Peter Härtling Dramatisierung von Betty Hensel Wir bedanken uns bei Wolfgang Dauner für sein musikalisches Geschenk. Dank an: Joachim Henn für die dramaturgische Beratung, Claudia Sendlinger und Tante Hilde. Mit freundlicher Unterstützung der DAKS Stiftung Stuttgart Große, kleine Schwester Impressum Herausgeber: Theater Rampe Spielzeit: 2008/2009 Künstlerische Leitung: Eva Hosemann Redaktion: Friederike van Dülmen, Betty Hensel, Randi Bubat Gestaltung: Friederike van Dülmen Fotos: Lutz Schelhorn Theater Rampe | Filderstraße 47 | 70180 Stuttgart Karten: 0711. 620 09 09 - 16 | Info: 0711. 620 09 09 - 0 www.theaterrampe.de Uraufführung von Peter Härtlings Große, kleine Schwester Dramatisierung von Betty Hensel Lea Ruth Dramatisierung und Regie Ausstattung Musik Lichtgestaltung Videogestaltung | Ton Regieassistenz Ausstattungsassistenz Choreographische Beratung Technik Bühnenbau | Baumskulptur Kostümanfertigung Technische Leitung Produktionsleitung Petra Weimer Susanne Weckerle Betty Hensel Randi Bubat Wolfgang Dauner Ingo Jooß Thomas Pfisterer Matthias Michaelis Janina Manske, Mia Odermatt Christine Chu Sebastian Dierer Stephen Herter Ingrid Binsch Ingo Jooß Bine Schulz Aufführungsdauer: 1 Stunde 30 Minuten, ohne Pause Aufführungsrechte: Rowohlt Theater Verlag, Reinbek bei Hamburg Der Roman „Große, kleine Schwester“ von Peter Härtling ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen, die Taschenbuchausgabe ist bei dtv erhältlich. Premiere: 12. November 2008 weitere Vorstellungen: 13. - 15. November, 18. - 22. November 2008 12., 13., 14., 16., 19. - 23. Mai 2009 2 Susanne Weckerle (Schauspiel) Susanne Weckerle wurde 1964 in Hamburg geboren. Sie erhielt ihre Schauspielausbildung an der Hochschule für bildende Künste in Berlin und übernahm verschiedene Fernseh- und Filmrollen. Seit 1992 arbeitet sie regelmäßig an Theaterhäusern, so am Schauspiel Graz, am Nationaltheater Mannheim, am Staatstheater Stuttgart, am Theater Rampe in Stuttgart und an den Landesbühnen in Esslingen und Tübingen. Sie lehrt Theatergeschichte an der Staatlichen Akademie für Bildende Künste in Stuttgart und an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Petra Weimer (Schauspiel) Petra Weimer wurde 1960 in Leverkusen geboren. Schauspielstudium an der Universität der Künste Berlin und in New York. Tourbegleiterin bei „Mahabarata“ von Peter Brook. Ensemblemitglied am Schauspielhaus Frankfurt und am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Diverse Gastveträge. Gründungsmitglied des Healing Theatre Köln. Diverse Film- und Fernsehrollen. Kölner Theaterpreis 1991. Seit 1999 ist sie am Theater Rampe als Dramaturgin, Schauspielerin und Regisseurin tätig. Zuletzt führte sie Regie bei der Uraufführung von „HesseIndia“. Wolfgang Dauner (Komponist) Wolfgang Dauner geboren 1935 in Stuttgart. Er gründete 1963 das Wolfgang Dauner Trio mit Eberhard Weber und Fred Braceful. Leitete und produzierte am SDR von 1969 bis 1982 die Radio Jazz Group Stuttgart bei der im Laufe der Zeit über 200 nationale und internationale Jazzmusiker mitwirkten. Mit seiner Gruppe Et Cetera war Dauner ein Pionier des elektronischen Avantgarde-Jazz. Er gründete 1974 das United Jazz And Rock Ensemble. Preisgekrönte Alben u.a. „The Break Eaven Point“, schrieb die Jazz-Oper „Der Urscherei“. Eigene Fernsehserie „Glotzmusik“ zur Vorschulzeit. Langjähriger Partner von Albert Mangelsdorff. Filmkomponist, Dauersieger in europ. Polls. Gast bei nahezu allen wichtigen Festivals. Spielte u.a. mit Chet Baker, Elvin Jones, Eddie Gomez und Stan Getz. Wolfgang Dauner erhielt für seine herausragenden Verdienste 2005 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Peter Härtling (Autor) Peter Härtling geboren am 13. November 1933 in Chemnitz, Gymnasium in Nürtingen bis 1952. Danach journalistische Tätigkeit; von 1955 bis 1962 Redakteur bei der „Deutschen Zeitung“, von 1962 bis 1970 Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Monat“, von 1967 bis 1968 Cheflektor und danach bis Ende 1973 Geschäftsführer des S. Fischer Verlages, Seit Anfang 1974 freier Schriftsteller. Für sein Werk wurden ihm u.a. 2005 der Deutsche Bücherpreis und 2007 der Ehrenpreis der Internatinalen Buchpreise Corine verliehen. 15 Betty Hensel (Regie und Dramatisierung) Betty Hensel ist seit 1998 als freischaffende Theaterregisseurin, Coach und Kommunikationstrainerin tätig. Sie inszenierte u.a. am Staatstheater Braunschweig, an den Wuppertaler Bühnen, am Theater Strahl Berlin, der Württembergischen Landesbühne Esslingen, am Theater Rampe in Stuttgart, dem Landestheater Salzburg und dem Schauspielhaus Salzburg. Die Dramatisierung von Drehbüchern und Romanen ist ein Schwerpunkt ihrer Arbeit. Neben „Große, kleine Schwester“ hat sie den Oscar nominierten Film „Nachts, wenn der Tag beginnt“ für das Theater Rampe dramatisiert und inszeniert sowie auch den Film „Sophie Scholl – die letzten Tage“ für das Schauspielhaus Salzburg. Beide Bühnenfassungen erscheinen beim Fischer Verlag. Ebenso ist sie als Übersetzerin von Theaterstücken aus dem Englischen tätig und hat einen Lehrauftrag für Theaterpädagogik inne. Betty Hensel arbeitet als Coach und Kommunikationstrainerin und gibt Seminare für Führungskräfte, Mitarbeiter und Auszubildende, u.a. bei Daimler, dm-drogeriemarkt und der Kreissparkasse. Inhalt Im Schicksal zweier Schwestern spiegelt sich die Geschichte: Lea und Ruth stammen aus einem Ort, der einmal Brünn hieß und in dem Deutsche und Tschechen, Juden und Christen zusammenleben. Der Nationalsozialismus und seine Folgen haben dieses Leben zerstört, die Schwestern aus ihrer bürgerlichen Welt gerissen und nach Schwaben verschlagen. - „Härtling hält Zeitgeschichte und indivuduelles, Familienschicksal in bewundernswerter Schwebe, Privates und Politisches verschmilzt zu einem exemplarischen Zeitbild... Ein großer Roman, der durch seine Umnaufdringklichkeit um so nachdrücklicher auf den Leser einwirkt“. (Martina Gollhardt in der „Welt am Sonntag“). Randi Bubat (Ausstattung) „Der Raum zwischen Haut und Stoff ist für mich das Wichtigste“, formuliert Randi Bubat ihren Anspruch an sich selbst. In all ihren Projekten setzt sie sich intensiv mit Raum, Zeit, Musik, Choreographie, Sprache und Dramaturgie des Werkes auseinander, das sie ausstattet und inszeniert. Ihre Schöpfungen aus Faden und Stoff, Licht und Schatten fügt sie dann in multimediale Gestaltungszusammenhänge, dem Brennpunkt ihres künstlerischen wie theoretischen Interesses. Geprägt von der Zusammenarbeit mit William Forsythe und Klaus Zehelein entwirft sie Kostüme für die Frankfurter Oper, das Basler Theater, die Wiener Festwochen, die Staatsoper unter den Linden, das Stuttgarter Ballett, das Aalto Ballett Essen sowie am Théâtre Capitole. Weitere konzeptionelle und interdisziplinäre Projekte und Veröffentlichungen folgen für Kunstausstellungen, Performances, Film und Fernsehen. Als Stylistin entwirft sie für internationale Firmen Fotokonzepte und arbeitet als Bildgestalterin vor der Kamera. Als Dozentin für visuelles, ästhetisches Kommunikationsdesign, unterrichtete sie zwölf Jahre an der FH für Gestaltung Würzburg und an der Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald. 14 3 Peter Härtling Es ist ein einzigartiges, bewegtes Leben und die Geschichte einer ganzen Generation: Eine Kindheit im Krieg, eine grausame Flucht, ein schwieriger Neuanfang, eine rasante Karriere - und eine große, lebenslange Liebe. Nürtingen 1946: Der 13-jährige Flüchtlingsjunge Peter Härtling muss nach einer traumatisierenden Kriegskindheit einen neuen Anfang versuchen. Mühsam findet der früh Verwaiste Halt und Vertrauen, beginnt zu dichten, verlässt die Schule und probiert sich in verschiedenen Zeitungsredaktionen aus. Als junger Journalist und Buchautor zieht er von Nürtingen nach Köln, heiratet, geht nach Berlin und machte Ende der 60er Jahre in Frankfurt als Verlagsleiter Karriere, um nur wenig später einen weiteren Anfang zu wagen: Als freier Autor, der zum beliebten und vielfach ausgezeichneten Schriftsteller wird - und doch immer die Fremde der frühen Jahre spürt. Es ist das Leben eines Suchenden, der in Zeilen zu Hause ist, der nicht aufhören kann zu schreiben - zusehends gegen die Geister der Zeit. Ein Wanderer, der fällt, wieder aufsteht und der in Grenzgängern Weggefährten findet, in Hölderlin, Schubert, Schumann, E.T.A. Hoffmann sowie den nahen „Verwandten“ seiner Jugendbücher. Einer, der zeitlebens zum Kinde reift und den die große Liebe zu seiner Frau durchs Leben trägt. Aus: Detlef Berentzen: „Vielleicht ein Narr wie ich“. Peter Härtling. Das biographische Lesebuch. Köln 2006. 4 13 Spinnennetze Viele Spinnenarten fangen Insekten in ihrem Netz aus Seidenfäden. Spinnen sind sofort nach der Geburt in der Lage ein perfektes Netz zu spinnen, die Fähigkeit ist also angeboren. Die Seide, aus der Spinnennetze größtenteils bestehen, ist ein Protein, das in den Warzen zu Fäden gesponnen wird und sich erst an der Luft verfestigt. Nicht alle Seidenfäden sind gleich. Radialfäden und der Rahmen sind besonders fest und erhalten die Grundstruktur des Netzes. Die Fäden der Fangspirale sind hochelastisch und damit in der Lage, Stöße, z.B. durch gefangene Insekten abzufedern. Spinnen nutzen ihre Spinnseide auch für Sicherheitsfäden, mit deren Hilfe sie ihren Weg wiederfinden und sich auffangen können, wenn sie fallen. Spinnen warten entweder im Netz auf die Beute oder sind über einen Signalfaden, der die Vibrationen überträgt, mit dem Netz verbunden. Spinnen müssen ihr Netz ständig reparieren, da die Klebefäden austrocknen können. Außerdem können größere Insekten wie beispielsweise Wespen ein Spinnennetz stark beschädigen, bevor sie entweder wieder freikommen oder von der Spinne überwältigt werden. Beim Neubau oder der Reparatur eines Netzes frisst die Spinne die Seide des alten Netzes auf und verarbeitet diese wieder zu neuer Spinnseide. Es gibt vier grundlegende Netzarten: das Radnetz, das Trichternetz, das Deckennetz und das Raumnetz. 12 Wenn jeder eine Blume pflanzte, jeder Mensch auf dieser Welt, und, anstatt zu schießen, tanzte und mit Lächeln zahlte, statt mit Geld wenn ein jeder einen andern wärmte, keiner mehr von seiner Stärke schwärmte, keiner mehr den andern schlüge, keiner sich verstrickte in der Lüge wenn die Alten wie die Kinder würden, sie sich teilten in den Bürden, wenn dieses Wenn sich leben ließ, wär’s noch lang kein Paradies bloß die Menschenzeit hätt angefangen, die in Streit und Krieg uns beinah ist vergangen. Peter Härtling 5 6 11 Die Schwestern Sieh, wie sie dieselben Möglichkeiten anders an sich tragen und verstehn, so als sähe man verschiedne Zeiten durch zwei gleiche Zimmer gehn. Jede meint die andere zu stützen, während sie doch müde an ihr ruht; und sie können nicht einander nützen, denn sie legen Blut auf Blut, wenn sie sich wie früher sanft berühren und versuchen, die Allee entlang sich geführt zu fühlen und zu führen: Ach, sie haben nicht denselben Gang. Rainer Maria Rilke 10 7 8 9