Bundesverfassungsgericht:

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Bundesverfassungsgericht:
Dreiprozenthürde bei Europawahl ist verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
hat die Sperrklausel für die Wahl am 25. Mai
gekippt. Geklagt hatten mehrere kleine Parteien, darunter die NPD und die Piraten.
Die Dreiprozenthürde bei der Europawahl ist
mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Das
hat
das
Bundesverfassungsgericht
in
Karlsruhe entschieden. Das Urteil wurde mit
fünf zu drei Richterstimmen knapp entschieden.
Die Sperrklausel verstößt aus Sicht der Richter unter anderem gegen die Chancengleichheit der Parteien. Auch sei sie für die Arbeit des Europäischen Parlaments derzeit noch nicht erforderlich, heißt es in der Begründung. Das Parlament sei zwar auf
dem Weg, sich als institutioneller Gegenspieler der EU-Kommission zu profilieren.
Diese Entwicklung könne aber noch nicht mit der Situation im Bundestag verglichen
werden, "wo die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen
Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig ist".
Geklagt hatten 19 kleine Parteien – darunter die Freien Wähler, die NPD und die Piratenpartei – sowie mehr als 1.000 Bürger. Sie werfen den im Bundestag vertretenen
Parteien vor, mit der Festsetzung der Hürde eigene Interessen zu verfolgen. Der
Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim, der die Parteien vor dem Karlsruher Gericht
vertreten hat, spricht von einer doppelten Ungerechtigkeit: Nicht nur fielen die Stimmen für die kleineren Parteien unter den Tisch, sondern kämen auch noch den anderen Parteien zugute. Weiter argumentieren die Gegner der Sperrklausel, durch die
Hürde falle es Kleinparteien schwerer, geeignete Kandidaten zu bekommen und etwa Spenden einzuwerben.
Regeln bei der Europawahl
Für die Europawahl gibt es einige EU-weit gültige Regeln – etwa die, dass die Abgeordneten in einer "allgemeinen, freien und geheimen Wahl" bestimmt werden
müssen. Die erste Direktwahl fand 1979 statt. Seit 2004 gilt das Verhältniswahlrecht, das den Stimmenanteil der Parteien bei der Vergabe der Sitze berücksichtigt
– allerdings mit unterschiedlichen Berechnungsmethoden. Jeder EU-Staat darf die
weiteren Modalitäten für die Wahl selbst festlegen. Weder ist das Mindestalter für
das aktive und passive Wahlrecht EU-weit geregelt, noch gibt es einheitliche Regeln für Sperrklauseln. Es gibt zwar Forderungen und Pläne für eine Vereinheitlichung des Wahlrechts, eine Entscheidung steht aber aus.
Vertreter von Bundestag und Europaparlament halten die Klausel hingegen für notwendig, um eine Zersplitterung der Fraktionen im EU-Parlament zu verhindern. So
hat sich etwa EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) für einen Erhalt der Hürde ausgesprochen. Diese hatte der Bundestag erst im Oktober beschlossen.
© Alle Rechte bei Verlag Europa-Lehrmittel, Düsselberger Straße 23, 42781 Haan-Gruiten. Urheberrechtlich geschützt.
Sieben Parteien scheiterten 2009 an Fünfprozenthürde
Ende 2011 hatte das Bundesverfassungsgericht die bis dahin geltende Fünfprozenthürde bei der Europawahl für unzulässig erklärt, weil es die Stimmengleichheit der
Wähler und die Rechte kleiner Parteien verletzt sah. Daraufhin legte der Bundestag
die Dreiprozentklausel fest. Nach den Berechnungen des Bundeswahlleiters wären
bei der Wahl 2009 ohne Sperrklausel sieben weitere Parteien aus Deutschland in
das Europäische Parlament eingezogen: Freie Wähler, Republikaner, Tierschutzpartei, Familien-Partei, Piraten, Rentner-Partei und die ÖDP (ÖkologischDemokratische Partei).
In 14 der 28 EU-Staaten gibt es keine gesetzlich vorgeschriebene Sperrklausel, unter
ihnen ist nach dem Karlsruher Richterspruch nun auch Deutschland. Die Wahl findet
am 25. Mai statt.
Zeit online: Aktualisiert 26. Februar 2014 10:17 Uhr
Fraktionen im EU-Parlament, Anzahl und Verteilung der Sitze
Fraktion
Sitze
Parteien
EVP Christdemokraten, Konservative
274
49
S&D Sozialdemokraten
194
32
ALDE Liberale, Zentristen
85
24
Grüne/EFA Grüne, Regionalparteien
58
24
ECR Konservative
57
16
GUE/NGL Linke
35
16
EFD EU-Skeptiker
31
13
Fraktionslos
32
-
Sitzverteilung EU-Parlament
35
31
32
57
274
58
85
194
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1. Erklären Sie den Begriff Sperrklausel. (Buch S. 209)
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2. Verdeutlichen Sie die Notwendigkeit einer Sperrklausel bei Verhältniswahlen?
(Buch S. 203ff.)
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3. Wer profitiert vom Wegfall der Sperrklausel?
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4. Bewerten Sie die Begründung des Gerichts. Sind der Bundestag und das Europäisches Parlament so unterschiedlich?
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5. Wie viele Parteien sind im Europäischen Parlament in den Fraktionen vertreten?
Warum haben sich die nationalen Parteien im EU-Parlament zu Fraktionen zusammengeschlossen?
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6. Wie viele fraktionslose Abgeordnete sitzen im Europäischen Parlament und warum
wird die Anzahl der fraktionslosen Abgeordneten zukünftig zunehmen?
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7. Sehen Sie mit Blick auf die Ergebnisse der Fragen 5. und 6. durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gefahren für das Europäische Parlament?
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8. Bei den Bundestagswahlen 2013 errang die CDU/CSU mit insgesamt 41,5 Prozent
der abgegebenen Wählerstimmen 311 Abgeordnetenmandate bei insgesamt 631
Abgeordnetenmandaten.
a) Welchem Prozentsatz entsprechen die 311 Abgeordnetenmandate? Vergleichen
Sie diesen Wert mit dem Anteil an abgegebenen Wählerstimmen für die CDU/CSU.
b) Welchen Zusammenhang erkennen Sie zur 5 Prozent-Sperrklausel?
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Lösungsvorschläge:
1. Die Sperrklausel ist eine Grenze bei Verhältniswahlen, die festlegt, ab welchem
Stimmergebnis eine Partei bei der Sitzverteilung im Parlament berücksichtigt wird.
Zum Beispiel gibt es für die Wahl zum Bundestag die 5% Sperrklausel. Nur Parteien
die über 5% Stimmanteil (bei der Zweitstimme) erreichen oder drei Direktmandate
erringen, werden dann bei der Sitzverteilung berücksichtigt.
2. Die Sperrklausel bei einer Verhältniswahl soll das Parlament vor einer Zersplitterung durch Klein- und Kleinstparteien schützen. Vor allem die Erfahrungen der Weimarer Republik haben gezeigt, dass eine zu große Vielfalt an Parteien im Parlament,
dessen Arbeit erschweren oder teilweise unmöglich machen kann, da sich dann keine stabilen Mehrheitsverhältnisse mehr ausbilden können und somit der kontrollierende Gegenpart zur Regierung fehlt. Zudem besteht die Gefahr das radikale Parteien, dadurch verstärkt in die Parlamente einziehen können.
3. Zunächst sind dies die kleineren Parteien, deren Chancen auf Einzug in das Parlament steigen. Auch der Wähler profitiert, da er sich nun sicher sein kann, dass seine Stimmabgabe auf jeden Fall berücksichtigt wird. Der Wählerwillen wird also noch
stärker wieder gespiegelt.
4. Das Gericht hat seine Entscheidung vor allem damit begründet, dass die Aufgaben
und die Rechte des Europäischen Parlaments nicht mit denen des Bundestags vergleichbar wären (Wahl und Kontrolle der Regierung etc. „Das Parlament sei zwar auf
dem Weg, sich als institutioneller Gegenspieler der EU-Kommission zu profilieren.
Diese Entwicklung könne aber noch nicht mit der Situation im Bundestag verglichen
werden, "wo die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen
Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig ist".) Das Urteil ist interessant,
da Aufgaben und Rechte des Europäischen Parlaments in den letzten Jahren sukzessive gestärkt wurden.
5. 161 Parteien in 7 Fraktionen. Die Abgeordneten orientieren sich an ihren politischen Ansichten: So organisieren sich Konservative zu Konservativen, Sozialdemokraten zu Sozialdemokraten, Liberale zu Liberalen, Linke zu Linken, Grüne zu Grünen. Gemeinsam lassen sich Vorschläge und Ideen besser umsetzten. Außerdem
gibt es zusätzliche parlamentarische Rechte, wie die Vertretung in Ausschüssen
oder bei der Einbringung von Beschlussvorlagen. Zudem können so leichter Mehrheiten im Parlament organisiert werden.
6. 32 Fraktionslose. Die Anzahl wird voraussichtlich steigen, da durch den Wegfall
der Sperrklausel auch aus Deutschland kleinere Parteien in das Parlament einziehen, die sich nicht immer in die bestehenden Fraktionen integrieren werden können
bzw. wollen.
7. Gefahren bestehen vor allem darin, dass bei einer Abschaffung der Sperrklausel
auch für radikale Parteien der Einzug in das Parlament erleichtert wird. Ob durch die
Entscheidung in der BRD, die Handlungsfähigkeit des Parlaments insgesamt in Frage gestellt ist, lässt sich mit Nein beantworten, da schon seither sehr viele Parteien
im Parlament sitzen und sich dann doch in wenige große Fraktionen integrieren.
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8. a) Die 311 Abgeordnetenmandate entsprechen ca. 49% der Sitze im Bundestag.
Die Sitzzahl ist also deutlich höher als der eigentliche Stimmanteil bei der Wahl.
b) Durch die Sperrklausel wird ein Teil der Wählerstimmen nicht berücksichtigt. Dadurch steigt die Sitzzahl für diejenigen Parteien, die die Sperrklausel überspringen.
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