Frankreich – Info 10. September 2007 Herausgeber: Französische Botschaft Presse- und Informationsabteilung Pariser Platz 5 – 10117 Berlin E-Mail: [email protected] Internet: www.botschaft-frankreich.de Gastbeitrag des Ministers für auswärtige und europäische Angelegenheiten Bernard Kouchner und des britischen Außenministers David Miliband in der Tageszeitung Le Monde Paris, 7. September 2007 Wir Europäer erinnern uns alle an die Grausamkeiten, die sich in den 90er Jahren auf dem Balkan abgespielt haben. Wir erinnern uns alle an die Gewaltszenen, die Tötungen, die Massenvertreibungen. Jetzt, wo es wieder um das Schicksal des Kosovo geht, dürfen wir nicht das Drama vergessen, das die internationale Gemeinschaft zum Eingreifen bewegt hat. Wir stehen heute vor dem letzten Kapitel des Zusammenbruchs des ehemaligen Jugoslawien. Wir sollten uns daran erinnern, dass Normalität und Stabilität in dieser Region vor allem dank des Einsatzes der Europäischen Union wiederhergestellt werden konnten: Die Europäer haben internationale Polizei- und Militärkontingente sowie finanzielle Hilfe in die Balkanstaaten geschickt. Und die Eröffnung einer EUBeitrittsperspektive hat dort bedeutende Reformen begünstigt. Dieser Wille, die Stabilität des Kontinents zu gewährleisten und die Zukunft der Balkanstaaten zu sichern, muss heute Grundlage unseres Ansatzes im Kosovo sein. Unser Ansatz berücksichtigt auch die Besonderheit und die junge Geschichte des Kosovo. Wir sollten uns auch daran erinnern, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, als er 1999 den Kosovo-Konflikt beendet hat, einen politischen Prozess zur Bestimmung des Kosovo-Status vorgesehen hat. Dieser Prozess wurde Anfang des Jahres abgeschlossen. Nach 14 Monaten langwieriger Verhandlungen zwischen Belgrad und Pristina hat der UNSondergesandte Martti Ahtisaari einen Plan ausgearbeitet, der den Positionen der beiden Parteien am besten gerecht wird. Seine Vorschläge berücksichtigen die Unabhängigkeitsbestrebungen des Großteils der Bevölkerung des Kosovo und räumen der serbischen Gemeinschaft weitgehende Rechte ein. Wir haben diesen Sommer im Sicherheitsrat sehr intensiv an einer Resolution gearbeitet, die die Umsetzung des Ahtisaari-Plans und somit eine endgültige Lösung www.botschaft-frankreich.de 2 der Status-Frage des Kosovo beinhaltet. Russland und Serbien haben bekräftig, dass eine Fortsetzung der Gespräche zwischen Belgrad und Pristina zu einer anderen Regelung führen könnte. Die Entscheidung im Sicherheitsrat war blockiert, es musste jedoch alles getan werden, um zu einer Einigung zu kommen. Auf Initiative Frankreichs hat die Kosovo-Kontaktgruppe, zu der Frankreich, Italien, Russland und Amerika gehören, eine neue Verhandlungsrunde durch eine Troika bestehend aus der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und Russland vorgeschlagen. Es sollten die letzten Verhandlungen sein. Mit dem deutschen Botschafter Wolfgang Ischinger hat diese Troika einen hervorragenden europäischen Vertreter. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-Moon hat die Kontaktgruppe gebeten, ihren Bericht spätestens am 10. Dezember zu übermitteln. Großbritannien wird am 27. September ein Treffen der Minister der Kontaktgruppe in New York veranstalten, um die Fortschritte auszuwerten. Die Parteien müssen diese neue Verhandlungsrunde konstruktiv und mit Entschlossenheit führen. Einige Optionen müssen noch durchdacht werden. Vielleicht kann eine Lösung gefunden werden, die alle zufrieden stellt. Eine solche Lösung werden wir unterstützen. Die betroffenen Parteien müssen begreifen, dass es in ihrem Interesse liegt, mit der Troika zu kooperieren, um ernstzunehmende Vorschläge auszuarbeiten, um Fortschritte zu erzielen, um ein bisher unüberwindbares Hindernis aus dem Weg zu räumen. Denn sollte Belgrad die Lösungsvorschläge von Martti Ahtisaari weiterhin ablehnen, dann muss Serbien - wie es die Kosovo-Kontaktgruppe betont hat, als sie diese weitere Verhandlungsrunde eingeleitet hat - Alternativlösungen vorschlagen, die für die Kosovaren akzeptabel sind. Und Pristina muss über Wege nachdenken, Serbien und die Kosovo-Serben von einer Zukunft Kosovos zu überzeugen, wie sie den Kosovaren vorschwebt, nämlich einem multiethnischen Kosovo frei von jeglicher Diskriminierung. Wir hoffen sehr, dass die Parteien eine Einigung finden werden. Sollte dies nicht der Fall sein, so bleiben die Vorschläge von Martti Ahtisaari unserer Auffassung nach eindeutig die beste Möglichkeit, voranzukommen. Denn eines ist sicher: Der gegenwärtige Zustand ist keine Lösung. Die Region ist noch immer instabil. Stabilität, interethnische Aussöhnung und wirtschaftliche Entwicklung - erforderlich wie nie zuvor - hängen von einer klaren und endgültigen Regelung des Kosovo-Status ab. Der Kosovo - das wissen wir - ist ein wichtiger Prüfstein für unsere gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Wir müssen zeigen, dass wir trotz unserer Meinungsverschiedenheiten, trotz eventueller Schwierigkeiten im Sicherheitsrat bereit sind, geschlossen zu handeln, um die Stabilität im Kosovo zu gewährleisten, und damit die Europäische Union die Rolle spielen kann, die sie spielen sollte. Unsere Botschaft ist klar: Der Kosovo ist eine europäische Verantwortung, der wir uns nicht entziehen dürfen. Es geht um unser aller Sicherheit. Die Europäische Union hat im Kosovo im Übrigen ihre bislang größte zivile Mission geplant. Wenn es soweit ist, müssen wir in der Lage sein, unsere Verpflichtungen einzuhalten. Serbien ist für die Zukunft der Region von entscheidender Bedeutung. Unser gemeinsamer Wunsch ist es, dass es der Europäischen Union beitritt sobald die 3 letzten Hindernisse beseitigt sind. Hierfür muss Belgrad voll und ganz mit dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag kooperieren. Wir müssen aber auch darauf hinweisen, dass ein EU-Beitritt Serbiens ohne eine Lösung der Kosovo-Frage nur schwer vorstellbar ist. Das ist keine Erpressung, sondern eine klare Tatsache. Die Regelung der Status-Frage wird keine Strafe für Serbien sein, sondern eine nachhaltige Lösung für die gesamte Bevölkerung des Kosovo und, darüber hinaus, für die ganze Region, die endlich in die Zukunft sehen können muss. Die wesentliche Lehre aus den Kriegen der 90er Jahre ist die Verantwortlichkeit der internationalen Gemeinschaft, die in der Lage sein muss, bestimmt und geschlossen zu handeln. Aus diesem Grund ist die Lösung der Status-Frage von ausschlaggebender Bedeutung. Hier sind wir fest entschlossen. Wir sind auch fest entschlossen, dass die Europäische Union, die in den Balkanstaaten einen großen Einsatz gezeigt hat, in dieser Region weiterhin eine wichtige und entscheidende Rolle spielen muss. Die Außenpolitik der Europäischen Union hat auf dem Balkan ihren Anfang genommen, sie sollte nicht auf dem Balkan zu Grunde gehen.