Honegger, R. E. - SALAMANDRA - German Journal of Herpetology

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Beobachtungen an der Herpetofauna der Seychellen
Rene E. Honegger
Zoologischer Garten Zürich, Schweiz
11 Abbildungen
Eingegangen a m 31. Januar 1966
Inhalt: I Einlei tung - II Beobachtungsgebiet - III
Vege tation: Granitinseln, Koralleninseln - IV Übersich t über die G esamtfauna - V Übersicht über die
Herpetofauna - VI Gymnophiona - VII Salientia:
Soogloss us, Nesomantis, ivlegalixalus seychellensis,
Rana mascareniens is - VIII Testudines : Pelus ios subniger - IX Crocodylia: Crocodylus n ilo ticus - X Sauria : Gehyra mutilata, Aeluronyx seychellensis, Phelsuma spec., Hemidactylus mercatorius, Chamaeleo
tigris, Mabuya sechellensis, M. wrightii, Seelotes braueri, S. vesey-fitzgeraldi, Ablepharus boutonii - XI Serpentes: Typhlops braminus, Boaedon geometricus, Lycognatop his seychellensis - XII Zusammenfassung Xlll Schriften.
I. Einleitung
Die n achfolgenden Beobachtungen an Reptilien und Amphibien des Seychellen-Archipels
entstanden anläßlich eines dreimonatigen Studienaufenthaltes (Dezember 1963 bis April
1964 *). Sie sind als eine Ergänzung zu den bisherigen, z. T. ökologischen Veröffentlichungen gedacht. Über die Riesenschildkröten (Testudo gigantea) und die Suppenschildkröten
(Chelonia mydas) aus diesem Gebiet wird an
anderer Stelle berichtet (HONEGGER, im
Druck) .
Bei der Fauna der Seychellen handelt es sich
vorwiegend um endemische Formen, von denen viele in ihrem Fortbestand stark gefährdet
sind. Aus diesem Grunde wurde darauf verzichtet, eine größere Anzahl von Tieren zu
Studienzwecken mitzubringen, so daß hier
keine vergleichenden Werte zu erwarten sind.
II. Beobachtungsgebiet
Die Seychellen-Inseln, seit 1903 eine britische Kronkolonie, wurden um 1505 durch portugiesische Seefahrer endeckt. Später war die
französische Krone Besitzer des Archipels. D ieser umfaßt 98 Inseln und Inselchen, die sich
über eine fläche von rund 1 Million km2 im
i ndischen O zean erstrecken. 46 Inseln sind
ständig bewohnt. Die Verbindung zwischen
diesen Inseln wird in sehr unregelmäßigen Abständen durch Schoner von der Hauptinsel
Mahe aus aufrechterhalten. 24 Inseln haben
geologisch ein sehr hohes Alter: es handelt
sich um Granitformationen. Der restliche Teil,
die Korallen-Inseln, sind jüngeren Datums.
Die Bevölkerung setzt sich aus Schwarzen,
Indern, Chinesen und Weißen zusammen. Sie
umfaßt rund 42 ooo Menschen.
Das Inselgebiet liegt zwischen 4 und 11
südlicher Breite in der Passatwindzone. Vom
Mai bis November herrscht der SE-Monsun,
während des NW-Monsuns v om November
bis Mai sind anhaltende Regenfälle zu verzeichnen. Um diese Zeit ist die relative Luftfeuchtigkeit sehr hoch. Die durchschnittliche
Jahrestemperatur liegt zwischen 2 5° und 30°
Celsius.
°
°
* Dem Vorstand und der Direktion des Zoologischen Gartens Zürich (Prof. Dr. H. HEDIGER) danke ich
für die Gewährung des Studienurlaubs, der Schweizerischen Goethe-Stiftung (Prof. Dr. H. ZBINDEN), dem
World Wildlife Fund (Dr. F. VOLLMAR) und der Zoologischen Gesellschaft London (Dr. V. VEVERS) für
die Finanzierung meines Arbeitsprogrammes. Herrn Prof. Dr. R. MERTENS danke ich für sein reges Interesse, das er mei nen Beobachtungen entgegenbrachte. M einem Reisebegleiter W . NOTH danke ich für Unters tützung im Gelä nde. Auf den Seychellen waren mir Mr. GUY LIONNET, Director des Botanischen Gartens zu
Ma he, Mr. HARRY und GEORGE SAVY, sowie Cap t. SA VY und viele andere Personen behilflich, wofür ich
ihnen sehr dankbar bin.
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III. Vegetation
Granitinseln: Vor den ersten französischen
Siedlern, die die Granitinseln besiedelten, waren die Seychellen kaum bewohnt. Sie wiesen
damals einen tropischen Urwald auf, dessen
Pflanzenreichtum die Botaniker auch heute
noch sehr beeindruckt. Mit dem Einsetzen der
intensiven Besiedlung wurde der Urwald stark
dezimiert. Vor allem verschlang die Aufbereitung von Copra und Zimt durch den großen
Bedarf an Brennmaterialien bis in neueste
Zeit unersetzliche Urwaldbestände. Primäre
Urwaldgebiete finden wir heute nur noch in
Lagen höher als 550 m über dem Meer: diese
Oasen sind weitgehend mit den Forstreservaten der Regierung identisch. Auf der Granitinsel Praslin, nördlich von Mahe, findet sich
noch ein kleiner Bestand der endemischen Sey-
chellen-Palme (Lodoicea maldavica; jetzt callipyge), der größten rezenten Palmenart.
Die Küstenzone der Granitinseln ist charakterisiert durch große Bestände von Kokospalmen. Dazwischen findet man ausgedehnte
Vanilla-Kulturen. Zwischen 170 und 300 m
sind Zimtpflanzungen häufig. Zimt (Cinnamomum spec.) wurde 1772 auf den Seychellen eingeführt.
Koralleninseln: Auf diesen sehr zerstreut
liegenden Inseln finden wir heute überall die
Kokospalme, die zum größten Teil unter Kultur gehalten wird. Auf Aldabra sind uns vor
allem die Schraubenpalmen (Pandanus spec.)
und die Casuarinen (Casuarina spec.) aufgefallen. Die sandigen Küstenzonen sind stellenweise dicht von der Winde lpomo ea bedeckt.
Auch Mangroven fehlen nicht. Auf Aldabra
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Abb. 1 Übersichtskar te des Beobachtungsgebietes, Maßstab in km, Höhen von Mahe in Metern.
Map of the Seychelles Islands, Scale in Kilometers, Altitudes of Mahe in Meters .
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Abb. 2 Naturschutzgebiet „Valle de Mai" auf Praslin. In den einzigartigen Beständen de r Seychellen-Nuß (Lodoicea m aldiv ica) leben u. a. Chamaeleo tigris und Lycognatophis sey ch ellensis .
The Government Fores t Reserve „Valle de Mai" on Praslin consists mainly of huge Seychelle Palms (Lodic ea
maldiv ica). In this habitat Chamaeleo tigris and Lycognatop his seych ellensis were found.
z. B. sind sie im Innern der Lagune sehr dicht
und bilden zusammen mit dem PemphisStrauch (Säuerling, Pemphis acidula, eine Lythracee) ein beinahe undurchdringliches Dikkicht.
IV. Übersicht über die Gesamtfauna
Die höhere Wirbeltierfauna des Archipels
ist artenarm. So fehlen z. B. Affen und Halbaffen, Raubtiere und Robben. Auch nach endemischen Huftieren halten wir vergebens
Ausschau. Neben Flughunden (Pteropus spec.)
und Fledermäusen (Coleura spec.) findet man
keine anderen endemischen Säugetiere. Die
Seekuh oder Dugong (Dugong dugong) wurde
bis 1810 im Archipel beobachtet, spätere Beobachtungen fehlen jedoch. Durch den Menschen sind Wanderratten (Rattus norvegicus)
und Hausmäuse (Mus musculus) bereits früh
eingeschlepp't worden. Um 1850 wurden aus
Madagaskar, über Mauritius, Große Tanrekr
(Tenrec ecaudatus) eingeführt. Der auf MahE
und Fregate eingeführte Sambar-Hirch (Rusa
unicolor) ist bereits wieder ausgestorben.
Heute zeugen nur noch einige kapitale Geweihe von der Existenz dieses asiatischen Hirsches. Auf einer Insel im Cosmoledo Atoll
(South-East Island) wurden in den dreißiger
Jahren Kaninchen (Oryctolagus cuniculus)
ausgesetzt, die sich bis zum heutigen Tage gehalten haben.
13 einheimische Vogelarten, z. T. in sehr
kleinen Populationen, leben auf den Granitinseln. Der schwarze Vasa-Papagei (Coracopsis nigra barklyi), der Seychellen-Brillenvogel
(Zosterops modestus) und die Seychellen-
Abb. 3 Chamaeleo t igris von La Misere/Mahe.
Endemie Chamaeleo tigris from La Misere on Mahe.
Drossel (Copsychus seychellarum) sind heute
sehr selten. Eine Sittich-Art (Psittacula wardi)
ist bereits ausgestorben. Verschiedene Vogelarten sind im Laufe der Zeit durch den Menschen nach den Granitinseln gebracht worden,
z. B. der Kuhreiher (Bubulcus ibis), der Hirtenstar oder Trauermaina (Acridotheres tristis), aus Indien, die Schleiereule (Tyto alba)
aus Sansibar und Ostafrika, der MadagaskarWeber (Foudi a madagascariensis) und der
Haussperling (P asser domesticus) . Die Avifauna der Koralleninseln zeichnet sich vor
allem durch Seeschwalben (z. B. Gygis alba,
St erna fuscata), Tölpel (Sula sula, S. dactylatra) und Fregattvögel (F regatta ariel, F. minor)
aus. Zwei bemerkenswerte Vogelarten, den
Abbott-lbis (Threskiornis aethiopica) und eine
flugunfähige Ralle (Dryolimnas aldabranus)
findet man nur auf Aldabra, wo beide Arten
recht selten sind.
V. Herpetofauna
Im Gegensatz zur Säuger- oder Vogelfauna
ist die Herpetofauna des Archipels recht vielfältig. Zwei der größten Reptilienarten, das
Nilkrokodil (Crocodylus niloticus) und die
Elefantenschildkröte (Testudo gigantea), lebten einst auf den Granitinseln, wo sie jedoch
beide ausgestorben sind. Riesenschildkröten
leben heute in freier Wilbahn nur noch auf
Aldabra, einem Atoll, 600 km westlich von
Mahe.
Erste systematische Angaben finden wir in
WALLACE' s Island Life (1892) . Später folgen die Arbeiten von STEJNEGER (1893),
ABBOTT (1894) und BOULENGER (1909,
1911) . Diese Listen wurden z. T . von PARKER
(1936) revidiert. RENDAHL (1939), der die
von SUNDBERG gesammelten Tiere bearbeitete, gibt zusätzlich zu den systematischen
Daten noch einige Angaben über TerrarienBeobachtungen. In der Arbeit von VESEYFITZGERALD (1947) werden wir vor allem
auf Probleme ökologischer Natur aufmerksam
gemacht.
VI. Gymnophiona
Die Blindwühlen oder Gymnophionen, an
denen die Granit-Inseln reich sind, führen
eine derart versteckte Lebensweise, daß sie
vom nicht speziell interessierten Besucher
kaum oder überhaupt nicht beachtet werden.
Von den Inseln Mahe, Praslin, Fregate und
Silhouette kennt man die Gattungen Hypo geophis und Praslinia. Von Praslinia allein sind
bisher fünf verschiedene Arten beschrieben
worden.
Die Suche nach den „ vers-de-terre", wie sie
von den Seychellois genannt werden, ist trotz
ihrer relativen Häufigkeit nicht einfach. All-
gemein werden bezüglich der Fundorte die
Gymnophionen als im „feuchten Boden vorkommend" bezeichnet ; eine Feststellung, die
ich von den verschiedenen Seychellen-Inseln
nur bedingt bestätigen kann. Nach meinen Beobachtungen zeigen die Blindwühlen eine Bevorzugung von kiesigem und körnigem Bodengrund, der leicht feucht, ja sogar triefend
naß sein kann. So fanden wir auch alle Tiere
in Tiefen von 20 bis 30 cm unter der Vegetationsnarbe : auf Praslin in einem Bachbett,
auf Fregate in einer Bodenvertiefung, die mit
Sand aufgefüllt war, und auf Mahe auf einer
Höhe von ca. 550 bis 600 m. ü. M . zwischen
den Granitfelsen in Taschen, die nasses Laub
und faulendes Holz enthielten.
Es ist uns leider nicht gelungen, Eier oder
Larven von Blindwühlen zu finden, doch
stellte uns Mr. GUY LIONNET vom Botanischen Garten Mahe die folgenden Daten zur
Verfügung: Am 1. 1 0. 1957 wurde ihm ein
Weibchen mit Eiern (Durchmesser ca. 1 0 mm)
gebracht. Die Jungen schlüpften am 18. 10.
1957. Sie waren sehr beweglich und kräftig
und wurden im Wasser gehalten, wo sie aber
jegliches Futter verweigerten und nach neun
Tagen starben. Da für den Monat Oktober
noch weitere Funde von Weibchen mit Eiern
vorliegen, ist anzunehmen, daß die Fortpflanzungszeit etwa in diese Jahreszeit fallen
dürfte.
VII. Salientia
Die beiden kleinen endemischen Froschlurche (Soo glos sus gardineri und 5. seychellensis) findet man heute, entgegen der Annahme
VESEY-FITZGERALD's (1 947) noch in den
H öhenlagen von Mahe, Congo Rouge, etwa
55 0 bis 600 m . ü . M . Beide Arten haben wir
in demselben Biotop angetroffen: in der vermodernden Bodenvegetation, die sich zwischen
den großen Granitfelsen angesammelt hat.
Stehendes Wasser fehlt, stellenweise fließt das
Wasser in steilen Bächen dem Meer zu.
Das eigenartige Fortpflanzungsverhalten
der beiden Arten, welches BRAUER (1898)
Abb. 4 Blindwühle, Praslinia spec. von der Insel Praslin.
Praslinia spec. (Gyrnnophiona) from Praslin Island.
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erstmals beschrieben hat, entspricht dem Fehlen günstiger Laichgewässer. Tatsächlich fanden wir auch ein adultes Tier in der Näh e
eines kleinen Schleimhäufchens sitzen, das 10
bis 15 kleine, knapp zündholzkopfgroße Eier
enthielt. Dieser Frosch, allem Anschein nach
ein Männchen, schien die Eier zu bewachen.
Nach BRAUER legt Sooglossus seine Eier frei
ab. Sie werden anschließend mit Bodengrund
zugedeckt. So bleiben sie feucht und trocknen
nicht aus. Während dieser Zeit soll das Männchen die Eier bewachen. Nach dem Schlüpfen
besteigen die Sooglossus-Quappen den Rücken
des Alttieres und halten sich dort fest. Die
höckerige Oberfläche der Haut bei erwachsenen Tieren gibt den Quappen, zusammen mit
der schleimigen Absonderung derselben, den
notwendigen Halt. Nach der Metamorphose
verlassen die Jungen den Rücken und machen
sich selbständig. Adulte Tiere von beiden Arten weisen eine kurze, jedoch auffällige Verlängerung der Wirbelsäule auf, wie wir sie
z. B. bei europäischen Raniden unmittelbar
nach der Metamorphose finden. Diese Vergrößerung der Rückenfläche wird auch in der
BRAUER'schen Zeichnung wiedergegeben. Bedingt durch ihre Kleinheit - Sooglossus gardineri hat eine Körperlänge von 11 - 12 mm,
S. seychellensis 16 - 17 mm - und durch ihre
unscheinbare Färbung, findet man diese
Froschlurche nur bei sehr genauem Suchen. Die
feinen gelblichen Längsstreifen von S. gardineri sind beim flüchtigen Betrachten kaum
sichtbar. Die im gleichen Biotop lebenden
Blindwühlen scheinen sich Sooglossus als
Beute zu suchen. Unsere Erfahrungen haben
gezeigt, daß Gymnophionen die Frösche
ohne weiteres als Nahrung annehmen. über
den Ruf der Sooglossus-Arten läßt sich noch
nichts genaues aussagen. Ich nehme jedoch an,
daß der hohe pfeifende Ruf, den wir bei regnerischem Wetter mehrmals hören konnten,
von diesen Amphibien stammte. Er kann mit
dem hohen Pfeifen des nordamerikanischen
„Spring Peeper" (Hyla crucifer) verglichen
werden.
Abb. 5 Pe!usios subniger, die einzige Sumpfschildkröte im Archipel ist sehr wahrscheinlich durch den
M enschen dorthin gebracht worden.
Pelusios subniger, the only fresh-water turtle in the
Archipelago, was probably introduced by man ; specimen from Praslin.
N esomantis thomasseti: Dieser Frosch, der
auf Mahe und Silhouette vorkommen soll,
konnte von uns nicht beobachtet werden. Die
Art scheint sehr selten zu sein.
Megalixalus seychellensis : Diesen auffallend schönen, auf der Oberseite grün gefärbten
Laubfrosch fanden wir trotz intensiver Suche
in seinem Verbreitungsgebiet (Mahe, Praslin)
nicht. Wohl bestä tigten uns einheimische Kenner der Fauna, daß dieser Vertreter der Polypedatiden vor allem auf der SW-Seite von
Mahe häufig sei, doch unsere Nachforschungen
blieben erfolglos. Nach VESEY-FITZGERALD
& PARKER (1947) ist Megalixalus auch bei
Cote d'Or auf Praslin nicht selten zu finden .
Vom Botanischen Garten auf M ahe erhielten
wir drei Alkoholpräparate, die eine Körperlänge von 45, 57 und 63 mm aufweisen. Sie
befinden sich jetzt im Senckenberg-Museum
in Frankfurt am Main.
Rana mascareniensis: Dieser Frosch lebt auf
allen Granitinseln des Archipels. Er ist die
häufigste Amphibien-Art und scheint ein Kulturfolger zu sein. Wir fanden ihn auf Mahe,
Praslin, Curieux und Fregate, nahe bei den
Siedlungen in den zahlreichen Abflußgräben,
auf Weiden neben den Tränken und in Kokosplantagen: überall, wo stehendes Wasser
zur Verfügung ist. In den Sumpfgebieten in
Küstennähe ist Rana mascareniensis im Brackwasser festzustellen. Auf der Insel Fregate
fanden wir Kaulquappen (18 - 24 mm) und
adulte Tiere in den zahlreichen Granitweiherchen des Hochplateaus ebenfalls häufig. Den
Ruf dieses Frosches, ein leises Quarren, hört
man vor und nach Regenfällen beinahe überall. Die Fluchtdistanz ist relativ groß, sie beträgt in Siedlungsnähe 3,5 m, in den Felsen
auf Fregate dagegen nur ca. 2 m. Zu den Feinden dieses Frosches zählen vor allem die eingeführten Kuhreiher (Bubulcus ibis ), die
Graureiher (Ardea cinerea), sowie die aus
Asien eingeführten Hirtenstare ( Acridotheres
tristis). Unter den Säugern sind die eingeführten Tanreks (Tenrec ecaudatus) Froschfresser. Es ist auch möglich, daß jüngere Tiere
von Blindwühlen erbeutet werden. In höheren
Lagen, über 450 m. N . N., suchten wir auf
Mahe vergebens nach Rana mascareniensis.
Die Art scheint dort zu fehlen. In den wenigere
Restbeständen primären Urwaldes konnten
wir diesen Raniden ebenfalls nicht feststellen,
obwohl dort die klimatischen Bedingungen
gleich günstig sind wie z. B. in Küstennähe.
Rana mascareniensis ist nach MERTENS
(1934) sowie VESEY-FITZGERALD u. PARKER (1947) die einzige eingeführte Amphibien-Art auf den Seychellen-Inseln.
VIII. Testudines
Pelusios subniger: WERMUTH & MERTENS (1961) stellen die beiden von RENDAHL (1939) aufgeführten Pleurodiren-Formen der Seychellen, Sternothaerus nigricans
und St. castaneus seych ellensis als Synonyme
zu Pelusios subniger. Das Verbreitungsgebiet
innerhalb des Archipels umfaßt Mahe, Praslin, La Digue und Fregate (RENDAHL op.cit.).
Auf Silhoutte wurde P. subniger 1927 durch
einen Siedler ausgesetzt. Vermutlich sind die
Süßwasserschildkröten auch auf die anderen
Inseln der Seychellen erst vom Menschen gebracht worden (MERTENS 1934: 49).
Von P. subniger erhielten wir auf Mahe bei
Pt. Police (im Süden der Insel) 7 Exemplare
mit 145 - 170 mm Panzerlänge. Auf Praslin
haben wir ebenfalls 2 größere Tiere mit Carapaxlängen von 159 und 172 mm gefunden.
Auf Fregate, wo die Art ebenfalls (eingeführt)
vorkommt, maßen die Panzer der 4 Tiere,
die wir fangen konnten, 125 - 155 mm. Die
Dunkle Pelomedusenschildkröte, von den
Seychellois „soupape" genannt, ist auf La Digue sehr häufig und wird dort, aber auch auf
den anderen Inseln, regelmäßig gefangen und
gegessen. In einem Souvenir-Laden auf Mahe
fanden wir einige ausgestopfte Tiere zum Verkauf an Touristen angeboten.
Abb. 6 Vom ausgestorbenen Nil-Krokodil, Crocodylus niloticus, finde t man auf Mahe heute noch ab und zu
Skelett-Tei le bei Bauarbeiten.
Skull of the extinct Nile-Crocodile, Crocodylus niloticus. Such fragments are occasionally found on Mahe.
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IX. Crocodylia
Crocodylus niloticus : Die Seychellen-Inseln
gehörten früher zum Verbreitungsgebiet des
Nilkrokodils (Crocodylus niloticus). Dort lebte
es, zeitgenössischen Berichten zufolge, auf den
Inseln La Digue, Silhouette und M ahe. Die
Brackwassersümpfe entlang den Küsten sowie
einzelne Bäche und Sümpfe im Innern der Insein waren sein Lebensgebiet. Im Jahre 1609
berichtet der Seefahrer JOURDAIN zum ersten Mal von Panzerechsen auf den SeychellenInseln. Weitere Berichte folgten, und um 1743
herum baten die ersten französischen Siedler
um militärische Hilfe zur Bekämpfung der damals häufigen Krokodile. 1771 erzählt ein Bericht von einer Krokodiljagd auf La Digue,
wobei ein „13 Fuß" großes Tier, mit einem
Körperumfang von „8 Fuß" erlegt wurde.
Doch bereits 1787 lesen wir in Tagebüchern,
daß auf der Insel Mahe kaum mehr Krokodile
zu finden seien. Um 1810 wird das letzte Tier
auf La Digue erlegt, und bereits 1819 stellt
man fest, daß es auf M ahe keine Krokodile
mehr gibt. Da in den Archiven der Regierung
auch keine späteren Berichte über Krokodile
oder „Caymans", wie sie von den Seychellois
genannt werden, enthalten sind, muß 1819 als
Aussterbedatum angenommen werden. Heute
werden bei Bauarbeiten noch Skeletteile gefunden.
X. Sauria
Gekkonidae
Gehyra mutilata: Dieser grauweiß gefärbte
Gecko, im Lichte beinahe durchscheinend, ist
besonders auf den Granitinseln Mahe, Praslin und Fregate häufig. Er fehlt beinahe in
keinem Hause. Während des T ages sind die
Geckos hinter Läden, Kasten etc. verborgen,
nach 16.00 Uhr gehen sie auf Futtersuche. Am
Abend und in der Nacht halten sie sich mit
Vorliebe in der Nähe des Lichtes auf, wo sie
auf Fluginsekten Jagd machen. Oft sind 10 bis
12 Geckos im Umkreis von 50 cm um eine
Lampe versammelt. Es ist uns aufgefallen, daß
Gehyra während Regenperioden von 2 bis 3
Tagen kaum außerhalb der Verstecke zu sehen
28
~
· ist. Setzt aber trockenere Zeit ein (relativ gerL ge Luftfeuchtigkeit), so erscheinen die Tiere
wieder in gewohnter Anzahl zu den üblichen
Zeiten. Dann sind sie sichtlich abgemagert,
und der Nahrungsbedarf ist groß. Ein einziger
Gecko fraß einmal in 25 Minuten 17 eulenartige N achtfalter.
Außerhalb der Häuser haben wir Gehyra
auffallend häufig in der Nähe von Schuttablagerungen gefunden, vor allem dort, wo leere
Bierdosen gelagert wurden. In den leeren Dosen konnten wir ohne Mühe Geckos fangen.
Dies brachte uns auf die Idee, Geckofallen aus
leeren Bierdosen, mit etwas Bier und Bananen
als Köder, herzustellen. Der Erfolg war verblüffend: Die nach einigen Stunden leicht gärende Ködermasse zog die Geckos an, die dann
in den engen Dosen leicht gefangen werden
k onnten. Oft waren bis zu drei Geckos in einer
Dose. Ihre Vorliebe für süße oder gärende
Stoffe hat G ehyra den lokalen Namen „Sugarlizard" eingetragen. Diese Art scheint standorttreu zu sein. Ein Exemplar, das wir an seinem regenerierten Schwanz erkennen konnten,
war nach 23 Tagen immer noch auf dem gleichen Deckenabschnitt eines Bungalows zu beobachten. Untereinander sind die Geckos nicht
immer verträglich. Innerartliche Verhaltensweisen des Imponierens und der Verteidigung
bilden Schwanzschlängeln und Bisse in die
Körperseiten. Oft erzeugen die Tiere dabei
einen feinen, kaum hörbaren Pfeifton. Gehyra, der die Mehrzahl der tropischen Inseln bewohnt, besitzt außer dem Menschen und dem
Seychellen-Falken (Falco area) auf dem Archipel kaum Feinde. Verfolgung aus Aberglauben und die Anwendung von Insektiziden können jedoch einzelne Kleinst-Populationen
empfindlich schädigen.
A eluronyx seychellensis: Diese relativ
große Geckoart (90 bis 110 mm) beobachteten
wir nur auf den kleinen Granitinseln Fregate
und Praslin. Von RENDAHL (1939) wird sie
auch von den Inseln Cousine und Mahe beschrieben. Unsere Nachforschungen zeigten,
daß dieser Gecko sehr scheu ist. Seine Flucht-
Abb. 7 Sekundär-Wald auf Mahe (Bananen- und Brotfruchtbäume) . Lebensraum von Rana mascareniensis, Phelsuma spec. und Mabuya sechellensis.
Secondary growth on Mahe, habitat of
Rana mascareniensis, Phelsuma spec.
and Mabuya sechellensis.
distanz liegt im Durchschnitt bei 3,5 m. Oft
wurden wir erst durch den feinen Ruf, der vor
der Flucht ausgestoßen wird, aufmerksam.
Aeluronyx ist auch Kulturfolger; denn wir
fanden die Art regelmäßig in den Viehställen,
vor allem auch in der Nähe der warmen CopraTrocknungsanlage auf Fregate und, wenn auch
nicht so häufig, in den Fasern der Kokospalmen auf Praslin. Die Haut dieses Geckos ist
sehr leicht verletzbar. Selbst beim sorgfältigen
Fangen riß die Oberhaut, und die Geckos
mußten losgelassen werden. Auch der
Schwanz wird bei der geringsten Berührung
Mahe
Praslin
Curieuse
Fregate
Cosmoledo Atoll
Aldabra Atoll
Menai
Wizard
Grand Polyte
South East
Astove
Assomption
Picard
South
North
autotomiert. Unter einer Bretterfeige fanden
wir die Reste der weißen kalkschaligen Eier.
Jungtiere wurden nicht festgestellt.
Phelsuma: Neben Madagaskar, Maskarenen, den Comoren und Sansibar sind die Granit- wie die Koralleninseln der Seychellen das
Verbreitungsgebiet der schönen Taggeckos
(MERTENS 1962, 1963, 1964, 1966) . Sie stehen den madagassischen Formen nahe, unterscheiden sich aber scharf von den maskarenischen (z. B. Phelsuma cepediana und vinsoni) .
Wir hatten Gelegenheit, auf folgenden Inseln
Phelsumen zu beobachten:
Phelsuma abbotti pulchra,
Ph. astriata astriata
Ph. madagascariensis sundbergi
Ph. astriata astriata,
Ph. madagascariensis sundbergi
Ph. abbotti lo nginsulae,
Ph. astriata astriata
Ph. abbotti menaiensis
Ph . abbotti subsp. inc.
Ph. abbotti subsp. inc.
Ph. abbotti subsp. inc.
Ph. astriata astovei
Ph . abbotti abbotti
Ph. abbotti abbotti
Abb 8 Mabuya sech ellensis, der kleine Skink der Seychellen.
Mabuya sechellensis, the small endemic skink of the granitic islands; specimen from Curieuse Island.
Während der ersten Tage unseres Aufenth altes fiel es uns schwer, die grünen Geckos
im Pflanzendickicht zu finden. Bald lernten
wir jedoch die von ihnen bevorzugten Aufenthaltsplätze kennen.
Das Verhalten der von uns beobachteten
Arten läuft tagsüber in groben Zügen wie
folgt ab: Unmittelbar nach Sonnenaufgang erklettern die Phelsumen ihre Tageseinstände,
die sich an erhöhten Punkten, z. B. hoch in den
Palmkronen, Bananenstauden, auf Dachbalken
etc. befinden. Dort gehen sie auf Nahrungssuche, wobei Nektar oder Fruchtsäfte abwechselnd mit Insekten aufgenommen werden.
Steigt die Temperatur gegen Mittag an, so
ziehen sie sich vorübergehend an schattige
Orte zurück, z. B. entsprechende Stammlagen,
Unterseiten der Palmblätter, Innenwände von
Häusern und Hütten. Gegen Abend steigen die
Geckos wieder hinunter, wo sie in Rindenrissen oder zwischen Steinen schlafen. Selten
konnten wir Phelsumen b eobachten, die in der
Nacnt auf dem Erdboden nach Nahrung suchten, z. B. auf Mahe, Praslin und East Island
auf Aldabra. Dort sahen wir die Tiere in unmittelbarer N ähe der Brandungszone beim
N ahrun gserwerb. Im Hause des britischen
Gouverneurs auf Mahe werden die Phelsumen
mit reifen Bananen und Fruchtsäften angelockt und gefüttert. Bei einem Besuch zählte
ich n a6 15.00 Uhr 13 T aggeckos an einer solchen „Iutters telle" . Bei längeren Regenperio-
den kommen Phelsumen nicht selten ins Innere der Häuser, wo sie am Tage und in der
Dämmerung ebenfalls Jagd au f Insekten machen.
In Anbetracht der Tatsache, daß die Taggekkos auf den Granitinseln nicht mehr in ihrem
ursprünglichen Biotop, dem primären Urwald,
leben, ist es auffallend, wie häufig sie hier
überhaupt noch sind. Die ursprüngliche Vegetation wurde mit Beginn der dauernden Besiedlung (ca. 17 40) aufs äußerste dezimiert.
An ihre Stelle traten auf Mahe z. B. Kokos-,
Zimt- und Vanilleplantagen. Der ursprüngliche
Urwald ist heute auf Höhen über 550 m. N. N.
zurückgedrängt, wo Phelsumen fehlen. Gegenüber ihrem H auptfeind, dem Seychellen-Falken (Falco area), der sich vorwiegend von
Echsen ernährt, zeigen die T aggeckos ein e verblüffende Fluchtreaktion. Die Falken erbeuten
die Phelsumen mit einer sehr großen Geschwindigkeit. Sie s treifen dicht über die Gekkos hinweg, welche auf Palmblättern und Nüssen sitzen und greifen sie dabei mit den Fängen, um die Echsen dann in der Nähe zu kröpfen. Nähert sich ein Falke oder ein anderer
großer Vogel, z. B. der H irtenstar (Acridotheres tristis) dem Blüten- oder Fruchtstand einer
Kokospalme, auf dem sich Phelsumen aufhalten, so lassen sich die Echsen blitzschnell
fallen, um auf dem nächsten Blatt oder zwischen den Fasern zu verschwinden . Versucht
man, Taggeckos auf jungen Palmen zu fan-
gen, dann eilen sie immer in kurzer Flucht
n ach oben und verbergen sich in den Fasern
der Blattspreiten. Wird ihnen ein Versteck
verwehr t, so klettern sie zum höchsten Punkt
eines Palmwedels, von wo sie sich zu Boden
foilen lassen. Dort verstecken sie sich dann
zivischen der Bodenvegetation. Die Geckos
lassen sich aber nicht nur während der Flucht
fallen, sondern auch bei der Nahrungssuche,
etwa, wenn ihnen ein Insekt zu entgehen
droht. Wie sie auch fallen mögen, die Phelsumen landen wie Katzen immer auf den Füßen.
Interessant war auch das Verhalten von Taggeckos (Phelsuma a. abbotti) zu Elefantenschildkröten (Testudo gigantea) auf der SüdInsel von Aldabra. Dort haben wir verschiedentlich Taggeckos auf Riesenschildkröten beobachtet, die sich von Insekten ernährten, welche auf das Supracaudal-Schild flogen. Ein
einzelner Gecko, wir erkannten ihn an seinem
Gabelschwanz, blieb 36 Stunden auf „seiner"
Schildkröte. Während die Schildkröte im offenen Felde Nahrung suchte, saß der Taggecko
in der Nähe der Marginalschilder und jagte
die vielen Insekten, die durch den Kot des
Panzertieres angezogen wurden. Unter dem
Busch, den die Schildkröte zum „Dösen" und
Schlafen aufsuchte, hielt er sich auf dem Rükkenpanzer auf. An beiden Orten zog sich der
Gecko unter die freistehenden Marginalschilder zurück, wo er auch während der Nacht beobachtet wurde.
Auf der Nord-Insel von Aldabra, bei Anse
Malabar, waren es die sehr zutraulichen, flugunfähigen Aldabra-Rallen (Dryolimnas aldabrrmus), die bei den Schildkröten nach Nahrung suchten. Diese braunen Vögel pickten
Insekten und Zecken von den „dösenden" und
schlafenden Riesen. Dieses Verhalten kann
mit dem der Kuhreiher und der Madenhacker
verglichen werden, die in ihrem Verbreitungsgebiet Insekten von Großtieren „ablesen".
Hemidactylus mercatorius: Diesen lebhaft
gefärbten Gecko haben wir auf den Koralleninseln Astove, Assomption, Wizard und Menai im Cosmoledo Atoll und auf Aldabra gefunden.
Auf Wizard und Menai, wo Häuser fehlen,
sahen wir Hemidactylus unter Korallenstökken, Schwemmholz oder verrottenden Panzern
der Suppenschildkröten (Ch elonia mydas ).
Auch in den Brutkolonien der Rotfuß-Tölpel
(Sula sula) hielt sich der Gecko, anscheinend
durch Insekten angezogen, in unmittelbarer
Nähe der Nestmulde zwischen der Vegetation
versteckt. In den Siedlungen dagegen war Hemidactylus in den Häusern zu beobachten.
Abb. 9 Ph elsuma
madagascariensis
sundb ergi, der größte Tag-Gecko der
Seychellen-Inseln lebt auf Praslin .
Th e largest of the Green Day-Gecko,
Ph e!suma m ada gasca riensis sundb ergi,
is found on Praslin.
(Photos vom Autor)
31
Chamaeleontidae
Chamaeleo tigris: Diese kleine ChamäleonArt, die auf den Inseln Mahe, Praslin und Silhouette lebt (RENDAHL, 1939), haben wir
nur auf den beiden ersten Inseln gefunden.
Beide Fundgebiete, in denen wir dem Chamäleon begegneten, sind ruhige Lagen, die sich
vor allem durch eine dichte Vegetation auszeichnen. Auf Mahe um La Misere (ca. 580 m
N. N.) ist die natürliche Vegetation durch eingeführte Pflanzen ersetzt, während wir im
Valle de Mai (Naturschutzpark der Seychellennuß-Bestände) noch die primäre Vegetation
vorfinden. Beide Fundstellen liegen oft in
dichtem Nebel, daher auch der dichte Farnwuchs. Weil das Finden von Chamäleons
schwierig ist, haben wir nur Zufallsbeobachtungen. Ein Teil der Tiere wurde uns von
Seychellois gebracht und anschließend im Botanischen Garten freigelassen und beobachtet.
Die Größe der erwachsenen Tiere schwankt
zwischen 60 und 88 mm. Die Färbung liegt
zwischen einem schwefelgelben und einem tief
rotbraunen Ton. Es scheint, daß Chamaeleo
tigris seine Farbe nicht so leicht wechseln
kann, wie wir es von anderen Arten her kennen. So erhielten wir ein Tier von La Misere,
dessen Färbung über Tag konstant tiefrotbraun war. Tiger-Chamäleons, die sich bedroht fühlen, blähen ihren Körper ballonartig
auf und nehmen auf ihrem Ast eine langgestreckte Form an, den Schwanz eng um den
tragenden Ast geschlungen. Zudem schaukelt
der Körper seitlich hin und her. Ein Weibchen von 70 mm Körperlänge, welches uns auf
Mahe tot gebracht wurde, enthielt drei hartschalige, legereife Eier. Wir dürfen daher annehmen, daß sich diese Chamäleonart durch
Eier fortpflanzt. Chamäleons werden von
einem großen Teil der Bevölkerung gefürchtet,
weil sie als giftig gelten. Diesen Aberglauben
fanden wir auch in Tansania weit verbreitet.
Scincidae
Mabuya sechellensis und Mabuya wrightii:
Die beiden Skinke sind markante Echsen auf
den Granitinseln. Sie unterscheiden sich vor
32
allem durch ihre Größe: M . sechellensis hat
eine Körperlänge von 45 bis 70 mm, Mabuya
wrightii mißt dagegen zwischen 71 u. 128 mm.
VESEY-FITZGERALD und PARKER (1947)
haben das Verbreitungsgebiet dieser beiden
Skinke der Seychellen näher untersucht. Dabei stellten wir fest, daß die kleine M . sechellensis auf allen Granit-Inseln zu finden ist,
außer auf einigen kleinen felsenähnlichen Eilanden. Die große M. wrightii trifft man dagegen nur auf den Granitinseln, wo sich
größere Kolonien von Seevögeln (vor allem
Seeschwalben) befinden
Ornithophilie
(MERTENS 1934: 100) - , und die mit Kokospalmen bestanden sind. Die geographische
Verbreitung steht in engem Zusammenhang
mit einem spezifischen Fluchtverhalten (siehe
unten) . Auf den wenigen Inseln, wo beide
Arten zusammen vorkommen, z. B. Fregate
Island, kann man Jungtiere von M. wrightii
mit adulten M. sechellensis verwechseln, so
sehr ähneln sich ihre Farbe und Muster. Auf
Fregate konnte ich das unterschiedliche Fluchtverhalten dieser beiden Mabuyen beobachten:
Während M. sechellensis sich bei Gefahr sofort im Bodengrund zu verstecken sucht, läuft
M. wrightii, ohne Deckung aufzusuchen, davon und zu einem Baumstamm, um daran
rasch und sehr geschickt hochzuklettern und
sich so dem Feinde zu entziehen. Der Skink
versucht beim Hochklettern, den Stamm zwischen sich und dem Feind zu halten . Verfolgt
man das Tier um den Baum herum, so gelingt
es ihm meistens, sich durch Drehklettern dem
Blick zu entziehen. M. wrightii wird von den
Seychellois auf den Vogelinseln stark verfolgt.
Die Echsen rollen Seeschwalben-Eier aus den
Nestmulden, bis diese an einem Stein anstoßen und zerbrechen. D er ausfließende EiInhalt wird dann von den Skinken aufgeleckt.
Da das Sammeln von Seevogel-Eiern zu einem
der wichtigsten Erwerbszweige gehört, werden
während der Brutzeit für getötete Whrigt's
Skinke Prämien bezahlt.
M . sechellensis, den wir auf Mahe im gleichen Biotop wie Phelsuma beobachtet haben,
Abb. 10 Phelsuma a. abbotti von der Süd-Insel Aldabras.
Abbott's Day-Gecko, Ph elsuma a. abbotti, from Aldabra' s South Island. (Photo : Werner Noth)
gehört wie diese zur Beute des SeychellenFalken (Faleo area). Die Skinke werden vor
allem beim Sonnen geschlagen. Die Vögel
stoßen nach Turmfalken-Art auf die Echse
herab und fassen sie mit den Fängen. Gekröpft wird meist in unmittelbarer Nähe des
Fangplatzes. Auf Mahe fielen uns die recht
zahlreichen Skinke mit Gabelschwänzen auf.
Seelotes braueri und S. vesey-fitzgeraldi: Zu
unserer Enttäuschung konnten wir die beiden
endemischen Arten von Seelotes (Synonym:
Amphiglossus) nicht finden. Trotz intensiver
Suche in der Bodenvegetation, in vermodernden Palmstämmen und im Erdboden des gesamten Verbreitungsgebietes (Mahe, Praslin,
Fregate und Silhouette) waren diese Skinke
nicht festzustellen. Seelotes scheint schon derart selten zu sein, daß selbst interessierte Bewohner der Inseln diese Skinke nicht finden
können. VESEY-FITZGERALD und PARKER
haben bereits 1 947 darauf aufmerksam gemacht, daß Seelotes selten ist. Anscheinend ist
diese Art durch die starken Rodungen ihres
Biotops beraubt worden.
Ablepharus boutonii: Der Platz, den die beiden Mabuyen (M . seehellensis und Mab uy a
wrightii) auf den Granitinseln einnehmen,
wird auf den zahlreichen Koralleninseln durch
das Natternauge (Ablepharus boutonii) besetzt. Diesen kleinen lebhaften Skink (25 bis
30 mm) fanden wir gleich häufig in unmittelbarer Nähe der Brandungszone (Flutgrenze)
wie in Wohnhäusern und Hütten. Am Strand
ist die Fluchtdistanz viel größer (2,5 bis 3 m)
als in der Nähe der Siedlungen (dort oft unter
100 cm) . Das Natternauge flüchtet am Strande
unter Schwemmholz oder in die zahlreichen
toten Korallenstöcke; in den Häusern in die
Ritzen der Wände. In der Nähe der Gestelle,
wo Meeresfische an der Sonne getrocknet werden, sind die Natternaugen überaus häufig.
Sie sonnen sich mit Vorliebe auf den heißen
Blechen, die zum Trocknen der Fische dienen.
Dort werden sie von schwarz-weißen Krähen
33
gefangen (Aldabra). Ablepharus pflanzt sich
durch weichschalige Eier fort; unter einem Korallenbrocken fand ich auf Wizard im Cosmoledo Atoll über 70 etwa 4 x 6 mm große Eier
zusammen versteckt. McGREGOR (1904) erwähnt solche gemeinsamen Eiablageplätze von
A. boutonii auf Maui/Hawaii. Wir haben
Ablepharus boutonii auf folgenden Inseln
festgestellt: Aldabra (aldabrae-Rasse), Assomption, Astove und Cosmoledo (Menai, Wizard). Von allen Fundorten wurde eine kleine
Anzahl Tiere mitgebracht, deren Rassengliederung von R. MERTENS untersucht werden
wird.
XI. Serpentes
Typhlops braminus: Diese braune Erdschlange wurde zwischen 1936 und 1939 auf
den Seychellen-Inseln von Privatpersonen eingeführt. Die ursprüngliche Heimt ist der Indomalayische Archipel. Außerdem soll die Art
auch auf Madagaskar vorkommen (Beleg im
Senckenberg-Museum). Auf Hawaii wurde sie
ebenfalls eingebürgert. Ihrer versteckten Lebensweise wegen bekamen wir Typhlops braminus nie zu Gesicht. Im Botanischen Garten
zu Mahe wurde uns ein Tier von der Insel
Praslin gezeigt, wo die Schlange 1957 erstmals
festgestellt worden ist.
Boaedon geometricus: Diese imposante,
braunschwarze Schlange haben wir auf Mahe
und auf Fregate gefunden, von wo sie auch von
RENDAHL (1939) erwähnt wird. Außerdem
soll die Art auch auf Silhouette vorkommen.
STEJNEGER (1893) nennt 23 (glatte) Schuppenreihen, RENDAHL (loc. cit.) nur 17. Die
Exemplare, die wir auszählen konnten, hatten
alle 23. Boaedon ist ein Mäusefresser. Im Terrarium nahmen die Tiere willig Hausmäuse
an, die durch Umschlingen getötet wurden.
Auf Fregate werden die Schlangen vom Besitzer der Insel, Mr. HARRY SAVY, geschützt, da er erkannt hat, daß Boaedon ein
guter Mäusevertilger ist. Die afrikanischen
Formen von Boaedon werden nach PITMAN
(1938) als „Hausschlangen" bzw. als Mäuse34
fresser bezeichnet. Auf Mahe h ingegen verfolgt man die Schlangen regelmäßig. Der Botanische Garten erhält gelegentlich erschlagene
Tiere zur Bestimmung (z. B. 1 9 Gesamtlänge
790; Schwanz 135 mm), von denen ich einzelne Tiere auf Nahrungsreste (Nager) hin untersuchen konnte.
Schlangen sind im Archipel seit 1929 nominell geschützt, doch kümmern sich weder
die zuständigen Regierungsstellen noch die
Polizei um die Gesetzesübertretungen. Boaedon scheint nach verschiedenen mündlichen
Berichten ungefähr 100 cm lang zu werden.
Große Tiere sind aber der Verfolgung wegen
wohl selten.
Lycognatophis seychellensis: Diese Art ist
die einzige Baumschlange der Granitinseln.
Wir haben sie in den Bananenpflanzungen und
in jungen Kokospalmen auf Mahe und Praslin gefunden. Nach RENDAHL (1939) kommt
sie auch auf Fregate und Silhouette vor. Die
gekielten Schuppen stehen in 16 Reihen. Ein
Weibchen mit einer Gesamtlänge von 955 mm
(Schwanz 305 mm) fraß im Terrarium auf
Mahe Geckos der Gattungen Gehyra und Phelsuma. Nach VESEY-FITZGERALD (1947) ist
Lycognatophis auf Mahe und besonders auf
Silhouette die häufigste Schlangenart.
Neben den genannten Reptilienarten leben
noch einige andere Vertreter von Geckos auf
den Seychellen. Doch besitzen wir darüber
noch nicht genügend Material.
XII. Zusammenfassung
Die Herpetofauna der Seychellen leidet,
wenn auch nicht in dem Maße wie z. B. die
A vifauna, unter dem zunehmenden Druck der
Besiedlung durch den Menschen. Die durch
Rodungen hervorgerufenen Umweltsveränderungen können zusammen mit der Einführung
von tierischen Feinden und Nahrungskonkurrenten die endemischen Arten derart stark in
ihrem Gleichgewicht stören, daß diese aussterben. Die Verminderung des Regenwaldes
in den vergangenen 50 Jahren hat die endemischen Amphibien (Sooglossus und M egali-
xalus) in letzte Rückzugsgebiete verdrängt.
Die aus Mauritius eingeführten Tanreks (Tenrec ecaudatus) stellen Amphibien und Reptilien gleichermaßen nach, auch eingeführte Vögel, z. B. Kuhreiher ( Bubulcus ibis) und Hirtenstare (Acridotheres tristis) ernähren sich
zum Teil von Vertretern der Herpetofauna.
Das Tiger-Chamäleon (Chamaeleo tigris)
leidet ebenfalls unter den massiven Umweltsveränderungen, während die verschiedenen
Geckos, die Taggeckos (Phelsuma) eingeschlossen, zu den Kulturfolgern gezählt werden können. Auch der eingeführte Frosch,
Rana mascareniensis, ist wohl als Kulturfolger
zu betrachten. Eingeführte Ratten und Mäuse
stellen eine weitere Gefahr für die Herpetofauna dar, ebenso wie die verwilderten Hauskatzen. Einzig auf der Insel Fregate fehlen
Katzen. Dort wurden sie von der Regierung
nach dem Aussetzen durch Private wieder abgeschossen. Da auch Tanreks noch nicht auf
Fregate heimisch sind, ist diese kleine Granitinsel die einzige in der Gruppe, die frei von
Raubtieren ist. Auf den Koralleninseln sind
Ratten und Mäuse, sowie verwilderte Hauskatzen häufig. Auf Aldabra leben zudem noch
einige Gruppen von verwilderten Ziegen. Diese Eindringlinge bilden eine Gefahr für die
gesamte Fauna.
Seit 1961 existiert auf den SeychellenInseln ein Naturschutz-Rat (Conservation
Board), dessen Aufgabe es ist, dazu beizutragen, die interessante Inselfauna zu erhalten.
Daß der Naturschutzgedanke sich in den kommenden Jahren durchzusetzen vermag, erachte
ich als durchaus möglich, und ich hoffe, daß
auch der bald unabhängige Staat diese Werte
zu wahren vermag.
SUMMARY
This contribution to the Herpe tology of the Seychelles Islands, located in the Indian O cean between
latitude 4° South and 10° South, results from a three
months stay in this Colony of the British Crown.
A short geographical introduction is followed by a
brief summary on the general fauna, and the herpetofauna in special.
In systematic order, observations on Gymnophionians, Anurans, Chelonians, Crocodilians (extinct),
Saurians and Serpentes are written up, mainly dealing
with ecological gues tions of the species.
The Herpetofauna of the Seychelles granitic group,
e. g. around the principal island of Mahe, is suffering
although not as severe as the Avifauna, under the
constantly raising pressure of the expanding human
population. Changes in habitat, due to massive inroads by cutting primary fores ts, have brought many
species to the verge of extinction. Sooglossus, Nesomantis and M egalixalus among the Amphibians,
Chamaeleo tigris and Seelotes among the Reptiles, a ll
endemic forms, are especially threatened.
An introduced species of Insectivora, the Tenrec
from Madagascar (Tenr ee ecauda tus), as weil as several species of introduced birds, e. g. a Mynah Bird
(Ae ridotheres tristis), the Cattle Egret (Bubuleus ibis)
feed partly, together with the ever present m ice and
rats, on endemic amphibians and reptiles.
Various Geckos, including the Green Day-Gecko
(Phelsuma spec.) are observed to be technophile species, while the endemic Chamaeleon (Chamaeleo tigris), is technophobe. The introduced Frog (Rana mascareniensis), is the only Amphibian which is technophile.
The Herpetofauna of the outlying coral islands was
also observed, especially on Aldabra.
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