Psychokardiologie

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Gesundheitsgespräch
Psychokardiologie – kranke Seele – krankes Herz?
Sendedatum:
5.11.2016
Experte:
Dr. med. Magnus Schraudolph, Kardiologe in der Lauterbacher Mühle,
Privatklinik für Herz-Kreislauferkrankungen
Die Psychokardiologie stellt einen neuen Namen für ein gar nicht so neues
Fach dar. Inhaltlich geht der Begriff auf die kardiale Rehabilitation der 60-er
Jahre zurück. Vor allem Professor Max Halhuber, ärztlicher Direktor der Klinik
Höhenried für Herz-Kreislauf-Krankheiten am Starnberger See, bezog schon
früh psychosoziale Faktoren sowohl in die Entstehung, als auch in den Verlauf
einer koronaren Herzerkrankung ein.
Dem folgenden Text liegt ein Interview mit Dr. Magnus Schraudolph, Kardiologe
in der Lauterbacher Mühle zugrunde.
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Historie – Die Entdeckung der Seele in der Kardiologie
Sprichwörtlich gibt es unzählige Verbindungen zwischen Herz und Seele, und
das Herz wird immer wieder als Sitz des Gemüts oder der Angst beschrieben.
Zur Behandlung dieser chronischen Herzerkrankungen entwickelte Prof.
Halhuber das Prinzip des Arztes als Feuerwehrmann und Gärtner.
Der Feuerwehrmann
Das ist der Arzt, der die Gefäße mit einem Ballon frei macht, der also in der
Akutsituation hilft. Heute setzt der Arzt dabei auch einen Stent, also eine
Stütze, ein. Der ärztliche "Feuerwehrmann" sorgt auch mit Herzoperationen
wieder für neue Leitungen im Herzen.
Der Gärtner
Das ist der Arzt, der den Erfolg dieser Interventionen umfassend pflegt. Er
versucht aber auch, die Ursachen der Erkrankung zu erforschen. Den "Gärtner"
interessiert besonders wie das aktuelle soziale Umfeld, die Arbeitsumwelt und
die Familie auf die Krankheit wirken, aber auch wie die eigentliche
Persönlichkeitsstruktur mit ihren Ängsten und Nöten die Krankheit beeinflusst.
Und er überlegt, welche Maßnahmen es gibt, um diese Ängste und Nöte zu
beeinflussen.
Psychokardiologie
Aus diesem Konzept ist 2004 die Psychokardiologie entstanden. Der erste
Lehrstuhl für Psychokardiologie entstand an der Universität Göttingen. Die erste
psychokardiologische Rehabilitationsklinik wurde in Bad Nauheim eröffnet.
Darüber hinaus erschien 2004 auch das erste Lehrbuch für Psychokardiologie.
Depression – Wie die Seele mitspielt
Die Grundlage der modernen Psychokardiologie ist der eindeutige
Zusammenhang zwischen koronarer Herzerkrankung und Depression sowie
Ängsten.
Depression und Herzerkrankung
16 Prozent der Patienten, die einen Herzinfarkt erleiden, leiden auch an einer
Depression, das ist ungefähr dreimal mehr als in der Normalbevölkerung. Die
Depression ist nicht nur ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung der
koronaren Herzerkrankung ist, sondern auch für ihren Verlauf. Deutlich mehr
Frauen als Männer leiden an Depressionen nach einem Herzinfarkt – und
haben in der Regel auch schon vorher eine psychische Erkrankung.
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Schlechte Gedanken
• Klassisch für diese Depression sind die sogenannten "bad thoughts“, die
schlechten Gedanken, die den Alltag bestimmen. Schon beim
Aufwachen denken die Betroffenen voller Sorge an das, was kommen
wird, ("schon wieder die Kinder“, "schon wieder der Chef“). Meist sind es
Leistungs- und Beziehungsängste, die den Dauerstress oder die
depressiven "bad thoughts“ auslösen.
• Typisch ist auch eine gewisse Feindseligkeit ("hostility“), das heißt die
Betroffenen sind ihren Mitmenschen gegenüber in der Tendenz
feindselig eingestellt.
Der genaue Zusammenhang von Herzinfarkt und Depression
Es bedeutet nicht zwingend, dass Menschen, die an Depression oder Burn-OutSyndrom leiden, auch eine koronare Herzerkrankung oder gar einen Herzinfarkt
erleiden. Diese psychosomatischen Erkrankungen können aber Vorboten oder
Wegbereiter sein. Sie zeigen meist, dass der Betroffene unter Stress steht –
und Stress wirkt auf das Herz-Kreislauf-System.
Stress – wenn dem Herzen alles zu viel wird
Nicht nur spektakuläre Ereignisse (wie eine Fußball-Weltmeisterschaft) gehen
mit einer erhöhten Herzinfarktrate einher, auch konstante seelische
Belastungen führen über eine Aktivierung der Stresshormone zu einer
Gefäßschädigung.
„Fight or Flight“ – Kampf oder Flucht
Wenn Menschen in eine Situation kommen, in der sie sich gefährdet fühlen, gibt
es für sie seit Urzeiten eigentlich nur zwei Reaktionen, nämlich den Kampf oder
die Flucht. Für beides brauchen Menschen sogenannte Katecholamine, also
Stresshormone. Diese Stresshormone führen dazu,
• dass die Gefäße eng werden,
• dass der Blutdruck steigt,
• dass man eine andere Schmerzempfindlichkeit bekommt,
• aber auch, dass sich das Blut verdickt - denn Menschen können ja im
Kampf gebissen werden und sollen nicht gleich verbluten.
Alle diese akuten Erregungsmechanismen können zum Herzinfarkt führen.
Stress ohne Pause
Wenn man aber unter einer dauerhaften Überlastungsreaktion und damit unter
einer dauerhaften Stressreaktion lebt, dann stellt sich auch der Hormonhaushalt
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um: Die normale Regulation des Cortisols funktioniert nicht mehr.
Hintergrund:
Der Cortisolspiegel im Körper zeichnet sich durch eine komplizierte sogenannte
zirkadiane Rhythmik aus: Er ist also zu bestimmten Uhrzeiten hoch und zu
anderen tief. Durch Dauerstress verschiebt sich diese Rhythmik. Diese
chronische Stressreaktion äußert sich emotional in Depression. Meist ist es
auch mit einer vitalen Erschöpfungssymptomatik verbunden. Dieses Burn-OutSyndrom kann ein Vorläufersymptom einer koronaren Herzerkrankung sein.
Therapie – Methoden der Psychokardiologie
Die Psychokardiologie versucht, die Selbstheilungskräfte der Patienten zu
aktivieren. Ihr Ziel ist es, die akute, aber vor allem die chronische
Stressbelastung, die Depression und die Angst zu verhindern.
Ein ganzes Bündel an Therapien macht die Erfolge der Psychokardiologie aus:
•
•
•
Die medikamentöse Therapie, die in der Regel nach jedem Herzinfarkt
beginnt, gehört dazu. Die Patienten erhalten in der Regel blutdrucknormalisierende Mittel, Beta-Blocker, Aspirin zur Blutverdünnung,
blutfettsenkende Medikation und ACE-Hemmer.
Aber auch Ernährungsberatung, Entspannungsübungen, Bewegung und
Sporttherapie sind wichtige Therapiemethoden.
Die Rückkehr zur Arbeit kann ebenfalls therapeutisch wirken.
Gespräche übers Herz und mehr
Wichtig ist auch die Psychotherapie: In umfassenden Gesprächen wird die
individuelle Situation des Einzelnen genau analysiert. Dann werden Strategien
zur Bewältigung bestehender Probleme entwickelt.
Wo und für wen wird die Psychokardiologie angeboten?
Psychokardiologie wird für Kassenpatienten wie auch für Privatpatienten
angeboten. Allerdings ist sie noch nicht überall verbreitet.
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Broken-Heart-Syndrom: Herzprobleme durch seelischen Stress
Es klingt nach Liebeskummer und Herzschmerz – und genau das kann es auch
sein, muss es aber nicht. Denn das Broken-Heart-Syndrom wird durch akuten
seelischen Stress ausgelöst – und der kann viele Ursachen haben.
Die Betroffenen zeigen Anzeichen eines echten Infarkts. Deswegen ist die
genaue Diagnose auch für Herzspezialisten nur mit einer Katheteruntersuchung
möglich.
Definition - Ein gebrochenes Herz kann eine Krankheit sein
Etwa zwei Prozent aller Patienten, die mit Verdacht auf Herzinfarkt in die Klinik
eingeliefert werden, leiden nicht an einem "echten" Herzinfarkt, sondern am
sogenannten Broken-Heart-Syndrom.
"Die reale Zahl der Patienten liegt aber wahrscheinlich deutlich höher, denn
vermutlich werden viele Fälle gar nicht entdeckt. Denn sogar für
Herzspezialisten ist es kaum von einem richtigen Infarkt zu unterscheiden." Dr.
Magnus Schraudolph
Fachbegriff: Tako-Tsubo-Kardiomyopathie
In der Fachmedizin ist dieses Syndrom besser bekannt als Tako-TsuboKardiomyopathie. Es hat seinen Namen von der auffälligen Veränderung der
linken Herzkammer, die nur bei einer Untersuchung mit dem Herzultraschall
oder einem Herzkatheter sichtbar wird. Die Herzspitze ist ballonartig erweitert.
Weil das so aussieht wie die japanische Tintenfischfalle namens "Tako-Tsubo“
hat man diesem Syndrom denselben Namen gegeben.
"Das Broken-Heart-Syndrom wird durch eine akute und existenziell bedrohlich
empfundene Situation ausgelöst, die zu einer massiven Stressbelastung des
Herzens führt." Dr. Magnus Schraudolph, Facharzt für Innere Medizin,
Psychotherapie und Kardiologie
Symptome des "gebrochenen Herzens"
Das Herz ist in dieser Stresssituation nicht mehr in der Lage, genügend Blut
durch die Schlagadern in den Körper zu pumpen. Die Folge: Das EKG zeigt die
für einen Infarkt typischen "Zacken" an. Die Patienten spüren Atemnot,
Engegefühl und Todesangst.
Abgrenzung zum echten Infarkt
Beim echten Infarkt verengen sich die Herzkranzgefäße, oder sie verschließen
sich komplett. Dadurch ist die Durchblutung gestört, eine lebensbedrohliche
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Situation. Beim Broken-Heart-Syndrom ist das anders: Bei der
Herzkatheteruntersuchung sieht man gesunde Herzkranzgefäße. Das Leben
des Patienten ist in der Regel nicht bedroht. In einem Prozent der Fälle kann es
jedoch zu Komplikationen durch Herzrhythmusstörungen kommen.
Keine Einbildung
Die Veränderung der linken Herzkammer ist sichtbar, der akute Stress löst
diese Auffälligkeit aus. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind noch nicht
ganz geklärt. Diskutiert wird etwa ein Spasmus, also eine Verkrampfung der
kleinen Herzkranzgefäße. Meist sind auch die Werte der Herzenzyme leicht
erhöht. "Das Syndrom zeigt den direkten Zusammenhang zwischen Psyche und
Organen sehr eindrücklich." Dr. Magnus Schraudolph
Diagnose des Broken-Heart-Syndroms
Der behandelnde Arzt sollte den Patienten genauso diagnostizieren wie bei
einem Infarktverdacht. Die Patienten müssen schnellstmöglich in die Klinik,
denn eine Untersuchung mit dem Herzkatheter ist unabdingbar. Zur Diagnose
gehört auch herauszufinden, ob sich hinter der akuten Stresssituation eine
chronische psychische Erkrankung wie etwa eine Depression oder eine
Anpassungsstörung verbergen.
Therapie - Behandlung des "gebrochenen Herzens"
Die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie dauert in der Regel einige Stunden. Die
Veränderungen an der Herzspitze bilden sich meist in einigen Wochen zurück.
Die Patienten sollten zur Nachbehandlung für einige Tage in der Klinik bleiben.
"Auf keinen Fall sollten Tako-Tsubo-Patienten denken, sie könnten dieses
Syndrom mit ein paar Entspannungstagen in den Griff bekommen."
Wer behandelt?
Die Behandlung sollten Kardiologen und Psychotherapeuten übernehmen:
• Die akuten Symptome wie Herzrhythmusstörungen, Leistungsschwäche,
eventuell hoher Blutdruck gehören in die Hand eines Kardiologen.
• Psychotherapeuten sollten versuchen herauszufinden, ob eine
Kurztherapie mit einigen Stunden Psychotherapie genügt oder ob eine
längerfristige Behandlung nötig ist.
"Es gibt keine Standard-Therapie. Das heißt, für jeden Patienten muss die
individuell passende Behandlung gefunden werden. Und deswegen gibt es
auch keine definierte Behandlungsdauer." Dr. Magnus Schraudolph, Facharzt
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Akuttherapie
• Sehr häufig ist die Behandlung mit Aspirin, um das Blut zu verdünnen.
• Calciumantagonisten, die krampflösend wirken, können gegeben
werden.
• Bei einem akuten Erregungszustand kann kurzfristig auch ein
Entspannungsmittel verabreicht werden, wie etwa Benzodiazepine.
Dauertherapie
In der Anschlussheilbehandlung nach der akuten Phase geht es darum zu
sehen, ob eine Psychotherapie erforderlich ist, mit der zum Beispiel depressive
Störungen behandelt werden können. Depressionen können auch mit
Antidepressiva behandelt werden, das muss im Einzelfall entschieden werden.
Bei leichten Depressionen ist eine medikamentöse Therapie meist ohne Erfolg,
bei schweren Depressionen oft sehr hilfreich.
"Sehr geeignet zur Nachbehandlung ist eine Klinik mit psychokardiologischer
Kompetenz." Dr. Magnus Schraudolph
Vorbeugung - Wie man ein "Broken-Heart-Syndrom" verhindert
Um einem Broken-Heart-Syndrom vorzubeugen, gelten dieselben Maßnahmen,
die auch dem echten Infarkt vorbeugen: "Die Anpassung des Lebensstils und
ein wirkungsvolles Stressmanagement", erklärt Dr. Magnus Schraudolph.
Lebensstil
Ausdauersport in der richtigen Intensität ist ein zentraler Punkt, um jeder
kardiologischen Störung vorzubeugen. Man sollte streng im aeroben Bereich
trainieren, also unter Sauerstoffverbrauch. So werden die Widerstandsgefäße in
der Muskulatur, auch des Herzens, weit.
Tipp:
"Beim Joggen etwa sollte man immer noch reden können. Dann ist das Training
in der gesundmachenden Intensität." Dr. Magnus Schraudolph
Stressmanagement
Durch Atemtherapie kann wirkungsvoll Stress abgebaut werden. Studien haben
gezeigt, dass Atemtherapie neurobiologisch entspannend wirkt. Auch die
sogenannte Progressive Muskelrelaxation oder Autogenes Training wirken.
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Wichtig:
Jeder Patient sollte das zu ihm passende Entspannungsmittel finden. Das kann
auch Saunagehen sein, Tanzen, Singen oder irgendetwas anderes, das dem
Betroffenen Entspannung verschafft.
Ernährung
Das Broken-Heart-Syndrom hat nichts mit falscher Ernährung zu tun.
"Man kann die Krankheit aber zum Anlass nehmen, sich zu fragen: Geht es mir
mit meiner Ernährung gut? Ist die Antwort 'Nein', dann sollte eine Umstellung zu
einer ausgewogenen Ernährung erfolgen." Dr. Magnus Schraudolph
Essen ohne Stress in entspannter Situation kann auch sehr zu einer Änderung
des Lebensstils beitragen.
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