Gesundheitsgespräch Diagnose Brustkrebs - Therapien und Lebenshilfe Sendedatum: 19.11.2016 Expertin: Prof. Dr. Nadia Harbeck, Leiterin des Brustzentrums der Universität München (LMU) Autorin: Susanne Pfaller Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau. Dabei wandeln sich Brustdrüsenzellen in bösartige Zellen um. Diese Tumorzellen können auch in den Körper streuen, wobei zum Beispiel Knochen-, Lungen- oder Lebermetastasen entstehen: Das sind Krebs-Zellen aus der Brust, die sich bösartig verändert und Absiedlungen gebildet haben. Brustkrebs betrifft etwa jede achte bis zehnte Frau in Europa. In Deutschland gibt es nach aktuellen Angaben des Robert-Koch-Institutes eine Neuerkrankungsrate von etwa 75.000 Frauen pro Jahr. Jedes Jahr sterben circa 15 bis 17.000 Frauen an Brustkrebs. Genaue Zahlen liegen nicht vor, ein bundesweites Krebsregister wird gerade eingeführt. In der Region München und Oberbayern gibt es das Tumorregister des Tumorzentrums München. Fest steht jedoch, dass meist Frauen ab dem 50. Lebensjahr an Brustkrebs leiden, aber auch junge Frauen können erkranken. Wegen der Häufigkeit und der Gefährlichkeit, aber auch dem Bezug zur weiblichen Brust ist diese Krebsart wie wenige andere mit Ängsten befrachtet. Doch die Heilungschancen steigen. Dem Text liegt ein Interview mit Prof. Dr. Nadia Harbeck, der Leiterin des Brustzentrums der LMU München, zugrunde. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 1 Diagnose Brustkrebs - Vorsorge kann Leben retten Nur jede zehnte Frau geht regelmäßig zur Brustkrebsfrüherkennung. Dabei lautet die Devise: Je früher man die Erkrankung entdeckt, desto besser. Selbst ertasten kann eine Frau einen Knoten in der Brust, wenn er etwa einen Durchmesser von einem Zentimeter hat. Bei der Früherkennung, zum Beispiel mithilfe der Mammographie, kann man sehr viel kleinere Tumoren sehen und auch Vorstufen erkennen. Tipp: Wie eine optimale Vorsorge aussieht • Jede Frau, auch junge Frauen, sollte mindestens einmal im Jahr zum Frauenarzt gehen, damit die Krebsvorsorge durchgeführt wird. Dazu gehört sowohl der Unterleib, also die Krebsvorsorge bei der Gebärmutter, als auch das Abtasten der Brust durch den Arzt. • Außerdem wird empfohlen, die Brust selber abzutasten. • "Daneben ist eine regelmäßige Mammographie sinnvoll. Eine Basismammographie als Vergleichsbasis für spätere Untersuchungen sollte ab dem 35. Lebensjahr erfolgen. Eine regelmäßige Mammographie empfehlen wir dann spätestens ab dem 50. Lebensjahr", betont Professor Dr. Nadia Harbeck. • Wenn Frauen ein familiäres Risiko haben, sollte man die Mammographie, aber auch die Tastuntersuchung und den Ultraschall früher durchführen. Das kann man mit dem Frauenarzt besprechen. Risiko Mammographie? Die Angst vor der Strahlenbelastung Argumente für die Mammographie: • Der eindeutige Nutzen einer Mammographie ab dem 50. Lebensjahr ist klar bewiesen, vor allem weil das Risiko zu erkranken ab diesem Alter deutlich erhöht ist. • Auch das Risiko, durch die Bestrahlung an Krebs zu erkranken besteht eher theoretisch. "Meine Kollegin Professor Heywang-Köbrunner bringt den recht eindrucksvollen Vergleich, dass das Risiko durch die Mammographie Krebs zu bekommen, dem Risiko entspricht, von ein bis drei Zigaretten pro Jahr Lungenkrebs zu bekommen." Prof. Harbeck Mammographie-Screening Im September 2002 beschloss der Bundestag die deutschlandweite Einführung eines Mammographie-Screeningprogramms DMS (Röntgenreihenuntersuchung der Brust) zur Brustkrebsfrüherkennung bei Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren. Dadurch sollen die Frauen für diese Krebsart sensibilisiert und die Heilungschancen wesentlich verbessert werden. Seit dem 1.1.2004 hat jede Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 2 Frau in dieser Altersgruppe in Deutschland alle zwei Jahre einen Anspruch auf eine Mammographie. Die Frauen brauchen selbst nicht aktiv zu werden, denn die Einladung zum Screening kommt per Post ins Haus, aber die Frauen können auch eine Mammographie einfordern. Wie der Standard gewahrt wird Um eine hohe Erkennungsrate gewährleisten zu können, gelten bundesweit einheitliche Qualitätsanforderungen an die Ärzte. Die Mediziner wie auch das Untersuchungspersonal müssen regelmäßig an Fortbildungskursen teilnehmen, damit sie auch die schwierigsten Befunde erkennen. Als Screeningarzt kann nur arbeiten, wer jährlich über 5.000 Mammographien durchführt. Auch auf dem Land Da die Anfahrtswege für die Frauen kurz sein sollen, wurde das Bundesgebiet in Screeningregionen unterteilt, die alle über ein eigenes Untersuchungszentrum verfügen. Um die Schwellenangst zu verringern, werden die Zentren möglichst nicht in Kliniken integriert, sondern in neutralen Räumen untergebracht. In ländlichen Gegenden sind "Mamma-Busse" im Einsatz, die die einzelnen Städte und Dörfer einer Region zum Test vor Ort anfahren. In Bayern gibt es seit 2004 ein bayernweites MammographieScreening Programm (BMS). Mammographien bereits ab dem 40. Lebensjahr? In den USA empfehlen Ärzte regelmäßige Mammographien bereits ab dem 40. Lebensjahr. Prof. Harbeck hält dies nicht in jedem Fall für sinnvoll: • Im Alter zwischen 40 und 50 Jahren ist die Mammographie nicht so verlässlich, da das Drüsengewebe noch sehr dicht ist. • Zudem ist das Gewebe aufgrund der Hormonaktivität strahlensensibler. "Wir wissen jedoch, dass in Ländern, in denen gescreent wird, die Sterberate der Brustkrebsfälle deutlich zurückgegangen ist. Experten sprechen davon, dadurch die Sterblichkeit um ein Drittel bis zur Hälfte reduzieren zu können, weil man die Tumoren früher erkennt und damit besser behandeln kann." Prof. Harbeck Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 3 Diagnose Brustkrebs - Selbstbeobachtung der Brust Niemand kennt die Brust besser als die Frau selbst. Sie bemerkt häufig die ersten Warnsignale. Mindestens einmal im Monat sollte sich deshalb jede Frau eingehend mit ihrer Brust befassen, sie beobachten und abtasten. Die ständige Kontrolle schärft die Sensibilität für kleinste Veränderungen. Die wichtigsten Regeln für die Tastuntersuchung • Der beste Zeitpunkt ist kurz nach der Periode. • Abtasten am besten unter der Dusche, weil durch das Wasser der Hautwiderstand verringert wird. • Die gesamte Brust am besten kreis- oder meanderförmig abfahren und oberflächlich und in der Tiefe abtasten, um etwaige knotige Veränderungen festzustellen, die vorher noch nicht bemerkt wurden. Beeinflusst die Lebensführung das Brustkrebsrisiko? "Die eine Ursache für Brustkrebs gibt es nicht. Brustkrebs ist ein multifaktorielles Geschehen. Das heißt: Brustkrebs hat viele Einflüsse. Und insofern ist eine gesunde, ausgeglichene Lebensführung sicherlich hilfreich, aber es gibt zu vielen Dingen keine konkreten Zusammenhänge. Regelmäßige körperliche Aktivität und ein normaler Body Mass Index senken jedoch nachgewiesenermaßen das Brustkrebsrisiko und erhöhen bei bereits betroffenen Frauen die Heilungschancen nach Erstdiagnose." Prof. Harbeck Erhöht die Einnahme von Hormonen das Brustkrebsrisiko? In großen Studien hat man herausgefunden, dass Frauen, die Hormone in den Wechseljahren über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren einnehmen, ein etwas erhöhtes Risiko haben, an Brustkrebs zu erkranken als Frauen, die keine Hormone nehmen. Tipp: "Deshalb ist es wichtig, dass man mit seinem Frauenarzt berät, was für und was gegen die Hormongabe spricht, und für den Einzelfall eine fundierte Entscheidung fällt." Prof. Harbeck Diagnose Brustkrebs - Therapien Diagnose Brustkrebs - das ist eine ungeheure psychische Belastung für jede Frau. Ängste kommen auf: vor der Lebensbedrohung Krebs, dem Verlust der Brust, aber auch vor den verschiedenen Therapien. Besonders die Chemotherapie ist mit Ängsten überfrachtet. Deshalb ist die umfassende Aufklärung der Patientin durch ihre Ärzte, aber auch mithilfe von anderen Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 4 Betroffenen und Psychoonkologen von zentraler Bedeutung. Nur so kann sie gemeinsam mit ihren Ärzten eine Therapieentscheidung treffen. Die Therapie folgt dem Grundsatz: So aggressiv wie nötig, so schonend wie möglich. Wie hoch sind die Chancen, geheilt zu werden? "Wir gehen heute generell davon aus, dass wir etwa zwei Drittel aller Patientinnen mit Diagnose Brustkrebs heilen können. Auch im fortgeschrittenen Stadium ist Brustkrebs eine Krankheit, die man sehr gut und auch über längere Zeit behandeln kann. Allerdings: Sobald einmal Absiedlungen, also Metastasen, im Körper sind, ist die Erkrankung als solche nicht mehr heilbar, d.h. wir können nicht mehr alle Krebszellen dauerhaft aus dem Körper entfernen." Prof. Harbeck Therapiemöglichkeiten Brustkrebs ist eine Erkrankung des ganzen Körpers, auch wenn man "nur" einen Knoten in der Brust tastet. Die Therapie besteht bei Ersterkrankungen aus • der Entfernung des Knotens und des Wächterlymphknotens bzw. aller Lymphknoten in der Achselhöhle, also der Operation, eventuell mit einer anschließenden Strahlentherapie. Daneben gibt es die medikamentösen Therapien: • 1. Die Chemotherapie hilft, vorhandene Tumorzellen, die schon in den Körper gestreut sind, abzutöten. Sie kann vor (neoadjuvant) oder nach (adjuvant) der Operation durchgeführt werden. • 2. Die Anti-Hormontherapie wird nur bei einer hormon-empfindlichen Brustkrebs-Erkrankung eingesetzt. • 3. Die Antikörpertherapie wird nur bei Tumoren eingesetzt, die den Wachstumsfaktor HER2 aufwiesen, also HER2-positiv sind. "Die Anti-Hormontherapie reicht bei weniger aggressiven Tumoren aus." Prof. Harbeck Individuelles Vorgehen bei Brustkrebs Um die Diagnose stellen zu können, benötigt man heute nur noch ein winzig kleines Stück Gewebe aus der Brust. Die Entnahme des Gewebes kann man ambulant durchführen, es wird eine Biopsie entnommen. Dann bespricht der Arzt mit der Patientin die verschiedenen Therapiemöglichkeiten. Wenn es um die Operation geht, ist auch Thema, ob man die Brust abnehmen muss oder ob man sie erhalten kann. Die Entfernung der Brust ist der Entfernung des Tumors (mit anschließender Nachbestrahlung) gleichwertig in Bezug auf die Heilungschancen. Welche Operation empfohlen wird, hängt u.a. von Brustgröße und Tumorgröße ab. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 5 Für die anschließende vorbeugende medikamentöse Therapie muss man entscheiden, ob man eine Chemotherapie und eine Anti-Hormontherapie machen muss oder ob eine Anti-Hormontherapie alleine ausreichend ist. Dieses Vorgehen nennt man personalisierte Medizin. „Bei der Ersterkrankung wird gemeinsam überlegt, was die beste Therapie ist, mit den besten Heilungschancen und kosmetischen Faktoren.“ Prof. Harbeck Genomanalyse nötig? Im Bereich Brustkrebs ist es nicht notwendig, eine Vollgenomanalyse der Patientin durchzuführen, da es noch keine darauf basierenden Therapien gibt. „In dem Bereich gibt es Anbieter, die sich die Analyse von den Patientinnen teuer bezahlen lassen. Davon rate ich ab. Etwas anderes und durchaus sinnvoll ist es, wenn die Klinik im Rahmen einer Studie zu Forschungszwecken solche Analysen vornimmt. Und es ist jedoch interessant, die Genstruktur des Tumors selber zu bestimmen, da dies durchaus Hinweise auf die Therapie gibt.“ Prof. Harbeck Chemotherapie - Zu viele Chemotherapien? Prof. Harbeck schätzt, dass ca. 10.000 Frauen pro Jahr in Deutschland eine unnötige Chemotherapie erhalten. Denn es gibt noch keine sicheren Diagnosefaktoren, um festzustellen, ob der Tumor auf die Chemotherapie anspricht. „Früher konnte man nur sehr grob das Risiko, wie sich der Krebs weiterentwickelt und reagiert, beschreiben. Aus Angst, dass eine Frau zu wenig Therapie bekommt, hat man bei zu vielen Frauen eine Chemotherapie verschrieben, z.B. bei Frauen mit befallenden Lymphknoten. Das muss man heute nicht mehr machen. Mit Hilfe eines Testes, der an der Frauenklinik der Technischen Universität München entwickelt wurde, untersuchen wir beispielsweise den Tumor und schauen, wie aggressiv die Tumorzellen sind. Mit diesem Test (in der Fachsprache uPA/PAI-1 Test genannt), für den Frischgewebe notwendig ist und dies bei der Operation bereits bedacht werden muss, können Ärzte Frauen, die zur Ersttherapie kommen, dann raten, ob sie eine Chemotherapie brauchen oder ob sie nicht erforderlich ist, weil der Tumor wenig aggressiv ist." Prof. Harbeck Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 6 Gentests können helfen Heutzutage wird bei hormonempfindlichen HER-negativen Tumoren Gewebe des Tumors mit Multigentests untersucht, um festzustellen, ob er auf eine Chemotherapie anspricht, dazu gibt es vier verschiedene Testverfahren: Onkotype DX, Endopredict, Prosigna und MammaPrint. Dabei wird in zentralen Laboratorien (bei Onkotype z.B. eines in den USA) oder Pathologieinstituten getestet, wie aggressiv und schnellwachsend der Tumor ist. Der Grund für die Zentralisierung bei einigen dieser Tests ist, dass man bestimmte teure Geräte und viel Fachexpertise dafür braucht. Aufgrund des Genmusters kann errechnet werden, wie hoch das Risiko für einen Rückfall ist. Chemotherapie: ja oder nein? Eine Chemotherapie birgt immer ein Risiko: Bis zu zwei Prozent der Patientinnen erleiden schwere Nebenwirkungen. Deswegen gilt die Regel: Eine Chemotherapie wird nur eingeleitet, wenn die Patientin ein Rückfallrisiko von über zehn Prozent über zehn Jahre. „Ansonsten sind die Nebenwirkungen womöglich höher als die Wirkung der Therapie.“ Prof. Harbeck Tipp: Wie man sich vor einer unnötigen Chemo schützt • In ein zertifiziertes Brustzentrum gehen, denn Brustkrebs ist kein Notfall, bei dem man sofort handeln muss. Es ist immer genug Zeit, zusammen mit den Frauenarzt zu besprechen, welches Brustzentrum geeignet ist. • Im Brustzentrum nachfragen, welche Therapien oder Studien angeboten werden. Durchaus auch direkt fragen, wie die Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie getroffen wird, ob eben ein Gentest des Tumorgewebes durchgeführt wird. Triple-negativ Tumore, die weder hormonempfindlich (also weder auf Östrogen noch auf Progesteron reagieren) noch HER2-positiv sind, nennt man triple-negativ. Sie werden immer mit einer Chemotherapie behandelt, da die anderen Therapien keinen Erfolg versprechen. Anti-Hormontherapie im Detail Die vorbeugende (adjuvante) Anti-Hormontherapie bei hormonrezeptorpositiven Tumoren wird in der Regel über mindestens fünf Jahre durchgeführt. Bei einem hohen Rückfallrisiko (Und guter Verträglichkeit) können auch 10-15 Jahre Einnahme sinnvoll sein. • Patientinnen vor den Wechseljahren (prämenopausal) erhalten das Antiöstrogen Tamoxifen. Prof. Harbeck: "Vor allem bei jungen Frauen unter 40 Jahren mit einem Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 7 • hohen Rückfallrisiko wird Tamoxifen mit dem Ausschalten der Eierstöcke kombiniert. Dies geschieht in der Regel medikamentös, das heißt vorübergehend für zwei bis fünf Jahre, mittels einer monatlichen Spritze unter die Bauchdecke (GnRH-Analogon)." Bei Patientinnen nach den Wechseljahren (postmenopausal) sind heute sogenannte Aromatasehemmstoffe fester Bestandteil der antihormonellen Therapie. "In der Regel wird der Aromatasehemmstoff für fünf Jahre (anstelle von Tamoxifen) gegeben oder es wird nach zwei Jahren Tamoxifen auf einen Aromatasehemmstoff gewechselt, der dann mindestens für weitere drei Jahre gegeben wird. Postmenopausale Frauen, deren antihormonelle Therapie mit fünf Jahren Tamoxifen bereits abgeschlossen ist, können sich noch weiter mit einem Aromatasehemmstoff vor dem Wiederauftreten der Erkrankung schützen." Prof. Harbeck Ob dies im Einzelfall sinnvoll ist, entscheidet der betreuende Frauenarzt oder Onkologe. Stufenplan - je nach Fortschreiten des Tumors Bei diesem Stufenplan werden die einzelnen Therapieschritte von einer Vielzahl von Faktoren gesteuert. Deswegen ist es wichtig, alle Informationen auf einen Tisch zu legen und auch mit verschiedenen Ärzten von verschiedenen Fachrichtungen in den Tumorboards zu diskutieren - den Strahlentherapeuten, den Frauenärzten, den Röntgenärzten oder Pathologen - um dann eben gemeinsam mit der Patientin zu einer Entscheidung zu kommen. Und jeder Therapieplan ist ganz individuell. Antikörpertherapien Die Antikörpertherapie wird speziell ausgerichtet auf die Eigenschaften der Tumorzellen, die bei der einzelnen Patientin vorliegen. Zwei solche Therapien sind in Deutschland zugelassen für Brustkrebs im frühen Stadium zur Vorbeugung von Metastasen und im fortgeschrittenen Stadium zur Behandlung von Metastasen. "Diese biologischen Therapien sind ein großer Fortschritt, weil man damit die Tumorerkrankung sehr gut kontrollieren kann und eventuell auch noch höhere Heilungsraten erreichen kann." Prof. Harbeck HER2-Positive Tumore HER2 ist ein Wachstumsfaktorrezeptor, über den Signale von der Zelloberfläche ins Zellinnere weitergegeben werden, sodass sich die Zelle öfter teilt. HER2-positiv bedeutet, dass große Mengen dieses Rezeptors im Gewebe Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 8 nachgewiesen wurden. Dies ist ein Zeichen für einen eher aggressiven Tumor, an dem ca. 15-20 Prozent der Brustkrebspatientinnen erkranken. Aber heutzutage gibt es zielgerichtete Therapien, die gegen spezielle Eigenschaften des Tumors gerichtet sind, wie z. B. die Antikörpertherapie bei HER2-positiven Tumoren. Eine solche Therapie wird bei einer Ersterkrankung vorbeugend für ein Jahr gegeben. Moderne Wirkstoffe Heute weiß man aufgrund großer Studien mit über 13,000 Patientinnen, dass eine einjährige Antikörpertherapie mit Trastuzumab (Herceptin®) bei HER2positivem Brustkrebs (das heißt: der Tumor hat viele Empfangsantennen für diesen Antikörper auf der Zelloberfläche) eine deutliche Verbesserung der Heilungschancen bewirkt. Die Zulassung für diesen Antikörper bei frühem Brustkrebs gibt es seit Mai 2006 für Patientinnen mit HER2-positivem Tumor und der Indikation für eine Chemotherapie, die vor der Operation (neoadjuvant) oder nachher (adjuvant) gegeben werden kann. Prof. Nadia Harbeck: "Diese Patientinnen behandeln wir bereits jetzt nach der Erstdiagnose vorbeugend für ein Jahr mit diesem Antikörper. Seit 2015 gibt es auch die Möglichkeit, vor der Operation zwei Antikörper (Trastuzumab und Pertuzumab) zu verabreichen, die die Wirkung der Chemotherapie auf den Tumor noch einmal verstärken. Zielgerichtete Medikamente Der Fortschritt bei diesen zielgerichteten Medikamenten ist sehr rasch: Bei Patientinnen mit fortgeschrittenem HER2-positivem Brustkrebs wird heute Tarstuzumab mit Pertuzumab (und einer Chemotherapie) kombiniert. Gleichzeitig gibt es nicht nur diese Antikörper, sondern zusätzlich einen Antikörper der direkt an eine Chemotherapie gekoppelt ist (T-DM1,Kadcyla®) sowie ein sogenanntes kleines Molekül (Lapatinib, Tyverb®), die beide heute nach Versagen von Trastuzumab® zugelassen sind. Ein weiterer Antikörper gegen Blutgefäßneubildung (Bevacizumab, Avastin®) ist bereits bei fortgeschrittenem HER2-negativem Brustkrebs zugelassen. Für die hormonempfindliche HER2-negative fortgeschrittene Erkrankung sind bereits zwei Medikamente zugelassen, die die Wirkung der Antihormontherapie noch deutlich verstärken können: Everolimus (Afinitor®) und seit dem 10.11.16 auch Palbociclib (Ibrance®). Andere moderne zielgerichtete Medikamente, wie z.B. Immuntherapien, werden derzeit auch in Deutschland in Studien erprobt. Es besteht begründete Hoffnung, dass mit neuen zielgerichteten Therapien in Zukunft viele Tumoren wirksamer und gleichzeitig nebenwirkungsärmer behandelt werden können. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 9 Psyche - Angst und Sorgen Eine Krebsdiagnose stürzt viele Frauen in ein tiefes Loch. Denn natürlich machen sie sich Sorgen, wie es gelingt, den Tumor zu bekämpfen. Und auch die Angst vor Nebenwirkungen der Therapien und Schmerzen taucht auf. Angst vor Schmerzen - zu Recht? Krebsbedingte Schmerzen treten bei Brustkrebs vor allem in späteren Stadien bei einer sehr fortgeschrittenen Erkrankung auf. Hier gibt es neue Medikamente, die spezielle Schmerzformen wie zum Beispiel Knochenschmerzen wirksam behandeln. "Und natürlich hat man auch in der Schmerztherapie generell große Fortschritte gemacht, zum Beispiel mit sogenannten Schmerzpumpen, die man unter die Haut gepflanzt bekommt und die bei Bedarf Schmerzmittel abgeben. Wir arbeiten bei der Kontrolle von Symptomen wie Schmerzen oder Atemnot auch eng mit unseren Kollegen von der Palliativmedizin zusammen, so dass die Patientinnen immer einen fachlich kompetenten Ansprechpartner für ihre Probleme haben." Prof. Nadia Harbeck Tipp: Gegen die Angst: Angebote bei psychischer Belastung Prof. Harbeck hält es für zentral, dass im Brustzentrum Psychoonkologen mitarbeiten, die für die Patientinnen als Ansprechpartner da sind. "Zum Anderen haben wir an der Frauenklinik der LMU München 2002 das Pilotprojekt "Betroffene beraten Betroffene" gestartet, in dem bereits bei der Erstdiagnose eine Betroffene Auskunft gibt, wie Brustkrebs aus Sicht einer Patientin ist. Damit hoffen wir, Ängste mindern zu können, so dass die Patientinnen informierter und angstfreier ihre Therapie mitgestalten können. Wir freuen uns, dass dieses Pilotprojekt, bei dem uns Renate Haidinger von Brustkrebs Deutschland e.V. unterstützt, schon mehr als 10 Jahre erfolgreich läuft." Prof. Nadia Harbeck Gibt es einen Zeitpunkt der Entwarnung? Generell sollte jede Patientin mit frühem Brustkrebs fest daran glauben, dass sie von der Erkrankung geheilt werden kann. Es gibt keinen konkreten Zeitpunkt der Entwarnung, aber je mehr Zeit man zwischen die Erstdiagnose und den heutigen Tag legt, umso unwahrscheinlicher ist es, dass die Erkrankung wieder kommt. "Die Gefahr, dass der Krebs an anderen Stellen im Körper oder an Ort und Stelle wieder ausbricht, hängt sehr stark vom Stadium der Ersterkrankung ab. In unserem Nachsorgeprogramm kommen die Patientinnen zunächst alle drei Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 10 Monate zum ihrem Frauenarzt und nach fünf Jahren jährlich. Danach sprechen wir auch schon wieder von der Vorsorge." Prof. Nadia Harbeck Diagnose Brustkrebs - Brustoperation Bei jeder Brustkrebserkrankung ohne Fernmetastasen gehört eine Operation zur Therapie dazu. Für viele Frauen eine Schreckensvision. Dabei kann die moderne Medizin bei mehr als zwei Dritteln der Frauen die Brust erhalten. Das heißt: Bei der Operationen wird nur der Tumor, nicht aber die Brust entfernt. Selbst bei großen Tumoren kann dies versucht werden, unter Umständen erst nach einer Vorbehandlung durch eine neoadjuvante Chemotherapie, die den Tumor verkleinert. Wie häufig ist eine Brustoperation? Im Regelfall wird der Tumor immer aus der Brust entfernt sofern keine Fernmetastasen vorliegen. Nur bei Patientinnen, bei denen aus anderen Gründen, wie z.B. schweren Begleiterkrankungen, keine Operation durchgeführt werden kann, würde man eine rein medikamentöse Therapie einleiten. In mehr als 95 Prozent aller Fälle wird operiert. Kein Aufwachen nach der OP ohne Brust! Prof. Harbeck betont, dass es heute nicht mehr so ist, dass man aufwacht und plötzlich ist die Brust entfernt worden, ohne dass dies vorher mit der Patientin genau besprochen wird. "Diese Angstvision gehört der Vergangenheit an. Wir sichern die Diagnose durch eine Stanze in den Tumor, die wir vorher ambulant durchführen. Der Pathologe sagt uns dann genau, was für ein Tumor vorliegt. Und durch die Bildgebung - Ultraschall und Mammographie (und ggf. Kernspintomographie) - wissen wir um die Ausdehnung des Tumors. Sollte sich dann doch eine Überraschung ergeben während der Operation, hört man lieber auf und bespricht mit der Patientin noch einmal neu, wie operiert werden soll." Was geschieht bei einem großen Tumor? Selbst bei großen Tumoren wird versucht, die Brust zu erhalten. Hier gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, eine Chemotherapie zeitlich vorzuziehen und dadurch den Tumor zu verkleinern. In den wenigen Fällen, in denen man wirklich die Brust entfernen muss, weil der Tumor so ausgedehnt ist, kann man heute mit einem Wiederaufbau gleich im Anschluss an die Operation oder zu einem späteren Zeitpunkt sehr, sehr gute kosmetische Ergebnisse erzielen. Entfernung der Achsellymphknoten Die Entfernung der Achsellymphknoten ist nach wie vor der Standard. Wenn die Lymphknoten klinisch nicht befallen scheinen, wird in Deutschland eine neue Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 11 Operationsmethode angewendet: Bei der sogenannten Wächter-LymphknotenTechnik wird nur noch der Lymphknoten entfernt, der die Brust entsorgt. Wenn dieser nicht von Tumorzellen befallen ist, verzichtet man heute auf die Entfernung weiterer Lymphknoten. Auch bei einem befallenen Wächterlymphknoten kann man heute in Einzelfällen auf eine weitere Operation verzichten - vorausgesetzt ist jedoch, dass nach der brusterhaltenden Operation eine Nachbestrahlung und eine vorbeugende medikamentöse Therapie erfolgen. Diagnose Brustkrebs - Brustaufbau Die Brust als sichtbares Zeichen der Weiblichkeit zu verlieren, ist viel mehr als nur ein körperlicher Akt. Jede Frau lernt auf ihre Weise, damit zu leben. Weniger als 30 Prozent aller Brustkrebspatientinnen müssen sich heute mit dieser neuen Lebenssituation vertraut machen. Wie verläuft der Wiederaufbau einer Brust? Es gibt mehrere Möglichkeiten. Man kann ein Kissen aus Fremdmaterial - etwa aus Silikon - in die Brust einlegen, oder man macht einen Wiederaufbau aus Eigengewebe, das man vom Rücken, vom Bauch oder vom Gesäß gewinnt. Eine einmalige Operation oder Folgeoperationen? Ob öfters operiert werden muss, hängt ganz von der Art des Wiederaufbaus ab. Beispiel Silikonkissen: Vor dem Einsetzen der Kissen kann man z.B. die Haut mit einem Kochsalzkissen dehnen und dann erst das endgültige Kissen einsetzen. Aber auch bei den anderen Aufbaumöglichkeiten aus Eigengewebe kann es sein, dass Korrekturoperationen notwendig sind. Darauf wird der Arzt aber im Einzelfall hinweisen. Für oder gegen einen Brustaufbau Im Prinzip ist der Wiederaufbau jederzeit möglich - entweder gleich im Anschluss an die Krebsoperation oder nach Abschluss der medikamentösen Behandlung, aber auch zu einem späteren Zeitpunkt. "Wichtig ist, dass die Frau von sich aus den Wunsch hat, ihren Körper zu verändern, weil sie mit ihrem Körpergefühl nach Abnahme der Brust nicht mehr zufrieden ist. Manche Patientinnen beginnen mit der entfernten Brust zu leben und merken dann zu einem späteren Zeitpunkt, dass sie kein vollständiges Körpergefühl haben. Andere Frauen sagen, sie brauchen das nicht und kommen mit den Prothesen, die man in den BH einlegen kann, gut zurecht." Prof. Nadia Harbeck Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 12