TIERGESUNDHEIT PRRS-Impfstoff: Tot oder lebend? In puncto PRRS-Impfung ist die Tierärzteschaft uneins. Die einen misstrauen dem Lebendimpfstoff und wechseln zur Totvakzine. Die anderen halten an der klassischen Impfstrategie fest. Was ist richtig? D as kann doch nicht war sein! Da kann ich mir die PRRS-Impfung ebenso gut sparen“, empörte sich kürzlich ein Ferkelerzeuger aus dem Emsland, nachdem er in seinem Sauenbestand plötzlich wieder typische PRRS-Symptome beobachtete. Obwohl er den Bestand seit Jahren konsequent alle vier Monate mit der Lebendvakzine gegen PRRS impft. Die Sauen zeigten die typischen Symptome wie zu Beginn des PRRS-Seuchengeschehens Anfang der 90er Jahre. Zudem rauschten etliche Sauen um oder verferkelten, teilweise sogar bis zum 70. Tag nach dem Belegen. Fakt ist, dass sich die PRRS-Probleme seit einiger Zeit offensichtlich wieder verschärfen. Tierärzte und Landwirte sind deshalb verunsichert. Bieten die vorhandenen Vakzinen und die klassischen Impfschemata keinen ausreichenden Schutz mehr? Gibt es inzwischen neue PRRS-Stämme? Oder ist das Impfvirus selbst so aggressiv, dass es die Sauen krank macht und man besser auf die inaktivierte Totvakzine umsteigen sollte? Einige Herden laufen nach der Impfung aus dem Ruder Zugegeben: Extreme Beispiele wie das aus dem Emsland sind gottlob eher die Ausnahme als die Regel. In den meisten Sauenherden funktioniert die Impfung mit der Boehringer Lebendvakzine „Ingelvac PRRS MLV“ offensichtlich nach wie vor gut – insbesondere dort, wo kontinuierlich und systematisch nach einem festen Schema geimpft wird. „Doch seit einiger Zeit beobachten wir auch immer wieder Sauenherden, die auf den Lebendimpfstoff sensibel reagieren“, gibt Dr. Christoph Sudendey von der Veteri- S 6 top agrar 5/2004 närgesellschaft im Bundes-Hybridzuchtprogramm (BHZP) zu bedenken. Diese Betriebe weisen u. a. erhöhte Umrauscher- und Totgeburtenraten auf. „Deshalb haben wir die PRRS-Impfung in diesen Beständen versuchsweise auf den Totimpfstoff umgestellt“, schildert Dr. Sudendey. Auch etliche Betriebe, die neu in die PRRS-Impfung eingestiegen sind, starteten mit der inaktivierten Vakzine. Unter dem Strich impfen heute rund zwei Drittel der insgesamt 90 BHZPVermehrungsbetriebe in Weser-Ems und Westfalen mit der Totvakzine und ein Drittel mit dem Lebendimpfstoff. Und damit steht die Veterinärgesellschaft nicht allein da. Obwohl der gemeinsam von Boehringer und Merial entwickelte Totimpfstoff anfänglich nur als „Notlösung“ für PRRS-freie Vermehrerbetriebe empfohlen wurde – zumindest von Boehringer – sind bundesweit inzwischen etliche Tierarztpraxen ganz oder teilweise auf die inaktivierte Vakzine umgestiegen, die von Merial unter dem Produktnamen „Progressis“ und von Boehringer als „Ingelvac PRRS KV“ vertrieben wird. Boehringer geht davon aus, dass bundesweit inzwischen etwa 20 % aller Sauen mit der inaktivierten Vakzine geimpft werden. Merial schätzt den Anteil sogar auf 40 %! Etliche Tierärzte misstrauen der Lebendvakzine Für einige Tierärzte waren dabei die mitunter auftretenden Impfreaktionen der Auslöser. Denn es kommt immer wieder einmal vor, dass die Sauen nach der Impfung mit dem Lebendimpfstoff nicht fressen wollen, fiebern, umrauschen oder verferkeln. „Etliche Tierärzte hegen aber auch ein gesundes Misstrauen gegenüber Lebendimpfstoffen“, weiß Dr. Hendrik Nienhoff vom Schweinegesundheitsdienst Hannover aus Gesprächen mit Berufskollegen. Sie fürchten, dass das Impfvirus in der Herde unkontrolliert zirkulieren und womöglich sogar eine „schleichende Klinik“ hervorrufen könnte. Dass das Impfvirus von Tieren, die mit dem Lebendimpfstoff behandelt wurden, weitergegeben und über Jungsauen sogar in Herden gelangt, die gar nicht geimpft wurden, bestreiten auch die beiden Her- Impfung allein löst das Problem nicht! K eine Frage: Die Impfung hat uns bei der PRRS-Bekämpfung einen deutlichen Schritt nach vorn gebracht. Lösen werden wir das Problem mit Impfmaßnahmen allein jedoch nicht. Sie können bestenfalls dazu beitragen, die Herden zu stabilisieren und das klinische Bild der PRRS aus den Beständen zu verdrängen“, ist Dr. Josef SchulteWülwer vom Schweinegesundheitsdienst der Landwirtschaftskammer Weser-Ems überzeugt. Entscheidend ist vielmehr, dass parallel zur Impfung auch das Management optimiert wird. Dazu gehört z. B. ein Quarantänestall für die Jungsauen und eine gut organisierte Eingliederung, die von einer sauberen Diagnostik begleitet wird. Und für das Flatdeck gilt: Eine möglichst saubere Trennung vom Sauenbereich, ein striktes StallRein-Raus, kein Überbelegen der Buchten und frühes Trennen von Kümmerern! „Mit Pauschalempfehlungen kommen wir bei der PRRS-Bekämpfung nicht weiter. Stattdessen müssen betriebsindividuelle Lösungen erarbeitet werden – sowohl beim Management als auch für die Impfung“, ist Dr. Christoph Sudendey von der BHZP-Veterinärgesellschaft überzeugt. -lh- S C H W E I N Zahlreiche Tierärzte und Landwirte misstrauen der PRRS-Lebendvakzine und impfen ihre Sauen stattdessen mit dem Totimpfstoff. Doch reicht dessen Impfschutz aus? Fotos: Heil die geringen Abweichungen, die sich im Moment im Rahmen virologischer Untersuchungen hin und wieder feststellen lassen, von unserem Impfstoff sicher abgedeckt werden.“ Deutliche Zunahme der Co-Infektionen steller von PRRS-Lebendvakzinen Boehringer und Intervet nicht. Die Frage ist jedoch, ob es dabei auch Schaden anrichtet. Theroretisch ist es durchaus denkbar, dass das PRRS-Impfvirus im Rahmen einer Rückmutation seine krankmachenden Eigenschaften wiedererlangt. Denn namhafte Virologen bestätigen, dass kein anderes Virus aus dem tierischen Bereich so variationsfreudig ist wie der PRRSErreger, nicht einmal das MKS-Virus. Aus Dänemark und den USA gibt es dazu wissenschaftliche Untersuchungen, deren Aussagekraft von Boehringer allerdings bezweifelt wird. Und auch in Deutschland hört man aus der Praxis von einzelnen Verdachtsfällen. Wissenschaftlich bewiesen werden konnte die so genannte „Reversion zur Virulenz“ bislang allerdings nicht. Nach Auskunft von PRRS-Expertin Dr. Gabriele Schagemann von Boehringer Ingelheim ist weder das Impfvirus aggressiver geworden, noch stellen die genetischen Veränderungen des Feldvirus ein Problem dar: „Die europäischen PRRS-Isolate, die wir in den letzten Jahren in Deutschland gefunden haben, weichen zwar teilweise mehr als 20 % von dem seit 1991 bekannten Lelystad-Virus ab. Wir wissen jedoch, dass der amerikanische Impfstamm sogar eine Abweichung von 40 % von den europäischen Feldviren aufweist und trotzdem seit Jahren einen zuverlässigen Schutz bietet. Deshalb gehen wir davon aus, dass auch Bleibt die Frage, warum die Impfung mit dem PRRS-Lebendimpfstoff in einigen Sauenherden dennoch nicht funktioniert. Eine der Ursachen mag die nachlassende Impfmoral sein. „Etliche Betriebe haben aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation nicht konsequent durchgeimpft. Es sind Betriebe aus der Impfung ausgestiegen, die sich das eigentlich gar nicht leisten können. Das gilt sowohl für PRRS als auch für Parvo“, hat Dr. Thomas Noé, Virologe der Firma Merial, beobachtet. Darüber hinaus berichten viele Tierärzte aber auch von einem deutlichen Anstieg der Begleitinfektionen. Circoviren beispielsweise lassen sich inzwischen in nahezu jedem Bestand nachweisen. „Es wird vermutet, dass das PCV2-Virus die Placenta schädigt, hier eine Entzündung verursacht und sie dadurch für andere Erreger durchlässiger macht. Die PRRS ist in diesem Fall nur ein Nebenbefund. Verferkelt haben die Sauen jedoch aufgrund der Infektion mit dem Circovirus“, schildert Dr. Noé mögliche Zusammenhänge. In einigen Fällen sind derartige Bestände gesundheitlich komplett zusammengebrochen, sobald hier mit der Lebendvakzine gegen PRRS geimpft wurde. Die Circo-bedingten Verluste schossen nach der Impfung zum Teil explosionsartig in die Höhe. Daneben spielt auch die Influenza eine entscheidende Rolle, ist Dr. Noé überzeugt: „Das Influenza-Geschehen hat sich allerdings gewandelt. Die Infektion verläuft inzwischen nicht mehr explosionsartig, sondern schleichend. Die Influenza-Viren springen von einem empfänglichen Tier auf das nächste.“ Hinzu kommen bakterielle Begleitinfektionen, bei den Sauen vor allem hervorgerufen durch Leptospiren. Doch da ist offensichtlich noch mehr. „Denn es fällt auf, dass sich der Gesundheitszustand und die Immunitätslage der Sauen in den letzten Monaten drastisch top agrar 5/2004 S7 TIERGESUNDHEIT verschlechtert hat“, schildert Frau Dr. Schagemann ihre Eindrücke aus Problembetrieben. In diesem Zusammenhang wird von Experten immer wieder die Mykotoxinbelastung des Futters genannt. Denn die Pilzgifte haben erwiesenermaßen eine immunsuppressive Wirkung, d. h. sie unterdrücken die immunologische Reaktion des Organismus auf die Impfung. Sind Mykotoxine schuld? Zwar sah die Ernte des vergangenen Jahres insgesamt gar nicht so schlecht aus, denn aufgrund der trockenen Witterung war die Pilzbildung gering. „Die Hitze hat die wenigen Pilze offensichtlich jedoch enorm gestresst, so dass dadurch deren Mykotoxinbildung auf einigen Ackerflächen um so intensiver ausfiel“, mutmaßt Frau Dr. Schagemann. Zudem findet man immer wieder Sojaschrotpartien, die hochgradig belastet sind. Erstaunlicherweise werden aber auch im Organismus der Schweine selbst zurzeit große Mykotoxinmengen freigesetzt. Die Toxine gelangen über den enterohepathischen Kreislauf mit dem Gallensaft in den Verdauungstrakt und werden über den Darm von den Tieren erneut aufgenommen. Eine mögliche Erklärung wäre, dass die Sauen während der Hitzeperiode des vergangenen Sommers weniger Futter aufgenommen haben. Deshalb waren die Tiere gezwungen, vermehrt Fettdepots einzuschmelzen, inklusive der darin gespeicherten Mykotoxine. „Möglicherweise spielt aber auch das Fütterungsverbot tierischer Eiweiße eine Rolle. Denn die Schweine wurden per Gesetz zu Vegetariern gemacht, obwohl sie von Natur aus Allesfresser sind, die auch auf tierische Eiweiße nicht verzichten können“, gibt Dr. Gabriele Schagemann zu bedenken. Fakt ist, dass alle aufgezählten Belastungsfaktoren gemeinsam das Immunsystem der Schweine zurzeit auf eine harte Probe stellen. Und wenn dann noch eine Impfung mit einem Lebendimpfstoff hinzukommt, bricht das System in einigen Beständen zusammen wie ein Kartenhaus. Denn der Organismus muss sich mit einem weiteren lebenden Virus, diesmal dem aus dem Impfstoff, auseinandersetzen. Die Impfung ist dann der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Reicht der Impfschutz der Totvakzine? Das würde erklären, warum etliche Tierarztpraxen mit dem Wechsel zur PRRS-Totvakzine so gute Erfahrungen gemacht haben. Denn der inaktivierte Impfstoff ist deutlich milder. Mit ihm las- S 8 top agrar 5/2004 sen sich offensichtlich einige Sauenherden wieder stabilisieren, ohne das Immunsystem zusätzlich zu belasten. „Mit dem Wechsel des PRRS-Impfstoffes kamen diese Bestände zur Ruhe, fanden ihr Gleichgewicht wieder“, schildert Dr. Sudendey seine Eindrücke. „Das gilt besonders für Betriebe, in denen das PRRS-Virus gar nicht die eigentliche Ursache des Abortgeschehens war, sondern nur eine Begleitinfektion. Deshalb ist es so wichtig, klinisch und labordiagnostisch genau abzuklären, wel- scher auf. Erst durch die Rückkehr zum Lebendimpfstoff bekamen wir die Probleme schließlich wieder in den Griff“, schildert Dr. Zander seine Erfahrungen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie belastbar der Impfschutz durch die Totvakzine ist. Laut Lehrbuch kann der Impfschutz, der von einem inaktivierten Impfstoff ausgeht, niemals so intensiv sein wie der einer Lebendvakzine. Denn eine Totvakzine aktiviert nur das humorale Immunsystem, das für die Produktion von Antikörpern in Blut zuständig ist. Lebendimpfstoffe hingegen regen sowohl das humorale als auch das zelluläre Abwehrsystem an, bei dem bestimmte Abwehrzellen darauf trainiert werden, den Erreger selbst oder von ihm infizierte Zellen zu vernichten. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sich der von der PRRS-Totvakzine gebildete Impfschutz verbessern lässt, wenn das Tier vor der Impfung bereits Kontakt mit dem PRRS-Feldvirus oder der Lebendvakzine hatte. Die Impfung mit der inaktivierten Vakzine soll dann wie eine „Boosterung“ wirken. Wissenschaftlich bewiesen ist dies bislang jedoch nicht. Der Erregerdruck ist entscheidend Noch im Laufe dieses Jahres soll die Intervet-Lebendvakzine „Porcilis PRRS“ auch für Sauen zugelassen werden. che Erreger im Bestand Probleme bereiten“, rät Frau Dr. Schagemann. Die richtige Interpretation der Laborergebnisse ist seit der Umstellung des Elisa-Tests jedoch deutlich schwieriger geworden (siehe Kasten rechte Seite). Deshalb lassen die meisten Tierärzte inzwischen zusätzlich einen virologischen Nachweis nach dem PCR-Verfahren durchführen. Die Umstellung auf die Totvakzine war jedoch nicht überall erfolgreich. Einige Veterinäre wie z. B. Dr. Thomas Zander aus dem bayerischen Lindenberg erlebten mit dem Totimpfstoff auch teilweise eine Bauchlandung. „Trotz vorschriftsmäßig durchgeführter Impfung mit der inaktivierten Vakzine tauchten plötzlich wieder die alten PRRS-Probleme wie Verferkelungen und Umrau- Dennoch ist fraglich, ob der von der Totvakzine gebildete Impfschutz auch einem hohen Infektionsdruck standhält. Die Entscheidung, ob nun der PRRS-Lebend- oder der Totimpfstoff zum Einsatz kommen soll, lässt sich daher nur einzelbetrieblich treffen. Entscheidend ist dabei der Erregerdruck im Bestand. Nebenbei bemerkt ist die Totvakzine produktionsbedingt auch 50 bis 70 % teurer als der Lebendimpfstoff. „In Sauenbetrieben, in denen der bisher verwendete PRRS-Impfstoff keine Probleme bereitet, sollte man tunlichst nichts ändern. Die Impfung muss jedoch unbedingt labordiagnostisch begleitet werden“, so Dr. Josef Schulte-Wülwer vom Schweinegesundheitsdienst der Landwirtschaftskammer Weser-Ems. Betriebe, die zusätzlich auch die Ferkel impfen, sollten seiner Ansicht nach ebenfalls bei der Lebendvakzine bleiben. „Denn im Abferkelbereich dürfen in Deutschland wegen der fehlenden Zulassung zur Zeit nur Lebendimpfstoffe eingesetzt werden. Überall dort, wo die Ferkel gegen PRRS geimpft werden und sich Flatdeck, Abferkelabteil und Wartestall nicht sauber voneinander trennen lassen, sollte deshalb auch bei den Sauen vorrangig ein PRRS-Lebendimpfstoff eingesetzt werden“, rät Dr. Schulte-Wülwer. Denn hier lässt sich ein Übertritt des Impfvirus nicht verhindern. In Betrieben mit nachweislich geringem Infektionsdruck und Sauenherden, S C H W E I N Probleme bei der Labor-Diagnostik S eitdem die Firma Idex im Mai 2002 ihren Elisa-Test umgestellt hat, ist es wesentlich schwieriger, die ausgewiesenen PRRS-Antikörpertiter richtig zu interpretieren. Denn der Test ist deutlich sensibler geworden. „Früher konnte man bereits drei Wochen nach der Impfung anhand des Elisa-Tests deutlich unterscheiden, ob es sich um eine Feldvirus- oder eine Impfreaktion handelt. Denn der Impftiter ging zu diesem Zeitpunkt bereits wieder deutlich zurück. Seit der Umstellung sind die Ausschläge beider Titer jedoch gleich hoch“, beklagt Dr. Hendrik Nienhoff. Boehringer verweist zwar darauf, dass eine sichere Unterscheidung dennoch möglich sei. Man müsse sich nur bis zur 12. bis 16. Woche nach der Impfung gedulden. Nach Ansicht von Dr. Katrin Strutzberg von der Gesellschaft für innovative Veterinärdiagnostik (IVDGmbH) in Hannover gelingt dies jedoch nur dann hundertprozentig, wenn neben der PRRS nicht noch zusätzlich andere Erreger Probleme im Bestand bereiten. Da die serologischen Ergebnisse allein keine Rückschlüsse auf das Infektionsgeschehen zulassen, sind die meisten Tierärzte inzwischen dazu übergegangen, den Elisa-Test mit einem virologischen Nachweis nach dem PCR-Verfahren zu kombinieren. „Letztlich entscheidend ist dann jedoch immer die klinische Diagnose im Stall“, gibt Dr. Christoph Sudendey zu bedenken. Landwirte und Tierärzte dürfen sich niemals blind auf die Laborergebnisse verlassen. „Wichtig ist zudem, dass man sich nicht mit dem erstbesten Ergebnis zufrieden gibt, das PRRS-Erreger im Betrieb nachweist. Stattdessen sollte auch immer sorgfältig auf mögliche BegleitInfektionen untersucht werden“, rät Dr. Josef Schulte-Wülwer. Einige Labors wie das Landeslabor SchleswigHolstein in Neumünster bieten zu diesem Zweck inzwischen vergleichsweise kostengünstige „Multiplex-PCR“-Analysen an. -lh- in denen das aktuelle Abortgeschehen womöglich gar nicht durch PRRS verursacht wird, oder in denen eine massive Belastung durch Co-Erreger bzw. Mykotoxine vorliegt, kann der Wechsel zur PRRS-Totvakzine dagegen eine sinnvolle Alternative sein. Eine echte Alternative ist die Totvakzine zudem für Bestände, in denen bislang noch nicht gegen PRRS geimpft wurde. Ihnen bietet der Totimpfstoff die Möglichkeit, sich vor einer Infektion zu schützen, ohne über den Impfstoff lebendes Virusmaterial in den Bestand ge- langen zu lassen. Sinn macht der Einsatz der Totvakzine auch in Vermehrerbetrieben, die die ausgelieferten Jungsauen schützen wollen, selbst jedoch nachweislich PRRS-frei sein müssen“, empfiehlt Dr. Hendrik Nienhoff. „Denkbar ist der Wechsel zur Totvakzine zudem für Betriebe, in denen der PRRS-Druck nachweislich nachlässt und die sich auf diese Weise stückweise aus der Impfung zurückziehen wollen. Denn über die Impfung mit Lebendimpfstoff würde laufend neues Virusmaterial nachgeschoben“, gibt Prof. Dr. Karl Heinrit- zi, Leiter der Klinik für Schweine in München, zu bedenken. Ein Beispiel für einen derartigen „schleichenden Ausstieg“ liefert die Viehzentrale Südwest (VZ), die in einigen Systemen, die nachweislich rund laufen, jetzt vom Lebendauf den PRRS-Totimpfstoff umstellt. Wir fassen zusammen Rund um das Thema PRRS-Impfung von Sauen herrscht bei Tierärzten und Landwirten im Moment große Verunsicherung. Probleme in Impfbetrieben haben eine Diskussion um den PRRS-Lebendimpfstoff ins Rollen gebracht. Etliche Praxen haben die PRRS-Impfung daraufhin ganz oder teilweise auf den Totimpfstoff umgestellt. Die Umstellung auf die inaktivierte Vakzine verlief jedoch nicht immer erfolgreich. Vermutlich ist der Infektionsdruck in der Herde ausschlaggebend. In Beständen mit geringem Erregerdruck, Betrieben, die neu in die PRRS-Impfung einsteigen oder Vermehrerbeständen, die die auszuliefernden Jungsauen schützen wollen, ohne mit dem Lebendvirus in Kontakt zu kommen, kann die Umstellung auf die Totvakzine eine Alternative sein. Das gilt auch für Bestände mit nachlassendem Erregerdruck, die sich schrittweise aus der Impfung verabschieden wollen. Überall dort, wo der PRRS-Druck jedoch unverändert hoch ist, nachweislich PRRS-Erreger im Bestand zirkulieren, die Jungsaueneingliederung nicht optimal gelöst ist und keine saubere Trennung zwischen Flatdeck und Sauenbereich möglich ist, scheint der PRRS-Lebendimpfstoff nach wie vor die bessere Wahl. Henning Lehnert top agrar 5/2004 S9