1.3.10 Photowiderstände

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1 Grundlagen der Elektrotechnik
1.3.10 Photowiderstände
In Halbleiterstoffen können Elektronen durch Energiezufuhr aus ihren Bindungen (Elektronenpaarbindungen) gerissen werden. Am bekanntesten ist die Erhöhung der Zahl an freien Elektronen durch Zufuhr von Wärmeenergie. Da aber Licht ebenso eine Energieform ist, gelingt es
auch mit seiner Hilfe, die Leitfähigkeit von Halbleitern beträchtlich zu erhöhen. Deshalb werden Halbleiter-Bauelemente in Glasgehäusen mit einem lichtundurchlässigen – meistens
schwarzen – Lack vor Lichteinwirkung geschützt. An der Vorderseite passiert das Licht weitgehend ungehindert das Glasgehäuse. Bild 1-41 zeigt den Kurvenverlauf der spektralen Empfindlichkeit zwischen dem menschlichen Auge und zwei Photowiderständen. Photowiderstände
bezeichnet man häufig auch als LDR-Bauelemente (Light Dependant Resistor)
Bild 1-41
Spektrale Empfindlichkeit in Abhängigkeit
der Lichtwellenlänge l in nm (Nanometer)
a) menschliches Auge nachts
b) menschliches Auge tags
c) CdS-Photowiderstand
d) PbS-Photowiderstand
In der Praxis verwendet man Cadmiumsulfid (CdS), Cadmiumselenid (CdSe) und Bleisulfid
(PbS). Photowiderstände enthalten unter dem Glas eine dünne mäanderförmige Schicht aus
einem dieser lichtempfindlichen Halbleiterwerkstoffe und sind in Glaskolben eingeschmolzen.
Die lichtempfindliche Fläche hat eine Größe zwischen 0,01 cm2 und 3 cm2.
Bild 1-42
Arbeitsweise, Symbol und
Kennlinien von Photowiderständen
1.3 Ohmsche Widerstände
53
Wenn in Bild 1.42 das Licht (Photonen) auf die Mischkristalle einwirkt, verändert sich der
Innenwiderstand, wobei je nach Widerstandsmaterial die spektrale Empfindlichkeit von ultravioletten (UV-Strahlung) bis zum infraroten (IR-Strahlung) Bereich reicht. Photowiderstände
zeichnen sich durch die höchste Lichtempfindlichkeit unter den photoelektronischen Bauelementen aus. Ihre Widerstandsänderung in Abhängigkeit von der Beleuchtungsstärke reicht von
etwa 100 W bis 1 kW. Beim RPY60 ist der Hellwiderstand RH in Abhängigkeit der Lichtstärke
Lx (Lux) und beim RPY 63 der Photostrom IP in Abhängigkeit der Spannung U gezeigt.
Der Temperaturkoeffizient ist mit TK < 1 %/K gering. Nachteilig ist die relativ große Trägheit
gegenüber Helligkeitsschwankungen mit Zeitkonstanten bis zu 100 ms. Das Ansteigen des Hellwiderstands RH und Verringerung des Dunkelwiderstands mit zunehmendem Alter lässt sich durch
künstliche Alterung verringern. Die maximal zulässige Arbeitstemperatur für CdSPhotowiderstände liegt bei 70 °C. Die höchstzulässige Verlustleistung bei einer Umgebungstemperatur liegt bei Pmax = 50 mW und die maximal zulässige Betriebsspannung beträgt bis zu 60 V.
Im unbeleuchteten Zustand ist ein Photowiderstand sehr hochohmig und man hat den „Dunkelwiderstand“, der bis zu einigen MW reichen kann. Hierbei ergibt sich ein sehr kleiner Stromfluss, der sich kaum messen lässt. Mit zunehmender Beleuchtung verringert sich der Innenwiderstand auf 1/1000 des Dunkelwiderstands. Als Messgröße des Lichts wird die Beleuchtungsstärke E in Lux zugrunde gelegt, d. h. eine Glühlampe mit 230 V/25 W in einem Abstand
von 1 m hat eine Beleuchtungsstärke von ca. 50 Lux. Eine Glühlampe mit 230 V/50 W in einem Abstand von 2 m hat ebenfalls eine Beleuchtungsstärke von ca. 50 Lux.
1.3.11 Varistoren (VDR-Widerstände)
VDR-Widerstände (Voltage Dependant Resistor) sind Halbleiterbauelemente, dessen Innenwiderstand richtungsunabhängig mit zunehmender Spannung kleiner wird. Bild 1-43 zeigt den
schematischen Aufbau, das Symbol und die Kennlinie.
Bild 1-43
Schematischer
Aufbau, Symbol
und Kennlinie
eines Varistors
(VDR-Widerstand)
Varistoren (VDR-Widerstände) bestehen aus Siliziumkarbidkörnern (SiC), die mit einem Bindemittel zusammen gesintert werden. Sie zeigen einen rasch abnehmenden Widerstandswert,
wenn die angelegte Spannung erhöht wird.
Metalloxid-Varistoren sind im Aufbau einem Plattenkondensator vergleichbar, jedoch anstelle
des Dielektrikums enthalten sie gesintertes Zinkoxid mit Beimengungen anderer Metalloxide.
Sie zeichnen sich durch eine Z-Dioden-Charakteristik und sehr hohe Belastbarkeit aus. Der
54
1 Grundlagen der Elektrotechnik
Innenwiderstand von über 1 MW bricht bei Überspannung in weniger als 50 ns bis auf 100 W
zusammen. Diese hohe Spannungsabhängigkeit beruht auf dem veränderbaren Kontaktwiderstand zwischen den zusammengesinterten Zinkoxidkristallen.
Der schematische Aufbau in Bild 1-43 zeigt einen Varistor, der aus feinkörnigem Siliziumkarbid (SiC) besteht und der unter mehr oder weniger hohem Druck zu überwiegend scheibenförmigen Widerstandskörpern zusammengesintert wird. An den Berührungsflächen der nebeneinanderliegenden Siliziumkarbidkörner tritt eine Gleichrichterwirkung (PN-Übergang) auf. Da in
einem Varistor aber auf kleinstem Raum sehr viele Körner nebeneinander und deren
Berührungsflächen räumlich willkürlich zueinander liegen, ergibt sich keine eindeutige Sperroder Durchlassrichtung. Legt man an ein Bauelement eine Spannung bestimmter Richtung,
kann der Strom nur über die Kette der zufällig in Durchlassrichtung liegenden Diodenstrecken
fließen. Wie man aber von einem PN-Übergang weiß, dass über ihn in Durchlassrichtung erst
ein Strom fließt, wenn die angelegte Spannung größer als die Diffusionsspannung ist. Da im
Varistor eine Vielzahl von PN-Übergängen in Reihe geschaltet sind, addieren sich deren
Diffusionsspannungen auf Werte zwischen 60 V und mehreren 1000 V. So kommt es, dass erst
bei verhältnismäßig hohen Spannungen ein merklicher Stromanstieg erfolgt. Wird die angelegte
Spannung umgepolt, liegt wieder eine andere Kette von PN-Übergängen zufällig in der
Durchlassrichtung. In entgegengesetzter Richtung wiederholt sich der gleiche Vorgang, d. h.
erst wenn die angelegte Spannung größer als die Summe der Differenzspannungen ist, beginnt
der Strom zu fließen. Das Verhalten eines Varistors wird durch seine Kennlinien
wiedergegeben, denn man erkennt einen symmetrischen Verlauf für positive und negative
Spannungsrichtung.
Varistoren sind ideal für die Begrenzung von Wechselspannungen bzw. Pulsspannungen oder
Spannungsstößen, die elektronische Geräte vor Überspannungen schützen.
1.4 Kondensatoren
1.4 Kondensatoren
Kondensatoren sind Bauelemente, die im Prinzip aus zwei gegenüberliegenden, leitfähigen Metallplatten bestehen. Die beiden Metallplatten sind durch eine Isolierschicht (Dielektrikum) getrennt. Bei der Verwendung von Kondensatoren wird die Wirkung des elektrischen Felds zwischen den beiden Kondensatorplatten ausgenutzt. Dadurch lassen sich entsprechende
Ladungsmengen speichern, wobei die Kapazität eines Kondensators von mehreren Faktoren abhängig ist, wie die Größe und Beschaffenheit der Plattenoberfläche, der Abstand der Platten zueinander, die Leitfähigkeit des Dielektrikums für elektrische Feldlinien und die Anzahl der Platten.
1.4.1 Physikalische Grundlagen
Zwei gegeneinander isolierte Metallplatten bilden einen Kondensator. Mit einem Kondensator
lassen sich Elektronen ansammeln bzw. speichern. Die einfache Bauform eines Kondensators
sind zwei Metallplatten, die parallel angeordnet sind und durch Luft gegeneinander isoliert
sind. Bild 1-44 zeigt Ladung und Entladung an einem Kondensator.
Bild 1-44
Ladung und Entladung
eines Kondensators
1.4 Kondensatoren
55
Ein Plattenkondensator besteht aus zwei ebenen, parallel angeordneten Metallplatten, die durch
Luft gegeneinander isoliert sind. Wird der Schalter mit der positiven Betriebsspannung verbunden, entsteht ein Stromstoß, d. h. es fließt ein kurzer Ladestrom, durch den der Kondensator
geladen wird. Öffnet man den Schalter, bleibt zwischen beiden Platten eine Spannung bestehen,
die genau so hoch ist wie die Spannung der Gleichstromquelle. Wird der geladene Kondensator
über den Widerstand kurzgeschlossen, fließt solange ein Entladestrom, bis an den beiden Kondensatorplatten keine Ladung mehr vorhanden ist. Dieser Entladestrom hat die umgekehrte
Richtung wie der Ladestrom.
Die Elektrizitätsmenge (Ladung), die ein Kondensator aufnehmen kann, hängt von seinem
elektrischen Fassungsvermögen (Speicherfähigkeit) und von der angelegten Spannung ab. Das
Fassungsvermögen entspricht der Kapazität eines Kondensators und wird in Farad angegeben.
Ein Kondensator hat die Kapazität von 1 Farad, wenn er an einer Spannung von 1 V eine Ladung von 1 Amperesekunde = 1 Coulomb aufnimmt.
Die Ladungsmenge Q, die ein Kondensator C speichern kann, hängt von seiner Kapazität und
der von außen anliegenden Spannung ab. Die Ladungsmenge berechnet sich aus
Q = C× U
Q
C
U
= Gesamtladung in As
= Gesamtkapazität in F oder As/V
= Spannung in V
Die Einheit der Kapazität ist nach dieser Formel festgelegt. Eine Ladungsaufnahme von 1 As
bei 1 V entspricht der Kapazität von 1 Farad (F = 1 As/V). In der Praxis findet man folgende
Einheiten und diese werden bei der Berechnung mit einem Taschenrechner durch die ENGTaste (Engineer) direkt unterstützt:
= 10-3 F
1 mF
(Millifarad)
1 µF
(Mikrofarad) = 10-6 F
1 nF
(Nanofarad)
= 10-9 F
1 pF
(Picofarad)
= 10-12 F
Die elektrische Feldstärke zwischen den beiden Platten ist
U
E=
l
E = Elektrische Feldstärke in V/m
U = Spannung in V
l = Abstand zwischen den Platten in m
Die elektrische Feldstärke ist umso größer, je höher die Spannung U oder je kleiner der Plattenabstand ist.
Ein Kondensator im physikalischen Sinne besteht aus einem beliebig gestalteten System von
Leitungspaaren, wobei man in der Praxis zwei sich gegenüberstehende Platten hat. Das elektrische Feld beim Kondensator ist homogen.
Die Kapazität eines Kondensators ist abhängig von der Fläche A der beiden gegenüberliegenden Platten, aber es ist nur eine Plattenfläche wirksam, und vom Abstand zwischen den beiden
Platten. Auch die Isolationsfähigkeit (Permittivität) des Dielektrikums zwischen den beiden
Platten spielt eine entscheidende Rolle, denn die Kapazität hat eine er-mal so große Kapazität
wie ein Luftkondensator gleicher Abmessung. Die Kapazität berechnet sich aus
56
1 Grundlagen der Elektrotechnik
1.4 Kondensatoren
57
In der Praxis kennt man Kapazitäten von 1 pF bis zu 100.000 µF (100 mF). Die Abstufung
erfolgt nach den Normzahlreihen wie beim Widerstand. Man arbeitet bei Kapazitätswerten
unter 1 µF mit der E12-Reihe und bei Werten über 1 µF mit der E6-Reihe.
Beispiel
Ein Kondensator besteht aus zwei Platten mit A = 10 cm2 und der Abstand beträgt l = 0,01 mm. Als
Dielektrikum verwendet man eine Kunststofffolie mit er = 10. Welche Kapazität ergibt sich?
C = e0 × e r ×
A
l
=
8,856 × 10-12 × 10 ×
C = Kapazität in F =
As
V
10 × 10-4
0,01 × 10-3
=
8,854 nF
e 0 = Feldkonstantein
As
Vm
A = Plattenfläche in m2
Die Einheit der Kapazität ist Farad. Da diese Einheit für handelsübliche Kondensatoren zu groß
ist, hat man pF (Pikofarad mit 10-12), nF (Nanofarad mit 10-9), µF (Mikrofarad mit 10-6) und
mF (Millifarad mit 10-3) eingeführt.
Der Kapazitätswert wird normalerweise auf den Kondensator in Ziffern aufgedruckt. Bei
Platzmangel lässt man die Einheit weg oder druckt nur das Kurzzeichen auf, wie Tabelle 1.9
zeigt.
Kennzeichnung
Kapazitätswert
Kennzeichnung
Kapazitätswert
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1 Grundlagen der Elektrotechnik
Die elektrische Feldstärke E ist umso größer, je höher die Spannung U oder je kleiner der Plattenabstand ist, wenn man sich nur die Spannung im Zusammenhang mit dem Abstand der Platten betrachtet.
Die Stärke des elektrischen Felds kann auch durch die auf den Platten befindlichen Ladungen
±Q und deren Oberfläche A ausgedrückt werden. In diesem Fall spricht man von der Verschiebungsdichte D, die man auch als elektrische Flussdichte bezeichnet:
D=
Q
A
Zwischen den elektrischen Feldgrößen E und D besteht im Vakuum die Beziehung
e 0 » 8,854 ×10-12 F / m
D = e0 × E
Wird der Raum zwischen den beiden Kondensatorplatten mit einem isolierenden Stoff, dem
Dielektrikum, ausgefüllt, erhöht sich die vom Feld gebundene Ladung mit
D = e0 × er × E
Die Verschiebedichte D bzw. elektrische Flussdichte wird mit der Permittivität er erhöht. Ursache ist der molekulare Aufbau der Stoffe, die sich für ein Dielektrikum eignen. Die Moleküle in
dem Dielektrikum stellen kleine elektrische Dipole dar, die sich in Feldrichtung einstellen und
den Verschiebungsfluss entsprechend verstärken. Da jeder Isolator immer ein schlechter Leiter
ist, kommt es zu dielektrischen Verlusten, die besonders bei Wechselströmen nicht zu vernachlässigen sind. Sie werden durch Ströme im Isolationswiderstand, im Oberflächenwiderstand und
von Polarisationseffekten bestimmt. Daraus ergibt sich der entsprechende Leistungsverlust Pv,
welcher den materialabhängigen Verlustfaktor tan d enthält:
Pv = 2 × p × f × C × U 2 × tan d
Die Messung der Permittivität und des Verlustfaktors erfolgt mittels der Schering-Brücke.
1.4.3 Kondensatoren an Gleichspannung
Für die Ladung eines Kondensators gilt:
Q = I×t
oder
Q = C× U
Q = Ladung in As
C = Kapazität in F (As/V)
Beim Anlegen einer Gleichspannung fließt in den Zuleitungen des Kondensators so lange ein
Strom, bis eine der Elektrizitätsmenge Q = C × U entsprechende Elektronenverschiebung erreicht ist. Ein Farad ist demnach die Kapazität desjenigen Kondensators, den die Elektrizitätsmenge von 1 Coulomb auf die Spannung von 1 Volt auflädt. Werden die Anschlüsse des Kondensators vom Spannungserzeuger getrennt und über einen Widerstand verbunden, gleicht sich
die Elektronenverschiebung wieder aus. Es fließt ein Entladestrom in umgekehrter Richtung.
1.4 Kondensatoren
59
60
1 Grundlagen der Elektrotechnik
t = R ×C
festgelegt. Die Lade- und Entladezeit sind umso größer, je größer die Kapazität des Kondensators C und/oder je größer der Widerstand R ist. Die Zeitkonstante für Bild 1-45 beträgt
t = R × C = 1kW ×10 mF = 0, 01s = 10 ms
Da sich die Ladestromstärke in Wirklichkeit mit zunehmender Aufladung verringert, erreicht
die Spannung am Kondensator nach der Zeit t erst 63 % der angelegten Spannung U. Entsprechend entlädt sich der Kondensator in der Zeit t auf 37 % (100 % – 63 %) der ursprünglichen
Spannung. Kondensatorspannung und Stromstärke ändern sich bei Lade- und Entladevorgängen
in der Zeit t jeweils um 63 % der Differenz zum Endwert. Es ergibt sich Tabelle 1.10.
t
0t
0,7 t
1t
2t
3t
4t
5t
U
0V
0,5 × U0
0,63 × U0
0,86 × U0
0,95 × U0
0,98 × U0
>0,99 × U0
Tabelle 1.10
I
I0
0,5 × I0
0,37 × I0
0,14 × I0
0,05 × I0
0,02 × I0
<0,01 × I0
Ladespannung und Ladestrom bei einem Kondensator
Theoretisch wird ein Kondensator nie völlig aufgeladen und auch nie völlig entladen. Praktisch
rechnet man jedoch, dass sich der Kondensator nach einer Zeit von 5 t geladen bzw. entladen hat.
Bild 1-46
Spannung und Strom bei der Ladung
und Entladung eines Kondensators
Der Kurvenverlauf von Bild 1-46 zeigt während der Ladung, dass entsprechend der Abnahme
des Ladestroms die Spannung am Kondensator zunimmt. Diesen Kurvenverlauf bezeichnet man
als e-Funktion. Der Buchstabe e steht für die natürliche Zahl mit e = 2,71828... und diese Zahl
ist die Basis für alle natürlichen Wachstums- und Zerfallvorgänge. Von 0 t nach 1 t nimmt die
1.4 Kondensatoren
61
Spannung von 0 % auf 63 % zu, während der Strom von 100 % auf 37 % abnimmt. Mit den
beiden Formeln lässt sich die Spannung und der Strom während des Ladevorgangs berechnen:
u C = U(1 - e
-
t
t
t
iC =
)
U -t
e
R
Nach 5 t hat die Spannung am Kondensator annähernd 100 % erreicht, während der Ladestrom
auf 0 % abgesunken ist. Für den Ladevorgang wird der Kondensator durch den Schalter auf
Masse gelegt. Der Kondensator entlädt sich über den Widerstand R nach einer e-Funktion, wie
Bild 1-46 zeigt. Da der Strom aus dem Kondensator herausfließt, ergibt sich bei der Anzeige
des Amperemeters ein Minus als Vorzeichen. Mit den beiden Formeln lässt sich die Spannung
und der Strom während des Entladens berechnen:
uC = U × e
-
t
t
iC =
t
U -t
e
R
Die Schaltung von Bild 1-59 soll folgende Werte aufweisen: R = 10 kW, C = 10 nF, U = 10 V.
Wie groß ist die Spannung am Kondensator und der Ladestrom nach 150 µs?
t =
R × C = 10 k
-
×
10 nF = 100 ms
t
u C = U(1 - e t ) = 10V(1 - e
-
150ms
100ms )
150 ms
U -t
10V - 100 ms
iC =
e
=
×e
R
10 kW
t
= 7,77 V
=
0, 22 mA
Der Kondensator hat sich auf 7,77 V aufgeladen und es fließt ein Strom von 0,22 mA.
1.4.4 Aufbau von Festkondensatoren
Eine große Kapazität auf kleinstem Raum erhält man nur durch eine spezielle Kondensatorkonstruktion, wenn die Beläge aus dünnen Metallfolien bestehen, die durch ebenfalls dünne, als
Dielektrikum dienende Isolierstofffolien voneinander isoliert sind. Beläge und Dielektrikum
werden zu einem kompakten runden Wickel zusammengerollt. Da sich sehr lange Folien in der
Praxis problemlos herstellen lassen, sind mit dieser Ausführung Kapazitätswerte bis zu 1000 µF
möglich. Bild 1-47 zeigt typische Bauformen von ungepolten Festkondensatoren.
Bild 1-47
Bauformen von ungepolten MIM- bzw. MIE-Festkondensatoren
(Metall-Isolator-Metall bzw. Metall-Isolator-Elektrolyt)
a) FKS-Kondensator
b) MKS-Kondensator
c) Keramik-Kondensator
d) Keramik-Scheiben-Kondensator
62
1 Grundlagen der Elektrotechnik
Als Beläge verwendet man Aluminiumfolien und auf diesen Belag dampft man das Dielektrikum auf. Die Verbindungsstelle der Kondensatoranschlussdrähte mit den Belägen darf nicht am
Anfang oder Ende des Wickels liegen, denn in diesem Fall müsste dann der Strom bei jeder
Auf- bzw. Entladung immer die gesamte Länge der beiden Folien durchlaufen. Da diese sehr
dünn sind, ergibt sich ein nicht vernachlässigbarer Widerstand. Außerdem entsteht eine unerwünschte Verlustleistung, die Wärme erzeugt. Ebenfalls erhält man einen ungünstigen Verlustfaktor tan d. Das einfachste Verfahren, die unerwünschten Eigenschaften zu minimieren, besteht darin, den Anschluss etwa in der Mitte des Wickels durch ein Stück Kupferband
herzustellen, an das sich die Anschlussdrähte anlöten lassen. Der eingelegte Kupferstreifen wird
mit der Belagfolie verschweißt und damit ergibt sich ein optimales Kontaktverhalten.
Wenn sehr sicher arbeitende Kondensatoren erforderlich sind, werden sämtliche Beläge an den
Stirnseiten miteinander verbunden. Hierzu kennt man zwei Verfahren. Besteht der Belag aus
einer Folie, lässt man diese über das Dielektrikum hinausstehen und presst die überstehenden
Partien fest gegen die Stirnseite, sodass diese miteinander in Verbindung kommen. Auf die
zusammengepressten Folien schweißt man ein Kupferplättchen auf, das zum Anlöten der Anschlussdrähte dient. Durch diesen Aufbau besteht die Stromweglänge nur noch in der Breite des
Wickels. Da alle Windungen des Wickels an den Stirnseiten parallel geschaltet sind, geht der
resultierende Widerstand auf ein Minimum zurück, den man durch einen Druckkontakt erreichen kann.
Damit man große Kapazitätswerte auf engstem Raum realisieren kann, sollten die Beläge und
das Dielektrikum möglichst dünn sein. Das Dielektrikum sollte auch eine hohe Permittivität er
aufweisen. Andererseits wird von einem Kondensator aber auch ein hoher Isolationswiderstand
zwischen den Belägen gefordert. Tritt eine Überspannung auf, kommt es zum Überschlag zwischen den beiden Belägen und es entsteht ein Kurzschluss.
Materialien, die für diese Anforderungen geeignet sind, bestehen aus imprägniertem Papier
oder aus Kunststofffolien. Die Permittivität liegt für diese Werkstoffe zwischen µ r » 2 und
µ r » 5. Wichtig ist auch das Isolierverhalten des Dielektrikums. Alle Materialien müssen hygroskopisch sein, nehmen also aus der Luft Wasser auf. Dadurch geht der Isolationswiderstand im
Laufe der Zeit auf unzulässige Werte zurück. Außerdem kann die hohe relative Permittivität
von Wasser (sie beträgt 80), den Kapazitätswert von Kondensatoren mit sehr geringer Toleranz
verändern. Man muss demnach die umgebende Luft vom Wickel fernhalten. Deshalb umhüllt
man diesen mit einer Kunstharzschicht oder lötet diesen in Keramikrohre ein. Auch beim Herstellen des Wickels müssen alle Lufteinschlüsse vermieden werden, da Glimmentladungen oder
Durchschläge vorzugsweise an diesen Stellen erfolgen.
Die Anschlussdrähte von Rundwickeln führt man axial heraus, während diese bei Flachwickeln
tangential als Stifte aus der Kunstharzpressung hervorragen und in das genormte Rastermaß
gedruckter Platinen passen.
Nach dem Wickeln eines Kondensators wird eine der beiden Belagfolien die letzte und damit
äußerste Lage bilden. Diese umschließt den Wickel wie eine Abschirmung. Soll der Kondensator im Betrieb einseitig geerdet sein, wird man den Anschluss dieses Belags verwenden. Zur
Kennzeichnung hat man in der Nähe des betreffenden Anschlusses einen Ring oder eine ähnliche Markierung.
Bei Papierkondensatoren besteht das Dielektrikum aus einem Spezialpapier, das mit flüssigen
oder halbflüssigen Stoffen imprägniert ist, z. B. mit Isolierölen oder Vaseline. Zur Erhöhung
der Spannungsfestigkeit legt man bei der Herstellung des Wickels auch zwei Folien übereinan-
1.4 Kondensatoren
63
der. Der fertige Wickel wird im Vakuum nochmals mit einem Isolieröl oder Harz getränkt. Das
Vakuum beseitigt restliche Lufteinschlüsse, die Imprägnierung hält die Umgebungsluft vom
Dielektrikum fern, damit es keine Feuchtigkeit aufnehmen kann. Ohne zusätzliche Umhüllung
ist diese Maßnahme aber nicht optimal. Auch durch diese anscheinend dicke Kunstharzschicht
dringt mit der Zeit Feuchtigkeit ein, die die Isolation zwischen den Belägen beeinträchtigt. Eine
nahezu hundertprozentige Absicherung gegen die Luftfeuchtigkeit bewirkt das Einlöten in ein
Keramikrohr.
Die Kapazitätstoleranz von Papierkondensatoren beträgt meist ±20 % und der Verlustfaktor
liegt bei tan d » 1×10-2. Bessere dielektrische Eigenschaften werden von Papierkondensatoren
nicht benötigt, da diese hauptsächlich als Siebkondensatoren Verwendung finden. Obwohl in
den letzten Jahren eine Reihe neuer Dielektrika entwickelt worden sind, die gleiche oder teilweise bessere Eigenschaften als Papier aufweisen, wird dieser Kondensatortyp weiterhin hergestellt. Der Papierkondensator ist vor allem bei höheren Spannungen vorteilhafter als die Kunststoffausführungen.
Seit der Entwicklung von Kondensatoren bemüht man sich darum, das notwendige Volumen
zum Unterbringen einer bestimmten Kapazität nennenswert zu verringern. Zwar gibt es Elektrolytkondensatoren, doch die Lebensdauer ist begrenzt, so dass man in kritischen Anlagen mit
hoher Betriebszuverlässigkeit keine Elektrolytkondensatoren findet. Außerdem muss man bei
Elektrolytkondensatoren auf die Polung achten. Für nicht gepolte Kondensatoren mit hoher
Kapazität setzt man Metallpapierkondensatoren ein. Bei dieser Ausführung ersetzt man die
Aluminiumfolie des herkömmlichen Papierkondensators durch eine aufgedampfte Aluminiumschicht mit einer Dicke von 1 µm. Neben dem verringerten Raumbedarf zeigt dieser Kondensator noch eine andere sehr günstige Eigenschaft: Bei Durchschlägen des Papiers an Fehlstellen
gibt es keinen Kurzschluss, sondern es brennt die Metallschicht an dieser schadhaften Stelle
einfach ab. Dadurch konnte man auch noch die bei Papierkondensatoren vielfach benötigte
Papierlage einsparen, wodurch sich eine weitere Verringerung der Wickelabmessungen ergab.
Metallpapierkondensatoren gibt es mit Kapazitätswerten bis zu 47 µF und für Betriebsspannungen bis zu mehreren tausend Volt. Der Verlustfaktor liegt im niederfrequenten Bereich bei
tan d » 1×10-2. Bei diesem Typ muss man in Bezug auf den Ausbrenneffekt noch zwischen zwei
Arten unterscheiden, die ausheilende und die selbstheilende. Selbstheilend sind Kondensatoren,
bei denen zum Ausbrennen die auf ihren Belägen befindliche Ladung ausreicht, während bei
der ausheilenden Ausführung von der Spannungsquelle Energie nachgeliefert werden muss. Der
Ausbrenneffekt kann erst ab 20 V auftreten. Das Durchschlagen der Isolation der Metallpapierkondensatoren während des Betriebs ist ein normaler und unschädlicher Vorgang, der akustisch
nicht wahrnehmbar ist. Die zahlreichen im Verlauf einer Betriebszeit entstehenden Ausbrennstellen setzen die Kapazität dieses Kondensators kaum herab.
1.4.5 Elektrolytkondensatoren
Wenn man Kondensatoren mit Kapzitätswerten von 1 µF bis 1000 mF und höher benötigt, setzt
man Elektrolytkondensatoren ein. Sie bestehen im Prinzip aus einer mit dem Pluspol der Spannungsquelle zu verbindenden Elektrode (Anode), die mit einem gut isolierenden Oxid bedeckt
ist, das als Dielektrikum dient. Die Gegenelektrode ist ein Elektrolyt, also eine leitende Flüssigkeit, wobei es sich um eine spezielle Säurelösung handelt. Ein metallisches Gehäuse stellt
den Anschluss für den Minuspol her. Während man bei Papierkondensatoren je Volt Betriebsspannung eine Isolationsdichte von 6 µm benötigt, genügt bei einem AluminiumElektrolytkondensator bereits eine Oxidschicht von 0,001 µm. Die geringe Dicke und die rela-
64
1 Grundlagen der Elektrotechnik
tiv hohe Permittivität ergeben sehr hohe Kapazitätswerte je Volumeneinheit. Bild 1-48 zeigt
typische Bauformen von Elektrolytkondensatoren.
Bild 1-48
Bauformen von Elektrolytkondensatoren
Die Anode besteht bei Aluminium-Elektrolytkondensatoren aus einem Band von Aluminium
mit einer Reinheit von 99,9 %. Ein saugfähiges Material, der sogenannte Abstandshalter, nimmt
den Elektrolyten auf. Aluminiumband und Abstandshalter sind aufgewickelt und werden in
einem Aluminiumgehäuse untergebracht. Schließt man eine Spannungsquelle zwischen Anode
und Gehäuse an, bildet sich bei richtiger Polung auf der Anodenseite eine Schicht aus Aluminiumoxid, deren Werte zwischen er = 7 und er = 8 liegt. Diesen Vorgang bezeichnet man als
Formieren und dieser wird solange fortgesetzt, bis die für eine bestimmte Betriebsspannung
erforderliche Größe erreicht ist. Für Betriebsspannungen bis 100 V ist das Dielektrikum z. B.
1 µm dick. Durch Aufrauhen der Aluminiumoberfläche auf chemischem Wege vergrößert sich
ihre wirksame Oberfläche, wodurch sich die Kapazität je Volumeneinheit bis auf das zehnfache
steigern lässt.
Es gibt auch ungepolte Elektrolytkondensatoren. Diese bestehen aus zwei formierten Aluminiumfolien, die durch den mit dem Elektrolyt getränkten Abstandshalter voneinander getrennt
sind, sodass sich demnach zwei gegeneinander geschaltete Kondensatoren ergeben. Die Betriebsgleichspannung liegt jedoch hauptsächlich an dem gerade richtig gepolten Teilkondensator. Diesen Typ findet man jedoch kaum in der Praxis, außer in speziellen Systemen der Militärelektronik.
Weitere Eigenheiten eines Elektrolytkondensators sind die Eigenspannung und der Nachladungseffekt. Durch die Zusammensetzung aus einem Elektrolyten und verschieden behandelten
Elektroden kann sich im Innern eine galvanische Zelle ausbilden, die eine Spannung bis zu
0,5 V abzugeben vermag. Der Nachladungseffekt lässt dagegen auf dem Kondensator nach
erfolgter Entladung wieder einen Teil der zuvor anliegenden Spannung entstehen, mitunter bis
zu 50 %.
Die Oxidschicht auf dem Aluminium ist kein idealer Isolator. Deshalb fließt bei anliegender
Spannung stets ein geringer Reststrom. Dieser soll gewisse Grenzwerte nicht überschreiten, um
unzulässige Erwärmungen des Kondensators und unnötige Belastung der Stromquelle zu vermeiden. Andererseits hält der Reststrom die Formierung aufrecht und kann auch Fehlstellen
wieder zu einer Oxidschicht verhelfen. Nach längerer Lagerung oder Betriebsunterbrechung ist
der Ladestrom anfangs recht hoch, doch formiert sich die Oxidschicht nach längerer Betriebsdauer wieder und der Reststrom geht auf einen zulässigen Wert zurück. In der Praxis unterscheidet man zwischen dem Stromwert für den Abgabezustand und für den Betriebszustand, der
als Richtwert anzusehen ist. Dieser wird etwa eine Stunde nach Anlegen der Betriebsgleichspannung erreicht.
1.4 Kondensatoren
65
1.4.6 Kondensator an Rechteckspannung
Betreibt man einen Kondensator an einer Rechteckspannung, unterscheidet man zwischen
einem Integrier- und einem Differenzierglied. Beide Schaltungen bestehen aus einem Widerstand und einem Kondensator. Der schaltungstechnische Unterschied liegt nur in der Anordnung der Bauelemente.
Wichtig bei der Untersuchung von RC-Gliedern ist der Funktionsgenerator. Der Funktionsgenerator erzeugt eine Sinus-, Dreieck- und Rechteckfunktion. Wenn man den Funktionsgenerator
aufruft, kann man die entsprechende Funktion auswählen. Die Frequenz ist einstellbar zwischen
1 mHz und 999 MHz. Das Tastverhältnis beträgt bei der Sinusfunktion immer 50 % und lässt
sich nicht einstellen. Arbeitet man mit der Dreieckfunktion, kann man über das Tastverhältnis
die ansteigende und die fallende Flanke ändern im Bereich zwischen 1 % und 99 %. Dies gilt
auch für die Rechteckfunktion. Die Amplitude kann man zwischen 1 mV und 9 kV einstellen.
Durch den „Offset“ bestimmt man den Gleichspannungsanteil, d. h. bei der Grundeinstellung
von Uoff = 0 V hat man keinen Gleichspannungsanteil. Stellt man Uoff = 1 V ein, wird die Amplitude um +1 V in den positiven Bereich angehoben und mit Uoff = -1 V in den negativen
Bereich verschoben. Über den Offset lassen sich Mischspannungen erzeugen, d. h. eine Wechselspannung ist beispielsweise einer Gleichspannung überlagert.
Bei Anlegen einer Gleichspannung an eine RC-Kombination lädt sich der Kondensator über
den Widerstand nach einer e-Funktion auf. Im Einschaltmoment verhält sich der ungeladene
Kondensator wie ein Kurzschluss, sodass bei Beginn des Ladevorgangs der Ladestrom I0 fließt,
der nur durch den Widerstand R begrenzt wird. Mit zunehmender Ladung sinkt der Strom ab,
während die Ladespannung zunimmt. Beide Größen ändern sich nach einer e-Funktion. Tabelle
1.11 zeigt die Zeitabhängigkeit der Ladespannung und des Ladestroms.
Ladezeit
0
1t
2t
3t
4t
5t
Tabelle 1.11
UL in %
0
63
86,5
95
98,2
99,3
IL in %
100
37
13,5
5
1,8
0,7
Zeitabhängigkeit der Ladespannung UL
und des Ladestroms IL bei einem RC-Glied
Nach einer Zeit von 5 t ist der Vorgang der Ladung abgeschlossen, d h. am Kondensator ist die
volle Spannung erreicht und der Strom reduziert sich auf null.
Die Entladung eines aufgeladenen Kondensators beginnt in dem Moment, wenn die beiden
Anschlusspunkte eines RC-Glieds kurzgeschlossen werden. Der Kondensator C kann sich über
den Widerstand R nach einer e-Funktion entladen. Tabelle 1.12 zeigt die Zeitabhängigkeit der
Entladespannung und des Entladestroms.
66
Ladezeit
1 Grundlagen der Elektrotechnik
UE in %
IE in %
1.4 Kondensatoren
67
Bei der Schaltung von Bild 1-49 erkennt man im Oszilloskop, dass der Lade- und Entladevorgang komplett abgeschlossen ist, d. h. es ergibt sich eine Gesamtzeit von 10 t, was einer Frequenz von 100 Hz entspricht. Aus diesem Grunde ist der Frequenzgenerator auf 100 Hz eingestellt. Um eine symmetrische Rechteckspannung zu ermöglichen, wird das Tastverhältnis auf
50 % eingestellt. Als Ausgangsspannung für die Rechteckspannung wurde 10 V gewählt.
Das Oszilloskop arbeitet im Zweikanalbetrieb. Die Eingangsspannung mit 100 Hz liegt am
A-Eingang und die Ausgangsspannung, die direkt am Kondensator abgegriffen wird, am
B-Eingang. Man erkennt aus dieser Einstellung, dass sich der Kondensator vollständig auf- und
entladen kann.
Dieses RC-Glied bezeichnet man als Integrierglied. Die Ladung des Kondensators nimmt mit
jedem Impuls etwas zu bzw. ab, da die Auf- bzw. Entladung in diesem Bereich bei gleichen
Zeitabschnitten schneller vor sich geht als die Ent- bzw. Aufladung. Dieses Zusammenfügen
von Impulsen zu einer zusammenhängenden Spannungs-Zeit-Fläche bezeichnet man als Integration. Mit „ti“ bezeichnet man die Impulslänge und mit „tp“ die Impulspause.
Bild 1-50
RC-Glied an symmetrischer Rechteckspannung, wenn die Bedingung t = ti gilt
Für die Zeitkonstante des RC-Glieds gilt: t = 1 ms. Wenn man die Frequenz von 100 Hz auf
1 kHz erhöht, wie das Oszilloskop in Bild 1-50 zeigt, kann sich der Kondensator nicht mehr
vollständig auf- und entladen. Es entsteht eine flache „Sägezahnspannung“. Erhöht man die
Frequenz, wird die Sägezahnspannung immer flacher. Verringert man dann wieder die Fre-
68
1 Grundlagen der Elektrotechnik
quenz ab 1 kHz, vergrößert sich wieder die Lade- und Entladezeit des Kondensators und die
Ausgangskurve wird ausgeprägter.
1.4.7 Differenzierglied
Tauscht man bei einem Integrierglied den Widerstand und den Kondensator aus, erhält man ein
Differenzierglied. Die Rechteckspannung führt zu einer ständigen Auf- und Entladung des
Kondensators, während die Ausgangsspannung am Widerstand abgegriffen wird. Damit wird
der Strom, der über den Widerstand R fließt, in einen Spannungsfall umgesetzt und im Oszilloskop dargestellt.
Bild 1-51
Differenzierglied an symmetrischer Rechteckspannung
Bei der Schaltung von Bild 1-51 ergibt der Kondensator und der Widerstand folgende Zeitkonstante:
Die Zeitkonstante zwischen Integrier- und Differenzierglied ändert sich nicht, aber die Ausgangsspannung. Bei einer symmetrischen Rechteckspannung von 100 Hz kann sich der Kondensator vollständig auf- und entladen. Es entstehen Spannungen in positiver bzw. negativer
Richtung und diesen Vorgang bezeichnet man als Differentiation. Eine Rechteckfunktion hat
bei einer steigenden Flanke einen unendlich großen positiven Anstieg und an der fallenden
Flanke einen unendlich großen negativen Anstieg. Zwischen den Rechteckflanken ist der An-
1.5 Spulen
69
stieg dagegen null. Bei der Differentiation erhält man also im mathematischen Sinn an den
Flanken unendlich große positive und negative Werte und dazwischen liegt der Wert auf null.
1.5 Spulen
1.5 Spulen
Jeder stromdurchflossene Leiter ist von einem Magnetfeld umgeben, denn die Ursache eines
magnetischen Felds wird durch den elektrischen Strom hervorgerufen. Dieses Magnetfeld lässt
sich durch Erhöhen des Stroms oder durch Parallelschalten mehrerer Leiter verstärken. Wickelt
man einen Leiter auf einen Körper, ergibt sich durch die Parallelschaltung der einzelnen Wicklungen die Wirkungsweise einer Spule. Durch bestimmte Werkstoffe (Gusseisen, Eisen, Blech,
Dynamoblech, usw.) lässt sich das Magnetfeld einer stromdurchflossenen Spule verstärken, da
die Feldliniendichte im Kern bei gleicher Feldstärke größer ist als in der Luft oder im Vakuum.
Verwendet man keine Werkstoffe, hat man eine Luftspule.
Jede stromdurchflossene Spule baut ein elektromagnetisches Feld auf. Bei jeder Feldänderung
in der Wicklung entsteht eine Selbstinduktionsspannung, die ihre Ursache, der Feldänderung,
entgegenwirkt. Diese Eigenschaft bezeichnet man als „Induktivität“. Bei allen Spulen steigt die
Induktivität L mit dem Quadrat der Windungszahl N an. Der Einfluss ist bei Spulen ohne Kern,
den Luftspulen, oft nur näherungsweise mittels einer Formel zu erfassen. Genaue Induktivitätswerte ermittelt man zweckmäßigerweise durch Messen der Größe L.
1.5.1 Physikalische Grundlagen
Die Ursache eines magnetischen Felds in einer Spule ist die magnetische Durchflutung Q, die
man auch als magnetische Spannung bezeichnet
Q = N×I
Q = Durchflutung in A ( A magnetische Spannung)
N = Windungszahl (Zahlenwert)
I = Strom in A
Beispiel
Durch eine Spule mit einer Windungszahl von N = 100 fließt ein Strom von I = 1,5 A. Wie groß ist
die magnetische Durchflutung?
Q = N × I = 100 ×1,5A = 150A
Wickelt man mehrere Drahtwindungen zu einer Spule, addieren sich die magnetischen Wirkungen der einzelnen Wicklungen innerhalb der Spule. Aus vielen gleich gerichteten Anteilen der
kreisförmigen Magnetfelder entsteht in der Spule ein Feldlinienverlauf, ähnlich wie bei einem
Stabmagneten. Die Kraftwirkung im Magnetfeld der Spule dient als Maß für die magnetische
Feldstärke H. Diese Feldstärke in der Spule wächst mit der Stromstärke I in den Spulenwindungen. Erhöht man die Windungszahl, vergrößert sich ebenfalls die Feldstärke, da sich jetzt mehr
magnetische Einzelwirkungen addieren. In Bild 1-52 ist eine Spule mit Eisenkern gezeigt, die
den Zusammenhang zwischen der magnetischen Feldstärke H, des Stroms I, der Windungszahl
und der mittleren Feldlinienlänge erklärt.
70
1 Grundlagen der Elektrotechnik
1.5 Spulen
71
Die magnetische Flussdichte ist die Anzahl der Feldlinien, die senkrecht durch eine bestimmte
Flächeneinheit hindurchtreten. Die Elektronenbewegung im Leiter ist die Ursache des Magnetfelds. Man bezeichnet deshalb die der Elektronenstromstärke I proportionale magnetische
Feldstärke auch als Ursache der magnetischen Feldlinien. Die Gesamtzahl der magnetischen
Feldlinien definiert man als magnetischen Fluss, auch wenn man darunter kein „fließen“ versteht. Diese Messgröße ist durch die Wirkung (Induktion) des magnetischen Felds gekennzeichnet.
Beispiel
Wie groß ist die magnetische Flussdichte, wenn ein magnetischer Fluss von
Fläche von A = 10 cm2 vorhanden ist?
B=
F
= 2×10-2 Vs und eine
F = 2 ×10-2 Vs = 20 Vs / m2 = 20 T
A 10 × 10-4 m 2
Es ist eine magnetische Flussdichte von 20 T (Tesla) vorhanden. Der Wert T = 1 ist identisch
der Flächendichte eines homogenen magnetischen Flusses 1 Wb, der die Fläche 1 m2 senkrecht
durchsetzt. 1 Weber ist gleich dem magnetischen Fluss, bei dessen gleichmäßiger Abnahme
während der Zeit t = 1 s auf null in einer ihn umfassenden Windung die elektrische Spannung
1 V induziert. Es gilt
1T = 1
Vs
m2
=1
Wb
m2
1.5.3 Magnetische Feldstärke und magnetische Flussdichte
Ist in einem beliebigen Material eine bestimmte magnetische Feldstärke vorhanden, erzeugt diese
eine magnetische Flussdichte bzw. einen magnetischen Fluss. Die zustandekommende magnetische Flussdichte ist von der magnetischen Leitfähigkeit des Materials abhängig und es gilt
B = m×H
B = magnetische Flussdichte in T
µ = Permeabilität in Vs/Am
H = Feldstärke in A/m
Die Permeabilität setzt sich aus
m = m0 × m r
µ 0 = magnetische Feldkonstante mit 1,2566×10-6 Vs/Am
µ r = Permeabilität (r = relativ)
zusammen.
In Luftspulen besteht zwischen der magnetischen Feldstärke H (Ursache) und der Feldliniendichte B (Wirkung) der Zusammenhang zwischen
B = m0 × H
Die magnetische Feldkonstante µ 0 verbindet die Einheiten Tesla und A/m miteinander. Für eine
Feldstärke von 1 A/m ergibt sich beispielsweise eine Feldliniendichte von etwa 1,26 µT.
72
1 Grundlagen der Elektrotechnik
Durch bestimmte Werkstoffe (Gusseisen, Eisen, Blech, Dynamoblech, usw.) lässt sich das
Magnetfeld einer stromdurchflossenen Spule verstärken, da die Feldliniendichte im Kern bei
gleicher Feldstärke größer ist als in der Luft oder im Vakuum. Die Permeabilität µ r kennzeichnet diese Eigenschaften und der Zahlenwert gibt an, um welchen Faktor sich die Feldliniendichte im Kernmaterial bei gleicher Feldstärke gegenüber Luft erhöht. Tabelle 1.13 zeigt die relative Permeabilität verschiedener Werkstoffe bei einer magnetischen Feldstärke von H = 1,6 A/m.
Werkstoff
Luft
Rötraperm
Nicalloy 400
Dynamoblech III
Dynamoblech IV
Nicalloy
M 89 blau
Mu-Metall
Hyperm 766
Tabelle 1.13
relative Permeabilität µ r
» 00001
» 00400
» 00405
» 00500
» 00750
» 01700
» 01800
» 15000
» 15000
Relative Permeabilität µ r von Werkstoffen bei
einer magnetischen Feldstärke von H = 1,6 A/m
Aus den genormten Magnetisierungskurven lässt sich für verschiedene magnetische Werkstoffe
die magnetische Induktion als Funktion der Feldstärke ablesen. In Bild 1-54 sind die Magnetisierungskurven von Eisen und Luft gezeigt.
Bild 1-54
Magnetisierungskurven
Die Feldliniendichte B ist allerdings der Feldstärke H nur solange proportional, wie sich die
Permeabilität eines Werkstoffs konstant verhält. Bei hoher Feldliniendichte richten sich jedoch
die Molekularmagnete aus und die Feldliniendichte nimmt ab diesem Punkt fast nicht mehr zu,
auch wenn man die Feldstärke weiter vergrößert. Man hat den Sättigungsbereich des Werkstoffs erreicht, der eine weitere Vergrößerung nicht mehr erlaubt. Aus diesem Grund ist die
Permeabilität stets für eine bestimmte Feldstärke angegeben, wie Tabelle 1.13 zeigt.
Für Luft gilt die Permeabilität von µ r = 1. Die Feldliniendichte in Luftspulen wächst gleichmäßig mit der magnetischen Feldstärke. Die Permeabilität µ r ist dem Quotienten B/H proportional.
Die Steigung der Magnetisierungslinie ist für jede Feldstärke gleich groß. Beim einmaligen
Magnetisieren verläuft die Magnetisierungskurve von Eisen zunächst sehr steil, d. h. µ r ist groß.
Ab einer bestimmten Feldstärke verringert sich die Steigung jedoch merklich, µ r nimmt ab, und
die Steigung verringert sich im Sättigungsverlauf der Magnetisierungskurve. Alle Molekularmagnete sind ausgerichtet und bei hohen Feldstärken entspricht die Permeabilität von Eisen
etwa der von Luft.
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