sich kleinere Reiseveranleistungsbranche auf gesellschaftliche Trends reagieren, um auch bei
16 abi
2/2006
Schwerpunkt: Tourismus
200
den Unternehmen selbst gesteuert: Bei großen Konzernen gibt es deshalb Business Travel-Fachkräfte, die den Reiseverkehr des gesamten
Personals unter Kostengesichtspunkten managen. Das reicht von der
Kommunikation mit Reisebüros und -veranstaltern bis hin zur Betreuung des Firmenfuhrparks. Wie anspruchsvoll eine solche Tätigkeit als
„Travel-Manager“ ausfallen kann, wird im Porträt auf Seite 22 dargestellt.
150
Klassischer Berufseinstieg
Tourismuswachstum in Deutschland
in Milliarden Euro
300
Privater Tourismus
250
Business Travel
100
50
0
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2015
Quelle: World Travel & Tourism Council, The 2005 Travel & Tourism Economic Research
Der klassische Berufseinstieg in die Tourismuswirtschaft ist noch immer die Ausbildung: Reiseverkehrs-, Hotel- und Luftverkehrskaufleute,
Hotel- und Restaurantfachleute, Köche und Berufskraftfahrer sind die
gängigsten Ausbildungsberufe der Branche, die weitgehend mittelständisch geprägt ist. 190.000 Restaurants und Gaststätten, 54.000 Hotels
und Pensionen, knapp 20.000 Reisebüros und -agenturen und 6.000
Busunternehmen beschäftigen vorwiegend Auszubildende und Absolventen einer Berufsausbildung, aber auch ungelernte Kräfte.
Tourismus-Studiengänge
Einen Überblick über sämtliche tourismusbezogenen Studiengänge in Deutschland bietet die „TourismusAusbildungsAnalyse 2005“, ein Wegweiser für Studienanfänger. In Trägerschaft der Technischen Universität Dresden und der Fachhochschule Worms wurde sie vom Tourismus Interessen
Kreis (TIK) in Zusammenarbeit mit dem Dachverband touristischer Arbeitsgemeinschaften FUTURISTA durchgeführt. Erhältlich ist sie bei diesen Institutionen gegen eine Schutzgebühr von 2 Euro.
Foto: Archiv Möller Medien
Kostenloser Download beim Tourismus Interessen Kreis Dresden:
http://www.tik-dresden.de
Orte mit historischen Sehenswürdigkeiten, wie die Schiller- und Goethe-Stadt Weimar, üben auf Touristen aus dem
In- und Ausland, vor allem im Rahmen von Kultur- oder Seminarreise angeboten, große Anziehungskraft aus.
Marktanteile der größten deutschen Reiseveranstalter
nach dem Umsatz (2004)
übrige
17,8 %
FTI
3,4 %
TUI Deutschland
28,2 %
Öger
4,4 %
Alltours
7,1 %
Rewe-Touristik
19,1 %
Thomas Cook
20,0 %
Quelle: FVW International
stalter auf diese Zielgruppe spezialisieren, ist Thema des Porträts auf
Seite 23.
Ein weiterer boomender Bereich ist der Geschäftsreiseverkehr, auf
den Petra Hedorfer, Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Zentrale
für Tourismus e.V., hinweist: „Die Geschäftsreisenden sind für den Tourismus ein wichtiges Standbein. Deutschland ist weltweit Messestandort Nummer eins und auch bei den Tagungen und Kongressen in Europa
auf Platz eins, weltweit hinter den USA auf Rang zwei.“ Geschäftsreisen
nehmen in der globalisierten Wirtschaft zu und werden immer mehr von
Insbesondere für den Bereich Reisebüro ist die Berufsausbildung der
Königsweg in die Branche. So ist es auch beim auf Asien spezialisierten Lotus Travel Service: „Die meisten der Lotus-Berater sind Reiseverkehrskaufleute“, so die Personalverantwortliche Silvia Leibacher. In den
drei Jahren der Ausbildung werden die kaufmännischen Grundlagen und
das Wissen, wie man mit den fachlichen Tools wie Buchungs- und Reservierungssystemen umzugehen hat oder sich im Büro organisiert, vermittelt. Zudem gibt es drei Einsatzgebiete in der Ausbildung: Reiseveranstaltung, Reisevermittlung Touristik und Reisevermittlung Beförderung. „Die Unternehmen legen fest, in welchen Einsatzgebieten sie
ausbilden wollen“, erläutert Bettina Trappmann-Webers vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Das garantiert die für diesen Beruf unverzichtbare Praxisnähe.
Henriette Freikamp hält den „Reiseverkehrskaufmann“ auf der
Grundlage der isw-Auswertungen für eine solide Basisqualifikation:
„Alles Weitere kann zum Großteil über betriebsinterne Weiterbildungen
abgedeckt werden.“ Diese Auffassung wird von den großen Reiseveranstaltern bestätigt, die sehr individuell ausbilden und ihre Mitarbeiter
mit betriebsinternen Schulungen und Kursen zielgerichtet auf verschiedene Einsatzgebiete und Funktionsbereiche vorbereiten.
Trotz der passgenauen Berufsausbildung findet es Silvia Leibacher
schwer, die richtigen Mitarbeiter zu bekommen: „Bei vielen Bewerbern
lassen Bildungsniveau und soziale Kompetenz zu wünschen übrig.“ Aber
genau das braucht es für eine beratungsintensive Tätigkeit in einer Branche, die sich immer mehr durch Kundenorientierung auszeichnet. „Wenn
abi
2/2006
17
Schwerpunkt: Tourismus
Berater ungenau arbeiten, kommt es häufiger zu Reklamationen, Umbuchungen oder Stornierungen, was wir dann auch finanziell zu spüren
bekommen“, so Silvia Leibacher.
Sport, Event, Gesundheit und IT
Auch andere kaufmännische Ausbildungsberufe sind gerne in der Branche gesehen, Tendenz steigend: Sport- und Fitnesskaufleute statten immer mehr die beliebten Sporttrips aus; Veranstaltungskaufleute – eventuell sollen sie frühestens ab 2007 direkt bei der DER-Gruppe (Deutsches Reisebüro GmbH, DERTOUR und Meier’s Weltreisen) ausgebildet
werden – sorgen für den Eventcharakter von Reisen und organisieren
große und kleine Veranstaltungen für Gruppen oder Individualisten; die
Kaufleute im Gesundheitswesen sind die Spezialisten für Programme mit
Wellness- oder Gesundheitskomponente; Groß- und Außenhandelskaufleute bringen den Auslandsbezug und die Fremdsprachenkompetenz mit;
und Informatikkaufleute kümmern sich beispielsweise um die mehr und
mehr frequentierten Internetbooking-Systeme, bei denen noch ein im-
lang im Außendienst als Reiseleiter arbeiten, und dann erst eine Weiterqualifizierung (zum Beispiel ein BWL-Studium) draufsatteln.“
Ziele sind das Produktmanagement (siehe Porträt Seite 20), die Betreuung von Reisebüros (Seite 21) oder sonstige Controlling-, Vertriebsund Marketingpositionen. „Die Produktmanager kaufen zum Beispiel
Hotel- und Mietwagenkontingente in den Urlaubsländern ein, verhandeln
mit den Anbietern vor Ort über Wellness-Pakete oder Golfkurse und aktualisieren dadurch beständig ihr Angebot“, erklärt Manuela Dittmann
von DERTOUR. Im Traveldesign kommt es auf eine gehörige Portion Kreativität an: „Es genügt dabei nicht, einfach auf Trends aufzuspringen“,
betont Katrin Hörner von Thomas Cook, „sondern man muss selbst
Trends setzen können.“
Während die DER-Gruppe bei der Fortbildung momentan noch auf
den Touristik-Fachwirt setzt, eine berufsbegleitende Maßnahme, die
direkt an den Reiseverkehrskaufmann anschließt, wird es bei der TUI
Deutschland GmbH ab 2006 zusätzlich Bachelor-Studiengänge geben.
„Bachelor werden bei uns in den touristischen Kernbereichen sowie im
Die Tourismuswirtschaft 2004
Umsatz Tourismusindustrie gesamt:
140 Milliarden Euro (+2,8 Prozent
im Vergleich zum Vorjahr)
Foto: Dertour
Anzahl der Gäste und Übernachtungen: 116 Millionen Gäste,
339 Millionen Übernachtungen
Quelle: Bundesverband der Deutschen
Tourismuswirtschaft, Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit
Die deutschen Urlauber bevorzugen immer mehr Kurztrips,
dann aber mit viel Kultur oder Action, wie hier beim Rafting in
den deutschen Alpen.
menses Entwicklungspotenzial vorhanden ist. Die Bedeutung der Informatik ist gar nicht hoch genug für die Tourismuswirtschaft einzuschätzen: Bei der DER-Gruppe werden im Hard- und Softwarebereich für
Buchungs-, Reservierungs- und Verwaltungssysteme 120 Spezialisten
eingesetzt. Natürlich hat auch Thomas Cook eine eigene IT-Abteilung,
„weswegen es großen Bedarf an Fachinformatikern gibt“, wie die Ausbildungsleiterin der Thomas Cook AG, Dr. Katrin Hörner, betont.
Bei aller Weiterentwicklung von Online- und IT-Systemen kann es
sich Henriette Freikamp nicht vorstellen, dass der Beratungsbedarf
geringer werden wird. Deshalb sieht das isw künftig auch bei OnlineBeratung und -verkauf von touristischen Produkten und Dienstleistungen den Einsatz von speziell geschulten Fachkräften: Online Travel
Agents sind kommunikationsstarke Leute, die per E-Mail oder Telefon
mit den Kunden in Kontakt treten.
Bachelor im Kommen
Wer in der Tourismuswirtschaft beruflich vorankommen und Budgetverantwortung tragen will, wählt meistens eine der branchenspezifischen Weiterbildungen oder Aufbaustudiengänge an Fachhochschulen
oder Berufsakademien, um sich fit fürs Management oder Marketing zu
machen. Die Personalentwicklerin der Thomas Cook AG, Daniela Brandt,
beschreibt den idealen beruflichen Werdegang wie folgt: „Zuerst die
Ausbildung zum/zur Reiseverkehrskaufmann/-frau, danach eine Zeit
18 abi
2/2006
Foto: Archiv Möller Medien
Umsatz der Reiseveranstalter:
19 Milliarden Euro (+5,2 Prozent
im Vergleich zum Vorjahr)
Italien zählte 2004 nach Spanien zu den beliebtesten Reisezielen
deutscher Urlauber. Insbesondere Städtereisen stehen hoch im Kurs.
Finanz- und Rechnungswesen beziehungsweise im Controlling eingesetzt“, sagt Bettina Gläser-Krahn, Leiterin Ausbildung bei der TUI
Deutschland GmbH. „In Zukunft werden vermehrt Absolventen mit Bachelor- oder sogar Master-Abschluss gefragt sein, die ein praxisorientiertes Studium durchlaufen haben“, weiß Hans Doldi, Vizepräsident des
Deutschen Reisebüro und Reiseveranstalter Verbandes: „Der Bachelor
ist die ideale Möglichkeit zur Weiterbildung für Reiseverkehrskaufleute,
die über die Vermittlung von Reisen hinaus Führungsaufgaben in der
Branche übernehmen wollen.“ Vor allem die internationale Ausrichtung
und Vergleichbarkeit des Bachelor-Abschlusses wird von Vertretern einer Branche, die weltweit agiert und ihre Mitarbeiter in verschiedenste
Länder delegiert, positiv aufgenommen.
Frisch von der Uni
Akademisierung wird aber nicht nur als berufsbegleitende Weiterbildung
an Berufsakademien und Fachhochschulen verstanden. Die Branche hat
auch begrenzte Kapazitäten für Neueinsteiger, die direkt von der Hochschule kommen, dies am ehesten wohl bei den Großen der Branche: TUI,
Rewe Touristik und Thomas Cook. Gute Chancen haben Betriebswirtschaftler, die bereits während ihres Studiums einen Schwerpunkt auf
Tourismus, Controlling oder Marketing gelegt haben. Sie sind aufgrund
ihrer Ausbildung vielfältig einsetzbar: in Produktmanagement, Werbung
oder Marketing, aber auch im Controlling und in der Personalabteilung –
Schwerpunkt: Tourismus
denn wie alle anderen Unternehmen brauchen auch Touristikkonzerne, ebenso wie mittelständische Firmen, Mitarbeiter für ihre zentrale Funktionen.
Die Akademisierung im Tourismus hat im Vergleich mit anderen Branchen spät eingesetzt und wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen,
darüber sind sich Insider und Experten einig. „Auf der Führungsebene
finden sich bereits meistens Akademiker“, sagt Prof. Dr. Peter Voigt,
Dozent am Fachbereich Tourismus der Fachhochschule München:
„Fachhochschulabsolventen sind überall einsetzbar, haben sich gerade
in mittelständischen und kleineren Unternehmen durchgesetzt, wo eine
kompakte, umfassende und praxisorientierte Ausbildung gefragt ist.“
Auch Peter Voigt spricht sich für die Kombination von Berufsausbildung
und Studium aus, wenn angestrebt wird, in spezifisch touristischen
Tätigkeitsfeldern zu arbeiten. In großen Konzernen herrscht zusätzlich
Bedarf an Spezialisten nicht-touristischer Fachbereiche wie Jura oder
Volkswirtschaft, die von Universität kommen. Prof. Dr. Edgar Kreilkamp,
verantwortlich für den Studiengang Tourismusmanagement an der Uni-
Produkt- oder Umweltmanagement, eingesetzt zu werden. Bei den
großen Veranstaltern versucht man durch die Bildung interdisziplinärer und gemischter Teams den komplexen Anforderungen bei Reisedesign und -vermarktung gerecht zu werden. Da finden sich nicht selten ein studierter Sinologe, ein Reiseverkehrskaufmann, ein BWLer
mit Controlling oder Marketing-Know-how, ein Sport- und Fitnesskaufmann und ein Vertreter eines IT-Berufs zusammen, um gemeinsam die optimale Lösung für ein Reiseprodukt zu finden, beispielsweise eine Asien-Rundreise mit kombiniertem Tauchkurs. Ú
„Hohes Einfühlungsvermögen
ist gefragt“
Ulrich Rüter, Geschäftsführer des
Bundesverbandes der deutschen
Tourismuswirtschaft, im Gespräch
mit abi.
Foto: Obermeyer/WillmyCC
Foto: Privat
abi: Welche beruflichen Qualifikationen werden in der Tourismusbranche immer wichtiger?
Bei kulturell sensitiven Reisen, wie hier ins indianische Hinterland
des mexikanischen Bundesstaates Chiapas, versuchen
spezialisierte Reiseveranstalter die richtige Balance zwischen
Kundenwünschen und Respekt vor den Einwohnern zu finden.
versität Lüneburg, schätzt die Situation folgendermaßen ein: „Ein Studium im Tourismusbereich ist immer auch praxisorientiert. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit Problemen der Branche.“ In
dem in Lüneburg angebotenen Masterstudiengang Tourismusmanagement setzen sich die Studierenden vertieft mit tourismusspezifischen
Inhalten auseinander, so dass sie für den harten internationalen Wettbewerb der großen Unternehmen mit einer vielschichtigen Problemlösungskompetenz ausgestattet sind. „Für solche eher strategischen
Aufgaben reicht eine Ausbildung nicht aus. Und Quereinstieg wird immer seltener“, weiß Edgar Kreilkamp.
Quereinsteiger?
Trotzdem gibt es sie noch, die Quereinsteiger, vor allem im Bereich
Reiseleitung: Im Gegensatz zu vielen anderen Wirtschaftsbranchen sind
deshalb auch Geisteswissenschaftler wegen ihres kulturellen Allgemeinwissens in der Tourismusbranche gut aufgehoben. „Da sich Sprachwissenschaftler während ihres Studiums nicht nur mit der Sprache, sondern auch der Kultur der jeweiligen Länder beschäftigt haben, sind sie
besonders gut dafür geeignet, Reisegruppen durchs Land zu führen“,
so Dr. Klaus Dietsch, Sprecher der Unternehmensgruppe Studiosus. Bei
dem Touristikkonzern TUI zum Beispiel durchlaufen Kulturwissenschaftler – wie alle anderen Einsteiger auch – ein Traineeprogramm und haben
anschließend die Möglichkeit, in den verschiedensten Bereichen, wie
Ulrich Rüter: Neben der schon immer
notwendigen ausgeprägten Dienstleistungsmentalität, ist durch die immer individuelleren Wünsche der Kunden sehr hohes Einfühlungsvermögen
erforderlich. Der Touristiker muss ein Gefühl dafür entwickeln, was
für ein Reisetyp der Kunde ist und auf was er besonderen Wert legt.
Dabei sind vor allem die Anforderungen gewachsen, sich im Produktdschungel zurechtzufinden, und auch technisches Wissen – beispielsweise bezüglich der Buchungssysteme – wird immer wichtiger.
Die rein touristische Sachkenntnis rückt dabei ein bisschen in den
Hintergrund und ist nicht mehr so wichtig, wie etwa noch vor zehn
Jahren.
abi: Wie sollte darauf in der Ausbildung im Tourismus reagiert
werden?
Ulrich Rüter: Die existierenden Berufsbilder decken die touristischen Aufgaben ziemlich gut ab. Doch sollten die Ausbildungsinhalte,
beispielsweise beim Reiseverkehrskaufmann, flexibler den Bedürfnissen des Marktes angepasst werden können. Zu diesem Zweck ist
es beispielsweise auch sehr sinnvoll, einen Blick ins benachbarte
Ausland zu werfen. Man könnte Ausbildungsinhalte, die ohnehin
schon eine hohe Überschneidungsquote haben, vereinheitlichen. So
sind die Leute leichter europaweit einsetzbar. Im akademischen Bereich wird bezüglich Auslandskooperationen sehr viel gemacht, bei
der nicht-akademischen Erstausbildung sehe ich hier einen großen
Nachholbedarf.
abi: Mit welcher Art von Ausbildung hat man die besten
beruflichen Chancen im Tourismus?
Ulrich Rüter: Generell ist eine touristische Berufsausbildung oder
ein breit angelegtes wirtschaftswissenschaftliches Studium, idealerweise kombiniert mit einschlägigen Praktika, eine gute Ausgangsposition. Einen Königsweg in die Tourismusbranche gibt es allerdings
nicht. Problematisch ist der unübersichtliche Ausbildungsmarkt mit
einer Vielzahl an Instituten für Aus- und Weiterbildung. Hier gibt es
doch einige schwarze Schafe, wodurch das Ansehen der Tourismusausbildung teilweise gelitten hat. Deswegen sollte man auf etablierte
Ausbildungswege und Institute zurückgreifen.
abi
2/2006
19
Schwerpunkt: Tourismus
PRODUK TMANAGEMENT FÜR ASIEN/CHINA
Mehrere Wochen im Jahr um die Welt jetten und exotische Orte
entdecken: Wer träumt nicht von einem solchen Leben? Für Petra
Herget gehört das zum beruflichen Alltag. Die 35-Jährige ist als
Produktmanagerin bei DERTOUR für die Planung und Organisation
von Reisen nach Asien zuständig.
Petra Herget lachend ihre Arbeitstage, die sie
abwechselnd in ihrem Büro in Frankfurt oder
auf Reisen durch Asien verbringt. Dort ist sie
immer Anfang des Jahres auf Einkaufsreise
unterwegs. Dabei inspiziert sie die Unterkünfte, informiert sich über die angebotenen
Ausflüge und sucht nach neuen interessanten
Reisezielen. Diese Informationen lassen Petra
Herget und ihr fünfköpfiges Team jeweils im
Frühjahr und Herbst in die Katalogherstellung
für die Winter- und Sommersaison einfließen.
Damit ist sie insgesamt etwa sechs Monate im
Jahr beschäftigt.
Nach der Katalogherstellung ist sie mehrere Wochen unterwegs, um das neue Programm bundesweit in Reisebüros vorzustellen. Zwischendurch stehen Produktschulungen in den Zielgebieten auf dem Programm
oder der Besuch von Fachmessen im In- und
Ausland, um sich über Trends im Asientourismus zu informieren und das eigene Programm zu präsentieren. In den „Bürozeiten“
kümmert sich Petra Herget vor allem um den
Hoteleinkauf; das heißt, sie plant das benötigte Bettenkontingent und verhandelt über
Preise und Rückgabemodalitäten. Außerdem
müssen Anfragen von Hotels und Reisebüros
bearbeitet werden. In Krisensituationen ist die
Produktmanagerin auch Ansprechpartnerin
für die Reisenden in den Zielgebieten, Stichwort Vogelgrippe oder Tsunami.
Neue Ideen einbauen
Was Petra Herget an ihrer Tätigkeit besonders
schätzt, ist die kreative Seite. Immer wieder ist
ein neues Reisedesign gefragt, um auf veränderte Rahmenbedingungen oder Kundenwünsche einzugehen. So wurde beispielsweise
eine Rundreise durch das Hochland von Sumatra neu konzipiert, da sie nach ihrer Teilnahme festgestellt hatte, wie stressig der Ablauf ist. „Es gibt vor allem zwei Trends, die ich
versuche umzusetzen: Wellness und Exklusi-
20 abi
2/2006
vität. So achte ich beispielsweise bei meinen
Einkaufsreisen sehr darauf, ob das Hotel einen Spa (Wellness-Einrichtungen wie Sauna, Heilbad, Fitnessbereich, Massagen etc.)
hat. Exklusivität heißt, dass zum
einen mehr Luxusreisen im Fünfund Sechs-Sternebereich gefragt sind, zum anderen individuelle Reisen mit persönlicher
Betreuung. Gerade nach Asien
bieten wir fast alle Rundreisen auf Zwei-Personen-Basis mit privatem Reiseleiter an.“
An der Zeit, die Petra Herget für die Informationssuche, das Testen der Touren und Hotels und die Einarbeitung der Änderungen in
den Katalog aufwendet, kann man ablesen,
wie wichtig die Anpassung und Optimierung
der Reiseprodukte ist. Da die Reisenden eine
immer größere Auswahl an Hotels und Touren
verlangen, arbeitet sie mit externen Agenturen zusammen, denn um alle Verträge vor Ort
abzuschließen, fehlt ihr die Zeit. Dadurch verlagert sich ihre Arbeit zunehmend an den
Schreibtisch.
Foto: Privat
D „Man weiß nie, was kommt“, beschreibt
Foto: Obermeyer/WillmyCC
Im Büro und auf Bali
Der Weg ins Produktmanagement
Dass sie in der Tourismusbranche arbeiten
möchte, stand für Petra Herget aufgrund ihrer
Reiseleidenschaft schon früh fest. Nach Abitur und Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau
sammelte sie bei einem Stuttgarter Reiseveranstalter einige Jahre Berufserfahrung. Anschließend plante sie bei Ikarus Tours als Produktmanagerin Reisen nach Nordamerika und
Mexiko. Mit dem Wechsel zu DERTOUR musste sie sich neu einarbeiten, denn es war nur
eine Position in dem ihr unbekannten Bereich
Asien/China frei. Mit der Zeit wuchs der
Wunsch, ihre beruflichen Kenntnisse zu vertiefen und mehr Verantwortung zu übernehmen. Um ihre Berufstätigkeit nicht unterbrechen zu müssen, machte sie ein neunmonati-
ges Managementstudium an der Fernuniversität Hagen. „Ich hatte zwar täglich mit Bereichen wie Personalwesen, Marketing oder Controlling zu tun, aber diese Begriffe waren bis
dahin kaum definiert für mich“, so Petra Herget.
Diese Weiterqualifizierung trug dazu bei, dass
sie seit Mitte 2003 das Produktmanagement
für Asien/China leitet. Neben der Reiseorganisation hat sie nun auch die Personalverantwortung über ihr Team und die Kontrolle über
das Budget. Ú
Schwerpunkt: Tourismus
VERTRIEBSMARKETING FÜR REISEBÜROS
Kommunikationsverstärker
Foto: Manchan/Photodisc/Getty Images
Foto: Dörfel Fotodesign
Foto: Privat
Wie bringe ich ein Reiseprodukt am besten an den Mann? Diese
Frage ist für jeden Reiseveranstalter von großer Bedeutung und bei
über 12.600 Reisebüros deutschlandweit auch nicht so leicht zu
beantworten. Dabei ist vor allem geschickte Kommunikation mit
den Reisebüros und ein ausgeklügeltes Marketing gefragt.
D Bei der Thomas Cook AG sitzt der Leiter
des Vertriebsmarketing, Thomas Kloubert (33),
an der Schnittstelle zwischen dem Konzern
und den Reisebüros: „Meine Aufgabe ist es,
unsere Veranstalter-Produkte so zu vermarkten, dass Reisebüros an unseren Reisen interessiert sind und alles Wissenswerte parat
haben, um sie verkaufen zu können.“ Dass er
einmal in der Tourismusbranche arbeiten
würde, hätte Thomas Kloubert nicht gedacht.
Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an
den Universitäten in Aachen und Köln richtete
er auf Marketing, Organisation und Finanzierung aus. Das Thema Marketing vertiefte er
noch zusätzlich in seiner Doktorarbeit. Als er
sich bei der Thomas Cook AG als Vorstandsassistent bewarb, konnte er also keine touristischen Fachkenntnisse vorweisen. Doch für
die geforderten Projektaufgaben waren sein
spezialisiertes Marketingwissen und gerade
die kaufmännischen Kenntnisse wichtiger als
der touristische Praxisbezug. Ein breit angelegtes Studium wie BWL sieht er deshalb
auch als geeigneten Einstieg in die mittlere
und höhere Führungsebene in der Tourismusbranche: „Natürlich ist touristisches Wissen
wichtig, aber sehr viel kann man sich direkt im
Berufsleben aneignen.“
Individuelle Marketingaktionen
Thomas Kloubert nutzt verschiedene Mittel
und Wege, um alle Verkaufsstellen mit Produktinformationen zu versorgen und beim Verkauf zu unterstützen. Zusammen mit seinem
16-köpfigen Team plant er Werbekampagnen,
um die verschiedenen Veranstaltermarken der
Thomas Cook AG, wie zum Beispiel Neckermann Reisen, bundesweit in Reisebüros und
die 150 firmeneigenen Reisebüros zu vermarkten. Um den Verkauf der Thomas Cook-Veranstalterprodukte zu fördern, überlegt sich
Thomas Kloubert, welche Werbemittel am besten eingesetzt werden können; von Plakaten
über Pappaufsteller und Schaufensterdekora-
tionen bis hin zu kleinen Werbegeschenken.
Hier sind Gestaltungs- und Präsentationskenntnisse gefragt. Und großes Organisationstalent, denn Thomas Kloubert hat insgesamt
12.600 Reisebüros und -agenturen zu betreuen.
Dabei ist die Absprache mit anderen Abteilungen und Unternehmen sehr wichtig, um
die Kampagnen den Kunden und einzelnen
Zielländern individuell anzupassen. Mit den
Leitern des Außendienstes, der die Reisebüros
direkt vor Ort betreut, und dem Produktmanagement bespricht Thomas Kloubert die Inhalte der Marketingmaßnahmen. Bei der Gestaltung der Werbemittel arbeitet er eng mit
Werbeagenturen zusammen, und um die reibungslose Verteilung an die Reisebüros zu garantieren, kooperiert er mit externen Logistikund Vertriebsdienstleistern.
Dass die Vermarktung der Thomas CookProdukte nicht den einzelnen Reisebüros
überlassen wird, beweist die Wichtigkeit der
Aufgabe. Über gezieltes Marketing will der
Konzern näher an Endkunden heranrücken
und sich an deren Wünschen orientieren.
Thomas Klouberts Arbeit geht deshalb mittlerweile weit über eine reine Marketingtätigkeit hinaus: „Ich sehe mich als ein Kommunikationsverstärker im Vertrieb.“ So kümmert
er sich darum, dass die Verkäufer mit neuen
Reiseprodukten vertraut gemacht werden. Zu
diesem Zweck organisiert er jährlich eine Veranstaltung, die der Produktinformation und
-schulung für Fernreisen dient: die Thomas
Cook World Tour. Auch die Präsentation des
Reiseprogramms aller Marken des Unternehmens im Rahmen der eigenen Touristik-Fachmesse „Premiere Reisesommer“, gehört zu
Thomas Klouberts Job. Ú
abi
2/2006
21
Schwerpunkt: Tourismus
Reiseeinkauf
für die Firma
Foto: Privat
T R AV E L M A N A G E R
Beim Stichwort Reisen denkt man in erster Linie an Ferien, weniger
an Geschäfte. Dabei erwirtschaftet der Bereich Business Travel
mittlerweile fast ein Drittel des Jahresumsatzes der deutschen Tourismusbranche. 33 Millionen Mal waren Deutsche 2004 geschäftlich im In- und Ausland unterwegs. 50.000 dieser Dienstreisen hat
Andreas Konkel, Travel Manager bei der Carl Zeiss AG, eingekauft.
D „Bei Carl Zeiss steigt die Anzahl der Dienstreisen aufgrund des Firmenwachstums. Um
dennoch Geld zu sparen, braucht man einen
Travel Manager“, erklärt Andreas Konkel. Dieser sorgt dafür, dass die Mitarbeiter des Unternehmens schnell und bequem an ihr Reiseziel
kommen, sich jedoch die Kosten im Rahmen
halten. Er ist verantwortlich für den Einkauf
von Flug- und Bahntickets, von Mietwagenund Bettenkontingenten sowie für die Kostenplanung und -kontrolle dieser Dienstleistungen. Die Globalisierung stellt erhöhte Ansprüche an die Mobilität, deshalb ist der Travel Manager in den letzten zehn Jahren zu einem
unentbehrlichen Mitarbeiter in großen Unternehmen geworden.
Einkauf ist bei der Beschreibung der Tätigkeit eines Travel Managers das wichtigste
Stichwort, denn für die Buchung der Dienstreisen ist er nicht verantwortlich. Das übernimmt ein Reisebüro, welches im Haus des
Unternehmens sitzt oder wie bei Carl Zeiss
von einem zentralen Standort aus alle Niederlassungen und Tochterunternehmen betreut.
Andreas Konkel dagegen sitzt an einer übergeordneten Stelle, an der der Bedarf an den
einzelnen Reiseleistungen analysiert und umfassende Einkaufsstrategien erarbeitet werden: „Früher hieß meine Abteilung schlicht
‚Reisestelle‘ und tat nichts anderes, als eine
reine Dienstleistung zu erbringen. Die moderne Bezeichnung ‚Travel Management‘ verrät, dass die Aufgabe viel komplexer geworden
ist und nun auch Dinge wie Controlling und Beratung von Mitarbeitern und Geschäftsführung
dazu gehören.“
Kalkulation und Einkauf
Der Einkauf der Reisedienstleistungen läuft
vor allem über weltweite Ausschreibungen,
22 abi
2/2006
mit denen nach geeigneten Anbietern wie beispielsweise Mietwagenfirmen oder Reisebüros
gesucht wird. Mit diesen schließt Andreas
Konkel dann einen Vertrag für eine begrenzte
Laufzeit. Die Abkommen mit den Dienstleistern macht er im firmeneigenen Intranet publik, wo einzelne Leistungen auch gleich von
den Mitarbeitern gebucht werden können. Als
Hilfestellung dienen dabei die von dem Travel
Manager mit entwickelten Reiserichtlinien, die
festlegen, welche Rechte und Pflichten jeder
Mitarbeiter auf einer Dienstreise hat. Auf
diese Weise werden die Kosten von vornherein begrenzt. Die Abrechnung aller Reisen
liegt ebenfalls in der Verantwortung von Andreas Konkel und seinem Team.
Und das besteht nicht, wie man annehmen
könnte, vor allem aus Reiseverkehrskaufleuten – schon während der Ausbildung in diesem Beruf kann man einen Schwerpunkt auf
Geschäftsreiseverkehr legen – sondern aus
Industriekaufleuten. Laut Andreas Konkel bereitet die touristische Berufsausbildung nicht
ausreichend auf eine Tätigkeit als Travel Manager vor: „Es fehlt vor allem an ControllingWissen, Managementfähigkeiten und Kenntnissen im Personalwesen. Ich sehe deshalb
sogar Bedarf an einem ganz neuen Ausbildungsberuf.“ Als gelernter Hotelkaufmann
konnte Andreas Konkel zwar praktische Erfahrungen im Tourismusbereich sammeln, die
ihm heute noch bei Hotelverhandlungen sehr
nützlich sind, doch viele kaufmännische
Grundlagen fehlten ihm. Deshalb machte er
eine zweijährige Weiterbildung zum TouristikFachwirt, die von den Industrie- und Handelskammern angeboten wird. „So konnte ich
mein praktisches Know-how mit theoretischem Wissen unterfüttern“, erklärt Andreas
Konkel seine Motivation. Ú
!nfo
BERUFEnet
Datenbank für Ausbildungs- und Tätigkeitsbeschreibungen der Bundesagentur für Arbeit
(Suchwort: Tourismus)
http://www.arbeitsagentur.de
KURS
Datenbank für Aus- und Weiterbildung der
Bundesagentur für Arbeit (Suchwort: Tourismus)
http://www.arbeitsagentur.de
Bundesverband der Deutschen
Tourismuswirtschaft e.V. (BTW)
Am Weidendamm 1a
10117 Berlin
Tel. 0 30/72 62 54-0
http://www.btw.de
Fachverband für touristische Aus- und
Weiterbildung e.V. (AJT)
Graurheindorfer Straße 73
53111 Bonn
Tel. 02 28/3 90 43 79
http://www.ajt-fachverband.de
Deutsches Seminar für Tourismus (DSFT)
Berlin e.V.
http://www.dsft-berlin.de
Deutscher Tourismusverband e.V. (DTV)
Bertha-von-Suttner-Platz 13
53111 Bonn
Tel. 02 28/9 85 22-0
http://www.deutschertourismusverband.de
Schwerpunkt: Tourismus
R E I S E L E I T E R I N F Ü R M O B I L I TÄT S E I N G E S C H R Ä N K T E M E N S C H E N
Foto: Lebenshilfe Dresden e.V.
Die Barrieren
werden niedriger
Jana Liebau (Dritte von links) arbeitet neben
dem Studium bei der Lebenshilfe und bei mare
nostrum als Reiseleiterin für Menschen mit
Behinderung. Im wachsenden Bereich des
Reisens für mobilitätseingeschränkte Personen
sieht sie nicht nur für sich eine große Zukunft.
Foto: Fiedler/WillmyCC
D Die 23-Jährige ist gerade im zehnten Se-
Ökologischer Tourismus in Europa e.V. (Ö.T.E.)
Am Michaelshof 8-10
53177 Bonn
Tel. 02 28/35 90 08
http://www.oete.de
Deutscher Reisebüro und Reiseveranstalter
Verband e.V. (DRV)
Albrechtstraße 10
10117 Berlin
Tel. 0 30/2 84 06-0
http://www.drv.de
Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (DZT)
Beethovenstraße 69
60325 Frankfurt/Main
Tel. 0 69/9 74 64-0
http://www.dzt.de
Nationale Koordinationsstelle Tourismus
für Alle e.V.
Kötherhofstraße 4
55116 Mainz
Tel. 0 61 31/25 04 10
Fax: 0 61 31/21 48 48
E-Mail: [email protected]
http://www.natko.de
Stellenmärkte für die Tourismusbranche
http://www.travelkarriere.de
http://www.wilbers-jobservice.de
http://www.fvw-online.de
Literaturtipp
Tourismus. Ausbildung und Studium in
Deutschland, Österreich und der Schweiz
Von Anneliese Donhauser; Verlag Bildung und
Wissen 2004; Euro 14,80
mester des Studiengangs Tourismus-Betriebswirtschaft in Dresden. Neben dem Studium
hat sie bei Städtereisen Erfahrungen als Reiseleiterin für Senioren gesammelt, später
auch mit körperlich und geistig behinderten
Menschen. Bei der Lebenshilfe hat sie an einer Schulung zu Pflege und Umgang mit Behinderten teilgenommen. Wie sie heute weiß,
ist für diese Gruppe von Reisenden eines besonders wichtig: Barrierefreiheit. Barrierefrei
sind nach dem Gesetz Einrichtungen, die „für
behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis
und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“ Mit diesem Thema beschäftigt sich Jana Liebau auch gerade in ihrer Diplomarbeit.
Seit Dezember 2005 ist sie Praktikantin
beim Stuttgarter Reiseveranstalter mare nostrum, der spezielle Angebote für Menschen
mit Behinderung im Programm hat. Ihre erste
Aufgabe war es, gemeinsam mit einer anderen
Praktikantin die Nord- und Ostsee nach barrierefreien Hotels für das Reiseangebot 2006
zu erkunden. Im Moment bereitet sie sich auf
eine 14-tägige Individualreise nach Djerba vor.
Die zu betreuende Person ist eine 31-jährige
Frau, die an den Rollstuhl gefesselt ist. Ein
ausgearbeitetes Urlaubsprogramm wünscht
sie nicht: „Sie möchte einen ruhigen Urlaub
machen, lesen, einkaufen und auch Leute kennen lernen“, weiß Jana Liebau.
Pflegekenntnisse wichtiger als
Entertainment
Viel wichtiger als große Planung, um die sich
andere Mitarbeiter von mare nostrum kümmern, ist für Jana Liebau, dass sie ihren
Schützling schon vorab kennen lernt, um auf
der Reise besser auf ihn eingehen zu können.
Deshalb hat sie die zu Betreuende zuhause besucht. Es wurde besprochen, was diese sich
von der Reise erwartet und was vermieden
werden soll. Da die Betreute auch Diabetikerin ist, gilt es außerdem genaue Pflegeanweisungen zu berücksichtigen.
Bei Anfahrt, Check-in und Boarding ist Jana
Liebau bereits die allein Verantwortliche. Da
sie schon in mehreren Bereichen des Tourismus gejobbt hat, weiß sie, dass bei Reisen
mit behinderten Menschen vor allem medizinische und pflegerische Aspekte im Vordergrund stehen und dass genaues Beobachten
erforderlich ist, zum Beispiel wenn man mit
Epilepsie-Kranken verreist. „Außerdem benötigt man viel Geduld, denn alles dauert etwas
länger“, erzählt sie. Ein Aspekt, den man leicht
unterschätzt, ist die teilweise vorherrschende
Intoleranz anderer Touristen, mit der Jana Liebau umgehen können muss. Das Schönste an
ihrer Tätigkeit als Reiseleiterin für Menschen
mit Behinderung ist für sie die Dankbarkeit,
die ihr entgegengebracht wird. „Man hat einfach den Eindruck, dass die eigene Arbeit den
Betreuten etwas bedeutet und nicht nur einfach so entgegengenommen wird.“
Auch im Zuge der Vorbereitung auf ihre Diplomarbeit hat Jana Liebau festgestellt, dass
in den letzten Jahren die Barrieren für mobilitätseingeschränkte Reisende immer weniger
geworden sind. Davon profitieren nicht nur
körperlich behinderte Menschen, sondern
auch Senioren, die allgemein als „Reisegruppe
50+“ gehandelt werden und immer mehr in
den Fokus der Veranstalter geraten. „Allgemein lässt sich feststellen, dass Urlaubsanbieter und Urlaubsregionen aufgeschlossener
werden gegenüber Menschen, die mobil eingeschränkt sind.“ Ú
abi
2/2006
23
Herunterladen