Ethik als Führungs- und Kontrollinstrument - Helmut

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Prof. Dr. Rainer Prätorius
Helmut-Schmidt-Universität- Universität der Bundeswehr Hamburg
Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Verwaltungslehre
Frühjahrstrimester 2010, Kurs-Nr.: 23.954
Seminar: Verwaltungspolitik und Verwaltungsmanagement II
Ausarbeitung zum Referat vom 14. 06. 2010
Ethik als Führungs- und Kontrollinstrument
___________________________________________________________________________
Vorgelegt von:
Björn Bredow
Christian Weber
Rafael Korzenowski
Sebastian Lachmann
823 120
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1
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vorstellen der theoretischen Konzeption
3. Die Ebene der ethischen Implementation
4. Die Ethik-Infrastruktur der OECD
5. Weiche und harte Ethik-Maßnahmen
6. Die Ethik-Infrastruktur in Deutschland
6.1. Verankerung grundlegender Werte
6.2. Die Sicherung der Verantwortlichkeit
7. Die Ethik-Infrastruktur in den USA
7.1. Die historische Entwicklung
7.2. Der Kongress
7.3. Die Administration
7.4. Die zentralen Ethik-Organe
7.5. Die Ethik Komitees der beiden Häuser
7.6. Das Office of Government Ethics
7.7. Verbote und Unvereinbarkeiten
7.7.1. Bestechung und Geschenkannahme
7.7.2. Finanzielle Interessenkonflikte
7.7.3. Post-employment restrictions
7.7.4. Missbrauch von Ämterprivilegien
7.7.5. Politische Aktivitäten
7.8. Präventionen
8. Fazit
9. Literaturverzeichnis
2
1. Einleitung
Spätestens nach den großen Parteispendenskandalen, zum Ende der 1990er Jahre1, wurde in
der Bundesrepublik Deutschland intensiv über ethisches Verhalten der politischen Eliten
diskutiert.
Verschlossenheit,
Undurchsichtigkeit
und
fehlende
Informationen
über
Kapitalflüsse haben nicht nur den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl gestürzt, sondern
auch dafür gesorgt, dass das Verhalten der vom Volk gewählten Vertreter genauer beobachtet
wird. Aber auch in der öffentlichen Verwaltung kommt es immer wieder zu rechtswidrigem
Verhalten der im Dienste des Staates stehenden Beamten.
Doch stellt sich die Frage, inwieweit die Handelnden im öffentlichen Sektor überhaupt
Regeln unterworfen sind, die ihr Verhalten, vor allem in Bezug auf den normativ–ethischen
Bereich, regulieren. Kennt die Bundesrepublik Deutschland Maßnahmen, die dafür Sorge
tragen, dass Personen im öffentlichen Sektor eine ethische Richtschnur auferlegt wird und
existieren vielleicht Maßnahmen die präventiv Fehltritte verhindern können? Desweiteren
erscheint es interessant, diese Maßnahmen in einen bilateralen Kontext zu setzen, um zu
erörtern inwiefern hierbei Parallelen zu einem anderen politischen System gezogen werden
können. Aus diesem Grund werden neben den Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland
auch die Strukturen in den Vereinigten Staaten von Amerika vorgestellt. Als Hauptquelle
dient hierfür das Werk von Nathalie Behnke, die sich im Jahr 2002 ausführlich mit dem
Thema: „Ethik in Politik und Verwaltung – Entstehung und Funktionen ethischer Normen in
Deutschland und den USA“2 auseinandergesetzt hat.
So werden in einem ersten Schritt die theoretischen Grundlagen gelegt und es wird
unter anderem erörtert, was genau unter dem Begriff Ethik verstanden wird. Neben weiteren
Erklärungen werden dann im Hauptteil erst die Ethik-Infrastruktur in der BRD und dann die
Ethik-Infrastruktur in den USA vorgestellt. In einem abschließenden Fazit wird dargestellt,
inwieweit hierbei Parallelen auftreten oder allein separate Strukturen vorzufinden sind. Diese
Arbeit baut auf dem Referat vom 14. Juni 2010, im Rahmen des Seminars:
„Verwaltungspolitik und Verwaltungsmanagement II“.
1
Vgl. Behnke: S. 88ff.
Vgl. Behnke, Nathalie, 2004: Ethik in Politik und Verwaltung. Entstehung und Funktionen ethischer Normen in
Deutschland und de USA, Baden-Baden.
3
2. Vorstellen der theoretischen Konzeption
Bevor man sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit Ethik als Führungs- und
Kontrollinstrument eingesetzt werden kann, muss erst einmal hinterfragt werden, was Ethik
eigentlich ist und wie sie in einen verwaltungspolitischen Kontext gesetzt werden kann?
Ferner stellt sich die Frage, inwieweit Ethik die Verwaltung oder die Politik steuern kann?
Der Terminus „Ethik“ kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet: „das sittliche
Verständnis, Gewohnheit, Sitte, Brauch, Charakter, Sinnesart“.3 Unter dem Begriff Ethik
versteht man somit die Lehre vom sittlichen Wollen und Handeln des Menschen in
verschiedenen Lebenssituationen. Die Ethik beinhaltet allgemein gültige Normen und
Maximen, die sich aus der Verantwortung gegenüber anderen herleiten. 4 Die Ethik ist die
Lehre oder auch die Theorie vom Handeln gemäß der Unterscheidung von gut und böse. 5 Im
Fall dieser Ausarbeitung wird Ethik als ein System von Regeln und Grundsätzen interpretiert,
an dem Personen ihre Handlungen orientieren. Dabei ist es wichtig, dass diese Normen das
individuelle Handeln so steuern und koordinieren, dass das jeweilige Handlungsergebnis
bestmöglich die Grundsätze oder Werte des Systems realisiert. Das System kann in diesem
Fall als moderne Demokratie oder moderner demokratischer Staat betrachtet werden und die
Grundsätze, die hier implementiert werden müssen, sind die Förderung des Gemeinwohls
oder Verfahrensnormen wie Fairness, Billigkeit sowie Gerechtigkeit. Diese Grundsätze stellen
einen öffentlichen Bezug dar, das heißt, sie steuern nicht das individuelle Leben, sondern
soziale Beziehungen. Sie haben also eine Auswirkung auf Dritte. Diese Handlungen, die in
dieser Form einen Einfluss auf Dritte haben, werden ergo als Ethik-Maßnahmen bezeichnet.
Bezieht man diese Erkenntnis auf die öffentliche Verwaltung oder die Politik, in der
Personen (Beamte, Politiker) Ämter und Positionen wahrnehmen, müssen diese EthikMaßnahmen das Handeln dieser Personen so steuern und koordinieren, dass die ihnen
übertragene Macht einzig zur Maximierung des Gemeinwohls dient und nicht zur Verfolgung
privater Interessen.6 Ethik-Maßnahmen beschränken also den Raum der handelnden Personen
in der Verwaltung oder der Politik.
3
Vgl. Duden. Die deutsche Rechtschreibung: S. 355.
Vgl. Duden. Das Fremdwörterbuch: S. 282f.
5
Vgl. http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/ethik.html, [Zugriff am 09.07.2010, 12:59 Uhr].
6
Vgl. Behnke: S. 38f.
4
4
Wenn sie in diesem Fall eine bestimmte Tat vorschreiben (präskriptiv) oder verbieten
(proskriptiv), stellen sie wie bereits erwähnt, eine Art von Norm dar, das heißt sie können als
„regelförmige Vorschriften, die sich als generalisierte Verhaltensvorschriften verstehen
lassen“7, bezeichnet werden.
3. Die Ebene der ethischen Implementation
Wenn der Adressat einer solchen Norm und ihr Nutznießer nicht ein und dieselbe Person sind,
spricht man in der Wissenschaft von disjunkten Normen. Das bedeutet, die Einhaltung der
speziellen Norm liegt nicht unbedingt im unmittelbaren Interesse des Adressaten, aber im
Interesse des Nutznießers.8 An dieser Stelle stellt sich die Frage, wer der Normenadressat und
wer der Nutznießer einer solchen Ethik-Maßnahme ist. Da wir uns in dem System eines
demokratischen Staates, mit seiner Politik und seiner Verwaltung bewegen, liegt es auf der
Hand, dass der Nutznießer der Bürger als demokratischer Souverän ist und der Politiker
(entweder der Abgeordnete oder der Exekutivpolitiker) sowie der Verwaltungsbeamte oder
Angestellte als sein Repräsentant der Adressat der Norm ist. Bezogen auf die beiden Staaten
BRD und USA gestaltet sich das Verhältnis zwischen Staat und Bürger jedoch sehr
unterschiedlich, da es sich im Falle der BRD einmal um ein parlamentarisches
Regierungssystem handelt und im Falle der USA um ein präsidentielles Regierungssystem.9
Eines haben jedoch beide Staaten gemeinsam. In beiden Systemen stehen sich Bürger
und staatliche Institutionen mit ihren Mitarbeitern in einem asymmetrischen Verhältnis
gegenüber. Dies erklärt sich durch zwei Punkte: Erstens entsteht zwischen dem Bürger und
dem öffentlichen Sektor eine Informationsasymmetrie, da der Bürger nie über all die
wichtigen Informationen im politischen Entscheidungsprozess verfügt, wie der Politiker.
Zweitens „kauft“ sich der Bürger mit seiner Stimmabgabe stets ein komplettes Paket
politischer Güter, was den politischen demokratischen Prozess relativiert. Dies entsteht
dadurch, dass dem Wähler stets nur ein Versprechen gegeben wird, ein bestimmtes politisches
Vorhaben zu realisieren, was spätestens bei einer Koalitionsbildung in der Regierung durch
Kompromisszwänge modifiziert wird und somit dieses Versprechen nicht eingehalten werden
kann. Die Verantwortung wird dann auch leicht auf die Koalitionsbildung, mit ihrer
involvierten Konsensfindung oder andere Einflüsse geschoben.
7
Vgl. Behnke: S. 38f.
Vgl. Behnke: S. 46f.
9
Mehr dazu unter Punkt: 6 und 7.
8
5
Das Problem das sich daraus ergibt ist, dass die politische Verantwortlichkeit und die
Kontrolle politischen Handelns erschwert wird. Der Wähler kann die Handlungen der
Politiker kaum kontrollieren, da er allein auf die Wahlentscheidung Einfluss ausübt.10
4. Die Ethik-Infrastruktur der OECD
Insgesamt mangelt es also an Transparenz, was das Vertrauen des Bürgers in den öffentlichen
Sektor verschwinden lässt. Um hier gegen zu wirken, hat die OECD (Sektion Puplic
Management) ein Programm gestartet, das sich mit der Frage beschäftigt, wie Regieren als
Management des öffentlichen Sektors verbessert werden kann.
Ein daraus resultierendes Instrumentarium ist das Ethics Management, das diesen
Vertrauensverlust durch hohe ethische Standards aufhalten soll. Aus diesem Instrument geht
auch der Begriff Ethik-Infrastruktur hervor.11 Die OECD definiert die Ethik-Infrastruktur als
„the institutions, systems, tools and conditions that government use to promote integrity in the
puplic sector”12 Um einen Überblick zu geben, welche Werte oder Standards in einigen
Ländern oder sogar grenzüberschreitend konsensfähig sind sowie mit Hilfe welcher
Institutionen, Regelungen und Maßnahmen ethisches Verhalten gesichert wird, haben sich
neun Mitglieder der OECD13 bereit erklärt einen Ethik-Report zu verfassen. Auf Grundlage
dieses Berichtes wurde das Konzept der Ethik-Infrastruktur entwickelt, womit die zentralen
Aspekte des Ethik-Managements anhand von acht Elementen sichergestellt werden sollen.
Unter dem Political commitment (1) versteht man das Interesse und die Bereitschaft
sich für ethische Standards einzusetzen. Dies ist aufgrund des Signalcharakters besonders bei
der politischen Führung von Bedeutung. Die worable codes of conduct (2) sind
Verhaltenskodizes, deren Inhalte sowie Reichweiten nicht von der OECD vorgegeben
werden. Sie dienen als Ergänzung bestehender Regeln und können allgemein gelten oder
individuell von Behörden oder Institutionen erarbeitet werden. Bei dem professional
socialisation mechanism
(3) wird die Notwendigkeit expliziten Trainings in Form von
Seminaren betont, in denen Werte und Regeln vermittelt und aufgefrischt werden sollen. Die
Wichtigkeit einer zentralen Koordination ethischer Aktivitäten ergibt sich vor allem aus dem
Anspruch, einheitliche Werte und Standards zu vermitteln sowie sich widersprechende
Maßnahmen in verschiedenen Bereichen zu verhindern.
10
Vgl. Behnke: S. 59f.
Vgl. Behnke: S. 77ff.
12
Ebenda: S. 77.
13
Australien, Finnland, Mexiko, die Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Portugal, England, USA.
11
6
Der ethics co-ordination baody (4) darf jedoch nicht dafür sorgen, dass sich die einzelnen
Institutionen auch selbst aktiv um diesen Bereich kümmern. Wenn man einerseits erwartete
dass öffentlich Bedienstete ethische Verhaltensweisen an den Tag legen, muss man
andererseits auch dafür sorgen, dass es Arbeitsumgebungen gibt, die den Ansprüchen gerecht
werden. Die suppartive puplic service conditions (5) der OECD sind Arbeitsplatzsicherheit,
Beförderungsmöglichkeiten, angemessene Bezahlungen sowie soziale Akzeptanz. Vor allem
in Staaten, in denen nicht wie in Deutschland, der öffentliche Dienst mit besonderen
Privilegien ausgestattet ist, sind diese Elemente von Bedeutung. Das effecktive legal
framework (6) dient der rechtlichen Regelung, die sich auf Verhaltensstandards bezieht, wie
die strafrechtliche Regelung gegen Korruption oder Beamtengesetze zur Regelung von
Interessenskonflikten und Geschenkannahme. Damit bereits im Voraus der Notwendigkeit,
bestimmte Standards einzuhalten, ein größeres Gewicht verliehen wird, sorgt der efficient
accountability mechanismus (7) durch Rechenschaftablegungen und Evaluationen für eine
präventive Kontrolle.14
Und das letzte Element, durch dass Ethik-Management der OECD sichergestellt
werden soll, ist die active civil society (8). Dabei geht es hier um eine aktive und offene
Gesellschaft, die ihre Grundrechte und Grundfreiheiten in Anspruch nimmt. So geht von ihr
ein Kontrollanspruch und Informationsanspruch aus, der in erster Linie über die
Massenmedien erfolgt. Jedoch fallen auch Initiativen zur Informationsfreiheit darunter.15
5. Weiche und harte Ethik-Maßnahmen
Der Konzeption der Ethik-Infrastruktur liegt die Überzeugung zugrunde, dass ethisches
Verhalten am ehesten aus einer Mischung aus so genannten harten Ethik-Maßnahmen
(extrinsische Motivation) und aus weichen Ethik-Maßnahmen (intrinsischer Motivation)
gewährleistet wird. Unter harten Ethik-Maßnahmen versteht man Sanktionen oder ähnliches,
die bei einer Nichteinhaltung ethischen Verhaltens (Beispiel: Korruption) zu erwarten sind,
um das Fehlverhalten zu bestrafen. Da dies jedoch allein nicht ausreicht existieren zusätzlich
die weichen Ethik-Maßnahmen. Weiche Ethik-Maßnahmen basieren auf der Akzeptanz des
Handelnden, dass bestimmte Regeln legitim sind. Der Handelnde muss intern erkennen, was
richtig und was falsch ist. Er muss moralisch in der Lage sein, bestehende Regeln so
auszulegen, dass auch ein Abweichen von der Norm, nicht zu einem korrupten Verhalten
führt, sondern maximal zu einem besseren Erreichen des Organisationsziels führt.
14
15
Vgl. Behnke: S. 78f.
Vgl. Behnke: S. 79.
7
Ein gutes Beispiel ist hier die Vorschriftenlage bei der Bundeswehr. Ein Soldat ist dazu
verpflichtet, die Inhalte der zentralen Dienstvorschriften einzuhalten. Er wird jedoch auch mal
die Vorschrift etwas umgehen oder sich auch mal nicht daran halten. In einem solchen Fall ist
es wichtig zu wissen, warum er das macht. Handelt er es aus Eigennutz? Dann ist es nicht
legitim. Macht er es, um seinen militärischen Auftrag besser erfüllen zu können? Dann ist es
akzeptabel. Für diese Unterscheidung muss der Handelnde befähigt sein, rational zwischen
„richtig“ und „falsch“ differenzieren zu können und die Legitimität von Regeln
anzuerkennen. Weiche Ethik-Maßnahmen basieren also auf der Anerkennung von Regeln,
was nur entstehen kann, wenn Vertrauen, Verantwortlichkeit und Integrität für bedeutungsvoll
erachtet werden.16 Um diese Theorie mit einem Beispiel zu belegen, kann die Erhöhung des
Strafmaßes bei Korruption genannt werden, die eine harte Maßnahme darstellt. Die
Vereidigung eines Beamten, die präventiv die Verantwortlichkeit des Handelnden
untermauern soll, ist hingegen eine weiche Maßnahme.
Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass harte Ethik-Maßnahmen auf
Basis von gesetzlich geschützten Verboten, im Wesentlichen auf die Verhinderung, Kontrolle
und Sanktion von Korruption im engeren Sinne zielen. Weiche Ethik-Maßnahmen sollen
präventiv wirken und beziehen sich auf ein Fehlverhalten das in einem weiteren
Korruptionsbegriff erfasst werden kann.17
6. Die Ethik-Infrastruktur in der Bundesrepublik Deutschland
Die deutsche Institutionenordnung hat traditionell den Schwerpunkt auf formal-legalen
Regelungen. Die historische Verwurzelung in Bürokratie und Rechtsstaattradition führt zu
einer tendenziellen Zurückhaltung gegenüber Modernisierungsbestrebungen. Somit ist die
deutsche
Ethik-Infrastruktur
einerseits
durch
eine
traditionell
bedingte
Trägheit
gekennzeichnet und andererseits sind klare Veränderungsbestrebungen erkennbar. Diese
Veränderungsbestrebungen
Generationenwechsel,
den
sind
zum
Teil
Wertewandel
auf
oder
gesellschaftliche
Auswirkungen
Trends
der
wie
den
Modernisierung
zurückzuführen. Obwohl bestehende Regeln und Gesetze in der Bundesrepublik sich als
Elemente der Ethik-Infrastruktur interpretieren lassen, ist die direkte Debatte erst ab der Mitte
der 1990er Jahre entstanden. Die Politik hat sogar erst ab 1999, im Zuge der CDU
Parteispendenaffäre, diese Debatte aufgegriffen.
16
17
Ebenda: S. 79ff.
Ebenda: S. 85.
8
Auch die SPD kam ein wenig später mit diesem Milieu in Kontakt, namentlich mit der
Flugaffäre um die West-LB oder die Kölner „Müll-Affäre“ im Frühjahr 2002. Ein wichtiger
Aspekt der die deutsche Ethik-Infrastruktur geprägt hat, ist der internationale Einfluss, der
unter anderem auch von der oben erwähnten OECD (oder durch die EU) auf Deutschland
ausgeübt wurde. Diese Rechtssetzungsakte beziehen sich in erster Linie auf die öffentliche
Verwaltung. Zu nennen sind unter anderem das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption aus
dem Jahr 1997, die OECD Convention on Cambating Bribery of Foreign Public Officials in
International Business Transaction (1997), das EU Bestechungsgesetz (1998), das Gesetz zur
Bekämpfung internationaler Bestechung (1998) und die Strafrechtskonvention des
Europarates (1999).18
6.1 Verankerung grundlegender Werte
Die höchsten ethischen Werte sind in der BRD der Schutz der Menschenwürde und der
Schutz der Demokratie. Diese sind verfassungsrechtlich festgeschrieben und mit der so
genannten Ewigkeitsklausel in Artikel 79 Absatz 3 auf Ewig festgeschrieben. Desweiteren
haben sich bestimmte Personengruppen, die für den Staat tätig sind, auf eine bestimmte Art
und Weise diesem gegenüber zu verpflichten.
Beamte verpflichten sich gemäß § 58 des Beamtengesetzes mit folgender Formel: „Ich
schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepublik
geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir
Gott helfe.“ Weitere wichtige Gesetze für Beamte sind der Artikel 33 Absatz 5, der auf
hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums verweist (Beispiel: besondere Treupflicht
zum Staat oder Streikverbot) oder das Beamtenrechtsrahmengesetz in § 35, das die
Unparteilichkeit und die Gemeinwohlorientierung regelt.19
Bundesminister schwören, genauso wie die Beamten, einen Eid. So haben sie nach § 3
des Bundesministergesetzes den in Artikel 56 Grundgesetz verfassten Eid: „Ich schwöre, dass
ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden
von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen,
meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen Jedermann üben werde“ zu
schwören. Sie sind verpflichtet für die Erhaltung der freiheitlich-demokratischen Grundwerte
einzutreten. Abgeordnete müssen keinen Eid schwören.
18
19
Vgl. Behnke: S. 85ff.
Ebenda: S. 91.
9
Insgesamt können diese Eide zu den weichen Ethik-Maßnahmen gezählt werden, wohingegen
auch harte Ethik-Regeln im Bereich des öffentlichen Sektors angewendet werden können.20
Hierbei stellen fünf Korruptionsparagraphen den Kernbestand dar (§§ 331-336 StGB).
Eine strafrechtliche Verfolgung und Sanktion mit Freiheitsentzug ist juristisch die größte
Waffe der Korruptionsbekämpfung. Darüber hinaus wurde die Gesetzgebung seit 1997 in
mehreren Bereichen verschärft, was eine bessere Aufklärung und höhere Strafen mit sich
bringen soll. So gibt es auch über den strafrechtlichen Bereich hinaus für Beamte die
Beamtengesetze und das Disziplinarrecht, wobei letzteres noch differenziert wird zwischen
behördlichen und gerichtlichen Disziplinarverfahren. Für Minister haben die signifikanten
Rechtsgrundlagen, das Bundesministergesetz und die gemeinsamen Geschäftsordnungen der
Bundesregierung sowie der Bundesministerien Geltung. Für Abgeordnete sind die
„Verhaltensordnung für Abgeordnete“ wichtig, wenn es um das ethisch korrekte Verhalten
geht. Sie beinhalten im Wesentlichen Regelungen zur Offenlegung von Spenden und zur
Anzeige von Nebentätigkeiten. Insgesamt beinhalten all diese Rechtssetzungen Verbote gegen
Bestechung, Geschenkannahme, Nebentätigkeiten und Spenden, für den Missbrauch von
Ämterprivilegien, und für das Verbot politischer Aktivität.21
6.1 Die Sicherung der Verantwortlichkeit
Es stellt sich die Frage, wie hierbei eine Verantwortung festgelegt werden kann. Der
öffentliche Sektor, hier die Politik, muss dafür Sorge tragen, dass ein gewisses Maß an
Transparenz und Informationen gewährleistet werden kann, so dass der Bürger auch ein
gewisses Maß an Kontrolle ausüben kann. Dabei stehen der einzelne Politiker, die jeweilige
Partei und der Bundestag als Institution in der Verantwortung. Die Transparenz im Bundestag
wird durch die Öffentlichkeit gewährleistet. So sind Plenarsitzungen nach Artikel 42, Absatz
1 Satz 1 Grundgesetz generell öffentlich und nur unter Umständen (zweidrittel Mehrheit des
Bundestages) nicht öffentlich.22
Auch moderne Kommunikationsmittel, wie das Internet, sorgen für Transparenz, da
hier viele Datenbanken und Portale Auskunft über parlamentarische Vorgänge geben.
20
Vgl. Behnke: S. 91f.
Ebenda: S. 93f.
22
Ebenda: S. 119f.
21
10
Das Gleiche gilt für andere Medien, wie die Zeitung „Das Parlament“, die über aktuelle
Vorgänge informiert.23 Ein letzter wichtiger Aspekt ist das Petitionsrecht nach Artikel 17
Grundgesetz, wonach jeder das Recht hat, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen
schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die
Volksvertretung zu wenden.
Regierungshandeln wird in einem parlamentarischen Regierungssystem auch vom
Parlament kontrolliert. So ist in diversen Ausschüssen gewährleistet, dass Akten,
Datenbanken der Regierung und der Verwaltung durch die Opposition eingesehen werden
können. Ferner haben Ausschüsse die Möglichkeit, Anhörungssitzungen mit Experten
durchzuführen. So kann das Parlament Regierungsvorlagen beurteilen, kritisieren oder
gegebenenfalls auch abändern. Die Abgeordneten können schriftlich große und kleine
Anfragen an die Bundesregierung stellen und während der laufenden Plenardebatte Fragen
stellen. Zur Einbindung unabhängigen Sachverstandes können Enquéte-Kommissionen
eingerichtet werden. Eine weitere große Möglichkeit ein bestimmtes Verhalten der
Bundesregierung aufzuklären, bietet der so genannte Untersuchungsausschuss, der nach
Artikel 44 Grundgesetz in einer öffentlichen Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt.
Der Untersuchungsausschuss ist in erster Linie ein Kontrollinstrument der Opposition
gegenüber der Regierung. Auch wenn der Untersuchungsausschuss in seiner Wirkung
begrenzt ist, da seine Zusammensetzung nach Fraktionsproporz bestimmt wird, erreicht das
dort behandelte Problem stets die Öffentlichkeit, womit er besonders in dem Blickpunkt der
Öffentlichkeit steht.24
Den größten Kontrollanspruch des Bundestages gegenüber der Bundesregierung stellt
das konstruktive Misstrauensvotum dar. Da die Regierung vom Vertrauen des Parlaments
abhängig ist, muss dieses auch die Möglichkeit haben ihr das Vertrauen zu entziehen. In der
Bundesrepublik Deutschland handelt es sich jedoch um ein so genanntes konstruktives
Misstrauensvotum, das bedeutet, dass mit dem Misstrauensantrag ein neuer Kanzlerkandidat
vorgestellt werden muss.25 Als externe Instanz, also als ein unabhängiger Akteur kann der
Bundesrechnungshof sowohl die Finanzen der Exekutive als auch der Legislative prüfen.
Dabei stehen hier die kassenmäßige Kontrolle des Bundeshaushalts sowie umfassende
Wirtschaftlichkeitsprüfungen politischer Programme ebenso wie Beratung und Auditing auf
der Tagesordnung.
23
Vgl. Behnke: S. 119ff.
Ebenda: S. 126f.
25
Ebenda: S. 128f.
24
11
Durch diese Prüfungen konnten bereits viele Korruptionsfälle aufgeklärt werden, wie zum
Beispiel in der Bauverwaltung. Nicht nur durch nachhaltige Kontrolle ist der
Bundesrechnungshof erfolgreich, sondern auch präventiv, aufgrund der Tatsache, dass er zu
jeder Zeit prüfen kann.26
Obwohl der Bundesrechnungshof traditionell der Regierung näher stand, hat er sich
nun von ihr entfernt und ist nicht nur näher an das Parlament herangerückt, sondern
unterstützt das Parlament auch in der Kontrolle der Exekutive. Vorläufer des
Bundesrechnungshofes bestehen bereits seit 1714, weshalb dieser auf eine breite Erfahrung
zurückgreifen kann. Da er als Wächter der Steuergelder angesehen wird, besitzt er bei der
Bevölkerung eine hohe Reputation.27
7. Die Ethik-Infrastruktur in den USA
7.1 Die historische Entwicklung
Die USA besitzen unter sämtlichen westlichen Demokratien die ausgereifteste EthikInfrastruktur. Sie verfügen über ein komplexes System von Institutionen, Verfahrens- und
Verhaltensregeln auf sämtlichen hierarchischen Ebenen. Die Entwicklung dieses Systems ist
von offiziellen Stellen, von Wissenschaftlern und Journalisten gut dokumentiert. Das US
System ist ein selbstreflektierendes System, das sich in Untersuchungskommissionen,
Hearings und Reporten zur Ethik-Infrastruktur äußert. Dabei gibt es große Unterschiede zum
deutschen System. So laufen sämtliche Ethik-Regelungen in drei zentralen Organen
zusammen, den Ethik-Komitees der beiden Häuser im Kongress sowie dem Office of
Government Ethics für die Exekutive. Der Unterschied zum deutschen System ist der, dass
das deutsche System solche zentralen Einrichtungen nicht kennt.28
Zudem ist die Auseinandersetzung mit dem Ethik-Begriff weitaus älter als in
Deutschland. Der Begriff ethics hat sich seit den 1950er Jahren in den USA eingebürgert.
Während sich der deutsche Begriff Ethik jedoch auf eine höhere Vorstellung moralischer
Standards bezieht, wird ethics eher nüchtern verwendet und bezieht sich auf direkte
Interessenkonflikte und operationalisierbare Verhaltensregeln.
26
Vgl. Behnke: S. 129ff.
Vgl. Behnke: S. 132f.
28
Ebenda: S.137.
27
12
Auch das Verständnis von so genannten Public officials ist in beiden Staaten anders. Die
politischen und administrativen Aufgaben sind unterschiedlich untergliedert. So sind die
Grenzen zwischen beiden Bereichen in den USA noch fließender als in Deutschland.
Verwaltung und Politik unterliegen zu dem in beiden Staaten unterschiedlichen Zwängen und
Sozialisationsmustern. Diese Faktoren haben einen signifikanten Einfluss auf die
Ausgestaltung wesentlicher Regeln und Verfahren.29
Die Ausgangslage für eine amerikanische Ethik-Debatte waren die 1950er Jahre. Bis
zum Ende des Zweiten Weltkrieges war sie noch kein Thema. Fälle von Korruption oder
Interessenkonflikten wurden fallweise behandelt, ohne dass es einheitliches Regelsystem für
die verschiedenen Zweige der Regierung gegeben hätte. Zwei Faktoren sorgten jedoch dafür,
dass sich die Behandlung solcher Fälle änderte. Erstens stiegen Umfang und Komplexität der
Regierungsaufgaben an (Prozess des so genannten „Big Government“ und zum anderen
häuften sich zu dieser Zeit politische Skandale, die die Öffentlichkeit empörten und
Handlungsdruck schafften. So äußerten sich zum ersten Mal Forderungen nach EthikKodizes. In den folgenden Jahren kann man drei unterschiedliche Phasen von intensiven
Diskussionen und Kodifizierung unterscheiden. Die erste Welle dauerte von den späten 50er
Jahren bis in die Mitte der 60er Jahre.30
Die zweite Welle fand ihren Zenit im Jahr 1978 und die letzte Welle erstreckte sich
vom Ende der 1980er Jahre bis zum Ende der 1990er Jahre. Erste Vorschläge für
Verhaltensstandards legte im Jahr 1951 der so genannte Douglas Report vor, der zur Folge
hatte, dass 1958 ein Code of Ethics for Government Service für alle drei Regierungszweige
veröffentlicht wurde. Nach dieser eher symbolischen Resolution folgten weitere
Untersuchungen und eine eher ruhige Zeit auf diesem Gebiet, bis der so genannte WatergateSkandal eine zweite Ethik Welle hervorruf. So wurde zum Beispiel der Ethics in Government
Act (1978) verabschiedet, durch den eine Offenlegung finanzieller Interessen erstmalig für
alle drei Regierungszweige gesetzlich geregelt wurde. Hier inbegriffen war die Einrichtung
eines Office of Government Ethics als zentrales Koordinierungsorgan und die Möglichkeit
einen unabhängigen Untersuchungsanwalt einzusetzen (special counsel). Es folgte weiter der
Civil Service Reform Act, der eine Neustrukturierung und eine stärkere Leistungsorientierung
des öffentlichen Dienstes bewirken sollte.
29
30
Vgl. Behnke: S. 138.
Vgl. Behnke: S. 139.
13
Der Inspector General Act war ein nächster wichtiger Schritt, da aufgrund dieser gesetzlichen
Grundlage Generalinspektoren eingesetzt wurden, die Programme zur Aufdeckung und
Verhinderung von Korruption, Verschwendung und Missmanagement erarbeiten und
umsetzen sollten.31
Bis 1989 flaute die Ethik-Debatte ab und erst George Bush ließ die bestehenden
Regeln durch die Presidents Commission on Federal Ethics Law Reform überarbeiten. Hier
wurden Vorschläge einer Reform erarbeitet, die sich in erster Linie auf die Administration,
vor allem auf das Verhältnis zwischen Verwaltung und Kongress, konzentrierten. Als Resultat
wurde der Ethics Reform Act verabschiedet, der bestehende Regeln verschärfte und
bestimmete Kompetenzen neu verteilte. Der Ethik Prozess in den USA wurde vorläufig, mit
der regierungsweiten Vereinheitlichung und Verschärfung der Regeln zur Geschenkannahme
(1995) und der Reform des Ethik Prozesses im Senat mit einer Angleichung an die Regeln des
Repräsentantenhauses (1999), beendet.32
7.2 Der Kongress
Die Kongressmitglieder in den USA unterscheiden sich in ihrem Amtsverständnis von den
Parlamentariern in Deutschland. Sind die deutschen Volksvertreter in erster Linie ihrer Partei
hörig
und
vertreten
dementsprechend
ihre
Interessen,
sitzt
das
amerikanische
Kongressmitglied in erster Linie für seinen Wahlkreis in Washington. So werden die
Interessen des Volkes nicht in der Partei gebunden und kanalisiert, sondern fließen im
direkten Kontakt, bspw. in Form von Briefen aus dem Wahlkreis direkt zu den einzelnen
Abgeordneten. Diese starke Rückkoppelung an den Wähler übt einen Einfluss auf die
Ausgestaltung der Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten aus.33
Einerseits sind die Regeln relativ großzügig, andererseits auch sehr detailiert, da die
Grenzen zwischen legalem und illegalem Verhalten bei der Interessenvertretung dünn und
veränderlich sind. Auch die Wahlkampffinanzierung
unterscheidet sich vom deutschen
Modell.
und
Aufgrund
eines
zweijährigen
Turnus
der
Tatsache,
dass
die
Wahlkampffinanzierung keine Angelegenheit der Parteien ist, ist die Finanzierung allein
Privatsache. Dementsprechend müssen natürlich auch die Regeln sein, die zulässige und
unzulässige Spenden aufzeigen.
31
Vgl. Behnke: S. 140.
Ebenda: S. 141.
33
Vgl. Behnke: S 141.
32
14
Es muss Regeln zum Lobbying geben und auch zur Trennung öffentlicher und privater
Ressourcen. Auch die Frage wo die Finanzunterstützungen herkommen, ist ein wesentlicher
Bestandteil der Ethik-Regelungen.34
7.3 Die Administration
In der amerikanischen Verwaltung hat sich in den letzten 200 Jahren im Bereich der EthikKontrollen viel verändert. Bis ins 19. Jahrhundert hinein, war es üblich, dass ein neuer
Präsident seinen Verwaltungsapparat komplett neu besetzt hat. Dies führte dazu, dass die
Beamten nahezu fast komplett neu eingearbeitet werden mussten und es wurde eine beinahe
„mafiose“ Wahlkampforganisation geboren. Dies drückte sich in einem Patronagesystem aus,
in dem die Besetzung eines ein öffentliches Amt versprochen wurde, sollte man die Wahl
gewinnen. Der Pedleton Act von 1883 war der erste nennenswerte Vorschub zur
Einschränkung dieses System, gefolgt vom Hatch Act, durch den man Mitarbeitern des
öffentlichen Dienstes die politischen Aktivitäten einschränkte. Der Civil Service Reform Act
von 1978 stärkte das Leistungsprinzip im öffentlichen Dienst. Die Civil Service Commission,
die seit dem Pendlten Act von 1983 für Rekrutierung, Beförderung und Bewertung des
Verwaltungspersonals zuständig gewesen war, wurde durch das Office of Personal
Management ersetzt, dem das Merit Systems Protection Board eingegliedert ist. Dieses dient
dem Schutz des Leistungsprinzips und kann von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes
angerufen werden. Weiter hat es heute die Aufgabe, so genannte Whistleblowers zu schützen.
Dies sind Personen, die bestimmte Fehler in ihrer Abteilung aufdecken und somit den Ärger
ihrer Kollegen auf sich ziehen. Mit dem Civil Service Reform Act wurde zu dem der Senior
Executive Service eingeführt. Dies ist eine Reihe von Führungskräften innerhalb des
Laufbahnbeamtentums,
die
spezielle
Rekrutierungsverfahren
durchlaufen,
Managementaufgaben mit hoher Eigenverantwortung betraut werden.35
34
35
Vgl. Behnke: S. 142.
Vgl. Behnke: S. 143f.
15
um
mit
7.4 Die zentralen Ethik-Organe
Das amerikanische Rechtssystem kennt verschiedene Stufen von Gesetzen. An oberster Stelle
steht die Verfassung, in welcher auch Ethik-Regeln enthalten sind. Darunter kommt das
Statutenrecht, also Gesetze die von beiden Kammern im Kongress verabschiedet werden
müssen und sich anschließend im United States Code wiederfinden. Ein Verstoß gegen
Gesetze auf diesen Ebenen kann mit Freiheits- oder sogar der Todesstrafe geahndet werden.
Unter diesen Gesetzen kommen die drei Ethikorgane (die beiden Ethik-Komitees des
Kongresses und das Office of Government Ethics), wobei ein Verstoß gegen diese nur mit
disziplinaren Ahndungen sanktioniert werden kann.36 Das Bekenntnis zu den grundlegenden
Werten ist in den USA im öffentlichen Bereich, im privaten Bereich und im NonProfitbereich eine Selbstverständlichkeit. Der Präsident schwört den Eid bei seiner
Amtseinführung. Auch die Mitglieder der Legislativen und der Exekutiven schwören einen
Eid, welcher gesetzlich festgehalten ist.37
7.5 Die Ethik Komitees der beiden Häuser
Die Komitees der beiden Häuser haben sich lange Zeit leicht unterschieden und sind erst seit
1999 übereinstimmend. So nehmen die Ethik Komitees in beiden Häusern vier zentrale
Aufgabenbeiche wahr:
1. Die kritische Überprüfung des Bestandes an Ethik Regeln, deren Konkretisierung und
Interpretation. Es werden Vorschläge entwickelt, wenn neue problematische
Situationen entstehen, wenn es keine klaren Regelungen gibt oder diese
unzweckmäßig sind.
2. Annahme von Klagen gegen unethisches Verhalten, sowie die Durchführung von
Untersuchungen,
Sammeln
von
Beweismitteln
und
Vorschlag
eines
Sanktionsvorschlags, der vom jeweiligen Haus angenommen werden muss.
3. Beratung für Mitglieder in Fragen ethischen Verhaltens. Dies geschieht in Form von
Seminaren, Broschüren, Publikationen oder durch Einzelauskünfte.
4. Überprüfung von Reiseanträgen, Überprüfung von Formularen zur Offenlegung
finanzieller Interessen aller Mitarbeiter und Mitglieder des jeweiligen Hauses.38
36
Vgl. Behnke: S. 150ff.
Ebenda.
38
Ebenda: S. 152.
37
16
Der Ethikprozess besteht aus vier Schritten: der Anklage (1), der Voruntersuchung (2), der
Hauptuntersuchung (3) und der Sanktion (4). Eine Klage kann in beiden Häusern, entweder
von einem Bürger oder einem Mitglied des Hauses, eingereicht werden. Im Senat darf jede
Klage eingereicht werden, im Repräsentantenhaus muss sich ein Fürsprecher aus dem Haus
finden. Um Klagen nicht als Wahlkampfmittel benutzen zu können, dürfen 60 Tage vor einer
Wahl keine Klagen mehr eingereicht werden. Als Strafen können einfache Tadel, schriftliche,
schwere Tadel und ein Ausschluss aus dem Parlament sein. Es können auch Ehrenämter
aberkannt werden und Geldbußen verhangen werden. Die Jurisdiktion erstreckt sich auf
sämtliche Mitarbeiter des Kongresses. Auf Senatoren, Abgeordnete und private Mitarbeiter.
7.6 Das Office of Government Ethics
Das Office of Government Ethics ist die zentrale Organisations- und Koordinationseinheit
innerhalb der Exekutive. Das Büro ist in vier Bereiche gegliedert sowie in mehrere
Unterbereiche, welche insgesamt jeweils bestimmte Sektoren der Ethikkontrolle abdecken.
Bestehende Regeln werden interpretiert, spezifiziert und weiterentwickelt. Diese Maßnahmen
werden dann durch andere Abteilungen an die Mitarbeiter und Politiker der Exekutive in
Form von Seminaren, Broschüren und anderen Handlungshinweisen weitergegeben. So ist
zum Beispiel eine Abteilung allein damit beschäftigt, sämtliche finanziellen Offenlegungen zu
bearbeiten.39
7.7 Verbote und Unvereinbarkeiten
Die meisten Ethik Vergehen sind in Title 18 U.S.C. aufgelistet und betreffen Politiker sowie
Mitarbeiter in der Verwaltung und im Kongress gleichermaßen. Der Kern der Regeln ist in
allen drei Organen gleich geregelt.40
7.7.1 Bestechung und Geschenkannahme
Geben oder Anbieten sowie Annahme irgendeiner Sache von Wert im Tausch für eine
Dienstleistung kann bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe mit sich bringen.41
39
Vgl. Behnke: S. 159ff.
Ebenda: S. 162.
41
Ebenda: S. 163.
40
17
7.7.2 Finanzielle Interessenkonflikte
Es ist verboten, dass eine Person in einer Angelegenheit tätig wird, die einen direkten Einfluss
auf ihre eigenen finanziellen Interessen ausübt. Somit soll unter anderem verhindert werden,
dass eine Person Nutzen aus öffentlichen Positionen bezieht, dass eine Unparteilichkeit in der
Ausübung der Position gestört wird, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck von Bevorzugung
gestört wird.42
7.7.3 Post-employment restrictions
Aufgrund eines häufigen Wechsels zwischen politischen Amt und privater Wirtschaft ist es
verboten, nach dem Amt in der Exekutiven für einen Privaten in derselben Angelegenheit
tätig zu werden. Dies ist jedoch mit bestimmten Regeln verbunden, so dass in erster Linie
Personen gemeint sind, die mit Regierungsmitarbeitern kommuniziert oder dort vorstellig
geworden sind, um bestimmte Entscheidungen zu beeinflussen.43
7.7.4 Missbrauch von Ämterprivilegien
Die Verbote der Geschenkannahme und die Regelungen zu Interessenkonflikten sollen
verhindern, dass eine Person aus ihrer Position oder ihrem Amt indirekt private Vorteile zieht.
Indirekte Vorteile können entstehen, wenn Lobbyisten oder andere Personen für
Informationen oder den Einfluss auf Gesetze oder andere Entscheidungen, Gegenleistungen,
zum Beispiel Geld, bieten. Zum Beispiel Geld oder interessante Jobangebote. Direkte Vorteile
ergeben sich aus der Möglichkeit des Missbrauchs von Ämterprivilegien. Dabei gilt für die
Exekutive und die Legislative gleichermaßen, dass öffentliche Mittel von privaten Mitteln zu
trennen sind und auch nur für diese eingesetzt werden dürfen. Hier inbegriffen sind die
Verbote, die eigene Position zur Erpressung von Vorteilen zu nutzen, vertrauliche
Informationen weiterzugeben und die Arbeitszeit (auch von Untergebenen) für private
Zwecke zu nutzen.44
42
Vgl. Behnke: S. 164f.
Ebenda: S. 169f.
44
Ebenda: S. 170.
43
18
7.7.5 Politische Aktivitäten
Für Abgeordnete, Senatoren, Mitarbeiter im Kongress und Mitarbeiter der Exekutive gilt eine
generelle Unvereinbarkeit zwischen Aktivitäten in Ausübung ihrer offiziellen Position und
politischen Aktivitäten. Unter politischen Aktivitäten versteht man hierbei Handlungen, die
sich auf die eigene Wiederwahl richten. Die Grenze zwischen diesen Aktivitäten und
Handlungen die aufgrund des Amtes getätigt werden, ist dabei natürlich nicht eindeutig
nachvollziehbar. Das Verbot politischer Aktivitäten galt früher auch für die Freizeit der
Personen. Es wurde jedoch gelockert.45
7.8 Präventionen
Die Verpflichtung zur Offenlegung finanzieller Interessen sowohl für Kongressmitglieder als
auch für Mitarbeiter der Exekutive und der öffentlichen Verwaltung ist ein zentraler
Bestandteil der amerikanischen Ethik-Infrastruktur. Diese Verpflichtung ist in doppelter
Hinsicht sinnvoll: einerseits kann durch Transparenz eine Vielzahl an Interessenkonflikten
vermieden werden und der Kontrollaufwand reduziert werden. Zum anderen soll durch
Transparenz das öffentliche Vertrauen gestärkt werden. Offengelegt werden müssen private
finanzielle Verhältnisse im Bereich ihres Einkommens und ihres Vermögens. Diese
Erklärungen müssen einmal bei Amtsantritt, jährlich zu einem bestimmten Stichtag, und nach
Beendigung ihrer Tätigkeit abgegeben werden. Dabei sind die Regelungen mittlerweile so
detailiert, dass sie auch den Ehegatten / die Ehegattin und abhängige Kinder betreffen. Diese
Regelungen sind nicht unproblematisch, da dies einen nicht unerheblichen Eingriff in die
Privatsphäre darstellt. Auch ein so genanntes Ethik-Training hat in den vergangenen Jahren an
Bedeutung gewonnen. Präventivmaßnahmen sind unter anderem preiswerter, als Maßnahmen
die im Rahmen einer Sanktion durchgeführt werden müssen. Das Training findet im Rahmen
von Seminaren statt, aber auch Broschüren werden ausgegeben.46
45
46
Vgl. Behnke: S. 173f.
Vgl. Behnke: S. 179ff.
19
8. Fazit
In dieser Ausarbeitung wurde dargestellt, wie die Ethik-Infrastrukturen in der Bundesrepublik
Deutschland und in den USA aussehen. Dabei wurden zuerst die theoretischen Grundlagen
aufgezeigt und dann folgend beide Systeme in einem Überblick vorgestellt.
Es wurde aufgezeigt, dass es in beiden Staaten eine Ethik-Infrastruktur gibt, die jedoch
unterschiedlich ausgeprägt ist. In der Bundesrepublik Deutschland sind Ethik-Regeln in erster
Linie durch das Grundgesetz geregelt und weiter durch weiterführende Gesetze, unter
anderem,
im
Bereich
des
Berufsbeamtentums
oder
der
Ministergesetze.
Das
Berufsbeamtentum gilt zudem als eine der traditionellen Säulen, durch die ethisches
Verhalten in der Verwaltung gewährleistet werden soll. Einen direkten Ethik-Sektor gibt es
jedoch nicht. Das heißt es gibt keine Organe oder Institutionen, die allein für die
Überwachung ethischer Standards gegründet wurden. Vielmehr zeichnet sich die deutsche
Struktur durch einen Aufbau aus, in dem Ethik-Maßnahmen indirekt geregelt sind. Die USA
hingegen haben eine längere Tradition in ihrer Ethik-Infrastruktur. Seit den 1950er Jahren
existieren Maßnahmen und Institutionen, die sich ausschließlich mit der Prävention, Kontrolle
oder Sanktion ethischen (Fehl-) Verhaltens auseinandersetzen. Diese Entwicklung kann
jedoch durchaus kritisch betrachtet werden. So sprechen einige Autoren aufgrund des dichten
und unübersichtlichen Geflechts an Regeln, Verboten und Institutionen von einem „Ethics
Supermarket“ oder gar einer „Ethics Explosion“47 in den USA.
In beiden Fällen muss jedoch erklärt werden, dass einer
der wichtigsten
Einflussfaktoren für die Zunahme von Ethikmaßnahmen der Vertrauensverlust und der damit
drohende Legitimationsverlust in der Wahlbevölkerung ist. Ethikmaßnahmen können also
(präventiv oder sanktionierend) die Probleme in der Beziehung zwischen Bürger und
öffentlichen Sektor verringern oder überwinden. Dass die genannten Ethik-Maßnahmen
bisweilen sogar kontraproduktiv wirken können, wird im direkten Vergleich der USA mit
Deutschland sichtbar. In den USA spielt die Signalfunktion, die von Ethik-Maßnahmen
ausgeht, eine besondere Rolle. Dies spiegelt sich vor allem in dem sog. „AppearanceStandard“ wieder, nach dem Personen in öffentlichen Ämtern sich nicht nur an die Regeln
halten, sondern auch Verhaltensweisen, die zwar regelkonform sind, zugleich aber den
Anschein moralischer Fehlbarkeit erwecken können, vermeiden sollen.
47
Vgl. Behnke: S. 204
20
Aufgrund der vagen Formulierung des „Appearance-Standards“, der Tatsache, dass für die
Bevölkerung häufiger der Eindruck ethischen Fehlverhaltens entsteht, als es in Wirklichkeit
vorkommt und der Eigendynamik des „Appearance-Standards“, der die Gefahr beinhaltet,
dass Politiker und Exekutivmitarbeiter mehr Mühe darauf verwenden, den Anschein von
Fehlverhalten anstatt echtes Fehlverhalten zu verhindern, kann jedoch die Wirksamkeit
bezweifelt werden.48
Abschließend kann, unter Bezugnahme auf die zentralen Schlussfolgerungen Behnkes,
festgehalten werden, dass der „institutionelle Instrumentenkasten“49 des politischen Systems
maßgeblich bestimmt, welche institutionellen Lösungen in einem Land als Reaktion auf die
Normnachfrage implementiert werden können. Dies beeinflusst wiederum die Effektivität und
Akzeptanz neuer Ethik-Maßnahmen. Dabei stellt in Deutschland das Rechtssystem
tendenziell ein Trägheitsmoment in Hinblick auf Reformen dar, während sich in den USA
eine inkrementelle Fortentwicklung konstatieren lässt und interessierte Gruppen neue
Lösungsansätze bereitstellen und deren Umsetzung einfordern. In beiden Ländern spielen
dementsprechend Ethik-Maßnahmen im Kontext des politischen Systems eine wichtige Rolle,
wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten.
48
49
Vgl: Behnke: S. 207
Ebenda: S. 242
21
Literaturverzeichnis
Behnke, Nathalie, 2004: Ethik in Politik und Verwaltung. Entstehung und Funktionen
ethischer Normen in Deutschland und den USA, Baden-Baden.
Dudenredaktion (Hrsg.), 2001, Duden. Das Fremdwörterbuch, Mannheim.
Dudenredaktion (Hrsg.), 2000, Duden. Die deutsche Rechtschreibung, Mannheim.
Internet
Gabler, Wirtschaftslexikon, online, URL:
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/ethik.html,
[Zugriff am 09.07.2010, 12:59 Uhr].
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