17 Photometrieren Die Spektroskopie, auch Spektralphotometrie, Spektrophotometrie oder einfach nur Photometrie genannt, umfasst eine Anzahl experimenteller Messverfahren, die generell die Wechselwirkung elektromagnetischer Strahlung mit Materie nutzen. Diese quantifizierenden Verfahren haben eine überragende Bedeutung nicht nur in der naturwissenschaftlichen Forschung, sondern auch in der täglichen Praxis von Kontrolllabors. Sie gestatten nämlich einerseits die Identifizierung von Stoffen in einer Lösung anhand von charakteristischen Absorptionsspektren, ermöglichen aber auch eine exakte Bestimmung der Konzentration eines gelösten Stoffes. Bei der Spektroskopie wird das Licht einer definierten Lichtquelle in ein Spektrum zerlegt (Farbzerlegung). Stoffe, die spektral untersucht werden sollen, setzt man einer bestimmten Lichtqualität (= Farbe, d.h. einer bestimmten Wellenlänge λ aus. Aus dem Absorptions- bzw. Extinktionsverhalten lassen sich wichtige Rückschlüsse auf die Qualität oder die Quantität bestimmter zu untersuchender Stoffe ziehen. Spektroskopische Methoden sind wichtige Analyseverfahren der Physik, Chemie und Biochemie. Sie finden zudem in der Astronomie Anwendung, weil das Licht von Himmelskörpern bemerkenswerte Rückschlüsse auf die Eigenschaften von Lichtemittenten im Weltall erlaubt. Spektroskopische Untersuchungen waren auch entscheidend wichtig für die Aufklärung des Schalenaufbaus der Atome und die Entwicklung der Quantenmechanik. Pioniere der Spektroskopie waren Gustav Kirchhoff (1824–1887) und Robert Bunsen (1811–1899), die 1859 in Heidelberg entdeckten, dass verschiedene chemische Elemente die Flamme eines Gasbrenners in charakteristischer Weise färben. Joseph von Fraunhofer (1787–1826) hatte bereits 1814 im Spektrum des Sonnenlichtes zahlreiche dunkle Linien entdeckt, die man später nach ihm als Fraunhofer’sche Linien bezeichnete. Er konnte dieses Phänomen aber nicht genauer erklären, weil die notwendigen Kenntnisse des Atombaus und der Vorgänge bei der Absorption und Emission von Licht noch nicht verfügbar waren. Bei der Wechselwirkung von Strahlung und Materie unterscheidet man unter anderem die folgenden Möglichkeiten: 190 17 Photometrieren • Elastische Streuung: Man beobachtet nur eine Impulsänderung der Photonen. Beispiele sind die Beugung von Röntgen-, Elektronen- und Neutronenstrahlung. • Inelastische Streuung: Resonante Absorption und Emission von Photonen bzw. Lichtquanten. 17.1 Spektroskopie und Photometrie Im Allgemeinen verwendet man die Bezeichnung Spektroskopie auch für die Messung der Energieverteilung von Gamma-Strahlen oder Strahlung von Teilchen wie Alpha- und Beta-Strahlen oder von freien Neutronen. Spektroskopie bzw. Photometrie im engeren Sinn bezieht sich dagegen überwiegend auf die Untersuchung, bei welchen Frequenzen bzw. Wellenlängen eine bestimmte Substanz Energie in Form von Lichtquanten bzw. elektromagnetischen Wellen aufnehmen (absorbieren) oder abgeben (emittieren) kann. Die Energie eines Lichtquants oder die entsprechende Frequenz einer elektromagnetischen Welle lässt sich mit der Energiedifferenz zweier quantenmechanischer Zustände der zu untersuchenden Substanz wiedergeben: ∆E = h ⋅ v [Gl. 17-1] Darin bedeuten h die Planck’sche Konstante, ν die Frequenz des Lichts und ΔE die Energiedifferenz. Diese Beziehung ist die Grundgleichung der Spektroskopie. Die Energiedifferenzen quantenmechanischer Zustände sind von der stofflichen Zusammensetzung einer Probe und von ihrer atomaren bzw. molekularen Struktur abhängig. Die von den Stoffen ausgehende Strahlung enthält daher wichtige Informationen. Mithilfe der Spektroskopie lassen sich somit aus dem gemessenen Spektrum wichtige Rückschlüsse auf den strahlenden Körper ziehen, beispielswiese auf seine Struktur, Temperatur und Bewegung (Doppler-Effekt). Die Spektroskopie umfasst einen großen Teil des elektromagnetischen Spektrums einschließlich des sichtbaren Lichtes und reicht von der kurzwelligen Gamma-Strahlung bis zu langwelligen Radiowellen. Die Präzisionsspektroskopie ermöglicht es, aus der genauen Lage oder der Stärke von Spektrallinien physikalische Größen, zum Beispiel bestimmte Naturkonstanten zu bestimmen. Die wellenlängengenaue Untersuchung der Lichtemission und -absorption von Molekülen und Atomen mithilfe von Gitter- und Prismenspektrometern sind die am längsten eingesetzten spektroskopischen Verfahren. Das Element Helium wurde zuerst durch spektro- 17.1 Spektroskopie und Photometrie 191 skopische Untersuchungen des Sonnenlichtes erkannt. Besondere Erfolge der astronomischen Spektralanalyse und Spektroskopie sind die als Doppler-Effekt gedeutete Rotverschiebung des Lichtes von Sternen bzw. Galaxien, die Quantifizierung der Wirkung von Magnetfeldern auf die Sonne und helle Sterne (Zeeman-Effekt) sowie vor allem die Bestimmung von Sterntemperaturen und ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Spektralklassen des Hertzsprung-Russel-Diagramms. Wellenlänge (nm): 3 × 10-8 γ- und Röntgen Strahlung Frequenz (Hz): 1022 Kernübergänge Übergänge innerer Elektronen 3 × 102 3 × 103 3 UV 1016 IR Licht 1014 3 × 105 3 × 1012 Mikrowellen/ Radiostrahlung 1012 Übergänge Valenzelektronen Molekülschwingung Molekülrotation 105 Spin-Orientierung ESR NMR Abb. 17-1. Einteilung des elektromagnetischen Spektrums Bei der Molekülspektroskopie untersucht man die Wechselwirkung von Molekülen mit elektromagnetischen Feldern. Dies ermöglicht die Charakterisierung molekularer Eigenschaften wie beispielsweise die Bindungslängen und -stärken, aber auch die Identifizierung der atomaren Bestandteile. Die beobachteten Molekülspektren unterscheiden sich von den Atomspektren durch deutlich mehr und meist überlappende Linien, die Banden. Der Grund dafür ist, dass die Moleküle nicht nur durch Elektronenübergänge, sondern auch bei Schwingungen der Atome gegeneinander und durch Rotationen des Moleküls um eine seiner Achsen Energie absorbieren oder emittieren (vgl. Abb. 17-1). Zur Messung der Absorptions- oder Emissionseigenschaften einer Substanz im UV- oder sichtbaren Bereich des Spektrums (UV/VIS-Photometrie) verwendet man ein Spektralphotometer (Abb. 17-2). Darin wird das von einer Lichtquelle emittierte Licht mit Hilfe eines Monochromators spektral zerlegt. Über besondere Filterteinrichtungen (Kanten-, Interferenzoder andere Filter) wählt man aus dem Lampenspektrum möglichst engbandig eine bestimmte Wellenlänge aus, in der die zu photometrierende Verbindung besonders gut absorbiert, beispielsweise die Wellenlänge λ = 340 nm für die Messung des Übergangs von reduziertem Nicotinsäureamid-adenin-dinucleotid (NADH) in seine oxiderte Form NAD+. Bei der 192 17 Photometrieren Aufnahme eines Absorptionsspektrums wählt man den interessierenden Spektralbereich aus und lässt vom Spektralphotometer sukzessive dessen Wellenlängen auf die Messprobe einstrahlen. Der Detektor (Photomultiplier) bzw. die damit gekoppelte Messelektronik vergleicht die Intensität des absorbierten oder des emittierten Lichtes in Abhängigkeit von der Wellenlänge. Mess- und Ausgabegröße sind entweder die Transmission (= Prozentanteil des nicht absorbierten Lichtes) oder die Extinktion (Absorption, Optische Dichte), die keine Einheit hat und Werte zwischen 0 und 1 annimmt. Für jede das Licht absorbierende Substanz ist der molare Extinktionskoeffizient ε bekannt oder zu ermitteln. Er gibt die Absorption einer reinen Verbindung in einer Lösung mit der Stoffmengenkonzentration c = 1 mol L–1 an. Lichtquelle Monochromator Filter Messkammer Detektor Anzeige (Küvette) (Photomultiplier) Abb. 17-2. Schema zum Aufbau eines Spektralphotometers Ein praktisches Laborbeispiel für die Anwendung der Spektroskopie ist die photometrische Konzentrationsbestimmung eines Stoffes in Lösung. Manche Substanzen erscheinen uns deswegen farbig, weil sie Licht einer bestimmten Wellenlänge absorbieren. Meist liegt das Absorptionsmaximum (λmax) in einem sehr engen Wellenlängenbereich des sichtbaren Spektrums (ca. 400–700 nm). In diesem Bereich lässt eine Lösung der farbigen Substanz das eingestrahlte Licht infolge der Absorption nur teilweise durch. Der Logarithmus des Verhältnisses von eingestrahlter (I0) zu durchgelassener Lichtmenge (I) wird als Extinktion (E) bezeichnet. Dabei gilt folgende Beziehung: [Gl. 17-1] E = lg I0 / I Die Extinktion ist in einem weiten Bereich, in dem gemessen werden kann, der Konzentration des gelösten Stoffes proportional (Lambert-Beer’sches Gesetz): E=ε ×d ×c Darin bedeuten ε: molarer Extinktionskoeffizient d: Schichtdicke c: Konzentration [Gl. 17-2] http://www.springer.com/978-3-540-85177-6