Hauttumoren im Kindesalter

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ÜBERSICHTSARBEIT
Hauttumoren im Kindesalter
Henning Hamm, Peter H. Höger
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund: Dermatologen, Pädiater und Allgemeinmediziner werden häufig von besorgten Eltern wegen eines an
der Haut ihres Kindes entstandenen Tumors konsultiert.
Methoden: Selektive Literaturrecherche
Ergebnisse: Lediglich 1 bis 2 Prozent der bei Kindern exzidierten Hauttumoren stellen sich histologisch als maligne
heraus. Anamnestisch-klinische Warnzeichen bestehen in
raschem Wachstum, derber Konsistenz, Größe über 3 cm,
Ulzeration, fehlender Verschiebbarkeit und Manifestation
im Neugeborenenalter. Die häufigsten malignen Hauttumoren des Erwachsenen – Basalzellkarzinom, kutanes
Stachelzellkarzinom und Melanom – kommen im Kindesalter sehr selten vor. Kongenitale melanozytäre Nävi und
Naevi sebacei bergen ein geringeres malignes Potenzial
als früher angenommen, ihre Exzision ist dennoch häufig
sinnvoll. Der Spitz-Nävus kann ein Melanom klinisch und
histologisch imitieren. Manche benigne Hauttumoren bilden sich über mehrere Jahre spontan zurück, können aber
in besonderen Lokalisationen und bei Multiplizität mit
Komplikationen einhergehen. Für Hämangiome, bei denen
aufgrund drohender Obstruktion und Ulzeration eine Systemtherapie indiziert ist, scheint Propranolol ein wesentlich günstigeres Nutzen-Risiko-Verhältnis aufzuweisen als
Kortikosteroide.
Schlussfolgerung: Die Entscheidung, ob ein kindlicher
Hauttumor einer Exzision, einer anderen Therapie oder einer weitergehenden Diagnostik bedarf, oder ob es sich um
einen harmlosen Befund mit Aussicht auf Spontanremission handelt, setzt ein hohes Maß an Sachkenntnis voraus.
►Zitierweise
Hamm H, Höger PH: Skin tumors in childhood.
Dtsch Arztebl Int 2011; 108(20): 347–53.
DOI: 10.3238/arztebl.2011.0347
in Schwerpunkt der heutigen Dermatologie besteht in der Früherkennung und – zumeist operativen – Behandlung maligner Hauttumoren und deren Vorstufen. Bei Erwachsenen sind die mit Abstand
häufigsten Hautkrebserkrankungen mit weiterhin
steigender Inzidenz das Melanom, Basalzellkarzinom und Stachelzellkarzinom (1). Dagegen stellt
sich die Situation im Kindesalter gänzlich anders
dar: Der pädiatrische Dermatologe wird mit einer
Vielzahl überwiegend benigner Hauttumoren konfrontiert, die möglicherweise dennoch einer Therapie
bedürfen, allerdings seltener einer Exzision.
In dieser Übersicht wird kurz auf die Rolle eingegangen, die die wichtigsten malignen kutanen Neoplasien des Erwachsenenalters bei Kindern spielen.
Nachfolgend werden drei Nävusarten besprochen,
die für die Entwicklung maligner Hauttumoren bedeutsam sind beziehungsweise die wichtigste Differenzialdiagnose des kindlichen Melanoms darstellen.
Im dritten Teil werden vier typische Hauttumoren
des ersten Lebensjahrzehnts thematisiert. Hierzu
wurde Literatur herangezogen, die mit Hilfe von
PubMed, Medline und PubMed Central ermittelt
wurde. Die besprochenen Tumoren wurden aufgrund
ihrer hohen Bedeutung in der täglichen klinischen
Arbeit der Autoren ausgewählt.
E
Maligne Hauttumoren im Kindesalter
Bei lediglich 1 bis 2 Prozent aller bei Säuglingen und
Kindern exzidierten Hauttumoren handelt es sich um
maligne Befunde.
Zu ihnen zählen:
● Fibrosarkom
● Rhabdomyosarkom
● Angiosarkom
● Neuroblastom
● maligner peripherer Nervenscheidentumor
● kutanes T-Zell- und andere Lymphome
sowie die als semimaligne einzustufenden
● infantilen Fibromatosen
● Hämangioendotheliom
● büschelförmiges Angiom
● Dermatofibrosarcoma protuberans.
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie,
Universitätsklinikum Würzburg: Prof. Dr. med. Hamm
Abteilung Pädiatrische Dermatologie, Katholisches Kinderkrankenhaus
Wilhelmstift Hamburg: Prof. Dr. med. Höger
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Als Warnzeichen gelten rasches Wachstum, Ulzeration, Fixierung oder tiefe Lokalisation auf der Faszie,
derbe Konsistenz, Größe über 3 cm und Manifestation im Neugeborenenalter (2).
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KASTEN 1
Risikofaktoren für die Entwicklung
von Melanomen (3)
● Hellhäutigkeit, rote und blonde Haare,
helle Augenfarbe
● Sommersprossen, aktinische Lentigines
● Neigung zu Sonnenbränden bei Exposition
gegenüber UV-Licht
● intermittierende intensive Exposition gegenüber
UV-Licht
● hohe Zahl gewöhnlicher melanozytärer Nävi
● mehrere atypische melanozytäre Nävi
● kongenitaler melanozytärer Nävus, insbesondere
ein riesiger
● Melanome in der Familie
● Störungen der DNA-Reparatur, insbesondere
Xeroderma pigmentosum
● Immunsuppression
● frühere maligne Erkrankung
KASTEN 2
Risikofaktoren für die Entwicklung
von malignen epithelialen
Hauttumoren (6)
● Hellhäutigkeit
● UV-Licht
● ionisierende Strahlen
● prädisponierende Genodermatosen:
– zum Beispiel Basalzellnävus-Syndrom beim Basalzellkarzinom,
– Epidermodysplasia verruciformis beim Stachelzellkarzinom,
– Xeroderma pigmentosum bei beiden Tumoren
● Naevus sebaceus
● langfristige Immunsuppression, zum Beispiel nach
Organtransplantation
● humane High-risk-Papillomviren
● chemische Karzinogene, zum Beispiel anorganisches
Arsen
● chronische Entzündungen, Ulzerationen, Narben und
Sklerosen
348
Melanom
Die zunehmende Melanominzidenz betrifft das Kindesalter erst ab der Pubertät. 1 bis 4 Prozent aller
Melanome entstehen bei unter 20-Jährigen, nur 0,3
bis 0,4 Prozent aller Melanome vor der Pubertät. Abgesehen von den großen kongenitalen melanozytären
Nävi führen die meisten der in Kasten 1 zusammengestellten prädisponierenden Faktoren erst im Erwachsenenalter zum Melanom, sind aber schon im
Kindesalter vorhanden, so dass Präventionsmaßnahmen unbedingt schon sehr früh beginnen sollten.
Auch bei Kindern entstehen die meisten Melanome
de novo, im Vergleich zum Erwachsenenalter werden
aber mehr untypische, amelanotische und noduläre
Melanome beobachtet (4).
In der erschwerten Diagnosestellung liegt ein
möglicher Grund dafür, dass Melanome bei Kindern
zum Zeitpunkt der Exzision eine höhere durchschnittliche Tumordicke aufweisen, ein anderer in
der größeren Zurückhaltung, diese seltene Verdachtsdiagnose bei einem Kind zu stellen und eine
diagnostische Exzision vorzunehmen. Melanomsimulatoren sind insbesondere der Spitz-Nävus und
atypische melanozytäre Nävi.
Das therapeutische Vorgehen beim kindlichen Melanom entspricht dem im Erwachsenenalter, einschließlich der heute routinemäßig durchgeführten
Sentinel-Lymphknotenbiopsie ab 1 mm Tumordicke.
Obwohl positive Sentinel-Lymphknoten-Befunde bei
Kindern häufiger sind, unterscheidet sich die Prognose quoad vitam kaum von derjenigen erwachsener
Patienten mit gleicher Tumordicke. Die 5-JahresÜberlebensrate bei pädiatrischen Melanomen allgemein wurde mit 74 bis 80 Prozent angegeben (5).
Maligne epitheliale Hauttumoren
Auch für das semimaligne Basalzellkarzinom (BCC)
und das kutane Stachelzellkarzinom (SCC) sind genetische und andere frühzeitig relevante Risikofaktoren bekannt (Kasten 2).
Die bedeutendsten Risikofaktoren für beide
Krebsarten sind Hellhäutigkeit und UV-Licht-Exposition, auch durch künstliche UV-Quellen, wobei eine intermittierend starke Besonnung mit Auftreten
von Sonnenbränden für das BCC und die kumulative
Lebenszeit-Exposition für das SCC maßgeblich sind
(1). In Abwesenheit zusätzlicher fördernder Umstände wirken sich diese allerdings erst nach jahrzehntelanger Latenz aus. Bereits im Kindesalter auftretende, maligne epitheliale Hauttumoren werden am
ehesten auf dem Boden prädisponierender Genodermatosen beobachtet (7).
Nävi mit Beziehung zu malignen Hauttumoren
Kongenitale melanozytäre Nävi
Seit über einem Jahrhundert ist das maligne Potenzial kongenitaler melanozytärer Nävi (KMN) bekannt.
Immer klarer wird jedoch, dass die Dimension des
Entartungsrisikos fallbezogen äußerst unterschiedlich ist und unter anderem von der Nävusgröße abDeutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 20 | 20. Mai 2011
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hängt. KMN werden daher nach dem größten Durchmesser, den sie voraussichtlich im Erwachsenenalter
erreichen, klassifiziert (Tabelle 1).
Das Entartungsrisiko kleiner und mittelgroßer
KMN ist gering. Melanome entwickeln sich auf ihnen praktisch nie vor der Pubertät und entstehen in
der Epidermis, sind also einer Früherkennung zugänglich. In die Indikation zur operativen Entfernung sind aber auch psychosoziale und kosmetische
Aspekte einzubeziehen. Deswegen, aber auch aufgrund erleichterter Exzidierbarkeit, ist die – gegebenenfalls serielle – Exzision größerer Nävi oft bereits
im Kleinkindesalter angezeigt.
Die Problematik bei großen KMN (Abbildung 1)
und vor allem Riesennävi ist vielschichtiger (8):
● Vom Nävus ausgehende, kutane Melanome, selten auch andere maligne Tumoren bilden sich in
70 Prozent schon im ersten Lebensjahrzehnt und
entstehen oft in tieferen Schichten des Nävus, so
dass sie erst später bemerkt werden können.
● Melanome können nicht nur auf dem Nävus
entstehen, sondern auch an anderen Stellen,
zum Beispiel im Zentralnervensystem.
● Vor allem riesige und große KMN können mit
einer neurokutanen Melanose assoziiert sein,
einer leptomeningealen Aussaat von Nävuszellen (9). Wichtigster Risikofaktor hierfür ist eine
hohe Zahl sogenannter Satellitennävi. Außerdem kommen gehäuft Fehlbildungen des Zentralnervensystems vor. Bei Riesennävi, die die
dorsale mediane Körperachse überschreiten
und/oder multiple Satelliten aufweisen, wird
daher eine kraniale und spinale Kernspintomographie in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten empfohlen (10). Eine symptomatische
neurokutane Melanose manifestiert sich typischerweise in den ersten zwei bis drei Lebensjahren mit Zeichen des Hirndrucks oder der spinalen Kompression. Die Prognose ist schlecht.
Nicht alle Patienten mit einem positiven Befund in der Bildgebung entwickeln aber neurologische Symptome.
Die Gefahr, dass eine dieser Komplikationen auftritt, lässt sich für große und riesige KMN auf insgesamt etwa 5 bis 15 Prozent schätzen und ist in den
ersten fünf bis zehn Lebensjahren am höchsten.
Der therapeutische Umgang mit KMN ist Gegenstand anhaltender Diskussionen, zumal nur das
Risiko der Tumorentstehung auf dem kutanen Nävus
verringert werden kann. Wenn keine neurokutane
Melanose vorliegt, wird von den meisten Experten
zu einer frühzeitigen und möglichst vollständigen
Exzision großer und riesiger KMN oder zumindest
zur Entfernung besonders auffälliger oder schwer
kontrollierbarer Areale gegen Ende des ersten Lebensjahres geraten. Unabhängig von der Therapie
sind in diesen Fällen zunächst vierteljährliche Kontrolluntersuchungen zu empfehlen.
Oberflächlich-ablative Verfahren wie die Dermabrasion dienen primär dem Ziel einer kosmetischen
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TABELLE 1
Gängige Klassifikation kongenitaler melanozytärer Nävi (KMN) (8)
Bezeichnung
Größe*1
Inzidenz
klein
< 1,5 cm
etwa 1 : 100
mittelgroß
1,5–19,9 cm
etwa 1 : 1 000
groß
≥ 20 cm
etwa 1 : 20 000
riesig
> 40–50 cm*2
etwa 1 : 500 000
*1 Gemeint ist der größte Durchmesser, der im Erwachsenenalter erreicht wird. Der größte Durchmesser
von KMN nimmt vom Neugeborenen- zum Erwachsenenalter am Kopf um den Faktor 1,7 zu, an den Beinen
um den Faktor 3,3, und an Rumpf, Armen und Füßen um den Faktor 2,8 (8).
*2 kein allgemeiner Konsens
Abbildung 1:
Großer kongenitaler
melanozytärer
Nävus bei einem
Neugeborenen
Verbesserung und sind allenfalls in den ersten Lebensmonaten bei nicht exzidierbaren Befunden sinnvoll. Naturgemäß werden hiermit die tieferen Nävuszellschichten nicht erreicht; auch die nävustypische
Hypertrichose wird dadurch nicht verhindert. Eine
Lasertherapie sollte nach gegenwärtigem Empfehlungsstand nur in besonders gelagerten Fällen und
speziellen Lokalisationen (zum Beispiel Gesicht) in
Betracht gezogen werden.
Spitz-Nävus
Der Spitz-Nävus wird histologisch bei 1 bis 2 Prozent aller exzidierten melanozytären Läsionen diagnostiziert. Seine klinische Variationsbreite reicht von
einer kuppelförmigen, hautfarbenen oder rötlichen
Papel im Gesicht eines Kleinkindes bis zu einer
braun-schwarzen Plaque an der proximalen Extremität eines Jugendlichen. Typisch für Spitz-Nävi und
differenzialdiagnostisch bedeutsam ist ihr initial oft
rasches Wachstum mit anschließender Persistenz.
Der Spitz-Nävus ist weder ein Melanomvorläufer
noch ein Melanom, aber der wichtigste, sowohl klinische als auch histologische Melanomsimulator,
wie seine ursprüngliche Beschreibung als „juveniles
Melanom“ verrät. Die Dignität mancher Hauttumoren mit Spitz-Nävus-ähnlicher Histologie lässt sich
selbst von erfahrenen Dermatohistologen trotz Zuhilfenahme immunhistologischer Techniken nicht
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apokrine und ekkrine Schweißdrüsentumore, vornehmlich das (pigmentierte) Trichoblastom (Abbildung 2) und das Syringocystadenoma papilliferum.
Deutlich seltener als früher angenommen – in retrospektiven Studien in 0 bis 3,5 Prozent der Fälle –
entstehen BCCs auf dem Nävus, ausnahmsweise
auch Stachelzell- und Adnexkarzinome. Bei Kindern
sind nur rund 15 Fälle von BCC auf Naevus sebaceus
dokumentiert (13), so dass heute nach Meinung der
meisten Autoren keine Indikation zur Entfernung
eines Naevus sebaceus im Kindesalter aus prophylaktischen Gründen besteht. Eine frühzeitige Entfernung ist jedoch wegen der erleichterten Exzidierbarkeit (Kapillitium) und aus kosmetischen Gründen
(Gesicht) vorteilhaft (14). Methode der Wahl ist die
Exzision.
Abbildung 2:
Pigmentiertes
Trichoblastom auf
einem Naevus
sebaceus
Abbildung 3:
Hämangiom
Auswahl häufiger benigner Hauttumoren
immer sicher einordnen („atypischer Spitz-Tumor“).
In diesen Fällen haben sich komparative genomische
Hybridisierung beziehungsweise Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung als hilfreiche Differenzierungsmethoden erwiesen, sind allerdings bislang nicht routinemäßig verfügbar (11).
Im Zweifelsfall sollte therapeutisch wie bei einem
gesicherten Melanom verfahren werden. Abhängig
von der Tumordicke beinhaltet dies Stagingmaßnahmen und die Sentinel-Lymphknoten-Exstirpation,
die bei spitzoiden melanozytären Tumoren in bis zu
50 Prozent der Fälle positiv ausfällt. Der Nachweis
von Melanozyten im Lymphknoten ist jedoch nicht
gleichbedeutend mit einer Metastase (12).
Naevus sebaceus
Mit einer Prävalenz von 0,3 Prozent ist der Naevus
sebaceus der häufigste organoide Epidermalnävus.
„Organoid“ bedeutet, dass mehr als eine Gewebsstruktur, in diesem Fall vor allem Talgdrüsen und
Schweißdrüsen, an der Fehlbildung beteiligt ist.
Mehr als 90 Prozent der Naevi sebacei sind am Kopf
lokalisiert, überwiegend am Kapillitium. An dieser
Stelle ist die mit dem Nävus verbundene Alopezie
besonders störend. In 10 bis 30 Prozent der Fälle entwickeln sich – zumeist erst im Erwachsenenalter –
auf dem Nävus Hauttumore. Größtenteils handelt es
sich dabei um benigne Haarfollikel-, Talgdrüsen-,
350
Hämangiom
Mit einer Prävalenz von 3 bis 5 Prozent bei Säuglingen stellen Hämangiome die häufigsten Tumoren im
Kindesalter dar. Mädchen sind zwei- bis dreimal
häufiger betroffen als Jungen, Frühgeborene weisen
ein bis zu zehnfach erhöhtes Risiko für Hämangiome
auf. Den meisten infantilen Hämangiomen liegt eine
Überaktivität des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors zugrunde (15), die durch peripartale Hypoxie getriggert wird. Bei diffusen Hämangiomatosen spielen von plazentaren Hämangiomen (Chorangiomen) ausgehende Endothelzellemboli eine ursächliche Rolle (16). Im differenzialdiagnostisch bedeutsamen Unterschied zu anderen Gefäßtumoren
exprimieren „echte“ Hämangiome das immunhistologisch nachweisbare Glukose-Transport-1-Protein
(GLUT-1).
Infantile Hämangiome weisen eine charakteristische Wachstumsdynamik auf, die sie leicht von vaskulären Fehlbildungen unterscheiden lässt: Kurz
nach Geburt entwickelt sich aus einer anfangs weißlichen oder hellroten Macula (Differenzialdiagnose:
Gefäßnävus) ein proliferierender, praller, je nach Lage kräftig roter (intrakutan) oder blass-livider (subkutan) Knoten (Abbildung 3). Die Proliferationsphase dauert gewöhnlich sechs bis neun Monate; sie
wird gefolgt von einem Wachstumsstopp, bevor im
Alter von etwa 12 bis 14 Monaten bei 80 bis 90 Prozent der Hämangiome die spontane Regression einsetzt und sich über mehrere Jahre erstreckt. Die
Mehrzahl der Hämangiome bedarf daher keiner Behandlung. Bei drohender Obstruktion (insbesondere
periokulär, para- oder intratracheal), Ulzeration (vor
allem intertriginös) oder sehr großen Hämangiomen
(Gefahr der Herzinsuffizienz, selten auch der Hypothyreose) besteht jedoch eine dringende, absolute
Behandlungsindikation, bei Lokalisation im Gesicht
ohne Obstruktion aufgrund „kosmetischer“ Beeinträchtigung und zu befürchtender, späterer psychosozialer Stigmatisierung eine relative (Tabelle 2).
Als einfach durchführbare und wiederholbare Methode zur Frühtherapie proliferierender Hämangiome
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bis zu 1 cm Durchmesser und 3 bis 4 mm Dicke hat
sich die Kontaktkryotherapie bewährt. Bei Verwendung von Geräten, bei denen der metallene Applikator elektrisch auf lediglich –32° C gekühlt wird,
kommen unerwünschte Wirkungen wie Hypopigmentierung, Blasenbildung und Ulzeration mit nachfolgender Narbenbildung wesentlich seltener vor als
bei mit flüssigem Stickstoff gekühlten Metallstäben.
Seit der überraschenden Entdeckung des frappierenden Effekts des nichtselektiven Betablockers Propranolol auf proliferierende Hämangiome (17) setzt
sich diese Behandlung weltweit bei oben genannten
absoluten Indikationen mehr und mehr durch und ersetzt die bislang übliche, hochdosierte Kortikosteroidtherapie. Randomisierte, kontrollierte Studien –
und daher auch die arzneirechtliche Zulassung – liegen für dieses Therapieverfahren jedoch noch nicht
vor. Schon deswegen sollte die Therapie stationär
eingeleitet werden. Aufgrund des offenkundig günstigen Nutzen-Risiko-Profils von Propranolol wurde
die entsprechende deutsche Leitlinie der AWMF (18)
kürzlich überarbeitet. Auf mögliche Nebenwirkungen wie Hypoglykämie, seltener Hypotension und
Bradyarrhythmien, ist unbedingt zu achten.
Juveniles Xanthogranulom
Das juvenile Xanthogranulom (JXG) stellt die häufigste Form der Nicht-Langerhanszell-Histiozytosen
dar. Es handelt sich um gutartige, meist solitäre, derbe, anfangs rötliche, dann gelblich-orangefarbene
Papeln und Knoten von 0,5–2 cm Durchmesser, die
vorwiegend an Kopf, Hals und Oberkörper lokalisiert sind. Sie werden am häufigsten bei Neugeborenen (5–17 Prozent), Säuglingen und Kleinkindern,
nur ausnahmsweise bei älteren Kindern oder Erwachsenen beobachtet. Selten können sie sich auch
extrakutan manifestieren: Bei augennahen oder multiplen JXG besteht das Risiko einer Beteiligung der
vorderen Augenabschnitte, daher ist in diesen Fällen
eine ophthalmologische Untersuchung indiziert. Die
Liste weiterer, möglicherweise befallener Organe ist
lang: ZNS, Muskulatur, Knochen, Lungen, Leber,
Milz, Nieren, Nebennieren, Perikard, Testes und Larynx können betroffen sein (19). Überdurchschnittlich häufig ist die Assoziation mit der Langerhanszell-Histiozytose (20) beziehungsweise mit Neurofibromatose Typ 1 und juveniler MyelomonozytenLeukämie (21). Die Mehrzahl der JXG regrediert
spontan im Verlauf der ersten vier bis sechs Lebensjahre und bedarf daher keiner Behandlung.
Mastozytom
Mastozytome treten entweder solitär oder im Rahmen von Mastozytosen auf, einer heterogenen Gruppe von Erkrankungen, die durch eine Mastzellvermehrung in der Haut, bei einigen – vorwiegend im
Erwachsenenalter vorkommenden – Formen auch in
Knochenmark, lymphatischen Organen und anderen
Organsystemen gekennzeichnet ist. Im Kindesalter
werden
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TABELLE 2
Behandlungsindikation und -optionen für die Therapie infantiler
Hämangiome (18)
Lokalisation bzw.
Typ des Hämangioms
Methode der Wahl
Alternativen
1. Absolute Behandlungsindikation
Drohende Obstruktion
(z. B. Auge, Nase, Trachea)
Propranolol*1
Nd:YAG-Laser*2
Ulzeration
Propranolol*1
Diffuse neonatale
Hämangiomatose
Propranolol*1
Systemische Kortikosteroide, Exzision umschriebener Hämangiome
Systemische
Kortikosteroide
2. Relative Behandlungsindikation
Lokalisation im Gesicht
Kontaktkryotherapie*3
Nd:YAG-Laser*2
3. Keine Behandlungsindikation
Unproblematische Hämangiome (z. B. am Stamm und an den proximalen
Extremitäten)
*1 bisher nicht zugelassen (s. Text)
*2 bei flachen Hämangiomen (max. Tiefenausdehnung 1,1 mm) auch gepulster Farbstofflaser
*3 max. Tiefenausdehnung 3–4 mm, max. Flächendurchmesser 1 cm
Abbildung 4:
Solitäres
Mastozytom
●
solitäre Mastozytome (20 Prozent aller kindlichen Mastozytoseformen),
● die makulopapulöse Mastozytose mit mehr als
5 Mastozytomen (Urticaria pigmentosa, 70 Prozent der Fälle) und
● sehr selten die diffuse kutane Mastozytose
(5 Prozent) beobachtet (22).
Den verschiedenen Formen liegen aktivierende
Mutationen des Proto-Onkogens c-KIT auf Chromosom 4q12 zugrunde, das für einen Mastzell-Wachstumsfaktor-Rezeptor (Stammzellfaktor, SCF) kodiert
(23). Solitäre Mastozytome sind in einem Viertel der
Fälle bereits bei Geburt vorhanden, die übrigen manifestieren sich innerhalb der ersten beiden Lebensjahre. Sie sind erkennbar als roséfarbene oder bräunlich-orangefarbene Papeln, Knoten oder Plaques von
wenigen mm bis einigen cm Durchmesser (Abbildung 4). Ihre Oberfläche ist meist glatt, gelegentlich
erinnert sie an Orangenhaut.
351
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Die Diagnose wird durch den Darierschen Reibetest gestellt: Nach Reibung entsteht im und um das
Mastozytom innerhalb von drei bis fünf Minuten eine deutliche Schwellung und Rötung, gelegentlich
auch eine Blase. Dies kann auch spontan geschehen
und insbesondere bei multiplen Mastozytomen zu
Flushsymptomen und Blutdruckabfall führen. Eine
Hautbiopsie ist nur in Zweifelsfällen erforderlich.
Zur Einschätzung der – selten auch systemischen –
Mastzellvermehrung dient die Bestimmung der
Tryptase, eines typischen Mastzellprodukts, im
Serum. Bei gering ausgeprägter Klinik, fehlenden
extrakutanen Symptomen und normaler Serum-Tryptase kann bei Kindern auf eine weiterführende
Diagnostik, wie sie bei Erwachsenen empfohlen
wird, verzichtet werden.
In über 70 Prozent bilden sich Mastozytome bis
zur Pubertät spontan zurück. Eine Exzision solitärer
Tumoren kann bei rezidivierenden Episoden von
Blasenbildung und Superinfektion erwogen werden.
Wichtig ist die Meidung mastzelldegranulierender
Faktoren:
● nicht-immunologische Reize: Reibung, Druck,
Sonnenlichtexposition, abrupte Exposition gegenüber kaltem oder warmem Wasser
● immunologische Reize, zum Beispiel Insektenstiche, Impfungen, Fieber
● Histamin-liberierende Substanzen: Für das Kindesalter sind in erster Linie Codein (in Hustensäften), nichtsteroidale Antirheumatika vom
Typ Ibuprofen, seltener Narkotika und jodhaltige Kontrastmittel relevant.
Pilomatrikom
Obwohl das Pilomatrikom mit circa 10 Prozent zu den
häufigsten, bei Kindern exzidierten Hauttumoren
zählt, wird die Diagnose oft erst histologisch gestellt
(14). Es handelt sich um einen langsam wachsenden,
meist asymptomatischen, benignen Hauttumor, der
von den Matrixzellen des Haarfollikels ausgeht und
vornehmlich an Kopf, Hals oder Armen lokalisiert ist
(24). Klinisch imponiert ein derber bis steinharter,
überwiegend subkutaner Knoten, der mit der Haut adhärent, auf der Unterlage jedoch gut verschiebar ist.
Ausdehnung, gelappte Oberfläche und oft bläulicher
Farbton lassen sich durch Spannung der Haut über
dem Tumor besser erkennen („Zelt-Zeichen“). Die
klinische Diagnose lässt sich sonographisch durch den
Nachweis echogener Binnenechos erhärten, die Verkalkungszonen entsprechen (daher die veraltete Bezeichnung Epithelioma calcificans Malherbe). Da keine Spontanremission eintritt, besteht die Therapie der
Wahl in der vollständigen Exzision. Die Rezidivrate
ist aufgrund der guten Abgrenzbarkeit des Knotens
mit 0 bis 6 Prozent gering. In 2 bis 3,5 Prozent der
Fälle kommt der Tumor in Mehrzahl vor; dann sind
verschiedene assoziierte Erkrankungen zu beachten,
vor allem myotonische Dystrophie Curschmann-Steinert, Gardner-Syndrom, Rubinstein-Taybi-Syndrom
und chromosomale Aberrationen (25).
352
KERNAUSSAGEN
● Maligne Hauttumoren sind im Kindesalter sehr selten.
Die Mehrzahl der kindlichen Hauttumoren bedarf daher
keiner weiterführenden Diagnostik oder Therapie, sondern nur der klinischen Beobachtung.
● Große und riesige kongenitale melanozytäre Nävi haben ein erhöhtes Entartungs- und Komplikationsrisiko,
das sich bereits in den ersten Lebensjahren auswirken
kann. Auf Naevi sebacei bilden sich in 10 bis 30 Prozent der Fälle bestimmte, überwiegend benigne Hauttumoren zumeist erst nach dem 20. Lebensjahr.
● Der Spitz-Nävus ist der bedeutendste Melanomsimulator im Kindesalter.
● Im Gegensatz zu den meisten infantilen Hämangiomen
bedürfen solche mit drohenden Komplikationen einer
raschen, gegebenenfalls systemischen Therapie.
● Mastozytome und juvenile Xanthogranulome regredieren in der Mehrzahl der Fälle spontan. Im Regelfall ist
weder eine Biopsie noch eine Exzision erforderlich.
● Syndromale Assoziationen sind bei multiplen juvenilen
Xanthogranulomen und Pilomatrikomen möglich.
Danksagung
Die Autoren danken Prof. Dr. Eva-B. Bröcker, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des Universitätsklinikums Würzburg, für die kritische Durchsicht des Manuskripts.
Interessenkonflikt
Prof. Höger nimmt an einer multizentrischen Studie zur Untersuchung der
Wirksamkeit von Propranolol bei Hämangiomen teil, die von der Firma
Pierre Fabre, Toulouse/Frankreich, unterstützt wird.
Prof. Hamm erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien
des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 20. 8. 2010, revidierte Fassung angenommen: 24. 8. 2010
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Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Henning Hamm
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsklinikum Würzburg
Josef-Schneider-Straße 2
97080 Würzburg
[email protected]
SUMMARY
Skin Tumors in Childhood
Background: Dermatologists, pediatricians, and general practitioners are often consulted by worried parents for the evaluation of a
cutaneous tumor.
Methods: Selective literature review.
Results: Only 1–2% of skin tumors excised in children turn out to
be malignant when examined histologically. Warning signs of malignancy include rapid growth, firm consistency, diameter exceeding
3 cm, ulceration, a non-movable mass, and presence in the neonatal period. The more common malignant skin tumors in adults —
basal cell carcinoma, cutaneous squamous cell carcinoma, and melanoma — are very rare in childhood. Congenital melanocytic nevi
and sebaceous nevi bear a lower malignant potential than previously believed; nevertheless, their excision is often indicated. A Spitz
nevus can mimic a melanoma both clinically and histologically.
Some benign skin tumors of childhood tend to regress spontaneously
within a few years but may cause complications at particular locations and when multiple. For infantile hemangiomas requiring systemic treatment because of imminent obstruction or ulceration, propranolol seems to have a far more favorable risk-benefit ratio than
corticosteroids.
Conclusion: Physicians need specialized knowledge in order to decide whether a skin tumor in a child should be excised, non-surgically
treated, or further evaluated, or whether it can be safely left untreated because of the likelihood of spontaneous remission.
Zitierweise
Hamm H, Höger PH: Skin tumors in childhood. Dtsch Arztebl Int 2011;
108(20): 347–53. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0347
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The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
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