MITTELAMERIKA MITTELAMERIKA GUATEMALA Warum Menchu die Wahlen verlor Rigoberta Menchu war die Kandidatin, die neben dem künftigen Präsidenten und Mitte-Links-Kandidaten Alvaro Colom sowie dem rechtskonservativen Otto Perez Molina, das meiste Aufsehen erregt hatte. Doch sie erzielte bei den Präsidentschaftswahlen lediglich drei Prozent der Stimmen. Selbst die Medien waren überrascht. TEXT: ALBRECHT SCHWARZKOPF (CIR) Die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu verlor überraschend hoch die Präsidentschaftswahlen. 20 PRESENTE NOVEMBER 2007 gramm zu liefern, worin die Integration der Maya betont und eine Alternative geschaffen wurde“, so Irma Velasquez, k’iche’-Anthropologin. Das Wahlbündnis begann seine Kampagne spät, zu einem Zeitpunkt, als sich viele Führungsfiguren der Mayas bereits mit anderen politischen Gruppen verständigt hatten. Überdies erging sich der Diskurs der Kandidatin im Wahlkampf vor allem in Allgemeinplätzen mit zu wenig eindeutigen Angeboten. Edgar Ajcip, der Leiter des Friedensfonds (Fonapaz) sagt, dass es „für die Menschen unklar blieb, wofür die Kandidatin steht und was der Nutzen für sie ist, sie zu wählen“. Sympathie statt Stimme „Im November 2006 fragte mich jemand, was ich davon hielte, dass in den Umfragen der Zeitungen 70 Prozent der GuatemaltekInnen für Rigoberta als Präsidentin stimmen würden. Darauf habe ich geantwortet, dass ich befürchtete, dass die Medien sie in einen Abgrund stoßen wollten“, berichtet Irma Velasquez. Der Soziologe Gustavo Berganza bestätigt dies: „Nicht jede Sympathiebekundung ist mit einer ab- FOTOS: CIR-ARCHIV. R igoberta Menchu warf sich mit der schnell geformten MayaPartei Winaq ins Präsidentschaftsrennen. Sie bildete mit der Mitte-Links-Partei „Encuentro por Guatemala (EG)“ von Nineth Montenegro ein Wahlbündnis. Dieses Bündnis blieb aber von Beginn an lahm. Nineth Montenegro, die Fü h r u n g sf igur der Menschenrechtsbewegung der 1980-er Jahre und Abgeordnete seit drei Parlamentsperioden, und Rigoberta Menchu, im Ausland als Friedensnobelpreisträgerin und Vertreterin der Maya-Völker bekannt, sind zwar zwei in der Bevölkerung geschätzte Persönlichkeiten. „Doch gelang es der Partei Winaq nicht, ein überzeugendes Wahlpro- NEUER PRÄSIDENT Colom gewinnt gegebenen Stimme vergleichbar. Allerdings hängt die Meinungsbildung der WählerInnen von den Meinungen in den Medien ab“. Rigoberta Menchu hat auch kein gutes Wahlergebnis in den Provinzen eingefahren, wie einige BeobachterInnen erwartet hatten. „Es ist irrig und rassistisch anzunehmen, dass eine Maya-Kandidatur alle Maya-Völker zusammenbringen würde“, sagt Rigoberto Quemé, der ehemalige Maya-Bürgermeister von Quetzaltenango. „Wenn die Mestizen (ladinos) nicht einheitlich abstimmen, wieso sollten es dann die Mayas tun?“ Quemé hebt hervor, dass viele Jahre Arbeit und eine tiefe Verbundenheit mit den Maya-Völkern erforderlich ist, um voranzukommen. Dies sei weder Winaq noch Encuentro por Guatemala gelungen. Was nun, Menchu? Das schwache Wahlergebnis der Menchu spiegelt mehr die Realität des Landes wider als nur die Schwäche der Kandidatin: Rigoberta ist in Guatemala dem Machismo und dem Rassismus ausgesetzt. Die Maya-Bewegung wird häufig zu sehr als ein Kollektiv gese- Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt im November gewann der Mitte-Links-Kandidat Alvaro Colom (UNE-Partei, Unidad Nacional de Esperanza). Colom erhielt 53 Prozent der Stimmen. Sein Konkurrent, der rechtsgerichtete ExGeneral Otto Pérez Molina, lag sechs Prozentpunkte hinter Colom. Während Pérez Molina mit dem Thema „harte Hand gegen Kriminalität“ punkten konnte, hatte Colom stärker auf soziale Themen gesetzt. hen, als dass die einzelnen MayaVölker mit ihren eigenen Widersprüchen betrachtet und verstanden werden. Die Wahlkampagnen in Guatemala sind bestimmt durch Wahlgeschenke, Medienpräsenz und untermalt von der weiter existierenden Furcht der städtischen LadinoBevölkerung, dass die Maya-Völker politische Verantwortung übernehmen. Allerdings fehlt es auch noch an MayaLeitfiguren, die in der Lage sind, größeren Zuspruch zu erlangen. Wie auch immer die Zukunft von Rigoberta Menchu aussehen mag, so ist für Edgar Ajcip klar, dass aufgrund ihres Beispiels bei den nächsten Wahlen mehr Mayas aktiv teilnehmen. „Die Botschaft von heute ist, dass politische Spielräume geöffnet werden und dass die politischen Parteien ein Spiegel der Maya- und Ladino-Bevölkerung sein sollten.“ PRESENTE NOVEMBER 2007 21