Mathe-Camp 2016 in Kaiserslautern D AS S CHUBFACHPRINZIP Einfache Aufgaben Aufgabe 1. Beim Mathecamp treffen n Personen aufeinander (wobei wir sinnvollerweise annehmen, dass n > 1 ist). Sie begrüßen sich alle gegenseitig mit Handschlag. Zeige, dass es zu jedem Zeitpunkt zwei Campteilnehmer gibt, die dieselbe Anzahl an Händen geschüttelt haben. Lösung. Wir verteilen die Teilnehmer („Tauben“) auf die Anzahl der geschüttelten Hände („Schubfächer“). Jede Person kann 0, 1, . . . , n − 2 oder n − 1 Hände geschüttelt haben. Hat jemand bereits n − 1 Hände geschüttelt, so kann es niemanden geben, der noch keine Hand geschüttelt hat, also gibt es für n Personen nur (höchstens) n − 1 Schubfächer und damit müssen zwei Personen nach dem Schubfachprinzip dieselbe Anzahl an Händen geschüttelt haben. Hat noch niemand n − 1 Hände geschüttelt, so gibt es ebenfalls (höchstens) n − 1 Schubfächer und wir erhalten wieder zwei, die die gleiche Zahl an Handschlägen hinter sich haben. Aufgabe 2. In ein 3 × 3-Tic-Tac-Toe-Spielfeld wird in jedes Feld eine der Zahlen −1, 0 oder 1 geschrieben. Zeige, dass es unter den Summen der Zahlen in den Zeilen, Spalten und der beiden Diagonalen zwei gleiche geben muss. Lösung. Es gibt 8 Summen (3 Spalten, 3 Zeilen, 2 Diagonalen) als Tauben, aber nur die 7 möglichen Summen −3, −2, . . . , 2, 3 als Schubfächer. Aufgabe 3. Zeige: Wählt man n + 1 Zahlen aus der Menge {1, 2, 3, . . . , 2n − 1, 2n}, so gibt es unter ihnen immer zwei, die zueinander teilerfremd sind. Lösung. Betrachte die Paare (1, 2), (3, 4), . . . , (2n − 1, 2n) aufeinanderfolgender Zahlen als Schubfächer. Es gibt von ihnen n Stück. Wenn wir die n + 1 ausgewählten Zahlen als Tauben darauf verteilen, muss es nach dem Schubfachprinzip zwei geben, die ein solches Paar bilden, die also aufeinander folgen. Aber aufeinanderfolgende Zahlen sind immer teilerfremd. Aufgabe 4. Sei S irgendeine Menge mit 20 paarweise verschiedenen Zahlen aus der arithmetischen Folge 1, 4, 7, 10, . . . , 97, 100 (die Differenz zweier aufeinanderfolgender Glieder einer arithmetischen Folge ist immer gleich, in diesem Fall ist es 3). Zeige: Es gibt immer zwei Zahlen in S, deren Summe 101 ist. Lösung. Wir betrachten als Schubfächer die 17 Paare (1, 100), (4, 97), . . . , (49, 52). Von den 20 Zahlen aus S („Tauben“) müssen nach dem Schubfachprinzip also mindestens zwei ein solches Paar bilden und damit die Summe 101 haben. Aufgabe 5. Beweise, dass es zwei 2er-Potenzen (Zahlen der Form 2i für ein i ∈ N) gibt, die sich um ein Vielfaches von 2014 unterscheiden. 1 Lösung. Betrachte die ersten 2015 2er-Potenzen. Unter ihnen sind nach dem Schubfachprinzip zwei, die modulo 2014 denselben Rest lassen. Ihre Differenz lässt somit modulo 2014 den Rest Null und ist damit ein Vielfaches von 2014. Aufgabe 6. Jeder Punkt in der Ebene ist entweder rot oder weiß gefärbt. Zeige, dass es zwei gleich gefärbte Punkte gibt, die genau einen Zentimeter voneinander entfernt sind. Lösung. Betrachte ein gleichseitiges Dreieck der Seitenlänge 1cm. Nach dem Schubfachprinzip haben zwei der Eckpunkte dieselbe Farbe und sind genau 1 cm voneinander entfernt. Aufgabe 7. Es stehen 23 Springer auf einem Schachbrett. Zeige, dass stets 12 so ausgewählt werden können, so dass sie sich gegenseitig nicht bedrohen. Lösung. Hier muss man wissen, dass ein Springer immer nur von weiß nach schwarz ziehen kann und umgekehrt. Mit anderen Worten, es erfolgt in jedem Zug ein Farbwechsel. Mit diesem Tipp ist es nun einfach, die Aufgabe zu lösen. Die „Tauben“ sind die Springer, und die Farben schwarz und weiß sind die Schubfächer. Es gibt also ein Schubfach, in dem 23 = 12 „Tauben“ stecken, also 12 Springer, die auf 2 derselben Farbe stehen und sich somit nicht bedrohen können. Mittelschwere Aufgaben Aufgabe 8. Wir betrachten in der Ebene ein rechtwinkliges kartesisches Koordinatensystem. Ein Punkt heißt Gitterpunkt, wenn seine beiden Koordinaten ganzzahlig sind. Zeige, dass es unter fünf Gitterpunkten stets zwei gibt, auf deren Verbindungslinie ein weiterer Gitterpunkt liegt. Lösung. Betrachten wir die x-Koordinaten x1 , . . . , x5 der fünf Gitterpunkte. Nach dem Schubfachprinzip haben mindestens drei davon die gleiche Parität (Parität ist die Eigenschaft einer Zahl, gerade oder ungerade zu sein). Seien dies o.B.d.A. x1 , x2 , x3 . Von den drei y-Koordinaten y1 , y2 , y3 haben wiederum nach dem Schubfachprinzip die gleiche Parität, sagen wir y1 und y2 . Damit hat der Mittelpunkt der zwei Gittery +y punkte ( x1 , y1 ) und ( x2 , y2 ) die Koordinaten x1 +2 x2 bzw. 1 2 2 . Aufgabe 9. Zeige, dass es eine Potenz von 3 gibt, die auf die Ziffern 001 endet. Lösung. Seien die Schubfächer die 1000 Reste modulo 1000 und die Tauben die Potenzen von 3. Nach dem Schubfachprinzip gibt es zwei 3er-Potenzen 3n und 3m (mit n > m), die denselben Rest modulo 1000 lassen, also ist 3n − 3m = 3m (3n−m − 1) durch 1000 teilbar. Nun sind 3m und 1000 teilerfremd, denn 1000 hat nur die Primfaktoren 2 und 5. Damit muss also 3n−m − 1 durch 1000 teilbar sein, d.h. 3n−m − 1 ≡ 0 mod 1000. Dann gilt aber 3n−m ≡ 1 mod 1000, also lässt die 3er-Potenz 3n−m beim Teilen durch 1000 den Rest 1 und endet somit auf 001. Aufgabe 10. Gegeben seien n nicht notwendig verschiedene ganze Zahlen a1 , . . . , an . Zeige, dass man immer einige dieser Zahlen so auswählen kann, dass deren Summe durch n teilbar ist. Lösung. Betrachte die n Zahlen a1 , a1 + a2 , . . . , a1 + a2 + . . . + an . Die Tauben sind diese Zahlen, die Schubfächer die Reste modulo n. Haben diese Zahlen alle verschiedene Reste modulo n, so hat eine den Rest 0, also ist diese Summe durch n teilbar und wir sind fertig. Ansonsten haben nach dem Schubfachprinzip zwei der Summen denselben Rest modulo n. Deren Differenz hat folglich Rest 0, ist also durch n teilbar, und hat die Form al + al +1 + . . . + ak (für gewisse l, k ∈ N). Also haben wir eine Teilmenge mit der gewünschten Eigenschaft gefunden. 2 Aufgabe 11. In jedes Feld eines 10 × 10-Schachbretts wird eine ganze Zahl geschrieben, sodass sich zwei benachbarte Zahlen höchstens um 5 unterscheiden. Dabei heißen zwei Zahlen benachbart, wenn ihre Felder eine gemeinsame Seite haben (diagonal aneinandergrenzende Felder gelten also nicht als benachbart). Zeige, dass zwei der Zahlen auf dem Schachbrett gleich sein müssen. Lösung. Man kann von jedem Feld zu jedem anderen gelangen, indem man einen Weg benachbarter Felder nimmt. Dabei kann man den Weg so wählen, dass er höchstens 19 Schritte umfasst. Wir gehen einen solchen Weg von der kleinsten Zahl a des Schachbretts zur größten. Da wir höchstens 19 Schritte brauchen und in jedem Schritt höchstens eine um 5 größere Zahl erreichen, kann die größte Zahl maximal a + 19 · 5 = a + 95 sein. Somit kann es höchstens 96 verschiedene ganze Zahlen (Schubfächer) auf dem Schachbrett mit 100 Feldern (Tauben) geben, und nach dem Schubfachprinzip sind dann zwei auf jeden Fall gleich. Aufgabe 12. Zeige: Jede natürliche Zahl n hat ein Vielfaches der Form 555 . . . 55000 . . . 00 (die Anzahl der 5en und der 0en muss nicht gleich sein). Lösung. Die Schubfächer seien die Reste modulo n, die Tauben sind die (unendlich vielen) Zahlen der Form 555 . . . 55 (die also nur aus 5en bestehen). Unter diesen müssen nach dem Schubfachprinzip zwei denselben Rest bei Division durch n lassen, deren Differenz ist also durch n teilbar und hat die gewünschte Form 555 . . . 55000 . . . 00. Schwierige Aufgaben Aufgabe 13. Zeige, dass es unter 52 ganzen Zahlen immer zwei gibt, deren Quadrate sich um ein Vielfaches von 100 unterscheiden. Lösung. Modulo 100 können höchstens 51 quadratische Reste auftreten, da die Zahlen x2 und (100 − x)2 denselben Rest lassen. Damit müssen nach dem Schubfachprinzip unter 52 Quadratzahlen zwei sein, die denselben Rest beim Teilen durch 100 lassen. Ihre Differenz ist folglich durch 100 teilbar. Aufgabe 14. Eine Teilnehmerin der Mathematik-Olympiade hat noch 37 Tage bis zur entscheidenden Klausur. Aus früheren Jahren weiß sie, dass sie höchstens 60 Stunden Vorbereitung benötigt. Sie möchte aber jeden Tag mindestens eine Stunden intensiv arbeiten. Zeige: Es gibt eine Folge von aufeinanderfolgenden Tagen, an denen sie insgesamt genau 13 Stunden büffelt. Lösung. Sei ai die Zeit in Stunden, die sie bis zum Ende des i-ten Tages lernt. Unter den 74 Zahlen ai und ai + 13 kommen auf jeden Fall zwei gleiche vor, denn sie sind alle kleiner oder gleich 60 + 13 = 73. Damit gibt es also ein ai und ein a j mit ai + 13 = a j . Somit erfüllt die Folge (i, i + 1, . . . , j) von aufeinanderfolgenden Tagen die geforderte Bedingung. 3