Vortrag - Priv.-Doz. Dr. Markus Bassler

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Ursachen und Früherkennung von
psychischen und psychosomatischen
Erkrankungen
Priv.-Doz. Dr. Markus Bassler
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
12-Monatshäufigkeit psychischer Störungen
in der Bevölkerung
Somatoforme Störungen
2,3%
Panikstörung
Angststörungen
2,5%
Generalisierte Angst
8,5%
Depression
4,5%
Dysthymie
Affektive Störungen
5,82
Substanzstörungen
2,11
1,3%
Bipolare
0,3%
Essstörungen
0,7%
Zwangsstörungen
3,7%
Alkohol
0,6%
Drogen
2,6%
Psychotische Störungen
0
2
4
(Quelle: Wittchen et al. 2001)
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
6,91
12,6%
Phobien
Rehazentrum Oberharz
In Mill.
Bevölkerung
11%
6
8
10
12
14
Arbeitsunfähigkeitsfälle durch psychische Erkrankungen
(Indexdarstellung), AOK-Mitglieder
(Index: 1994 = 100%)
220%
200%
180%
160%
AU-Fälle
AU-Tage
140%
120%
100%
80%
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
(Quelle: Fehlzeitenreport 2011 - WiDO)
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Einflussfaktoren für Zunahme von psychischen
bzw. psychosomatischen Erkrankungen
•
•
•
•
•
Verbesserte Früherkennung und Diagnostik
Familie

Erziehung, Partnerschaft (Ehe), Pflege, Überschuldung
Beruf



erhöhte Leistungsanforderungen (qualitativ, Arbeitsverdichtung)
verstärkter Konkurrenzdruck (z.B. durch Globalisierung)
Arbeitsplatzsicherheit
Gesellschaft



rascher Wandel bzw. Pluralität von Werten
subjektiv empfundene Entsolidarisierung und Isolation
gehäuft auftretende Systemkrisen (Politik/ Wirtschaft)
Zukunftsängste

bezüglich Lebensstandard bzw. Lebensqualität
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Deutsche Rentenversicherung gesamt:
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
(Frauen und Männer)
Anzahl der EU-Renten
90.000
80.000
70.000
60.000
Skelett/ Muskeln/ Bindegewebe
50.000
Herz/ Kreislauf-erkrankungen
Stoffwechsel/ Verdauung
40.000
Neubildungen
Psychische Störungen
30.000
20.000
10.000
0
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Deutsche Rentenversicherung gesamt:
Durchgeführte medizinische Leistungen zur Rehabilitation
nach ausgewählten Diagnosehauptgruppen
(Frauen und Männer)
Anzahl der Leistungen
450.000
400.000
350.000
Skelett/ Muskeln/ Bindegewebe
300.000
Herz-/ Kreislauf-erkrankungen
Stoffwechsel/ Verdauung
250.000
Neubildungen
Psychische Störungen
200.000
150.000
100.000
50.000
0
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Biopsychosoziales Krankheitsmodell
(WHO 2001: ICF-Kriterien)
Gesundheitsproblem
Gesundheitsstörung oder Krankheit
Körperfunktionen
und -strukturen
Umweltfaktoren
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Teilhabe
(Partizipation)
Aktivitäten
Personenbezogene
Faktoren
Als Förderfaktoren
oder Barrieren
Individuelle Fallführung
Schwierig wird ein Fall weniger durch die Krankheit als
vielmehr durch die besonderen Umstände (Kontext)
Gesamter Lebenshintergrund einer Person
Umweltfaktoren
personbezogene
Faktoren
Faktoren der
materiellen,
sozialen und
verhaltensbezogenen
Umwelt
Eigenschaften und Attribute
der Person
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
(z.B. Alter, Geschlecht, Ausbildung,
Lebensstil, Motivation, genetische
Prädisposition)
Verhältnis von somatischen und psychischen
Faktoren bei häufigen Symptomen
Bauchschmerz
Schlaflosigkeit
Atemnot
somatisch
Rückenschmerz
psychogen
Ödeme
Kopfschmerz
Benommenheit
Müdigkeit
Brustschmerz
0
2
4
6
3 - Jahres Prävalenzrate (%)
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
8
10
Problemwandel bei Patienten
während Erkrankung
Soziale / psychosoziale
Probleme,
innere Migration
etc.
Medizinische Probleme
Akute Phase
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Subakute Phase
Chronische Phase (2.-3. Monat)
Psychosoziale Versorgung
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Probleme psychosozialer Versorgung
Zeitdauer ?
Umsetzung ?
> 6 Wochen
Symptomatik
> 4 Monate
Diagnostik
Therapie
notwendig
ICD-10
ICF
OPD
zweckmäßig
ausreichend
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Häufigkeit psychischer Störungen
in der allgemeinärztlichen Praxis
Körperliche
Erkrankung
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Psychische
Störung
(Quelle: Wittchen et al. 2001)
Erkennung psychischer Störungen
in der allgemeinärztlichen Praxis
Psychische Störung
erkannt
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Psychische Störung
nicht erkannt
Versorgung - Depression
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Krankheitsbelastung Depression 1990 versus 2020
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Sektorisierte Versorgung statt integriertes
Versorgungsnetzwerk
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Schweregrad psychischer Störung
Therapieverlauf
Stabilisierungsphase
Krankenhaus
Integrationsphase
Rehabilitation
Spezifisches Setting
Spezifisches Setting
Behandlungsdauer
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Stress und Burnout
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Welche Funktionen hat Stress ?
Funktionen
•
•
•
genetisch verankertes psycho-physisches Reaktionsmuster
lebenserhaltende Funktion
reflexartiger Angriffs- und Fluchtmechanismus
Wirkungen
•
•
•
•
gesteigerte Aktivierung des Nerven- und Hormonsystems
gesteigerte Ausschüttung von Cortison und Adrenalin
gesteigerte Aktivierung von Stoffwechsel
Mobilisierung von psycho-physischen Reserven
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Stress und Burnout
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Wie wichtig ist Arbeit für Menschen?
•
•
•
•
Arbeit ermöglicht als wesentliche soziale Kategorie die Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben
Qualität der Arbeit
manifeste Funktion der Arbeit (z.B. Sicherung von Lebensunterhalt)
latente Funktionen der Arbeit
-
Sinnstiftung
Zeitstrukturierung
Soziale Kontakte
Übergeordnete Ziele
Identitätsbildung
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Das Anforderungs-Kontroll-Modell
Missverhältnis bezüglich:
1)
Anforderungen:
Arbeitsaufgabe, Verantwortung
2)
Kontrollierbarkeit:
Handlungsspielraum, Einsatz persönlicher
Fähigkeiten
3)
Sozialer Unterstützung:
Rückhalt durch Mitarbeitende und Vorgesetzte
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Stress und Arbeitsplatz
Ab wann macht Stress am Arbeitsplatz krank?
Bei einem langdauernden Ungleichgewicht zwischen Anforderungen,
Handlungsspielraum, sozialer Unterstützung, Belohnung und
Verausgabungsbereitschaft
Persönliche Risikofaktoren?
•
•
•
genetisch bzw. biografisch bedingte Vulnerabilität für psychische bzw.
psychosomatische Erkrankungen (z.B. erhöhte Stressanfälligkeit)
Persönlichkeitsstruktur mit deutlicher Tendenz zur Selbstüberforderung
(“Burnout”-Gefährdung)
mangelnde Abgrenzungsfähigkeit bzw. unzureichendes
Zeitmanagement (ungünstige “work-life-balance”)
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Gesundheit/ Krankheit
Produktivität
5%
krank
und AU
0%
20%
krank, nicht
zwingend AU
40 – 60%
50 – 80%
25%
unhappy well
60 – 100%
80 – 100%
50%
happy well
100%
Rote Zahlen: Schätzungen von Prof. Neukirch, 04.02.07
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Kostensenkung durch EAP (employee assistance program)
Ergebnisse amerikanischer Untersuchungen
Kostenersparnis durch Externe Mitarbeiterberatung (EAP)
Amerikanische EAP‘s
„20-25% der Belegschaft
haben psychosomatische
und psychosoziale Probleme
(einschließlich Suchtprobleme)“
Kostenreduktion
33% weniger Lohnfortzahlung
67% weniger Disziplinarprobleme
82% weniger Unfälle
(General Motors)
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Rehazentrum Oberharz
Schwerpunktklinik für Psychosomatik
Krankenbehandlung und Rehabilitation
in der Psychosomatik
Priv.-Doz. Dr. Axel Kobelt
Krankenbehandlung
Kriterien für eine Krankenbehandlung
•
Behandlung der psychischen Symptome im
Vordergrund?
•
Ist eine ambulante psychotherapeutische Behand-lung
ausreichend?
•
•
•
Ist die Erwerbsfähigkeit gefährdet?
Besteht eine vitale Gefährdung?
Bei stationärer Behandlung: Ist ärztliche Präsenz
erforderlich?
Krankenbehandlung
Angebote der Krankenkasse
•
Hausärztliche Versorgung / Psychosomatische
Grundversorgung
•
•
•
•
Ambulante Psychotherapie
Stationäre Versorgung in der Psychosomatik /Psychiatrie
Integrierte Versorgungsmodelle der KK
Angemessene medikamentöse Versorgung
Ambulante Psychotherapie
•
•
Heilung von akuten Störungen
•
•
•
•
Betonung auf Persönlichkeitsveränderung
Linderung von Symptomen zur Verbesserung von
Aktivität und Teilhabe
Relativ freie Therapiezielbestimmung
Nicht zwingend bezogen auf Probleme im Erwerbsleben
Keine zuverlässige Berücksichtigung sonstiger
Kontextfaktoren
Krankenbehandlung
Indikation Krankenhausbehandlung
(§39 SGB V)
•
Wenn das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre, ambulante
Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (ambulant vor stationär).
Krankenbehandlung
Wartezeiten auf ein Erstgespräch
Wochen
15,3
14,7
15
9,3
10
5
0
Kernstädte
verdichtete Kreise
ländliche Kreise
Quelle: Studie zu Wartezeiten in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung. BPtK
Krankenbehandlung
Wartezeiten auf Therapiebeginn
•
Die Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz liegt in
Niedersachsen bei 27 Wochen.
•
Etwa 19 Anfragen pro Monat stehen 4 Erstgesprächstermine gegenüber.
•
•
Etwa die Hälfte aller Anfragenden erhält kein Gespräch.
Von denen, die ein Erstgespräch erhalten, bekommen
zwischen 50 und 60 % einen Therapieplatz.
Krankenbehandlung
Konsequenzen langer Wartezeiten
•
•
Lange Wartezeiten sind große Belastung für Patienten.
•
Bereits zweimonatige Wartezeiten führten dazu, dass
30 Prozent der Patienten mit Angststörungen keine
Therapie mehr aufnahmen.
Mit zunehmender Dauer steigt der Anteil derjenigen, die
eine Behandlung gar nicht erst beginnen.
Krankenbehandlung
Konsequenzen langer Wartezeiten
•
•
Gefahr der Chronifizierung.
•
Jeder zweite Patient in einer Rehabilitationsklinik mit
medizinisch-psychosomatischem Schwerpunkt ist nicht
vorbehandelt.
Lange Wartezeiten erhöhen den Anteil stationärer
Rehabilitationsbehandlungen.
Medizinische
Rehabilitation
Rehabilitation
Definition (§40 SGB V, §15 SGB VI)
•
Wenn ambulante Krankenbehandlung nicht
ausreicht.
•
Wenn den Auswirkungen einer Krankheit auf die
Erwerbsfähigkeit entgegengewirkt oder / und
dauerhafte Wiedereingliederung ins Erwerbsleben
erreicht werden soll.
Rehabilitation
•
Orientierung an der funktionalen Gesundheit (ICF)
durch kombinierte Betrachtung von:
 Symptomausprägung
 Beeinträchtigung von Aktivitäten und Teilhabe
 Leistungsfähigkeit
 Ansprechen auf Therapie
 Krankheitsverlauf
Voraussetzungen
Medizinische Rehabilitation
•
•
•
•
Rehabilitationsziel
Rehabilitationsfähigkeit
Rehabilitationsbedürftigkeit
Rehabilitationsprognose
Biopsychosoziales Krankheitsmodell
(WHO 2001: ICF-Kriterien)
Gesundheitsproblem
(Gesundheitsstörung oder
Krankheit)
Körperfunktionen
und -strukturen
Aktivitäten
Umweltfaktoren
Teilhabe:
Arbeitsleben
Personenbezogene Faktoren
ICF basierte Strategien
Gesundheitsproblem
(Gesundheitsstörung oder
Krankheit)
Körperfunktionen
und -strukturen
Aktivitäten
Umweltfaktoren
Teilhabe:
Arbeitsleben
Personenbezogene Faktoren
Rehabilitation
Medizinisch – psychosomatische Rehabilitation
•
•
•
•
Multiprofessionelle modulare Therapieangebote
Ausführliche Leistungsdiagnostik
Beschwerdenvalidierung
Feststellung von Teilhabeeinschränkungen
Rehabilitation
Medizinisch – psychosomatische Rehabilitation
•
Berufs- und arbeitsplatzbezogene Therapie- und
Beratungsangebote.
•
Vernetzung mit Betriebsarzt, Hausarzt und Psychotherapeut, ambulanter Nachsorge.
Nachsorge nach medizinisch –
psychosomatischer Rehabilitation
Ziele der ambulanten Nachsorge
•
Fortführung der stationären Rehabilitationsziele
•
Begleitung und Transfer der stationären Rehabilitationsergebnisse
•
Wiedereingliederung ins Erwerbsleben
•
Reduktion von Arbeitsunfähigkeitszeiten
•
Verwendung standardisierter Betreuungsmanuale
Methoden der ambulanten Nachsorge
•
Gruppenangebot
•
Persönliche und telefonische Einzelbetreuung
Methoden der ambulanten Nachsorge
•
Prüfung des Bedarfs und der Förderungsmöglichkeiten
•
Lösungsorientierte Beratung bei Arbeitsplatzproblemen
•
Motivierung und Unterstützung der Versicherten bei der
Rückkehr an den Arbeitsplatz
Fazit
•
Schnittstellenmanagement erfordert medizinische und
Systemkompetenz.
•
•
Keine klaren Zuweisungskriterien.
•
•
Gesetzgebung nicht eindeutig genug.
Wirtschaftliche stehen über den sachbezogenen
Kriterien.
„Ethik meets Sozialpolitik“.
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
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