Gesundheitsgespräch Abnehmen - aber wie? Sendedatum: 14.05.2016 Experten: Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Internistin und Ernährungsmedizinerin, Universitätsklinik Erlangen Prof. Dr. Christoph Klotter, Psychologe und Ernährungsexperte an der Hochschule Fulda Autoren: Beate Beheim-Schwarzbach, Klaus Schneider Schön sein, heißt schlank sein, vermutlich deswegen tauchen regelmäßig vermeintlich neue Tipps auf, wie man das am einfachsten und schnellsten schafft. Leider erweisen sich aber viele Erfolgsversprechen in der Praxis als nicht einhaltbar. Denn am Anfang einer Diät ist die Motivation noch groß, doch im Verlauf lässt sie nach. Isst man nach der Hungerperiode wieder mehr, sind die Pfunde schnell wieder auf den Rippen und ohne dauerhafte Ernährungsumstellung bleibt der Erfolg aus. Abzunehmen sollten vor allem Menschen mit Übergewicht in Erwägung ziehen, denn auf diese Weise können sie eine ganze Reihe von Folgeerkrankungen vermeiden. Der Text beruht auf Interviews mit Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Internistin und Ernährungsmedizinerin am Universitätsklinik Erlangen und Prof. Dr. Christoph Klotter, Psychologe und Ernährungsexperte an der Hochschule Fulda. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 1 Übergewicht - Wann wird es medizinisch bedenklich? Unabhängig vom gängigen Schönheitsideal haben Wissenschaftler in eigenen Leitlinien festgelegt, wann man von Übergewicht spricht, wann von Adipositas und wann von einem metabolischen Syndrom. Während sich einerseits viele Mädchen und Jungen die Pfunde systematisch so herunterhungern, dass sie krank werden, schrumpft andererseits laut Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes (1999-2009) die Anzahl der Personen mit Normalgewicht. Eindeutig zugenommen hat im Gegenzug der Anteil der Bevölkerung mit Adipositas (schweres Übergewicht). Weitgehend konstant geblieben ist dagegen der Anteil der Personen mit Übergewicht. Auch wenn nicht bei jedem Patienten der Body Mass Index (BMI) als Richtschnur herangezogen werden kann, weil beispielsweise muskulöse Menschen, die viel Krafttraining machen, durch ihre Muskelmasse auch entsprechend Gewicht auf die Waage bringen können, entscheiden mittlerweile doch die meisten Mediziner an Hand des BMIs, ob jemand Übergewicht hat oder nicht. Der BMI berechnet sich nach Körpergewicht (Kilogramm) dividiert durch Körpergröße (Meter) im Quadrat. Beispiel: 83 kg : 1,88 x 1,88m = 23,48 (d.h. ca. 23,5) Die Leitlinie der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAAG) unterteilt: Personen mit Normalgewicht: BMI zwischen 18,5 und 24,9 Übergewichtige: BMI zwischen 25 und 29,9 Adipositas: BMI ≥ 30 „Wer übergewichtig ist und gleichzeitig eine Erkrankung hat, die dadurch bedingt ist, wie z.B. Diabetes mellitus oder Bluthochdruck, sollte aus medizinischer Sicht abnehmen. Wer dagegen adipös ist, auch wenn er scheinbar gesund ist, muss abnehmen.“ Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Internistin und Ernährungsmedizinerin, Universitätsklinik Erlangen. Bauchfett Wichtig aus medizinischer Sicht ist auch die Fettverteilung, denn besonders nachteilig wirkt sich das Fett im Oberbauchraum und an den inneren Organen (viszerales Fett) aus, denn das kann den Stoffwechsel von Fetten und Kohlenhydraten beeinflussen, so dass z.B. Diabetes entsteht. Außerdem kann sich dieses viszerale Fett negativ auf das Immunsystem auswirken, was zu chronischen Entzündungsreaktionen führen kann, die Tumorerkrankungen begünstigen. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 2 Tipp: Ein erhöhtes Risiko haben Frauen mit einem Taillenumfang über 88 cm und Männer über 102 cm. Folgekrankheiten Wer Adipositas hat, belastet sein Organe und Organsysteme, darüber hinaus haben Betroffene ein hohes Risiko für Typ-2-Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen. Sie riskieren, ausgeprägte Rückenprobleme zu bekommen, Gelenkstörungen und eine Fettleber. Das gilt auch für adipöse Kinder und Jugendliche, deren Anzahl in den letzten zwanzig Jahren gestiegen ist. Metabolisches Syndrom Weltweit gibt es dafür verschiedene Definitionen, als wichtigster Faktor jedoch gilt das Übergewicht bzw. Adipositas. International gebräuchlich sind vor allem folgende Risikofaktoren: Taillenumfang: Männer ≥ 94 bzw. > 102 cm, Frauen ≥ 80 bzw. > 88 cm Triglyceride (Blutfette): ≥ 150 mg/dl HDL-Cholesterin: Männer < 40 mg/dl, Frauen < 50 mg/dl Blutdruck: ≥ 130/85 mmHg Nüchternblutzucker: ≥ 100 mg/dL „Für den Begriff Fettleibigkeit gibt es keine eigene medizinische Definition, der Begriff ist vielmehr ein Synonym für Adipositas und umschreibt, dass eine überhöhte Fettmasse im Körper vorliegt, die zu Gesundheitsrisiken führt.“ Prof. Dr. Yurdagül Zopf. Gesellschaftliche Kosten Laut Deutscher Adipositas Gesellschaft sind Übergewicht und Adipositas mit hohen gesellschaftlichen Kosten verbunden, die jährlichen Ausgaben für die Behandlung von Folgeerkrankungen liegen in einer Höhe von ca. 15 Mrd. €. Dazu kommen Kosten für die Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit bzw. vorzeitiger Erwerbsunfähigkeit. Abnehmen - Mehr als eine optische Veränderung Wer abnimmt, muss nicht nur weniger Pfunde schleppen und gerät nicht mehr so schneller außer Puste. Auch viele Erkrankungen verschwinden. Deutliches Übergewicht zieht den ganzen Körper in Mitleidenschaft. Nimmt man ab und ändert seinen Lebensstil, kann man damit sehr viele Erkrankungen wie z.B. an den Gefäßen, Herz-Kreislauf und Gelenken positiv beeinflussen. Außerdem gilt: Wenn sich Übergewichtige regelmäßig ausdauernd bewegen, bauen sie Fettmasse ab und Muskelmasse auf. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 3 Nehmen Übergewichtige ab und bewegen sich regelmäßig und ausdauernd, dann verringern sie ihr Risiko für Typ-2-Diabetes und koronare Herzerkrankungen. Der Stoffwechsel verbessert sich, Blutzucker- und die Entzündungswerte sinken und die Insulin-Sensitivität der Organe nimmt wieder zu. Auch Muskeln und Gelenke profitieren. "Es geht darum, sich viel zu bewegen und die Einstellung zur Ernährung systematisch zu verändern. Dann nehmen Patienten ab, der Jo-Jo-Effekt kommt nicht zum Tragen." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Internistin und Ernährungsmedizinerin, Universitätsklinik Erlangen. Tipp: Schon regelmäßige körperliche Aktivität von einer halben Stunde pro Tag, fünfmal in der Woche, kann sich positiv auswirken. Gewicht reduzieren Die Interdisziplinäre Leitlinie zur Prävention und Therapie der Adipositas der Deutschen Adipositas Gesellschaft empfiehlt eine so genannte Reduktionskost, mit der täglich ca. 500 kcal weniger Energie aufgenommen wird, als der Körper benötigt. Das kann auf verschiedene Art und Weise passieren: • • • Reduktion des Fettverzehrs Reduktion des Kohlenhydratverzehrs Reduktion des Fett- und Kohlenhydratverzehrs Heilfasten und Co. Die Kalorienmenge deutlich zu reduzieren, empfiehlt sich nur für schwer übergewichtige, adipöse Patienten und zwar als Einstieg in eine Ernährungsumstellung. Sinnvoller für alle, die abnehmen wollen, ist systematisch Kalorien zu reduzieren. Abzulehnen ist, regelmäßige Hungertage einzulegen oder Intervallfasten, denn dies birgt gesundheitliche Risiken und man läuft Gefahr, anschließend womöglich umso mehr zu futtern. Mediterrane Kost Besonders gut zum Abnehmen eignet sich eine Umstellung der Ernährung auf die Mittelmeerküche, die aus viel Obst und frischen Gemüsen (zum Beispiel Tomaten, Auberginen, Paprika, Zucchini) besteht, aus magerem Fleisch, viel Fisch und Meeresfrüchten. Außerdem spielen in der mediterranen Kost Olivenöl, Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen, Kräuter und Gewürze eine Rolle sowie (Vollkorn-)Nudeln und Brot, Kartoffeln und Reis. Die Mittelmeerküche enthält viele Ballaststoffe, wenig Fett und wenig sogenannte einfache Kohlenhydrate (Zucker). Allerdings sollte man sie wirklich einhalten und nicht verfälschen. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 4 Essensrituale Wer seine Ernährungsgewohnheiten verändern möchte, kann auch darauf achten, ausschließlich in Ruhe und im Sitzen am Esstisch zu essen. Wer dagegen schnell, nebenbei und unkontrolliert isst, bei dem stellt sich der Sättigungseffekt nicht oder kaum ein. Außerdem hat man keinen Überblick darüber, was man isst. Für Menschen, die lange oder Schicht arbeiten, ist das allerdings im Alltag schwierig. Tipp: Krankenkasse fragen Viele Krankenkassen fördern Programme zum Abnehmen, in denen Menschen mit Übergewicht begleitet und über Monate geschult werden. Oft gibt es auch einen finanziellen Zuschuss. Es lohnt sich nachzufragen. Gesunde Ernährung – Informationen beschaffen Sich mit dem Thema Ernährung auseinanderzusetzen und sich zu informieren, ist der erste Schritt, um die Gewohnheiten zu verändern. Sich also zu fragen: Welche Nahrungsmittel sind wirklich gesund und welche nicht? Was passiert im Körper, wenn man so weitermacht, wie bisher? Wer begreift, was er seinem Körper mit den vielen Kalorien zumutet und welches Risiko er damit eingeht, Folgekrankheiten zu bekommen, ist eher bereit, die Ernährung umzustellen. "Ich habe einige Patienten, die verwundert waren, wie das Essen trotzdem schmecken kann und dass Fett nicht unbedingt als Geschmacksträger ständig vorhanden sein muss." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Internistin und Ernährungsmedizinerin, Universitätsklinik Erlangen. Eltern und Kinder Oft zeigt sich, dass Eltern die ungesunde Ernährung ihren Kindern vormachen und die sich anschließend genauso ernähren. In solchen Familien liegt Übergewicht scheinbar in den Genen, in Wirklichkeit handelt es sich aber eine antrainierte Essgewohnheit. Die kann man verändern. Untersuchungen zeigen, dass Kinder einer Schule, die anstelle von Apfelsaftschorle nur Wasser zu trinken bekamen, in relativ kurzer Zeit deutlich abgenommen haben. Smoothies Sie gelten als gesund und zeitgemäß und sind doch oft Kalorienbomben. Denn wer sich ein Smoothie aus zehn Äpfeln und fünf Orangen zubereitet, nimmt dadurch enorm viel Fruchtzucker zu sich. Den kann der Körper gar nicht verstoffwechseln und lagert ihn deswegen für schlechte Zeiten als Fettdepot an. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 5 Probiotische Getränke Ähnlich verhält es sich bei Yoghurt-Drinks aus dem Kühlregal, die bei vielen Menschen hohes Ansehen genießen, da sie glauben, damit bestimmte Kulturen aufzunehmen, die gut tun. Solche probiotischen Getränke enthalten in der Regel sehr viel Zucker, suggerieren jedoch einen gesunden Effekt. Wurst Wer dreimal am Tag Wurst isst, egal ob Wiener Würstchen, Salami oder Leberkäse, nimmt nicht ab, denn viele Wurstsorten enthalten große Fettmengen. Davon sollte man nur ab und zu essen und nicht täglich, denn Fett ist sehr kaloriendicht und führt zu Übergewicht. Saisonal und regional Wer sich gesund ernähren will, kann auf eine gesunde Mischung aus Vitaminen und Spurenelementen achten, und die enthalten vor allem auch Nahrungsmittel, die Zeit hatten, zu reifen und alle Nährstoffe zu entwickeln. Obst und Gemüse, das um die halbe Welt gereist ist, bevor es bei uns auf dem Tisch landet, wird dagegen unreif geerntet, damit es die Reise übersteht. "Schaffen es übergewichtige und adipöse Patienten abzunehmen, bessert sich das Körpergefühl und die Fitness. Dies kann Patienten motivieren, dauerhaft einen gesunden Lebensstil zu pflegen." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Internistin und Ernährungsmedizinerin, Universitätsklinik Erlangen. Richtig abnehmen – Wenn Diät nicht hilft, was dann? Es gibt tausende von Diäten. Kein Jahr, in dem nicht neue Ratgeber versprechen, die einzige wahre und ganz leicht umzusetzende Lösung für alle Probleme durch überflüssige Pfunde gefunden zu haben. Und doch: Am Ende schlägt die Waage wieder aus. Diäten sind Ausnahmezustände. Man unterwirft sich für einen gewissen Zeitraum einem Lebensstil, der nicht der ist, den man gewohnt ist. Es mag sein, dass in dieser Zeit eine Gewichtsabnahme stattfindet. Ein vielversprechender Erfolg! Doch mit Beendigung der Diät kehrt man in der Regel zu seinem üblichen Essensstil zurück. Das führt meist zum Gegenteil von dem, was man ursprünglich im Sinn hatte. Jojo-Effekt Wer versucht, mit Diäten Gewicht zu reduzieren, hat kaum eine Chance dazu. Von 100 Menschen, die eine Gewichtsabnahme durchführen, können sich 90 bis 95 Personen glücklich schätzen, wenn sie nach drei Jahren das gleiche Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 6 Gewicht haben wie zu Beginn der Intervention. Anders gesagt: Wer eine Diät macht, muss damit rechnen, aufgrund der Diät früher oder später mehr auf die Waage zu bringen, als davor. Langfristig Gewicht abnehmen können nur fünf Prozent. „Langfristig etwas zu verändern ist nur einer Minderheit möglich, was aber auch daran liegt, dass es falsch angegangen wird.“ Prof. Dr. Christoph Klotter, Ernährungspsychologe. Abnahme ist möglich. Das Schwierige ist jedoch das Aufrechterhalten des Gewichts. Belohnung durch Essen – eine Falle! Das limbische System - jene Einheit im Gehirn, die unsere Emotionen und unser Triebverhalten steuert - verlangt nach Belohnung. Der Mensch belohnt sich oft und gerne mit Essen. Bei einer Diät verweigern wir uns selbst die Belohnung. Das limbische System sagt dann: Wenn ich nicht mit Essen belohnt werde, muss ich mit etwas anderem belohnt werden. „Das limbische System ist gnadenlos! Das heißt, wer Gewicht reduziert, muss sein Belohnungssystem ändern.“ Prof. Dr. Christoph Klotter, Ernährungspsychologe Alternative Belohnung Wenn das Essen nicht mehr als Belohnung herhalten darf, müssen wir also sehen: Wie können wir uns belohnen, wenn wir weniger essen? Was macht mir Freude? Jeder muss herausfinden, was ihm oder ihr Spaß macht und dann das Essen dadurch ersetzen. Hier kann es helfen, sich an früher zu erinnern. Denn im Laufe des Erwerbslebens wird die Arbeit - oder auch die Kinderbetreuung - sehr dominant. Die Freizeitaktivität hingegen – all das, was früher einmal Spaß gemacht hat – stellt man zurück oder vergisst es ganz. "Wir müssen eine Work-Life-Balance finden und das Feld der Freizeitaktivitäten zurückerobern, damit wir dort die Belohnung finden, die wir mittlerweile nur durchs Essen bekommen haben. Für viele Menschen ist das Essen die einfachste Form der Belohnung, immer verfügbar, nicht kompliziert, es ist ein Griff in den Kühlschrank. Und genau das müssen wir ersetzen durch andere Formen der Belohnung, die wir früher gehabt haben." Prof. Christoph Klotter, Ernährungspsychologe Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 7 Essen als Ritual Das heißt nicht, dass Essen keinen hohen Stellenwert mehr haben dürfte – im Gegenteil. Essen sollte ritualisiert werden. Essen als Nebenbei-Beschäftigung darf dann in der Form nicht mehr stattfinden: kein Essen vor dem Fernseher, kein Essen ‚to go’. Das Essen sollte ein Ritus werden, das wieder einen hohen Stellenwert im Leben bekommt. Psychisch satt werden Selber zu kochen wäre auch eine Möglichkeit, das Essen zu ritualisieren – auch und vor allem zu zweit! Wer selbst kocht, hat zum einen die Chance, ein gesundes Essen zuzubereiten, zum anderen kann der Vorgang des Kochens zum gemeinsam erlebten Ritual werden und damit schon zur Belohnung. „Das Gemeinsame ist extrem wichtig, damit wir sozusagen auch psychisch satt werden. Überspitzt formuliert: Der einsame Fresser vor dem Fernseher wird überhaupt nicht satt. Er kann Chips essen, Gummibärchen, was auch immer – er wird nie richtig satt und isst deshalb zu viel. Aber wenn ich das Essen kultiviere, wenn ich es mit anderen einnehme, wenn ich ein schönes Gespräch habe, werde ich auch psychisch satt.“ Prof. Dr. Christoph Klotter, Ernährungspsychologe Faktor Zeit Nicht jeder hat tatsächlich die Zeit zum Kochen, weil beispielsweise zwei oder mehr Jobs gleichzeitig gar nicht genug Luft dazu lassen. Dann ist das Ritual beeinträchtigt oder nicht mehr möglich. Viele Menschen jedoch sagen ‚Ich habe keine Zeit zum Kochen’ und sehen am Abend dann stundenlang fern. Hier sollte jeder ehrlich zu sich sein. Struktur in Familien Geregelte Essenszeiten in Familien sind extrem wichtig. Studien zeigen: Wenn die Familie zusammen frühstückt, ist das Kind konzentrierter, lernt besser in der Schule, ist weniger anfällig für Essstörungen und hat ein deutlich geringeres Risiko, später Diabetes oder Adipositas zu bekommen. „Gemeinsames Essen - zum Beispiel das Frühstück – ist extrem gesundheitsförderlich. Es geht auch darum, den Tag gemeinsam zu beginnen im Rahmen der Familie.“ Prof. Dr. Christoph Klotter, Ernährungspsychologe Bariatrische Operationen Adipösen oder Menschen mit metabolischem Syndrom, die bereits Probleme mit ihrer Gesundheit haben, kann möglicherweise eine sogenannte bariatrische Operation weiterhelfen – also ein Magenband, ein Magen-Bypass oder eine Magenverkleinerung. Hierbei handelt es sich allerdings um einen Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 8 schwerwiegenden, oft irreversiblen Eingriff. Um einen solchen Eingriff vornehmen lassen zu können, müssen Patienten massiv adipös sein und sich zuvor intensiven Beratungsgesprächen unterziehen. Bariatrische Operationen - Gewichtsabnahme durch Magenverkleinerung Experte: Prof. Dr. Johannes Schmidt, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Landshut-Achdorf Autor: André Vinzce Extremes Übergewicht, besser gesagt Adipositas oder Fettleibigkeit, lässt sich nur mit Kaloriensparen und Bewegung kaum bekämpfen. Eine Magenverkleinerung ist oft die letzte Chance für Betroffene abzunehmen. Um den Magen zu verkleinern, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Welche Methode für eine OP in Frage kommt wird im Wesentlichen von dem Alter und der Lebensweise des Patienten bestimmt. Für die Magenverkleinerung gibt es verschiedene Methoden. Seit mehr als 30 Jahren führen Chirurgen die Magen-Bypass-Operation aus. Bald darauf entwickelten Mediziner die Methode mit dem Magenband. Inzwischen besteht auch die Möglichkeit, einen Großteil des Verdauungsorgans endgültig abzuschneiden. Als nichtchirurgische Maßnahme zur Reduzierung der Magenkapazität steht schließlich der Magenballon zur Verfügung. „Reine Magenverkleinerung gibt es nur durch Schlauchbildung und Magenbypass. Der Schlauchmagen wird deswegen bevorzugt, weil das mit dem geringsten Risiko verbunden ist. Beim Bypass wird ein Teil des Dünndarms ausgeschaltet, und dadurch wird die Nahrung letztlich langsamer aufgenommen und es kann eine Mangelerscheinung entstehen.“ Prof. Dr. Johannes Schmidt, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Landshut-Achdorf Bariatrische Operationen: Schlauchmagen, Magenband, Bypass Restriktive Techniken verringern das Fassungsvermögen des Magens, der sich schneller füllt. Dadurch fühlt sich der Patient früher satt und nimmt weniger Nahrung zu sich. Zu diesen Methoden gehören der Schlauchmagen und das Magenband. Bypass-Techniken umgehen einen Teil des Verdauungstraktes. Auf diese Weise schränken sie die Nährstoffaufnahme ein. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 9 Schlauchmagen Bei der Schlauchmagen-Operation entfernt der Chirurg einen Teil des Organs. Somit entsteht ein kleinerer Magen, der dann die Form eines Schlauches hat. Da der Teil des Magens entfernt wird, der das Hungerhormon Ghrelin bildet, fühlt sich der Patient schneller satt. Allerdings muss er nach der Operation in der Regel zusätzliches Vitamin B12 zu sich nehmen, da durch die Verkleinerung des Magens nicht mehr genug Substanz zur Aufnahme von Vitamin B12 aus der Nahrung gebildet wird. Magenband Bei einem Magenband bleibt das Verdauungsorgan komplett erhalten. Der Chirurg bindet einen Teil des oberen Magens ab. Zum ausgedehnten Rest bleibt nur ein schmaler Durchgang. Dieser „Vormagen“ leistet dann die Verdauungsarbeit und bestimmt vor allem, wie viel Nahrung satt macht. Der größte Vorteil des Magenbands ist, dass der Chirurg es wieder entfernen kann. Bypass Bei diesem Eingriff handelt es sich um eine große Operation mit zahlreichen Darmnähten. Zuerst wird der Magen verkleinert und anschließend mit einer tiefer liegenden Dünndarmschlinge vernäht. Dies sorgt dafür, dass der Körper durch den kürzeren Darm weniger Kohlenhydrate aufnehmen kann und der Zwölffingerdarm ausgeschaltet ist. Der Eingriff begrenzt nicht nur die Aufnahme der Nahrung sondern auch die Verwertung der darin enthaltenen Nährstoffe. So können nach der Operation Nährstoffmangelsyndrome auftreten. Der Patient muss meist lebenslang ergänzend Vitamine, Spurenelemente und Eiweiß zu sich nehmen. Biliopankreatische Teilung Dieser operative Eingriff ist die massivste, aber auch wirkungsvollste Methode für einen erheblichen Gewichtsverlust bei Fettleibigkeit. Die biliopankreatische Teilung entspricht in etwa einer verschärften Version der MagenbypassOperation. Allerdings wird der Restmagen, anders als beim Magenbypass, entfernt. „Die meisten Adipositaschirurgen präferieren mittlerweile für alle Situationen den Schlauch, wenn man aber damit nicht klarkommt, ersetzt man den Schlauch mit Bypass, was ohne Probleme geht.“ Prof. Dr. Johannes Schmidt, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Landshut-Achdorf Nichtoperative Maßnahme: Magenballon Schluckballon Dabei schluckt der Patient eine kleine, ungefähr drei Zentimeter lange ovale Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Nachteile des Magenballons Nach einigen Monaten muss jedoch der Ballon entfernt werden, weil das Material durch die Magensäure porös wird. Der Ballon eignet sich daher nicht als Dauertherapie. Patienten mit einem Magenballon haben ein erhöhtes Risiko für Magengeschwüre. Komplikationen der Magenverkleinerung Komplikationen können bei der Operation vor allem durch das Übergewicht und die Begleiterkrankungen des Patienten entstehen. Direkt nach dem Eingriff können wie bei jeder Operation Schmerzen, Blutungen, Wundheilungsstörungen und Infektionen auftreten. Risiken Der chirurgische Eingriff wegen Fettleibigkeit gilt als das letzte Mittel für eine Gewichtsabnahme. Alle Verfahren der Magenverkleinerung mit Ausnahme des Magenballons werden in Vollnarkose durchgeführt. Während des Eingriffs kann es zu Blutungen, Blutergüssen und zu Infektionen kommen. Auch Schmerzen und Gefühlsstörungen im Operationsgebiet können auftreten. Wie nach jeder Operation, ist auch nach einer Magenverkleinerung die Bildung von Blutgerinnseln oder sogar deren Verschleppung nicht auszuschließen. Gelangt ein solches Blutgerinnsel in die Lunge besteht sogar Lebensgefahr. „Das Hauptproblem dieser Eingriffe ist der Bruch der Naht. Dann geht die Flüssigkeit vom Magen bzw. von der Speiseröhre direkt in den Bauchraum. So können Entzündungen auftreten, es kann schlecht abheilen, der Patient kann schwer septisch werden. Solche Komplikationen treten höchstens in 0,1 bis 0,5 Prozent der Fälle auf.“ Prof. Dr. Johannes Schmidt, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Landshut-Achdorf Nachsorge Zur Nachsorge und Langzeittherapie gehört eine psychologische und Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Die stark gedehnte und ausgeleierte Haut bildet sich nur wenig zurück, wenn das darunterliegende Fett schmilzt. In den tiefen Falten entstehen auch leicht Infektionen und Ekzeme. Dann sind die plastischen Chirurgen gefragt, die Hautlappen zu entfernen. Zahlt die Krankenkasse? Eine Magenverkleinerung gehört nicht zu den normalen Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Die Finanzierung durch die Krankenkasse kann aber im Einzelfall mit Erfolg beantragt werden. Zur Voraussetzung gehört die Teilnahme an einem multimodalen Therapiekonzept, wie es die meisten Adipositaszentren anbieten. Daran sind Psychologen, Internisten, Adipositaschirurgen, Ernährungsberater und Bewegungstherapeuten beteiligt. „Wenn die Patienten die von den Adipositaszentren angebotenen Kurse gemacht haben und beweisen, dass sie ihre Lebensgewohnheiten geändert haben, dann muss man das der Krankenkasse mit einem Gutachten des Adipositaszentrums mitteilen. Dann werden die Kosten auch übernommen, aber es ist ein genehmigungspflichtiges Verfahren.“ Prof. Dr. Johannes Schmidt, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Landshut-Achdorf Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 12