Herzrhythmusstörungen - Bayerischer Rundfunk

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Gesundheitsgespräch
Aus dem Takt: Herzrhythmusstörungen
Sendedatum: 28.01.2017
Experte:
Prof. Dr. med. Helmut Karl Heinz Gohlke, ehemaliger Chefarzt der Abteilung
Klinische Kardiologie II des Herz-Zentrums Bad Krozingen und Vorstand der
Deutschen Herzstiftung
Autorin: Doris Schleich
Aus dem Takt: Herzrhythmusstörungen
Im besten Fall ist vom großen Taktgeber nichts zu spüren. Nur wenn einem das
Herz vor Angst in die Hose rutscht, vor Aufregung bis zum Hals schlägt oder
vor Schreck einen Schlag aussetzt, dann bemerkt man das Organ, dessen
Pumpmuskulatur den Kreislauf aufrecht und den Menschen am Leben erhält.
Was das Herz machte
Etwa 100.000 Mal täglich schlägt das Herz und pumpt dabei völlig unbemerkt
10.000 Liter Blut durch den Körper. Im Normalzustand liegt die Herzfrequenz
zwischen 60 und 80 Schlägen pro Minute. Bei körperlicher Belastung oder
Stress steigert auch das Herz seine Leistung und kontrahiert häufiger.
Wenn das Herz aus dem Tritt gerät
Aber manchmal gibt das Herz seine Rolle als Regisseur im Hintergrund auf und
spielt sich in den Vordergrund: Es stolpert, rast oder setzt aus.
Unregelmäßigkeiten im Herzschlag empfinden die meisten Menschen als
bedrohlich. Doch diese Taktstörungen kommen auch bei allen gesunden
Menschen hin und wieder vor. Für die meisten Fälle gibt es Entwarnung:
„Grundsätzlich kann man sagen: Jemand, der ansonsten ein gesundes Herz
hat, kann viele Rhythmusstörungen vertragen. Rhythmus-Störungen sind im
Grunde nur bedeutsam für Personen, die bereits eine Herzerkrankung haben.
Allerdings sind Rhythmusstörungen dann bedenklich, wenn sie mit Schwindel
oder einem deutlichen Leistungsknick einhergehen. Dann wird es Zeit, dass
man zum Arzt geht.“ Prof. Helmut Gohlke
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Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
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Zu langsam, zu schnell, unregelmäßig - Überblick
Herzrhythmusstörungen sind der Überbegriff für eine ganze Reihe von
Taktverschiebungen des Herzschlags. Da diese Ausdruck einer Erkrankung
des Herz-Kreislauf-Systems sein können, muss immer zunächst eine Abklärung
vom Arzt erfolgen.
„Jede Herzerkrankung per se, sei es nun ein Herzinfarkt, eine
Herzmuskelentzündung oder -erkrankung, kann Rhythmusstörungen
verursachen.“ Prof. Helmut Gohlke
Die verschiedenen Arten der Herzrhythmusstörungen
Ärzte unterscheiden Herzrhythmusstörungen nicht nur nach ihrer Frequenz,
sondern auch nach dem Ort ihres Auftretens: Sowohl der Sinusknoten als
eigentlicher Taktgeber des Herzschlags als auch die Vorhöfe oder die
Herzkammern können betroffen sein.
Regel: Welche Störung gefährlich ist
Tendenziell gilt: Störungen in den Herzkammern sind ernster zu beurteilen als
die, die sich auf die Vorhöfe beschränken. Es ist auch bekannt, dass
Herzrhythmusstörungen ihre Ursache nicht immer innerhalb des Herzens
haben.
„Es gibt Störungen, die knapp außerhalb des Herzens in den Lungenvenen
entstehen und von dort auf das Herz übergeleitet werden. Sie können dann
Vorhofflimmern bei ansonsten herzgesunden Patienten auslösen.“ Prof. Helmut
Gohlke
Kurzes Glossar:
Bradykardie: Die Herzfrequenz liegt unter 60 Schlägen pro Minute.
Extrasystolen: Zusätzliche Herzschläge außerhalb des eigentlichen Taktes.
Hypersensitiver Karotissinus: Der Messfühler für den Blutdruck in der
Halsschlagader meldet irrtümlich falsche Werte, was zu einer Veränderung des
Herzschlags führt.
Tachykardie: Die Herzfrequenz liegt über 100 Schlägen pro Minute.
Sick-Sinus-Syndrom: Der Sinusknoten ist als Folge einer anderen
Herzerkrankung nur eingeschränkt funktionsfähig.
Supraventrikulär: Bezeichnet die Vorhöfe als Entstehungsort der Störung.
Ventrikulär: Bezeichnet die Herzkammern als Entstehungsort der Störung.
Gefahr: Vorhofflimmern
Senioren haben ein erhöhtes Risiko für eine an sich eher harmlose Form von
Herzrhythmusstörungen, die aber langfristig fatale Folgen haben kann: Das
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sogenannte Vorhofflimmern. Fünf bis zehn Prozent aller über 75-jährigen sind
davon betroffen. Beim Vorhofflimmern kontrahieren die Vorhöfe nicht mehr
regelhaft, so dass das Blut nicht mehr richtig fließen kann. Es können sich
Blutgerinnsel bilden, die wiederum – wenn sie ins Gehirn geschwemmt werden
– einen Schlaganfall auslösen können.
Therapie des Vorhofflimmerns
Deshalb ist eine Behandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten
unumgänglich. Meist bemerken Menschen mit Vorhofflimmern die
Rhythmusstörung nicht oder haben nur uncharakteristische Beschwerden wie
eine schlechtere körperliche Belastbarkeit. Daher warnt Prof. Gohlke davor, zu
leichtfertig mit Vorhofflimmern umzugehen:
„Bei vielen wird diese Herzrhythmusstörung erst dann entdeckt, wenn sie den
ersten Schlaganfall gehabt haben.“ Prof. Helmut Gohlke
Ignorieren oder reagieren? Wann der Weg zum Arzt führen sollte
Das gesunde Herz ist ein enorm flexibles und belastungsfähiges Organ. Es
kann daher auch Einiges an Beschleunigung, Verlangsamung und
Zusatzschlägen verdauen, ohne dass der Betroffene in Panik verfallen muss.
Tipp von Prof. Gohlke:
„Wenn jemand nachgewiesenermaßen herzgesund ist, eine gute
Leistungsfähigkeit hat und sich ansonsten vom Herzen her alles zutrauen kann,
dann sind auch die Herzrhythmusstörungen, die meistens abends auftreten,
nicht beängstigend. Anders sieht die Sache aus, wenn die
Herzrhythmusstörungen mit anderen Symptomen einhergehen. Dazu gehören
Schwindel, allgemeine Leistungsschwäche, innere Unruhe, Schmerzen hinter
dem Brustbein, Luftnot, Schweißausbrüche und im Extremfall Bewusstlosigkeit.
Dann wird es höchste Zeit, einen Arzt zuzuziehen.“ Prof. Helmut Gohlke
Wenn es um Sekunden geht - Was tun bei Kammerflimmern?
Es ist der absolute Ernstfall unter den Herzrhythmusstörungen: Das
Kammerflimmern. Im Gegensatz zum Vorhofflimmern wird es für den
Betroffenen sofort lebensbedrohlich. Das Herz zuckt dann mehr als 300 Mal pro
Minute völlig unkoordiniert, ohne dass es noch Blut in den Kreislauf pumpen
kann. Wichtig zu wissen: Wenn nicht umgehend medizinische Hilfe kommt, ist
das Kammerflimmern gleichbedeutend mit dem Herztod.
Erste Hilfe für Jedermann: Wie der Herztod zu verhindern ist
Für Außenstehende ist es meist schnell zu erkennen, ob jemand von
Kammerflimmern befallen ist. Kammerflimmern führt zum sofortigen Umfallen
des Patienten. Er gibt vielleicht noch einen Seufzer oder ein Stöhnen von sich
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und ist dann bewusstlos. Sofort sollte man eine externe Herzmassage machen,
um einen minimalen Kreislauf wieder herzustellen, bis der Notarzt eingetroffen
ist. Der kann das Herz elektrisch regulieren. Je früher die Herzdruckmassage
stattfindet, umso besser sind die Chancen, dass der Patient unbeschadet
davonkommt. Das Problem ist: Das Herz ist viel ausdauernder als das Gehirn.
Das Herz kann auch einen Stillstand von bis zu drei Minuten vertragen,
während das Gehirn sehr viel schneller erheblichen Schaden nimmt, wenn kein
Blut mehr gepumpt wird.
Herzdruckmassage: Hauptsache drücken!
Eine Herzmassage zu machen, das ist leicht dahingesagt. Im Ernstfall aber
trauen sich viele nicht an einen Notfallpatienten heran, weil sie sich an die im
Erste-Hilfe-Kurs gelernte Druck-Stelle nicht genau erinnern und auch vergessen
haben, in welchem Rhythmus man abwechselnd drücken und beatmen soll.
Außerdem gibt es die Hemmschwelle, einem fremden Menschen Luft
einzublasen. Prof. Gohlke versucht, diese Bedenken zu nehmen:
„Heute sagt man: Vergessen Sie die Beatmung. Durch das Drücken des
Brustkorbs wird genug Luft hin und her bewegt. Viel entscheidender ist, dass
man drückt.“ Prof. Helmut Gohlke
Tipp: So geht die Herzdruckmassage
• Mit einer Frequenz von circa 100 Mal pro Minute in der Mitte des
Brustbeins drücken.
• Man muss den Patienten auf eine feste Unterlage legen und das
Brustbein etwa drei bis vier Zentimeter Richtung Wirbelsäule drücken.
Dann kommt ein Minimalkreislauf zustande, der es erlaubt, das Gehirn über
eine Zeit von bis zu 15 Minuten so zu durchbluten, dass es keinen erheblichen
Schaden nimmt. Sanitäter können dann die elektrische Defibrillation
durchführen.
“Wenn jedoch ein Defibrillator in der Nähe ist, ist das das Mittel der Wahl, denn
er ist für jeden anwendbar.“ Prof. Helmut Gohlke
Wie funktioniert der Defibrillator?
Der Defibrillator war lange Zeit den Rettungssanitätern und Krankenhäusern
vorbehalten. Das Gerät gibt bei Kammerflimmern einen oder mehrere
elektrische Schocks ab und normalisiert so wieder den aus dem Ruder
gelaufenen Herzschlag. Inzwischen sind Defibrillatoren an vielen öffentlichen
Plätzen, Flughäfen, U-Bahnhöfen und in Betrieben verfügbar. Im Notfall kann
jeder Umstehende damit Hilfe leisten. Die modernen Geräte erkennen von
selbst, wann und ob sie einen Schock abgeben müsse und leiten den Helfer
genau an, was zu tun ist. Prof. Helmut Gohlke: „Im Grunde sind diese
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Defibrillatoren selbsterklärend. In der Regel sind aber Bahnpersonal,
Stewardessen oder die Feuerwehr ohnehin in den Gebrauch der Geräte
eingewiesen. Dadurch sind schon viele Menschenleben gerettet worden, weil in
unglaublich kurzer Zeit die elektrische Regulierung erfolgen kann. Das ist
wirklich ein guter Fortschritt. 90 Prozent der Patienten, die so behandelt
werden, verlassen ohne Folgeschäden das Krankenhaus. Früher war es genau
umgekehrt: 90 Prozent trugen Folgeschäden davon.“
Leben mit Herzrhythmusstörung - Diagnose und Therapie
Oft sind die Patienten schuldlos, wenn bei ihnen Herzrhythmusstörungen
auftreten. Zum einen lässt sich das Herz ohnehin nicht bewusst steuern. Zum
anderen liegen den Taktverschiebungen häufig andere (Herz-)Erkrankungen
zugrunde. Oder es sind ansonsten gesunde Menschen betroffen, bei denen die
Kapriolen gewissermaßen zur „natürlichen“ Ausstattung gehören und die
dadurch auch keine gesundheitlichen Schäden davontragen. Aber auch
Drogen- oder Alkoholkonsum und unbehandelter hoher Blutdruck können
Herzrhythmusstörungen auslösen. Wenn das allgemeine Befinden durch die
Herzrhythmusstörungen beeinträchtigt ist, dann ist zunächst eine genaue
Diagnose wichtig.
Das Elektrokardiogramm
Herzrhythmusstörungen sind, wenn sie häufig auftreten, relativ einfach zu
diagnostizieren. Mit Hilfe eines sogenannten EKGs (Elektrokardiogramm) kann
der Arzt die elektrischen Aktivitäten der Herzmuskelfasern und damit auch den
Rhythmus der Schläge und den Verlauf der Erregung nachvollziehen. Man
unterscheidet Ruhe-EKG, Belastungs-EKG, Langzeit-EKG und Intrakardiales
EKG (während einer Herzkatheteruntersuchung). Bei Herzrhythmusstörungen
reicht oft bereits ein Ruhe-EKG, bei dem der Patient entspannt liegt, um
beispielsweise ein Vorhofflimmern festzustellen. Treten die Störungen dagegen
unregelmäßig auf, kann ein Langzeit-EKG Aufschluss geben, bei dem der
Patient ein tragbares EKG-Gerät über 24 Stunden oder länger mit sich führt.
Beschleunigen oder Abbremsen: Herzschrittmacher und Defibrillator
Liegt den Herzrhythmusstörungen eine andere (Herz-)Erkrankung zugrunde,
dann wird der Arzt zunächst diese Erkrankung behandeln. Manchmal kann es
auch notwendig werden, operativ einzugreifen. Die verschiedenen gängigen
Methoden:
• Der Herzschrittmacher kommt für Patienten in Frage, deren Herz Gefahr
läuft, zu langsam zu schlagen.
• Im Gegensatz dazu greift der Defibrillator dann ein, wenn das Herz so
schnell wird, dass die Pumpfunktion beeinträchtigt wird.
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Bei der sogenannten Katheterablation hingegen zerstört der Operateur
mit Stromschlägen die Gewebestellen am Herzmuskel, die für die
Rhythmusstörung verantwortlich sind.
Tipp: Zum Experten gehen
Vor einer Operation sollte man auf jeden Fall einen Rhythmologen zuziehen,
also einen Kardiologen, der sich speziell mit Herzrhythmusstörungen befasst.
Länger leben ohne Behandlung: Die Krux mit den Medikamenten
Bei manchen Herzrhythmusstörungen ist die medikamentöse Behandlung
unumstritten: So müssen Patienten, die an Vorhofflimmern leiden,
Gerinnungshemmende Mittel einnehmen, um das Risiko für einen Schlaganfall
zu senken. Ansonsten aber sind die Ärzte vorsichtig geworden, wenn es darum
geht, Herzrhythmusstörungen mit Medikamenten beizukommen.
„Medikamente, die Rhythmusstörungen beheben können, können auch welche
auslösen. Man hat gelernt, dass man durch übermäßigen Einsatz von
Rhythmusmedikamenten die Patienten auch gefährden kann. Der Arzt greift in
der Regel erst dann ein, wenn handfeste Symptome auftreten.“ Prof. Helmut
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