Gesundheitsgespräch Bewegung ist gesund! Sendedatum: 09.04.2016 Experte: Prof. Martin Halle, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Sportmedizin, Zentrum für Prävention, Ernährung und Sportmedizin, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Autoren: Monika Dollinger, Beate Beheim-Schwarzbach Bewegung ist gut für die Gesundheit – das ist lange bekannt. Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs treten dann weniger oft auf. Aber warum ist Bewegung eigentlich so gesund? Patienten haben auch seltener einen zweiten Herzinfarkt, wenn sie Sport treiben. "Täglich fragen mich Patienten, wie sie gesund bleiben können. Ich vermeide es, von „Risikofaktoren“ wie Cholesterin und erhöhtem Blutdruck zu sprechen, sondern ich spreche über das Altern. Das ist griffiger und wird besser verstanden als ein Risiko von x-Prozent. Zum Beispiel: Wenn ich Sie anschaue, dann stelle ich fest: Sie sehen älter aus als ihr Geburtsdatum vermuten lässt. Aber noch wichtiger ist es, wie es im Inneren mit dem Altern aussieht. Das ist für fast alle Patienten wichtig und sie stimmen einer Untersuchung des Organalters meist zu, denn wir wollen ja alle wissen, wie alt unsere Organe sind und ob diese wie die eines Jugendlichen oder jungen Erwachsenen funktionieren. Vor allem untersuche ich das Gefäßsystem, unser zentrales Organsystem, welches Nährstoffe und Sauerstoff in jede Zelle transportiert. Ist dieses System vorgealtert, funktioniert es nur noch eingeschränkt und Zellen altern schneller. Denn wenn sie den Zusammenhang von Alter und Blutgefäßen verstehen, ist es einsichtiger, dass Sport treiben jung hält, denn dies hält die Gefäße elastisch. Jemand der als 60-Jähriger sein Leben lang regelmäßig Sport getrieben hat, kann seine Gefäße wie die eines 30-Jährigen erhalten." Prof. Martin Halle Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 1 Die wichtige Rolle der Blutgefäße Die Blutgefäße sind wichtig für die Versorgung des ganzen Körpers mit Nährstoffen wie Sauerstoff, Vitaminen, Zucker und Fetten. Und wenn die Gefäße nicht mehr richtig funktionieren, können Herzinfarkt, Schlaganfall, Beeinträchtigung der Nierenfunktion und weitere Krankheiten auftreten. Wenn die Gefäße gut funktionieren, altern die Zellen und Organe langsamer, chronische Erkrankungen treten später und seltener auf. Bewegte Gefäße Durch höheren Puls und höhere Blutfluss zirkuliert das Blut schneller durch den Körper. Der Effekt: Gefäße werden gedehnt und der Blutstrom reizt die Gefäßwände. Diese Dehnung löst einen chemischen Reiz in der Gefäßwand aus, der Alterungsprozessen der Gefäße entgegen wirkt und diese elastischer hält. Jung bleiben Ein 60-Jähriger, der sportlich immer aktiv war, kann seine Gefäße so jung halten, wie sie mit 30 waren. Das heißt: Die Gefäßelastizität kann man über 30 Jahre hinweg erhalten. Die eigentlich zunehmende Steifigkeit mit dem Altersgang wird aufgehalten. Damit bleibt auch das Herz jünger, weil es weniger belastet wird. Denn grundsätzlich gilt: Ein 70-Jähriger, der natürlicherweise mehr Bindegewebe und einen fortgeschrittenen Alterungsprozesse der Zellen hat, hat auch ein steiferes Herz als ein Jüngerer. Und Menschen mit Risikofaktoren wie Übergewicht, erhöhtem Blutdruck oder Vorstufen des Diabetes, entwickeln frühzeitig sowohl steife Gefäße als auch einen steifen Herzmuskel. Letzteres kann auch durch ein körperliches Trainingsprogramm aus Ausdauer- und Krafttraining (etwa dreimal pro Woche für 30 min) verbessert werden. Verstopfte Gefäße Über die Jahre lagert sich Cholesterin an den Gefäßwänden an. Ein zu hoher Zuckerspiegel im Blut verändert das Cholesterin und macht es aggressiver. Es greift dadurch die Gefäßwände an und macht diese spröde. Die Blutgefäße werden so geschädigt und werden durch die Cholesterinauflagerungen über die Jahre immer enger. Durch regelmäßiges Training kann die Ablagerung in den Gefäßwänden verringert werden. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 2 Folgen kranker Blutgefäße Wenn sich die Blutgefäße über die Zeit versteifen und verengen, dann ist der Sauerstofftransport jenseits der Engstellen reduziert. Dieser ist aber lebensnotwendig für jede Zelle im Körper, ansonsten sterben die Zellen innerhalb von wenigen Minuten ab. In fortgeschritten Fällen ist die Durchblutungsstörung am Herzen erkennbar und macht sich durch Beschwerden wie Druck auf dem Brustkorb während körperlicher Anstrengung bemerkbar. Das Problem ist gravierend, wenn die Gefäße komplett verstopft sind: Dann können die Zellen nicht mehr arbeiten, Organteile fallen aus, so zum Beispiel am Herz oder im Gehirn. Fallen die kleinen Gefäße aus, betrifft dies besonders die Nieren. Was verloren ist, ist verloren? Man kann die Gefäße in gewisser Weise revitalisieren: In sechs bis acht Wochen lässt sich die Steifigkeit der Gefäße, die noch nicht verhärtet sind, fast wieder bis in den Normalzustand rückführen. Wenn es aber bereits aufgrund einer deutlichen Cholesterinablagerung zu einer Verkalkung oder Verhärtung der Blutgefäße gekommen ist, kann dies nicht rückgängig gemacht werden. Allerdings kann ein körperliches Training die Cholesterinablagerungen praktisch „versiegeln“, d.h. quasi mit einer Kappe versehen. Dadurch wird das Aufplatzen dieser Cholesterinablagerungen in das Gefäß hinein verhindert - ein wichtiger Schutz vor dem Herzinfarkt. Achtung Gefahr: Wenn man sich nicht bewegt... ...dann fördert man die Entstehung von Herzinfarkt und Schlaganfall. Bei steifen Gefäßen können sich die Ablagerungen leichter ablösen, oder die Cholesterinansammlungen können platzen. Dies führt im schlimmsten Fall zum Verschluss des Gefäßes und zum kompletten Zelluntergang jenseits dieses Verschlusses. Je größer das Gefäß, desto größer der Schaden. Und wenn man sich regelmäßig bewegt... ...kann man das Risiko für einen Herzinfarkt um 25 Prozent und das Risiko für einen Schlaganfall um 20 Prozent senken. Jung übt sich Der Prozess der Gefäßalterung beginnt schon ganz früh: Bereits übergewichtige und inaktive Kinder haben steifere Gefäße. Je mehr Alterungsfaktoren vorhanden sind, umso schneller läuft er Gefäßalterungsprozess ab. In westlichen Ländern haben bereits Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 3 Männer mit dem 35. Lebensjahr zu 15 Prozent und Frauen zu fünf Prozent merkliche Cholesterinablagerungen, vor allem wenn sie rauchen. Blutgefäße "merken" sich dies, auch wieviel sie durch Bewegung aktiviert werden. Das bedeutet, dass man sich auch schon in jungen Jahren regelmäßig bewegen, möglichst schlank bleiben und nicht rauchen sollte. Rauchen Die Schadstoffe, die man beim Rauchen aufnimmt, sind hochgiftig. Sie gehen direkt über die Lunge in die Blutgefäße und führen dort zu einer frühzeitigen Alterung, vor allem, wenn sie sich mit hohen Cholesterinspiegeln verbinden. Beispiel: Wenn ein Jugendlicher zehn Jahre geraucht hat, sind seine Blutgefäße schon weit älter. Sie entsprechen denen eines 30- oder 40-Jährigen. Das Gehirn will bewegt werden Grundsätzlich gilt: Bewegung unterstützt die kognitive Arbeit des Gehirns. Denn die Vernetzung der Synapsen im Gehirn wird durch Bewegung begünstigt, was besonders im frühen Kindesalter besonders wichtig ist. Auch scheint das Auftreten der Altersdemenz durch regelmäßige Bewegung reduziert zu werden. Beispiel Parkinson: Parkinson-Patienten sind in ihrer Motorik eingeschränkt, da sich die Krankheit auch auf die Muskeln auswirkt. Für sie ist es besonders wichtig, die Motorik zu erhalten. Deswegen ist für ParkinsonPatienten Bewegung als Training für die Muskeln und das Gleichgewicht zentral. "Parkinson-Patienten fällt es oft schwer, eine Bewegung zu beginnen. Wenn sie erst im Tritt sind, geht es oft leichter. Aber es gibt auch Patienten, die große Schwierigkeiten mit dem Gehen haben, sich aber auf dem Fahrrad oder Crosstrainer sehr gut bewegen können – sie rasen fast los. Es ist also wichtig, die richtige Bewegungsform für den Parkinson-Patienten herauszufinden. Dies wird leider oft vernachlässigt." Prof. Halle Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 4 Sport gegen Krebs - Warum Bewegung gegen Karzinome hilft Wissenschaftliche Studien der letzten Jahre zeigen: Brust-, Darmund Prostatakrebs lassen sich durch regelmäßiges und umfangreiches Ausdauertraining positiv beeinflussen. Denn diese drei Krebsarten sind vom Stoffwechsel abhängig. Wenn man den Stoffwechsel in Schwung bringt, kann man die Bildung neuer Tumorzellen verringern. Genauso ist der Effekt bei Patienten mit Krebserkrankungen zu beobachten. Auch sie profitieren zusätzlich zur Tumortherapie von einem gezielten körperlichen Training. Übergewicht und Krebs Generell ist der Stoffwechsel vor allem dann inaktiv, wenn man übergewichtig ist, sich wenig bewegt oder Diabetes hat (eine Vorstufe reicht bereits aus). Seit langem ist bekannt, dass man unter den Bedingungen besonders Herzinfarkt gefährdet ist. Doch inzwischen wissen Mediziner auch, dass bei dieser Konstellation auch ein höheres Risiko besteht, eine der drei genannten Tumorarten zu bekommen. Folge von Übergewicht Übergewicht, vor allem wenn dies im Bauchraum lagert, löst eine erhöhte Entzündungsreaktion aus, d.h. die Fettzellen geben Entzündungsfaktoren ab, die im Blut messbar nachzuweisen sind. Diese Entzündungsfaktoren führen dazu, dass die Körperzellen weniger sensibel auf das Hormon Insulin reagieren. Die Folge ist ein Typ-2-Diabetes mellitus, die Zuckerkrankheit. Rolle des Insulins Insulin hat generell die Aufgabe, die Zellen des Körpers für die Aufnahme von Blutzucker zu öffnen. Denn Zucker geht zwar über die Nahrung ins Blut über, aber nur mit Hilfe des Insulins auch in Leber-, Herz-, Gehirn- und Muskelzellen. Bildlich gesprochen ist Insulin eine Art Türöffner. Hoher Blutzucker Kann das Insulin seine Aufgaben als Türöffner nicht wahrnehmen, z.B. weil zu wenig davon in der Bauchspeicheldrüse produziert wird, oder weil die Körperzellen auf ausreichende Hormonspiegel nicht mehr empfindlich reagieren, dann resultieren daraus erhöhte Blutzuckerwerte. Das heißt, der Zucker bleibt im Blut und versorgt Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 5 die Zellen nicht mehr. Er selber ist aber auch aggressiv und kann besonders zusammen mit erhöhten Cholesterinspiegeln im Blut Gefäßwände besonders schädigen. Falsche Zellteilung Generell sind bei inaktivem Stoffwechsel die Blutzuckerwerte hoch und das Insulin funktioniert nicht richtig. Sind zusätzlich auch noch die Entzündungswerte hoch, dann besteht sowohl das Risiko einer Arterienverkalkung, als auch einer falschen Zellteilung. „Bei inaktivem Stoffwechsel sind die Veränderungen, die in einer Zelle falsch ablaufen, besonders ausgeprägt, mit der Folge, dass auch falsche Zellwege um ein Vielfaches erhöht sind, wie die Bildung einer Tumorzelle.“ Prof. Halle Genereller Zusammenhang Wer insgesamt inaktiv und übergewichtig ist, eine Vorstufe von Diabetes oder bereits Diabetes hat, dessen Blutzucker- und Entzündungswerte sind in der Regel erhöht – dies kann man im Blut nachweisen. Alles zusammen führt dazu, dass sich Zellen schneller und falsch teilen können und das begünstigt die Entstehung von bestimmten Tumorzellen. Immunsystem Solche Tumorzellen entwickeln sich bei jedem Menschen, doch bei Gesunden sorgt das Immunsystem dafür, dass sie abgefangen und abgetötet werden. Ist das Immunsystem aber überlastet und nimmt die falsche Zellteilung überhand, dann kann die Abwehr in den Frühstadien nicht mehr greifen. Die Folge: Ein Tumor entsteht. Forschung zu Sport gegen Krebs Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass der Zusammenhang zwischen einerseits inaktivem Stoffwechsel mit hohen Entzündungsund Blutzuckerwerten und andererseits Krebs bei Brustkrebs am häufigsten ist, dann folgt Darm- und schließlich Prostatakrebs. Brustkrebs Nach einer Brustkrebs-Operation mit anschließender Chemound/oder Strahlentherapie ist der Körper geschwächt und nicht selten tritt ein sogenanntes Müdigkeitssyndrom auf. Patienten, die während dieser Phase der Erkrankung angepasst und angemessen Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 6 körperlich aktiv sind, vertragen die Chemotherapie besser. Die Therapie kann somit häufiger nach vorgegebenem Schema durchgeführt werden. Dies ist einer der wesentlichen Gründe, warum insgesamt die Prognose dieser Patienten besser ist. Auch spielt eine Gewichtsstabilisierung eine wichtige Rolle. Eine Gewichtszunahme beeinflusst den Krankheitsverlauf eher negativ. Neue Erkenntnisse Das Thema einer optimalen ganzheitlichen Therapie ist neu. Neben der klassischen Therapie aus Operation, Chemo- und Strahlentherapie wird eine optimale Ernährung und gezielte Bewegungstherapie möglichst bereits während der klassischen Therapie begonnen. Dadurch soll die Verträglichkeit der Chemotherapie verbessert und das für die Patienten sehr belastende Müdigkeitssyndrom verbessert werden. Brustkrebsstudie Mediziner der TU-München koordinieren zusammen mit der Deutschen Krebshilfe derzeit eine deutschlandweite Brustkrebsstudie, an der 900 Patientinnen mit einer familiären Veranlagung für Brust- und Eierstockkrebs teilnehmen. Sie werden in zwei Gruppen eingeteilt, die eine absolviert ein sportliches Trainingsprogramm und stellt die Ernährung um, die zweite Gruppe nicht und wird behandelt wie bisher. Ergebnisse sind in etwa 5-10 Jahren zu erwarten. Untersuchung zu Darmkrebs Ähnlich funktioniert auch die Darmkrebsstudie, die in München und Ingolstadt in der Pilotphase erfolgreich getestet wurde. In einer ersten Phase wurden grundlegende Erkenntnisse erhoben z.B. ob und wie viele Patienten ein ganzes Jahr an so einem sportlichen Trainingsprogramm mitmachen, ohne abzuspringen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Akzeptanz sehr hoch ist, so dass die Grundlage für eine große Studie an vielen Darmzentren in Deutschland gelegt worden ist. Es soll mit dieser Studie belegt werden, dass ein körperliches Training die Prognose der Patienten verbessern kann, wie es bereits mehrere Chemotherapiestudien, die die Aktivität der Patienten registriert hatten, gezeigt haben. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 7 Tipps für Krebs-Patienten Bis noch vor etwa fünf Jahren war die Mehrzahl der Gynäkologen, Onkologen, Hausärzte und Patienten der Überzeugung, dass Sport bei Krebs nicht sinnvoll oder schädlich sei. Doch Publikationen der letzten zehn Jahre zeigen das Gegenteil. Trotzdem ist bis heute ein Bewegungsproramm nach Krebs keine allgemeine Empfehlung. Allerdings ist das Thema auf den großen wissenschaftlichen Krebskongressen inzwischen ein überall präsentes Thema geworden. „Häufig erlebe ich, dass Patienten in die Krebs-Sport-Sprechstunde kommen, deren Arzt ihnen vom Training abgeraten hat. Sie möchten aber nichts unversucht lassen und wenn sie mit dem Training beginnen, spüren sie, dass sie trotz Erkrankung wieder belastbarer werden und es ihnen nach kurzer Zeit besser geht.“ Prof. Halle Oft informieren solche Patienten dann ihren betreuenden Arzt, der wird dadurch hellhörig, informiert sich und erfährt von den neuen Erkenntnissen. Doch die fehlende praktische Erfahrung der Mediziner führt zu Unsicherheit und zu fehlender oder eingeschränkter Empfehlung. Sportart Allerdings muss das Trainingsprogramm ganz individuell auf jeden Patienten abgestimmt sein. Wassergymnastik bei Brustkrebspatientinnen mit Lymphstau, Ausdauersport besonders bei Darmkrebs, Beckenbodentraining nach Prostataoperation. Die Basis bilden Ausdauersportarten wie Nordic Walking, Fahrradfahren oder Schwimmen, denn diese bringen den Stoffwechsel wieder besonders in Schwung und steigern die körperliche Belastbarkeit. Training Allerdings sollte man wissen, dass das nötige Training bei Krebs relativ umfangreich ist. Für Nordic Walking und Fahrradfahren muss man eine Dreiviertelstunde rechnen, für Schwimmen vierzig Minuten pro Tag. Spätestens nach vier bis sechs Wochen Training zeigt sich der Erfolg. Fatigue Viele Krebspatienten, die eine Strahlen- und Chemotherapie erhalten oder hinter sich haben, leiden unter dem Müdigkeitssyndrom Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 8 („Fatigue“). Bisher ist das körperliche Ausdauertraining die einzige bekannte Möglichkeit, die Folgen dieses Syndroms zu verbessern. Tipp: Wer bereits während der Strahlen- und Chemotherapie angepasst Ausdauersport macht, ist insgesamt fitter und verträgt die Chemotherapie besser. Auch die Fatigue ist seltener oder weniger ausgeprägt. Die Psyche nicht vergessen "Sportliche Bewegung wirkt sich auch immer positiv auf die Stimmung aus. Dies ist sehr wichtig für Krebspatienten. Denn sie können sich damit selbst ein bisschen aus ihrem persönlichen „Sumpf“ und aus ihrer Passivität im Krankenhaus herausholen, die durch die medizinische Therapie wie Operation und Strahlentherapie bedingt ist. Sie merken, dass sie noch aktiv sein können, was sich ungemein auf die Psyche auswirkt." Prof. Halle, Zentrum für Prävention, Ernährung und Sportmedizin Depression Bekannt ist auch, dass viele Patienten nach einer Krebsoperation und anschließender Strahlen- und/oder Chemotherapie mit depressiven Phasen zu tun haben: Sie wollen mit ihrem Körper am liebsten nichts mehr zu tun haben. Ein Trainingsplan kann da eine Hilfe sein, denn dieser gibt ein Ziel vor, das man erreichen will. „Das Wesentliche ist, dass Patienten erst einmal langsam anfangen mit z.B. fünf bis zehn Minuten am Tag, dann langsam steigern, so dass sie in drei Monaten so weit kommen, dass sie jeden Tag eine Dreiviertelstunde durchhalten. Angepasst werden muss dieses Training natürlich und sollte reduziert oder nicht durchgeführt werden, wenn sie schlapp und angegriffen sind.“ Prof. Martin Halle Informationen Bereits in der Reha-Klinik könnten Krebspatienten stärker zum Sport motiviert werden. Anschließend lohnt es sich, eine Krebs-SportGruppe zu suchen, in vielen Orten wird diese zweimal pro Woche angeboten. Krankenkassen übernehmen einen Teil der Kosten, allerdings nur für eine gewisse Zeit. Wer sich informieren möchte, kann das bei der Bayerischen Krebsgesellschaft tun: www.bayerische-krebsgesellschaft.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 9 Für alle Patienten: Die gesunden Sportarten in der Prävention und Therapie von Erkrankungen Patienten wollen gerne eine genaue Regel: wie und wie lange sollen sie sich bewegen. Wichtig ist aber auch, dass sie die körperlichen Zusammenhänge verstehen: "Die Muskeln sind nicht nur das Organ, das die Gelenke hin- und her bewegt, sondern sie spielten an vielen Stellen im Körper eine wichtige Rolle, weil sie Informationen an andere Organe weitergeben wie Leber und Fettgewebe. Das Ziel der körperlichen Aktivität sollte es sein, dieses Organ anzusprechen, es ist eines der wesentlichen zur Gesunderhaltung." Prof. Halle Das reicht nicht Für Patienten mit z.B. Depression kann aber Spazierengehen eine sehr wichtige Rolle spielen und sich deutlich auf den Grad der Erkrankung auswirken. Aber dennoch gilt: Ein bisschen Spazierengehen oder langsam Treppen steigen, erzeugt keine Belastung der Muskulatur und damit auch keinen körperlichen Trainingseffekt. "Ich bin fest davon überzeugt, dass man eine gewisse Intensität für die Muskulatur aufbringen muss, damit es eine Auswirkung auf den gesamten Körper hat. Damit meine ich: Im Zentrum sollte ein Ausdauertraining stehen, bei dem die Muskulatur über einen gewissen Zeitraum gefordert wird. Ergänzend kann auch ein Krafttraining sehr sinnvoll sein, weil dadurch die Muskulatur mit Gewichten belastet wird, und positive Effekte aussendet." Prof. Halle Beispiel: Täglich mit dem Rad zur Arbeit Wenn man einen mindesten 20-minütigen Weg zur Arbeit hat und diesen zügig mit dem Fahrrad fährt (oder auch geht), hat das durchaus einen Effekt auf die Gesundheit. Ein Zeichen für das richtige Anstrengungsmaß ist, dass man ganz leicht ins „Transpirieren“ oder sehr leichtes Schwitzen kommt. Warum regelmäßiger Sport? Die zellulären Effekte, die man mit Bewegung im Körper erzielt, sind nach drei Tagen wieder deutlich vermindert. Wenn man sich dann nicht wieder anstrengt, verpufft der Effekt. Man fängt nach einer Woche wieder bei null an. Wenn man den Stoffwechsel und die Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 10 Muskulatur kontinuierlich ansprechen und gesundheitlich profitieren will, sollte man deshalb alle zwei bis drei Tage einen Impuls setzen. Wer täglich trainiert, erzielt deswegen natürlich einen nachhaltigeren Effekt. Welcher Sport ist der beste? Die Regel lautet: Je größere Muskelgruppen bewegt werden und je mehr es zu einer Herz-Kreislauf-Belastung kommt, umso effektiver ist das Training. Walking, Joggen und andere Nordic Walking ist effektiver als Walking, da durch den Stockeinsatz die Oberarme mittrainiert werden - so steigt auch der Puls mehr an. • Joggen ist wiederum effektiver als Nordic Walking: Denn dabei hat man einen größeren Effekt auf Muskulatur und das Herz-Kreislauf-System. • Ski-Langlauf ist noch anstrengender für den Körper und damit anhaltender. • Wer im Fitnessstudio trainieren will, kann den Crosstrainer nutzen: Auch dabei werden die Oberarme eingesetzt und folglich mehr Muskeln angesprochen bzw. aktiviert. • Beim Fahrradfahren steigt der Puls weniger als beim Joggen, aber es ist auch weniger belastend für die Gelenke. "Fahrrad fahren ist gut, weil die Gelenke geschont werden, vor allem die Knie-, Fuß- und Hüftgelenke. Aber die größten Muskelgruppen, nämlich Ober- und Unterschenkel, werden trotzdem intensiv bewegt. Für Übergewichtige ist es deswegen eine gute Sportart." Prof. Halle Schwimmen als Alternative für Übergewichtige Die Belastung der Muskeln ist laut dem Prof. für Sportmedizin beim Schwimmen relativ gering, vergleichbar mit Nordic Walking, allerdings natürlich abhängig von Intensität und Technik. Wie beim Radfahren wird das Gewicht des Körpers weggenommen, durch den Auftrieb des Wassers. Es ist auch gelenkschonend und deswegen für Übergewichtige besonders geeignet. "Aber untrainierte Schwimmer kommen schnell außer Puste und der Aufwand, bis man im Schwimmbad ist, ist relativ gesehen groß." Prof. Halle Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 11 Grenzen des Sports: Zu viel ist zu viel Wenn jemand, der übergewichtig ist und bisher inaktiv war, zum Beispiel an einem Walking-Kurs teilnimmt, kann das auch kontraproduktiv sein: Dreimal die Woche dreißig oder mehr Minuten in ordentlichem Tempo – das ist für die meisten dieser Menschen eindeutig zu viel. Das kann frustrieren oder auch eine Überlastungsstörung mit Abgeschlagenheit und Müdigkeit zur Folge haben. Der Untrainierte gibt häufig frustriert auf. "Im Februar ist bei uns in der Ambulanz sehr viel los. Dann kommen meistens Männer mit leichtem Übergewicht, die sich Sylvester vorgenommen hatten, ihr Leben umzustellen. Sie stellen fest, dass es ihnen nicht gut geht und der Hausarzt überweist sie an den Sportmediziner. Meist haben sie unter Belastung erhöhte Blutdruckwerte. Der Grund dafür: Sie haben mit viel Power ein Training begonnen, das oberhalb ihrer Belastungsgrenze liegt." Prof. Halle Wie man richtig beginnt Das Wichtigste ist maßvoll zu starten: Es reicht völlig, wenn man mit fünf Minuten am Tag beginnt und dann jede Woche eine Minute mehr trainiert. Nach 15 Wochen ist man dann bei 20 Minuten am Tag angekommen. Ist Faulheit tödlich? Übergewicht wird oft als sehr ungesund beschrieben. Natürlich ist stärkeres Übergewicht nicht gesund, aber die Rolle des Gewichtes wird überschätzt. Was oft vergessen wird, ist, dass sich Übergewichtige auch weniger bewegen und dieser Bewegungsmangel hat einen viel ungünstigeren Effekt auf die Gesundheit als das reine Gewicht. „Die zehn bis 20 Prozent der Übergewichtigen, die regelmäßig Sport treiben, haben kein erhöhtes Herz-Kreislauf- und Diabetes-Risiko. Damit wird deutlich, dass sportliche Faulheit größeren Schaden anrichtet als ein paar Kilo zu viel.“ Prof. Halle Welchen Sport treibt der Sportmediziner? „Ich fahre täglich mit dem Rad, manchmal bis zu 20 Kilometer von zu Hause zur Arbeit und wieder zurück. Außerdem gehe ich mindestens zweimal die Woche in der Früh joggen, manchmal auch dreimal.“ Prof. Halle Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 12