Kultur Zürcher Landzeitung Samstag, 3. Mai 2008 34 Zürich Das Schauspielhaus 1968 – Identitätskrise und Neuanfang ohne Erfolg Debakel, Direktoren, Drahtzieher Die 68er-Bewegten zerdepperten am Pfauen keine Scheiben, schmissen keine Pflastersteine. Das Schauspielhaus erlebte dennoch eine bewegte Zeit und schlingerte in eine handfeste Identitätskrise. Bruno Rauch Man schreibt den 1. Februar 1968. Just vier Monate vor jenem legendären JimiHendrix-Konzert im Hallenstadion, das als sprichwörtlicher Funke im Bezinfass zum Auslöser der Gewaltwelle auf beiden Seiten anlässlich der Globus-Krawalle wird, erlebt das Theaterstück «Biographie» von Max Frisch seine Uraufführung auf der Pfauenbühne. Die Hauptrolle spielt Peter Frankenfeld, der in der Nachkriegszeit erst im Rundfunk, später vor allem im Fernsehen zum beliebtesten Entertainer – damals noch mit intellektuellem Anspruch – der deutschen Fernsehkultur avancieren sollte. Ein überwältigender Erfolg wird dem Stück allerdings nicht zuteil. Überhaupt ist alles ein bisschen anders gekommen, als es sich der derzeitige Intendant Leopold Lindtberg vorgestellt hatte. Dieser war 1965 – nach dem Tod von Kurt Hirschfeld – seinem Mitkonkurrenten und vormaligem Vizedirektor Peter Löffler als Direktor vorgezogen worden. Löfflers Bewerbung solle für eine spätere Vakanz bestehen bleiben, beschied der Verwaltungsrat der Neuen Schauspielhaus AG. Der vielgerühmte Lindtberg tritt kein leichtes Amt an. Die Finanzdecke ist dünn. Zudem wirft das Feuilleton – wann tut es das nicht? – seiner allzu ausgewogenen Spielplangestaltung mangelndes Profil vor, was der «Tages-Anzeiger» aggressiv-pointiert formuliert: «Legt endlich Feuer an dieses Haus!» Lindtberg kontert die Angriffe, indem er Stars nach Zürich holt. Er selbst inszeniert oft als Starregisseur an anderen Häusern, was wiederum die Ausstrahlung der Pfauenbühne mehren soll. Personelle, strukturelle und betriebliche Probleme geht er nicht grundsätzlich an, sondern sucht sie lediglich nach seinen Bedürfnissen zu kitten. Spuren der Anti-Wollenberger-Kundgebung. Werner Wollenberger kritisierte die Berufung Löfflers ans Schauspielhaus. (key) Professorale Schelte Nach einer ersten flauen Spielzeit – Dürrenmatts «Meteor» ist der einzige Höhepunkt im zum «Variété» verkommenen Theater – erfolgt im Dezember 1966 jenes Ereignis, das die kulturpolitischen Unruhen der kommenden Jahre vorwegnimmt: Emil Staiger, Uni-Professor, hochdotierter Textdeuter, Publizist und Übersetzer, lässt in seiner Dankesrede für den Literaturpreis der Stadt im Pfauen eine üble Suada über die schmutzigen Inhalte, die Verluderung der Sprache und den Mangel an sittlicher Gesinnung der aktuellen «Kloakenliteratur» vom Stapel. Der professorale Rundumschlag und die vehemente Reaktion darauf gehen als Zürcher Literaturstreit in die Geschichte ein. Sie markieren gleichzeitig den zürcherischen Beginn des kulturpolitischen Kampfes zwischen rechts und links, zwischen Jugend und Establishment, der sich vom Mai 1968 bis zu den Opernhaus-Krawallen und zu «Züri brännt» ziehen wird. Auch Max Frisch reagiert scharf; seine Replik an Staiger zielt auch aufs Schauspielhaus: Wer auf diese Bühne trete, habe sich der politischen Aktualität bewusst zu sein. Just in diese Zeit fallen die Vorbereitungen zu seinem neuen Stück «Biografie». Lindtberg setzt alles daran, den aufgebrachten Autor ans Haus zurückzubringen, und kein Geringerer als Benno Besson, zu jener Zeit am Deutschen Theater, Berlin-Ost, wirkend, soll das Stück inszenieren. Der schlaue Verwaltungsrat nutzt die Kontakte ebenfalls, um den gefeierten Schauspielhaus-Direktor Leopold Lindtberg (links) demissioniert 1967 und wird 1968 von Peter Löffler abgelöst. Schweizer Theatermann klandestin für eine mögliche Intendanz am Pfauen anzuheuern. Angestrebt – sozusagen als Korrektivum von dessen «DDR-Makel» – ist eine Doppeldirektion: zusammen mit Peter Löffler, ebenfalls in Berlin tätig, aber West. Als Lindtberg Wind von der Sache bekommt, reicht er seine Demission ein, doch die Uraufführung muss und will er noch realisieren; nicht mit Besson, aber mit Rudolf Noelte. Doch dieser strapaziert das Regiebudget mit hohen Gagen an externe Schauspieler, und Lindtberg unterlässt es trotz Ermahnungen seitens des Verwaltungsausschusses, der die Regieverträge genehmigen muss, die Bremse zu ziehen. Als Frisch auch noch wegen Unstimmigkeit das Handtuch wirft, scheint das Fiasko programmiert. Lindtberg übernimmt schliesslich die Regie, besetzt neu, besänftigt den Autor und bringt das Stück am besagten 1. Februar 1968 heraus, obwohl sein Vertrag bereits Ende Dezember 1967 ausgelaufen ist. Verheizte Nothelfer Um an die alte Reputation des Hauses anzuknüpfen, setzt man nun alle Hoffnung auf Löffler, der das Haus ja von früher kennt. Weil er jedoch erst ab Herbst 1969 frei ist, wird auf die Schnelle ein Triumvirat eingesetzt, bestehend aus dem Schauspieler Erwin Parker, dem Verwaltungsdirektor Otto Weissert und dem Bühnenbildner Teo Otto. Die drei leisteten Nothilfe am serbelnden Pfauen, durchaus mit neidvollem Blick auf die vielversprechende Zusammenarbeit Dürrenmatt–Düggelin in Basel. Angesichts der politischen Geschehnisse – Prager Frühling, Pariser Studentenrevolte, Vietnam-Krieg, Mord an Luther King und Robert Kennedy – fühlt man die Verpflichtung, klar Stellung zu beziehen, wie es der Tradition des Hauses entspricht. So kommt es im Oktober 1968 zur erfolgreichen Uraufführung von Brechts «Kongress der Weisswäscher». Inszeniert vom Brecht-Schüler Besson! Aber trotz Sisyphusarbeit der Intendanz, vor allem Parkers, ist das Debakel nicht mehr aufzuhalten. Die Hoffnung ruht auf dem designierten Peter Löffler. Zwar hätte man ihm, nur schon um die Linke zu geschweigen, zu gerne Besson zur Seite gestellt. Doch dieser lehnt dankend ab. Stilvoller Schiffbruch So muss Löffler allein zum eisernen Besen greifen. Dazu gehört für ihn die Politisierung der Ästhetik, die Absage ans kommerzielle Erfolgstheater und ans Startheater. Seine Equipe hat er gleich mitgebracht, Bruno Ganz, Jutta Lampe, Edith Clever, den Dramaturgen Klaus Völker und den jungen Regisseur Peter Stein, die von den Eingesessenen als arrogant empfunden und entsprechend argwöhnisch betrachtet werden. Auch die hiesige Presse ist mehr als skeptisch, angeführt von Werner Wollenberg, der im «umstürzlerischen» gesellschaftskritischen Spielplan eine «kommunistische» Attacke auf «Zürichs Ordnung» wittert. Vorzeitig abgeblockt Löfflers progressives Programm auf hohem künstlerischem Niveau spaltet das Publikum; Edward Bonds «Early Morning» in Steins Regie im Oktober 1969 bringt das Fass zum Überlaufen. Prompt und zweifellos unter dem Eindruck des heissen Sommers vom Vorjahr wird auf politischer Ebene der Vorwurf «der politischen Instrumentalisierung» der Kulturstätte erhoben. Unter dem Vorwand, die «finanziellen Grundlagen zu gefährden», erhalten Löffler und Völker drei Monate nach ihrem Amtsantritt die Kündigung. Im Januar 1970 wird bereits der neue Direktor gewählt: Harry Buckwitz. Das erregendste Experiment der jüngeren Zürcher Theatergeschichte wird vorzeitig abgeblockt. «Ein bisschen schade für die Stadt» soll Stein lakonisch bilanziert haben. Was mitunter doch an jüngere und jüngste Vorgänge erinnert. Ikonen der 68er Jimi Hendrix 1968 ist das Jahr zwischen den zwei Konzerten, mit denen Jimi Hendrix Musikgeschichte schrieb: Am 18. Juni 1967 trat er in Kalifornien am Monterey Pop Festival auf, das den «Summer of Love» musikalisch eröffnete. Hendrix psychedelische Performance gipfelte darin, dass er seine Gitarre in Brand steckte und anschliessend zertrümmerte – der Höhepunkt des Festivals und ein Meilenstein in Hendrix’ Karriere. Gut zwei Jahre später, in den Morgenstunden des 18. August 1969 setzte er am Woodstock Music and Art Festival den fulminanten Schlusspunkt. Seine den amerikanischen Traum dekonstruierende Interpretation der US-Nationalhymne «The StarSpangled Banner» war zugleich musikalische Sensation und politische Stellungnahme. Vor dem Hintergrund des Vietnam-Kriegs und der Bürgerrechtsbewegung transportierten die Kriegsgeräusche, die Hendrix seiner Gitarre abrang, die Kritik an der US-Regierung wirkungsvoller als alle Worte. Am «Monsterkonzert» vom 30. und 31. Mai 1968 im Zürcher Hallenstadion trat Hendrix zweimal auf. Wie nach dem Konzert der Rolling Stones ein Jahr zuvor kam es dabei zu Zusammenstössen zwischen Jugendlichen und der Polizei. James Marshall Hendrix wurde am 27. November 1942 in Seattle geboren. Im Alter von 13 Jahren erhielt er von seinem Vater sein erstes Instrument, eine alte, einsaitige Ukulele. Nachdem er von der High School verwiesen worden war und wegen Autodiebstahls im Gefängnis gesessen hatte, verpflichtete sich Hendrix 1961 für drei Jahre Militärdienst bei der 101. Luftlandedivision in Kentucky, wo er den Blues entdeckte. Nach seiner vorzeitigen Entlassung aus dem Militär liess er sich in Nashville nieder. In der Country-Hauptstadt spielte er unter anderem kurze Zeit an der Seite von Little Richard. 1966 holte ihn der Animals-Bassist Chas Chandler, der sein Manager wurde, von New York nach London, wo Anfang Oktober die Band «The Jimi Hendrix Experience» gegründet wurde. Ende Jahr wurde die erste Single, «Hey Joe», veröffentlicht. Das erste Album, «Are You Experienced?», erschien im Sommer 1967, gefolgt von «Axis: Bold As Love» (1967) und «Electric Ladyland» (1968). Hendrix gehört zu den bedeutendsten und innovativsten Gitarristen und hat die Entwicklung der Musik weit über das Rock-Genre hinaus entscheidend geprägt. Jimi Hendrix starb am 18. September 1970 in London. Wie drei andere Ikonen der 68er – Brian Jones, Janis Joplin und Jim Morrison – wurde auch er nur 27-jährig. (phh) Luzern Das 48. Rose-d’OrFestival ist eröffnet Im Grand Casino in Luzern ist gestern das 48. Rose-d’Or-Festival eröffnet worden. 75 Beiträge aus der Welt der Fernsehunterhaltung – ausgewählt aus 402 Fernsehprogrammen aus 34 Ländern – buhlen um eine der acht Goldenen Rosen. Die meisten nominierten Beiträge kommen aus England (31), je acht aus Deutschland und aus Holland. Die restlichen Nominierungen steuern das übrige Europa, Japan und Australien bei. Das Schweizer Fernsehen ist in der Kategorie Performing Arts mit «Die Zauberflöte – vor und hinter den Kulissen» nominiert. Bereits fest steht, dass Ben Silverman, Co-Chairman der NBC Entertainment und der Universal Studios, die Ehrenrose erhält. Das Festival gilt als eines der wichtigsten für die TVUnterhaltungsbranche. (sda)