Die Atmosphäre als Globales Gemeinschaftsgut

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Die Atmosphäre
als
Globales Gemeinschaftsgut
Treffen im Jesuitenkolleg
Innsbruck, 18. November 2013
Prof. Dr. Ottmar Edenhofer
Gliederung
1. Gibt es überhaupt ein „Klimaproblem“?
2. Die Atmosphäre als globale Allmende
3. Die „Energiewende“ in europäischer und
internationaler Perspektive
4. Was kann getan werden, auch wenn ein
internationales Klimaabkommen noch in weiter Ferne
liegt?
Gliederung
1. Gibt es überhaupt ein „Klimaproblem“?
2. Die Atmosphäre als globale Allmende
3. Die „Energiewende“ in europäischer und
internationaler Perspektive
4. Was kann getan werden, auch wenn ein
internationales Klimaabkommen noch in weiter Ferne
liegt?
SPM WG I, IPCC 2013
Ist die globale Erwärmung beendet?
4
Santer et al., 2011
Ist die globale Erwärmung beendet?
• Mit Blick auf die letzten 10 Jahre scheint sich die globale Erwärmung verlangsamt
zu haben oder sogar zum Stillstand gekommen zu sein
• Hat der IPCC einen bedeutenden Fehler gemacht?
• Gibt es die globale Erwärmung überhaupt?
5
Santer et al., 2011
Der Einfluss des Zerschneidens von Daten!
• Mögliche Gründe für stabile Temperaturen der letzten Dekade:
• Verlangsamung im letzten Jahrzehnt liegt im Rahmen natürlicher Schwankungen
(La Niña, Sonne und Vulkane); mehr Wärme im tiefen Ozean konsistent mit
verstärktem La Niña
• 1997/98 außergewöhnlich warm aufgrund von El Niño
• Kühlungseffekt der steigenden Luftverschmutzung, besonders des Schwefels
• Weiterer Temperaturanstieg wahrscheinlich, sobald politische Massnahmen zur
Luftreinhaltung auch in Schwellenländern in Kraft treten
• Der Blick auf längerfristige Trends zeigt, dass die globale Erwärmung keinesfalls
zum Stillstand gekommen ist
6
Durch neue Datenmessungen ist die Erwärmungspause
verschwunden – „Arktisloch“
Nach Füllen der Datenlücken liegt dieser Trend bei 0,12 Grad pro Jahrzehnt und ist
genau gleich dem vom IPCC genannten Langzeittrend, siehe (Cowtan und Way
2013)
7
SPM WG I, IPCC 2013
Die globale Erwärmung ist nicht beendet
Die letzte Dekade
war im Durchschnitt
die wärmste seit 1850
8
Gliederung
1. Gibt es überhaupt ein „Klimaproblem“?
2. Die Atmosphäre als globale Allmende
3. Die „Energiewende“ in europäischer und
internationaler Perspektive
4. Was kann getan werden, auch wenn ein
internationales Klimaabkommen noch in weiter Ferne
liegt?
Der Lotteriegewinn des fossilen Ressourcenbestandes!
7
7000
Emissions
Population
5
5000
Per Capita GDP
2000
0
1800
0
1600
1000
1400
1
1200
2000
1000
2
800
3000
600
3
400
4000
200
4
0
Emissions (GtC/yr)
Population (Billions)
6000
Per Capita GDP (1990$)
6
Year
Edenhofer et al. 2012
10
Klimapolitik als Versicherung
IPCC SRREN 2011
GHG-emissions resulting from the provision of energy services contribute
significantly to the increase in atmospheric GHG-concentrations.
11
Preisentwicklung steigert Attraktivität der Kohle
Preise von Energieträgern
(in US$ pro Barrel Öläquivalent)
IMF 2011
12
Wir sind nicht auf dem richtigen Weg
SRREN, Edenhofer et al. 2011
13
Knappheit fossiler Rohstoffe kann Klimawandel nicht
verhindern
SRREN, Edenhofer et al. 2011
14
Die Atmosphäre als globales Gemeinschaftsgut
(„Global Common“)
Atmosphäre: Begrenzte Senke
~ 230 GtC
Ressourcenextraktion
> 12.000 GtC
15
Was sind Commons?
Rivalität
hoch
leicht
niedrig
Private Güter
Club Güter
Common-Pool
Ressourcen
Öffentliche Güter
Exklusion
schwer
(Erschöpfung, Überfüllung)
16
Die Global Commons
Atmosphäre
Luft
Wälder
Social
Commons
Land
Land
Wasser
Ozeane
Erschöpfbare
Ressourcen
17
Das Eigentum in der Soziallehre der Kirche
Universale Bestimmung der Erdengüter sieht die Schöpfung als
Gemeineigentum der gesamten Menschheit.
Privateigentum kann nur gerechtfertigt werden, wenn es mit dem
Grundsatz der universalen Bestimmung der Erdengüter vereinbar ist.
Die Rechtfertigung des Privateigentums bezieht sich dabei auf: das
Eigentum an natürlichen Ressourcen und das Eigentum an
menschengemachten Produkten (Arbeit als Rechtfertigung für die
Aneignung von Gütern).
Bereits der private Eigentümer wird als Treuhänder der Erdengüter
verstanden. Das Problem der Commons ist jedoch in der katholischen
Soziallehre bestenfalls indirekt thematisiert. In der Auseinandersetzung
mit Henry George in Rerum Novarum, später in Quadrageismu Anno,
Gaudium et Spes, Sollicitudo Rei Socialis und Centesimus Annus
wurde die Sakralisierung des Privateigentums überwunden und die
„Allgemeine Bestimmung der Güter“ entfaltet.
18
Das Paradigma von Elinor Ostrom – Tertium Datur
• Jenseits von Markt und Staat gibt es eine
Alternative
• Die Tragödie der Allmende kann auch ohne
Diktatur vermieden werden
• Democracy by deliberation
• Vertrauen und Normen als
Koordinationsmechanismen jenseits von
Tausch und Befehl
Elinor Ostrom (1933-2012)
“No panaceas! We tend to want simple formulas. We have two main prescriptions: privatize the
resource or make it state property with uniform rules. But sometimes the people who are living
on the resource are in the best position to figure out how to manage it as a commons.”
Ostrom in einem Interview 2010
19
Die große Transformation
Energiebedingte CO2-Emissionen und
Minderungsbeiträge verschiedener Technologien
Klimaschutzkosten:
1-2% des globalen BSP
Luderer et al. 2013, ERL
20
Der Zusammenhang zwischen Klimazielen und den
Kosten des Klimaschutzes
Klimaschutzkosten [% BSP]
500 $/tCO2
^
200 $/tCO2
Kosten steigen mit
zunehmender Stringenz des
Klimaziels stark an
100 $/tCO2
50 $/tCO2
30 $/tCO2
10 $/tCO2
Globale Erwärmung
Luderer et al. 2013, ERL
21
Was passiert, wenn ein globales Klimaabkommen sich
weiter verzögert?
ΔT ≈ 3.5°C
ΔT < 2°C
G. Luderer et al. : Feasibility of 2°C
Luderer et al. 2013, ERL
2222
Reduktion des Wirtschaftswachstums* [%]
Verzögerte Klimapolitik und kurzfristige
Klimaschutzkosten
Erreichtes Klimaziel
*Reduktion des Wirtschaftswachstums während der ersten 10 Jahre
nach Einführung des globalen Klimaregimes [%]
Luderer et al. 2013, ERL
23
Energiepreisanstieg
* [%]
Energiepreisanstieg
[%]
Der Einfluss der Technologieauswahl auf
Energiepreise
Erreichtes Klimaziel
*Politikbedingter Anstieg des globalen Energiepreisniveaus innerhalb der ersten 10 Jahre
nach Einführung des Klimaregimes [%]
Luderer et al. 2013, ERL
24
Reduktion des Wirtschaftswachstums* [%]
Zusammenwirken von Technologieauswahl und
Klimapolitik
Begrenzte
Bioenergie
(LimBio)
*Reduktion des Wirtschaftswachstums während der ersten 10 Jahre
nach Einführung des globalen Klimaregimes [%]
Luderer et al. 2013, ERL
25
Nicht möglich
Reduktion des Wirtschaftswachstums* [%]
Zusammenwirken von Technologieauswahl und
Klimapolitik
Keine
CCS-Nutzung
(NoCCS)
Je später es zu einem
globalen Klimaregime
kommt, desto stärker ist
die Welt auf Bioenergie
und CCS angewiesen.
*Reduktiondes
desWirtschaftswachstums
Wirtschaftswachstumswährend
währendder
derersten
ersten10
10Jahre
Jahre
*Reduktion
nachEinführung
Einführungdes
desglobalen
globalenKlimaregimes
Klimaregimes[%]
[%]
nach
Luderer et al. 2013, ERL
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Gliederung
1. Gibt es überhaupt ein „Klimaproblem“?
2. Die Atmosphäre als globale Allmende
3. Die „Energiewende“ in europäischer und
internationaler Perspektive
4. Was kann getan werden, auch wenn ein
internationales Klimaabkommen noch in weiter Ferne
liegt?
Warum ein CO2-Preis für die Energiewende
unverzichtbar ist
Spannbreite der Nachfrage
Preis
Spitzenkraftwerk
Erdgas
Steinkohle
Preisspanne
Braunkohle
Angebot
Altes System: Angebot konventionell; Nachfrage fluktuierend

Preis wird durch Grenzkraftwerk bestimmt, meistens Gaskraftwerk

mittlerer Preis entspricht in etwa den Grenzkosten des Gaskraftwerks

große Preisspanne aufgrund der Variation bei der Nachfrage
28
Veränderungen auf dem Strommarkt
Spannbreite der Nachfrage
Preis
Spitzenkraftwerk
Erdgas
Steinkohle
Braunkohle
Erneuerbare
Preisspanne
Angebot
Neues System: Erneuerbare kommen mit Grenzkosten von null in den Markt
Spitzenkraftwerke und weniger effiziente Gaskraftwerke werden nicht mehr
gebraucht  Anlagen werden stillgelegt
niedriger mittlerer Preis reduziert den Anreiz für Neuinvestitionen
niedrige Preisspanne reduziert den Anreiz für Speichertechnologien
29
Kohle wird wieder rentabel
Spannbreite der Nachfrage
Preis
Spitzenkraftwerk
Peaking plants
Erdgas
Natural gas
Preisspanne
Steinkohle
Hard coal
Braunkohle
Lignite
Erneuerbare
Preisspanne
Fluktuation
Angebot
Fluktuationen sind bedeutend bei hohem Anteil der Erneuerbaren
“Linksverschiebung” des konventionellen Angebots, wenn das Angebot der
Erneuerbaren niedrig ist
nicht genügend Angebot, wenn gleichzeitig die Nachfrage hoch ist
Verlässlichkeit / Versorgungssicherheit ist gefährdet
30
2500
25,0
2000
20,0
Cap
1500
15,0
Emissions
1000
10,0
500
5,0
0
0,0
billions €
15000
2005
2009
Euros
Mt CO2-eq
Was ist falsch am EU ETS?
Offsets
CO2 price
2013
GDP(actual)
10000
GDP Baseline
(PRIMES 2007)
5000
0
Share of Gross Final
Consumption
25
2005
2009
2013
REN Elect. (actual)
20
REN Elect.
(expected)
REN Energy (actual)
15
10
5
0
2005
2009
Sources: Grosjean (2013), own compilation based on: Beurskens and Hekkenberg (2011),
EEA (2013), European Commission (2007), Eurostat (2013), Point Carbon (2013).
2013
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Gliederung
1. Gibt es überhaupt ein „Klimaproblem“?
2. Die Atmosphäre als globale Allmende
3. Die „Energiewende“ in europäischer und
internationaler Perspektive
4. Was kann getan werden, auch wenn ein
internationales Klimaabkommen noch in weiter
Ferne liegt?
Wie hoch sind CO2-Preise & soziale Kosten von Kohlenstoff?
Bauer et al. 2013
‘Kopenhagen Plus‘ ist die Fortführung freiwilliger
Minderungsverpflichtungen (’non-binding
pledges‘) (ReMIND)
EPA berechnet die sozialen Kosten für
Kohlenstoff für Regulierung (Clean Air Act)
Nordhaus berechnet CO2-Preise mit KostenNutzen-Analyse
Zentrale Ergebnisse
• Nordhaus und EPA starten auf hohem
Niveau, nehmen aber nur linear zu
• Stabilisierungspreise starten relativ
niedrig, aber nehmen exponentiell zu
• einigten wir uns auf einen Konsens,
wäre die Bandbreite viel geringer
33
Knappheitsrente für fossile Brennstoffe und Kohlenstoff
Bauer et al. 2013
• Kohlerente ist gering, Ölrente hoch
• Fossile Renten nehmen zu, wenn
Klimaziele strenger werden
Kohle
- Rente verschwindet fast gänzlich
- Reserven bleiben teilweise im Boden
Öl
- Rente sinkt, aber nicht signifikant
- Ölkonsum übersteigt Reserven
- nur Ressourcen bleiben teilweise im
Boden
• Überkompensierung durch Klimarente
Strengere Klimapolitik
• allerdings kann die höhere Klimarente
nicht den GDP-Verlust ausgleichen
34
Das alte „double dividend“-Argument
 Einführung einer CO2-Steuer ermöglicht Senkung von Steuern auf Arbeit und
Kapital
 Einführung von steuerlichem Grenzausgleich (border adjustments)
 einige Studien (z. B. Fischer/Fox 2012) berechnen einen NettoWohlfahrtsgewinn für diese Politik
Das Problem dieses Arguments:

die Produktivitätszuwächse von Infrastrukturinvestitionen werden vernachlässigt

die Herausforderung von Steuerwettbewerb zwischen Regierungen wird
übergangen

notwendige Handlungsspielräume der Nationalstaaten ausgeblendet
35
Die dreifache Dividende
 Finanzierung durch CO2 hat weniger verzerrende Wirkung als die Besteuerung
durch Kapital und Arbeit, wenn CO2 der relativ fixere Produktionsfaktor ist.
 Investition in die Infrastruktur erlaubt eine hohe soziale Rendite.
 Besteuerung durch CO2 erlaubt das Erreichen anderer wichtiger energie- und
umweltpolitischer Ziele, wie z. B. Verminderung der lokalen Luftverschmutzung
und Verminderung der Abhängigkeit von Ölimporten.
36
Entwicklung der Struktur der Besteuerung
Benassy-Quere 2010
Besteuerung mobiler und immobiler Produktionsfaktoren in der EU
a) Corporate tax rate
b) Standard VAT rate in the EU
 Besteuerung der „Renten“ als Ausweg?
37
Öffentliche Unterinvestition in Infrastruktur?
Autobahnbau in den USA (Gramlich 1994):
• Wartungsarbeiten:
• Neubauprojekte in Städten:
• Neubauprojekte auf dem Land:
35%
15%
(low)
‘Return on ”ordinary“
investments’ in den USA
(1926-2000): 8.8 %
Positive Korrelation zwischen Wachstum und
Infrastrukturbestand (Calderon and Serven 2004):
• 0.15 für Telefone
• 0.13 für Stromerzeugungskapazität
• 0.21 für Straßenlänge
38
Zugang zur Infrastruktur…
Selected infrastructure access rates, 2010
Percent access to electricty
Percent access to sanitation
Percent
Low-income economies
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
· ≈
WC
Percent access to all-weather roads
Percent access to mobile phones
Lower-middle-income
economies
· ≈
WC
Percent access to safe water
Upper-middle-income
economies
· ≈
WC
High-income economies
· ≈
WC
Note: Used 2010 for all categories except roads which only extends through 2005; Access to all-weather roads refers to the percentage of the rural population with access.
Source: WDI 2010-2011
Rothman et al. 2012
39
Die Lösung
Besteuerung von CO2 ist die bevorzugte Alternative, um
• Infrastrukturprojekte zu finanzieren (selbst wenn Klimaschutz
keine politischen Mehrheiten hätte), weil
• hohe ‚social return on investment‘ Investitionen in
Infrastruktur wachstumsfördernd sind
• Verlagerung von Industriestandorten und Investitionen durch
Besteuerung fixer Produktionsfaktoren auch bei hoher
Kapitalmobilität gebändigt wird.
40
Vergleich zwischen Ressourcen- bzw. Landrente und
öffentlichen Investitionen
30%
25%
non-producible factors' income share [% of GDP, 1996]
public investment [% of GDP, aver. 2006-2011]
20%
15%
10%
5%
0%
Data sources: (1) Non-producible factors’ income share: Caselli and Feyrer (2007); (2) Public investment: OECD (2013); ISO3 country codes.
 Besteuerung von Knappheitsrenten birgt das Potential,
öffentliche Güter zu finanzieren!
41
Was folgt daraus für die Klimapolitik?
• Klimapolitik führt zu einer hohen Klimarente.
• Diese überkompensiert den Verlust der Ressourcenrente auf
fossile Rohstoffe.
• Klimarente ermöglicht (internationale) Umverteilung und/oder
öffentliche Investitionen.
• Entwicklungsländer könnten Infrastruktur und andere
wachstumsfördernde Investitionen finanzieren (e. g. Bildung,
Gesundheit, Zugang zu Energiedienstleistungen…).
• Rentenbesteuerung ist besonders sinnvoll für Länder, die sich im
Steuerwettbewerb befinden.
• Es gibt außerdem positive Synergien zwischen Minderung von
CO2-Emissionen und anderen Politikzielen, wie z. B. Luftqualität
und Energiesicherheit.
42
Vielen Dank!
Treffen im Jesuitenkolleg
Innsbruck, 18. November 2013
Prof. Dr. Ottmar Edenhofer
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