Pyodermie beim Hund

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Übersichtsartikel
© Schattauer 2011
Pyodermie beim Hund
C. Löwenstein
Dermatologiepraxis, Frankenthal
Schlüsselwörter
Key words
Haut, bakterielle Infektion, Staphylokokken, Staphylococcus pseudintermedius, Behandlung
Skin, bacterial infection, staphylococci, Staphylococcus pseudintermedius, treatment
Zusammenfassung
Summary
Bakterielle Hautinfektionen im Zusammenhang mit kutanen kommensalen Organismen wie Staphylococcus pseudintermedius gehören zu
den häufigsten dermatologischen Erkrankungen in der Kleintierpraxis.
In dieser Übersicht werden Pathogenese, klinisches Bild und lokale und
systemische Behandlungsoptionen diskutiert.
Bacterial infections associated with cutaneous commensal organisms
like Staphylococcus pseudintermedius are frequently encountered in
small animal practice. In this review, pathogenesis, clinical signs, and
topical and systemic therapeutic options are discussed.
Korrespondenzadresse
Dr. Christine Löwenstein
Beindersheimer Straße 50
67227 Frankenthal
E-Mail: [email protected]
Pyoderma in dogs
Tierärztl Prax 2011; 39 (K): 405–417
Eingegangen: 24. Juni 2011
Akzeptiert nach Revision: 3. November 2011
Einleitung
Als Pyodermie bezeichnet man eine bakterielle Infektion der Haut.
Sie ist eine der häufigsten dermatologischen Erkrankungen des
Hundes (34). Da viele andere Hauterkrankungen wie z. B. Pilz-,
Autoimmunerkrankungen, Demodikose oder Neoplasien mit
ähnlichen Symptomen einhergehen können, lässt sich die Diagnose nicht nur anhand klinischer Befunde stellen, sondern muss
durch zytologische Befunde untermauert werden.
Informationen über die Biologie normaler Haut und die Faktoren, die die Proliferation von Bakterien beeinflussen, sind die Basis
für ein besseres Verständnis der Entstehung bakterieller Hauterkrankungen und deren Therapie und sollen im Folgenden zusammen mit den klinischen Veränderungen besprochen werden.
Pathogenese
Normale Hautflora
Die bakterielle Mikroflora der Haut setzt sich aus transienten Organismen und residenten Kommensalen zusammen (48, 52, 54, 88).
Während residente Kommensalen ihren gesamten Lebenszyklus auf
der Haut oder in den Haarfollikeln verbringen, befindet sich die
transiente Mikroflora nur vorübergehend auf der Haut und stammt
entweder aus der Umgebung oder von den Schleimhäuten. Beide
sind nur fakultativ pathogen. Die residente Mikroflora besetzt ökologische Nischen, verhindert möglicherweise die Invasion durch
andere, potenziell pathogene Keime und ist so ein wichtiger Teil des
Abwehrsystems des Wirtes (2, 61, 82). Zur residenten Mikroflora des
Hundes gehören Micrococcus spp., koagulasenegative Staphylokokken, α-hämolysierende Streptokokken, Clostridium spp., Propionibacterium acnes, Acinetobacter spp. und verschiedene gramnegative
Anaerobier (16, 31, 33, 48, 70, 85, 105). Ob koagulasepositive Staphylokokken wie Staphylococcus (S.) pseudintermedius (vormals S. intermedius) Teil der residenten oder transienten Flora des Hundes sind,
wird kontrovers diskutiert. Aus Bereichen von Nase, Oropharynx
und Anus gesunder und infizierter Hunde konnte S. pseudintermedius häufig isoliert werden. Demzufolge nimmt man an, dass der
Keim in diesen Regionen zur residenten Flora gehört und von hier
aus auf andere Körperregionen, andere Hunde oder Menschen
übertragen werden kann (1, 19, 32). Transiente Mikroorganismen
können zwar von der Hautoberfläche kultiviert werden, haben jedoch nur eine untergeordnete klinische Relevanz.
Der weitaus größte Anteil bakterieller Hautinfektionen wird
durch koagulasepositive Staphylokokken (7, 54), speziell durch
S. pseudintermedius hervorgerufen. 2005 wurde die als S. intermedius bezeichnete Spezies reklassifiziert. Die früher beim Hund als
S. intermedius beschriebene Art wurde besonders bei Tauben nachgewiesen (5, 20, 86). S. pseudintermedius entspricht dem ehemals
als S. intermedius bezeichneten Keim und ist für über 90% der
oberflächlichen bakteriellen Hautinfektionen beim Hund verantwortlich (70). Infektionen mit S. aureus sind mit ca. 5% relativ selten. Die koagulasenegativen S. schleiferi coagulans und S. schleiferi
schleiferi wurden vereinzelt als Auslöser für Pyodermie, aber auffallend häufig im Zusammenhang mit Otitiden nachgewiesen (22,
67). Andere koagulasenegative Staphylokokken finden sich nur in
ganz wenigen Fällen und dann vorrangig bei stark immunsuppriTierärztliche Praxis Kleintiere 6/2011
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C. Löwenstein: Pyodermie beim Hund
Tab. 1 Faktoren, die die Entstehung von Hautinfektionen begünstigen
Table 1 Factors promoting the development of skin infections.
Anatomische Besonderheiten
●
●
●
●
dünnes Stratum corneum
dünner Hydrolipidfilm
zahlreiche Haarbalgöffnungen
Hautfalten
Physikalische Faktoren
●
●
hohe Luftfeuchtigkeit
hohe Temperatur
Immunsuppression
●
●
●
Infektionen (z. B. Leishmaniose, Ehrlichiose, FeLV, FIV)
Langzeittherapie mit Kortikosteroidpräparaten
idiopathisch (Deutscher Schäferhund)
●
●
Pemphigus
Lupus erythematodes
bullöses Pemphigoid
Allergische Erkrankungen
●
●
●
Flohspeichelallergie
atopische Dermatitis
Futtermittelallergie
Parasitäre Erkrankungen
●
●
●
●
Demodikose
Sarkoptesräude
Cheyletiellose
Notoedresräude
Allergie
Pilzerkrankungen
●
Dermatophytose
Metabolische Erkrankungen
●
●
●
●
Cushing-Syndrom
Hypothyreose
Fütterungsimbalanzen
hepatokutanes Syndrom
Keratinisierungsstörungen
●
●
●
●
Sebadenitis
follikuläre Dysplasie
Schnauzer-Komedo-Syndrom
Akne
Trauma
●
Faktoren mit Einfluss auf die Mikroflora der Haut
Die von der Haut von Hunden isolierten Staphylokokken sind
nicht primär pathogen. Deshalb sollte jede bakterielle Hautinfektion zunächst als Ausdruck einer zugrundeliegenden Erkrankung
der Haut, des Stoffwechsels oder des Immunsystems angesehen
werden (씰Tab. 1). Nur selten sind wiederkehrende bakterielle
Hautinfektionen auf eine primäre, angeborene Immuninsuffizienz zurückzuführen (14) und diese ist bis heute unzureichend
charakterisiert. Nahezu jede Hauterkrankung kann zu bakteriellen
Hautinfektionen führen, aber Allergien, Infektionen mit Parasiten
oder Dermatophyten und hormonelle Erkrankungen sind die
häufigsten Ursachen.
Autoimmunerkrankungen
●
Tiefe bakterielle Hautinfektionen treten zwar weniger häufig
auf, beeinträchtigen aber das Allgemeinbefinden der betroffenen
Tiere ungleich stärker. Sie können durch eine Vielzahl von Bakterien wie Staphylokokken, Nocardia, Actinobacillus oder Mykobakterien hervorgerufen werden.
Jede entzündliche Hauterkrankung kann durch Entzündungsmediatoren wie Leukotriene und Prostaglandine die DNA-Synthese der Basalzellen erhöhen und die epidermale Proliferation steigern (51, 98). Es resultiert eine Hyperplasie der Epidermis, die sich
durch Hautverdickung und vermehrte Schuppenbildung darstellt.
Hunde mit Seborrhöe haben eine vermehrte Anzahl von Bakterien
auf der Hautoberfläche (42), die zu Infektionen führen können.
Biss- oder Kratzverletzungen
mierten Tieren. Gramnegative Bakterien wie Proteus spp. oder coliforme Keime stellen in erster Linie Sekundärerreger von Hautinfektionen dar. Sie profitieren von den durch die Primärerreger
hervorgerufenen Gewebsschäden und verschwinden nach erfolgreicher Behandlung der Primärinfektionen oft von allein. Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa zeigen meist einen schwereren
Verlauf und erfordern eine spezielle Therapie (35).
Bei bis zu 68% der atopischen Hunde wurden bakterielle Hautinfektionen nachgewiesen (91). Zur Ausbildung einer Pyodermie
bei Allergikern tragen viele Faktoren bei. So ist die Anzahl der Bakterien auf der Hautoberfläche bei atopischen Hunden höher als bei
gesunden Tieren (8, 63). Einige Tiere mit atopischer Dermatitis
zeigen vermehrte Schweißsekretion, wodurch die Feuchtigkeit auf
der Hautoberfläche erhöht (64) und bakterielles Wachstum gefördert wird. Darüber hinaus können Schweißbestandteile als Nährstoffe für Bakterien dienen und deren Vermehrung begünstigen
(63, 64). Bei Hunden mit atopischer Dermatitis kann sich S. pseudintermedius stärker an die Korneozyten anheften als bei gesunden
Hunden (68, 95). Neueren elektronenmikroskopischen Studien
zufolge sind bei atopischen Hunden die interzellulären Lipidlamellen des Stratum corneum anomal geformt und von reduzierter
Dicke (43), was eine defekte Barrierefunktion vermuten lässt und
das Eindringen von Staphylokokkenantigen in die Haut erleichtert
(63, 65).
Durch allergischen Juckreiz traumatisieren die Tiere ihre Haut
und schaffen so weitere Eintrittspforten für Bakterien. Die nachfolgende Infektion verstärkt den Juckreiz, was wiederum vermehrtes Selbsttrauma bewirkt. Dieser Teufelskreis lässt sich durch eine
antibakterielle Therapie häufig nur teilweise und meist nicht dauerhaft durchbrechen, solange die ursächliche Grunderkrankung
nicht unter Kontrolle gebracht werden kann.
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Tab. 2 Klassifikation der Pyodermie des Hundes
Table 2 Classification of canine pyoderma.
Infektionen des Haarfollikels
Beschränkt sich eine bakterielle Hautinfektionen auf die Haarfollikel, spricht man von einer Follikulitis. Prinzipiell können sich alle
bisher beschriebenen Störungen nur oder auch im Haarfollikel abspielen und so zu tiefen entzündlichen Veränderungen der Follikelwand, zur Verlegung der Follikelöffnung und Furunkulose führen. Die häufigste Ursache für eine Follikulitis ist eine bakterielle
Infektion, aber auch Demodikose und Dermatophytose kommen
ursächlich in Betracht.
Oberflächenpyodermie
●
●
●
pyotraumatische Dermatitis (Hot Spot)
Hautfaltendermatitis, Intertrigo
bakterielle Überbesiedlung (bacterial overgrowth)
Oberflächliche Pyodermie
●
●
Impetigo
bakterielle Follikulitis
Tiefe Pyodermie
Hormonelle Erkrankungen
●
●
Die Neubildung von Hautzellen sowie Menge und Zusammensetzung epidermaler Lipide stehen auch unter hormonellem Einfluss
(12). Neben ihrer Wirkung auf die Keratinisierung der Haut steuern Hormone wichtige dermale Abwehrfunktionen. So kann bei
hormonellen Störungen unter anderem die Funktion von Neutrophilen, B- und T-Lymphozyten beeinträchtigt sein, was der Entstehung einer Pyodermie Vorschub leistet. Hormonell bedingter
Haarausfall kann die Barrierefunktion der Haut vermindern und
so bakterielle Hautinfektionen begünstigen. Am häufigsten kommen bakterielle Hautinfektionen im Zusammenhang mit hormonellen Störungen beim iatrogenen Cushing-Syndrom und der Hypothyreose vor.
Klinisches Bild
Die Klassifikation der Pyodermie basiert auf der Tiefe der Infektion (씰Tab. 2). Grundsätzlich sollte jede Pyodermie auf ihre Ursachen hin untersucht werden. Je tiefer jedoch eine Infektion
reicht, desto aggressiver sollte das Vorgehen des Klinikers hinsichtlich Diagnostik und Behandlung sein.
Oberflächenpyodermie
Pyotraumatische Dermatitis
Die pyotraumatische Dermatitis (Hot Spot; akute nässende Dermatitis) ist eine lokalisierte Hauterkrankung, die nur die oberflächlichen Schichten der Epidermis betrifft. Sie entsteht durch
Selbsttrauma in Form von Beknabbern, Lecken oder Kratzen, wodurch die Proliferation grampositiver oder -negativer Bakterien
gefördert wird. Die Veränderungen treten plötzlich im Bereich von
Kopf, Hals und Kruppe auf und sind durch Erythem, exsudative
Plaques, Erosionen, Schmerz und eine im Erkrankungsverlauf zunehmende Alopezie charakterisiert. Die Ursache ist in vielen Fällen
eine Flohspeichelallergie, aber auch andere Allergien und Ektoparasitenbefall können Auslöser sein.
●
●
●
pyotraumatische Follikulitis und Furunkulose
nasale Follikulitis und Furunkulose
interdigitale Follikulitis und Furunkulose
Follikulitis und Furunkulose am Kinn, Akne
Follikulitis, Furunkulose und Zellulitis des Deutschen Schäferhundes,
Schäferhundpyodermie
Körperfaltenpyodermie
Die Körperfaltenpyodermie entsteht durch fehlende Ventilation
und Irritation zwischen Körperfalten. Das veränderte Mikroklima
auf der Hautoberfläche fördert das Wachstum von Bakterien und
Hefepilzen. Die Haut ist feucht, erythematös und verströmt, besonders im Bereich der Lefzenfalten, einen üblen Geruch. Die klinische Symptomatik ist in den meisten Fällen diagnostisch. Im
Verdachtsfall wird die Diagnose durch zytologische Untersuchung
von Abstrichen oder Tesafilmpräparaten bestätigt.
Bakterielle Überbesiedlung
Die klinischen Anzeichen für eine bakterielle Überbesiedlung der
Haut (engl. bacterial overgrowth syndrome) umfassen deutlichen
Juckreiz, Erythem, Lichenifikation, Hyperpigmentierung und Alopezie in ventralen Körperregionen. Die für Pyodermien typischen
Veränderungen wie Papeln und Pusteln fehlen. Bei der Mehrzahl
der betroffenen Hunde konnte eine Allergie nachgewiesen werden
(79).
Oberflächliche Pyodermie
Bei oberflächlichen Pyodermien sind Epidermis und oft auch das
Epithel der Haarfollikel betroffen. Als häufigste Erkrankungen treten bakterielle Follikulitis und Impetigo auf.
Impetigo
Klinisch zeigt sich Impetigo in Form von subkornealen, oberflächlichen Pusteln in wenig behaarten Hautbereichen wie ventrales
Abdomen und Leiste. Die auch als Welpenpyodermie bezeichnete
Erkrankung betrifft hauptsächlich Jungtiere und wird durch
S. pseudintermedius hervorgerufen. Ganz selten sind auch immun-
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meist unter Mitnahme des beteiligten Haares, bleibt als Rest der
peripheren Begrenzung der Pusteln ein ringförmiger Schuppenkranz (epidermale Kollaretten) (씰Abb. 1). Zu den häufig betroffenen Körperregionen gehören Achseln, Leisten und Medialflächen der Oberschenkel (씰Abb. 2). Differenzialdiagnostisch sind
andere pustulöse Erkrankungen (wie Demodikose, Dermatophytose, Pemphigus foliaceus) durch Hautgeschabsel, Zytologie und
gegebenenfalls Hautbiopsien abzuklären.
Bei kurzhaarigen Hunderassen kann sich eine oberflächliche
Follikulitis zu Beginn in Form von kleinen Gruppen aufrecht stehender Haare zeigen. Diese Veränderungen sind leicht mit Urtikaria zu verwechseln. Im Lauf der Erkrankung fallen die Haare der
entzündeten Haarfollikel aus und verleihen dem Haarkleid ein von
Motten zerfressenes Aussehen. Bei genauer Untersuchung dieser
meist kreisrunden haarlosen Bereiche zeigen sich meist die für
bakterielle Follikulitis typischen Papeln, Pusteln und Schuppenkränze. Dermatophytose und Demodikose können sich klinisch
ähnlich präsentieren und sollten durch geeignete Untersuchungen
ausgeschlossen werden (88).
Abb. 1 Epidermale Kolaretten
Fig. 1 Epidermal colarettes.
supprimierte erwachsene Tiere betroffen. Bei ihnen wird die Erkrankung als Impetigo bullosa bezeichnet und kann auch durch
andere Bakterienarten, wie E. coli und Pseudomonas spp., ausgelöst
werden. Hyperadrenokortizismus, Hypothyreose und Diabetes
mellitus sind die bei adulten Tieren ursächlich beteiligten Primärerkrankungen.
Bakterielle Follikulitis
Die bakterielle Follikulitis stellt eine sehr häufige klinische Erscheinungsform bakterieller Hautinfektionen dar. Als typische klinische Veränderungen finden sich fokales Erythem, Papeln und Pusteln, die um einen Haarfollikel zentriert sind. Nach Aufplatzen der
Pusteln trocknen Eiter und entzündliche Sekrete ab und bilden zusammen mit Hautschuppen eine Kruste. Löst sich diese Kruste ab,
Abb. 2 Bakterielle Follikulitis
Fig. 2 Bacterial folliculitis.
Tiefe Pyodermie
Bei der tiefen Pyodermie reicht der Entzündungsprozess bis in die
Dermis, manchmal auch in die Subkutis, wo sie zur Zerstörung der
Haarfollikel (Furunkulose) und durch Freisetzung von Keratin in
das umliegende Gewebe in einigen Fällen eine starke Fremdkörperreaktion zur Folge haben kann. Sie entsteht als Fortsetzung
einer oberflächlichen Pyodermie oder durch Inokulation pathogener Erreger in tiefere Gewebeschichten. Häufige Primärerkrankungen beim Hund sind Allergien und Demodikose (씰Abb. 3), bei
der Katze durch Kratz- oder Bissverletzungen bedingte Abszesse
oder Phlegmonen. Ob sich eine Infektion ausbreitet oder nicht,
hängt von der Stärke der immunologischen Abwehrreaktion ab.
Welche Faktoren für die Ausbreitung einer Infektion in die Tiefe
oder ihre Beschränkung auf oberflächliche Hautbereiche eine Rolle spielen, ist unklar (40). Faktoren, die zu einer Schwächung des
Immunsystems und so möglicherweise zu einer tiefen Pyodermie
führen, sind der lang andauernde Einsatz von Glukokortikoiden,
hormonelle (Hyperadrenokortizismus, Hypothyreose), protozoäre (Leishmaniose, Ehrlichiose) und virale (FIV) Erkrankungen. Als
Ursache für eine lokalisierte tiefe Pyodermie kommen eher externe
Traumata, wie Wunden, Bisse oder Fremdkörper, in Betracht, während großflächige oder generalisierte tiefe entzündliche Veränderungen eher durch Allgemeinerkrankungen hervorgerufen werden.
Tiefe Hautinfektionen treten beim Hund viel seltener auf als
oberflächliche Pyodermien. Neben S. pseudintermedius sind gramnegative Bakterien wie Proteus spp., Pseudomonas aeruginosa oder
E. coli beteiligt. Wenn ausschließlich gramnegative Bakterien isoliert werden, sollte ihre ursächliche Beteiligung hinterfragt werden, denn tiefe Pyodermien ohne die Beteiligung von S. pseudintermedius kommen sehr selten vor. Als Ausnahme beschrieben
Hillier et al. (35) wenige Fälle von tiefer Pyodermie, bei denen al-
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lein Ps. aeruginosa nachgewiesen wurde. Bei Phlegmonen und Abszessen von Katzen findet man häufig Pasteurella multocida, Corynebacterium spp., Actinomyces spp., Bacteroides spp., und Fusobacterium spp. (88).
Das klinische Bild ist von der befallenen Körperregion, Tiefe des
Prozesses und Immunantwort des betroffenen Tieres abhängig.
Weniger ausgeprägte Erkrankungen zeigen sich durch erythematöse Papeln, die sich zu hämorrhagischen Blasen, Krusten und Ulzera entwickeln können. Bei schwereren Verlaufsformen entstehen
großflächige, schmerzhafte Hautverdickung, multiple Fisteln mit
hämorrhagisch-purulentem Exsudat. Die regionalen Lymphknoten können vergrößert und das Allgemeinbefinden beeinträchtigt
sein.
Pyotraumatische Follikulitis und Furunkulose
Die pyotraumatische Follikulitis und Furunkulose tritt besonders
bei jungen Bernhardinern, Rottweilern und Golden Retrievern an
Wangen und Hals auf. Die Erkrankung wird zumeist durch
S. pseudintermedius hervorgerufen. Charakteristische Veränderungen sind stark juckende, manchmal auch schmerzhafte exsudative Plaques, die im Randbereich von Papeln und Pusteln umgeben
sind. Besteht Unklarheit darüber, ob es sich um eine oberflächliche, pyotraumatische Dermatitis oder um eine tiefe pyotraumatische Follikulitis und Furunkulose handelt, sollte man sich durch
eine histologische Untersuchung Klarheit verschaffen, da bei einer
tiefen Infektion eine lokale Therapie nicht ausreicht, systemisch
Antibiotika eingesetzt werden müssen und eine Kontraindikation
für Glukokortikoide besteht. Wenn Biopsien aus Kostengründen
nicht möglich sind, sollte nach mangelhaftem Erfolg einer intensiven lokalen Behandlung eine systemische Antibiotikaanwendung
erfolgen.
Nasale Follikulitis und Furunkulose
Die nasale Follikulitis und Furunkulose ist auf den Nasenrücken
beschränkt (씰Abb. 4). Aus stark juckenden Papeln und Pusteln
entwickeln sich oft schnell großflächige, ulzerativ-krustige Läsionen. Je nach Tiefe der Erkrankung heilen diese unter Narbenbildung und permanenter Alopezie ab. Diese Erkrankung unbekannter Ursache tritt häufig bei dolichozephalen Rassen wie Deutscher
Schäferhund, Collie und Bullterrier auf. In manchen Fällen löst ein
lokales Trauma entzündliche Veränderungen an den Haarfollikeln
und Furunkulose aus.
Abb. 3
Tiefe Pyodermie
durch Demodikose
Fig. 3
Deep pyoderma
caused by demodicosis.
Aber auch allergische, parasitäre (Demodex) und hormonelle Erkrankungen (Hypothyreose) können zu Interdigitalgranulomen
führen. In diesen Fällen sollten jedoch neben den Veränderungen
in Zwischenzehenbereich an anderen Lokalisationen Läsionen
vorliegen sein oder zumindest vorberichtlich erwähnt werden. Eine seltene Ausnahme hiervon ist die nur auf die Pfoten begrenzte
Form der Demodikose, die Pododemodikose.
Follikulitis und Furunkulose am Kinn (Akne)
Follikulitis und Furunkulose am Kinn charakterisieren ein chronisch entzündliches Geschehen bei Junghunden kurzhaariger
Hunderassen, wie z. B. Doggen und Boxern. Es handelt sich um eine tiefe bakterielle Infektion, aus der sich in den meisten Fällen
S. pseudintermedius isolieren lässt. Klinisch stellt sich Akne zuerst
mit Papeln, später mit intradermalen Knoten dar, die im weiteren
Verlauf ulzerieren und ein hämorrhagisch-eitriges Sekret freisetzen können. Während man beim Hund davon ausgeht, dass diese
Veränderungen traumatisch bedingt sind, wird bei der Katze eine
idiopathische Störung der Follikelkeratinisierung angenommen
Interdigitale Follikulitis und Furunkulose
Die interdigitale Follikulitis und Furunkulose (씰Abb. 5) findet
sich als rezidivierende, zu Beginn oft sterile Erkrankung bei schweren, großen Hunderassen wie z. B. Bulldoggen, Basset Hounds,
Doggen und Boxern. Eine primäre Ursache lässt sich nicht immer
nachweisen. Man nimmt an, dass fortwährendes Trauma oder/und
Stellungsanomalien der Gliedmaßen ursächlich beteiligt sind.
Abb. 4 Nasale Follikulitis und Furunkulose
Fig. 4 Nasal folliculitis and furunculosis.
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Zytologische Untersuchung
Abb. 5 Interdigitale Follikulitis und Furunkulose
Fig. 5 Interdigital folliculitis and furunculosis.
(87). Die häufigsten klinischen Symptome bei der Katze sind Komedonen, Alopezie, Krusten, Papeln und Erythem.
Follikulitis, Furunkulose und Zellulitis
des Deutschen Schäferhundes
Die auch Schäferhundpyodermie genannte Erkrankung ist durch
einen idiopathischen, primären T-Zell-Defekt bedingt (14). Zusammen mit einem chronischen Reiz (Flohspeichelallergie, Futtermittelallergie, Atopie, Hypothyreose) (84) kommt es vorrangig im
Bereich der Kruppe und der lateralen Oberschenkel zur Ausbildung von Papeln, Pusteln, hämorrhagischen Blasen und nekrotisch-ulzerierenden Plaques. Die Läsionen sind oft schmerzhaft
und die regionalen Lymphknoten vergrößert. Eine idiopathische
Schäferhundpyodermie sollte erst dann diagnostiziert werden,
wenn durch geeignete diagnostische Untersuchungen alle anderen
möglichen Ursachen ausgeschlossen wurden.
Diagnose
Obwohl die klinischen Symptome nur selten diagnostisch sind,
lässt sich die Diagnose relativ einfach durch zytologische Untersuchungen stellen.
Hautgeschabsel
Da Demodikose eine Pyodermie klinisch imitieren kann, sollten
bei Verdacht auf Pyodermie immer tiefe Hautgeschabsel durchgeführt werden (40). Darüber hinaus kann Demodikose eine sekundäre Pyodermie hervorrufen. Deshalb ist es für eine erfolgreiche
Therapie überaus wichtig zu wissen, ob neben der antiparasitären
Behandlung die systemische Gabe wirksamer Antibiotika erforderlich ist.
Die zytologische Untersuchung stellt ein einfaches, schnell durchführbares Verfahren zum Nachweis bakterieller Infektion dar. Sie
ist kostengünstig und dient dem Kliniker als Basis für eine sofortige empirische Therapie und zur Therapiekontrolle.
Das Probenmaterial kann durch direkte Abstriche, Feinnadelaspirate, Tesafilmpräparate oder Tupferproben gewonnen werden.
Nach Lufttrocknung, bei fettigen Präparaten auch nach kurzer
Hitzefixation, wird das entnommene Material mit einem Schnellfärbesystem nach Romanovsky, wie DiffQuick® oder Haemacolor®,
angefärbt. Gramfärbungen sind nur in Ausnahmefällen notwendig, da Kokken in Hautpräparaten fast ausnahmslos grampositiv
und Stäbchen zumeist gramnegativ sind.
Der zytologische Nachweis von Kokken bedeutet in den meisten
Fällen das Vorliegen von S. pseudintermedius. Vorsicht ist bei stark
beleckten Läsionen geboten, weil man hier auch Teile der normalen Mundflora finden kann. Sprechen die klinischen Befunde für
eine Follikulitis und können zytologisch keine Bakterien nachgewiesen werden, sollten zusätzliche Proben untersucht oder Demodikose und Dermatophytose durch entsprechende Untersuchungen ausgeschlossen werden.
Die definitive Diagnose Pyodermie erfordert nicht nur den
Nachweis von Bakterien, sondern das gleichzeitige Auffinden von
Entzündungszellen. In den meisten Fällen sind Pyodermien pyogen und im zytologischen Präparat dominieren neutrophile Granulozyten. Der Nachweis phagozytierter Bakterien sichert die Diagnose. Finden sich im zytologischen Präparat bei adäquater Probenentnahme weder Granulozyten noch intrazelluläre Bakterien,
ist eine bakterielle Infektion unwahrscheinlich. Eine Ausnahme
hiervon stellt die bakterielle Überbesiedlung dar, bei der oft zahlreiche Kokken, aber nur selten Phagozytose nachgewiesen werden.
Pyogranulomatöse Infektionen sind zytologisch durch neutrophile Granulozyten zusammen mit Makrophagen und Lymphozyten charakterisiert. Sie treten bei chronischen Prozessen auf, wenn
der Wirtsorganismus Probleme hat, die Mikroorganismen zu eliminieren. Diese Art von Veränderungen findet man bei tiefen Pyodermien oder Infektionen mit Nocardia spp., Actinomyces spp.
oder Mykobakterien. Alternativ kann in seltenen Fällen eine sterile pyogranulomatöse Entzündung vorliegen.
Antibiogramm
Da bakterielle Hautinfektionen beim Hund zumeist durch S.
pseudintermedius ausgelöst werden und dessen Empfindlichkeit
gegenüber Antibiotika bekannt ist, sind Antibiogramme nicht in
jedem Fall einer Pyodermie erforderlich. Sie kommen in erster Linie dann zum Einsatz, wenn bei der zytologischen Untersuchung
Stäbchen oder unübliche Organismen festgestellt werden, eine tiefe Pyodermie vorliegt oder eine nach empirischen Gesichtspunkten adäquate Therapie nicht erfolgreich war. Mit der Zunahme
multiresistenter Keime ist jedoch in Zukunft zu erwarten, dass
bakterielle Kulturen häufiger nötig und sinnvoll sind.
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C. Löwenstein: Pyodermie beim Hund
Bei Antibiogrammen wird zumeist durch Plattendiffusionstests
die Wirksamkeit von Antibiotika gegenüber Bakterien bestimmt.
Das Maß für die Wirksamkeit ist die minimale Hemmkonzentration (MHK), d. h. die niedrigste Konzentration einer Substanz,
die im infizierten Gewebe erreicht werden muss, um bakterielles
Wachstum zu hemmen. Allerdings ist die Konzentration vieler Antibiotika in der Epidermis und Dermis nicht bekannt. Die meisten
Angaben über Plattendiffusionstests basieren auf Blutkonzentrationen, die sich nicht direkt auf die Wirksamkeit bei Hauterkrankungen übertragen lassen (80, 101). Denn zum einen kann es gerade bei chronischen Hauterkrankungen sehr schwierig sein, diese
Konzentrationen im Gewebe zu erreichen, zum anderen kann
durch die lokale Applikation von Wirkstoffen, z. B. im Bereich des
äußeren Gehörgangs, ein Vielfaches der Wirkstoffkonzentrationen
erzielt werden. Deshalb können Antibiogramme nur Hilfsuntersuchungen sein, deren Ergebnisse im klinischen Kontext interpretiert werden müssen.
Multiresistente S.-pseudintermedius-Stämme
Der häufige Einsatz von Antibiotika zur Behandlung von Pyodermie fördert die Entwicklung resistenter Bakterien (29, 78, 81).
Methicillin, das erste penizillinasefeste Penizillin wurde in der Vergangenheit für den Antibiotika-Sensitivitätstest von Bakterien eingesetzt. Methicillin-Resistenz bedeutet nicht nur Resistenz gegenüber allen β-Laktam-Antibiotika, sondern auch gegenüber anderen Antibiotika wie Chinolonen, Tetrazyklinen, Aminoglykosiden,
Makroliden und Sulfonamiden. Methicillin-resistente Staphylokokkenstämme in der Humanmedizin gehören zur Spezies S. aureus (MRSA), in der Veterinärmedizin zur Spezies S. intermedius,
nach neuerer Nomenklatur S. pseudintermedius (MRSP). Obwohl
über die letzten drei Dekaden die Resistenzlage von Staphylokokken, die Haut- oder Ohrinfektionen beim Hund hervorriefen, relativ stabil war (23, 25, 36, 94), mehren sich in den letzten Jahre Berichte über Staphylokokkenstämme mit Resistenz gegenüber Methicillin, Fluoroquinolone und verschiedenen anderen Antibiotika
(44, 45, 58, 72). Diese resistenten Keime können nicht nur zu Therapieversagen führen, sondern stellen auch ein zoonotisches Risiko
für die Besitzer dar (60). Deshalb sollte möglichst schnell ein Antibiotika-Sensitivitätstest eingeleitet werden, wenn sich bei einer
empirischen Therapie der erwartete Erfolg nicht einstellt.
Hautbiopsie
Bei tiefen Hautinfektionen ist die histopathologische Untersuchung von Hautbioptaten ein wichtiges Werkzeug, um die Tiefe
des Prozesses zu überprüfen und die Behandlungsdauer zu kalkulieren. Im gleichen Zuge kann Probenmaterial für eine bakteriologische Untersuchung und ein Antibiogramm entnommen werden,
um sterile von infektiösen Prozessen zu unterscheiden und Anhaltspunkte hinsichtlich der Resistenzlage beteiligter Keime zu erhalten. Anders als bei der Probenentnahme für die histologische
Untersuchung wird Probenmaterial für eine bakteriologische Un-
tersuchung nach chirurgischer Vorbereitung der Hautoberfläche
unter sterilen Kautelen entnommen. Die Hautoberfläche wird verworfen und nur sicher nicht kontaminiertes Material aus der Tiefe der Veränderungen in einem geeigneten Transportmedium eingesandt. Zu beachten ist, dass Lidocain das Wachstum grampositiver Bakterien (einschließlich Staphylokokken) und gramnegativer
Bakterien (einschließlich Pseudomonaden) hemmen kann. Deshalb ist es ratsam, die Lokalanästhesie im Ring um die Probenentnahmestelle zu legen oder eine Allgemeinanästhesie einzusetzen.
Behandlung
Therapie der Oberflächenpyodermie
Die Behandlung zielt in erster Linie auf die Normalisierung der
mikrobiellen Oberflächenflora ab. Bei der pyotraumatischen Dermatitis ist der Schutz vor weiterem Selbsttrauma (z. B. durch einen
Halskragen) wichtig. In manchen Fällen heilen die Läsionen ohne
antibakterielle Therapie ab. Bei großflächigen Veränderungen sollte das Areal weiträumig geschoren und die Hautoberfläche gereinigt werden. Eine lokale Behandlung mit antibiotika- und kortikoidhaltigen Salben, Cremes (z. B. Fusidinsäure-haltige Salben ohne oder mit Kortikoid) oder antibakteriellen Shampoos dreimal
wöchentlich ist meist innerhalb von 7–14 Tagen wirksam. Bei starken Schmerzen oder deutlichem Juckreiz kann die systemische Anwendung kurz wirksamer Glukokortikoide in antiinflammatorischer Dosis indiziert sein (90).
Bei alleiniger Körperfaltenpyodermie ohne weitere Hautsymptome sollte eine chirurgische Beseitigung der Hautfalten erfolgen
(90). Ist dies nicht möglich oder vom Besitzer nicht gewünscht,
macht dies eine lebenslange Therapie erforderlich. Die Falten sollten täglich getrocknet werden. Zusätzlich kann nach Bedarf eine
Shampooanwendung erfolgen (4, 56) (s. u.). Eine vorbeugende
Applikation antibiotikahaltiger Salben sollte wegen der Gefahr der
Resistenzentwicklung vermieden werden.
Therapie der oberflächlichen Pyodermie
Bei Patienten mit Impetigo ist eine lokale antibakterielle Therapie
zumeist erfolgreich. Spontanremissionen kommen vor. Die Behandlung einer Follikulitis erfolgt durch systemisch wirkende Antibiotika. Die Therapie sollte mindestens 1 Woche über die klinische Heilung hinaus durchgeführt werden. Unterstützend kommen lokal antibakterielle Shampoos zum Einsatz (17, 56). Milde
Erkrankungen lassen sich mit alleiniger Shampootherapie zweibis dreimal wöchentlich behandeln. Vorab sollte abgeklärt werden,
ob der Besitzer eine solche Therapie durchführen kann.
Therapie der tiefen Pyodermie
Bei Patienten mit tiefer Pyodermie ist immer der systemische Einsatz von Antibiotika (씰Tab. 3) in Kombination mit lokaler anti-
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Wirkstoffgruppe
Wirkstoff
Dosis
(mg/kg KM)
Applikationshäufigkeit
Nebenwirkungen
10–20
3× täglich (76)
Erbrechen
Antibiotika mit engem Wirkungsspektrum
Makrolide
Lincosamide
Erythromycin
Tylosin
20–40
2× täglich (76)
Lincomycin
15–33
2–3× täglich (76)
Clindamycin
5–11
2× täglich (76)
SulfadiazinTrimethoprim
15–30
2× täglich (11)
SulfamethoxazolTrimethoprim
15–30
2× täglich (11)
OrmethoprimSulfadimethoxin
27,5–55
1× täglich (11)
BaqiloprimSulfadimethoxin
30
alle 48 Stunden
(11)
Cefalexin
15–30
2× täglich (62)
Cefadroxil
15–30
2× täglich (62)
Amoxicillin und
Clavulansäure
20–22
2–3× täglich (30)
Durchfall, Erbrechen
Tab. 3
Antibiotika zur Behandlung bakterieller Hautinfektionen
Table 3
Antibiotics for treatment
of bacterial skin infections.
Breitspektrumantibiotika
potenzierte Sulfonamide
β-Laktam-Antibiotika
Fluoroquinolone
Enrofloxacin
5
1× täglich (41)
Marbofloxocin
2
1× täglich (41)
Pradofloxacin
3
1× täglich (74)
bakterieller Shampootherapie notwendig. Für Glukokortikoide
besteht, ebenso wie bei der Behandlung der oberflächlichen Pyodermie, eine Kontraindikation.
Allgemeine Grundsätze der systemischen Therapie
Bei der Auswahl des Antibiotikums finden der Schweregrad der Erkrankung und die Frequenz bisheriger Rezidive Berücksichtigung.
Wird ein Tier zum ersten Mal wegen einer bakteriellen Hautinfektion vorgestellt, können empirisch bewährte Medikamente mit
engem Wirkungsspektrum wie z. B. Clindamycin, Erythromycin
oder Lincomycin eingesetzt werden. Bei Rezidiven kommen Breitspektrumantibiotika wie die β-Laktam-Antibiotika Cephalexin
oder Amoxicillin/Clavulansäure mit guter Wirkung auf grampositive Keime zur Anwendung. Bei Infektionen mit Stäbchen, tiefen
Pyodermien oder therapieresistenten Fällen sollte die Antibiose
auf den Ergebnissen eines Antibiogramms basieren.
Weil nur 4–5% des Herzauswurfvolumens die Haut erreichen,
werden Antibiotika bei bakteriellen Hautinfektionen im Vergleich
zu Infektionen anderer Organe deutlich höher dosiert und länger
verabreicht. Die Behandlungsdauer sollte bei oberflächlichen Infektionen mindestens 3 Wochen, bei tiefen Pyodermien mindestens 6 Wochen betragen. Je tiefer die Pyodermie reicht, desto länger
Fieber, Polyarthritis,
Glomerulonephritis,
Arzneimittelexanthem,
Keratoconjunctivitis sicca
Durchfall, Erbrechen
Durchfall, Erbrechen,
Knorpelschäden bei jungen
Tieren, ZNS-Störungen
sollte behandelt werden (40). Die Behandlungsdauer sollte sich
über die klinische Heilung hinaus erstrecken. Eine oberflächliche
Pyodermie wird ca. 7–14 Tage und eine tiefe Pyodermie 3–4 Wochen über das Verschwinden der klinischen Veränderungen hinaus
behandelt (88).
Rezidive von Hautinfektionen treten häufig auf. Dafür gibt es
zwei Gründe: Die Primärerkrankung wurde nicht erkannt und unter Kontrolle gebracht oder die Infektion war nicht ausgeheilt. Zur
Differenzierung kann der Zeitpunkt des Rezidivs aufschlussreich
sein: Kehren die Symptome 1–2 Wochen nach Beendigung der Antibiotikatherapie auf, war die Infektion wahrscheinlich nicht ausgeheilt, dauert es mehrere Wochen oder Monate, ist die Primärerkrankung nicht unter Kontrolle und es handelt sich um ein echtes Rezidiv (88).
Systemische Medikation
Potenzierte Sulfonamide
Sulfonamide hemmen kompetitiv die bakterielle Folsäuresynthese
und die Neubildung von bakteriellen Nukleotiden. Die Kombination mit den Diaminopyrimidinen Trimethoprim oder Ormetoprim verstärkt ihre antibakterielle Wirkung synergistisch. Poten-
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zierte Sulfonamide sind gegen Staphylococcus spp., Escherichia spp.
und Proteus spp. wirksam (71, 92).
Diese Wirkstoffgruppe wird häufig als Ursache für Arzneimittelreaktionen beim Hund erwähnt. Besonders beim Dobermann
sind zahlreiche Nebenwirkungen in Form von Fieber, Polyarthritis, Glomerulonephritis und Arzneimittelexanthem beschrieben
(26, 102). Bei prädisponierten Rassen kann auch eine Keratoconjunctivitis sicca als Nebenwirkung auftreten (38, 73). Deshalb sollte eine Therapiedauer von über 4 Wochen besonders beim Dobermann vermieden werden.
Makrolide
Die Makrolidantibiotika Erythromycin und Tylosin hemmen die
Synthese von ribosomalem Eiweiß bei grampositiven Bakterien.
Durch ihre gute orale Absorption, Gewebegängigkeit und hohe intrazelluläre Konzentration eignen sie sich gut zur Erstbehandlung
von oberflächlichen bakteriellen Hautinfektionen (88). Bei tiefen
Infektionen, besonders durch gramnegative Bakterien hervorgerufene, oder Infektionen des Mittelohres, sollten sie nicht zum
Einsatz kommen. Da als Nebenwirkungen relativ häufig Gastritis
und Erbrechen auftreten, sollte Makrolide eher im unteren Bereich
dosiert werden (50). Weitere Nachteile sind relativ schnelle plasmidinduzierte Resistenz und die dreimalige tägliche Gabe bei Erythromycin.
Lincosamide
Die Lincosamide Lincomycin und Clindamycin hemmen ähnlich
wie die Makrolide die bakterielle Proteinsynthese. Sie dringen gut
in das Gewebe ein und wirken auch intrazellulär. Gegen Wirkstoffe dieser Gruppe entwickeln sich relativ schnell Resistenzen, ebenso eine Kreuzresistenz gegen Makrolide, sodass sie sich für den
Ersteinsatz, aber nicht für die wiederholte Anwendung eignen.
β-Laktam-Antibiotika
Zur Behandlung von Pyodermie werden häufig die zu den β-Laktam-Antibiotika gehörenden Cephalosporine eingesetzt. Sie sind
durch einen Laktamring an zentraler Stelle charakterisiert und
hemmen die bakterielle Zellwandsynthese. Die Staphylokokken,
die bei Kleintieren mit Pyodermie am häufigsten isoliert werden,
produzieren jedoch β-Laktamasen, Enzyme, die diesen Ring aufbrechen und den Wirkstoff damit inaktivieren (50, 103). Deshalb
sollten nur β-Laktamase-feste Wirkstoffe Anwendung finden (15)
und andere, wie z. B. Penicillin, nichtpotenziertes Amoxicillin,
Ampicillin und nichtpotenzierte Sulfonamide, vermieden werden
(9, 38, 59, 77).
Die meisten Cephalosporine sind für die orale Applikation
nicht geeignet, da sie durch den niedrigen pH-Wert im Magen zerstört werden. Von den oral einsetzbaren Cephalosporinen kommt
in Europa in erster Linie Cephalexin, ein Cephalosporin der ersten
Generation zum Einsatz, da es eine veterinärmedizinische Zulas-
sung besitzt. Dieser Wirkstoff zeigt eine gute Wirksamkeit gegen
grampositive Kokken, E. coli, Pasteurella spp., Actinobacillus spp.,
Actinomyces spp. und Clostridium spp., während Pseudomonas spp.
und viele Proteus spp. gegen diesen Wirkstoff resistent sind (62).
Cephalosporine können effektiv und sicher zur Behandlung von
Pyodermie eingesetzt werden (3, 28). Die Dosis von 15–30 mg/kg
KM wird üblicherweise zweimal täglich verabreicht, wenngleich
eine kleinere Studie Hinweise ergab, dass die einmalige Gabe von
30–60 mg/kg KM ebenso gut toleriert wurde (99).
Das Penicillin Amoxicillin wird durch die Kombination mit
Clavulansäure zu einem gut hautwirksamen, laktamasefesten Antibiotikum (50). Die Wirksamkeit dieses Präparats in der vom Hersteller empfohlenen Dosis von 12,5 mg/kg KM ließ sich auch durch
Erhöhung der Dosis nicht steigern (55).
Ein Cephalosporin der dritten Generation ist Cefovecin, das
sich als Injektionspräparat mit einer Wirkungsdauer von ca. 14 Tagen als wirksam zur Behandlung von oberflächlichen und tiefen
Pyodermien, Abzessen und infizierten Wunden erwiesen hat (96,
97). Um Resistenzentwicklungen vorzubeugen, sollte Cefovecin
nur dann eingesetzt werden, wenn Cephalosporine der ersten Generation nicht wirksam sind oder Tiere eine orale Medikamentenverabreichung nicht tolerieren (66, 100).
Fluoroquinolone
Fluoroquinolone stellen bakterizide Breitspektrumantibiotika
dar, die die bakterielle DNS-Synthese hemmen. Zu dieser Gruppe
gehören Enrofloxacin, Marbofloxacin, Ciprofloxacin, Orbifloxacin und Pradofloxacin. Sie sind sehr gut wirksam zur Therapie
bakterieller Hautinfektionen (13, 24, 37, 39, 74, 83, 88, 93) und besonders effektiv zur Behandlung tiefer Pyodermien, wie z. B. der
Pyodermie des Deutschen Schäferhundes (47). Die Applikation
erfolgt alle 24 Stunden, was sich sehr positiv auf die Besitzercompliance auswirkt. Fluoroquinolone werden von Makrophagen aufgenommen und gelangen auch bei chronischen Erkrankungen so direkt in das entzündete Gewebe (10, 21, 75). Ein weiterer Vorteil ist, dass Fluoroquinolone Staphylokokken in den
Makrophagen abtöten und damit auch bei immunologisch geschwächten Tieren eingesetzt werden können (21). Sie verfügen
auch bei gramnegativen Bakterien über eine sehr gute Wirksamkeit und können zur Behandlung von bakteriellen Infektionen der
Haut und des äußeren Gehörgangs verwendet werden (6, 104).
Fluoroquinolone sollten großwüchsigen Hunderassen nicht vor
dem 12. und bei Riesenrassen nicht vor dem 18. Lebensmonat
verabreicht werden, da sie bei wachsenden Tieren Knorpelschäden hervorrufen können (69). Wegen der Gefahr der Resistenzentwicklung ist der Einsatz dieser Antibiotikafamilie auf Hautinfektionen mit mehreren Bakterienarten, tiefe Pyodermien, Infektionen mit Pseudomonas spp. und bakterielle Infektionen mit
Resistenz der Erregergegen andere Antibiotika zu beschränken
(18). Ihr Einsatz bei oberflächlichen Hautinfektionen ist nicht
gerechtfertigt. Beim neuesten Mitglied dieser Antibiotikafamilie,
dem Pradofloxacin, besteht nachgewiesenermaßen eine geringere
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C. Löwenstein: Pyodermie beim Hund
Tab. 4 Antibakterielle Shampoos, Beispiele
Table 4 Examples of antibacterial shampoos.
Wirkstoff
Produktname
Chlorhexidin
DermaHex®
Hersteller
Almapharm
Dermazym Losham mit Actibac
Douxo Chlorhexidin PS
Hexocare
®
®
®
Alvetra
Albrecht
Alfavet
®
Lactaderm
Vetoquinol
Pyoderm®
Virbac
Chlorhexidin,
Miconazol
Micocep®
Malaseb®
CP-Pharma
Dechra
Ethyllaktat
DermaBact®
Benzoylperoxid
Peroxyderm
®
Almapharm
Vetoquinol
Wahrscheinlichkeit der Resistenzbildung als bei allen anderen
Flouroquinolonen (74).
Lokale Therapie
Die lokale Behandlung ist eine wertvolle therapeutische Option
für bakterielle Hautinfektionen. In den meisten Fällen wird sie in
Kombination mit einer systemischen antibakteriellen Therapie
eingesetzt. Wirkstoffe können in verschiedenen Formulierungen
wie Cremes, Gels oder Spülungen auf die Haut verbracht werden.
In den meisten Fällen werden Shampoos verwendet (씰Tab. 4). Sie
ermöglichen auch die Behandlung großflächiger Erkrankungen,
transportieren die Wirkstoffe selbst in dicht behaarten Körperregionen auf die Haut und haben einen reinigenden Effekt. Um einen optimalen hydrierenden Effekt zu erreichen, sollte die Einwirkzeit 10–15 Minuten betragen. Wird diese Zeit unterschritten,
reicht die Kontaktzeit der Haut mit dem Wirkstoff unter Umständen nicht aus und das Stratum corneum wird nicht ausreichend
hydriert. Bei zu langer Einwirkzeit kann es zur Mazeration des
Stratum corneum und zu einer Beeinträchtigung der Barriere-
Fazit für die Praxis
Sekundäre bakterielle Hautinfektionen gehören zu den häufigsten
dermatologischen Erkrankungen in der Kleintierpraxis. In den meisten
Fällen kann nach eingehender klinischer und zytologischer Untersuchung eine wirksame systemische oder/und lokale Antibiotikatherapie nach empirischen Gesichtspunkten eingeleitet werden. Ein bleibender Therapieerfolg ist jedoch nur dann möglich, wenn gleichzeitig
mit der symptomatischen Behandlung weitergehende Untersuchungen zur Abklärung der auslösenden Primärerkrankung eingeleitet
werden. Solange diese nicht erkannt und unter Kontrolle gebracht
werden kann, wird sich kein dauerhafter Therapieerfolg einstellen.
funktion kommen (53). Besitzer sollten dazu angehalten werden,
auf eine angemessene Einwirkzeit zu achten. Kurz gefasste und
leicht verständliche Informationsblätter können die Besitzercompliance verbessern. Antiseptische Shampoos werden normalerweise zwei- bis dreimal wöchentlich angewendet, bis die Infektion
unter Kontrolle ist. Nach dem Einwirken müssen Shampoos gut,
d. h. ca. 5 Minuten lang ausgespült werden, um Hautirritationen
durch Shampooreste zu vermeiden.
Chlorhexidin
Chlorhexidin ist in einer Konzentration von 2–4% gegen die meisten grampositiven und gramnegativen Bakterien, jedoch nicht gegen einige Pseudomonas spp. wirksam (57, 89). Es verfügt über einen schnellen Wirkungseintritt und ist noch nach 29 Stunden auf
der Haut aktiv (27). Der Wirkstoff hat keine toxischen oder hautirritierenden Nebenwirkungen und wird nicht durch organische
Materialien inaktiviert. Im Gegensatz zu Benzoylperoxid besteht
auch bei lang anhaltender Therapie eine gute Verträglichkeit.
Benzoylperoxid
Benzoylperoxid zeigt eine breite antibakterielle Wirkung und ist
eine gut wirksame Substanz zur Behandlung oberflächlicher Pyodermien (57). Darüber hinaus entfernen Shampoos mit Benzoylperoxid Schuppen und Hautfette (49, 50, 89). In Konzentrationen
von 2,5–5% hält die antibakterielle Wirkung auf Staphylokokken
bis zu 48 Stunden an, länger als bei Chlorhexidin (46). Nebenwirkungen in Form von Erythem, Schmerz und Juckreiz treten besonders bei höheren Konzentrationen auf, weshalb Shampoos mit einer Wirkstoffkonzentration von über 5%, wie in der Humanmedizin gebräuchlich, nicht bei Tieren Anwendung finden sollten.
Selbst Shampoos, die nur 2,5% oder 3% Benzoylperoxid enthalten,
können aufgrund ihrer entfettenden und damit auch austrocknenden Wirkung besonders bei Hunden mit atopischer Dermatitis zu
Hautirritationen führen (89).
Aufgrund seiner entfettenden Wirkung eignet sich Benzoylperoxid besonders zur Therapie von Hauterkrankungen, die mit
vermehrter Hautfettbildung auf der Hautoberfläche und bakteriellen Infektionen einhergehen, wie z. B. bei der öligen Seborrhöe.
Gels mit 5%iger Wirkstoffkonzentration können erfolgreich zur
Behandlung von lokalisierten bakteriellen Hautinfektionen, wie
Kinnakne oder Infektionen an Knochenvorsprüngen, eingesetzt
werden.
Ethyllaktat
Shampoos mit 10%igem Ethyllaktat sind zur Behandlung von
Oberflächen- und oberflächlichen Pyodermien geeignet. Das sehr
gut fettlösliche Ethyllaktat dringt schnell in die Haarfollikel und
Talgdrüsen ein, wo es durch bakterielle Lipasen in Milchsäure und
Ethanol aufgespalten wird. Durch die freie Milchsäure wird der
pH-Wert der Haut gesenkt, die Aktivität der Lipasen gehemmt und
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das bakterielle Wachstum gestoppt. Nebenwirkungen wie Erythem, Juckreiz finden sich bei Shampoos mit Ethyllaktat seltener
als bei solchen mit Benzoylperoxid (4).
Interessenkonflikt
Die Autorin bestätigt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Danksagung
Ich danke meinem geschätzten Mentor Prof. Dr. R. S. Müller, München für die Durchsicht des Manuskripts und seine wertvollen Anmerkungen.
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